Jahresrückblick 2006 - APAP – Antifaschistisches Pressearchiv ...
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(Neo)nazis im Westhavelland <strong>Jahresrückblick</strong> <strong>2006</strong><br />
2.7.2.4. „Julfest“<br />
Das so genannte „Julfest“, Feierlichkeiten zur Wintersonnenwende, wird in der heutigen Zeit von<br />
(Neo)nazis begangen um damit an vermeintliche heidnische Traditionen aus den Epochen vor der<br />
Christianisierung, insbesondere an die der Besiedlung Mitteleuropas durch germanische Stämme, zu<br />
erinnern.<br />
Bereits zur Zeit der NS Diktatur von<br />
1933 bis 1945 gab es Bestrebungen<br />
christliche Feiertage zu germanisieren<br />
und so beispielsweise<br />
das christliche Weihnachtsfest durch<br />
das angeblich „altgermanische“<br />
Julfest zu ersetzen. Der Kirche<br />
wurde nämlich vorgeworfen sich angeblich<br />
der germanischen Bräuche<br />
bemächtigt und kulturschädlich<br />
ausgenutzt zu haben. Deshalb sollten<br />
die christlichen Feiertage durch<br />
nationalsozialistische, wie dem „Tag<br />
der Machtergreifung“ (30. Januar),<br />
dem „Tag der Arbeit“ (1.Mai) , der<br />
„Sommersonnenwende“, dem<br />
Reichsparteitag, dem Erntedankfest<br />
und eben der „Wintersonnewende“<br />
ersetzt werden, wobei für größere<br />
Feiern durch diverse NS<br />
Organisationen, wie beispielsweise<br />
dem SS Amt „Ahnenerbe“ oder der<br />
Freizeitorganisation „Kraft durch<br />
Freude“ ein so genanntes<br />
„arteigenes Brauchtum“ entwickelt<br />
werden sollte. Für Familien wurden<br />
so Leitfäden für „Weihnachten“<br />
herausgegeben, wonach u.a. der<br />
Christbaum durch eine so genannte<br />
„Jultanne“ oder das christliche Kreuz<br />
auf demselben durch ein<br />
Hakenkreuz oder Sonnenrad ersetzt<br />
werden sollte.<br />
1935 wurde das „Julfest“ erstmals im<br />
größeren Umfang durch die<br />
Bild: Liederblatt der NS Organisation „Kraft durch Freude“ für eine<br />
Sonnenwendfeier (Quelle: Fundstück aus Elslaake, Gemeinde Seeblick)<br />
Nationalsozialisten zelebriert, setzte<br />
sich aber größtenteils nur auf<br />
Parteiebene durch.<br />
Auch heute setzt sich diese „Tradition“, wie anfangs erwähnt, in den zum Nationalsozialismus affinen<br />
vereinsähnlichen und parteimäßigen Organisationen der (Neo)nazis fort.<br />
In Rathenow gehört es seit Jahren zu den Gewohnheiten der Kameradschaft „Hauptvolk“ solche<br />
Julfeste in kameradschaftlicher Zusammenkunft abzuhalten.<br />
Im Jahr <strong>2006</strong>, genauer gesagt am Samstag, dem 23. September, fanden Feierlichkeiten zum Julfest<br />
nun erstmals (soweit bekannt) auf dem Gelände des Rathenower NPD Stadtverbandes in der<br />
Schlachthausstraße mit einem dafür üblichen Lagerfeuer statt. Anwesend waren neben NPD<br />
Mitgliedern zeitweilig auch Angehörige der verbotenen Kameradschaften „Sturm 27“ und „Hauptvolk“ /<br />
„Verbotene Freundschaft“.<br />
Daneben zog eine ca. 30 köpfige (Neo)nazigruppe der Kameradschaft „Hauptvolk“, darunter Sandy<br />
Altenhordt, Daniel Kuhn, Jan Dannowski, Brian Friedrichs, Frank Peter Furchtmann, Roberto Lache,<br />
Heiko Riedel, Jens Riedel, Andre´ Kettenbach, David Liß, Matthias Mertens, Michel Müller, Manuel<br />
Zich, Danny Grütte, Marcel Aretz, Andre´ Seltmann, Gunnar Thiele, Stefan Timm, Peter Postolka und<br />
Heiko Rätzsch demonstrativ durch Rathenow, wobei auch die Lokalitäten „Cafe In“ (Schleusenstraße)<br />
und „Wall Hall“ (Jederitzer Straße) angesteuert wurden. Provokativer Höhepunkt der Tour war die<br />
Gaststätte „Dr. Faustus“ neben einem alternativen Jugendtreff in der Goethestraße. Die Polizei war<br />
mit einem größeren Aufgebot im Einsatz um das konkrete Begehen von Straftaten zu unterbinden,<br />
anscheinend jedoch nicht die Aktion an sich.<br />
<strong>Antifaschistisches</strong> Autorenkollektiv 38 von 112