ansehen - Brunel GmbH
ansehen - Brunel GmbH
ansehen - Brunel GmbH
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Das Magazin für Technik und Management<br />
AUSGABE 10 || Februar 2008<br />
Normann Bienwald<br />
und der Knoten >><br />
Milliarden Bauteile<br />
auf kleinstem raum<br />
Miniaturisierung im Nanobereich<br />
Simulation und<br />
Berechnung für 11.000 PS<br />
Entwicklung von Propeller-Triebwerken<br />
Wenn der Berg ruft ...<br />
Der Coaster, die umweltfreundliche Bergbahn
„UNSER SPEZIALIST“<br />
NORMANN BIENWALD<br />
„Starke Knoten verbinden<br />
Dinge sehr zuverlässig miteinander“,<br />
erklärt der 61-jährige<br />
Elektrotechnikingenieur<br />
Normann Bienwald. „Aber sie<br />
können auch wieder gelöst<br />
werden, sind flexibel.“ Ein<br />
guter Projektleiter verknüpft<br />
lose Enden oder schlägt den<br />
berühmten Gordischen Knoten<br />
entzwei, wenn es nötig ist.<br />
Normann Bienwald, der seit<br />
acht Jahren bei <strong>Brunel</strong> arbeitet,<br />
ist aktuell als Projektleiter<br />
auf der Aker MTW Werft beim<br />
Bau der Superfähre Ropax,<br />
eines Eismeerfrachters, im<br />
Einsatz.
editorial<br />
AUSGABE 10 || Februar 2008<br />
DER SPEZIAL IST<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,<br />
was macht eigentlich eine gute Partnerschaft aus? Sind es die gemeinsamen<br />
Ziele und Interessen, Vertrauen und Zuverlässigkeit? Die Parallelen zwi-<br />
schen privaten und geschäftlichen Beziehungen sind dabei oftmals erstaun-<br />
lich. Sind doch die Partner, egal ob in der Ehe oder im Beruf, stets um ein<br />
beständiges, vertrauensvolles Miteinander bemüht. Dazu gehört auch, dass<br />
beiden Partnern genügend Raum bleibt, sich zu entfalten und zu entwickeln.<br />
Unlängst hörte ich ein schönes Beispiel, das die Antwort auf diese Fragen<br />
treffend veranschaulicht. Die Rede war von zwei Bäumen. Werden sie zu<br />
dicht nebeneinander gepflanzt, können die Äste nur begrenzt wachsen und<br />
neue Verästelungen bilden. Zudem nehmen sie sich gegenseitig das Licht,<br />
was eine gesunde Entwicklung zusätzlich erschwert. Partnerschaft braucht<br />
also Raum und nicht Einschränkung durch höheren Druck, um sich gemein-<br />
sam weiterentwickeln zu können.<br />
Eine gute Kunden-Lieferanten-Beziehung beruht letztlich darauf, einen<br />
starken Partner an seiner Seite zu wissen. Je besser dieses partnerschaft-<br />
liche Verhältnis ausgeprägt wird, umso dynamischer gestaltet sich auch<br />
die Entwicklung der beiden beteiligten Unternehmen. Und je dynamischer<br />
die Unternehmensentwicklung bei den Partnern, desto mehr profitiert der<br />
Kunde vom wachsenden Know-how-Pool. Aus diesem Pool schöpfte jüngst<br />
auch der Kunde BMW, für den das Team von <strong>Brunel</strong> Car Synergies eine Welt-<br />
neuheit der Prüfstandstechnik entwickelte. Erstmalig können bis zu sieben<br />
Einzelmessungen an Achsgelenken auf ein und demselben Prüfstand durch-<br />
geführt werden, was dem Kunden Zeit und damit auch Kosten erspart.<br />
Für die Zukunft zeichnet sich ein gewandeltes Selbstverständnis von<br />
Dienstleistungsunternehmen ab, die wichtige Entwicklungsschritte früh-<br />
zeitig erkennen und in Eigenverantwortung für den Kunden umsetzen oder<br />
umzusetzen helfen. Beispiele dafür finden Sie in unserer mittlerweile zehn-<br />
ten Ausgabe von „Der Spezialist“, mit der ich Ihnen viel Freude wünsche.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
General Manager<br />
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />
der Spezialist<br />
03
kurz notiert<br />
Kraftwerksprojekte<br />
Deutschlandweit sind für die kommenden Jahre eine Vielzahl neuer Großkraftwerke in<br />
der Planung oder im Bau. Doch einige Vorhaben liegen bereits wieder auf Eis. Ein Grund dafür<br />
sind begrenzte Kapazitäten bei den Kraftwerksbauern und steigende Materialpreise.<br />
������������<br />
������������<br />
�����������������<br />
� ��������������<br />
INVESTITIONEN IN<br />
DIE ZUKUNFT<br />
Aktuell in Bau oder Planung<br />
sind in der Bundesrepublik<br />
insgesamt 33<br />
Steinkohlekraftwerke<br />
(3 vorläufi g eingestellt),<br />
6 Braunkohlekraftwerke<br />
und 18 GuD-Anlagen<br />
(3 eingestellt) mit mehr<br />
als 400 MWel.<br />
Pro Standort ist in der<br />
nebenstehenden Grafi k<br />
jeweils nur ein Symbol je<br />
Kraftwerksart und Ort<br />
dargestellt, auch wenn<br />
mehrere Projekte in Planung<br />
sind.<br />
Quelle: trendresearch<br />
Stand: November 2007<br />
04<br />
der Spezialist<br />
�������<br />
����������<br />
���������<br />
�������<br />
�������<br />
��������<br />
��������<br />
�������������<br />
������<br />
�����<br />
����������<br />
�����<br />
����������<br />
����� �����<br />
����������<br />
��������<br />
������<br />
�������<br />
�����<br />
��������<br />
����<br />
�����<br />
�������������<br />
������<br />
������<br />
�����������<br />
�����������<br />
�����<br />
�����������������<br />
��������<br />
���������<br />
����<br />
�������<br />
���������<br />
��������������<br />
���������<br />
������������<br />
����������<br />
������<br />
��������<br />
�����������<br />
����������������<br />
�������<br />
������<br />
������<br />
�����������<br />
�������<br />
������
i nhalt<br />
AUSGABE 10 || Februar 2008<br />
› seite 24<br />
Dr. Stefanie Anteboth<br />
unter stützt Rolls-Royce bei<br />
der Simulation und Berechnung<br />
von Triebwerken.<br />
› seite 30<br />
Bei der Carl Zeiss SMT AG<br />
werden neue Produktionsverfahren<br />
für Chips im<br />
Nano bereich entwickelt.<br />
› seite 44<br />
Die Coaster-Bergbahn<br />
fährt auf Schienen, die<br />
sich problemlos in die<br />
Landschaft einfügen.<br />
Der Spezialist<br />
Seite 06<br />
Seite 12<br />
Seite 16<br />
Seite 20<br />
Seite 24<br />
Seite 26<br />
Seite 30<br />
Seite 34<br />
Seite 38<br />
Seite 41<br />
Seite 44<br />
Seite 48<br />
Seite 54<br />
ansichtssache: QUO VADIS, KRAFTWERKS BRANCHE?<br />
der Spezialist<br />
inhalt<br />
Dirk Briese (trendresearch) im Gespräch über den Boom im Kraftwerksbau<br />
history: RETTENDE STROMSTÖSSE AUS DER SCHUHCREMEDOSE<br />
Wilson Greatbatch erfand vor 55 Jahren den internen Herzschrittmacher<br />
im fokus: „MARIA, HÖREN SIE MICH?“<br />
Neuroimplantate ersetzen geschädigte Hör- und Sehnerven<br />
aus den branchen: FILIGRAN UND EFFIZIENT<br />
Selektives Laserschmelzen ermöglicht günstigere Einzelstückfertigung<br />
technische projekte: SIMULATION UND BERECHNUNG FÜR 11.000 PS<br />
Rolls-Royce entwickelt extrem leistungsstarke Propeller-Triebwerke<br />
technische projekte: VON REIBMOMENTEN UND ELASTIZITÄTEN<br />
Multifunktionaler Prüfstand verkürzt Entwicklungszeiten von Fahrzeugen<br />
technische projekte: MILLIARDEN BAUTEILE AUF KLEINSTEM RAUM<br />
Miniaturisierung im Nanobereich mit Immersionslithographie<br />
Mitarbeiter und karriere: IM TAKT RASENDER INNOVATIONEN<br />
Arbeitskreis Elektrotechnologie (AKET) zwischen Forschung und Industrie<br />
aus den branchen: DIE MISCHUNG MACHT ES!<br />
NIR: Spektroskopie im nahen Infrarotbereich misst Zusammensetzungen<br />
Wissenschaft und forschung: DIE ZUKUNFT DER BATTERIE IST GRÜN<br />
Forscherteams arbeiten an Energiespeichern aus Zucker und Papier<br />
querdenken: WENN DER BERG RUFT ...<br />
Die umweltschonende Konkurrenz für den Sessellift heißt Coaster<br />
Panorama: WISSENSCHAFT ZUM ANFASSEN<br />
Science Center mit Mitmach-Exponaten erobern die Museumslandschaft<br />
Panorama: OFFROAD-EXPEDITION DURCH 34 LÄNDER EURASIENS<br />
Xworld Tour soll die Völkerverständigung fördern<br />
Termine<br />
impressum<br />
EXTRA: GEWINNSPIEL (Siehe Umschlagklappe)<br />
05
Ansichtssache<br />
Quo Vadis, Kraftwerksbranche?<br />
Der Markt für neue Kraftwerke boomt, doch die große Nachfrage und hohe Material-<br />
kosten treiben die Preise in die Höhe. Über die wirtschaftlichen Folgen für den Kraftwerks-<br />
markt sprachen wir mit Dirk Briese, Geschäftsführer von trendresearch.<br />
TEXT › Marco Heinen<br />
Der Spezialist: Der Ruf nach modernen Kraft-<br />
werken mit geringem CO2-Ausstoß ist unüber-<br />
hörbar. Den im Kraftwerksbau tätigen Unter-<br />
nehmen müssten demnach doch rosige Zeiten<br />
bevorstehen, oder?<br />
Dirk Briese: Der Kraftwerksmarkt boomt. Auf-<br />
grund laufender und geplanter Projekte werden<br />
Investitionen in Milliardenhöhe getätigt. Zum<br />
einen werden im Laufe der nächsten Jahre viele<br />
Altanlagen stillgelegt. Zum anderen fallen Erzeu-<br />
gungskapazitäten aufgrund des von der Poli-<br />
tik angestrebten Ausstiegs aus der Nutzung der<br />
Kernenergie weg. Um die drohende Versorgungs-<br />
lücke zu schließen, müssen neue Kraftwerke ge-<br />
baut werden. Auch werden viele Kohlekraft-<br />
werke einem Retrofit unterzogen, weil die Anla-<br />
gen alt sind und aufgrund der Vergabepraxis<br />
von CO2-Zertifikaten ein geringerer CO2-Aus-<br />
stoß gleichbedeutend ist mit niedrigeren Kosten<br />
für die Kraftwerksbetreiber. Diese Entwicklung<br />
beschert den Anlagenplanern und Anlagenbau-<br />
ern hohe Auftragsvolumina.<br />
PREISE FÜR KOHLEKRAFTWERKE HABEN<br />
SICH NAHEZU VERDOPPELT<br />
Der Spezialist: Die Nachfrage ist hoch, doch viele<br />
Projekte liegen auf Eis. Die Bremer swb hat den<br />
Bau eines Kohlekraftwerks abgesagt und auch die<br />
Stadtwerke Bielefeld verzichten auf ein neues<br />
06<br />
der Spezialist<br />
Heizkraftwerk. Welche Ursachen sind ausschlag-<br />
gebend für diese Entwicklung?<br />
Briese: Die Ursachen für diese Entwicklung sind<br />
vielfältig. Erstens sind die Preise für Rohstoffe<br />
wie Stahl, Nickel und Zink sowie für Komponen-<br />
ten, zum Beispiel Kessel, Turbinen oder Genera-<br />
toren, sprunghaft gestiegen. Aufgrund dessen<br />
haben sich die Preise für ein Kohlekraftwerk von<br />
2004 bis 2007 nahezu verdoppelt, und zwar von<br />
820 Euro pro Kilowatt Leistung auf 1.500 Euro pro<br />
Kilowatt. Zweitens verursachen der erwartete<br />
Preisanstieg für CO2-Zertifikate und die damit ver-<br />
bundenen höheren Kosten für Kohlekraftwerke<br />
eine hohe Investitionsunsicherheit. Aus diesem<br />
Grund wurden zum Beispiel die Kohlekraftwerks-<br />
projekte in Bremen und Bielefeld eingestellt.<br />
Bei den Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken<br />
spielen die Ausgestaltung der Brennstoffverträge<br />
und die Genehmigungsverfahren eine entschei-<br />
dende Rolle. So wurde zum Beispiel ein Kraftwerks-<br />
projekt des großen Nürnberger Versorgungsun-<br />
ternehmens N-ERGIE unter anderem aufgrund des<br />
fehlenden Abschlusses eines langfristigen Liefer-<br />
vertrages eingestellt. Drittens scheuen viele Anla-<br />
gen- und Komponentenhersteller den Ausbau von<br />
Kapazitäten, da sie über Jahre hinweg nicht ausge-<br />
lastet waren und Kapazitäten abbauen mussten.<br />
Der Spezialist: Lässt sich sagen, wie viele Projekte<br />
in letzter Zeit abgesagt oder verschoben wurden?<br />
PORTRÄT<br />
Diplom-Kaufmann<br />
Dirk Briese (40) ist seit<br />
2001 Geschäftsführer<br />
des Instituts für Trend-<br />
und Marktforschung<br />
trendresearch <strong>GmbH</strong>.<br />
Dort verantwortet er<br />
unter anderem die<br />
Geschäftsentwicklung<br />
sowie die Erstellung<br />
und Durchführung von<br />
Exklusivprojekten.
› 01<br />
Auf Kraftwerke spezialisierte<br />
Anlagenbauer<br />
müssten ihre Kapazitäten<br />
erweitern, um die große<br />
Nachfrage zu bewältigen.<br />
08<br />
der Spezialist<br />
Briese: Aktuell gibt es 57 Projekte über 400 MWel,<br />
davon wurden drei Steinkohle- sowie drei Gas-<br />
und Dampfturbinen-Kraftwerksprojekte vorläufig<br />
eingestellt.<br />
Der Spezialist: Welche Folgen hat das langfristig?<br />
Briese: Vorrangig bestimmt derzeit das Angebot<br />
die Nachfrage und den Preis. So lange die Anbie-<br />
ter ihre Kapazitäten nicht ausbauen, steigen die<br />
Preise. Das Besondere am Kraftwerksmarkt ist die<br />
Stellung der vier großen Energieversorger Eon,<br />
RWE, Vattenfall Europe und EnBW. Diese beherr-<br />
schen 70 bis 80 Prozent des Marktes. Sie haben<br />
sich frühzeitig Optionen gesichert und können in<br />
Preisverhandlungen mit den Anlagenbauern Men-<br />
genrabatte aushandeln, so dass sie von den Preis-<br />
steigerungen nicht so stark betroffen sind. Außer-<br />
dem können sie andere Risiken tragen, sowohl<br />
finanziell als auch aufgrund der Vielfalt bei den<br />
Brennstoffen. Es ist eben etwas anderes, ob ich mit<br />
den Finanzen einzelner Stadtwerke nur ein einzi-<br />
ges Kohlekraftwerk plane oder als großer Kraft-<br />
werksbetreiber mehrere Projekte und somit ein<br />
umfangreiches Portfolio an Kraftwerksarten zur<br />
Verfügung habe. Wobei kleine Stadtwerke in der<br />
Regel ohnehin nicht als Erzeuger auftreten, son-<br />
dern an die großen Lieferanten gebunden sind. Sie<br />
können sich allenfalls zusammenschließen oder<br />
über Beteiligungsmodelle wie bei der Aachener<br />
Trianel-Gruppe oder der Tübinger SüdWestStrom<br />
von ihnen unabhängig machen. Die Preisexplo-<br />
sion trifft daher vor allem größere Stadtwerke mit<br />
eigener Stromerzeugung wie in Bielefeld, Bremen<br />
oder Nürnberg, die in dieser Situation Projekte<br />
absagen müssen.<br />
KRAFTWERKSBAUER FÜRCHTEN DEN<br />
NÄCHSTEN „SCHWEINEZYKLUS“<br />
Der Spezialist: Wie kann dieser Entwicklung ent-<br />
gegengesteuert werden?<br />
› 01
Briese: Die Anlagenbauer könnten natürlich ihre<br />
Kapazitäten aufstocken, Materialreservierungen<br />
vornehmen und Personal anstellen. Das ge-<br />
schieht auch in gewissem Umfang. Doch meiner<br />
Einschätzung nach fürchten sie sich vor dem<br />
nächsten „Schweinezyklus“. Schließlich kommen<br />
sie aus einem tiefen Tal. In den 1990er Jahren<br />
haben sie sehr viele Stellen streichen müssen,<br />
haben Verluste geschrieben und standen teil-<br />
weise sogar vor der Insolvenz. Da scheut man<br />
sich, auf den aktuellen Boom zu setzen.<br />
„FÜR KLEINE KRAFTWERKSBETREIBER<br />
IST ES SCHWIERIG, EIGENE PROJEKTE<br />
UMZUSETZEN“<br />
Der Spezialist: Wie konnte es überhaupt so weit<br />
kommen?<br />
Briese: Viele Erzeuger bekamen es im Zuge der<br />
Liberalisierung des Strommarktes 1998 mit der<br />
Angst zu tun und haben wegen vorhandener<br />
Überkapazitäten Energie sehr günstig verkauft.<br />
�����������������������������������������������<br />
Die Folge des Gewinnverfalls bei den Erzeugern<br />
war, dass niemand in Neubauten oder Retrofit-<br />
Maßnahmen investierte. Außerdem spielten The-<br />
men wie der Emissionshandel und der Ausstieg<br />
aus der Kernenergie eine Rolle. Jetzt muss Ver-<br />
säumtes nachgeholt werden.<br />
Der Spezialist: Wie sollten Ihrer Meinung nach<br />
kleinere Kraftwerksbetreiber mit der Situation<br />
umgehen und sich strategisch ausrichten?<br />
Briese: Für kleinere Kraftwerksbetreiber ist es<br />
aktuell schwierig, ein eigenes Projekt umzusetzen.<br />
Da spielt auch die politische Debatte um die eigen-<br />
tumsrechtliche Trennung der Netzinfrastruktur<br />
von der Erzeugung und dem Handel eine Rolle,<br />
wie es seitens der EU-Kommission präferiert<br />
wird. Auf jeden Fall müssen sich die Betreiber<br />
etwas einfallen lassen. Ersatzbrennstoff-Kraft-<br />
werke sind eine Option oder Bioenergie-Anlagen,<br />
damit man als Zulieferer zumindest auf der Brenn-<br />
stoffseite aus der Abhängigkeit von den Großen<br />
herauskommt. Wenn die kleinen Betreiber<br />
������������������������������������������������������������������������������������������<br />
��������������������������������������������������������������������������������������<br />
�������������������<br />
�������<br />
�������<br />
������<br />
������<br />
������<br />
�<br />
���� ���� ����<br />
��������������<br />
���� ���� ����<br />
��������<br />
�<br />
�����������<br />
�<br />
������<br />
�<br />
������<br />
�<br />
����������<br />
�<br />
����������<br />
�<br />
������������<br />
�������������������<br />
�<br />
�����������<br />
�<br />
�����������<br />
�������<br />
› 15<br />
ANSICHTSSACHE<br />
der Spezialist<br />
09
Ansichtssache<br />
› 02<br />
Das Braunkohlekraftwerk<br />
Neurath besteht derzeit<br />
aus fünf Blöcken. Seit<br />
Januar 2006 werden zwei<br />
neue Blöcke gebaut. Sie<br />
sollen eine Leistung von<br />
je 1.100 MW haben und<br />
werden voraussichtlich ab<br />
2010 Altanlagen ersetzen.<br />
10<br />
der Spezialist<br />
nicht neu bauen, dann haben sie nichts mehr.<br />
Irgendwann ist die Laufzeit eines Kraftwerks<br />
zu Ende. Da bliebe nur noch die Option, sich<br />
mit anderen Stadtwerken zusammenzutun, um<br />
gemeinsam ein Kraftwerk zu bauen oder Beteili-<br />
gungen zu erwerben.<br />
Der Spezialist: Wie wirkt sich der Ausstieg aus der<br />
Kernenergie im Detail aus?<br />
Briese: Aufgrund des Ausstiegs aus der Kern-<br />
energie fallen Kapazitäten weg, die ersetzt wer-<br />
den müssen, da sonst eine Versorgungslücke ent-<br />
steht. Eine Alternative zu fossilen Kraftwerken<br />
ist zumindest teilweise der Ausbau erneuerbarer<br />
Energien, wie zum Beispiel der Windenergie, die<br />
das größte Ausbaupotenzial bietet. Allerdings<br />
kann dadurch die Grundlast nicht gedeckt wer-<br />
den, da Wind nicht kontinuierlich genutzt werden<br />
kann.<br />
› 02<br />
Beim Ausbau der Offshore-Windenergie beste-<br />
hen auch noch Probleme, die den Einsatz dieser<br />
Technik später als gedacht ermöglichen. Techni-<br />
sche Probleme gibt es bei den Fundamenten und<br />
bei der Einspeisung des Stroms ins Netz. Darüber<br />
hinaus gibt es genehmigungsrechtliche Hürden,<br />
weil Behörden von Bund und Ländern zusammen-<br />
wirken müssen. Am wichtigsten ist aber, dass es<br />
erst Mitte 2008 erste Testanlagen geben wird und<br />
die bisherigen Prognosen damit nicht erfüllt wer-<br />
den konnten.<br />
CO2-SPEICHERUNG IST EIN POLITISCH<br />
GETRIEBENES THEMA<br />
Der Spezialist: Was ist von Pilotprojekten zu hal-<br />
ten, bei denen z. B. auf die Abspaltung und unter-<br />
irdische Speicherung des CO2 gesetzt wird?<br />
Briese: Es ist ein politisch getriebenes Thema.<br />
Die Wirtschaftlichkeit ist mit Blick auf die Kosten<br />
der CO2-Speicherung meines Wissens noch nicht<br />
bewiesen. Außerdem gibt es noch genehmigungs-<br />
rechtliche Probleme bei den CO2-Lagerstätten. Da<br />
ist vieles noch nicht geklärt.<br />
Der Spezialist: Wie wird sich Ihrer Ansicht nach<br />
der Kraftwerksmarkt weiterentwickeln?<br />
Briese: Im Prinzip gibt es drei Szenarien: Beim<br />
ersten Szenario würden die Laufzeiten der Kern-<br />
kraftwerke verlängert. Möglich wäre aber auch,<br />
verstärkt neue Kohlekraftwerke zu bauen. Drit-<br />
tens könnten die Strompreise wesentlich erhöht<br />
werden. Innerhalb aller drei Szenarien wird es zu<br />
einem politisch gewollten und geförderten Aus-<br />
bau von regenerativen Energien kommen, die<br />
aber nur einen Teil des Strombedarfs decken<br />
können. Der Königsweg wäre natürlich das Ein-<br />
sparen von Energie – aber das hat seit Jahrzehn-<br />
ten nicht funktioniert.<br />
Die Folgen der Szenarien lassen sich nicht klar<br />
formulieren, weil es meiner Meinung nach zur-<br />
zeit keinen funktionierenden Markt gibt, der dies<br />
zulassen würde. Jedenfalls solange die Politik<br />
nicht für einen vernünftigen Wettbewerb sorgt.
Wobei es auch für die Politik nicht einfach ist, weil<br />
sie sich widersprechende Ziele verfolgt. So soll es<br />
einerseits mehrere Wettbewerber im eigenen<br />
Land geben, andererseits aber auch Konzerne, die<br />
international wettbewerbsfähig sind. Letzteres ist<br />
der Grund, warum die Fusion von Eon und Ruhr-<br />
gas genehmigt wurde. Vieles deutet darauf hin,<br />
dass das erste Szenario eintrifft. Es ist zwar kein<br />
Marktmechanismus da, wird aber aus politischer<br />
Sicht wahrscheinlich so kommen und ist auch die<br />
Präferenz der Energieversorger.<br />
Der Spezialist: Können wir mit sinkenden Preisen<br />
rechnen oder müssen wir uns auf höhere Energie-<br />
kosten einstellen?<br />
Briese: Sollten sich die Verbraucher gegen Kohle-<br />
kraftwerke aussprechen, dann werden die Ener-<br />
giekosten steigen. Auch ein Ausstieg aus der Kern-<br />
energie zieht höhere Preise nach sich. Sollten<br />
sich die Anlagenpreise nicht stabilisieren, werden<br />
weniger Kraftwerke gebaut und das hat ebenso<br />
höhere Energiekosten zur Folge. Genauso wer-<br />
den sich ein Kostenanstieg für CO2-Zertifikate<br />
und steigende Gaspreise negativ auswirken. Grob<br />
geschätzt könnte dies zu einer Verdreifachung der<br />
Preise führen. Das werden die Politik und die Kon-<br />
zerne aber nicht zulassen. Eher werden die Lauf-<br />
zeiten der Kernkraftwerke verlängert. Dies wie-<br />
derum ließe sich politisch nur durchsetzen, wenn<br />
die Preise sinken.<br />
ANSICHTSSACHE<br />
› 03<br />
Zum Kraftwerk Niederaußem<br />
gehören insgesamt<br />
neun Braunkohleblöcke<br />
(Gesamtleistung ca.<br />
3.600 MW) und der mit<br />
200 Metern höchste Kühlturm<br />
der Welt.<br />
› 03<br />
d e r Spezialist<br />
11
› 04
ettende Stromstösse aus<br />
der Schuhcremedose<br />
Bereits in den 1950er Jahren entwickelten Pioniere wie der Elektroingenieur Wilson Greatbatch<br />
die ersten im Körper tragbaren Herzschrittmacher. In der klinischen Anwendung war ihm 1958<br />
ein schwedisches Team einen Schritt voraus. Heute gilt die Technik als ausgereift.<br />
TEXT › Matthias Huthmacher<br />
Mit der Medizin hatte Wilson Greatbatch, am<br />
16. September 1916 in Buffalo, New York, geboren,<br />
zunächst gar nichts im Sinn. Dagegen zeigte sich<br />
schon früh sein technisches Interesse. Vor allem<br />
das Radio, seinerzeit eine geradezu revolutionäre<br />
Neuerung, weckte seine Neugierde. Schon als<br />
16-Jähriger bastelte er bei den Pfadfindern an leis-<br />
tungsstarken Funkgeräten und einer Kurzwellen-<br />
Radiostation. Kein Wunder also, dass er während<br />
des Zweiten Weltkriegs für die Funktechnik eines<br />
US-Zerstörers auf dem Atlantik zuständig war,<br />
ehe er auf den Träger USS Monterrey in den Pazi-<br />
fik abkommandiert wurde, um dort die Ortungs-<br />
und Funksysteme der Flugzeuge zu optimieren.<br />
GREATBATCH LEHRTE AN DER UNIVERSITÄT,<br />
VERLOR ABER NIE DEN KONTAKT ZUR PRAXIS<br />
Nach Kriegsende begann Greatbatch seine aka-<br />
demische Laufbahn. Er studierte an der Cornell<br />
University Mathematik, Physik und Chemie und<br />
erhielt anschließend eine Assistenzprofessur an<br />
der University of Buffalo, die ihm 1957 den Mas-<br />
tergrad im Elektroingenieurwesen verlieh. Doch<br />
Lernen und Lehren genügten ihm nicht, er suchte<br />
immer wieder die Praxis – als Radio- und Tele-<br />
fontechniker, in der Entwicklung von Flugdaten-<br />
schreibern und Überwachungsinstrumenten für<br />
einen der ersten ins Weltall katapultierten Affen,<br />
als Konstrukteur von Empfängern für das Radio-<br />
teleskop von Arecibo auf Puerto Rico.<br />
Zur Medizin stieß Greatbatch in der Forschungs-<br />
abteilung für Tierversuche an der Cornell Uni-<br />
versity. Seine Aufgabe bestand eigentlich darin,<br />
Geräte zur Messung von Blutdruck, Herzfrequen-<br />
zen und Gehirnströmung bei Schafen und Ziegen<br />
zu entwickeln. Doch die eigentliche Karriere des<br />
Wilson Greatbatch begann im Stall: Als bei der<br />
Schur eines der Schafe kollabiert, führt er kurz<br />
entschlossen mittels zweier Drähte Stromimpulse<br />
aus der Lichtleitung auf das Herz des vierbeinigen<br />
Patienten – das wieder zu schlagen beginnt.<br />
› 05<br />
HISTORY<br />
› 04<br />
Wilson Greatbatch mit<br />
der Konstruktionszeichnung<br />
eines seiner Prototypen.<br />
Der Elektroingenieur<br />
gilt als einer der Pioniere<br />
der Herzschrittmacher-<br />
Technologie.<br />
› 05<br />
Im Zuge seiner Forschungen<br />
baute Wilson Greatbatch<br />
unterschiedlichste<br />
Prototypen und Modelle,<br />
die immer kleiner und<br />
leistungsfähiger wurden.<br />
Später konzentrierte er<br />
sich vor allem auf die Verlängerung<br />
der Lebensdauer<br />
von Batterien.<br />
der Spezialist 13
HISTORY<br />
Nach diesem Schlüsselerlebnis ließ die Möglich-<br />
keit der elektrischen Stimulation des Herzens dem<br />
geborenen Forscher keine Ruhe mehr. Dabei hatte<br />
dieses Thema die Wissenschaft bereits seit der<br />
Entdeckung der Elektrizität Mitte des 18. Jahrhun-<br />
derts beschäftigt. Schon in Schriften aus dem Jahr<br />
1774 ist die Rede von Wiederbelebungsversuchen<br />
an einem Kleinkind mit Hilfe von Stromstößen.<br />
Der entscheidende Durchbruch aber gelang erst<br />
1952 mit dem Defibrillator des amerikanischen<br />
Kardiologen Paul Maurice Zoll.<br />
DER ERSTE EXTERNE HERZSCHRITTMACHER<br />
WOG MEHR ALS SIEBEN KILOGRAMM<br />
Während jedoch beim Einsatz in der Akutme-<br />
dizin die Größe der Geräte und die Art ihrer<br />
Stromversorgung keine wesentliche Rolle spiel-<br />
ten, wurden sie bei der permanenten Stimulanz<br />
zum Problem. Zwar stellte der New Yorker Arzt<br />
Albert Hyman schon 1932 ein externes Gerät vor,<br />
das aus einem Gleichstromgenerator mit einem<br />
Stromunterbrecher und einer bipolaren Nadel-<br />
elektrode bestand – die gesamte Maschinerie wog<br />
aber mehr als sieben Kilogramm und musste alle<br />
sechs Minuten aufgeladen werden. Erst zu Beginn<br />
der 50er Jahre präsentierte der Amerikaner Earl<br />
Bakken Apparate, die am Gürtel getragen werden<br />
konnten. Sie schränkten das Alltagsleben der Pati-<br />
enten aber immer noch stark ein und verursach-<br />
ten zudem an der Kabelverbindung zum Herzen<br />
eine permanent offene Wunde.<br />
Wilson Greatbatch wollte mehr: Der Herz-<br />
schrittmacher musste im Körper zu tragen sein.<br />
1952 zog er sich in einen alten Stall im Hinterhof<br />
zurück und begann, an einem solchen Herzschritt-<br />
macher zu experimentieren. Dabei kam ihm der<br />
Zufall zu Hilfe, denn mittlerweile waren Transisto-<br />
ren als Schalteinheiten verfügbar, die die bislang<br />
benötigten Vakuumröhren ersetzen konnten.<br />
Am 7. Mai 1958 war es schließlich so weit: Ge-<br />
meinsam mit zwei Chirurgen einer Klinik in Buf-<br />
falo verpflanzte Greatbatch seinen ersten „Pace-<br />
14<br />
der Spezialist<br />
maker“ in ein Lebewesen. Im Wesentlichen be-<br />
stand dieser aus zwei Transistoren, einer Elektrode<br />
und einer Quecksilberbatterie. Den Takt gab ein<br />
RC-Glied vor, eine elektrische Schaltung mit einem<br />
Widerstand (R) und einem Kondensator (C). Als<br />
Patient diente ein Hund. Tatsächlich übernahm<br />
das Gerät, wenn auch nur für vier Stunden, die<br />
Steuerung der Herzschläge.<br />
IN SCHWEDEN WIRD PARALLEL EIN FAST<br />
BAUGLEICHER SCHRITTMACHER ENTWICKELT<br />
Fünf Monate später aber schreibt ein anderer das<br />
nächste Kapitel in der Geschichte des Herzschritt-<br />
machers: Am 8. Oktober 1958 führte Åke Senning<br />
die erste Implantation am Menschen durch. Der<br />
Patient Arne Larsson litt bereits seit Jahren unter<br />
einer Herzblockade, die seinen Gesundheitszu-<br />
stand zunehmend verschlechterte – weswegen<br />
seine Frau Åke Senning zur Implantation seines<br />
noch nicht erprobten Geräts drängte. Der Schwede<br />
war zu diesem Zeitpunkt in medizinischen Fach-<br />
kreisen kein Unbekannter mehr: Am Sabbatsberg-<br />
Klinikum in Stockholm hatte Senning bereits eine<br />
Herz-Lungen-Maschine entwickelt, die ihre Feuer-<br />
taufe mit Bravour bestand, als Clarence Crafoord<br />
1954 die erste erfolgreiche offene Herzoperation<br />
in Europa durchführte. Die gewagte Implantation<br />
› 06<br />
› 06<br />
1978: Der schwedische<br />
Herzchirurg Prof. Åke<br />
Senning, der Ingenieur<br />
Dr. Rune Elmquist und der<br />
erste Herzschrittmacher-<br />
Patient Arne Larsson (v. l.)<br />
feiern den 20. Jahrestag<br />
des erfolgreichen Eingriffs.
gelang. Die elektronischen Bausteine des Herz-<br />
schrittmachers wurden in einer Schuhputzdose<br />
mit Epoxidharz vergossen und Arne Larsson in die<br />
Brust operiert.<br />
Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Senning<br />
etwas von den laufenden Arbeiten Greatbatchs<br />
wusste, als er gemeinsam mit dem Elektroinge-<br />
nieur Rune Elmquist ebenfalls einen implantier-<br />
baren Herzschrittmacher entwickelte, der im<br />
Prinzip baugleich war. Die Haltbarkeit der Batte-<br />
rie betrug zunächst nur fünf Monate, im Laufe<br />
der folgenden Jahre sollte sie sich jedoch zuneh-<br />
mend verlängern. Larsson trug in den nächsten<br />
44 Jahren noch 25 weitere Herzschrittmacher –<br />
und überlebte damit seinen Lebensretter, der<br />
sich nach seinem Triumph wieder ganz der prak-<br />
tischen Herzchirurgie widmete und am 21. Juni<br />
2000 in Zürich starb.<br />
Wilson Greatbatch aber blieb der Forschung<br />
treu. Am 15. April 1960 wurde einer seiner Herz-<br />
schrittmacher erstmals einem Menschen ver-<br />
pflanzt, noch im gleichen Jahr folgten weitere<br />
neun Patienten. Doch Greatbatch gab sich nicht<br />
zufrieden: Er übertrug das Patent für den Herz-<br />
schrittmacher an den US-Hersteller Medtronic,<br />
um eine eigene Firma zu gründen, die sich ganz<br />
auf Entwicklung und Produktion verbesserter<br />
Batterien konzentrierte, der großen Schwach-<br />
stelle des Herzschrittmachers. Erreichten die bis<br />
dahin verwendeten Quecksilberbatterien in der<br />
Regel höchstens zwei Jahre Lebensdauer, so<br />
gelang 1970 mit der im Schnitt zehn Jahre<br />
lang betriebsfähigen Lithium-Jod-Batterie der<br />
entscheidende Durchbruch. Heute produziert das<br />
Unternehmen weltweit die meisten Kraftspeicher<br />
für Herzschrittmacher. Wilson Greatbatch aber<br />
suchte neue Ziele: Zuletzt beschäftigte er sich<br />
mit alternativen Energien und der Bekämpfung<br />
der Immunschwächekrankheit Aids.<br />
› 07<br />
INFO<br />
HISTORY<br />
Heute leben weltweit etwa<br />
zwei bis drei Millionen<br />
Menschen mit einem Herzschrittmacher.<br />
Moderne<br />
Geräte haben die Größe<br />
einer Münze und wiegen<br />
ca. 20 Gramm. Die weniger<br />
als einstündige Operation<br />
kann unter örtlicher Betäubung<br />
durchgeführt<br />
werden. Die eingesetzten<br />
Lithium-Jod-Batterien<br />
arbeiten im Durchschnitt<br />
zehn Jahren lang.<br />
› 07<br />
Links der „Pacemaker“, das<br />
erstmals 1958 erfolgreich<br />
implantierte Modell. Rechts<br />
der Stand der Technik von<br />
1978, ein Produkt von Siemens-Elema.<br />
Der Schrittmacher<br />
verfügte über ein<br />
Gehäuse aus Titan statt<br />
einer Schuhcremedose und<br />
eine um ein Vielfaches längere<br />
Batteriebetriebsdauer.<br />
der Spezialist<br />
15
IM FOKUS<br />
„Maria, hören sie mich?“<br />
Ärzte und Ingenieure arbeiten Hand in Hand bei der Entwicklung von Neuroimplantaten. Ge-<br />
schädigte Hörnerven zu ersetzen, gelingt seit etwa 10 Jahren. Die wichtigen Bauteile werden<br />
immer kleiner und leistungsfähiger. Erste Studien an Sehprothesen sind vielversprechend.<br />
TEXT › Angela Rabenstein-Wischnewski<br />
„Können Sie mich hören?“, fragt eine Stimme. Sie<br />
klingt außerirdisch. Maria wird leicht übel vor<br />
Schreck, dann lächelt sie. Es ist der erste Satz, den<br />
sie hört, seitdem sie vor Jahren ihr Gehör verloren<br />
hat. „Maria, hören Sie mich?“ Jetzt wird die<br />
Stimme menschlicher. Heute ist der Tag, an dem<br />
Maria ihren Sprachprozessor bekommt und ihr<br />
neues Hören mit diesem kleinen Computer das<br />
erste Mal getestet wird. Maria ist eine von etwa<br />
400 Patienten in Deutschland mit einem Hirn-<br />
stammimplantat. Dort, wo ihre nicht mehr funk-<br />
tionierenden Hörnerven enden, haben ihr Ärzte<br />
der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)<br />
eine winzige Reizelektrode implantiert – auch<br />
Auditory Brainstem Implant genannt (ABI).<br />
HÖREN MIT EINER IMPLANTIERTEN REIZ-<br />
ELEKTRODE AM HIRNSTAMM<br />
Das ABI ist eine Hörprothese und ersetzt die Funk-<br />
tion des Hörnervs, der im gesunden Zustand Sig-<br />
nale aus dem Innenohr zum Hörkern weiterleitet.<br />
Das ABI-System besteht aus einem äußerlich zu<br />
tragenden Sprachprozessor mit Mikrofon und<br />
Sendespule sowie einer Reizelektrode, die auf den<br />
Hirnstamm geschoben wird. Das Prinzip basiert<br />
darauf, Schall in elektrische Energie umzusetzen<br />
und damit eine Reizung des Hörnervenkerns im<br />
Hirnstamm auszulösen.<br />
16<br />
Der Prozessor hängt wie ein Headset hinter<br />
Marias Ohr. Sobald sie ihn einschaltet, ist sie<br />
der Spezialist<br />
Spezialist<br />
akustisch mit der Außenwelt verbunden. Über<br />
ein winziges Mikrofon nimmt das Gerät Schall-<br />
wellen auf, wandelt sie in elektrische Signale um<br />
und leitet sie in den Sprachprozessor. Dieser<br />
erzeugt daraus eine Impulsserie, die über die<br />
Sendespule und den Empfänger unter der Kopf-<br />
haut schließlich die implantierte Elektrode er-<br />
reicht, die aus bis zu 22 Einzelkontakten besteht.<br />
Die Impulsfolge löst in den Nervenzellen des Hör-<br />
kerngebietes biologische Potenziale aus, die über<br />
den intakten Teil der Hörbahn bis ins Großhirn<br />
weitergeleitet werden, das daraus eine Höremp-<br />
findung erzeugt. Entscheidend hierfür ist die<br />
Menge an Elektronen, die auf die Hörnervenzellen<br />
einwirkt, gemessen in Nanocoulomb (nC). Heu-<br />
tige Systeme stimulieren den Hörnerv mit mini-<br />
malen 10 nC (2,78 x 10 –12 Amperestunden), einer<br />
Frequenz von 3.000 Hertz und einer Dauer von 20<br />
Mikrosekunden, während früher nur Wiederho-<br />
lungsfrequenzen von 250 Hertz erreicht wurden.<br />
Das ABI-System ist eine Weiterentwicklung des<br />
Cochlea-Implantats (CI), der ersten echten Neuro-<br />
prothese, die bereits seit 1984 an der MHH einge-<br />
setzt wird. Sie unterscheidet sich vom ABI durch<br />
den Ort der Ankopplung an die Hörbahn. Wenn,<br />
wie bei vielen Gehörlosen der Fall, die Hörnerven<br />
intakt, aber die Haarsinneszellen im Innenohr<br />
von Geburt an verkümmert oder abgestorben<br />
sind, kann ein CI das Hören wieder ermöglichen.<br />
Hierfür wird der Elektrodenträger in die Gänge<br />
der Gehörschnecke (Cochlea) eingeschoben.<br />
INFO<br />
Die Medizintechnik ist hierzulande<br />
eine der großen<br />
Wachstumsbranchen. Der<br />
Gesamtumsatz der Branche<br />
stieg im Jahr 2006 um<br />
8,1 Prozent auf 15,9 Milliarden<br />
Euro. Deutschland<br />
liegt bei Patenten und<br />
Welthandelsanteil auf dem<br />
zweiten Platz hinter den<br />
USA. Rund ein Drittel ihres<br />
Umsatzes erzielen die<br />
deutschen Medizintechnikhersteller<br />
mit Produkten,<br />
die weniger als drei Jahre<br />
alt sind.<br />
Quelle: BVMed, Spectaris.<br />
2007, BMBF
����������������<br />
�������������������<br />
����������������<br />
������������<br />
���������<br />
�����������<br />
���������������<br />
����������<br />
���������<br />
����������������<br />
����������������<br />
��������<br />
�����������<br />
�����������������<br />
�����<br />
��������������������<br />
���������<br />
���������<br />
������������������<br />
���������<br />
�������<br />
����������������<br />
��������������������<br />
��������<br />
�����������<br />
�����������<br />
���������
IM FOKUS<br />
› 08<br />
Das subretinale Implantat<br />
wird unter die Netzhaut<br />
gesetzt und ersetzt dort<br />
geschädigte Sinneszellen.<br />
Stimulationselektronen<br />
sorgen für die Reizweiterleitung<br />
ins Gehirn.<br />
18<br />
der Spezialist<br />
Die Elektroden übernehmen hier die Funktion<br />
der Haarsinneszellen in der Gehörschnecke: Sie<br />
nehmen die Schallwellen auf, wandeln sie in elek-<br />
trische Impulse um und geben sie an den Hörnerv<br />
weiter, der die Informationen zum Gehirn leitet.<br />
Das Funktionsprinzip ist ähnlich wie beim ABI.<br />
Man benötigt ebenfalls Mikrofon, Sprachprozes-<br />
sor und Sendespule.<br />
MEHR KLANGDETAILS SORGEN FÜR EIN<br />
SATZVERSTÄNDNIS VON BIS ZU 93 PROZENT<br />
„Die ersten CI und Sprachprozessoren sind mit den<br />
heutigen kaum zu vergleichen“, sagt Hals-Nasen-<br />
Ohren-Chirurg Thomas Lenarz von der MHH. „Die<br />
technische Entwicklung in den letzten 20 Jahren<br />
war immens. Wir haben heute nicht nur eine stär-<br />
kere Stimulierung der Nervenzellen durch verfei-<br />
nerte Elektroden, sondern auch eine viel bessere<br />
Biokompatibilität der implantierten Teile sowie<br />
Sprachprozessoren mit wesentlich mehr Klang-<br />
details. Das Codierungsprinzip von MP3-Playern<br />
wurde hier integriert“, erläutert Lenarz.<br />
› 08<br />
Hersteller versprechen mit den neuesten Pro-<br />
thesen ein Satzverständnis bis zu 93 Prozent. Vor-<br />
aussetzung ist ein individuell programmierter<br />
Sprachprozessor, der für jede Elektrode genau die<br />
elektrische Energie (Hörschwelle) ermittelt, die<br />
zur Auslösung einer Hörempfindung führt. Denn<br />
das Hörzentrum im Gehirn muss lernen, die mit<br />
dem CI gehörten Töne und Vokale zu unterschei-<br />
den und richtig zuzuordnen. Ist dies geschehen,<br />
können die Träger ohne Probleme telefonieren<br />
und ein normales Leben führen und sind nicht<br />
mehr auf Lippenlesen angewiesen. Das CI emp-<br />
fiehlt sich vor allem für taub geborene Kinder,<br />
die mit dieser Prothese von Beginn an hören und<br />
somit sprechen lernen können.<br />
Die Erfolge mit Cochlea-Implantaten und der<br />
Trend zum Verkleinern der Elektronik haben paral-<br />
lel auch die Entwicklung von Sehprothesen für<br />
Blinde vorangetrieben. Den vielversprechendsten<br />
Ansatz liefert zurzeit die Ankopplung eines so<br />
genannten subretinalen Implantats an die Netz-<br />
haut (Retina). Hierbei wird das Implantat unter<br />
die Netzhaut gesetzt. Genau an die Stelle, an der<br />
sich bei gesunden Menschen die lichtempfindli-<br />
chen Sinneszellen befinden.<br />
Ein solches Implantat haben deutsche Augen-<br />
kliniken und Forschungsinstitute in zwölf Jahren<br />
interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt.<br />
Zum Forschungsverbund gehören Spezialisten<br />
der Augenheilkunde, Chirurgie, Biologie, Physik,<br />
Mikroelektronik und Elektrotechnik. Das Ergebnis:<br />
ein Siliziumchip von ca. drei Millimetern Durch-<br />
messer und 0,05 Millimetern Dicke, in dem etwa<br />
1.500 Pixelfelder angeordnet sind. Jedem Pixel-<br />
feld sind wiederum Fotozellen, eine Verstärker-<br />
schaltung und eine Stimulationselektrode zuge-<br />
ordnet. Die Fotoelektroden nehmen das ins Auge<br />
fallende Licht auf und wandeln es in elektrische<br />
Signale um. Die intakten Netzhautzellen empfan-<br />
gen die Signale und leiten sie über die Nervenzel-<br />
len der Sehbahn weiter zum Gehirn.<br />
Normalerweise beträgt das Gesichtsfeld bzw.<br />
der Bereich, den ein Mensch bei ruhig gestellten<br />
Augen überblicken kann, 180 Grad. Der Chip kann<br />
innerhalb eines Gesichtsfeldes von 12 Grad eine<br />
Sehschärfe herstellen, die es blinden Menschen<br />
ermöglicht, sich wieder selbständig zu bewegen<br />
und Gegenstände oder Personen zu erkennen.
2005 begann die erste klinische Pilotstudie mit<br />
sieben Testpersonen, denen ein Implantat-Pro-<br />
totyp eingesetzt und nach 30 Tagen wieder ent-<br />
fernt wurde. Ab Herbst 2007 sollten weitere sechs<br />
Patienten operiert werden und die Implantations-<br />
dauer sollte auf vier Monate verlängert werden.<br />
Das Know-how der gemeinsamen Anstren-<br />
gung der Forscher floss in das 2003 gegründete<br />
Medizintechnikunternehmen Retina Implant AG,<br />
das die Herstellung, klinische Zulassung und welt-<br />
weite Vermarktung der Sehprothese übernimmt.<br />
In zwei Jahren soll ein technisch ausgereifter Chip<br />
für rund 25.000 Euro auf den Markt kommen. Bis<br />
dahin bringen die Ergebnisse einer weiteren Stu-<br />
die die Marktreife weiter voran, mit Beteiligung<br />
von Kliniken im In- und Ausland. „Optimiert wer-<br />
den muss vor allem noch die Anpassung des Chips<br />
an den Patienten“, erläutert Biochemiker Hugo<br />
Hämmerle vom Naturwissenschaftlichen und<br />
Medizinischen Institut an der Universität Tübin-<br />
gen. „Sicherlich gibt es immer Verbesserungsmög-<br />
lichkeiten bei der Technik, aber wir sehen derzeit<br />
die medizinischen Fragen im Hinblick auf Trai-<br />
�����������������������������������<br />
�������������������������<br />
��������<br />
��������<br />
���������<br />
ning, Rehabilitation und Eingewöhnung als die<br />
größeren Herausforderungen“, ergänzt er.<br />
��������������<br />
������������<br />
����������<br />
Die rasanten Entwicklungen in der Neuropro-<br />
thetik wurden vor allem durch Fortschritte in<br />
der biomedizinischen Grundlagenforschung und<br />
verbesserte Technologien begünstigt. Auch die<br />
steigende Nachfrage einer alternden Gesellschaft<br />
sowie die Aussicht, dass der Einsatz effizienter<br />
technischer Hilfen die Kosten in der Therapie sin-<br />
ken lässt, leisteten ihren Beitrag. Betrachtet man<br />
die Erfolge der Cochlea-Implantate, stellt der Sin-<br />
nesprothesenmarkt einen zurzeit stark expandie-<br />
renden Zweig der Medizintechnikbranche dar. Das<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
finanziert die Entwicklung moderner Prothesen<br />
bis 2009 mit 20 Millionen Euro. Mit dem „Aktions-<br />
plan Medizintechnik“ will die Bundesregierung<br />
in den kommenden Jahren die Forschungs- und<br />
Wettbewerbssituation Deutschlands verbessern.<br />
Als wesentlicher Trend gilt darin unter anderem<br />
die Miniaturisierung, wie zum Beispiel bei der<br />
Entwicklung von intelligenten Implantaten.<br />
�����<br />
�������������<br />
����<br />
�����������������<br />
��������������<br />
���������<br />
�������������<br />
�������������<br />
�������������������<br />
������������������<br />
���������<br />
�������������<br />
���������<br />
IM FOKUS<br />
der Spezialist<br />
19
AUS DEN BRANCHEN<br />
Filigran und Effizient<br />
Das Selektive Laserschmelzen erobert immer mehr Anwendungsbereiche: von der Werkzeug-<br />
herstellung bis zur Anfertigung von individuellem Zahnersatz. Aber auch wenn es um Mate-<br />
rialeinsparung und komplexe Konstruktionen geht, hat das Verfahren oft die Nase vorn.<br />
TEXT › Jürgen Warmbold<br />
Was haben filigrane Zahnkronen mit massiven<br />
Formwerkzeugen und ultraleichten Aluminium-<br />
teilen gemeinsam? Sie lassen sich mit Hilfe des<br />
Selektiven Laserschmelzens in hoher Qualität<br />
spürbar schneller und damit wirtschaftlicher her-<br />
stellen als mit konventionellen Methoden. Inzwi-<br />
schen profitieren mehrere Branchen von diesem<br />
generativen Fertigungsverfahren, das zunächst<br />
im Rapid Prototyping eingesetzt wurde, um rasch<br />
Musterwerkstücke nach CAD-Konstruktionsdaten<br />
produzieren zu können. Dabei wird in einer ge-<br />
schlossenen Prozesskammer ein pulverförmiger<br />
Ausgangswerkstoff, zum Beispiel Metallpulver,<br />
durch Laserstrahlung schichtweise vollständig<br />
aufgeschmolzen und so ein Werkstück aufgebaut.<br />
ENTWICKLUNG VOM RAPID PROTOTYPING<br />
ZUM RAPID MANUFACTURING<br />
Das Selektive Laserschmelzen wurde vom Fraun-<br />
hofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen ent-<br />
wickelt. Das ILT hat auch das Einsatzfeld des Ver-<br />
fahrens vom Rapid Prototyping zum Rapid Manu-<br />
facturing erweitert. Heute lassen sich mit dem Ver-<br />
fahren, basierend auf CAD-/CAM-Daten, schnell<br />
Baugruppen oder Bau- und Ersatzteile in nahezu<br />
beliebiger Form produzieren – ohne die beim Gie-<br />
ßen, Fräsen oder durch Werkzeuge entstehenden<br />
üblichen geometrischen wie wirtschaftlichen Ein-<br />
schränkungen. In Kleinserien sind dadurch auch<br />
Unikate realisierbar.<br />
20<br />
der Spezialist<br />
Den Anstoß zur Entwicklung des Selektiven<br />
Laserschmelzens gab der Wunsch industrieller<br />
Anwender, die generative Fertigung nicht nur<br />
für Prototypen, sondern auch für die direkte Fer-<br />
tigung von Funktionsbauteilen zu nutzen. Dazu<br />
Dr. Konrad Wissenbach, Leiter der Abteilung<br />
Oberflächentechnik am ILT: „Für den Einsatz der<br />
generativen Fertigung für Funktionsbauteile ist<br />
die Verarbeitung von Serienwerkstoffen sowie<br />
das Erreichen einer hundertprozentigen Werk-<br />
stoffdichte notwendig. Nur dadurch erhalten<br />
die generativ gefertigten Bauteile auch serien-<br />
identische mechanische Eigenschaften. Deshalb<br />
wird beim Selektiven Laserschmelzen ein metal-<br />
lisches Pulver aus einem Serienwerkstoff ver-<br />
wendet. Durch das vollständige Aufschmelzen<br />
› 10<br />
Selektiv lasergeschmolzenes<br />
Turbinenrad aus<br />
„Wirobond C“, einer<br />
Kobalt-Chrom-Legierung<br />
(Durchmesser 120 mm).<br />
In diese Form könnte es<br />
weder gegossen noch<br />
gefräst werden.<br />
› 09<br />
Beim Selektiven Laserschmelzen<br />
fliegen die<br />
Funken: Der Prozess<br />
ermöglicht die wirtschaftliche<br />
Einzelteilfertigung<br />
komplexer Geometrien.<br />
› 09
› 10
AUS DEN BRANCHEN<br />
des Pulvers und die schmelzmetallurgische An-<br />
bindung von Schicht zu Schicht erreichen wir<br />
eine Bauteildichte von circa 100 Prozent. Zu-<br />
dem entsprechen die mechanischen Eigen-<br />
schaften der Bauteile den Werkstoffspezifikatio-<br />
nen.“ Mit dem Selektiven Laserschmelzen kön-<br />
nen komplexe Komponenten gefertigt, Ober-<br />
flächenrauheiten verringert und die Maßgenauig-<br />
keit erhöht werden. Zugeigenspannungen und<br />
Rissbildungen im Bauteil werden durch Erwär-<br />
mung während des gesamten Aufbauprozesses<br />
reduziert. Als Branche, in der das Selektive<br />
Laserschmelzen effizient einsetzbar ist, nennt<br />
Dr. Wissenbach zuerst den Werkzeugbau. „Durch<br />
das Verfahren lassen sich Spritzguss-Werkzeuge<br />
mit integrierten, entlang der Werkzeugkontur<br />
verlaufenden Kühlkanälen erzeugen. Aufgrund<br />
der großen Geometriefreiheit bei generativen Ver-<br />
fahren können die Kühlkanäle beliebig platziert<br />
werden. Entsprechende Werkzeuge kühlen nach<br />
jedem Fertigungstakt schneller ab, so dass die<br />
Zykluszeiten verkürzt werden können.“<br />
22<br />
der Spezialist<br />
Selbst in der Medizintechnik ist das Selektive<br />
Laserschmelzen auf dem Vormarsch. Als Knochen-<br />
ersatzimplantate werden Titanwerkstoffe ver-<br />
wendet, für Dentalrestaurationen Kobalt-Chrom-<br />
Legierungen und Gold. „Der Vorteil der Geometrie-<br />
freiheit zeigt sich ebenso bei der Produktion von<br />
Individualimplantaten“, betont Dr. Wissenbach.<br />
„Bei Dentalrestaurationen können wir beispiels-<br />
weise auf einer Plattform rund 100 unterschied-<br />
liche, individuelle Teile – gleichzeitig Schicht für<br />
Schicht – mit einem Laser aufbauen.“<br />
FUNKTIONS-, GEWICHTS- UND BELASTUNGS-<br />
OPTIMIERTE BAUTEILE FINDEN ANWENDUNG<br />
IM ULTRALEICHTBAU<br />
Auch der Ultraleichtbau ist ein Anwendungsfeld,<br />
da Teile aus Titan oder Aluminium mit komplexen<br />
internen Hohl- oder Gitterstrukturen funktions-,<br />
gewichts- und belastungsoptimiert hergestellt<br />
werden können. Darüber hinaus entwickelt das ILT<br />
das Selektive Laserschmelzen keramischer Werk-<br />
› 11<br />
› 11<br />
Mit dem 3D-Streifenlichtscanner<br />
werden die CAD-<br />
Daten für die Herstellung<br />
der individuellen Implantate<br />
gewonnen.
stoffe. Ziel ist ein Verfahren, mit dem sich Bauteile<br />
aus hochfester Oxidkeramik mit großer Genauig-<br />
keit generativ fertigen lassen.<br />
Pionier beim Einsatz des Selektiven Laser-<br />
schmelzens für Zahnersatz ist die BEGO Medical<br />
<strong>GmbH</strong> in Bremen. Das Schwesterunternehmen<br />
der traditionsreichen BEGO Bremer Goldschläge-<br />
rei Wilh. Herbst <strong>GmbH</strong> & Co. KG hat in Zusam-<br />
menarbeit mit dem Fraunhofer-ILT ein Rapid-<br />
Manufacturing-Verfahren konzipiert und bis<br />
zur Praxisreife entwickelt. Dr. Ingo Uckelmann,<br />
Assistent der Geschäftsführung bei BEGO: „Unser<br />
Verfahren ist das erste CAD-/CAM-System für<br />
aufbauende Lasertechnologie. Die metallischen<br />
Gerüste für Zahnimplantate, deren Daten wir<br />
damit erzeugen, haben eine Maßhaltigkeit von<br />
cirka 25 Mikrometer.“ Die Materialeigenschaften,<br />
wie Zugfestigkeit und Bruchdehnung, entspre-<br />
chen den gesetzlichen Vorschriften. Mit einer<br />
mikrostrukturierten Oberfläche und reduzierter<br />
Oxidbildung werden zudem ein hoher Scherver-<br />
bund und folglich beste Hafteigenschaften für die<br />
Verblendung erzielt. Zudem ist der Werkstoff bio-<br />
kompatibel, er gibt also keine Ionen ab und löst<br />
keine Allergien aus.<br />
GRUNDGERÜSTE FÜR ZAHNERSATZ INNER-<br />
HALB VON CA. 48 STUNDEN<br />
Auch beim Einsatz des patentierten Laserschmelz-<br />
Verfahrens wird nach dem zahnärztlichen Abfor-<br />
men zunächst ein herkömmliches Gipsmodell<br />
angefertigt, das ein 3D-Sensor optisch und berüh-<br />
rungsfrei erfasst. Die CAD-Software erzeugt an-<br />
schließend ein virtuelles Werkstück, etwa ein<br />
Kronenkäppchen, eine Brücke oder ein Brücken-<br />
gerüst. Das Programm schlägt daraufhin ein<br />
Gerüst vor, das dem Zahntechniker als Basis für<br />
die morphologische Feinmodellation dient. Der<br />
fertige Datensatz wird via Datenfernübertragung<br />
zur Produktion in das Verarbeitungszentrum der<br />
BEGO Medical gesandt. Schon 48 Stunden später<br />
erhält das zahntechnische Labor ein Gerüst im<br />
gewünschten Material, das sich ohne große Zwi-<br />
schenschritte verblenden lässt. Früher dauerte die<br />
Produktion von Brücken, Kronen oder Inlays bis zu<br />
zwei Wochen.<br />
Dr. Ingo Uckelmann fasst den Nutzen des Selek-<br />
tiven Laserschmelzens hinsichtlich Dentalrestau-<br />
rationen zusammen: „Das Verfahren hat zwei<br />
wesentliche Vorteile. Zum einen kann eine große<br />
Zahl an individuellen Produkten parallel gefertigt<br />
werden. Zum anderen verbrauchen wir beim Her-<br />
stellen der Teile wenig Material. Denn wir bauen<br />
nur das Volumen auf, das wir für die jeweilige<br />
Restauration tatsächlich benötigen. Müssten wir<br />
eine Goldkrone aus dem Vollen fräsen, wäre das<br />
sehr unwirtschaftlich.“ Seiner Ansicht nach wird<br />
das Selektive Laserschmelzen in 10 bis 15 Jahren<br />
in Verbindung mit CAD-/CAM-Programmen in<br />
der Dentaltechnik selbstverständlich sein, denn<br />
das Verfahren arbeitet ökonomisch und hochwer-<br />
tig. Dr. Ingo Uckelmann abschließend: „Ich denke,<br />
dass wir mit der vollautomatischen Fertigung von<br />
Zahnersatz ein neues Tor der Industrialisierung<br />
aufgestoßen haben.“<br />
› 12<br />
AUS DEN BRANCHEN<br />
› 12<br />
Individueller Zahnersatz<br />
im Selektiven Laserschmelzverfahren:<br />
hier<br />
eine Brücke aus Kobalt-<br />
Chrom und 90-prozentigem<br />
Gold – schwer zu ver-<br />
arbeitende Materialien.<br />
der Spezialist<br />
23
technische projekte<br />
Simulation und Berechnung<br />
für 11.000 PS<br />
Rolls-Royce ist an der Entwicklung eines der leistungsfähigsten Propeller-Triebwerke der<br />
Welt beteiligt. Bei der Konstruktion spielen Berechnungen des Betriebsverhaltens der einzel-<br />
nen Bauteile am Computer eine zentrale Rolle und verkürzen die Entwicklungszeit erheblich.<br />
TEXT › Anja Naumann<br />
Die neuen Propeller-Triebwerke für ein aktuell<br />
entwickeltes Airbus-Transportflugzeug zählen zu<br />
den leistungsfähigsten der westlichen Welt. Jedes<br />
der vier 1,8 Tonnen schweren Triebwerke verfügt<br />
über eine Leistung von rund 11.000 PS. Die hohe<br />
PS-Zahl ermöglicht dem Transportflugzeug, weite<br />
Strecken bei hoher Grundgeschwindigkeit zu be-<br />
wältigen. „Bei den Flugmanövern wirken gewal-<br />
tige Kräfte auf die einzelnen Bauteile“, erläutert<br />
<strong>Brunel</strong>-Mitarbeiterin Dr. Stefanie Anteboth, die<br />
in der Abteilung Gesamttriebwerksmechanik bei<br />
Rolls-Royce Deutschland jene Kräfte berechnet, die<br />
die Auslegung der Bauteile bestimmen. „Vorhan-<br />
dene Lasten anderer Triebwerksfamilien lassen<br />
sich nicht einfach linear hochrechnen, denn die<br />
Komponenten zeigen in einem anderen Maßstab<br />
oftmals ein Verhalten, das nicht skalierbar ist“, so<br />
die Werkstofftechnikerin. Rolls-Royce ist gemein-<br />
sam mit weiteren Partnern des Europrop-Interna-<br />
tional-Konsortiums (EPI) an der Entwicklung des<br />
Propeller-Triebwerks beteiligt. Als Antrieb des<br />
Transportflugzeugs wurden Propellertriebwerke<br />
gewählt, weil damit eine optimale Leistung für<br />
Start- und Landemanöver, wirtschaftlicher Kraft-<br />
stoffverbrauch, bessere Manövriereigenschaften<br />
am Boden sowie Lastabwürfe aus der Luft gewähr-<br />
leistet sind.<br />
24<br />
Seit Januar 2007 arbeitet Dr. Stefanie Anteboth<br />
im Team der „Whole Engine Mechanics“-Gruppe.<br />
Mit „Finite Elemente“-Berechnungen prüft und<br />
beurteilt sie die mechanischen Eigenschaften des<br />
der Spezialist<br />
Gesamttriebwerks und liefert die Randlasten, um<br />
die einzelnen Komponenten optimal auszulegen.<br />
Dazu zählen unter anderem Untersuchungen<br />
zum Einfluss von Steifigkeitsänderungen auf das<br />
Gesamtverhalten des Triebwerks, die Berechnung<br />
von Ermüdungslasten zur Lebensdauerermittlung<br />
oder die Simulation von Versagensverhalten.<br />
UMFANGREICHE BERECHNUNGEN FÜR<br />
OPTIMALE LÖSUNGEN<br />
„Alle Eventualitäten müssen durchgespielt wer-<br />
den. Zum Beispiel müssen die Triebwerke auch<br />
dann noch zuverlässig arbeiten, wenn ein Trieb-<br />
werksaufhängungspunkt, eine Komponente oder<br />
eine Propellerschaufel nicht mehr intakt sein<br />
sollte“, erläutert Dr. Stefanie Anteboth. Die Aus-<br />
legungslasten des Gesamttriebwerks setzen sich<br />
aus verschiedenen Anteilen zusammen, wie zum<br />
Beispiel Beschleunigungskräften, aerodynami-<br />
schen Propellerlasten, Triebwerksschub oder Gyro-<br />
skopieeinflüssen sowie Unwuchten des Propellers<br />
und der Rotoren. „Um die optimale Lösung sowie<br />
ein bestmögliches Zusammenspiel der einzelnen<br />
Bauteile zu finden, sind umfangreiche Berech-<br />
nungen notwendig. Dann kann man entscheiden,<br />
ob es sinnvoller ist, für ein Bauteil zum Beispiel<br />
eine größere Wandstärke oder ein anderes Mate-<br />
rial einzuführen“, beschreibt die <strong>Brunel</strong>-Spezialis-<br />
tin den Arbeitsprozess. Ziel ihrer Tätigkeit ist der<br />
Aufbau eines validierten Gesamttriebwerkmo-<br />
PORTRÄT<br />
Im Anschluss an ihr Studium<br />
der Werkstoffwissenschaft<br />
und -technologie<br />
arbeitete Stefanie Anteboth<br />
als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Institut<br />
für Werkstofftechnik an<br />
der Universität Kassel und<br />
promovierte 2006. Seit<br />
ihrer Anstellung bei <strong>Brunel</strong><br />
Anfang 2006 führte sie<br />
unter anderem statische<br />
Berechnungen für das<br />
Seitenleitwerk der A380<br />
durch.
dells, das auf detaillierten Komponenten-Model-<br />
len basiert und dessen Berechnungsergebnisse<br />
zur Triebwerkszertifizierung beitragen.<br />
ENTWICKLUNGSZEITEN WERDEN ERHEBLICH<br />
VERKÜRZT, KOSTEN REDUZIERT<br />
„Dank der heutigen Möglichkeiten, das Betriebs-<br />
verhalten von Bauteilen weitestgehend vorauszu-<br />
berechnen, ist man in der Lage, Entwicklungszei-<br />
ten für neue Produkte erheblich zu verkürzen und<br />
zudem beträchtliche Kosten zu sparen“, erläutert<br />
Dr. Bernd Domes, der Gruppenleiter der Gesamt-<br />
triebwerksmechanik bei Rolls-Royce. Natürlich<br />
kann dabei nicht gänzlich auf Tests verzichtet<br />
werden, schließlich sind sie Bestandteile der Zer-<br />
tifizierung. Die „Finite Elemente“-Methoden sind<br />
jedoch aus dem heutigen Entwicklungsprozess<br />
nicht mehr wegzudenken. „Mittlerweile sind wir<br />
in der Erprobungsphase. Zahlreiche Prüfstands-<br />
läufe liegen hinter uns, Anfang dieses Jahres folgt<br />
der erste Testflug eines Prototyps“, berichtet Dr.<br />
Domes. Stolz zeigt sich auch Dr. Stefanie Ante-<br />
both: „Auch wenn der Teil, den ich dabei leiste, für<br />
die meisten Menschen sehr abstrakt erscheint, ist<br />
es für mich eine spannende Aufgabe, an der Ent-<br />
wicklung dieses innovativen Produkts mitzuwir-<br />
ken.“ Daran hat nicht zuletzt das engagierte Team<br />
der Gesamttriebwerksmechanik mit Mitarbeitern<br />
unterschiedlicher Disziplinen seinen Anteil. „Die<br />
Arbeit macht mir großen Spaß, weshalb ich das<br />
Angebot, auch im kommenden Jahr bei diesen<br />
Berechnungsarbeiten mitzuhelfen, gerne ange-<br />
nommen habe.“<br />
der Spezialist<br />
25
technische projekte<br />
Von Reibmomenten und<br />
Elastizitäten<br />
Ingenieure von <strong>Brunel</strong> Car Synergies entwickelten zusammen mit BMW ein hochpräzises<br />
Prüfsystem. Auf dem REMP-Prüfstand werden bis zu sieben verschiedene Tests durchgeführt,<br />
um den Achsverschleiß zu analysieren. So verkürzen sich die Entwicklungszeiten deutlich.<br />
TEXT › Matthias Huthmacher<br />
„Reibmoment- und Elastizitätsmess-Prüfstand“ –<br />
ein solches Wortungetüm nehmen nicht einmal<br />
detailverliebte Techniker öfter in den Mund als<br />
unbedingt nötig. Auch das „Prüfsystem zur Mes-<br />
sung von Reibmomenten in Achsgelenken“, so die<br />
ursprüngliche Bestellung aus dem Hause BMW,<br />
klingt nicht wirklich rund. Peter Bolz und sein<br />
Team haben den Namen „ihres Babys“ also abge-<br />
kürzt: REMP, das hört sich gleich familiärer an.<br />
Und es lässt sich viel leichter merken – ganz wie<br />
es einem Gerät zusteht, das derzeit als weltweit<br />
einzigartig gilt.<br />
26<br />
Peter Bolz ist Leiter von <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />
in Bochum. Mehr als ein Jahr lang haben er und<br />
ein Stab aus acht Ingenieuren und Technikern<br />
sich mit dem REMP beschäftigt. Etwas über eine<br />
Million Euro hat die gesamte Entwicklung gekos-<br />
tet, mehr als hundert Präzisionsbauteile mussten<br />
eigens konstruiert und angefertigt werden, ehe<br />
der 1,40 Meter breite, 2,65 Meter lange und 2,60<br />
Meter hohe Prototyp mit einem Gesamtgewicht<br />
von rund 1,8 Tonnen betriebsbereit war. Doch es<br />
hat sich gelohnt: „Erstmals können hier bis zu<br />
sieben Einzelmessungen auf ein und demselben<br />
Prüfstand durchgeführt werden. Das erspart dem<br />
Kunden Zeit und damit auch Kosten“, so Jörg Küp-<br />
pers, Prüfstandsentwickler bei Car Synergies.<br />
An seiner Wirkungsstätte im Forschungs- und<br />
Innovationszentrum von BMW, kurz FIZ genannt,<br />
wird der REMP zur Prüfung von Verschleißer-<br />
scheinungen an neu entwickelten Achsgelenken<br />
der Spezialist<br />
eingesetzt. Mit ihm lassen sich sowohl Drehmo-<br />
ment- als auch Elastizitätsmessungen vorneh-<br />
men. Damit deckt er Aufgabenbereiche ab, für die<br />
bislang zwei herkömmliche Prüfstände eingesetzt<br />
werden mussten. Zuständiger Projektleiter im FIZ<br />
ist Georg Unterreitmeier. Er weiß neben der erst-<br />
mals möglichen Kombination zweier Messverfah-<br />
ren noch einen weiteren Vorteil des REMP zu<br />
schätzen: „Wir erreichen hier eine enorm hohe<br />
Messpräzision.“ Ein Höchstmaß an Genauigkeit<br />
stand von Beginn an im Lastenheft der Entwickler<br />
und tatsächlich bewegen sich die Messtoleranzen<br />
des REMP im Hundertstel-Millimeter-Bereich.<br />
DER REMP-PRÜFSTAND BEGLEITET ALLE<br />
STADIEN DER FAHRZEUGENTWICKLUNG<br />
Doch damit nicht genug. Weil sich mit dem Gerät<br />
aus Bochum im Gegensatz zu derzeitigen Anla-<br />
gen der Krafteinleitungswinkel beliebig variie-<br />
ren lässt, können die Prüfteile in ihrer Einbaulage<br />
montiert werden, also in exakt jener Position, die<br />
sie auch am Fahrzeug einnehmen. Das erleich-<br />
tert die Arbeit der Techniker erheblich, was umso<br />
wichtiger ist, da der REMP alle Stadien der Fahr-<br />
zeugentwicklung begleitet: die Initialphase, in der<br />
die am Rechner entworfenen Konstruktionen<br />
sich erstmals auf Simulatoren bewähren müs-<br />
sen. Die Konzeptphase, in welcher erste Prototy-<br />
pen Fahrpraxis sammeln. Und die Serienphase,<br />
wenn das Fahrzeug nicht nur optisch, sondern
auch technisch den letzten Feinschliff erhält.<br />
Vom ersten Federstrich auf dem Zeichenbrett bis<br />
zum fertigen Auto vergehen bis zu fünf Jahre.<br />
Während dieser langwierigen Entstehungsge-<br />
schichte stehen immer wieder harte Prüfungen<br />
an: Nicht erst komplette Motoren, Fahrwerke und<br />
Karosserien, sondern auch die einzelnen Kom-<br />
ponenten werden dabei regelrecht gemartert.<br />
Das umfangreiche Arsenal in den „Folterkam-<br />
mern“ der Automobilindustrie umfasst Dauer-<br />
belastungsstände, Klima- und Höhenkammern,<br />
Apparate zum Verbiegen und Verwinden von<br />
Materialien, Maschinen, die an beweglichen Tei-<br />
len rütteln, schütteln, zerren und stoßen. Mit<br />
Hilfe dieses Instrumentariums können alle nur<br />
erdenklichen Torturen für sämtliche Bauteile<br />
› 13<br />
› 13<br />
Wenn der Antriebsstrang<br />
montiert wird, wie hier bei<br />
BMW Brilliance Automotive<br />
Shenyang in China,<br />
haben die Prototypen der<br />
Einzelkomponenten bereits<br />
umfangreiche Belastungstests<br />
gemeistert.<br />
der Spezialist<br />
27
technische projekte<br />
› 14<br />
Bei Testfahrten zeigt sich,<br />
ob die aus den Messdaten<br />
der Einzelkomponenten<br />
abgeleiteten Fahreigenschaften<br />
auch in der Praxis<br />
zutreffen.<br />
28<br />
der Spezialist<br />
simuliert werden. Auch die Teststrecken in den<br />
jeweiligen Forschungszentren oder draußen in<br />
den entlegensten Winkeln der Welt fordern<br />
ihren Tribut: Dort muss sich die Technik auf Hol-<br />
perpisten ebenso bewähren wie auf Hochge-<br />
schwindigkeitskursen, sie schluckt Sand, Staub<br />
und Wasser, erträgt Schnee sowie Eis, Hitze und<br />
Kälte. In Simulation und Praxis wird jedem Bau-<br />
teil innerhalb kürzester Zeit all das zugemutet,<br />
was das künftige Kundenfahrzeug meist nicht<br />
einmal über seinen gesamten Lebenszyklus hin-<br />
weg zu ertragen hat. Nur was diesen geballten<br />
„Grausamkeiten“ widersteht, darf später in die<br />
Serie einfließen – ein ebenso gnadenloser wie<br />
aufwändiger Evolutionsprozess.<br />
Damit die rohen Kräfte dieser Verschleißer-<br />
zeuger nicht sinnlos walten, sind hochpräzise<br />
Mess- und Prüfverfahren nötig, die exakt aufzei-<br />
gen, welche Spuren die Horrorszenarien tatsäch-<br />
lich hinterlassen. Achsgelenke aber werden in<br />
der Fahrpraxis besonders beansprucht, weil eine<br />
Reihe unterschiedlicher Belastungen gleichzei-<br />
tig auftreten. Ihr Verschleiß äußert sich in erster<br />
Linie durch zunehmendes Spiel oder Schwergän-<br />
gigkeit. Dies bereits im Ansatz zu erkennen, ist die<br />
Aufgabe des REMP-Prüfstandes: Er gehört nicht zu<br />
den Folterinstrumenten, er ist vielmehr das Sezier-<br />
werkzeug, mit dem das geschundene Material<br />
untersucht wird.<br />
DIE ACHSGELENKE WERDEN MIT BIS ZU 1,2<br />
TONNEN ODER 12 KILONEWTON BELASTET<br />
Dazu baut der REMP je nach Prüfungsansatz die<br />
entsprechenden Belastungszustände an den Pro-<br />
banden auf. Bis zu 12 Kilonewton liegen dann an<br />
› 14
den Achsgelenken an – oder anders ausgedrückt:<br />
Etwa 1,2 Tonnen! Für den notwendigen Druck<br />
sorgen Hydraulikzylinder, zur Erzeugung von<br />
Drehmomenten dienen Elektromotoren. Bei den<br />
Messungen selbst kommen drei Methoden zum<br />
Einsatz: Lasertechnologie für die Elastizitätsunter-<br />
suchungen, Dehnmessstreifen-Verfahren (DMS)<br />
und Messwellentechnik bei den Widerstands- und<br />
Drehmomenttests. Die ermittelten Daten erfasst<br />
ein Computer anhand der Programmiersprache<br />
LABVIEW. Er übersetzt die Messwerte in grafische<br />
Darstellungen, so dass die Fahrzeugingenieure<br />
anhand von Diagrammen beurteilen können, wie<br />
der Prüfling sich im bisherigen Testeinsatz be-<br />
währt hat.<br />
„WIR KÖNNEN DIE ACHSEN SÄMTLICHER<br />
MODELLE DER BMW GROUP VERMESSEN“<br />
Wie bei allen Aufträgen für <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />
suchten Peter Bolz und seine Mannschaft auch<br />
während des gesamten Entwicklungsprozesses<br />
für den REMP die enge Kooperation mit dem Auf-<br />
› 15<br />
traggeber: „Dabei haben wir nicht nur Techniker<br />
und Konstrukteure des FIZ mit einbezogen, sogar<br />
die Werksfahrer der Testabteilung konnten ihre<br />
Erfahrungen einbringen.“ Eine umfassende Zu-<br />
sammenarbeit mithin, die am Ende nicht nur in<br />
Form einer ausgesprochen praktischen Handha-<br />
bung, sondern auch mit einem hohen Grad an Fle-<br />
xibilität Früchte trug. Was Georg Unterreitmeier<br />
in München nur bestätigen kann: „Dieser Prüf-<br />
stand erfordert lediglich den Wechsel der entspre-<br />
chenden Aufnahmevorrichtungen, dann können<br />
wir die Achsgelenke sämtlicher Modelle der BMW<br />
Group vermessen, vom kleinen Mini bis hin zum<br />
schweren Rolls-Royce.“<br />
technische projekte<br />
› 15<br />
Das in den Prüfstand<br />
eingespannte Achsgelenk<br />
wird in Echtzeit per Laser<br />
vermessen. Die Steuerung<br />
des REMP, die Speicherung<br />
und Auswertung<br />
der Messdaten wurden<br />
durchgehend in LABVIEW<br />
programmiert.<br />
INFO<br />
Im Bereich Testing bietet<br />
<strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />
Berechnung, Simulation,<br />
Materialprüfungen und<br />
Umweltsimulationen<br />
sowie schwingungs-,<br />
druck- und servohydraulische<br />
Prüfungen für alle<br />
Fahrzeugsysteme. Ebenso<br />
zählen der Funktionstest<br />
von Kraftstoffsystemen,<br />
mobile Messtechnik und<br />
EMV/ESD zu den Leistungen<br />
der Bochumer.<br />
der Spezialist 29
technische projekte<br />
Milliarden Bauteile auf<br />
kleinstem raum<br />
Die Miniaturisierung von Speicherchips und Mikroprozessoren schreitet immer weiter voran.<br />
Die Carl Zeiss SMT AG setzt auf neue Produktionsverfahren für die Massenherstellung. Um die<br />
45 nm zu brechen, soll die Immersionslithografie zum Einsatz kommen.<br />
TEXT › Dr. Ralf Schrank<br />
„Schon während des Studiums haben mich<br />
kleinste Strukturen fasziniert. Aber jetzt haut-<br />
nah an neuen Methoden zur Miniaturisierung<br />
von Chips mitarbeiten zu können – das ist schon<br />
äußerst spannend.“ <strong>Brunel</strong>-Mitarbeiterin Yvonne<br />
Köhne arbeitet seit 2006 an einem zukunftswei-<br />
senden Projekt der Carl Zeiss SMT AG in Oberko-<br />
chen. Hier, im hundertprozentigen Tochterun-<br />
ternehmen der Carl Zeiss AG, ein Unternehmen<br />
der optischen und opto-elektronischen Industrie,<br />
arbeitet sie an neuen Verfahren zur Herstellung<br />
30<br />
der Spezialist<br />
› 16<br />
der nächsten Generation von Halbleiterchips. Der<br />
erste „Integrated Circuit“ (IC), im Volksmund ein-<br />
fach Chip genannt, wurde 1958 vorgestellt. Er ent-<br />
hielt gerade einmal zehn Bauteile.<br />
INTEGRIERTE SCHALTKREISE MIT IMMER<br />
FEINEREN STRUKTUREN<br />
Heute ist die Integrationsdichte von Speicher-<br />
chips und Mikroprozessoren so weit vorangetrie-<br />
ben, dass auf einem IC einige Milliarden Bauteile<br />
ihren Dienst verrichten. Und die Miniaturisierung<br />
geht weiter. Denn die Benutzer von Handys, Note-<br />
books, Internet und Digitalkameras verlangen<br />
ihren Geräten immer mehr Leistung ab. Von ent-<br />
scheidender Bedeutung für die weitere Steigerung<br />
der Integrationsdichte der ICs ist die Mikrolitho-<br />
grafie, ein optisches Verfahren, mit dem feinste<br />
Strukturen auf dem Halbleiter abgebildet werden.<br />
Yvonne Köhne arbeitet an neuen lithografischen<br />
Verfahren, mit denen die Halbleiterindustrie inte-<br />
grierte Schaltkreise mit immer feineren Struktu-<br />
ren herstellen kann. Je mehr Leiterbahnen und<br />
Bauteile – Widerstände und Kapazitäten, Dioden<br />
und Transistoren zum Beispiel – sich auf einer<br />
gegebenen Halbleiterfläche unterbringen lassen,<br />
umso leistungsfähiger ist der IC.<br />
Am Anfang der Chipherstellung steht der Wa-<br />
fer – eine etwa ein Millimeter dünne runde Scheibe<br />
aus Reinstsilizium, heute mit Durchmessern bis<br />
30 Zentimetern. Auf jedem Wafer entstehen mit<br />
PORTRÄT<br />
Die gelernte Kfz-Mechanikerin<br />
Yvonne Köhne ent-<br />
deckte während ihres<br />
Maschinenbaustudiums<br />
den Mikrokosmos. Seit<br />
2006 ist Yvonne Köhne bei<br />
<strong>Brunel</strong>, zuvor arbeitete sie<br />
zwei Jahre am Fraunhofer-<br />
Institut für Grenzflächen-<br />
und Bioverfahrenstechnik<br />
in Stuttgart.<br />
› 16<br />
Endmontage des Objektivs<br />
Starlith 1900 im Reinraum<br />
bei der Carl Zeiss SMT AG<br />
in Oberkochen.
technische projekte<br />
› 17<br />
Bei der Strukturierung<br />
von Wafern für Mikrochips<br />
finden die Lithografieoptiken<br />
von Carl Zeiss SMT<br />
weltweit Einsatz.<br />
32<br />
der Spezialist<br />
Hilfe der Mikrolithografie mehrere hundert bis<br />
mehrere tausend identische ICs, indem ein Licht-<br />
bündel Leiterbahnen und Bauelemente von einer<br />
Vorlage auf den Wafer projiziert – ähnlich wie ein<br />
Diaprojektor das Diabild auf eine Leinwand über-<br />
trägt. Der kleine Unterschied: Ein Waferstepper<br />
oder Waferscanner – je nachdem, ob die Struktu-<br />
ren Schritt für Schritt (step-by-step) oder kontinu-<br />
ierlich (scan) übertragen werden – kostet heute<br />
weit über zehn Millionen Dollar.<br />
Grund für den hohen Preis ist die außerordent-<br />
liche Präzision, die IC-Hersteller von den mecha-<br />
nischen und optischen Komponenten der Stepper<br />
und Scanner verlangen. Denn die Strukturele-<br />
mente auf dem Wafer liegen bei 50 Nanometern<br />
und weniger. Ein Vergleich macht deutlich, welche<br />
enorme Auflösung damit einhergeht: Wenn auf<br />
einem 30-Zentimeter-Wafer die beiden Erdhalb-<br />
kugeln nebeneinander abgebildet würden, dann<br />
hätte eine Landstraße von fünf Metern Breite<br />
auf dem Wafer eine Breite von etwa 50 Nanome-<br />
tern. Aktuell liegen die in der Massenproduktion<br />
erreichbaren Linienbreiten noch bei 50 Nano-<br />
metern. Aber dank der erfolgreichen Arbeit von<br />
Yvonne Köhne und ihren Kollegen bei Carl Zeiss<br />
SMT, wird die 45-Nanometer-Barriere bald durch-<br />
brochen sein. Zwei Strategien verfolgt das Unter-<br />
nehmen. Eine davon ist die optische Immersion.<br />
Wird der kleine Zwischenraum zwischen Abbil-<br />
dungsoptik und Wafer mit einer geeigneten Flüs-<br />
sigkeit gefüllt, zum Beispiel Reinstwasser, dann<br />
ist die Brechung wesentlich geringer. Im Ergebnis<br />
ist die Abbildung also deutlich besser als ohne<br />
Immersion – Auflösung und Tiefenschärfe steigen.<br />
DIE MINIATURISIERUNG IST LÄNGST NICHT<br />
AM ENDE ANGELANGT<br />
Die zweite Variante, die 45-Nanometer-Marke zu<br />
unterbieten, könnte folgendermaßen aussehen:<br />
Ein Grundgesetz der Optik lautet: Je kleiner die<br />
Wellenlänge des genutzten Lichts, umso feinere<br />
Strukturen können abgebildet werden. In der Tat<br />
haben sich die IC-Hersteller in den vergangenen<br />
40 Jahren zu immer kürzeren Wellenlängen vor-<br />
getastet, um immer kleinere und damit immer<br />
› 17
mehr Bauelemente auf einem IC zu platzieren. Mit<br />
Licht von 365 Nanometern im Bereich des „nahen“<br />
UV erreichten sie vor gut 15 Jahren eine maximale<br />
Auflösung von 500 Nanometern. Mit dem 193-<br />
Nanometer-Licht eines Argonfluorid-Lasers las-<br />
sen sich heute Linienbreiten von unter 40 Nano-<br />
metern realisieren.<br />
Doch die Miniaturisierung ist mit diesen Grö-<br />
ßen noch längst nicht an ihrem Ende angelangt.<br />
Noch kleinere Wellenlängen nutzt die EUV-Litho-<br />
grafie (EUV = extremes Ultraviolett). Linsen kön-<br />
nen in diesem Fall nicht verwendet werden, weil<br />
es kein Material gibt, das für EUV durchlässig<br />
ist. Vielmehr erfordert die Projektion Spiegelsys-<br />
teme mit extremer Oberflächengüte. Die Wel-<br />
lenlänge ist durch die Eigenschaften der Spiegel<br />
auf einen sehr engen Bereich um 13,5 Nanome-<br />
ter beschränkt. Da die Luft das Licht dieser Wel-<br />
lenlänge vollständig absorbiert, müssen EUV-<br />
Systeme im Hochvakuum betrieben werden. Für<br />
seine bahnbrechenden Leistungen bei der Ent-<br />
wicklung von EUV-Systemen wurde ein Team<br />
von Carl Zeiss SMT jüngst für den 11. Deutschen<br />
Zukunftspreis nominiert.<br />
Für die Massenfertigung hochintegrierter elek-<br />
tronischer Bauteile werden heute 193-Nanome-<br />
ter-Lithografen ohne Immersion eingesetzt. EUV-<br />
Lithografiesysteme für die Mengenproduktion<br />
werden erst in einigen Jahre Marktreife erlangen.<br />
Die Zukunft wird also zumindest auf mittlere<br />
Sicht der 193-Nanometer-Immersionslithografie<br />
gehören. Immer vorausgesetzt, das Team, in dem<br />
Yvonne Köhne arbeitet, findet die richtigen Lö-<br />
sungen.<br />
› 18<br />
› 18<br />
Für den störungsfreien<br />
Ablauf der Versuche im<br />
Nanobereich müssen die<br />
Reinräume absolut staub-<br />
und verschmutzungsfrei<br />
sein. Im Bild: eine noch<br />
unbearbeitete Linse.<br />
der Spezialist 33
› 19
I m Takt rasender<br />
I nnovationen<br />
MITARBEITER UND KARRIERE<br />
Mit gebündelten Ressourcen aus Forschung und Industrie will Volker Linde im Arbeitskreis<br />
Elektroniktechnologie (AKET) künftigen Herausforderungen begegnen. Sein Arbeitsalltag wird<br />
seit über 20 Jahren vom rasanten Fortschritt auf diesem Gebiet bestimmt.<br />
TEXT › Anja Naumann<br />
Volker Linde spricht schnell, als befürchte er, dass<br />
das, was er sagt, im nächsten Moment schon wie-<br />
der veraltet sein könnte. Die Elektroniktechnolo-<br />
gie, so sagt er selbst, ist ihm in Fleisch und Blut<br />
übergegangen. Schließlich hat die Entwicklung<br />
der Elektronik innerhalb der letzten Jahrzehnte<br />
nun einmal ein rasantes Tempo vorgelegt. Seit<br />
Lindes Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter be-<br />
stimmt der Takt der schnellen Neuerungen seine<br />
berufliche Karriere. Bleibt dieser Takt aus, fun-<br />
giert er selbst gerne als Taktgeber. So auch, als er<br />
Ende 2006 den Arbeitskreis Elektroniktechnologie<br />
(AKET) Nordhausen initiierte. Mit gebündelten<br />
Ressourcen aus Forschung und Industrie will er<br />
mit den Gründungsmitgliedern der Fachhoch-<br />
schule Nordhausen sowie der FMN communica-<br />
tions <strong>GmbH</strong> die Herausforderungen angehen,<br />
die die Zukunft an die Elektroniktechnologie<br />
stellt. „Mittlerweile bringt die Automobilindust-<br />
rie die miniaturisierte Steuerungstechnik direkt<br />
an den Motorblock an“, nennt der 41-jährige<br />
Eletronikingenieur ein Beispiel. „Dort ist sie Umge-<br />
bungstemperaturen von bis zu 200 Grad Celsius<br />
ausgesetzt. Dies war vor einigen Jahren noch un-<br />
denkbar, da die Trägermaterialien aus Glasfaser-<br />
substrat ab 120 Grad Celsius zähfließend wurden.“<br />
Gänzlich anderer Art waren die Themenstel-<br />
lungen vor über 20 Jahren. Es ist das Jahr 1985,<br />
Volker Linde hatte gerade seine Ausbildung zum<br />
Elektronikfacharbeiter abgeschlossen. Im Fern-<br />
meldewerk Nordhausen erlebte Linde die Umstel-<br />
lung der Telefontechnik von der Wählscheibe zur<br />
Tastatur. Die elektrischen Impulse, die von der<br />
Tastatur ausgehen, erforderten eine neue Codie-<br />
rung auf der Leiterplatte. „Die elektronischen<br />
Komponenten mussten damals noch von Hand<br />
in die Durchkontaktierungen der Leiterplatten<br />
gesteckt und verdrahtet werden“, erinnert sich<br />
Linde an die Anfänge seiner beruflichen Karriere.<br />
DIE WENDE BRACHTE VIELE NEUE<br />
HERAUSFORDERUNGEN<br />
Später gab es so genannte Surface Mounted<br />
Devices (SMD). Die Bauteile hatten erstmals keine<br />
Drahtanschlüsse, sondern wurden direkt auf die<br />
Leiterplatte gelötet. Dadurch ließen sich sehr<br />
dichte und vor allem beidseitige Bestückungen<br />
der Leiterplatten realisieren. Was Linde in seinem<br />
Studium der industriellen Elektronik in Eisleben<br />
in der Theorie erfuhr, setzte der frisch gebackene<br />
Diplom-Ingenieur 1989 als Prüffeldingenieur in<br />
der Baugruppenfertigung des Fernmeldewerks<br />
in die Praxis um. „Die SMD-Technik bedeutete da-<br />
mals eine gewaltige Umstellung. Erstmals wur-<br />
den die Leiterplatten mit einem Automaten be-<br />
stückt“, erzählt Linde.<br />
Die politische Wende brachte neue Herausfor-<br />
derungen. Linde bestückte von da an Leiterplatten<br />
für neue Telefongenerationen namens „Nizza“<br />
oder „Bily“. Neue Einblicke bescherte auch die<br />
miniaturisierte Technik: Die Leiterplatten waren<br />
INFO<br />
Der Arbeitskreis ist die<br />
Basis für die Optimierung<br />
von Elektroniktechnologie-<br />
Verfahren. Ein Arbeitsfeld<br />
ist die Forschung und<br />
Entwicklung von Aufbau-<br />
und Verbindungstechnologien<br />
für miniaturisierte<br />
Elektroniken.<br />
› 19<br />
Platine für ein Gerät zur<br />
optischen Messung komplizierter<br />
geometrischer<br />
Figuren. Die mehrlagige,<br />
RoHS-konforme Prozessorplatine<br />
verfügt über ein<br />
optimiertes Layout.<br />
der Spezialist 35
MITARBEITER UND KARRIERE<br />
mittlerweile in den Hörer integriert, das ganze<br />
Telefon bestand quasi nur noch aus einem Hörer.<br />
Abermals stellten sich neue Anforderungen an<br />
die Leiterplattenelektronik, die sich nun flexibel<br />
an die gebogene Hörerform anpassen musste.<br />
36<br />
Doch 1992 traf die Umstrukturierungswelle im<br />
Fernmeldewerk auch Volker Linde. Er wechselte<br />
zur Siemens AG nach Sangerhausen und arbei-<br />
tete in der Elektronikfertigung für verschiedene<br />
Branchen. „Im Gegensatz zur damaligen Massen-<br />
fertigung im Fernmeldewerk kam es nun darauf<br />
an, schnell und flexibel reagieren zu können“,<br />
erzählt Linde. Als dieser Standort 1994 geschlos-<br />
sen wurde, erhält er das Angebot von Siemens,<br />
nach Hannover zu wechseln. Doch Volker Linde<br />
will seiner Heimatregion die Treue halten. „In der<br />
Region ist reichliche und vielfältige Elektronik-<br />
kompetenz vorhanden. Diese gilt es weiter auszu-<br />
bauen und zu bündeln“, begründet Linde seinen<br />
damaligen Entschluss, der noch heute sein Han-<br />
deln bestimmt.<br />
Ende 1995 stieß er zur frisch gegründeten Nord-<br />
häuser IMG <strong>GmbH</strong>, die sich auf industrienahe<br />
der Spezialist<br />
› 20<br />
Forschung und Elektronikentwicklung für ver-<br />
schiedene Branchen spezialisiert hat und 2006<br />
zur <strong>Brunel</strong> IMG umfirmierte. Wieder kamen neue,<br />
ihm bisher unbekannte Aufgaben hinzu, wie<br />
Akquise und Kalkulation. Als begeisterter Modell-<br />
eisenbahner führte ihn sein erster Weg zum Her-<br />
steller Piko. „Ich kehrte zurück mit dem Auftrag in<br />
der Tasche, die Leiterplatten für die elektrischen<br />
Loks zu fertigen und zu integrieren“, erinnert sich<br />
Linde.<br />
Fünf Jahre später profitierte auch die reale<br />
Bahn von den Leistungen der IMG <strong>GmbH</strong>. Die Elek-<br />
tronik-Spezialisten um Volker Linde entwickelten<br />
für Bombardier einen so genannten elektrischen<br />
Schlüssel, der die verschiedenen Signale in der<br />
europäischen Zugsicherung in einem System ver-<br />
einheitlicht und somit den grenzüberschreiten-<br />
den Schienenverkehr ermöglichte.<br />
KONKURRENZFÄHIG DURCH EFFIZIENZ<br />
UND FERTIGUNGSOPTIMIERUNG<br />
„Entwicklung und Fertigung müssen eine Einheit<br />
sein, ansonsten kann nicht effizient produziert<br />
werden“, zieht Linde das Fazit aus seiner langjäh-<br />
rigen Arbeit für verschiedene Branchen. Immer<br />
wieder hat er erlebt, dass der Entwicklung die<br />
anwendungsspezifischen Kenntnisse fehlen wie<br />
auch umgekehrt. „Wir sind in der Lage, auch im<br />
Hochlohnland Deutschland effektiv und in klei-<br />
nen Stückzahlen Elektroniken zu entwickeln und<br />
zu fertigen. Sie müssen nur von Beginn an fer-<br />
tigungsoptimiert entwickelt werden. Denn ein<br />
Bestückungsautomat kostet in China genauso viel<br />
wie bei uns“, betont Linde. Wenn die vorhandenen<br />
Spezialisten dann noch den Weg zueinander finden<br />
und die Herausforderungen gemeinsam anpacken,<br />
dann sei der erste Schritt getan. So will er mit dem<br />
Arbeitskreis den Austausch forcieren. Seit langem<br />
bestehen Kooperationen mit der ortsansässigen<br />
Fachhochschule Nordhausen, an der er selbst seit<br />
vier Jahren als Dozent für Elektroniktechnologie<br />
lehrt. Beim Gründungsmitglied FMN communi-<br />
› 20<br />
Je enger die Bauteile<br />
zusammenrücken, um<br />
so wichtiger wird die<br />
Entwärmung. In diesem<br />
Fall gelöst mit Hilfe von<br />
Thermo-Vias.
cations <strong>GmbH</strong> handelt es sich um einen Ableger<br />
des ehemaligen Nordhäuser Fernmeldewerks.<br />
Gemeinsam stellen sich Peter Bubak (FMN com-<br />
munications <strong>GmbH</strong>), Prof. Matthias Viehmann<br />
(Fachhochschule Nordhausen) und Volker Linde<br />
aktuellen und künftigen Fragestellungen rund<br />
um die Elektronik. Dazu gehören etwa die Auswir-<br />
kungen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes<br />
von Juli 2006: „Ohne den gemeinsamen Erfah-<br />
rungsaustausch wäre die Umstellung auf bleifreie<br />
Elektronik niemals so reibungslos und schnell<br />
verlaufen“, so Linde.<br />
EIN WICHTIGER SCHRITT FÜR DIE ENTWICK-<br />
LUNG DER REGION IST GEMACHT<br />
Kürzlich veranstaltete er für Kunden der <strong>Brunel</strong><br />
IMG diesbezüglich einen Informationsworkshop,<br />
um die Anforderungen bei der Anmeldung<br />
zum Elektronik Altgeräte Register zu erläu-<br />
tern. Nächste Etappenziele sind unter anderem<br />
neue Lötverfahren mit niedrigen Temperaturen<br />
oder die Entwicklung neuer Wärme ableiten-<br />
der Basisträger. „Wir müssen uns als Vordenker<br />
für unsere Kunden verstehen. Zu sehen, wo und<br />
warum neue Entwicklungen aktuell gehemmt<br />
werden, das ist eine der vielen Aufgaben“, er-<br />
läutert Linde im Einklang mit seinen Partnern.<br />
Zusammen sind sie sich einig, den richtigen<br />
Schritt in der Region getan zu haben. Der Anfang<br />
ist gemacht.<br />
www.fmncom.com<br />
www.fh-nordhausen.de<br />
www.brunel.de/img<br />
MITARBEITER UND KARRIERE<br />
› 21<br />
› 21<br />
Volker Linde (<strong>Brunel</strong> IMG,<br />
M), Peter Bubak (FMN communications<br />
<strong>GmbH</strong>, l.) und<br />
Prof. Matthias Viehmann<br />
(FH Nordhausen, r.)<br />
beim Erfahrungsaustausch.<br />
der Spezialist 37
AUS DEN BRANCHEN<br />
Die Mischung macht es!<br />
NIR, das Kürzel steht für die Spektroskopie im Bereich des nahen Infrarots, sie kommt über-<br />
all dort zum Einsatz, wo in Echtzeit auf Abweichungen der Zusammensetzung von Stoffen<br />
reagiert werden muss. Das Einsatzgebiet reicht vom Viehstall bis zur Gaspipeline.<br />
TEXT › Roland Bösker<br />
Täglich verarbeitet das HaBeMa-Qualitätsfutter-Werk in Ham-<br />
burg-Wilhelmsburg tonnenweise Getreide, Soja, Öle und<br />
andere Rohstoffe zu Kraftfutter. Die Rohstoffe werden zu Pellets<br />
gepresst. Die Bandbreite reicht von Minipellets für Haus- und<br />
Heimtiere wie Kaninchen und Meerschweinchen bis zu einen<br />
halben Zentimeter dicken, gleichmäßig länglich-rund geform-<br />
ten Brocken für Schweine, Pferde oder Rinder. Entscheidend<br />
dabei: Trotz variierender Eigenschaften der Rohstoffe soll die<br />
Produktqualität ohne Zeitverzug in der laufenden Produktion<br />
überwacht und gesteuert werden können.<br />
WENN DAS MISCHUNGSVERHÄLTNIS NICHT STIMMT,<br />
MUSS AUFWÄNDIG NACHOPTIMIERT WERDEN<br />
Ursprünglich waren dazu komplizierte und vor allem zeitrau-<br />
bende Laboranalysen der Rohstoffe nötig. Denn je nachdem<br />
wie viel Feuchtigkeit, Proteine, Rohfasern oder andere Inhalts-<br />
stoffe das Rohmaterial aufweist, muss das Mischungsverhält-<br />
nis angepasst werden. Ein Zeitverzug zwischen Probeentnahme<br />
und Feststellung des Analyseergebnisses kann bedeuten, dass<br />
ganze Chargen wegen unerwünschter Zusammensetzung wie<br />
zu hohen Feuchtigkeitsgehalts nachbehandelt werden müs-<br />
sen oder gar nicht mehr verwendbar sind. „Das können einige<br />
Tonnen Mischfutter sein“, berichtet HaBeMa-Betriebsleiter Jörg<br />
Bleck.<br />
38<br />
Die Lösung des Problems bietet die NIR-Technologie, wie sie<br />
in Betrieben wie dem HaBeMa-Qualitätsfutter-Werk installiert<br />
ist. Als Basis dient das Prinzip der Spektroskopie im Bereich des<br />
nahen Infrarots (NIR). Die Technologie wurde von der NIR-Online<br />
<strong>GmbH</strong> für die Analyse und Überwachung der Herstellungs- oder<br />
Weiterverarbeitungsprozesse organischer Substanzen in Echt-<br />
der Spezialist<br />
Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast<br />
zeit entwickelt. Vereinfacht skizziert,<br />
funktioniert dies folgendermaßen:<br />
Eine Lichtquelle bestrahlt eine Sub-<br />
stanz, das refl ektierte Licht wird von<br />
einem Sensor aufgefangen. Je nach<br />
Eigenschaft der Substanz differiert<br />
die Wellenlänge des zurückgeworfe-<br />
nen Lichtes. Anhand des Vergleichs<br />
der Spektren miteinander sowie mit<br />
Referenzwerten, die zuvor in Mess-<br />
reihen im Labor gewonnen worden<br />
sind, erkennen NIR-Geräte in Sekun-<br />
denbruchteilen die Zusammenset-<br />
zung des analysierten Materials.<br />
„Mit NIR sowie der entsprechenden<br />
EDV-Infrastruktur stehen Analyse er-<br />
gebnisse in Echtzeit zur Verfügung<br />
und können unmittelbar für die<br />
Überwachung und Justierung des<br />
Rohstoffzulaufes genutzt werden“,<br />
so <strong>Brunel</strong> Mitarbeiter und IT-Experte<br />
Wolfgang Kern. Einmal mit Daten<br />
gefüttert und kalibriert, „lernen“ die<br />
NIR-Geräte ständig dazu, denn die<br />
Daten aus der Produktion werden<br />
als aktualisierte Referenzwerte ge -<br />
nutzt.<br />
„Die NIR-Technologie ist ausge-<br />
reift“, so Kern. „Es kommt darauf an,<br />
die Geräte und die EDV-Peripherie<br />
so in den laufenden Betrieb zu inte-<br />
PORTRÄT<br />
Wolfgang Kern schloss<br />
1976 sein Informatikstudium<br />
ab und entwickelte<br />
im Anschluss ein Rechnernetz<br />
für die TU München.<br />
Sein Karriereweg führte<br />
ihn unter anderem zur<br />
Bundeswehr, wo er mit der<br />
Entwicklung eines neuen<br />
Logistiksystems betraut<br />
war. Nach weiteren Tätigkeiten<br />
im Bereich Automatisierung<br />
kam Wolfgang<br />
Kern im Juni 2007 zu<br />
<strong>Brunel</strong>.<br />
› 22<br />
Aufbau eines NIR-Online-<br />
Geräts. Im industriellen<br />
Einsatz überwacht es per<br />
Infrarotstrahl Zusammensetzung<br />
und Feuchtigkeitsgehalt<br />
verschiedenster<br />
Produkte.
› 22
AUS DEN BRANCHEN<br />
40<br />
der Spezialist<br />
› 23<br />
grieren, dass möglichst keine Verzögerung in der Produktion<br />
auftritt und die Daten nicht nur vom NIR-Gerät zuverlässig<br />
erhoben werden, sondern dass die Mitarbeiter Daten schnell<br />
erkennen und gegebenenfalls eingreifen können.“ Wolfgang<br />
Kern plant entsprechende Projekte, sorgt für die Installation<br />
der handlichen, etwa 30 mal 30 Zentimeter großen und rund<br />
zehn Zentimeter hohen Geräte sowie der ergänzenden EDV und<br />
ist an Schulungen der Mitarbeiter beteiligt. Rund einen Monat<br />
rechnet Kern für die Installation des Systems, die Mitarbeiter-<br />
schulungen mit berücksichtigt.<br />
SPEZIALBESCHICHTETE LINSEN BLEIBEN AUCH<br />
UNTER EXTREMBEDINGUNGEN KLAR<br />
Über Monitore sind vom Soll abweichende Werte der Zusam-<br />
mensetzungen des Rohmaterials leicht zu erkennen. „Bei<br />
Unter- oder Über-Soll-Werten ist die Kurve gelb oder rot. So<br />
kann sehr rasch erkannt werden, wenn etwas nicht stimmt“,<br />
erläutert Jörg Bleck.<br />
Die Rohstoffe gelangen durch dicke Rohre zu den Pellet-<br />
Pressen. Von den Hauptröhren zweigen Bypässe ab. Diese<br />
Nebenrohre sind mit Sichtfenstern versehen. „Auf der einen<br />
Seite können Mitarbeiter den Durchsatz optisch prüfen, auf<br />
der anderen ist das NIR-Gerät an-<br />
gebracht, wo es den Rohstoffstrom<br />
ständig analysiert“, erklärt Bleck.<br />
„Damit kein Staub und keine kleinen<br />
an der Scheibe haftenden Partikel das<br />
Spektrum des reflektierten Lichts<br />
stören und Messergebnisse verfäl-<br />
schen, wurde die Linsenoberfläche<br />
speziell bearbeitet, um jedes Anhaf-<br />
ten zu verhindern.“<br />
Auch in der Erdgasförderung<br />
kann NIR zum Einsatz kommen. „Zu<br />
feuchtes Erdgas lässt Leitungen kor-<br />
rodieren“, berichtet Wolfgang Kern.<br />
„Wenn ein zu hoher Feuchtegrad zu<br />
spät bemerkt wird, müssen ganze<br />
Pipeline-Abschnitte leer gepumpt<br />
und das Gas muss entfeuchtet wer-<br />
den.“ Das ist teuer und zeitaufwän-<br />
dig. „Aufgrund der Eignung für ex-<br />
plosionsgeschützte Bereiche kann<br />
die NIR-Technologie auch jene Ab-<br />
läufe so steuern, dass Verzögerun-<br />
gen ausgeschlossen werden und man<br />
unmittelbar in Prozesse eingreifen<br />
kann.“ Selbst ein Produktionsdruck<br />
von bis zu 100 Bar ist kein Problem<br />
für die Geräte. NIR kann so auch zu<br />
ökonomischerer Gasförderung und<br />
-versorgung beitragen.<br />
› 23<br />
An diesem Zutatenmischer<br />
überwacht das NIR-Gerät<br />
nicht nur permanent die<br />
Inhaltsstoffe und den<br />
Feuchtigkeitsgehalt, sondern<br />
signalisiert auch,<br />
wenn der Mischvorgang<br />
abgeschlossen ist.
Die Zukunft der Batterie<br />
i st Grün<br />
Forschung & Wissenschaft<br />
Batterien sind praktisch, aber sie enthalten zumeist einen hochgiftigen Mix aus Schwer-<br />
metallen. Das soll künftig anders werden, wenn es nach amerikanischen und japanischen<br />
Forschern geht, die alternative Batterien aus Papier und Zucker entwickelt haben.<br />
TEXT › Dr. Ralf Schrank<br />
Schön, dass der Strom aus der Steckdose kommt.<br />
Aber was tun, wenn man mit Elektrogeräten mobil<br />
sein möchte? Für diesen Fall hat der Italiener<br />
Allessandro Volta (1745–1827) bereits um 1800 die<br />
Batterie erfunden, die heute unsere Laptops, MP3-<br />
Player, Digitalkameras oder Handys mit Strom ver-<br />
sorgt. Funktionsweise und Aufbau haben sich seit<br />
damals nicht grundlegend geändert. Erst jetzt –<br />
mehr als zweihundert Jahre später – bahnen sich<br />
revolutionäre Neuerungen an, die vor allem eines<br />
zum Ziel haben: den giftigen Cocktail im Inneren<br />
› 24<br />
handelsüblicher Batterien durch bioverträgliche<br />
Materialien zu ersetzen.<br />
Am gebräuchlichsten ist heute die Alkali-Man-<br />
gan-Batterie, die aus Zink, Mangandioxid („Braun-<br />
stein“) und konzentrierter Kalilauge aufgebaut ist.<br />
Ein Segen für Grundwasser und Boden, dass der<br />
Gesetzgeber inzwischen das Recycling von Batte-<br />
rien vorschreibt und regelt (siehe Info). Moderne<br />
Hochleistungsbatterien enthalten statt Zink das<br />
Leichtmetall Lithium. Forscher am Rensselaer<br />
Polytechnic Institute in Troy, USA, haben kürzlich<br />
gezeigt, dass es auch ganz anders geht. Ihre Batte-<br />
rie besteht zu 90 Prozent aus biologisch unbe-<br />
denklicher Zellulose, zu Deutsch: Papier. In die<br />
Zellulose haben sie Kohlenstoff-Nanoröhrchen<br />
eingebettet, die das Papier tiefschwarz färben.<br />
„WUNDERPAPIER“ ALS KONDENSATOR<br />
In den Nanoröhrchen sind Elektronen sehr leicht<br />
beweglich, so dass das schwarze Wunderpapier<br />
wie ein Kondensator funktioniert, wenn man eine<br />
Spannung anlegt: Es speichert elektrische Energie.<br />
Mit einem kleinen Trick machten die Rensselaer-<br />
Forscher aus diesem Kondensator die erste Papier-<br />
batterie der Welt. Sie beschichteten eine Seite des<br />
Nanopapiers mit Lithium und tränkten das Ganze<br />
mit einem Elektrolyten, zum Beispiel einer Salz-<br />
lösung. Das Lithium wirkt in der Papierbatterie als<br />
Elektronen liefernde Anode und die unbeschich-<br />
tete Seite als Kathode.<br />
INFO<br />
In Deutschland darf der<br />
Quecksilbergehalt von<br />
Batterien nicht über<br />
0,0005 Prozent, der von<br />
Knopfzellen nicht über<br />
2 Prozent des Gewichts<br />
liegen. Der Handel ist seit<br />
1998 gesetzlich verpflichtet,<br />
gebrauchte Batterien<br />
zurückzunehmen. Die<br />
Rücklaufquote für Batterien<br />
und Akkus liegt in<br />
Deutschland bei etwa 40<br />
Prozent.<br />
› 24<br />
Ein japanischer Elektronikkonzern<br />
präsentierte<br />
kürzlich die Zuckerbatterie.<br />
Der noch recht große<br />
Stromspeicher versorgt<br />
hier einen MP3-Player und<br />
Mini-Lautsprecher mit<br />
Energie.<br />
der Spezialist<br />
41
Forschung & Wissenschaft<br />
› 25<br />
Forscherin Dr. Shelly<br />
Minteer im Labor der<br />
Saint Louis University. Um<br />
die von ihr entwickelte<br />
Zuckerbatterie marktreif<br />
zu machen, muss vor<br />
allem ein wirtschaftliches<br />
Produktionsverfahren<br />
gefunden werden.<br />
42<br />
der Spezialist<br />
Die Papierbatterie ist viel leichter als herkömm-<br />
liche Batterien, sie ist weniger als ein Zehntel-<br />
millimeter dick und flexibel, sie lässt sich rollen,<br />
falten und zurechtschneiden. Ihre Kapazität liegt<br />
in der Größenordnung konventioneller Batterien.<br />
Durch Aufeinanderlegen mehrerer Blätter lassen<br />
sich Batterien bauen, die auch energiehungrige<br />
Elektrogeräte mit Strom versorgen können. Da<br />
auch Körperschweiß oder Blut als Elektrolyte ge-<br />
eignet sind, wäre die Papierbatterie ideal für die<br />
Stromversorgung von Herzschrittmachern und<br />
medizinischen Sensoren.<br />
Für das Design von Elektrogeräten ergeben sich<br />
ganz neue Möglichkeiten, denn die Papierbatterie<br />
passt selbst in engste Zwischenräume. Auch fer-<br />
tigungstechnisch sind neue Wege denkbar. Zum<br />
Beispiel lässt sich die Batterie einfach auf einen<br />
neutralen Träger aufdrucken. Aber Vorsicht:<br />
Welche Probleme eine Massenfertigung aufwer-<br />
fen wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.<br />
Die Materialien, aus denen die Papierbatterie<br />
besteht, sind zwar günstig, ein rationelles Herstel-<br />
lungsverfahren liegt jedoch in ferner Zukunft.<br />
WER GEWINNT DAS RENNEN ZUR<br />
ANWENDUNGSREIFE?<br />
Vielleicht gewinnt auch ein anderer Batterietyp<br />
das Rennen zur Anwendungsreife: die Zuckerbat-<br />
terie. Sie ist nicht so revolutionär wie die Papierbat-<br />
terie, aber genauso umweltverträglich. Forscher-<br />
gruppen in aller Welt arbeiten an ihr. Einen Proto-<br />
typ hat der japanische Elektronikkonzern Sony<br />
kürzlich in Tokio präsentiert. Die Batterie arbei-<br />
tet nach dem Prinzip der Bio-Brennstoffzelle. Im<br />
Unterschied zur klassischen Brennstoffzelle, die<br />
› 25
durch die Verbrennung von Wasserstoff oder<br />
Methanol Strom gewinnt, dienen in der Bio-<br />
variante energiereiche bioorganische Verbindun-<br />
gen als Brennstoff, zum Beispiel Traubenzucker<br />
(Glucose).<br />
Die Bio-Brennstoffzelle liefert nur dann Strom,<br />
wenn die Elektronen, die bei der Verbrennung des<br />
Zuckers frei werden, nicht einfach auf eine andere<br />
Substanz übertragen werden. Bestimmte Enzyme<br />
oder Mikroben, die man seit einigen Jahren kennt<br />
und erprobt, verhindern genau das. Das Kunst-<br />
stück wird sein, stabile Systeme aus Enzymen,<br />
Elektroden und Elektrolyten zu entwickeln, die<br />
miniaturisierten Zellen eine ausreichende Kapazi-<br />
tät verleihen. Sonys fruchtsaftgetriebene 4 x 4 x 4<br />
Zentimeter kleine Biobatterie entlockt einem<br />
Walkman gerade einmal ein paar Töne. Forscher<br />
der University of Saint Louis entwickelten immer-<br />
hin schon eine briefmarkengroße Zuckerbatterie,<br />
mit der sie einen Taschenrechner betreiben kön-<br />
nen.<br />
AUCH AN DER KABELLOSEN STROMÜBER-<br />
TRAGUNG WIRD GEFORSCHT<br />
Wie sieht der Leistungsvergleich mit herkömm-<br />
lichen Batterien aus? Schon der Prototyp der<br />
Papierbatterie erreicht mit einer Betriebsspan-<br />
nung von 2,3 Volt eine beachtliche Leistungsdichte<br />
von 1,5 kW/kg – muss also den Vergleich mit einer<br />
normalen Batterie nicht scheuen. Im Fall der<br />
Zuckerbatterie macht die Angabe einer Energie-<br />
oder Leistungsdichte keinen Sinn, weil das Ano-<br />
denmaterial, der Zucker, kontinuierlich zugeführt<br />
wird. Immerhin ist eine Ausgangsleistung von<br />
50 mW ein guter Anfang – und die Entwicklung<br />
hat ja gerade erst begonnen.<br />
Bei alldem aber müssen die Batterieforscher<br />
Acht geben, dass ihnen nicht ein völlig anderes<br />
Verfahren, mobile Elektrogeräte mit Strom zu<br />
versorgen, die Show stiehlt. Eine Forschergruppe<br />
am Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />
nutzt das Phänomen der magnetischen Resonanz<br />
zur kabellosen Stromübertragung. Es gelang ihr,<br />
eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen, die zwei<br />
Meter von der Stromquelle entfernt war. Die Ener-<br />
gieübertragung mit Hilfe von Magnetfeldern, die<br />
nach Angaben der MIT-Forscher für Organismen<br />
völlig ungefährlich sind, gelingt nur über Distan-<br />
zen von einigen Metern, jedoch auch durch Wände<br />
hindurch.<br />
Aber es wird gewiss noch etliche Jahre dauern,<br />
bis lästige Stromkabel und Batterien, die immer<br />
dann entladen sind, wenn wir sie gerade brau-<br />
chen, aus unserem Leben ganz verschwunden sein<br />
werden.<br />
Forschung & Wissenschaft<br />
› 26<br />
› 26<br />
Die Papierbatterie passt<br />
in die schmalsten Zwischenräume<br />
und macht<br />
ein Batteriefach unnötig.<br />
So eröffnen sich völlig<br />
neue Möglichkeiten für das<br />
Design von Elekrogeräten.<br />
der Spezialist 43
querdenken<br />
wenn Der Berg ruft ...<br />
Rainer Perprunner hat eine Bergbahn entwickelt, die mit bis zu 54 Stundenkilometern durch<br />
das Gelände flitzt. Der Antrieb ist elektrisch und meistert Steigungen sowie Gefälle von bis zu<br />
55 Prozent. Im schweizerischen Arosa bringt der Coaster bereits Hotelgäste auf den Berg.<br />
TEXT › Jan Meyer-Veden<br />
Wenn es nach Rainer Perprunner geht, werden wir uns beim<br />
Blick aus dem Fenster bald fragen, in welchem Film wir gelan-<br />
det sind: In luftiger Höhe flitzen Fahrzeuge auf achterbahn-<br />
ähnlichen Schienensträngen vorbei, in jedem Fahrzeug fünf<br />
bis acht Passagiere, die von ihren Sitzen das Panorama bestau-<br />
nen. An den Haltestationen bilden sich nur selten Schlangen,<br />
da die Fahrzeuge auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Steigt<br />
man ein, geht es mit bis zu 54 Stundenkilometern über die Stre-<br />
cke. Steigungen und Gefälle bis zu 55 Prozent werden ebenso<br />
gemeistert wie enge Kurven von sechs Metern Radius. Alles<br />
geschieht vollautomatisch.<br />
44<br />
Das, in wenigen Worten, ist der Coaster. Erfunden hat ihn der<br />
Österreicher Rainer Perprunner. Die erste kommerzielle Umset-<br />
zung ist seit Ende 2007 im Schweizer Ort Arosa zu begutach-<br />
ten. Dort hat das Grandhotel Tschuggen in ein solches „Perso-<br />
nal Rapid Transport (PRT)“-System investiert, damit die Gäste<br />
der Spezialist<br />
› xx › 27<br />
bequem und ohne Wartezeiten in die<br />
umliegenden Skigebiete gelangen<br />
können.<br />
DIE IDEE ENTSTAND IM URLAUB<br />
IN NEUSEELAND<br />
Szenarien wie in Arosa waren es, die<br />
Perprunner zunächst vorschwebten,<br />
als die Idee vom Coaster geboren<br />
wurde. „Das Schlüsselerlebnis liegt<br />
mittlerweile fast fünfzehn Jahre zu-<br />
rück“, beginnt Rainer Perprunner<br />
die Geschichte seines Einfalls. „Ich<br />
machte Urlaub in Neuseeland. In<br />
einem Vergnügungspark in den Ber-<br />
gen bin ich mit so einer Art Seifen-<br />
kiste talwärts gesaust und dachte<br />
mir: So etwas müsste es bei uns auch<br />
geben!“ Seitdem hat Perprunner die<br />
Idee eines PRT-Fahrzeugs, das glei-<br />
chermaßen Transportaufgaben er-<br />
füllt, aber auch, vor allem talwärts,<br />
einfach Spaß macht, nicht mehr<br />
losgelassen. „Das war halt ganz im<br />
Geiste der 90er Jahre, mit ihrem<br />
Hedonismus“, sagt er heute.<br />
Perprunner ist nicht nur gelernter<br />
Maschinenschlosser, ebenso profi-<br />
tiert er von Kenntnissen im Ma-<br />
nagement und im Tourismus. Eine<br />
› 27<br />
Beim Bau des ersten Coasters<br />
wurde darauf geachtet,<br />
dass Schienenstrang<br />
und Stationsgebäude sich<br />
harmonisch in die Landschaft<br />
einpassen.
ideale Mischung, wie sich bald zeigte. Denn um ein Projekt<br />
wie den Coaster auf die Beine zu stellen, war ein gründliches<br />
Verständnis aller involvierten Bereiche unumgänglich. „Es<br />
ging darum, ein touristisches Problem mit technischen Mit-<br />
teln zu lösen und die Lösung dann an den Mann zu bringen“,<br />
fasst er rückblickend zusammen. Erste Machbarkeitsstudien,<br />
die Perprunner erstellen ließ, gaben Anlass zum Optimismus.<br />
Seitdem sind über zehn Jahre vergangen, in denen Perprunner<br />
viel Geld sowie unzählige Arbeits-<br />
stunden in die Realisierung des Pro-<br />
jektes gesteckt hat.<br />
Auf einem alpinen Testareal in<br />
Bürserberg, wo Anfang 2005 der<br />
erste Coaster fertig gestellt wurde,<br />
entwickelte er mit seinem Team<br />
das System bis zur Serienreife. Die<br />
› 28<br />
› 28<br />
Der Coaster bringt nicht<br />
nur Skifahrer auf den Berg.<br />
Für Wanderer steht er<br />
das ganze Jahr über auf<br />
Abruf zur Verfügung.<br />
der Spezialist<br />
45
querdenken<br />
› 29<br />
Rainer Perprunner, geboren<br />
1963 in Bludenz, Österreich,<br />
gründete 1985 eine Montage-<br />
und Personalbereitstellungsfirma.<br />
Von 1999<br />
bis 2001 entwickelte er das<br />
Coaster-Konzept. Seit 2001<br />
ist er Geschäftsführer der<br />
Coaster <strong>GmbH</strong>.<br />
46<br />
der Spezialist<br />
Fahrzeuge werden jeweils von zwei eigenen Elektromotoren<br />
angetrieben. Die Übersetzung erfolgt mittels zweier Zahnrä-<br />
der auf Seiten des Fahrzeugs und einer Zahnstange auf Seiten<br />
des Gleiskörpers. Energiequellen sind zwei Hightech-Batterien,<br />
deren Kapazität auf 60 Kilowattstunden beziffert wird und die<br />
sich auflädt, sobald die Fahrzeuge bergab fahren oder in der<br />
Station stehen. Diese Art der Energierückgewinnung, aber vor<br />
allem die Tatsache, dass die Kabinen nur auf Anforderung ver-<br />
kehren, machen in puncto Energieeffizienz den Unterschied zu<br />
Seilbahn und Sessellift aus. Denn natürlich ist das Fahrgastauf-<br />
kommen in derartigen Zubringeranlagen Schwankungen unter-<br />
worfen. Des Morgens geht es hinauf in die Berge, des Abends<br />
zurück ins Hotel. Dazwischen herrscht oft Flaute: 70 Prozent<br />
der Betriebszeit verkehren diese Anlagen mit Auslastungen<br />
unter 20 Prozent. Während aber eine Seilbahn unabhängig von<br />
ihrer Auslastung durchgehend verkehrt und so permanent die<br />
gesamte Masse der Fahrzeuge bewegt, reagiert der Coaster nur<br />
auf Knopfdruck.<br />
COASTER-EINSATZ AUCH IM NAHVERKEHR MÖGLICH<br />
Die gleiche Argumentation gilt natürlich auch für den Betrieb<br />
des Coasters als Nahverkehrssystem in Ballungsgebieten. Fahr-<br />
› › 29 17<br />
ten mit geringer Auslastung oder<br />
gar Leerfahrten sind seit jeher eines<br />
der Kardinalprobleme des öffentli-<br />
chen Personennahverkehrs. Da lag<br />
es für Perprunner nahe, seine Erfin-<br />
dung noch einen Schritt weiterzu-<br />
denken, um auch Stadt- und Ver-<br />
kehrsplaner von den Vorzügen des<br />
Coasters zu überzeugen. Denn im<br />
Gegensatz zum touristischen Szena-<br />
rio schließt er im Bereich des städ-<br />
tischen Personennahverkehrs eine<br />
wirkliche Lücke. „Auf langen Stre-<br />
cken und bei der massenhaften Per-<br />
sonenbeförderung sind Bus und<br />
Bahn konkurrenzlos“, konstatiert<br />
Perprunner, „ebenso das Taxi, wenn<br />
es darum geht, den Fahrgast vor der<br />
Haustür abzuholen und ihn punkt-<br />
genau da abzusetzen, wo er hin will.<br />
Der Coaster hat seinen Auftritt an<br />
der Schnittstelle von Grob- und<br />
Feinstverteilung. Beim Transfer zwi-<br />
schen Bahnhof und Flughafen bei-<br />
spielsweise, oder in Park -and-ride-<br />
Konzepten.“<br />
Eine der wesentlichen Stärken<br />
ist somit auch die große Flexibilität<br />
bei der Streckenplanung. Die modu-<br />
laren Schienensysteme lassen sich<br />
so verbauen, wie es die örtlichen<br />
Gegebenheiten fordern. Hindernisse<br />
können um-, über- oder unterfahren<br />
werden. Für eine unterirdische<br />
Streckenführung sind Tunnelröhren<br />
mit einem Durchmesser von drei<br />
Metern ausreichend. Soll der Coaster<br />
im Stadtbereich oberirdisch fahren,<br />
werden die Gleise so weit aufge-<br />
ständert, dass der Straßenverkehr<br />
ungehindert darunter passieren<br />
kann, sprich in einer Höhe von etwa<br />
4,5 Metern. Tilman Bracher vom
Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin kann sich indessen<br />
achterbahnähnliche Schienenstränge in den Straßen unse-<br />
rer Städte nur schwer vorstellen: „Meiner Ansicht nach würde<br />
der Anblick den Straßenraum beeinträchtigen. Zudem fehlt<br />
genügend Platz für Ständer und Zugangsstellen und es besteht<br />
darüber hinaus die Gefahr, dass die aufgeständerten Kabinen<br />
vor den Fenstern die Privatsphähre stören“, so seine Ein-<br />
schätzung.<br />
ÜBER DEN EINSATZ DES COASTERS WIRD AUCH IN<br />
DUBAI UND HAMBURG NACHGEDACHT<br />
Immerhin kommt der Coaster ohne komplexe Stellwerke, Kon-<br />
trollzentren etc. aus, denn er fährt selbsttätig und im Einbahn-<br />
betrieb. Infolgedessen ist er mit relativ geringem personel-<br />
lem Aufwand zu betreiben. Die für Betrieb und Wartung des<br />
Coasters anfallenden Kosten liegen daher unterhalb dessen,<br />
was für vergleichbare Systeme veranschlagt werden müsste.<br />
Fraglos sind es, neben Umwelt-,<br />
Effizienz- und Sicherheitsaspekten,<br />
wesentlich auch finanzielle Über-<br />
legungen, denen die Planung städti-<br />
scher PRT-Systeme unterworfen ist.<br />
So liegen Vorprojektstudien zum<br />
Coaster auf so manchem Schreib-<br />
tisch von Dubai bis Hamburg. Allein<br />
ein bis zwei ernstzunehmende An-<br />
fragen müssen Perprunners Mitar-<br />
beiter wöchentlich bearbeiten. Ob<br />
und wann der Coaster seine Chance<br />
bekommt, bleibt abzuwarten – so<br />
oder so lohnt es sich deshalb, in<br />
regelmäßigen Abständen aus dem<br />
Fenster zu schauen.<br />
QUERDENKEN<br />
› 30<br />
› 30<br />
In den verglasten Stahlkabinen,<br />
wie hier in Arosa,<br />
können jeweils sechs Personen<br />
ein beeindruckendes<br />
Panorama genießen. Die<br />
Standardkabinen sind für<br />
acht Personen ausgelegt.<br />
der Spezialist<br />
47
› 40
PANORAMA<br />
Wissenschaft zum Anfassen<br />
Seit der Gründung der ersten Museen hat sich die Form der Wissensvermittlung stark verän-<br />
dert. Heute begeistern Science Center mit Mitmach-Exponaten nicht nur Kinder. Ein Streifzug<br />
durch die Welt der erlebbaren Phänomene und des spielerischen Lernens.<br />
TEXT › Janina Weinhold<br />
Einer Führung lauschend schleicht die Schul-<br />
klasse auf leisen Sohlen durch die Gänge der<br />
alten Gemäuer. Lachen und Stimmengemurmel<br />
werden von den Museumsbesuchern mit einem<br />
ärgerlichen Stirnrunzeln quittiert. „Psst!“, zischt<br />
es vom Lehrer herüber. So sah der Museumsbe-<br />
such einer Schulklasse noch vor einigen Jahren<br />
aus. Im glänzenden Bauch des „Bremer Walfi schs“,<br />
wie das Science Center Universum Bremen gerne<br />
auch genannt wird, ist Stille als Exponat erlebbar.<br />
Die Besucher wandeln durch den „Dumpfgang“<br />
und geräuschlose Bewegungen werden zum Pro -<br />
gramm. Gewöhnlich bringt ein kalter Windhauch<br />
die menschliche Haut zum Kribbeln und ein Rock-<br />
konzert den Bauch zum Vibrieren. Doch wenn<br />
keine Brise und kein Ton mehr die Tastrezeptoren<br />
der Haut erregen, dann empfi nden wir ein taubes<br />
Gefühl. Das Exponat illustriert jedem Besucher,<br />
der sich in den isolierten Hohlraum hineinwagt,<br />
dass Stille sinnlich durch Hören und Tasten<br />
erfassbar ist.<br />
IN SCIENCE CENTERN DEN PHÄNOMENEN<br />
AUF DER SPUR<br />
Das Universum Bremen ist eines von bundesweit<br />
rund 15 Science Centern, das „Wissenschaft zum<br />
Anfassen“ bietet. Die speziellen Ausstellungs-<br />
häuser veranschaulichen einem breiten Publikum<br />
in Mitmach-Ausstellungen technische und natur-<br />
wissenschaftliche Phänomene. Dr. Kerstin Haller,<br />
Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast<br />
didaktische Leiterin im Universum Bremen: „Ein<br />
Science Center kann als Haus der Phänomene<br />
beschrieben werden. Hier wird Wissenschaft be -<br />
greifbar, denn die Besucher lösen die Phänomene<br />
selbst aus. Versuche am Exponat sprechen alle<br />
menschlichen Sinne an und animieren den Besu-<br />
cher, Fragen zu stellen.“ Dagegen zeigen klassi-<br />
sche Technikmuseen historische oder aktuelle<br />
technische Objekte, wie beispielsweise Dampfma-<br />
schinen, und bieten die dazugehörigen Hinter-<br />
grundinformationen auf Tafeln oder Computer-<br />
› 41<br />
› 40<br />
Das Exploratorium in San<br />
Francisco war das erste<br />
Science Center im heutigen<br />
Sinne. Von Künstlern<br />
gestaltete Exponate zum<br />
Thema Farbe und Licht<br />
laden zum Entdecken ein.<br />
› 41<br />
Im Bremer Science Center<br />
Universum können Kleine<br />
und Große naturwissenschaftliche<br />
Phänomene<br />
hautnah erleben. Hier in<br />
Form eines Luftstromes,<br />
der einen Ball in der Luft<br />
hält.<br />
der Spezialist 49
PANORAMA<br />
› 42<br />
Wann hat man schon die<br />
Gelegenheit, ein echtes<br />
Feuerwehrauto auf eigene<br />
Faust zu entdecken?<br />
Im Deutschen Museum in<br />
München, dürfen Kinder<br />
ganz nah an die Exponate<br />
heran.<br />
50<br />
der Spezialist<br />
PORTRÄT<br />
Der amerikanische Physi-<br />
ker und Highschool-Lehrer<br />
Frank Oppenheimer de-<br />
monstrierte seinen Schülern<br />
physikalische Gesetze<br />
am liebsten auf Schrottplätzen.<br />
Überzeugt von<br />
dieser Methode entwarf er<br />
Pläne für ein „hands on“-<br />
Museum. Sein Ziel: Wissen<br />
spielerisch vermitteln.<br />
› 42<br />
terminals an. In interaktiven Ausstellungen muss<br />
der Besucher mit den Exponaten spielen, um die<br />
Phänomene auszulösen. Dies trägt den Diskus-<br />
sionen um Lerntheorien der letzten Jahrzehnte<br />
Rechnung. Erkenntnisse der Pädagogik, aber auch<br />
der Neuropsychologie diagnostizieren die selbst<br />
gesteuerte Handlung als Schlüssel zum Lernen.<br />
Schon Albert Einstein erkannte: „Lernen ist Erfah-<br />
rung, alles andere ist Information“.<br />
Die ursprüngliche Idee, Wissenschaft mit Un-<br />
terhaltung zu verknüpfen, führt bis in die Aufklä-<br />
rung zurück. Schon im 17. Jahrhundert forderte<br />
beispielsweise Gottfried Wilhelm Leibniz ein Wis-<br />
senschaftstheater. In seiner Schrift „Theater der<br />
Natur und Kunst“ schreibt er, dass wissenschaftli-<br />
che Erkenntnisse nicht mehr nur in Büchern, Figu-<br />
ren und Modellen erfasst, sondern inszeniert wer-<br />
den müssen. So entstanden Wissenschaftstheater.<br />
Vormals ausschließlich private Sammlungen von<br />
historischen Artefakten, Relikten, Büchern und<br />
Kunstobjekten werden um 1830 mit der Gründung<br />
der ersten Museen in Europa der Öffentlichkeit<br />
zugängig gemacht.<br />
In Deutschland wurde schon 1903 das erste<br />
interaktive Ausstellungshaus eröffnet: das Deut-<br />
sche Museum in München. Der Gründer Oskar von<br />
Miller entwickelte gemeinsam mit dem Pädago-<br />
gen und Verfechter des eigentätigen Lernens im<br />
Schulunterricht, Georg Michel Kerschensteiner,<br />
eine Ausstellung mit interaktiven Exponaten.<br />
Oskar von Miller erhob den Anspruch, Volksbil-<br />
dung und Unterhaltung in seinem Museumskon-<br />
zept zu verbinden. Seine Auffassung ist aus einer<br />
Unterredung mit Nobelpreisträger Wilhelm Con-<br />
rad Röntgen überliefert.<br />
EINE MISCHUNG AUS VOLKSBILDUNGSSTÄTTE<br />
UND OKTOBERFEST<br />
„So antwortete von Miller auf dessen Frage: Glau-<br />
ben Sie, ein Museum ist der richtige Rahmen für<br />
die Zurschaustellung meiner Apparatur? – Doch<br />
natürlich, das Deutsche Museum ist eine Mischung<br />
aus einer Volksbildungsstätte und dem Oktober-<br />
fest“, erzählt Dr. Annette Noschka-Roos, Leiterin<br />
der Hauptabteilung Bildung des Deutschen Muse-<br />
ums. Interaktion und so genannte Knopfdruck-<br />
Exponate sind seit der Gründung ein fester Be-<br />
standteil des Konzepts. Das Museum verfügt über<br />
mehr als 100.000 Objekte aus Naturwissenschaft<br />
und Technik, wovon 2.500 interaktiv sind. Ein<br />
Klassiker ist beispielsweise der Flaschenzug: Statt<br />
abstrakter Bilder und Erläuterungen können die
Besucher schlicht selbst testen, wie viel Kraft es<br />
braucht, um den eigenen Körper anzuheben.<br />
WASSERDAMPFTORNADO MIT WIRBELEFFEKT<br />
HAUTNAH ERLEBEN UND VERSTEHEN<br />
Das erste Ausstellungshaus, das explizit den<br />
Namen „Science Center“ trug, ist das 1969 von<br />
Frank Oppenheimer gegründete Exploratorium<br />
in San Francisco. Auch in deutschen Science Cen-<br />
tern sind zum Teil Exponate zu sehen, die aus den<br />
Werkstätten San Franciscos stammen. Beispiels-<br />
weise eine zylinderförmige Kammer, in der ein<br />
Wasserdampftornado durch einen Saugmechanis-<br />
mus an der Kammerdecke und zwei Gebläse an<br />
den Wänden entsteht. In der begehbaren Kammer<br />
ist zu spüren, dass der Wirbeleffekt durch seitliche<br />
Winde entsteht und der Luftsog durch die Bewe-<br />
gung der Besucher den Tornado von seinem Kurs<br />
ablenkt.<br />
In Bremen orientierten sich Initiatoren des<br />
Universums an einer „Tür zur Wissenschaft“. Das<br />
als riesiges Oval geformte, mit Metallschindeln<br />
verkleidete Gebäude soll Neugier wecken und<br />
die Besucher für verschiedene Deutungen sensi-<br />
bilisieren. Im Inneren unterteilt sich die Ausstel-<br />
lung in die drei Themenkomplexe „Expedition:<br />
Mensch, Erde, Kosmos“. Der Bereich „Kosmos“ ist<br />
dunkel gehalten und von unzähligen sternen-<br />
ähnlichen Glühlampen erleuchtet, die Exponate<br />
sind in einem stilisierten Himmelszelt angeord-<br />
net. „In unserem Haus spielt die Einbindung der<br />
Phänomene in eine Geschichte eine große Rolle.<br />
Durch die künstlerische Inszenierung sieht der<br />
Besucher im Kleinen wie im Großen den Bezug<br />
zur wirklichen Welt“, so Dr. Haller. Da Lernen ein<br />
› 43<br />
› 43<br />
Die silberne Scheibe rotiert<br />
und befördert alle auf ihr<br />
liegenden Objekte schnell<br />
herunter, es sei denn, den<br />
Exploratorium-Besuchern<br />
gelingt es, die Objekte auf<br />
der Scheibe auf der Spitze<br />
rotieren zu lassen.<br />
der Spezialist 51
PANORAMA<br />
individueller Prozess ist, gibt es beispielsweise für<br />
das Phänomen Schall verschiedenste Exponate,<br />
die jeweils ein anderes Sinnensorgan des Men-<br />
schen reizen. Nicht zuletzt sind Faktoren wie Spaß<br />
und Emotionen für die menschliche Lernmotiva-<br />
tion ganz entscheidend. Vor einem Seismogra-<br />
phen springend und hüpfend, können die Besu-<br />
cher selbst die Stärke ihres selbst produzierten<br />
Bebens prüfen. Wie intensiv Erdstöße bei einem<br />
echten Erdbeben sein können, erleben sie in der<br />
Erdbebenkammer, die auf Knopfdruck mit Stärke<br />
sieben ruckelt.<br />
400.000 BESUCHER KOMMEN JÄHRLICH<br />
INS UNIVERSUM<br />
Das Universum verzeichnet auch sieben Jahre<br />
nach der Eröffnung noch etwa 400.000 Besucher<br />
jährlich. Es wurde im Sommer 2007 um den „Ent-<br />
decker Park“, ein Freiluftareal mit Exponaten zum<br />
Thema Bewegung von Wind und Wasser, erweitert.<br />
Auf dem Außengelände steht ein in sich gedreh-<br />
ter 27 Meter hoher Turm. Dieser „Turm der Lüfte“<br />
52<br />
der Spezialist<br />
› 44<br />
bietet weitere Experimente zu den Themen Luft,<br />
Wind und Wetter sowie der Schwerkraft und Ener-<br />
gie. Im Herbst folgte das „SchauBox“-Gebäude –<br />
ein Anbau, in dem zukünftig wechselnde Sonder-<br />
ausstellungen und Wissenschaftsdiskurse ange-<br />
boten werden.<br />
Auch in Wolfsburg gibt es seit Ende 2005 mit<br />
dem „Phaeno“ ein Science Center. „Wie schon der<br />
Name andeutet, steht hier die Faszination der<br />
Phänomene im Vordergrund“, erklärt Dr. Wolf-<br />
gang Guthardt, Direktor des Phaeno. Schon der<br />
mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnete<br />
Bau soll die Besucher auf Forschen und Erkunden<br />
einstellen. Denn sowohl von außen als auch innen<br />
ist das Phaeno aus einem Guss gestaltet: wie eine<br />
abstrakte Landschaft mit Höhlen, Kratern, Hügeln<br />
und Tälern. „Alles fließt“ ist ein Leitgedanke. Die<br />
räumliche Trennung der Ausstellungsthemen<br />
wurde bewusst vermieden. „Der Besucher soll<br />
ungeleitet den Phänomenen nachspüren, die ihn<br />
wirklich reizen“, so Guthardt.<br />
Die Ausstellungsstücke im Phaeno sind nicht<br />
alle interaktiv. Beispielsweise zeigen Kunstexpo-<br />
› 44<br />
Im „Phaeno“ gibt es didaktisch<br />
aufbereitete Informationen<br />
unter anderem<br />
zu den Themengebieten<br />
„Leben“ und „Wind und<br />
Wetter“. Links im Bild die<br />
interaktive Installation<br />
„Text rain“. Auf einer<br />
Projektionsfläche fallen<br />
Buchstaben herunter und<br />
können von den Besuchern<br />
aufgehalten werden.
nate wie die „Strato Flora“ kein naturwissenschaft-<br />
liches Phänomen an sich. Wohl aber beruht die<br />
aus der Bewegung von mehrfarbigen Lichtröhren<br />
kreierte Blume auf den naturwissenschaftlichen<br />
Eigenschaften des Stroboskops und Farbreak-<br />
tionen von Gasen. „Durch verändernde Farbinten-<br />
sitäten und Leuchtphasen soll die „Strato Flora“<br />
an den Lebenszyklus einer Blume erinnern und<br />
auch weniger technikbegeisterte Menschen fas-<br />
zinieren“, so Christof Börner, Leiter der Experi-<br />
mentierfelder.<br />
„Der Umgang mit interaktiven Exponaten<br />
bedeutet viele Glücksmomente, wenn der Besu-<br />
cher den Dreh raus hat, aber gelegentlich auch die<br />
Möglichkeit, zu scheitern“, erklärt Dr. Guthardt.<br />
Doch die Exponate sind so gebaut, dass das Phä-<br />
nomen auch ohne Vorkenntnisse erkennbar ist.<br />
Geschultes Personal steht den Besuchern beim<br />
Experimentieren zur Seite und erklärt Zusam-<br />
menhänge oder Parallelen zu weiteren Themen.<br />
Einen Trend zu informellen Lernformen sieht<br />
Dr. Wolfgang Guthardt erst langsam aufkeimen:<br />
„Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten setzen<br />
› 45<br />
› 46<br />
sich Science Center in Deutschland erst nach und<br />
nach durch. Es bleibt abzuwarten, wie sich der<br />
Markt entwickelt. In deutschen Bildungsstätten<br />
wird derzeit noch sehr an formalen Lernformen<br />
festgehalten.“ Im Phaeno, im Universum und im<br />
Deutschen Museum ist das spielerische Lernen<br />
schon Programm. Alle Ausstellungshäuser koope-<br />
rieren ferner mit Schulen oder Universitäten und<br />
zeigen Sonderausstellungen, Vorträge und Thea-<br />
tervorführungen über Neuigkeiten aus den For-<br />
schungslaboren der Wissenschaftler. Aber auch<br />
die klassischen Museen setzen heute mit inter-<br />
aktiven Computerterminals oder audiovisuellen<br />
Angeboten auf die Erlebnisorientierung der Besu-<br />
cher. „Bitte nicht Anfassen“ mutet heute verstaubt<br />
an. „Inwieweit Lernformen mit Erlebnischarakter<br />
wie ,forschendes Lernen‘ jedoch in klassischen<br />
Bildungsinstitutionen aufgenommen werden,<br />
lässt sich nicht abschätzen. Dennoch kann lebens-<br />
langes Lernen so attraktiver werden“, vermutet<br />
Bernd Becker, Leiter des Bereichs Bildung vom<br />
Bremer Universum.<br />
PANORAMA<br />
› 46<br />
Gemeinsam entdecken:<br />
Auch viele Erwachsene<br />
haben noch nie einen<br />
echten Tornado erlebt.<br />
Hier im Bremer Universum<br />
geht das ganz gefahrlos<br />
im Kleinformat.<br />
› 45<br />
Was kräuselt sich denn da<br />
so schön? Die verzehrte<br />
Wahrnehmung durch die<br />
Brechung in der bewegten<br />
Wasseroberfläche ist<br />
nicht nur für Kinder immer<br />
wieder faszinierend. Im<br />
Exploratorium wird nicht<br />
nur ausprobiert, sondern<br />
im zweiten Schritt erklärt,<br />
warum das so ist.<br />
der Spezialist<br />
53
PANORAMA<br />
Offroad-Expedition durch<br />
34 Länder Eurasiens<br />
Völkerverständigung in Zeiten der Globalisierung ist das Ziel. Auf dem Weg dahin legen<br />
sechs Geländewagen 150.000 Kilometer zurück. Die Route führt über insgesamt 43 Etappen<br />
quer über den europäischen Kontinent und durch Asien. Start- und Zielpunkt ist Bremen.<br />
TEXT › Anja Naumann<br />
Die Ausrüstung wird bereits auf Vollständigkeit geprüft, die<br />
Reservetanks befüllt und der Luftdruck der Reifen gemessen. In<br />
wenigen Wochen werden Abenteuerlustige in sechs Offroad-<br />
Spezialfahrzeugen von Bremen starten, um für 20 Monate auf<br />
der Expeditionstour Xworld ferne Länder und fremde Kultu-<br />
ren des eurasischen Kontinents zu erkunden. Auf ihrem Weg<br />
durchqueren die Land Cruiser 34 Länder in 43 Etappen. Darun-<br />
ter legendäre Stätten und faszinierende Landschaften wie das<br />
sagenumwobene Tibet, die Weiten Sibiriens oder das Hochge-<br />
birge von Kirgistan.<br />
EIN PRIVATER TRAUM WIRD NACH ZWEIJÄHRIGER<br />
PLANUNGSPHASE ZUM ÖFFENTLICHEN GROSSEVENT<br />
Veranstalter der Expedition ist der international operierende<br />
Hydraulikdienstleister Hansa-Flex. Das Unternehmen will mit<br />
der Xworld in Zeiten globaler Vernetzung seinen Beitrag zur<br />
Völkerverständigung leisten. Mit diesem besonderen Kultur-<br />
austausch werden Menschen aus verschiedenen Ländern die<br />
schönsten Ziele Europas und Asiens in einem gemeinsamen<br />
Abenteuer erleben. Was als privater Traum von Geschäftsfüh-<br />
rer Thomas Armerding seinen Ursprung hatte, entwickelte sich<br />
in einer zweijährigen Planungsphase zu einem öffentlichen<br />
Großevent. „Ich wollte schon immer eine Offroad-Tour durch<br />
Tibet und Nepal unternehmen“, erzählt Thomas Armerding.<br />
„Seitdem wir große Zuwachsraten in Asien und Osteuropa ver-<br />
zeichnen, war es an der Zeit, die Menschen und die Kultur vor<br />
Ort einmal näher kennen zu lernen.“ So führt die Route über<br />
Istanbul, Peking, Shanghai und zurück von Indonesien über<br />
China durch die Weiten Sibiriens bis ans Nordkap Europas, vor-<br />
bei an vielen Hansa-Flex Niederlassungen. Zu den beliebtesten<br />
54<br />
der Spezialist<br />
Etappen zählt den Anmeldungen<br />
zufolge die Route von Ulan-Bator<br />
nach Peking. Die Stadt wird recht-<br />
zeitig zu den Olympischen Spielen<br />
2008 erreicht.<br />
Was die Technik der Land Cruiser<br />
betrifft, muss sie den extremen Be-<br />
dingungen von Wüste, Dschungel<br />
und Hochgebirgsmassiv auf einer<br />
Gesamtdistanz von 150.000 Kilome-<br />
tern gerecht werden. Das entspricht<br />
knapp vier Erdumrundungen. Für<br />
diese Extrembelastung wurden die<br />
Fahrzeuge extra technisch modifi-<br />
ziert. „Insbesondere die steinigen<br />
Passagen durch das nepalesische<br />
Hochplateau sind sehr materialer-<br />
müdend“, weiß Thomas Armerding.<br />
Das Fahrwerk wurde daher etwa<br />
zehn Zentimeter höher gelegt und<br />
mit einem kompletten Unterfahr-<br />
schutz ausgerüstet. Auch ein speziel-<br />
ler Wasserschnorchel darf nicht feh-<br />
len. Dieser ist mit dem Luftfilter des<br />
Motors verbunden und verhindert,<br />
dass der Motor bei Wasserdurch-<br />
fahrten in Laos Schaden nimmt.<br />
Nach 600 Tagen wird die outdoor-<br />
erprobte Fahrzeugkarawane am<br />
31. Oktober 2009 schließlich wieder<br />
in Bremen eintreffen.<br />
GEWINNSPIEL<br />
Hat Sie die Abenteuerlust<br />
gepackt? Dann lassen<br />
Sie sich nicht die Chance<br />
entgehen, an der ersten<br />
Etappe der Xworld teilzunehmen.<br />
Wir verlosen<br />
zwei Plätze für die Reise<br />
im Geländewagen von<br />
Bremen über Österreich,<br />
Slowenien, Kroatien, Bos-<br />
nien, Serbien und Bulgarien<br />
bis in die türkische<br />
Metropole Istanbul. Die<br />
Teilnahmekarte finden Sie<br />
im hinteren Heftumschlag.
TERMINE<br />
termine<br />
AUSGABE 10 || Februar 2008<br />
›04.– 09. März<br />
Besuchen Sie uns auf der<br />
CeBIT in Halle 4, Stand D67.<br />
› 21.– 25. april<br />
Auf der Hannover Messe<br />
ist <strong>Brunel</strong> in Halle 26 im<br />
Job & Career Market sowie<br />
in Halle 25 beim diesjährigen<br />
RoboCup vertreten.<br />
56<br />
der Spezialist<br />
Februar bis Mai 2008<br />
26. – 28. Febr. 2008<br />
04. – 09. März. 2008<br />
21. – 25. April 2008<br />
05. Februar 1933<br />
19. Februar 1986<br />
31. Mai 1879<br />
Messen und veranstaltungen<br />
EMBEDDED WORLD<br />
Ob im Automobil, in der Datentechnik und Telekommunikation, Industrie-<br />
und Konsumelektronik, Militär- und Luftfahrttechnik: Überall arbeiten<br />
Embedded-Technologien. Die Aussteller zeigen in Nürnberg das komplette<br />
Angebot rund um Hardware, Software, Tools und Dienstleistungen auf rund<br />
23.000 Quadratmetern Fläche. www.embedded-world.de<br />
CEBIT 2008<br />
Als weltweit größte Messe für die ITK-Branche ist die CeBIT der bedeutendste<br />
globale Marktplatz und Wegweiser für die digitale Zukunft. 6.153 Aussteller<br />
aus 79 Ländern und rund 480.000 Besucher, davon alleine 385.000 Fachbe-<br />
sucher, konnte die CeBIT 2007 verzeichnen. Rund 8.000 Journalisten aus aller<br />
Welt berichteten über alles, was die digitale Welt bewegt. www.cebit.de<br />
HANNOVER MESSE – ROBOCUP GERMAN OPEN<br />
Die Hannover Messe ist seit 60 Jahren der führende Marktplatz für weg-<br />
weisende Technologien. Sie ist mit mittlerweile über 5.000 Ausstellern<br />
das wohl wichtigste Technologieereignis weltweit. Die „Robocup German<br />
Open“, die deutschen Meisterschaften für Fußball spielende Roboter, finden<br />
zum zweiten Mal im Rahmen der Messe statt. www.hannovermesse.de<br />
Meilensteine<br />
Der Bau der Golden Gate Bridge beginnt. Mit einer Spannweite von 1.280<br />
Metern ist sie bei der Einweihung 1937 die längste Hängebrücke der Welt.<br />
Das Kernmodul der russischen Raumstation Mir erreicht die Erdumlauf-<br />
bahn. 15 Jahre lang forschen Wissenschaftler in rund 350 Kilometern<br />
Höhe, bevor die Station 2001 kontrolliert zum Absturz gebracht wird.<br />
Der Ingenieur Werner von Siemens stellt auf der Deutschen Gewerbeaus-<br />
stellung in Berlin die erste elektrische Lokomotive vor – als Modell. Zwei<br />
Jahre später fährt die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Berlin.
i mpressum<br />
AUSGABE 10 || Februar 2008<br />
REDAKTIONSANSCHRIFT<br />
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong>, Redaktion „Der Spezialist“<br />
Airport City, Hermann-Köhl-Str. 1a, 28199 Bremen<br />
redaktion@der-spezialist.de<br />
www.der-spezialist.de<br />
Telefon 0421-1 69 41-0<br />
HERAUSGEBER<br />
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />
VERANTWORTLICHER REDAKTEUR<br />
(V. I. S. D. P.)<br />
Carsten Siebeneich, General Manager <strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />
REDAKTION<br />
DIALOG Public Relations, Bremen<br />
GfG / Gruppe für Gestaltung <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />
GESTALTUNG<br />
GfG / Gruppe für Gestaltung <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />
FOTOGRAFIE (COPYRIGHTS)<br />
Sofern nicht abweichend, alle Angaben als Bildnummern:<br />
Thomas Kleiner (Titel, S. 3, S. 7, 02, 03, S. 55), Claudia Raband<br />
(U2,) Corbis (01, 40), Robert Lewis (04, 05), picture-alliance<br />
(06), Getty (07, 24), Retina Implant AG (08), Fraunhofer ILT<br />
(09), BEGO Medical <strong>GmbH</strong> (10–12), Rolls-Royce Deutschland<br />
Ltd & Co KG (S. 25), BMW AG (13, 14), <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />
(15), Carl Zeiss SMT AG (16–18, S. 31), Jörg Gläscher<br />
(19–21), NIR Online <strong>GmbH</strong> (22, 23), Saint Louis University<br />
(25), Rensselaer Polytechnic Institut (26), Coaster <strong>GmbH</strong><br />
(27, 28, 30), Universum® Bremen (14, 46), Deutsches<br />
Museum (42), The Exploratorium, Amy Snyder (43, 45),<br />
The Exploratorium, Nancy Rodger (50)<br />
DRUCK<br />
Druckerei Girzig + Gottschalk <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />
ERSCHEINUNGSWEISE<br />
3 Ausgaben / Jahr, Auflage 28.000 Stück<br />
INGENIEURE.<br />
ARBEITEN BEI BRUNEL<br />
Professionals gesucht.<br />
›› WIR SEHEN DIE WELT MIT<br />
ANDEREN AUGEN<br />
Projektpartner für Technik und Management<br />
Anspruchsvolle Aufgaben, innovative Projekte, modernes<br />
Arbeiten – wer in den technischen Branchen eine führende Rolle<br />
übernehmen will, darf nur mit den Besten zusammenarbeiten.<br />
Deshalb suchen wir Sie: als Ingenieur, Informatiker oder Manager<br />
mit Erfahrung, Kompetenz und Engagement.<br />
SOF T WAREENT WICKLER – EMBEDDED<br />
SYSTEMS (w/m)<br />
›› für den Raum Mannheim<br />
DIPL.-ING. MESS-, STEUERUNGS-,<br />
REGELUNGSTECHNIK (w/m)<br />
›› für den Raum Stuttgart<br />
… zahlreiche weitere Offerten für Ihren persönlichen<br />
Karriereweg finden Sie unter www.brunel.de
© 2008 Deutsche Messe AG © 2008 XWORLD, HANSA-FLEX<br />
MITMACHEN UND GEWINNEN<br />
Abenteuer pur können Sie auf der ersten Etappe der Xworld erleben. Die Gewinner unseres Preisausschreibens<br />
nehmen vom 8. bis 21. März 2008 an der Fahrt im Geländewagen von Bremen über Österreich, Slowenien,<br />
Kroatien, Bosnien, Serbien und Bulgarien bis in die türkische Metropole Istanbul teil. Mehr über das Projekt<br />
Xworld erfahren Sie in dieser Ausgabe auf der Seite 54.<br />
Neues aus der Welt der Informationstechnologie gibt es auf der diesjährigen CeBIT in Hannover zu erleben.<br />
Wir verlosen 20 Tageskarten.<br />
Viel Glück bei den Verlosungen wünscht<br />
Ihr Redaktionsteam „Der Spezialist“
INFORMATION UND SERVICE<br />
Ihre Adresse hat sich geändert? Sie interessieren sich für Hintergründe und weitere Informationen zu einzelnen<br />
Artikeln des Spezialisten? Oder Sie möchten uns auf ein interessantes Thema für eine der nächsten<br />
Ausgaben aufmerksam machen? Dann senden Sie uns bitte eine E-Mail an: leserforum@der-spezialist.de<br />
Wir freuen uns auf Ihr Feedback und Ihre Anregungen!<br />
Ihr Redaktionsteam „Der Spezialist“<br />
JA, ich möchte gerne an der Xworld-Etappe 01<br />
von Bremen nach Istanbul vom 8. bis 21. März<br />
2008 teilnehmen (An- und Abreise inklusive).<br />
Einsendeschluss ist der 21. Februar 2008.<br />
(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)<br />
Vorname / Name<br />
Firma / Branche<br />
Abteilung<br />
Straße / Hausnummer<br />
PLZ / Ort<br />
Telefon / Fax<br />
E-Mail<br />
JA, ich möchte gerne eine Tageskarte<br />
für die CeBIT 2008 vom 4. bis 9. März in<br />
Hannover gewinnen.<br />
Einsendeschluss ist der 21. Februar 2008.<br />
(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)<br />
Vorname / Name<br />
Firma / Branche<br />
Abteilung<br />
Straße / Hausnummer<br />
PLZ / Ort<br />
Telefon / Fax<br />
E-Mail<br />
ANTWORT<br />
Redaktion „Der Spezialist“<br />
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Airport City<br />
Hermann-Köhl-Straße 1a<br />
28199 Bremen<br />
ANTWORT<br />
Redaktion „Der Spezialist“<br />
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Airport City<br />
Hermann-Köhl-Straße 1a<br />
28199 Bremen<br />
Bitte<br />
ausreichend<br />
frankieren,<br />
danke.<br />
Bitte<br />
ausreichend<br />
frankieren,<br />
danke.
<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong> | Airport City | Hermann-Köhl-Str. 1 a | 28199 Bremen<br />
6008_02.2008