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Das Magazin für Technik und Management<br />

AUSGABE 10 || Februar 2008<br />

Normann Bienwald<br />

und der Knoten >><br />

Milliarden Bauteile<br />

auf kleinstem raum<br />

Miniaturisierung im Nanobereich<br />

Simulation und<br />

Berechnung für 11.000 PS<br />

Entwicklung von Propeller-Triebwerken<br />

Wenn der Berg ruft ...<br />

Der Coaster, die umweltfreundliche Bergbahn


„UNSER SPEZIALIST“<br />

NORMANN BIENWALD<br />

„Starke Knoten verbinden<br />

Dinge sehr zuverlässig miteinander“,<br />

erklärt der 61-jährige<br />

Elektrotechnikingenieur<br />

Normann Bienwald. „Aber sie<br />

können auch wieder gelöst<br />

werden, sind flexibel.“ Ein<br />

guter Projektleiter verknüpft<br />

lose Enden oder schlägt den<br />

berühmten Gordischen Knoten<br />

entzwei, wenn es nötig ist.<br />

Normann Bienwald, der seit<br />

acht Jahren bei <strong>Brunel</strong> arbeitet,<br />

ist aktuell als Projektleiter<br />

auf der Aker MTW Werft beim<br />

Bau der Superfähre Ropax,<br />

eines Eismeerfrachters, im<br />

Einsatz.


editorial<br />

AUSGABE 10 || Februar 2008<br />

DER SPEZIAL IST<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,<br />

was macht eigentlich eine gute Partnerschaft aus? Sind es die gemeinsamen<br />

Ziele und Interessen, Vertrauen und Zuverlässigkeit? Die Parallelen zwi-<br />

schen privaten und geschäftlichen Beziehungen sind dabei oftmals erstaun-<br />

lich. Sind doch die Partner, egal ob in der Ehe oder im Beruf, stets um ein<br />

beständiges, vertrauensvolles Miteinander bemüht. Dazu gehört auch, dass<br />

beiden Partnern genügend Raum bleibt, sich zu entfalten und zu entwickeln.<br />

Unlängst hörte ich ein schönes Beispiel, das die Antwort auf diese Fragen<br />

treffend veranschaulicht. Die Rede war von zwei Bäumen. Werden sie zu<br />

dicht nebeneinander gepflanzt, können die Äste nur begrenzt wachsen und<br />

neue Verästelungen bilden. Zudem nehmen sie sich gegenseitig das Licht,<br />

was eine gesunde Entwicklung zusätzlich erschwert. Partnerschaft braucht<br />

also Raum und nicht Einschränkung durch höheren Druck, um sich gemein-<br />

sam weiterentwickeln zu können.<br />

Eine gute Kunden-Lieferanten-Beziehung beruht letztlich darauf, einen<br />

starken Partner an seiner Seite zu wissen. Je besser dieses partnerschaft-<br />

liche Verhältnis ausgeprägt wird, umso dynamischer gestaltet sich auch<br />

die Entwicklung der beiden beteiligten Unternehmen. Und je dynamischer<br />

die Unternehmensentwicklung bei den Partnern, desto mehr profitiert der<br />

Kunde vom wachsenden Know-how-Pool. Aus diesem Pool schöpfte jüngst<br />

auch der Kunde BMW, für den das Team von <strong>Brunel</strong> Car Synergies eine Welt-<br />

neuheit der Prüfstandstechnik entwickelte. Erstmalig können bis zu sieben<br />

Einzelmessungen an Achsgelenken auf ein und demselben Prüfstand durch-<br />

geführt werden, was dem Kunden Zeit und damit auch Kosten erspart.<br />

Für die Zukunft zeichnet sich ein gewandeltes Selbstverständnis von<br />

Dienstleistungsunternehmen ab, die wichtige Entwicklungsschritte früh-<br />

zeitig erkennen und in Eigenverantwortung für den Kunden umsetzen oder<br />

umzusetzen helfen. Beispiele dafür finden Sie in unserer mittlerweile zehn-<br />

ten Ausgabe von „Der Spezialist“, mit der ich Ihnen viel Freude wünsche.<br />

Mit herzlichen Grüßen<br />

General Manager<br />

<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />

der Spezialist<br />

03


kurz notiert<br />

Kraftwerksprojekte<br />

Deutschlandweit sind für die kommenden Jahre eine Vielzahl neuer Großkraftwerke in<br />

der Planung oder im Bau. Doch einige Vorhaben liegen bereits wieder auf Eis. Ein Grund dafür<br />

sind begrenzte Kapazitäten bei den Kraftwerksbauern und steigende Materialpreise.<br />

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INVESTITIONEN IN<br />

DIE ZUKUNFT<br />

Aktuell in Bau oder Planung<br />

sind in der Bundesrepublik<br />

insgesamt 33<br />

Steinkohlekraftwerke<br />

(3 vorläufi g eingestellt),<br />

6 Braunkohlekraftwerke<br />

und 18 GuD-Anlagen<br />

(3 eingestellt) mit mehr<br />

als 400 MWel.<br />

Pro Standort ist in der<br />

nebenstehenden Grafi k<br />

jeweils nur ein Symbol je<br />

Kraftwerksart und Ort<br />

dargestellt, auch wenn<br />

mehrere Projekte in Planung<br />

sind.<br />

Quelle: trendresearch<br />

Stand: November 2007<br />

04<br />

der Spezialist<br />

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i nhalt<br />

AUSGABE 10 || Februar 2008<br />

› seite 24<br />

Dr. Stefanie Anteboth<br />

unter stützt Rolls-Royce bei<br />

der Simulation und Berechnung<br />

von Triebwerken.<br />

› seite 30<br />

Bei der Carl Zeiss SMT AG<br />

werden neue Produktionsverfahren<br />

für Chips im<br />

Nano bereich entwickelt.<br />

› seite 44<br />

Die Coaster-Bergbahn<br />

fährt auf Schienen, die<br />

sich problemlos in die<br />

Landschaft einfügen.<br />

Der Spezialist<br />

Seite 06<br />

Seite 12<br />

Seite 16<br />

Seite 20<br />

Seite 24<br />

Seite 26<br />

Seite 30<br />

Seite 34<br />

Seite 38<br />

Seite 41<br />

Seite 44<br />

Seite 48<br />

Seite 54<br />

ansichtssache: QUO VADIS, KRAFTWERKS BRANCHE?<br />

der Spezialist<br />

inhalt<br />

Dirk Briese (trendresearch) im Gespräch über den Boom im Kraftwerksbau<br />

history: RETTENDE STROMSTÖSSE AUS DER SCHUHCREMEDOSE<br />

Wilson Greatbatch erfand vor 55 Jahren den internen Herzschrittmacher<br />

im fokus: „MARIA, HÖREN SIE MICH?“<br />

Neuroimplantate ersetzen geschädigte Hör- und Sehnerven<br />

aus den branchen: FILIGRAN UND EFFIZIENT<br />

Selektives Laserschmelzen ermöglicht günstigere Einzelstückfertigung<br />

technische projekte: SIMULATION UND BERECHNUNG FÜR 11.000 PS<br />

Rolls-Royce entwickelt extrem leistungsstarke Propeller-Triebwerke<br />

technische projekte: VON REIBMOMENTEN UND ELASTIZITÄTEN<br />

Multifunktionaler Prüfstand verkürzt Entwicklungszeiten von Fahrzeugen<br />

technische projekte: MILLIARDEN BAUTEILE AUF KLEINSTEM RAUM<br />

Miniaturisierung im Nanobereich mit Immersionslithographie<br />

Mitarbeiter und karriere: IM TAKT RASENDER INNOVATIONEN<br />

Arbeitskreis Elektrotechnologie (AKET) zwischen Forschung und Industrie<br />

aus den branchen: DIE MISCHUNG MACHT ES!<br />

NIR: Spektroskopie im nahen Infrarotbereich misst Zusammensetzungen<br />

Wissenschaft und forschung: DIE ZUKUNFT DER BATTERIE IST GRÜN<br />

Forscherteams arbeiten an Energiespeichern aus Zucker und Papier<br />

querdenken: WENN DER BERG RUFT ...<br />

Die umweltschonende Konkurrenz für den Sessellift heißt Coaster<br />

Panorama: WISSENSCHAFT ZUM ANFASSEN<br />

Science Center mit Mitmach-Exponaten erobern die Museumslandschaft<br />

Panorama: OFFROAD-EXPEDITION DURCH 34 LÄNDER EURASIENS<br />

Xworld Tour soll die Völkerverständigung fördern<br />

Termine<br />

impressum<br />

EXTRA: GEWINNSPIEL (Siehe Umschlagklappe)<br />

05


Ansichtssache<br />

Quo Vadis, Kraftwerksbranche?<br />

Der Markt für neue Kraftwerke boomt, doch die große Nachfrage und hohe Material-<br />

kosten treiben die Preise in die Höhe. Über die wirtschaftlichen Folgen für den Kraftwerks-<br />

markt sprachen wir mit Dirk Briese, Geschäftsführer von trendresearch.<br />

TEXT › Marco Heinen<br />

Der Spezialist: Der Ruf nach modernen Kraft-<br />

werken mit geringem CO2-Ausstoß ist unüber-<br />

hörbar. Den im Kraftwerksbau tätigen Unter-<br />

nehmen müssten demnach doch rosige Zeiten<br />

bevorstehen, oder?<br />

Dirk Briese: Der Kraftwerksmarkt boomt. Auf-<br />

grund laufender und geplanter Projekte werden<br />

Investitionen in Milliardenhöhe getätigt. Zum<br />

einen werden im Laufe der nächsten Jahre viele<br />

Altanlagen stillgelegt. Zum anderen fallen Erzeu-<br />

gungskapazitäten aufgrund des von der Poli-<br />

tik angestrebten Ausstiegs aus der Nutzung der<br />

Kernenergie weg. Um die drohende Versorgungs-<br />

lücke zu schließen, müssen neue Kraftwerke ge-<br />

baut werden. Auch werden viele Kohlekraft-<br />

werke einem Retrofit unterzogen, weil die Anla-<br />

gen alt sind und aufgrund der Vergabepraxis<br />

von CO2-Zertifikaten ein geringerer CO2-Aus-<br />

stoß gleichbedeutend ist mit niedrigeren Kosten<br />

für die Kraftwerksbetreiber. Diese Entwicklung<br />

beschert den Anlagenplanern und Anlagenbau-<br />

ern hohe Auftragsvolumina.<br />

PREISE FÜR KOHLEKRAFTWERKE HABEN<br />

SICH NAHEZU VERDOPPELT<br />

Der Spezialist: Die Nachfrage ist hoch, doch viele<br />

Projekte liegen auf Eis. Die Bremer swb hat den<br />

Bau eines Kohlekraftwerks abgesagt und auch die<br />

Stadtwerke Bielefeld verzichten auf ein neues<br />

06<br />

der Spezialist<br />

Heizkraftwerk. Welche Ursachen sind ausschlag-<br />

gebend für diese Entwicklung?<br />

Briese: Die Ursachen für diese Entwicklung sind<br />

vielfältig. Erstens sind die Preise für Rohstoffe<br />

wie Stahl, Nickel und Zink sowie für Komponen-<br />

ten, zum Beispiel Kessel, Turbinen oder Genera-<br />

toren, sprunghaft gestiegen. Aufgrund dessen<br />

haben sich die Preise für ein Kohlekraftwerk von<br />

2004 bis 2007 nahezu verdoppelt, und zwar von<br />

820 Euro pro Kilowatt Leistung auf 1.500 Euro pro<br />

Kilowatt. Zweitens verursachen der erwartete<br />

Preisanstieg für CO2-Zertifikate und die damit ver-<br />

bundenen höheren Kosten für Kohlekraftwerke<br />

eine hohe Investitionsunsicherheit. Aus diesem<br />

Grund wurden zum Beispiel die Kohlekraftwerks-<br />

projekte in Bremen und Bielefeld eingestellt.<br />

Bei den Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken<br />

spielen die Ausgestaltung der Brennstoffverträge<br />

und die Genehmigungsverfahren eine entschei-<br />

dende Rolle. So wurde zum Beispiel ein Kraftwerks-<br />

projekt des großen Nürnberger Versorgungsun-<br />

ternehmens N-ERGIE unter anderem aufgrund des<br />

fehlenden Abschlusses eines langfristigen Liefer-<br />

vertrages eingestellt. Drittens scheuen viele Anla-<br />

gen- und Komponentenhersteller den Ausbau von<br />

Kapazitäten, da sie über Jahre hinweg nicht ausge-<br />

lastet waren und Kapazitäten abbauen mussten.<br />

Der Spezialist: Lässt sich sagen, wie viele Projekte<br />

in letzter Zeit abgesagt oder verschoben wurden?<br />

PORTRÄT<br />

Diplom-Kaufmann<br />

Dirk Briese (40) ist seit<br />

2001 Geschäftsführer<br />

des Instituts für Trend-<br />

und Marktforschung<br />

trendresearch <strong>GmbH</strong>.<br />

Dort verantwortet er<br />

unter anderem die<br />

Geschäftsentwicklung<br />

sowie die Erstellung<br />

und Durchführung von<br />

Exklusivprojekten.


› 01<br />

Auf Kraftwerke spezialisierte<br />

Anlagenbauer<br />

müssten ihre Kapazitäten<br />

erweitern, um die große<br />

Nachfrage zu bewältigen.<br />

08<br />

der Spezialist<br />

Briese: Aktuell gibt es 57 Projekte über 400 MWel,<br />

davon wurden drei Steinkohle- sowie drei Gas-<br />

und Dampfturbinen-Kraftwerksprojekte vorläufig<br />

eingestellt.<br />

Der Spezialist: Welche Folgen hat das langfristig?<br />

Briese: Vorrangig bestimmt derzeit das Angebot<br />

die Nachfrage und den Preis. So lange die Anbie-<br />

ter ihre Kapazitäten nicht ausbauen, steigen die<br />

Preise. Das Besondere am Kraftwerksmarkt ist die<br />

Stellung der vier großen Energieversorger Eon,<br />

RWE, Vattenfall Europe und EnBW. Diese beherr-<br />

schen 70 bis 80 Prozent des Marktes. Sie haben<br />

sich frühzeitig Optionen gesichert und können in<br />

Preisverhandlungen mit den Anlagenbauern Men-<br />

genrabatte aushandeln, so dass sie von den Preis-<br />

steigerungen nicht so stark betroffen sind. Außer-<br />

dem können sie andere Risiken tragen, sowohl<br />

finanziell als auch aufgrund der Vielfalt bei den<br />

Brennstoffen. Es ist eben etwas anderes, ob ich mit<br />

den Finanzen einzelner Stadtwerke nur ein einzi-<br />

ges Kohlekraftwerk plane oder als großer Kraft-<br />

werksbetreiber mehrere Projekte und somit ein<br />

umfangreiches Portfolio an Kraftwerksarten zur<br />

Verfügung habe. Wobei kleine Stadtwerke in der<br />

Regel ohnehin nicht als Erzeuger auftreten, son-<br />

dern an die großen Lieferanten gebunden sind. Sie<br />

können sich allenfalls zusammenschließen oder<br />

über Beteiligungsmodelle wie bei der Aachener<br />

Trianel-Gruppe oder der Tübinger SüdWestStrom<br />

von ihnen unabhängig machen. Die Preisexplo-<br />

sion trifft daher vor allem größere Stadtwerke mit<br />

eigener Stromerzeugung wie in Bielefeld, Bremen<br />

oder Nürnberg, die in dieser Situation Projekte<br />

absagen müssen.<br />

KRAFTWERKSBAUER FÜRCHTEN DEN<br />

NÄCHSTEN „SCHWEINEZYKLUS“<br />

Der Spezialist: Wie kann dieser Entwicklung ent-<br />

gegengesteuert werden?<br />

› 01


Briese: Die Anlagenbauer könnten natürlich ihre<br />

Kapazitäten aufstocken, Materialreservierungen<br />

vornehmen und Personal anstellen. Das ge-<br />

schieht auch in gewissem Umfang. Doch meiner<br />

Einschätzung nach fürchten sie sich vor dem<br />

nächsten „Schweinezyklus“. Schließlich kommen<br />

sie aus einem tiefen Tal. In den 1990er Jahren<br />

haben sie sehr viele Stellen streichen müssen,<br />

haben Verluste geschrieben und standen teil-<br />

weise sogar vor der Insolvenz. Da scheut man<br />

sich, auf den aktuellen Boom zu setzen.<br />

„FÜR KLEINE KRAFTWERKSBETREIBER<br />

IST ES SCHWIERIG, EIGENE PROJEKTE<br />

UMZUSETZEN“<br />

Der Spezialist: Wie konnte es überhaupt so weit<br />

kommen?<br />

Briese: Viele Erzeuger bekamen es im Zuge der<br />

Liberalisierung des Strommarktes 1998 mit der<br />

Angst zu tun und haben wegen vorhandener<br />

Überkapazitäten Energie sehr günstig verkauft.<br />

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Die Folge des Gewinnverfalls bei den Erzeugern<br />

war, dass niemand in Neubauten oder Retrofit-<br />

Maßnahmen investierte. Außerdem spielten The-<br />

men wie der Emissionshandel und der Ausstieg<br />

aus der Kernenergie eine Rolle. Jetzt muss Ver-<br />

säumtes nachgeholt werden.<br />

Der Spezialist: Wie sollten Ihrer Meinung nach<br />

kleinere Kraftwerksbetreiber mit der Situation<br />

umgehen und sich strategisch ausrichten?<br />

Briese: Für kleinere Kraftwerksbetreiber ist es<br />

aktuell schwierig, ein eigenes Projekt umzusetzen.<br />

Da spielt auch die politische Debatte um die eigen-<br />

tumsrechtliche Trennung der Netzinfrastruktur<br />

von der Erzeugung und dem Handel eine Rolle,<br />

wie es seitens der EU-Kommission präferiert<br />

wird. Auf jeden Fall müssen sich die Betreiber<br />

etwas einfallen lassen. Ersatzbrennstoff-Kraft-<br />

werke sind eine Option oder Bioenergie-Anlagen,<br />

damit man als Zulieferer zumindest auf der Brenn-<br />

stoffseite aus der Abhängigkeit von den Großen<br />

herauskommt. Wenn die kleinen Betreiber<br />

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› 15<br />

ANSICHTSSACHE<br />

der Spezialist<br />

09


Ansichtssache<br />

› 02<br />

Das Braunkohlekraftwerk<br />

Neurath besteht derzeit<br />

aus fünf Blöcken. Seit<br />

Januar 2006 werden zwei<br />

neue Blöcke gebaut. Sie<br />

sollen eine Leistung von<br />

je 1.100 MW haben und<br />

werden voraussichtlich ab<br />

2010 Altanlagen ersetzen.<br />

10<br />

der Spezialist<br />

nicht neu bauen, dann haben sie nichts mehr.<br />

Irgendwann ist die Laufzeit eines Kraftwerks<br />

zu Ende. Da bliebe nur noch die Option, sich<br />

mit anderen Stadtwerken zusammenzutun, um<br />

gemeinsam ein Kraftwerk zu bauen oder Beteili-<br />

gungen zu erwerben.<br />

Der Spezialist: Wie wirkt sich der Ausstieg aus der<br />

Kernenergie im Detail aus?<br />

Briese: Aufgrund des Ausstiegs aus der Kern-<br />

energie fallen Kapazitäten weg, die ersetzt wer-<br />

den müssen, da sonst eine Versorgungslücke ent-<br />

steht. Eine Alternative zu fossilen Kraftwerken<br />

ist zumindest teilweise der Ausbau erneuerbarer<br />

Energien, wie zum Beispiel der Windenergie, die<br />

das größte Ausbaupotenzial bietet. Allerdings<br />

kann dadurch die Grundlast nicht gedeckt wer-<br />

den, da Wind nicht kontinuierlich genutzt werden<br />

kann.<br />

› 02<br />

Beim Ausbau der Offshore-Windenergie beste-<br />

hen auch noch Probleme, die den Einsatz dieser<br />

Technik später als gedacht ermöglichen. Techni-<br />

sche Probleme gibt es bei den Fundamenten und<br />

bei der Einspeisung des Stroms ins Netz. Darüber<br />

hinaus gibt es genehmigungsrechtliche Hürden,<br />

weil Behörden von Bund und Ländern zusammen-<br />

wirken müssen. Am wichtigsten ist aber, dass es<br />

erst Mitte 2008 erste Testanlagen geben wird und<br />

die bisherigen Prognosen damit nicht erfüllt wer-<br />

den konnten.<br />

CO2-SPEICHERUNG IST EIN POLITISCH<br />

GETRIEBENES THEMA<br />

Der Spezialist: Was ist von Pilotprojekten zu hal-<br />

ten, bei denen z. B. auf die Abspaltung und unter-<br />

irdische Speicherung des CO2 gesetzt wird?<br />

Briese: Es ist ein politisch getriebenes Thema.<br />

Die Wirtschaftlichkeit ist mit Blick auf die Kosten<br />

der CO2-Speicherung meines Wissens noch nicht<br />

bewiesen. Außerdem gibt es noch genehmigungs-<br />

rechtliche Probleme bei den CO2-Lagerstätten. Da<br />

ist vieles noch nicht geklärt.<br />

Der Spezialist: Wie wird sich Ihrer Ansicht nach<br />

der Kraftwerksmarkt weiterentwickeln?<br />

Briese: Im Prinzip gibt es drei Szenarien: Beim<br />

ersten Szenario würden die Laufzeiten der Kern-<br />

kraftwerke verlängert. Möglich wäre aber auch,<br />

verstärkt neue Kohlekraftwerke zu bauen. Drit-<br />

tens könnten die Strompreise wesentlich erhöht<br />

werden. Innerhalb aller drei Szenarien wird es zu<br />

einem politisch gewollten und geförderten Aus-<br />

bau von regenerativen Energien kommen, die<br />

aber nur einen Teil des Strombedarfs decken<br />

können. Der Königsweg wäre natürlich das Ein-<br />

sparen von Energie – aber das hat seit Jahrzehn-<br />

ten nicht funktioniert.<br />

Die Folgen der Szenarien lassen sich nicht klar<br />

formulieren, weil es meiner Meinung nach zur-<br />

zeit keinen funktionierenden Markt gibt, der dies<br />

zulassen würde. Jedenfalls solange die Politik<br />

nicht für einen vernünftigen Wettbewerb sorgt.


Wobei es auch für die Politik nicht einfach ist, weil<br />

sie sich widersprechende Ziele verfolgt. So soll es<br />

einerseits mehrere Wettbewerber im eigenen<br />

Land geben, andererseits aber auch Konzerne, die<br />

international wettbewerbsfähig sind. Letzteres ist<br />

der Grund, warum die Fusion von Eon und Ruhr-<br />

gas genehmigt wurde. Vieles deutet darauf hin,<br />

dass das erste Szenario eintrifft. Es ist zwar kein<br />

Marktmechanismus da, wird aber aus politischer<br />

Sicht wahrscheinlich so kommen und ist auch die<br />

Präferenz der Energieversorger.<br />

Der Spezialist: Können wir mit sinkenden Preisen<br />

rechnen oder müssen wir uns auf höhere Energie-<br />

kosten einstellen?<br />

Briese: Sollten sich die Verbraucher gegen Kohle-<br />

kraftwerke aussprechen, dann werden die Ener-<br />

giekosten steigen. Auch ein Ausstieg aus der Kern-<br />

energie zieht höhere Preise nach sich. Sollten<br />

sich die Anlagenpreise nicht stabilisieren, werden<br />

weniger Kraftwerke gebaut und das hat ebenso<br />

höhere Energiekosten zur Folge. Genauso wer-<br />

den sich ein Kostenanstieg für CO2-Zertifikate<br />

und steigende Gaspreise negativ auswirken. Grob<br />

geschätzt könnte dies zu einer Verdreifachung der<br />

Preise führen. Das werden die Politik und die Kon-<br />

zerne aber nicht zulassen. Eher werden die Lauf-<br />

zeiten der Kernkraftwerke verlängert. Dies wie-<br />

derum ließe sich politisch nur durchsetzen, wenn<br />

die Preise sinken.<br />

ANSICHTSSACHE<br />

› 03<br />

Zum Kraftwerk Niederaußem<br />

gehören insgesamt<br />

neun Braunkohleblöcke<br />

(Gesamtleistung ca.<br />

3.600 MW) und der mit<br />

200 Metern höchste Kühlturm<br />

der Welt.<br />

› 03<br />

d e r Spezialist<br />

11


› 04


ettende Stromstösse aus<br />

der Schuhcremedose<br />

Bereits in den 1950er Jahren entwickelten Pioniere wie der Elektroingenieur Wilson Greatbatch<br />

die ersten im Körper tragbaren Herzschrittmacher. In der klinischen Anwendung war ihm 1958<br />

ein schwedisches Team einen Schritt voraus. Heute gilt die Technik als ausgereift.<br />

TEXT › Matthias Huthmacher<br />

Mit der Medizin hatte Wilson Greatbatch, am<br />

16. September 1916 in Buffalo, New York, geboren,<br />

zunächst gar nichts im Sinn. Dagegen zeigte sich<br />

schon früh sein technisches Interesse. Vor allem<br />

das Radio, seinerzeit eine geradezu revolutionäre<br />

Neuerung, weckte seine Neugierde. Schon als<br />

16-Jähriger bastelte er bei den Pfadfindern an leis-<br />

tungsstarken Funkgeräten und einer Kurzwellen-<br />

Radiostation. Kein Wunder also, dass er während<br />

des Zweiten Weltkriegs für die Funktechnik eines<br />

US-Zerstörers auf dem Atlantik zuständig war,<br />

ehe er auf den Träger USS Monterrey in den Pazi-<br />

fik abkommandiert wurde, um dort die Ortungs-<br />

und Funksysteme der Flugzeuge zu optimieren.<br />

GREATBATCH LEHRTE AN DER UNIVERSITÄT,<br />

VERLOR ABER NIE DEN KONTAKT ZUR PRAXIS<br />

Nach Kriegsende begann Greatbatch seine aka-<br />

demische Laufbahn. Er studierte an der Cornell<br />

University Mathematik, Physik und Chemie und<br />

erhielt anschließend eine Assistenzprofessur an<br />

der University of Buffalo, die ihm 1957 den Mas-<br />

tergrad im Elektroingenieurwesen verlieh. Doch<br />

Lernen und Lehren genügten ihm nicht, er suchte<br />

immer wieder die Praxis – als Radio- und Tele-<br />

fontechniker, in der Entwicklung von Flugdaten-<br />

schreibern und Überwachungsinstrumenten für<br />

einen der ersten ins Weltall katapultierten Affen,<br />

als Konstrukteur von Empfängern für das Radio-<br />

teleskop von Arecibo auf Puerto Rico.<br />

Zur Medizin stieß Greatbatch in der Forschungs-<br />

abteilung für Tierversuche an der Cornell Uni-<br />

versity. Seine Aufgabe bestand eigentlich darin,<br />

Geräte zur Messung von Blutdruck, Herzfrequen-<br />

zen und Gehirnströmung bei Schafen und Ziegen<br />

zu entwickeln. Doch die eigentliche Karriere des<br />

Wilson Greatbatch begann im Stall: Als bei der<br />

Schur eines der Schafe kollabiert, führt er kurz<br />

entschlossen mittels zweier Drähte Stromimpulse<br />

aus der Lichtleitung auf das Herz des vierbeinigen<br />

Patienten – das wieder zu schlagen beginnt.<br />

› 05<br />

HISTORY<br />

› 04<br />

Wilson Greatbatch mit<br />

der Konstruktionszeichnung<br />

eines seiner Prototypen.<br />

Der Elektroingenieur<br />

gilt als einer der Pioniere<br />

der Herzschrittmacher-<br />

Technologie.<br />

› 05<br />

Im Zuge seiner Forschungen<br />

baute Wilson Greatbatch<br />

unterschiedlichste<br />

Prototypen und Modelle,<br />

die immer kleiner und<br />

leistungsfähiger wurden.<br />

Später konzentrierte er<br />

sich vor allem auf die Verlängerung<br />

der Lebensdauer<br />

von Batterien.<br />

der Spezialist 13


HISTORY<br />

Nach diesem Schlüsselerlebnis ließ die Möglich-<br />

keit der elektrischen Stimulation des Herzens dem<br />

geborenen Forscher keine Ruhe mehr. Dabei hatte<br />

dieses Thema die Wissenschaft bereits seit der<br />

Entdeckung der Elektrizität Mitte des 18. Jahrhun-<br />

derts beschäftigt. Schon in Schriften aus dem Jahr<br />

1774 ist die Rede von Wiederbelebungsversuchen<br />

an einem Kleinkind mit Hilfe von Stromstößen.<br />

Der entscheidende Durchbruch aber gelang erst<br />

1952 mit dem Defibrillator des amerikanischen<br />

Kardiologen Paul Maurice Zoll.<br />

DER ERSTE EXTERNE HERZSCHRITTMACHER<br />

WOG MEHR ALS SIEBEN KILOGRAMM<br />

Während jedoch beim Einsatz in der Akutme-<br />

dizin die Größe der Geräte und die Art ihrer<br />

Stromversorgung keine wesentliche Rolle spiel-<br />

ten, wurden sie bei der permanenten Stimulanz<br />

zum Problem. Zwar stellte der New Yorker Arzt<br />

Albert Hyman schon 1932 ein externes Gerät vor,<br />

das aus einem Gleichstromgenerator mit einem<br />

Stromunterbrecher und einer bipolaren Nadel-<br />

elektrode bestand – die gesamte Maschinerie wog<br />

aber mehr als sieben Kilogramm und musste alle<br />

sechs Minuten aufgeladen werden. Erst zu Beginn<br />

der 50er Jahre präsentierte der Amerikaner Earl<br />

Bakken Apparate, die am Gürtel getragen werden<br />

konnten. Sie schränkten das Alltagsleben der Pati-<br />

enten aber immer noch stark ein und verursach-<br />

ten zudem an der Kabelverbindung zum Herzen<br />

eine permanent offene Wunde.<br />

Wilson Greatbatch wollte mehr: Der Herz-<br />

schrittmacher musste im Körper zu tragen sein.<br />

1952 zog er sich in einen alten Stall im Hinterhof<br />

zurück und begann, an einem solchen Herzschritt-<br />

macher zu experimentieren. Dabei kam ihm der<br />

Zufall zu Hilfe, denn mittlerweile waren Transisto-<br />

ren als Schalteinheiten verfügbar, die die bislang<br />

benötigten Vakuumröhren ersetzen konnten.<br />

Am 7. Mai 1958 war es schließlich so weit: Ge-<br />

meinsam mit zwei Chirurgen einer Klinik in Buf-<br />

falo verpflanzte Greatbatch seinen ersten „Pace-<br />

14<br />

der Spezialist<br />

maker“ in ein Lebewesen. Im Wesentlichen be-<br />

stand dieser aus zwei Transistoren, einer Elektrode<br />

und einer Quecksilberbatterie. Den Takt gab ein<br />

RC-Glied vor, eine elektrische Schaltung mit einem<br />

Widerstand (R) und einem Kondensator (C). Als<br />

Patient diente ein Hund. Tatsächlich übernahm<br />

das Gerät, wenn auch nur für vier Stunden, die<br />

Steuerung der Herzschläge.<br />

IN SCHWEDEN WIRD PARALLEL EIN FAST<br />

BAUGLEICHER SCHRITTMACHER ENTWICKELT<br />

Fünf Monate später aber schreibt ein anderer das<br />

nächste Kapitel in der Geschichte des Herzschritt-<br />

machers: Am 8. Oktober 1958 führte Åke Senning<br />

die erste Implantation am Menschen durch. Der<br />

Patient Arne Larsson litt bereits seit Jahren unter<br />

einer Herzblockade, die seinen Gesundheitszu-<br />

stand zunehmend verschlechterte – weswegen<br />

seine Frau Åke Senning zur Implantation seines<br />

noch nicht erprobten Geräts drängte. Der Schwede<br />

war zu diesem Zeitpunkt in medizinischen Fach-<br />

kreisen kein Unbekannter mehr: Am Sabbatsberg-<br />

Klinikum in Stockholm hatte Senning bereits eine<br />

Herz-Lungen-Maschine entwickelt, die ihre Feuer-<br />

taufe mit Bravour bestand, als Clarence Crafoord<br />

1954 die erste erfolgreiche offene Herzoperation<br />

in Europa durchführte. Die gewagte Implantation<br />

› 06<br />

› 06<br />

1978: Der schwedische<br />

Herzchirurg Prof. Åke<br />

Senning, der Ingenieur<br />

Dr. Rune Elmquist und der<br />

erste Herzschrittmacher-<br />

Patient Arne Larsson (v. l.)<br />

feiern den 20. Jahrestag<br />

des erfolgreichen Eingriffs.


gelang. Die elektronischen Bausteine des Herz-<br />

schrittmachers wurden in einer Schuhputzdose<br />

mit Epoxidharz vergossen und Arne Larsson in die<br />

Brust operiert.<br />

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Senning<br />

etwas von den laufenden Arbeiten Greatbatchs<br />

wusste, als er gemeinsam mit dem Elektroinge-<br />

nieur Rune Elmquist ebenfalls einen implantier-<br />

baren Herzschrittmacher entwickelte, der im<br />

Prinzip baugleich war. Die Haltbarkeit der Batte-<br />

rie betrug zunächst nur fünf Monate, im Laufe<br />

der folgenden Jahre sollte sie sich jedoch zuneh-<br />

mend verlängern. Larsson trug in den nächsten<br />

44 Jahren noch 25 weitere Herzschrittmacher –<br />

und überlebte damit seinen Lebensretter, der<br />

sich nach seinem Triumph wieder ganz der prak-<br />

tischen Herzchirurgie widmete und am 21. Juni<br />

2000 in Zürich starb.<br />

Wilson Greatbatch aber blieb der Forschung<br />

treu. Am 15. April 1960 wurde einer seiner Herz-<br />

schrittmacher erstmals einem Menschen ver-<br />

pflanzt, noch im gleichen Jahr folgten weitere<br />

neun Patienten. Doch Greatbatch gab sich nicht<br />

zufrieden: Er übertrug das Patent für den Herz-<br />

schrittmacher an den US-Hersteller Medtronic,<br />

um eine eigene Firma zu gründen, die sich ganz<br />

auf Entwicklung und Produktion verbesserter<br />

Batterien konzentrierte, der großen Schwach-<br />

stelle des Herzschrittmachers. Erreichten die bis<br />

dahin verwendeten Quecksilberbatterien in der<br />

Regel höchstens zwei Jahre Lebensdauer, so<br />

gelang 1970 mit der im Schnitt zehn Jahre<br />

lang betriebsfähigen Lithium-Jod-Batterie der<br />

entscheidende Durchbruch. Heute produziert das<br />

Unternehmen weltweit die meisten Kraftspeicher<br />

für Herzschrittmacher. Wilson Greatbatch aber<br />

suchte neue Ziele: Zuletzt beschäftigte er sich<br />

mit alternativen Energien und der Bekämpfung<br />

der Immunschwächekrankheit Aids.<br />

› 07<br />

INFO<br />

HISTORY<br />

Heute leben weltweit etwa<br />

zwei bis drei Millionen<br />

Menschen mit einem Herzschrittmacher.<br />

Moderne<br />

Geräte haben die Größe<br />

einer Münze und wiegen<br />

ca. 20 Gramm. Die weniger<br />

als einstündige Operation<br />

kann unter örtlicher Betäubung<br />

durchgeführt<br />

werden. Die eingesetzten<br />

Lithium-Jod-Batterien<br />

arbeiten im Durchschnitt<br />

zehn Jahren lang.<br />

› 07<br />

Links der „Pacemaker“, das<br />

erstmals 1958 erfolgreich<br />

implantierte Modell. Rechts<br />

der Stand der Technik von<br />

1978, ein Produkt von Siemens-Elema.<br />

Der Schrittmacher<br />

verfügte über ein<br />

Gehäuse aus Titan statt<br />

einer Schuhcremedose und<br />

eine um ein Vielfaches längere<br />

Batteriebetriebsdauer.<br />

der Spezialist<br />

15


IM FOKUS<br />

„Maria, hören sie mich?“<br />

Ärzte und Ingenieure arbeiten Hand in Hand bei der Entwicklung von Neuroimplantaten. Ge-<br />

schädigte Hörnerven zu ersetzen, gelingt seit etwa 10 Jahren. Die wichtigen Bauteile werden<br />

immer kleiner und leistungsfähiger. Erste Studien an Sehprothesen sind vielversprechend.<br />

TEXT › Angela Rabenstein-Wischnewski<br />

„Können Sie mich hören?“, fragt eine Stimme. Sie<br />

klingt außerirdisch. Maria wird leicht übel vor<br />

Schreck, dann lächelt sie. Es ist der erste Satz, den<br />

sie hört, seitdem sie vor Jahren ihr Gehör verloren<br />

hat. „Maria, hören Sie mich?“ Jetzt wird die<br />

Stimme menschlicher. Heute ist der Tag, an dem<br />

Maria ihren Sprachprozessor bekommt und ihr<br />

neues Hören mit diesem kleinen Computer das<br />

erste Mal getestet wird. Maria ist eine von etwa<br />

400 Patienten in Deutschland mit einem Hirn-<br />

stammimplantat. Dort, wo ihre nicht mehr funk-<br />

tionierenden Hörnerven enden, haben ihr Ärzte<br />

der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)<br />

eine winzige Reizelektrode implantiert – auch<br />

Auditory Brainstem Implant genannt (ABI).<br />

HÖREN MIT EINER IMPLANTIERTEN REIZ-<br />

ELEKTRODE AM HIRNSTAMM<br />

Das ABI ist eine Hörprothese und ersetzt die Funk-<br />

tion des Hörnervs, der im gesunden Zustand Sig-<br />

nale aus dem Innenohr zum Hörkern weiterleitet.<br />

Das ABI-System besteht aus einem äußerlich zu<br />

tragenden Sprachprozessor mit Mikrofon und<br />

Sendespule sowie einer Reizelektrode, die auf den<br />

Hirnstamm geschoben wird. Das Prinzip basiert<br />

darauf, Schall in elektrische Energie umzusetzen<br />

und damit eine Reizung des Hörnervenkerns im<br />

Hirnstamm auszulösen.<br />

16<br />

Der Prozessor hängt wie ein Headset hinter<br />

Marias Ohr. Sobald sie ihn einschaltet, ist sie<br />

der Spezialist<br />

Spezialist<br />

akustisch mit der Außenwelt verbunden. Über<br />

ein winziges Mikrofon nimmt das Gerät Schall-<br />

wellen auf, wandelt sie in elektrische Signale um<br />

und leitet sie in den Sprachprozessor. Dieser<br />

erzeugt daraus eine Impulsserie, die über die<br />

Sendespule und den Empfänger unter der Kopf-<br />

haut schließlich die implantierte Elektrode er-<br />

reicht, die aus bis zu 22 Einzelkontakten besteht.<br />

Die Impulsfolge löst in den Nervenzellen des Hör-<br />

kerngebietes biologische Potenziale aus, die über<br />

den intakten Teil der Hörbahn bis ins Großhirn<br />

weitergeleitet werden, das daraus eine Höremp-<br />

findung erzeugt. Entscheidend hierfür ist die<br />

Menge an Elektronen, die auf die Hörnervenzellen<br />

einwirkt, gemessen in Nanocoulomb (nC). Heu-<br />

tige Systeme stimulieren den Hörnerv mit mini-<br />

malen 10 nC (2,78 x 10 –12 Amperestunden), einer<br />

Frequenz von 3.000 Hertz und einer Dauer von 20<br />

Mikrosekunden, während früher nur Wiederho-<br />

lungsfrequenzen von 250 Hertz erreicht wurden.<br />

Das ABI-System ist eine Weiterentwicklung des<br />

Cochlea-Implantats (CI), der ersten echten Neuro-<br />

prothese, die bereits seit 1984 an der MHH einge-<br />

setzt wird. Sie unterscheidet sich vom ABI durch<br />

den Ort der Ankopplung an die Hörbahn. Wenn,<br />

wie bei vielen Gehörlosen der Fall, die Hörnerven<br />

intakt, aber die Haarsinneszellen im Innenohr<br />

von Geburt an verkümmert oder abgestorben<br />

sind, kann ein CI das Hören wieder ermöglichen.<br />

Hierfür wird der Elektrodenträger in die Gänge<br />

der Gehörschnecke (Cochlea) eingeschoben.<br />

INFO<br />

Die Medizintechnik ist hierzulande<br />

eine der großen<br />

Wachstumsbranchen. Der<br />

Gesamtumsatz der Branche<br />

stieg im Jahr 2006 um<br />

8,1 Prozent auf 15,9 Milliarden<br />

Euro. Deutschland<br />

liegt bei Patenten und<br />

Welthandelsanteil auf dem<br />

zweiten Platz hinter den<br />

USA. Rund ein Drittel ihres<br />

Umsatzes erzielen die<br />

deutschen Medizintechnikhersteller<br />

mit Produkten,<br />

die weniger als drei Jahre<br />

alt sind.<br />

Quelle: BVMed, Spectaris.<br />

2007, BMBF


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IM FOKUS<br />

› 08<br />

Das subretinale Implantat<br />

wird unter die Netzhaut<br />

gesetzt und ersetzt dort<br />

geschädigte Sinneszellen.<br />

Stimulationselektronen<br />

sorgen für die Reizweiterleitung<br />

ins Gehirn.<br />

18<br />

der Spezialist<br />

Die Elektroden übernehmen hier die Funktion<br />

der Haarsinneszellen in der Gehörschnecke: Sie<br />

nehmen die Schallwellen auf, wandeln sie in elek-<br />

trische Impulse um und geben sie an den Hörnerv<br />

weiter, der die Informationen zum Gehirn leitet.<br />

Das Funktionsprinzip ist ähnlich wie beim ABI.<br />

Man benötigt ebenfalls Mikrofon, Sprachprozes-<br />

sor und Sendespule.<br />

MEHR KLANGDETAILS SORGEN FÜR EIN<br />

SATZVERSTÄNDNIS VON BIS ZU 93 PROZENT<br />

„Die ersten CI und Sprachprozessoren sind mit den<br />

heutigen kaum zu vergleichen“, sagt Hals-Nasen-<br />

Ohren-Chirurg Thomas Lenarz von der MHH. „Die<br />

technische Entwicklung in den letzten 20 Jahren<br />

war immens. Wir haben heute nicht nur eine stär-<br />

kere Stimulierung der Nervenzellen durch verfei-<br />

nerte Elektroden, sondern auch eine viel bessere<br />

Biokompatibilität der implantierten Teile sowie<br />

Sprachprozessoren mit wesentlich mehr Klang-<br />

details. Das Codierungsprinzip von MP3-Playern<br />

wurde hier integriert“, erläutert Lenarz.<br />

› 08<br />

Hersteller versprechen mit den neuesten Pro-<br />

thesen ein Satzverständnis bis zu 93 Prozent. Vor-<br />

aussetzung ist ein individuell programmierter<br />

Sprachprozessor, der für jede Elektrode genau die<br />

elektrische Energie (Hörschwelle) ermittelt, die<br />

zur Auslösung einer Hörempfindung führt. Denn<br />

das Hörzentrum im Gehirn muss lernen, die mit<br />

dem CI gehörten Töne und Vokale zu unterschei-<br />

den und richtig zuzuordnen. Ist dies geschehen,<br />

können die Träger ohne Probleme telefonieren<br />

und ein normales Leben führen und sind nicht<br />

mehr auf Lippenlesen angewiesen. Das CI emp-<br />

fiehlt sich vor allem für taub geborene Kinder,<br />

die mit dieser Prothese von Beginn an hören und<br />

somit sprechen lernen können.<br />

Die Erfolge mit Cochlea-Implantaten und der<br />

Trend zum Verkleinern der Elektronik haben paral-<br />

lel auch die Entwicklung von Sehprothesen für<br />

Blinde vorangetrieben. Den vielversprechendsten<br />

Ansatz liefert zurzeit die Ankopplung eines so<br />

genannten subretinalen Implantats an die Netz-<br />

haut (Retina). Hierbei wird das Implantat unter<br />

die Netzhaut gesetzt. Genau an die Stelle, an der<br />

sich bei gesunden Menschen die lichtempfindli-<br />

chen Sinneszellen befinden.<br />

Ein solches Implantat haben deutsche Augen-<br />

kliniken und Forschungsinstitute in zwölf Jahren<br />

interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt.<br />

Zum Forschungsverbund gehören Spezialisten<br />

der Augenheilkunde, Chirurgie, Biologie, Physik,<br />

Mikroelektronik und Elektrotechnik. Das Ergebnis:<br />

ein Siliziumchip von ca. drei Millimetern Durch-<br />

messer und 0,05 Millimetern Dicke, in dem etwa<br />

1.500 Pixelfelder angeordnet sind. Jedem Pixel-<br />

feld sind wiederum Fotozellen, eine Verstärker-<br />

schaltung und eine Stimulationselektrode zuge-<br />

ordnet. Die Fotoelektroden nehmen das ins Auge<br />

fallende Licht auf und wandeln es in elektrische<br />

Signale um. Die intakten Netzhautzellen empfan-<br />

gen die Signale und leiten sie über die Nervenzel-<br />

len der Sehbahn weiter zum Gehirn.<br />

Normalerweise beträgt das Gesichtsfeld bzw.<br />

der Bereich, den ein Mensch bei ruhig gestellten<br />

Augen überblicken kann, 180 Grad. Der Chip kann<br />

innerhalb eines Gesichtsfeldes von 12 Grad eine<br />

Sehschärfe herstellen, die es blinden Menschen<br />

ermöglicht, sich wieder selbständig zu bewegen<br />

und Gegenstände oder Personen zu erkennen.


2005 begann die erste klinische Pilotstudie mit<br />

sieben Testpersonen, denen ein Implantat-Pro-<br />

totyp eingesetzt und nach 30 Tagen wieder ent-<br />

fernt wurde. Ab Herbst 2007 sollten weitere sechs<br />

Patienten operiert werden und die Implantations-<br />

dauer sollte auf vier Monate verlängert werden.<br />

Das Know-how der gemeinsamen Anstren-<br />

gung der Forscher floss in das 2003 gegründete<br />

Medizintechnikunternehmen Retina Implant AG,<br />

das die Herstellung, klinische Zulassung und welt-<br />

weite Vermarktung der Sehprothese übernimmt.<br />

In zwei Jahren soll ein technisch ausgereifter Chip<br />

für rund 25.000 Euro auf den Markt kommen. Bis<br />

dahin bringen die Ergebnisse einer weiteren Stu-<br />

die die Marktreife weiter voran, mit Beteiligung<br />

von Kliniken im In- und Ausland. „Optimiert wer-<br />

den muss vor allem noch die Anpassung des Chips<br />

an den Patienten“, erläutert Biochemiker Hugo<br />

Hämmerle vom Naturwissenschaftlichen und<br />

Medizinischen Institut an der Universität Tübin-<br />

gen. „Sicherlich gibt es immer Verbesserungsmög-<br />

lichkeiten bei der Technik, aber wir sehen derzeit<br />

die medizinischen Fragen im Hinblick auf Trai-<br />

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ning, Rehabilitation und Eingewöhnung als die<br />

größeren Herausforderungen“, ergänzt er.<br />

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Die rasanten Entwicklungen in der Neuropro-<br />

thetik wurden vor allem durch Fortschritte in<br />

der biomedizinischen Grundlagenforschung und<br />

verbesserte Technologien begünstigt. Auch die<br />

steigende Nachfrage einer alternden Gesellschaft<br />

sowie die Aussicht, dass der Einsatz effizienter<br />

technischer Hilfen die Kosten in der Therapie sin-<br />

ken lässt, leisteten ihren Beitrag. Betrachtet man<br />

die Erfolge der Cochlea-Implantate, stellt der Sin-<br />

nesprothesenmarkt einen zurzeit stark expandie-<br />

renden Zweig der Medizintechnikbranche dar. Das<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

finanziert die Entwicklung moderner Prothesen<br />

bis 2009 mit 20 Millionen Euro. Mit dem „Aktions-<br />

plan Medizintechnik“ will die Bundesregierung<br />

in den kommenden Jahren die Forschungs- und<br />

Wettbewerbssituation Deutschlands verbessern.<br />

Als wesentlicher Trend gilt darin unter anderem<br />

die Miniaturisierung, wie zum Beispiel bei der<br />

Entwicklung von intelligenten Implantaten.<br />

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IM FOKUS<br />

der Spezialist<br />

19


AUS DEN BRANCHEN<br />

Filigran und Effizient<br />

Das Selektive Laserschmelzen erobert immer mehr Anwendungsbereiche: von der Werkzeug-<br />

herstellung bis zur Anfertigung von individuellem Zahnersatz. Aber auch wenn es um Mate-<br />

rialeinsparung und komplexe Konstruktionen geht, hat das Verfahren oft die Nase vorn.<br />

TEXT › Jürgen Warmbold<br />

Was haben filigrane Zahnkronen mit massiven<br />

Formwerkzeugen und ultraleichten Aluminium-<br />

teilen gemeinsam? Sie lassen sich mit Hilfe des<br />

Selektiven Laserschmelzens in hoher Qualität<br />

spürbar schneller und damit wirtschaftlicher her-<br />

stellen als mit konventionellen Methoden. Inzwi-<br />

schen profitieren mehrere Branchen von diesem<br />

generativen Fertigungsverfahren, das zunächst<br />

im Rapid Prototyping eingesetzt wurde, um rasch<br />

Musterwerkstücke nach CAD-Konstruktionsdaten<br />

produzieren zu können. Dabei wird in einer ge-<br />

schlossenen Prozesskammer ein pulverförmiger<br />

Ausgangswerkstoff, zum Beispiel Metallpulver,<br />

durch Laserstrahlung schichtweise vollständig<br />

aufgeschmolzen und so ein Werkstück aufgebaut.<br />

ENTWICKLUNG VOM RAPID PROTOTYPING<br />

ZUM RAPID MANUFACTURING<br />

Das Selektive Laserschmelzen wurde vom Fraun-<br />

hofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen ent-<br />

wickelt. Das ILT hat auch das Einsatzfeld des Ver-<br />

fahrens vom Rapid Prototyping zum Rapid Manu-<br />

facturing erweitert. Heute lassen sich mit dem Ver-<br />

fahren, basierend auf CAD-/CAM-Daten, schnell<br />

Baugruppen oder Bau- und Ersatzteile in nahezu<br />

beliebiger Form produzieren – ohne die beim Gie-<br />

ßen, Fräsen oder durch Werkzeuge entstehenden<br />

üblichen geometrischen wie wirtschaftlichen Ein-<br />

schränkungen. In Kleinserien sind dadurch auch<br />

Unikate realisierbar.<br />

20<br />

der Spezialist<br />

Den Anstoß zur Entwicklung des Selektiven<br />

Laserschmelzens gab der Wunsch industrieller<br />

Anwender, die generative Fertigung nicht nur<br />

für Prototypen, sondern auch für die direkte Fer-<br />

tigung von Funktionsbauteilen zu nutzen. Dazu<br />

Dr. Konrad Wissenbach, Leiter der Abteilung<br />

Oberflächentechnik am ILT: „Für den Einsatz der<br />

generativen Fertigung für Funktionsbauteile ist<br />

die Verarbeitung von Serienwerkstoffen sowie<br />

das Erreichen einer hundertprozentigen Werk-<br />

stoffdichte notwendig. Nur dadurch erhalten<br />

die generativ gefertigten Bauteile auch serien-<br />

identische mechanische Eigenschaften. Deshalb<br />

wird beim Selektiven Laserschmelzen ein metal-<br />

lisches Pulver aus einem Serienwerkstoff ver-<br />

wendet. Durch das vollständige Aufschmelzen<br />

› 10<br />

Selektiv lasergeschmolzenes<br />

Turbinenrad aus<br />

„Wirobond C“, einer<br />

Kobalt-Chrom-Legierung<br />

(Durchmesser 120 mm).<br />

In diese Form könnte es<br />

weder gegossen noch<br />

gefräst werden.<br />

› 09<br />

Beim Selektiven Laserschmelzen<br />

fliegen die<br />

Funken: Der Prozess<br />

ermöglicht die wirtschaftliche<br />

Einzelteilfertigung<br />

komplexer Geometrien.<br />

› 09


› 10


AUS DEN BRANCHEN<br />

des Pulvers und die schmelzmetallurgische An-<br />

bindung von Schicht zu Schicht erreichen wir<br />

eine Bauteildichte von circa 100 Prozent. Zu-<br />

dem entsprechen die mechanischen Eigen-<br />

schaften der Bauteile den Werkstoffspezifikatio-<br />

nen.“ Mit dem Selektiven Laserschmelzen kön-<br />

nen komplexe Komponenten gefertigt, Ober-<br />

flächenrauheiten verringert und die Maßgenauig-<br />

keit erhöht werden. Zugeigenspannungen und<br />

Rissbildungen im Bauteil werden durch Erwär-<br />

mung während des gesamten Aufbauprozesses<br />

reduziert. Als Branche, in der das Selektive<br />

Laserschmelzen effizient einsetzbar ist, nennt<br />

Dr. Wissenbach zuerst den Werkzeugbau. „Durch<br />

das Verfahren lassen sich Spritzguss-Werkzeuge<br />

mit integrierten, entlang der Werkzeugkontur<br />

verlaufenden Kühlkanälen erzeugen. Aufgrund<br />

der großen Geometriefreiheit bei generativen Ver-<br />

fahren können die Kühlkanäle beliebig platziert<br />

werden. Entsprechende Werkzeuge kühlen nach<br />

jedem Fertigungstakt schneller ab, so dass die<br />

Zykluszeiten verkürzt werden können.“<br />

22<br />

der Spezialist<br />

Selbst in der Medizintechnik ist das Selektive<br />

Laserschmelzen auf dem Vormarsch. Als Knochen-<br />

ersatzimplantate werden Titanwerkstoffe ver-<br />

wendet, für Dentalrestaurationen Kobalt-Chrom-<br />

Legierungen und Gold. „Der Vorteil der Geometrie-<br />

freiheit zeigt sich ebenso bei der Produktion von<br />

Individualimplantaten“, betont Dr. Wissenbach.<br />

„Bei Dentalrestaurationen können wir beispiels-<br />

weise auf einer Plattform rund 100 unterschied-<br />

liche, individuelle Teile – gleichzeitig Schicht für<br />

Schicht – mit einem Laser aufbauen.“<br />

FUNKTIONS-, GEWICHTS- UND BELASTUNGS-<br />

OPTIMIERTE BAUTEILE FINDEN ANWENDUNG<br />

IM ULTRALEICHTBAU<br />

Auch der Ultraleichtbau ist ein Anwendungsfeld,<br />

da Teile aus Titan oder Aluminium mit komplexen<br />

internen Hohl- oder Gitterstrukturen funktions-,<br />

gewichts- und belastungsoptimiert hergestellt<br />

werden können. Darüber hinaus entwickelt das ILT<br />

das Selektive Laserschmelzen keramischer Werk-<br />

› 11<br />

› 11<br />

Mit dem 3D-Streifenlichtscanner<br />

werden die CAD-<br />

Daten für die Herstellung<br />

der individuellen Implantate<br />

gewonnen.


stoffe. Ziel ist ein Verfahren, mit dem sich Bauteile<br />

aus hochfester Oxidkeramik mit großer Genauig-<br />

keit generativ fertigen lassen.<br />

Pionier beim Einsatz des Selektiven Laser-<br />

schmelzens für Zahnersatz ist die BEGO Medical<br />

<strong>GmbH</strong> in Bremen. Das Schwesterunternehmen<br />

der traditionsreichen BEGO Bremer Goldschläge-<br />

rei Wilh. Herbst <strong>GmbH</strong> & Co. KG hat in Zusam-<br />

menarbeit mit dem Fraunhofer-ILT ein Rapid-<br />

Manufacturing-Verfahren konzipiert und bis<br />

zur Praxisreife entwickelt. Dr. Ingo Uckelmann,<br />

Assistent der Geschäftsführung bei BEGO: „Unser<br />

Verfahren ist das erste CAD-/CAM-System für<br />

aufbauende Lasertechnologie. Die metallischen<br />

Gerüste für Zahnimplantate, deren Daten wir<br />

damit erzeugen, haben eine Maßhaltigkeit von<br />

cirka 25 Mikrometer.“ Die Materialeigenschaften,<br />

wie Zugfestigkeit und Bruchdehnung, entspre-<br />

chen den gesetzlichen Vorschriften. Mit einer<br />

mikrostrukturierten Oberfläche und reduzierter<br />

Oxidbildung werden zudem ein hoher Scherver-<br />

bund und folglich beste Hafteigenschaften für die<br />

Verblendung erzielt. Zudem ist der Werkstoff bio-<br />

kompatibel, er gibt also keine Ionen ab und löst<br />

keine Allergien aus.<br />

GRUNDGERÜSTE FÜR ZAHNERSATZ INNER-<br />

HALB VON CA. 48 STUNDEN<br />

Auch beim Einsatz des patentierten Laserschmelz-<br />

Verfahrens wird nach dem zahnärztlichen Abfor-<br />

men zunächst ein herkömmliches Gipsmodell<br />

angefertigt, das ein 3D-Sensor optisch und berüh-<br />

rungsfrei erfasst. Die CAD-Software erzeugt an-<br />

schließend ein virtuelles Werkstück, etwa ein<br />

Kronenkäppchen, eine Brücke oder ein Brücken-<br />

gerüst. Das Programm schlägt daraufhin ein<br />

Gerüst vor, das dem Zahntechniker als Basis für<br />

die morphologische Feinmodellation dient. Der<br />

fertige Datensatz wird via Datenfernübertragung<br />

zur Produktion in das Verarbeitungszentrum der<br />

BEGO Medical gesandt. Schon 48 Stunden später<br />

erhält das zahntechnische Labor ein Gerüst im<br />

gewünschten Material, das sich ohne große Zwi-<br />

schenschritte verblenden lässt. Früher dauerte die<br />

Produktion von Brücken, Kronen oder Inlays bis zu<br />

zwei Wochen.<br />

Dr. Ingo Uckelmann fasst den Nutzen des Selek-<br />

tiven Laserschmelzens hinsichtlich Dentalrestau-<br />

rationen zusammen: „Das Verfahren hat zwei<br />

wesentliche Vorteile. Zum einen kann eine große<br />

Zahl an individuellen Produkten parallel gefertigt<br />

werden. Zum anderen verbrauchen wir beim Her-<br />

stellen der Teile wenig Material. Denn wir bauen<br />

nur das Volumen auf, das wir für die jeweilige<br />

Restauration tatsächlich benötigen. Müssten wir<br />

eine Goldkrone aus dem Vollen fräsen, wäre das<br />

sehr unwirtschaftlich.“ Seiner Ansicht nach wird<br />

das Selektive Laserschmelzen in 10 bis 15 Jahren<br />

in Verbindung mit CAD-/CAM-Programmen in<br />

der Dentaltechnik selbstverständlich sein, denn<br />

das Verfahren arbeitet ökonomisch und hochwer-<br />

tig. Dr. Ingo Uckelmann abschließend: „Ich denke,<br />

dass wir mit der vollautomatischen Fertigung von<br />

Zahnersatz ein neues Tor der Industrialisierung<br />

aufgestoßen haben.“<br />

› 12<br />

AUS DEN BRANCHEN<br />

› 12<br />

Individueller Zahnersatz<br />

im Selektiven Laserschmelzverfahren:<br />

hier<br />

eine Brücke aus Kobalt-<br />

Chrom und 90-prozentigem<br />

Gold – schwer zu ver-<br />

arbeitende Materialien.<br />

der Spezialist<br />

23


technische projekte<br />

Simulation und Berechnung<br />

für 11.000 PS<br />

Rolls-Royce ist an der Entwicklung eines der leistungsfähigsten Propeller-Triebwerke der<br />

Welt beteiligt. Bei der Konstruktion spielen Berechnungen des Betriebsverhaltens der einzel-<br />

nen Bauteile am Computer eine zentrale Rolle und verkürzen die Entwicklungszeit erheblich.<br />

TEXT › Anja Naumann<br />

Die neuen Propeller-Triebwerke für ein aktuell<br />

entwickeltes Airbus-Transportflugzeug zählen zu<br />

den leistungsfähigsten der westlichen Welt. Jedes<br />

der vier 1,8 Tonnen schweren Triebwerke verfügt<br />

über eine Leistung von rund 11.000 PS. Die hohe<br />

PS-Zahl ermöglicht dem Transportflugzeug, weite<br />

Strecken bei hoher Grundgeschwindigkeit zu be-<br />

wältigen. „Bei den Flugmanövern wirken gewal-<br />

tige Kräfte auf die einzelnen Bauteile“, erläutert<br />

<strong>Brunel</strong>-Mitarbeiterin Dr. Stefanie Anteboth, die<br />

in der Abteilung Gesamttriebwerksmechanik bei<br />

Rolls-Royce Deutschland jene Kräfte berechnet, die<br />

die Auslegung der Bauteile bestimmen. „Vorhan-<br />

dene Lasten anderer Triebwerksfamilien lassen<br />

sich nicht einfach linear hochrechnen, denn die<br />

Komponenten zeigen in einem anderen Maßstab<br />

oftmals ein Verhalten, das nicht skalierbar ist“, so<br />

die Werkstofftechnikerin. Rolls-Royce ist gemein-<br />

sam mit weiteren Partnern des Europrop-Interna-<br />

tional-Konsortiums (EPI) an der Entwicklung des<br />

Propeller-Triebwerks beteiligt. Als Antrieb des<br />

Transportflugzeugs wurden Propellertriebwerke<br />

gewählt, weil damit eine optimale Leistung für<br />

Start- und Landemanöver, wirtschaftlicher Kraft-<br />

stoffverbrauch, bessere Manövriereigenschaften<br />

am Boden sowie Lastabwürfe aus der Luft gewähr-<br />

leistet sind.<br />

24<br />

Seit Januar 2007 arbeitet Dr. Stefanie Anteboth<br />

im Team der „Whole Engine Mechanics“-Gruppe.<br />

Mit „Finite Elemente“-Berechnungen prüft und<br />

beurteilt sie die mechanischen Eigenschaften des<br />

der Spezialist<br />

Gesamttriebwerks und liefert die Randlasten, um<br />

die einzelnen Komponenten optimal auszulegen.<br />

Dazu zählen unter anderem Untersuchungen<br />

zum Einfluss von Steifigkeitsänderungen auf das<br />

Gesamtverhalten des Triebwerks, die Berechnung<br />

von Ermüdungslasten zur Lebensdauerermittlung<br />

oder die Simulation von Versagensverhalten.<br />

UMFANGREICHE BERECHNUNGEN FÜR<br />

OPTIMALE LÖSUNGEN<br />

„Alle Eventualitäten müssen durchgespielt wer-<br />

den. Zum Beispiel müssen die Triebwerke auch<br />

dann noch zuverlässig arbeiten, wenn ein Trieb-<br />

werksaufhängungspunkt, eine Komponente oder<br />

eine Propellerschaufel nicht mehr intakt sein<br />

sollte“, erläutert Dr. Stefanie Anteboth. Die Aus-<br />

legungslasten des Gesamttriebwerks setzen sich<br />

aus verschiedenen Anteilen zusammen, wie zum<br />

Beispiel Beschleunigungskräften, aerodynami-<br />

schen Propellerlasten, Triebwerksschub oder Gyro-<br />

skopieeinflüssen sowie Unwuchten des Propellers<br />

und der Rotoren. „Um die optimale Lösung sowie<br />

ein bestmögliches Zusammenspiel der einzelnen<br />

Bauteile zu finden, sind umfangreiche Berech-<br />

nungen notwendig. Dann kann man entscheiden,<br />

ob es sinnvoller ist, für ein Bauteil zum Beispiel<br />

eine größere Wandstärke oder ein anderes Mate-<br />

rial einzuführen“, beschreibt die <strong>Brunel</strong>-Spezialis-<br />

tin den Arbeitsprozess. Ziel ihrer Tätigkeit ist der<br />

Aufbau eines validierten Gesamttriebwerkmo-<br />

PORTRÄT<br />

Im Anschluss an ihr Studium<br />

der Werkstoffwissenschaft<br />

und -technologie<br />

arbeitete Stefanie Anteboth<br />

als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Institut<br />

für Werkstofftechnik an<br />

der Universität Kassel und<br />

promovierte 2006. Seit<br />

ihrer Anstellung bei <strong>Brunel</strong><br />

Anfang 2006 führte sie<br />

unter anderem statische<br />

Berechnungen für das<br />

Seitenleitwerk der A380<br />

durch.


dells, das auf detaillierten Komponenten-Model-<br />

len basiert und dessen Berechnungsergebnisse<br />

zur Triebwerkszertifizierung beitragen.<br />

ENTWICKLUNGSZEITEN WERDEN ERHEBLICH<br />

VERKÜRZT, KOSTEN REDUZIERT<br />

„Dank der heutigen Möglichkeiten, das Betriebs-<br />

verhalten von Bauteilen weitestgehend vorauszu-<br />

berechnen, ist man in der Lage, Entwicklungszei-<br />

ten für neue Produkte erheblich zu verkürzen und<br />

zudem beträchtliche Kosten zu sparen“, erläutert<br />

Dr. Bernd Domes, der Gruppenleiter der Gesamt-<br />

triebwerksmechanik bei Rolls-Royce. Natürlich<br />

kann dabei nicht gänzlich auf Tests verzichtet<br />

werden, schließlich sind sie Bestandteile der Zer-<br />

tifizierung. Die „Finite Elemente“-Methoden sind<br />

jedoch aus dem heutigen Entwicklungsprozess<br />

nicht mehr wegzudenken. „Mittlerweile sind wir<br />

in der Erprobungsphase. Zahlreiche Prüfstands-<br />

läufe liegen hinter uns, Anfang dieses Jahres folgt<br />

der erste Testflug eines Prototyps“, berichtet Dr.<br />

Domes. Stolz zeigt sich auch Dr. Stefanie Ante-<br />

both: „Auch wenn der Teil, den ich dabei leiste, für<br />

die meisten Menschen sehr abstrakt erscheint, ist<br />

es für mich eine spannende Aufgabe, an der Ent-<br />

wicklung dieses innovativen Produkts mitzuwir-<br />

ken.“ Daran hat nicht zuletzt das engagierte Team<br />

der Gesamttriebwerksmechanik mit Mitarbeitern<br />

unterschiedlicher Disziplinen seinen Anteil. „Die<br />

Arbeit macht mir großen Spaß, weshalb ich das<br />

Angebot, auch im kommenden Jahr bei diesen<br />

Berechnungsarbeiten mitzuhelfen, gerne ange-<br />

nommen habe.“<br />

der Spezialist<br />

25


technische projekte<br />

Von Reibmomenten und<br />

Elastizitäten<br />

Ingenieure von <strong>Brunel</strong> Car Synergies entwickelten zusammen mit BMW ein hochpräzises<br />

Prüfsystem. Auf dem REMP-Prüfstand werden bis zu sieben verschiedene Tests durchgeführt,<br />

um den Achsverschleiß zu analysieren. So verkürzen sich die Entwicklungszeiten deutlich.<br />

TEXT › Matthias Huthmacher<br />

„Reibmoment- und Elastizitätsmess-Prüfstand“ –<br />

ein solches Wortungetüm nehmen nicht einmal<br />

detailverliebte Techniker öfter in den Mund als<br />

unbedingt nötig. Auch das „Prüfsystem zur Mes-<br />

sung von Reibmomenten in Achsgelenken“, so die<br />

ursprüngliche Bestellung aus dem Hause BMW,<br />

klingt nicht wirklich rund. Peter Bolz und sein<br />

Team haben den Namen „ihres Babys“ also abge-<br />

kürzt: REMP, das hört sich gleich familiärer an.<br />

Und es lässt sich viel leichter merken – ganz wie<br />

es einem Gerät zusteht, das derzeit als weltweit<br />

einzigartig gilt.<br />

26<br />

Peter Bolz ist Leiter von <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />

in Bochum. Mehr als ein Jahr lang haben er und<br />

ein Stab aus acht Ingenieuren und Technikern<br />

sich mit dem REMP beschäftigt. Etwas über eine<br />

Million Euro hat die gesamte Entwicklung gekos-<br />

tet, mehr als hundert Präzisionsbauteile mussten<br />

eigens konstruiert und angefertigt werden, ehe<br />

der 1,40 Meter breite, 2,65 Meter lange und 2,60<br />

Meter hohe Prototyp mit einem Gesamtgewicht<br />

von rund 1,8 Tonnen betriebsbereit war. Doch es<br />

hat sich gelohnt: „Erstmals können hier bis zu<br />

sieben Einzelmessungen auf ein und demselben<br />

Prüfstand durchgeführt werden. Das erspart dem<br />

Kunden Zeit und damit auch Kosten“, so Jörg Küp-<br />

pers, Prüfstandsentwickler bei Car Synergies.<br />

An seiner Wirkungsstätte im Forschungs- und<br />

Innovationszentrum von BMW, kurz FIZ genannt,<br />

wird der REMP zur Prüfung von Verschleißer-<br />

scheinungen an neu entwickelten Achsgelenken<br />

der Spezialist<br />

eingesetzt. Mit ihm lassen sich sowohl Drehmo-<br />

ment- als auch Elastizitätsmessungen vorneh-<br />

men. Damit deckt er Aufgabenbereiche ab, für die<br />

bislang zwei herkömmliche Prüfstände eingesetzt<br />

werden mussten. Zuständiger Projektleiter im FIZ<br />

ist Georg Unterreitmeier. Er weiß neben der erst-<br />

mals möglichen Kombination zweier Messverfah-<br />

ren noch einen weiteren Vorteil des REMP zu<br />

schätzen: „Wir erreichen hier eine enorm hohe<br />

Messpräzision.“ Ein Höchstmaß an Genauigkeit<br />

stand von Beginn an im Lastenheft der Entwickler<br />

und tatsächlich bewegen sich die Messtoleranzen<br />

des REMP im Hundertstel-Millimeter-Bereich.<br />

DER REMP-PRÜFSTAND BEGLEITET ALLE<br />

STADIEN DER FAHRZEUGENTWICKLUNG<br />

Doch damit nicht genug. Weil sich mit dem Gerät<br />

aus Bochum im Gegensatz zu derzeitigen Anla-<br />

gen der Krafteinleitungswinkel beliebig variie-<br />

ren lässt, können die Prüfteile in ihrer Einbaulage<br />

montiert werden, also in exakt jener Position, die<br />

sie auch am Fahrzeug einnehmen. Das erleich-<br />

tert die Arbeit der Techniker erheblich, was umso<br />

wichtiger ist, da der REMP alle Stadien der Fahr-<br />

zeugentwicklung begleitet: die Initialphase, in der<br />

die am Rechner entworfenen Konstruktionen<br />

sich erstmals auf Simulatoren bewähren müs-<br />

sen. Die Konzeptphase, in welcher erste Prototy-<br />

pen Fahrpraxis sammeln. Und die Serienphase,<br />

wenn das Fahrzeug nicht nur optisch, sondern


auch technisch den letzten Feinschliff erhält.<br />

Vom ersten Federstrich auf dem Zeichenbrett bis<br />

zum fertigen Auto vergehen bis zu fünf Jahre.<br />

Während dieser langwierigen Entstehungsge-<br />

schichte stehen immer wieder harte Prüfungen<br />

an: Nicht erst komplette Motoren, Fahrwerke und<br />

Karosserien, sondern auch die einzelnen Kom-<br />

ponenten werden dabei regelrecht gemartert.<br />

Das umfangreiche Arsenal in den „Folterkam-<br />

mern“ der Automobilindustrie umfasst Dauer-<br />

belastungsstände, Klima- und Höhenkammern,<br />

Apparate zum Verbiegen und Verwinden von<br />

Materialien, Maschinen, die an beweglichen Tei-<br />

len rütteln, schütteln, zerren und stoßen. Mit<br />

Hilfe dieses Instrumentariums können alle nur<br />

erdenklichen Torturen für sämtliche Bauteile<br />

› 13<br />

› 13<br />

Wenn der Antriebsstrang<br />

montiert wird, wie hier bei<br />

BMW Brilliance Automotive<br />

Shenyang in China,<br />

haben die Prototypen der<br />

Einzelkomponenten bereits<br />

umfangreiche Belastungstests<br />

gemeistert.<br />

der Spezialist<br />

27


technische projekte<br />

› 14<br />

Bei Testfahrten zeigt sich,<br />

ob die aus den Messdaten<br />

der Einzelkomponenten<br />

abgeleiteten Fahreigenschaften<br />

auch in der Praxis<br />

zutreffen.<br />

28<br />

der Spezialist<br />

simuliert werden. Auch die Teststrecken in den<br />

jeweiligen Forschungszentren oder draußen in<br />

den entlegensten Winkeln der Welt fordern<br />

ihren Tribut: Dort muss sich die Technik auf Hol-<br />

perpisten ebenso bewähren wie auf Hochge-<br />

schwindigkeitskursen, sie schluckt Sand, Staub<br />

und Wasser, erträgt Schnee sowie Eis, Hitze und<br />

Kälte. In Simulation und Praxis wird jedem Bau-<br />

teil innerhalb kürzester Zeit all das zugemutet,<br />

was das künftige Kundenfahrzeug meist nicht<br />

einmal über seinen gesamten Lebenszyklus hin-<br />

weg zu ertragen hat. Nur was diesen geballten<br />

„Grausamkeiten“ widersteht, darf später in die<br />

Serie einfließen – ein ebenso gnadenloser wie<br />

aufwändiger Evolutionsprozess.<br />

Damit die rohen Kräfte dieser Verschleißer-<br />

zeuger nicht sinnlos walten, sind hochpräzise<br />

Mess- und Prüfverfahren nötig, die exakt aufzei-<br />

gen, welche Spuren die Horrorszenarien tatsäch-<br />

lich hinterlassen. Achsgelenke aber werden in<br />

der Fahrpraxis besonders beansprucht, weil eine<br />

Reihe unterschiedlicher Belastungen gleichzei-<br />

tig auftreten. Ihr Verschleiß äußert sich in erster<br />

Linie durch zunehmendes Spiel oder Schwergän-<br />

gigkeit. Dies bereits im Ansatz zu erkennen, ist die<br />

Aufgabe des REMP-Prüfstandes: Er gehört nicht zu<br />

den Folterinstrumenten, er ist vielmehr das Sezier-<br />

werkzeug, mit dem das geschundene Material<br />

untersucht wird.<br />

DIE ACHSGELENKE WERDEN MIT BIS ZU 1,2<br />

TONNEN ODER 12 KILONEWTON BELASTET<br />

Dazu baut der REMP je nach Prüfungsansatz die<br />

entsprechenden Belastungszustände an den Pro-<br />

banden auf. Bis zu 12 Kilonewton liegen dann an<br />

› 14


den Achsgelenken an – oder anders ausgedrückt:<br />

Etwa 1,2 Tonnen! Für den notwendigen Druck<br />

sorgen Hydraulikzylinder, zur Erzeugung von<br />

Drehmomenten dienen Elektromotoren. Bei den<br />

Messungen selbst kommen drei Methoden zum<br />

Einsatz: Lasertechnologie für die Elastizitätsunter-<br />

suchungen, Dehnmessstreifen-Verfahren (DMS)<br />

und Messwellentechnik bei den Widerstands- und<br />

Drehmomenttests. Die ermittelten Daten erfasst<br />

ein Computer anhand der Programmiersprache<br />

LABVIEW. Er übersetzt die Messwerte in grafische<br />

Darstellungen, so dass die Fahrzeugingenieure<br />

anhand von Diagrammen beurteilen können, wie<br />

der Prüfling sich im bisherigen Testeinsatz be-<br />

währt hat.<br />

„WIR KÖNNEN DIE ACHSEN SÄMTLICHER<br />

MODELLE DER BMW GROUP VERMESSEN“<br />

Wie bei allen Aufträgen für <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />

suchten Peter Bolz und seine Mannschaft auch<br />

während des gesamten Entwicklungsprozesses<br />

für den REMP die enge Kooperation mit dem Auf-<br />

› 15<br />

traggeber: „Dabei haben wir nicht nur Techniker<br />

und Konstrukteure des FIZ mit einbezogen, sogar<br />

die Werksfahrer der Testabteilung konnten ihre<br />

Erfahrungen einbringen.“ Eine umfassende Zu-<br />

sammenarbeit mithin, die am Ende nicht nur in<br />

Form einer ausgesprochen praktischen Handha-<br />

bung, sondern auch mit einem hohen Grad an Fle-<br />

xibilität Früchte trug. Was Georg Unterreitmeier<br />

in München nur bestätigen kann: „Dieser Prüf-<br />

stand erfordert lediglich den Wechsel der entspre-<br />

chenden Aufnahmevorrichtungen, dann können<br />

wir die Achsgelenke sämtlicher Modelle der BMW<br />

Group vermessen, vom kleinen Mini bis hin zum<br />

schweren Rolls-Royce.“<br />

technische projekte<br />

› 15<br />

Das in den Prüfstand<br />

eingespannte Achsgelenk<br />

wird in Echtzeit per Laser<br />

vermessen. Die Steuerung<br />

des REMP, die Speicherung<br />

und Auswertung<br />

der Messdaten wurden<br />

durchgehend in LABVIEW<br />

programmiert.<br />

INFO<br />

Im Bereich Testing bietet<br />

<strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />

Berechnung, Simulation,<br />

Materialprüfungen und<br />

Umweltsimulationen<br />

sowie schwingungs-,<br />

druck- und servohydraulische<br />

Prüfungen für alle<br />

Fahrzeugsysteme. Ebenso<br />

zählen der Funktionstest<br />

von Kraftstoffsystemen,<br />

mobile Messtechnik und<br />

EMV/ESD zu den Leistungen<br />

der Bochumer.<br />

der Spezialist 29


technische projekte<br />

Milliarden Bauteile auf<br />

kleinstem raum<br />

Die Miniaturisierung von Speicherchips und Mikroprozessoren schreitet immer weiter voran.<br />

Die Carl Zeiss SMT AG setzt auf neue Produktionsverfahren für die Massenherstellung. Um die<br />

45 nm zu brechen, soll die Immersionslithografie zum Einsatz kommen.<br />

TEXT › Dr. Ralf Schrank<br />

„Schon während des Studiums haben mich<br />

kleinste Strukturen fasziniert. Aber jetzt haut-<br />

nah an neuen Methoden zur Miniaturisierung<br />

von Chips mitarbeiten zu können – das ist schon<br />

äußerst spannend.“ <strong>Brunel</strong>-Mitarbeiterin Yvonne<br />

Köhne arbeitet seit 2006 an einem zukunftswei-<br />

senden Projekt der Carl Zeiss SMT AG in Oberko-<br />

chen. Hier, im hundertprozentigen Tochterun-<br />

ternehmen der Carl Zeiss AG, ein Unternehmen<br />

der optischen und opto-elektronischen Industrie,<br />

arbeitet sie an neuen Verfahren zur Herstellung<br />

30<br />

der Spezialist<br />

› 16<br />

der nächsten Generation von Halbleiterchips. Der<br />

erste „Integrated Circuit“ (IC), im Volksmund ein-<br />

fach Chip genannt, wurde 1958 vorgestellt. Er ent-<br />

hielt gerade einmal zehn Bauteile.<br />

INTEGRIERTE SCHALTKREISE MIT IMMER<br />

FEINEREN STRUKTUREN<br />

Heute ist die Integrationsdichte von Speicher-<br />

chips und Mikroprozessoren so weit vorangetrie-<br />

ben, dass auf einem IC einige Milliarden Bauteile<br />

ihren Dienst verrichten. Und die Miniaturisierung<br />

geht weiter. Denn die Benutzer von Handys, Note-<br />

books, Internet und Digitalkameras verlangen<br />

ihren Geräten immer mehr Leistung ab. Von ent-<br />

scheidender Bedeutung für die weitere Steigerung<br />

der Integrationsdichte der ICs ist die Mikrolitho-<br />

grafie, ein optisches Verfahren, mit dem feinste<br />

Strukturen auf dem Halbleiter abgebildet werden.<br />

Yvonne Köhne arbeitet an neuen lithografischen<br />

Verfahren, mit denen die Halbleiterindustrie inte-<br />

grierte Schaltkreise mit immer feineren Struktu-<br />

ren herstellen kann. Je mehr Leiterbahnen und<br />

Bauteile – Widerstände und Kapazitäten, Dioden<br />

und Transistoren zum Beispiel – sich auf einer<br />

gegebenen Halbleiterfläche unterbringen lassen,<br />

umso leistungsfähiger ist der IC.<br />

Am Anfang der Chipherstellung steht der Wa-<br />

fer – eine etwa ein Millimeter dünne runde Scheibe<br />

aus Reinstsilizium, heute mit Durchmessern bis<br />

30 Zentimetern. Auf jedem Wafer entstehen mit<br />

PORTRÄT<br />

Die gelernte Kfz-Mechanikerin<br />

Yvonne Köhne ent-<br />

deckte während ihres<br />

Maschinenbaustudiums<br />

den Mikrokosmos. Seit<br />

2006 ist Yvonne Köhne bei<br />

<strong>Brunel</strong>, zuvor arbeitete sie<br />

zwei Jahre am Fraunhofer-<br />

Institut für Grenzflächen-<br />

und Bioverfahrenstechnik<br />

in Stuttgart.<br />

› 16<br />

Endmontage des Objektivs<br />

Starlith 1900 im Reinraum<br />

bei der Carl Zeiss SMT AG<br />

in Oberkochen.


technische projekte<br />

› 17<br />

Bei der Strukturierung<br />

von Wafern für Mikrochips<br />

finden die Lithografieoptiken<br />

von Carl Zeiss SMT<br />

weltweit Einsatz.<br />

32<br />

der Spezialist<br />

Hilfe der Mikrolithografie mehrere hundert bis<br />

mehrere tausend identische ICs, indem ein Licht-<br />

bündel Leiterbahnen und Bauelemente von einer<br />

Vorlage auf den Wafer projiziert – ähnlich wie ein<br />

Diaprojektor das Diabild auf eine Leinwand über-<br />

trägt. Der kleine Unterschied: Ein Waferstepper<br />

oder Waferscanner – je nachdem, ob die Struktu-<br />

ren Schritt für Schritt (step-by-step) oder kontinu-<br />

ierlich (scan) übertragen werden – kostet heute<br />

weit über zehn Millionen Dollar.<br />

Grund für den hohen Preis ist die außerordent-<br />

liche Präzision, die IC-Hersteller von den mecha-<br />

nischen und optischen Komponenten der Stepper<br />

und Scanner verlangen. Denn die Strukturele-<br />

mente auf dem Wafer liegen bei 50 Nanometern<br />

und weniger. Ein Vergleich macht deutlich, welche<br />

enorme Auflösung damit einhergeht: Wenn auf<br />

einem 30-Zentimeter-Wafer die beiden Erdhalb-<br />

kugeln nebeneinander abgebildet würden, dann<br />

hätte eine Landstraße von fünf Metern Breite<br />

auf dem Wafer eine Breite von etwa 50 Nanome-<br />

tern. Aktuell liegen die in der Massenproduktion<br />

erreichbaren Linienbreiten noch bei 50 Nano-<br />

metern. Aber dank der erfolgreichen Arbeit von<br />

Yvonne Köhne und ihren Kollegen bei Carl Zeiss<br />

SMT, wird die 45-Nanometer-Barriere bald durch-<br />

brochen sein. Zwei Strategien verfolgt das Unter-<br />

nehmen. Eine davon ist die optische Immersion.<br />

Wird der kleine Zwischenraum zwischen Abbil-<br />

dungsoptik und Wafer mit einer geeigneten Flüs-<br />

sigkeit gefüllt, zum Beispiel Reinstwasser, dann<br />

ist die Brechung wesentlich geringer. Im Ergebnis<br />

ist die Abbildung also deutlich besser als ohne<br />

Immersion – Auflösung und Tiefenschärfe steigen.<br />

DIE MINIATURISIERUNG IST LÄNGST NICHT<br />

AM ENDE ANGELANGT<br />

Die zweite Variante, die 45-Nanometer-Marke zu<br />

unterbieten, könnte folgendermaßen aussehen:<br />

Ein Grundgesetz der Optik lautet: Je kleiner die<br />

Wellenlänge des genutzten Lichts, umso feinere<br />

Strukturen können abgebildet werden. In der Tat<br />

haben sich die IC-Hersteller in den vergangenen<br />

40 Jahren zu immer kürzeren Wellenlängen vor-<br />

getastet, um immer kleinere und damit immer<br />

› 17


mehr Bauelemente auf einem IC zu platzieren. Mit<br />

Licht von 365 Nanometern im Bereich des „nahen“<br />

UV erreichten sie vor gut 15 Jahren eine maximale<br />

Auflösung von 500 Nanometern. Mit dem 193-<br />

Nanometer-Licht eines Argonfluorid-Lasers las-<br />

sen sich heute Linienbreiten von unter 40 Nano-<br />

metern realisieren.<br />

Doch die Miniaturisierung ist mit diesen Grö-<br />

ßen noch längst nicht an ihrem Ende angelangt.<br />

Noch kleinere Wellenlängen nutzt die EUV-Litho-<br />

grafie (EUV = extremes Ultraviolett). Linsen kön-<br />

nen in diesem Fall nicht verwendet werden, weil<br />

es kein Material gibt, das für EUV durchlässig<br />

ist. Vielmehr erfordert die Projektion Spiegelsys-<br />

teme mit extremer Oberflächengüte. Die Wel-<br />

lenlänge ist durch die Eigenschaften der Spiegel<br />

auf einen sehr engen Bereich um 13,5 Nanome-<br />

ter beschränkt. Da die Luft das Licht dieser Wel-<br />

lenlänge vollständig absorbiert, müssen EUV-<br />

Systeme im Hochvakuum betrieben werden. Für<br />

seine bahnbrechenden Leistungen bei der Ent-<br />

wicklung von EUV-Systemen wurde ein Team<br />

von Carl Zeiss SMT jüngst für den 11. Deutschen<br />

Zukunftspreis nominiert.<br />

Für die Massenfertigung hochintegrierter elek-<br />

tronischer Bauteile werden heute 193-Nanome-<br />

ter-Lithografen ohne Immersion eingesetzt. EUV-<br />

Lithografiesysteme für die Mengenproduktion<br />

werden erst in einigen Jahre Marktreife erlangen.<br />

Die Zukunft wird also zumindest auf mittlere<br />

Sicht der 193-Nanometer-Immersionslithografie<br />

gehören. Immer vorausgesetzt, das Team, in dem<br />

Yvonne Köhne arbeitet, findet die richtigen Lö-<br />

sungen.<br />

› 18<br />

› 18<br />

Für den störungsfreien<br />

Ablauf der Versuche im<br />

Nanobereich müssen die<br />

Reinräume absolut staub-<br />

und verschmutzungsfrei<br />

sein. Im Bild: eine noch<br />

unbearbeitete Linse.<br />

der Spezialist 33


› 19


I m Takt rasender<br />

I nnovationen<br />

MITARBEITER UND KARRIERE<br />

Mit gebündelten Ressourcen aus Forschung und Industrie will Volker Linde im Arbeitskreis<br />

Elektroniktechnologie (AKET) künftigen Herausforderungen begegnen. Sein Arbeitsalltag wird<br />

seit über 20 Jahren vom rasanten Fortschritt auf diesem Gebiet bestimmt.<br />

TEXT › Anja Naumann<br />

Volker Linde spricht schnell, als befürchte er, dass<br />

das, was er sagt, im nächsten Moment schon wie-<br />

der veraltet sein könnte. Die Elektroniktechnolo-<br />

gie, so sagt er selbst, ist ihm in Fleisch und Blut<br />

übergegangen. Schließlich hat die Entwicklung<br />

der Elektronik innerhalb der letzten Jahrzehnte<br />

nun einmal ein rasantes Tempo vorgelegt. Seit<br />

Lindes Ausbildung zum Elektronikfacharbeiter be-<br />

stimmt der Takt der schnellen Neuerungen seine<br />

berufliche Karriere. Bleibt dieser Takt aus, fun-<br />

giert er selbst gerne als Taktgeber. So auch, als er<br />

Ende 2006 den Arbeitskreis Elektroniktechnologie<br />

(AKET) Nordhausen initiierte. Mit gebündelten<br />

Ressourcen aus Forschung und Industrie will er<br />

mit den Gründungsmitgliedern der Fachhoch-<br />

schule Nordhausen sowie der FMN communica-<br />

tions <strong>GmbH</strong> die Herausforderungen angehen,<br />

die die Zukunft an die Elektroniktechnologie<br />

stellt. „Mittlerweile bringt die Automobilindust-<br />

rie die miniaturisierte Steuerungstechnik direkt<br />

an den Motorblock an“, nennt der 41-jährige<br />

Eletronikingenieur ein Beispiel. „Dort ist sie Umge-<br />

bungstemperaturen von bis zu 200 Grad Celsius<br />

ausgesetzt. Dies war vor einigen Jahren noch un-<br />

denkbar, da die Trägermaterialien aus Glasfaser-<br />

substrat ab 120 Grad Celsius zähfließend wurden.“<br />

Gänzlich anderer Art waren die Themenstel-<br />

lungen vor über 20 Jahren. Es ist das Jahr 1985,<br />

Volker Linde hatte gerade seine Ausbildung zum<br />

Elektronikfacharbeiter abgeschlossen. Im Fern-<br />

meldewerk Nordhausen erlebte Linde die Umstel-<br />

lung der Telefontechnik von der Wählscheibe zur<br />

Tastatur. Die elektrischen Impulse, die von der<br />

Tastatur ausgehen, erforderten eine neue Codie-<br />

rung auf der Leiterplatte. „Die elektronischen<br />

Komponenten mussten damals noch von Hand<br />

in die Durchkontaktierungen der Leiterplatten<br />

gesteckt und verdrahtet werden“, erinnert sich<br />

Linde an die Anfänge seiner beruflichen Karriere.<br />

DIE WENDE BRACHTE VIELE NEUE<br />

HERAUSFORDERUNGEN<br />

Später gab es so genannte Surface Mounted<br />

Devices (SMD). Die Bauteile hatten erstmals keine<br />

Drahtanschlüsse, sondern wurden direkt auf die<br />

Leiterplatte gelötet. Dadurch ließen sich sehr<br />

dichte und vor allem beidseitige Bestückungen<br />

der Leiterplatten realisieren. Was Linde in seinem<br />

Studium der industriellen Elektronik in Eisleben<br />

in der Theorie erfuhr, setzte der frisch gebackene<br />

Diplom-Ingenieur 1989 als Prüffeldingenieur in<br />

der Baugruppenfertigung des Fernmeldewerks<br />

in die Praxis um. „Die SMD-Technik bedeutete da-<br />

mals eine gewaltige Umstellung. Erstmals wur-<br />

den die Leiterplatten mit einem Automaten be-<br />

stückt“, erzählt Linde.<br />

Die politische Wende brachte neue Herausfor-<br />

derungen. Linde bestückte von da an Leiterplatten<br />

für neue Telefongenerationen namens „Nizza“<br />

oder „Bily“. Neue Einblicke bescherte auch die<br />

miniaturisierte Technik: Die Leiterplatten waren<br />

INFO<br />

Der Arbeitskreis ist die<br />

Basis für die Optimierung<br />

von Elektroniktechnologie-<br />

Verfahren. Ein Arbeitsfeld<br />

ist die Forschung und<br />

Entwicklung von Aufbau-<br />

und Verbindungstechnologien<br />

für miniaturisierte<br />

Elektroniken.<br />

› 19<br />

Platine für ein Gerät zur<br />

optischen Messung komplizierter<br />

geometrischer<br />

Figuren. Die mehrlagige,<br />

RoHS-konforme Prozessorplatine<br />

verfügt über ein<br />

optimiertes Layout.<br />

der Spezialist 35


MITARBEITER UND KARRIERE<br />

mittlerweile in den Hörer integriert, das ganze<br />

Telefon bestand quasi nur noch aus einem Hörer.<br />

Abermals stellten sich neue Anforderungen an<br />

die Leiterplattenelektronik, die sich nun flexibel<br />

an die gebogene Hörerform anpassen musste.<br />

36<br />

Doch 1992 traf die Umstrukturierungswelle im<br />

Fernmeldewerk auch Volker Linde. Er wechselte<br />

zur Siemens AG nach Sangerhausen und arbei-<br />

tete in der Elektronikfertigung für verschiedene<br />

Branchen. „Im Gegensatz zur damaligen Massen-<br />

fertigung im Fernmeldewerk kam es nun darauf<br />

an, schnell und flexibel reagieren zu können“,<br />

erzählt Linde. Als dieser Standort 1994 geschlos-<br />

sen wurde, erhält er das Angebot von Siemens,<br />

nach Hannover zu wechseln. Doch Volker Linde<br />

will seiner Heimatregion die Treue halten. „In der<br />

Region ist reichliche und vielfältige Elektronik-<br />

kompetenz vorhanden. Diese gilt es weiter auszu-<br />

bauen und zu bündeln“, begründet Linde seinen<br />

damaligen Entschluss, der noch heute sein Han-<br />

deln bestimmt.<br />

Ende 1995 stieß er zur frisch gegründeten Nord-<br />

häuser IMG <strong>GmbH</strong>, die sich auf industrienahe<br />

der Spezialist<br />

› 20<br />

Forschung und Elektronikentwicklung für ver-<br />

schiedene Branchen spezialisiert hat und 2006<br />

zur <strong>Brunel</strong> IMG umfirmierte. Wieder kamen neue,<br />

ihm bisher unbekannte Aufgaben hinzu, wie<br />

Akquise und Kalkulation. Als begeisterter Modell-<br />

eisenbahner führte ihn sein erster Weg zum Her-<br />

steller Piko. „Ich kehrte zurück mit dem Auftrag in<br />

der Tasche, die Leiterplatten für die elektrischen<br />

Loks zu fertigen und zu integrieren“, erinnert sich<br />

Linde.<br />

Fünf Jahre später profitierte auch die reale<br />

Bahn von den Leistungen der IMG <strong>GmbH</strong>. Die Elek-<br />

tronik-Spezialisten um Volker Linde entwickelten<br />

für Bombardier einen so genannten elektrischen<br />

Schlüssel, der die verschiedenen Signale in der<br />

europäischen Zugsicherung in einem System ver-<br />

einheitlicht und somit den grenzüberschreiten-<br />

den Schienenverkehr ermöglichte.<br />

KONKURRENZFÄHIG DURCH EFFIZIENZ<br />

UND FERTIGUNGSOPTIMIERUNG<br />

„Entwicklung und Fertigung müssen eine Einheit<br />

sein, ansonsten kann nicht effizient produziert<br />

werden“, zieht Linde das Fazit aus seiner langjäh-<br />

rigen Arbeit für verschiedene Branchen. Immer<br />

wieder hat er erlebt, dass der Entwicklung die<br />

anwendungsspezifischen Kenntnisse fehlen wie<br />

auch umgekehrt. „Wir sind in der Lage, auch im<br />

Hochlohnland Deutschland effektiv und in klei-<br />

nen Stückzahlen Elektroniken zu entwickeln und<br />

zu fertigen. Sie müssen nur von Beginn an fer-<br />

tigungsoptimiert entwickelt werden. Denn ein<br />

Bestückungsautomat kostet in China genauso viel<br />

wie bei uns“, betont Linde. Wenn die vorhandenen<br />

Spezialisten dann noch den Weg zueinander finden<br />

und die Herausforderungen gemeinsam anpacken,<br />

dann sei der erste Schritt getan. So will er mit dem<br />

Arbeitskreis den Austausch forcieren. Seit langem<br />

bestehen Kooperationen mit der ortsansässigen<br />

Fachhochschule Nordhausen, an der er selbst seit<br />

vier Jahren als Dozent für Elektroniktechnologie<br />

lehrt. Beim Gründungsmitglied FMN communi-<br />

› 20<br />

Je enger die Bauteile<br />

zusammenrücken, um<br />

so wichtiger wird die<br />

Entwärmung. In diesem<br />

Fall gelöst mit Hilfe von<br />

Thermo-Vias.


cations <strong>GmbH</strong> handelt es sich um einen Ableger<br />

des ehemaligen Nordhäuser Fernmeldewerks.<br />

Gemeinsam stellen sich Peter Bubak (FMN com-<br />

munications <strong>GmbH</strong>), Prof. Matthias Viehmann<br />

(Fachhochschule Nordhausen) und Volker Linde<br />

aktuellen und künftigen Fragestellungen rund<br />

um die Elektronik. Dazu gehören etwa die Auswir-<br />

kungen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes<br />

von Juli 2006: „Ohne den gemeinsamen Erfah-<br />

rungsaustausch wäre die Umstellung auf bleifreie<br />

Elektronik niemals so reibungslos und schnell<br />

verlaufen“, so Linde.<br />

EIN WICHTIGER SCHRITT FÜR DIE ENTWICK-<br />

LUNG DER REGION IST GEMACHT<br />

Kürzlich veranstaltete er für Kunden der <strong>Brunel</strong><br />

IMG diesbezüglich einen Informationsworkshop,<br />

um die Anforderungen bei der Anmeldung<br />

zum Elektronik Altgeräte Register zu erläu-<br />

tern. Nächste Etappenziele sind unter anderem<br />

neue Lötverfahren mit niedrigen Temperaturen<br />

oder die Entwicklung neuer Wärme ableiten-<br />

der Basisträger. „Wir müssen uns als Vordenker<br />

für unsere Kunden verstehen. Zu sehen, wo und<br />

warum neue Entwicklungen aktuell gehemmt<br />

werden, das ist eine der vielen Aufgaben“, er-<br />

läutert Linde im Einklang mit seinen Partnern.<br />

Zusammen sind sie sich einig, den richtigen<br />

Schritt in der Region getan zu haben. Der Anfang<br />

ist gemacht.<br />

www.fmncom.com<br />

www.fh-nordhausen.de<br />

www.brunel.de/img<br />

MITARBEITER UND KARRIERE<br />

› 21<br />

› 21<br />

Volker Linde (<strong>Brunel</strong> IMG,<br />

M), Peter Bubak (FMN communications<br />

<strong>GmbH</strong>, l.) und<br />

Prof. Matthias Viehmann<br />

(FH Nordhausen, r.)<br />

beim Erfahrungsaustausch.<br />

der Spezialist 37


AUS DEN BRANCHEN<br />

Die Mischung macht es!<br />

NIR, das Kürzel steht für die Spektroskopie im Bereich des nahen Infrarots, sie kommt über-<br />

all dort zum Einsatz, wo in Echtzeit auf Abweichungen der Zusammensetzung von Stoffen<br />

reagiert werden muss. Das Einsatzgebiet reicht vom Viehstall bis zur Gaspipeline.<br />

TEXT › Roland Bösker<br />

Täglich verarbeitet das HaBeMa-Qualitätsfutter-Werk in Ham-<br />

burg-Wilhelmsburg tonnenweise Getreide, Soja, Öle und<br />

andere Rohstoffe zu Kraftfutter. Die Rohstoffe werden zu Pellets<br />

gepresst. Die Bandbreite reicht von Minipellets für Haus- und<br />

Heimtiere wie Kaninchen und Meerschweinchen bis zu einen<br />

halben Zentimeter dicken, gleichmäßig länglich-rund geform-<br />

ten Brocken für Schweine, Pferde oder Rinder. Entscheidend<br />

dabei: Trotz variierender Eigenschaften der Rohstoffe soll die<br />

Produktqualität ohne Zeitverzug in der laufenden Produktion<br />

überwacht und gesteuert werden können.<br />

WENN DAS MISCHUNGSVERHÄLTNIS NICHT STIMMT,<br />

MUSS AUFWÄNDIG NACHOPTIMIERT WERDEN<br />

Ursprünglich waren dazu komplizierte und vor allem zeitrau-<br />

bende Laboranalysen der Rohstoffe nötig. Denn je nachdem<br />

wie viel Feuchtigkeit, Proteine, Rohfasern oder andere Inhalts-<br />

stoffe das Rohmaterial aufweist, muss das Mischungsverhält-<br />

nis angepasst werden. Ein Zeitverzug zwischen Probeentnahme<br />

und Feststellung des Analyseergebnisses kann bedeuten, dass<br />

ganze Chargen wegen unerwünschter Zusammensetzung wie<br />

zu hohen Feuchtigkeitsgehalts nachbehandelt werden müs-<br />

sen oder gar nicht mehr verwendbar sind. „Das können einige<br />

Tonnen Mischfutter sein“, berichtet HaBeMa-Betriebsleiter Jörg<br />

Bleck.<br />

38<br />

Die Lösung des Problems bietet die NIR-Technologie, wie sie<br />

in Betrieben wie dem HaBeMa-Qualitätsfutter-Werk installiert<br />

ist. Als Basis dient das Prinzip der Spektroskopie im Bereich des<br />

nahen Infrarots (NIR). Die Technologie wurde von der NIR-Online<br />

<strong>GmbH</strong> für die Analyse und Überwachung der Herstellungs- oder<br />

Weiterverarbeitungsprozesse organischer Substanzen in Echt-<br />

der Spezialist<br />

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast<br />

zeit entwickelt. Vereinfacht skizziert,<br />

funktioniert dies folgendermaßen:<br />

Eine Lichtquelle bestrahlt eine Sub-<br />

stanz, das refl ektierte Licht wird von<br />

einem Sensor aufgefangen. Je nach<br />

Eigenschaft der Substanz differiert<br />

die Wellenlänge des zurückgeworfe-<br />

nen Lichtes. Anhand des Vergleichs<br />

der Spektren miteinander sowie mit<br />

Referenzwerten, die zuvor in Mess-<br />

reihen im Labor gewonnen worden<br />

sind, erkennen NIR-Geräte in Sekun-<br />

denbruchteilen die Zusammenset-<br />

zung des analysierten Materials.<br />

„Mit NIR sowie der entsprechenden<br />

EDV-Infrastruktur stehen Analyse er-<br />

gebnisse in Echtzeit zur Verfügung<br />

und können unmittelbar für die<br />

Überwachung und Justierung des<br />

Rohstoffzulaufes genutzt werden“,<br />

so <strong>Brunel</strong> Mitarbeiter und IT-Experte<br />

Wolfgang Kern. Einmal mit Daten<br />

gefüttert und kalibriert, „lernen“ die<br />

NIR-Geräte ständig dazu, denn die<br />

Daten aus der Produktion werden<br />

als aktualisierte Referenzwerte ge -<br />

nutzt.<br />

„Die NIR-Technologie ist ausge-<br />

reift“, so Kern. „Es kommt darauf an,<br />

die Geräte und die EDV-Peripherie<br />

so in den laufenden Betrieb zu inte-<br />

PORTRÄT<br />

Wolfgang Kern schloss<br />

1976 sein Informatikstudium<br />

ab und entwickelte<br />

im Anschluss ein Rechnernetz<br />

für die TU München.<br />

Sein Karriereweg führte<br />

ihn unter anderem zur<br />

Bundeswehr, wo er mit der<br />

Entwicklung eines neuen<br />

Logistiksystems betraut<br />

war. Nach weiteren Tätigkeiten<br />

im Bereich Automatisierung<br />

kam Wolfgang<br />

Kern im Juni 2007 zu<br />

<strong>Brunel</strong>.<br />

› 22<br />

Aufbau eines NIR-Online-<br />

Geräts. Im industriellen<br />

Einsatz überwacht es per<br />

Infrarotstrahl Zusammensetzung<br />

und Feuchtigkeitsgehalt<br />

verschiedenster<br />

Produkte.


› 22


AUS DEN BRANCHEN<br />

40<br />

der Spezialist<br />

› 23<br />

grieren, dass möglichst keine Verzögerung in der Produktion<br />

auftritt und die Daten nicht nur vom NIR-Gerät zuverlässig<br />

erhoben werden, sondern dass die Mitarbeiter Daten schnell<br />

erkennen und gegebenenfalls eingreifen können.“ Wolfgang<br />

Kern plant entsprechende Projekte, sorgt für die Installation<br />

der handlichen, etwa 30 mal 30 Zentimeter großen und rund<br />

zehn Zentimeter hohen Geräte sowie der ergänzenden EDV und<br />

ist an Schulungen der Mitarbeiter beteiligt. Rund einen Monat<br />

rechnet Kern für die Installation des Systems, die Mitarbeiter-<br />

schulungen mit berücksichtigt.<br />

SPEZIALBESCHICHTETE LINSEN BLEIBEN AUCH<br />

UNTER EXTREMBEDINGUNGEN KLAR<br />

Über Monitore sind vom Soll abweichende Werte der Zusam-<br />

mensetzungen des Rohmaterials leicht zu erkennen. „Bei<br />

Unter- oder Über-Soll-Werten ist die Kurve gelb oder rot. So<br />

kann sehr rasch erkannt werden, wenn etwas nicht stimmt“,<br />

erläutert Jörg Bleck.<br />

Die Rohstoffe gelangen durch dicke Rohre zu den Pellet-<br />

Pressen. Von den Hauptröhren zweigen Bypässe ab. Diese<br />

Nebenrohre sind mit Sichtfenstern versehen. „Auf der einen<br />

Seite können Mitarbeiter den Durchsatz optisch prüfen, auf<br />

der anderen ist das NIR-Gerät an-<br />

gebracht, wo es den Rohstoffstrom<br />

ständig analysiert“, erklärt Bleck.<br />

„Damit kein Staub und keine kleinen<br />

an der Scheibe haftenden Partikel das<br />

Spektrum des reflektierten Lichts<br />

stören und Messergebnisse verfäl-<br />

schen, wurde die Linsenoberfläche<br />

speziell bearbeitet, um jedes Anhaf-<br />

ten zu verhindern.“<br />

Auch in der Erdgasförderung<br />

kann NIR zum Einsatz kommen. „Zu<br />

feuchtes Erdgas lässt Leitungen kor-<br />

rodieren“, berichtet Wolfgang Kern.<br />

„Wenn ein zu hoher Feuchtegrad zu<br />

spät bemerkt wird, müssen ganze<br />

Pipeline-Abschnitte leer gepumpt<br />

und das Gas muss entfeuchtet wer-<br />

den.“ Das ist teuer und zeitaufwän-<br />

dig. „Aufgrund der Eignung für ex-<br />

plosionsgeschützte Bereiche kann<br />

die NIR-Technologie auch jene Ab-<br />

läufe so steuern, dass Verzögerun-<br />

gen ausgeschlossen werden und man<br />

unmittelbar in Prozesse eingreifen<br />

kann.“ Selbst ein Produktionsdruck<br />

von bis zu 100 Bar ist kein Problem<br />

für die Geräte. NIR kann so auch zu<br />

ökonomischerer Gasförderung und<br />

-versorgung beitragen.<br />

› 23<br />

An diesem Zutatenmischer<br />

überwacht das NIR-Gerät<br />

nicht nur permanent die<br />

Inhaltsstoffe und den<br />

Feuchtigkeitsgehalt, sondern<br />

signalisiert auch,<br />

wenn der Mischvorgang<br />

abgeschlossen ist.


Die Zukunft der Batterie<br />

i st Grün<br />

Forschung & Wissenschaft<br />

Batterien sind praktisch, aber sie enthalten zumeist einen hochgiftigen Mix aus Schwer-<br />

metallen. Das soll künftig anders werden, wenn es nach amerikanischen und japanischen<br />

Forschern geht, die alternative Batterien aus Papier und Zucker entwickelt haben.<br />

TEXT › Dr. Ralf Schrank<br />

Schön, dass der Strom aus der Steckdose kommt.<br />

Aber was tun, wenn man mit Elektrogeräten mobil<br />

sein möchte? Für diesen Fall hat der Italiener<br />

Allessandro Volta (1745–1827) bereits um 1800 die<br />

Batterie erfunden, die heute unsere Laptops, MP3-<br />

Player, Digitalkameras oder Handys mit Strom ver-<br />

sorgt. Funktionsweise und Aufbau haben sich seit<br />

damals nicht grundlegend geändert. Erst jetzt –<br />

mehr als zweihundert Jahre später – bahnen sich<br />

revolutionäre Neuerungen an, die vor allem eines<br />

zum Ziel haben: den giftigen Cocktail im Inneren<br />

› 24<br />

handelsüblicher Batterien durch bioverträgliche<br />

Materialien zu ersetzen.<br />

Am gebräuchlichsten ist heute die Alkali-Man-<br />

gan-Batterie, die aus Zink, Mangandioxid („Braun-<br />

stein“) und konzentrierter Kalilauge aufgebaut ist.<br />

Ein Segen für Grundwasser und Boden, dass der<br />

Gesetzgeber inzwischen das Recycling von Batte-<br />

rien vorschreibt und regelt (siehe Info). Moderne<br />

Hochleistungsbatterien enthalten statt Zink das<br />

Leichtmetall Lithium. Forscher am Rensselaer<br />

Polytechnic Institute in Troy, USA, haben kürzlich<br />

gezeigt, dass es auch ganz anders geht. Ihre Batte-<br />

rie besteht zu 90 Prozent aus biologisch unbe-<br />

denklicher Zellulose, zu Deutsch: Papier. In die<br />

Zellulose haben sie Kohlenstoff-Nanoröhrchen<br />

eingebettet, die das Papier tiefschwarz färben.<br />

„WUNDERPAPIER“ ALS KONDENSATOR<br />

In den Nanoröhrchen sind Elektronen sehr leicht<br />

beweglich, so dass das schwarze Wunderpapier<br />

wie ein Kondensator funktioniert, wenn man eine<br />

Spannung anlegt: Es speichert elektrische Energie.<br />

Mit einem kleinen Trick machten die Rensselaer-<br />

Forscher aus diesem Kondensator die erste Papier-<br />

batterie der Welt. Sie beschichteten eine Seite des<br />

Nanopapiers mit Lithium und tränkten das Ganze<br />

mit einem Elektrolyten, zum Beispiel einer Salz-<br />

lösung. Das Lithium wirkt in der Papierbatterie als<br />

Elektronen liefernde Anode und die unbeschich-<br />

tete Seite als Kathode.<br />

INFO<br />

In Deutschland darf der<br />

Quecksilbergehalt von<br />

Batterien nicht über<br />

0,0005 Prozent, der von<br />

Knopfzellen nicht über<br />

2 Prozent des Gewichts<br />

liegen. Der Handel ist seit<br />

1998 gesetzlich verpflichtet,<br />

gebrauchte Batterien<br />

zurückzunehmen. Die<br />

Rücklaufquote für Batterien<br />

und Akkus liegt in<br />

Deutschland bei etwa 40<br />

Prozent.<br />

› 24<br />

Ein japanischer Elektronikkonzern<br />

präsentierte<br />

kürzlich die Zuckerbatterie.<br />

Der noch recht große<br />

Stromspeicher versorgt<br />

hier einen MP3-Player und<br />

Mini-Lautsprecher mit<br />

Energie.<br />

der Spezialist<br />

41


Forschung & Wissenschaft<br />

› 25<br />

Forscherin Dr. Shelly<br />

Minteer im Labor der<br />

Saint Louis University. Um<br />

die von ihr entwickelte<br />

Zuckerbatterie marktreif<br />

zu machen, muss vor<br />

allem ein wirtschaftliches<br />

Produktionsverfahren<br />

gefunden werden.<br />

42<br />

der Spezialist<br />

Die Papierbatterie ist viel leichter als herkömm-<br />

liche Batterien, sie ist weniger als ein Zehntel-<br />

millimeter dick und flexibel, sie lässt sich rollen,<br />

falten und zurechtschneiden. Ihre Kapazität liegt<br />

in der Größenordnung konventioneller Batterien.<br />

Durch Aufeinanderlegen mehrerer Blätter lassen<br />

sich Batterien bauen, die auch energiehungrige<br />

Elektrogeräte mit Strom versorgen können. Da<br />

auch Körperschweiß oder Blut als Elektrolyte ge-<br />

eignet sind, wäre die Papierbatterie ideal für die<br />

Stromversorgung von Herzschrittmachern und<br />

medizinischen Sensoren.<br />

Für das Design von Elektrogeräten ergeben sich<br />

ganz neue Möglichkeiten, denn die Papierbatterie<br />

passt selbst in engste Zwischenräume. Auch fer-<br />

tigungstechnisch sind neue Wege denkbar. Zum<br />

Beispiel lässt sich die Batterie einfach auf einen<br />

neutralen Träger aufdrucken. Aber Vorsicht:<br />

Welche Probleme eine Massenfertigung aufwer-<br />

fen wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.<br />

Die Materialien, aus denen die Papierbatterie<br />

besteht, sind zwar günstig, ein rationelles Herstel-<br />

lungsverfahren liegt jedoch in ferner Zukunft.<br />

WER GEWINNT DAS RENNEN ZUR<br />

ANWENDUNGSREIFE?<br />

Vielleicht gewinnt auch ein anderer Batterietyp<br />

das Rennen zur Anwendungsreife: die Zuckerbat-<br />

terie. Sie ist nicht so revolutionär wie die Papierbat-<br />

terie, aber genauso umweltverträglich. Forscher-<br />

gruppen in aller Welt arbeiten an ihr. Einen Proto-<br />

typ hat der japanische Elektronikkonzern Sony<br />

kürzlich in Tokio präsentiert. Die Batterie arbei-<br />

tet nach dem Prinzip der Bio-Brennstoffzelle. Im<br />

Unterschied zur klassischen Brennstoffzelle, die<br />

› 25


durch die Verbrennung von Wasserstoff oder<br />

Methanol Strom gewinnt, dienen in der Bio-<br />

variante energiereiche bioorganische Verbindun-<br />

gen als Brennstoff, zum Beispiel Traubenzucker<br />

(Glucose).<br />

Die Bio-Brennstoffzelle liefert nur dann Strom,<br />

wenn die Elektronen, die bei der Verbrennung des<br />

Zuckers frei werden, nicht einfach auf eine andere<br />

Substanz übertragen werden. Bestimmte Enzyme<br />

oder Mikroben, die man seit einigen Jahren kennt<br />

und erprobt, verhindern genau das. Das Kunst-<br />

stück wird sein, stabile Systeme aus Enzymen,<br />

Elektroden und Elektrolyten zu entwickeln, die<br />

miniaturisierten Zellen eine ausreichende Kapazi-<br />

tät verleihen. Sonys fruchtsaftgetriebene 4 x 4 x 4<br />

Zentimeter kleine Biobatterie entlockt einem<br />

Walkman gerade einmal ein paar Töne. Forscher<br />

der University of Saint Louis entwickelten immer-<br />

hin schon eine briefmarkengroße Zuckerbatterie,<br />

mit der sie einen Taschenrechner betreiben kön-<br />

nen.<br />

AUCH AN DER KABELLOSEN STROMÜBER-<br />

TRAGUNG WIRD GEFORSCHT<br />

Wie sieht der Leistungsvergleich mit herkömm-<br />

lichen Batterien aus? Schon der Prototyp der<br />

Papierbatterie erreicht mit einer Betriebsspan-<br />

nung von 2,3 Volt eine beachtliche Leistungsdichte<br />

von 1,5 kW/kg – muss also den Vergleich mit einer<br />

normalen Batterie nicht scheuen. Im Fall der<br />

Zuckerbatterie macht die Angabe einer Energie-<br />

oder Leistungsdichte keinen Sinn, weil das Ano-<br />

denmaterial, der Zucker, kontinuierlich zugeführt<br />

wird. Immerhin ist eine Ausgangsleistung von<br />

50 mW ein guter Anfang – und die Entwicklung<br />

hat ja gerade erst begonnen.<br />

Bei alldem aber müssen die Batterieforscher<br />

Acht geben, dass ihnen nicht ein völlig anderes<br />

Verfahren, mobile Elektrogeräte mit Strom zu<br />

versorgen, die Show stiehlt. Eine Forschergruppe<br />

am Massachusetts Institute of Technology (MIT)<br />

nutzt das Phänomen der magnetischen Resonanz<br />

zur kabellosen Stromübertragung. Es gelang ihr,<br />

eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen, die zwei<br />

Meter von der Stromquelle entfernt war. Die Ener-<br />

gieübertragung mit Hilfe von Magnetfeldern, die<br />

nach Angaben der MIT-Forscher für Organismen<br />

völlig ungefährlich sind, gelingt nur über Distan-<br />

zen von einigen Metern, jedoch auch durch Wände<br />

hindurch.<br />

Aber es wird gewiss noch etliche Jahre dauern,<br />

bis lästige Stromkabel und Batterien, die immer<br />

dann entladen sind, wenn wir sie gerade brau-<br />

chen, aus unserem Leben ganz verschwunden sein<br />

werden.<br />

Forschung & Wissenschaft<br />

› 26<br />

› 26<br />

Die Papierbatterie passt<br />

in die schmalsten Zwischenräume<br />

und macht<br />

ein Batteriefach unnötig.<br />

So eröffnen sich völlig<br />

neue Möglichkeiten für das<br />

Design von Elekrogeräten.<br />

der Spezialist 43


querdenken<br />

wenn Der Berg ruft ...<br />

Rainer Perprunner hat eine Bergbahn entwickelt, die mit bis zu 54 Stundenkilometern durch<br />

das Gelände flitzt. Der Antrieb ist elektrisch und meistert Steigungen sowie Gefälle von bis zu<br />

55 Prozent. Im schweizerischen Arosa bringt der Coaster bereits Hotelgäste auf den Berg.<br />

TEXT › Jan Meyer-Veden<br />

Wenn es nach Rainer Perprunner geht, werden wir uns beim<br />

Blick aus dem Fenster bald fragen, in welchem Film wir gelan-<br />

det sind: In luftiger Höhe flitzen Fahrzeuge auf achterbahn-<br />

ähnlichen Schienensträngen vorbei, in jedem Fahrzeug fünf<br />

bis acht Passagiere, die von ihren Sitzen das Panorama bestau-<br />

nen. An den Haltestationen bilden sich nur selten Schlangen,<br />

da die Fahrzeuge auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Steigt<br />

man ein, geht es mit bis zu 54 Stundenkilometern über die Stre-<br />

cke. Steigungen und Gefälle bis zu 55 Prozent werden ebenso<br />

gemeistert wie enge Kurven von sechs Metern Radius. Alles<br />

geschieht vollautomatisch.<br />

44<br />

Das, in wenigen Worten, ist der Coaster. Erfunden hat ihn der<br />

Österreicher Rainer Perprunner. Die erste kommerzielle Umset-<br />

zung ist seit Ende 2007 im Schweizer Ort Arosa zu begutach-<br />

ten. Dort hat das Grandhotel Tschuggen in ein solches „Perso-<br />

nal Rapid Transport (PRT)“-System investiert, damit die Gäste<br />

der Spezialist<br />

› xx › 27<br />

bequem und ohne Wartezeiten in die<br />

umliegenden Skigebiete gelangen<br />

können.<br />

DIE IDEE ENTSTAND IM URLAUB<br />

IN NEUSEELAND<br />

Szenarien wie in Arosa waren es, die<br />

Perprunner zunächst vorschwebten,<br />

als die Idee vom Coaster geboren<br />

wurde. „Das Schlüsselerlebnis liegt<br />

mittlerweile fast fünfzehn Jahre zu-<br />

rück“, beginnt Rainer Perprunner<br />

die Geschichte seines Einfalls. „Ich<br />

machte Urlaub in Neuseeland. In<br />

einem Vergnügungspark in den Ber-<br />

gen bin ich mit so einer Art Seifen-<br />

kiste talwärts gesaust und dachte<br />

mir: So etwas müsste es bei uns auch<br />

geben!“ Seitdem hat Perprunner die<br />

Idee eines PRT-Fahrzeugs, das glei-<br />

chermaßen Transportaufgaben er-<br />

füllt, aber auch, vor allem talwärts,<br />

einfach Spaß macht, nicht mehr<br />

losgelassen. „Das war halt ganz im<br />

Geiste der 90er Jahre, mit ihrem<br />

Hedonismus“, sagt er heute.<br />

Perprunner ist nicht nur gelernter<br />

Maschinenschlosser, ebenso profi-<br />

tiert er von Kenntnissen im Ma-<br />

nagement und im Tourismus. Eine<br />

› 27<br />

Beim Bau des ersten Coasters<br />

wurde darauf geachtet,<br />

dass Schienenstrang<br />

und Stationsgebäude sich<br />

harmonisch in die Landschaft<br />

einpassen.


ideale Mischung, wie sich bald zeigte. Denn um ein Projekt<br />

wie den Coaster auf die Beine zu stellen, war ein gründliches<br />

Verständnis aller involvierten Bereiche unumgänglich. „Es<br />

ging darum, ein touristisches Problem mit technischen Mit-<br />

teln zu lösen und die Lösung dann an den Mann zu bringen“,<br />

fasst er rückblickend zusammen. Erste Machbarkeitsstudien,<br />

die Perprunner erstellen ließ, gaben Anlass zum Optimismus.<br />

Seitdem sind über zehn Jahre vergangen, in denen Perprunner<br />

viel Geld sowie unzählige Arbeits-<br />

stunden in die Realisierung des Pro-<br />

jektes gesteckt hat.<br />

Auf einem alpinen Testareal in<br />

Bürserberg, wo Anfang 2005 der<br />

erste Coaster fertig gestellt wurde,<br />

entwickelte er mit seinem Team<br />

das System bis zur Serienreife. Die<br />

› 28<br />

› 28<br />

Der Coaster bringt nicht<br />

nur Skifahrer auf den Berg.<br />

Für Wanderer steht er<br />

das ganze Jahr über auf<br />

Abruf zur Verfügung.<br />

der Spezialist<br />

45


querdenken<br />

› 29<br />

Rainer Perprunner, geboren<br />

1963 in Bludenz, Österreich,<br />

gründete 1985 eine Montage-<br />

und Personalbereitstellungsfirma.<br />

Von 1999<br />

bis 2001 entwickelte er das<br />

Coaster-Konzept. Seit 2001<br />

ist er Geschäftsführer der<br />

Coaster <strong>GmbH</strong>.<br />

46<br />

der Spezialist<br />

Fahrzeuge werden jeweils von zwei eigenen Elektromotoren<br />

angetrieben. Die Übersetzung erfolgt mittels zweier Zahnrä-<br />

der auf Seiten des Fahrzeugs und einer Zahnstange auf Seiten<br />

des Gleiskörpers. Energiequellen sind zwei Hightech-Batterien,<br />

deren Kapazität auf 60 Kilowattstunden beziffert wird und die<br />

sich auflädt, sobald die Fahrzeuge bergab fahren oder in der<br />

Station stehen. Diese Art der Energierückgewinnung, aber vor<br />

allem die Tatsache, dass die Kabinen nur auf Anforderung ver-<br />

kehren, machen in puncto Energieeffizienz den Unterschied zu<br />

Seilbahn und Sessellift aus. Denn natürlich ist das Fahrgastauf-<br />

kommen in derartigen Zubringeranlagen Schwankungen unter-<br />

worfen. Des Morgens geht es hinauf in die Berge, des Abends<br />

zurück ins Hotel. Dazwischen herrscht oft Flaute: 70 Prozent<br />

der Betriebszeit verkehren diese Anlagen mit Auslastungen<br />

unter 20 Prozent. Während aber eine Seilbahn unabhängig von<br />

ihrer Auslastung durchgehend verkehrt und so permanent die<br />

gesamte Masse der Fahrzeuge bewegt, reagiert der Coaster nur<br />

auf Knopfdruck.<br />

COASTER-EINSATZ AUCH IM NAHVERKEHR MÖGLICH<br />

Die gleiche Argumentation gilt natürlich auch für den Betrieb<br />

des Coasters als Nahverkehrssystem in Ballungsgebieten. Fahr-<br />

› › 29 17<br />

ten mit geringer Auslastung oder<br />

gar Leerfahrten sind seit jeher eines<br />

der Kardinalprobleme des öffentli-<br />

chen Personennahverkehrs. Da lag<br />

es für Perprunner nahe, seine Erfin-<br />

dung noch einen Schritt weiterzu-<br />

denken, um auch Stadt- und Ver-<br />

kehrsplaner von den Vorzügen des<br />

Coasters zu überzeugen. Denn im<br />

Gegensatz zum touristischen Szena-<br />

rio schließt er im Bereich des städ-<br />

tischen Personennahverkehrs eine<br />

wirkliche Lücke. „Auf langen Stre-<br />

cken und bei der massenhaften Per-<br />

sonenbeförderung sind Bus und<br />

Bahn konkurrenzlos“, konstatiert<br />

Perprunner, „ebenso das Taxi, wenn<br />

es darum geht, den Fahrgast vor der<br />

Haustür abzuholen und ihn punkt-<br />

genau da abzusetzen, wo er hin will.<br />

Der Coaster hat seinen Auftritt an<br />

der Schnittstelle von Grob- und<br />

Feinstverteilung. Beim Transfer zwi-<br />

schen Bahnhof und Flughafen bei-<br />

spielsweise, oder in Park -and-ride-<br />

Konzepten.“<br />

Eine der wesentlichen Stärken<br />

ist somit auch die große Flexibilität<br />

bei der Streckenplanung. Die modu-<br />

laren Schienensysteme lassen sich<br />

so verbauen, wie es die örtlichen<br />

Gegebenheiten fordern. Hindernisse<br />

können um-, über- oder unterfahren<br />

werden. Für eine unterirdische<br />

Streckenführung sind Tunnelröhren<br />

mit einem Durchmesser von drei<br />

Metern ausreichend. Soll der Coaster<br />

im Stadtbereich oberirdisch fahren,<br />

werden die Gleise so weit aufge-<br />

ständert, dass der Straßenverkehr<br />

ungehindert darunter passieren<br />

kann, sprich in einer Höhe von etwa<br />

4,5 Metern. Tilman Bracher vom


Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin kann sich indessen<br />

achterbahnähnliche Schienenstränge in den Straßen unse-<br />

rer Städte nur schwer vorstellen: „Meiner Ansicht nach würde<br />

der Anblick den Straßenraum beeinträchtigen. Zudem fehlt<br />

genügend Platz für Ständer und Zugangsstellen und es besteht<br />

darüber hinaus die Gefahr, dass die aufgeständerten Kabinen<br />

vor den Fenstern die Privatsphähre stören“, so seine Ein-<br />

schätzung.<br />

ÜBER DEN EINSATZ DES COASTERS WIRD AUCH IN<br />

DUBAI UND HAMBURG NACHGEDACHT<br />

Immerhin kommt der Coaster ohne komplexe Stellwerke, Kon-<br />

trollzentren etc. aus, denn er fährt selbsttätig und im Einbahn-<br />

betrieb. Infolgedessen ist er mit relativ geringem personel-<br />

lem Aufwand zu betreiben. Die für Betrieb und Wartung des<br />

Coasters anfallenden Kosten liegen daher unterhalb dessen,<br />

was für vergleichbare Systeme veranschlagt werden müsste.<br />

Fraglos sind es, neben Umwelt-,<br />

Effizienz- und Sicherheitsaspekten,<br />

wesentlich auch finanzielle Über-<br />

legungen, denen die Planung städti-<br />

scher PRT-Systeme unterworfen ist.<br />

So liegen Vorprojektstudien zum<br />

Coaster auf so manchem Schreib-<br />

tisch von Dubai bis Hamburg. Allein<br />

ein bis zwei ernstzunehmende An-<br />

fragen müssen Perprunners Mitar-<br />

beiter wöchentlich bearbeiten. Ob<br />

und wann der Coaster seine Chance<br />

bekommt, bleibt abzuwarten – so<br />

oder so lohnt es sich deshalb, in<br />

regelmäßigen Abständen aus dem<br />

Fenster zu schauen.<br />

QUERDENKEN<br />

› 30<br />

› 30<br />

In den verglasten Stahlkabinen,<br />

wie hier in Arosa,<br />

können jeweils sechs Personen<br />

ein beeindruckendes<br />

Panorama genießen. Die<br />

Standardkabinen sind für<br />

acht Personen ausgelegt.<br />

der Spezialist<br />

47


› 40


PANORAMA<br />

Wissenschaft zum Anfassen<br />

Seit der Gründung der ersten Museen hat sich die Form der Wissensvermittlung stark verän-<br />

dert. Heute begeistern Science Center mit Mitmach-Exponaten nicht nur Kinder. Ein Streifzug<br />

durch die Welt der erlebbaren Phänomene und des spielerischen Lernens.<br />

TEXT › Janina Weinhold<br />

Einer Führung lauschend schleicht die Schul-<br />

klasse auf leisen Sohlen durch die Gänge der<br />

alten Gemäuer. Lachen und Stimmengemurmel<br />

werden von den Museumsbesuchern mit einem<br />

ärgerlichen Stirnrunzeln quittiert. „Psst!“, zischt<br />

es vom Lehrer herüber. So sah der Museumsbe-<br />

such einer Schulklasse noch vor einigen Jahren<br />

aus. Im glänzenden Bauch des „Bremer Walfi schs“,<br />

wie das Science Center Universum Bremen gerne<br />

auch genannt wird, ist Stille als Exponat erlebbar.<br />

Die Besucher wandeln durch den „Dumpfgang“<br />

und geräuschlose Bewegungen werden zum Pro -<br />

gramm. Gewöhnlich bringt ein kalter Windhauch<br />

die menschliche Haut zum Kribbeln und ein Rock-<br />

konzert den Bauch zum Vibrieren. Doch wenn<br />

keine Brise und kein Ton mehr die Tastrezeptoren<br />

der Haut erregen, dann empfi nden wir ein taubes<br />

Gefühl. Das Exponat illustriert jedem Besucher,<br />

der sich in den isolierten Hohlraum hineinwagt,<br />

dass Stille sinnlich durch Hören und Tasten<br />

erfassbar ist.<br />

IN SCIENCE CENTERN DEN PHÄNOMENEN<br />

AUF DER SPUR<br />

Das Universum Bremen ist eines von bundesweit<br />

rund 15 Science Centern, das „Wissenschaft zum<br />

Anfassen“ bietet. Die speziellen Ausstellungs-<br />

häuser veranschaulichen einem breiten Publikum<br />

in Mitmach-Ausstellungen technische und natur-<br />

wissenschaftliche Phänomene. Dr. Kerstin Haller,<br />

Audio-Version unter: www.brunel.de/podcast<br />

didaktische Leiterin im Universum Bremen: „Ein<br />

Science Center kann als Haus der Phänomene<br />

beschrieben werden. Hier wird Wissenschaft be -<br />

greifbar, denn die Besucher lösen die Phänomene<br />

selbst aus. Versuche am Exponat sprechen alle<br />

menschlichen Sinne an und animieren den Besu-<br />

cher, Fragen zu stellen.“ Dagegen zeigen klassi-<br />

sche Technikmuseen historische oder aktuelle<br />

technische Objekte, wie beispielsweise Dampfma-<br />

schinen, und bieten die dazugehörigen Hinter-<br />

grundinformationen auf Tafeln oder Computer-<br />

› 41<br />

› 40<br />

Das Exploratorium in San<br />

Francisco war das erste<br />

Science Center im heutigen<br />

Sinne. Von Künstlern<br />

gestaltete Exponate zum<br />

Thema Farbe und Licht<br />

laden zum Entdecken ein.<br />

› 41<br />

Im Bremer Science Center<br />

Universum können Kleine<br />

und Große naturwissenschaftliche<br />

Phänomene<br />

hautnah erleben. Hier in<br />

Form eines Luftstromes,<br />

der einen Ball in der Luft<br />

hält.<br />

der Spezialist 49


PANORAMA<br />

› 42<br />

Wann hat man schon die<br />

Gelegenheit, ein echtes<br />

Feuerwehrauto auf eigene<br />

Faust zu entdecken?<br />

Im Deutschen Museum in<br />

München, dürfen Kinder<br />

ganz nah an die Exponate<br />

heran.<br />

50<br />

der Spezialist<br />

PORTRÄT<br />

Der amerikanische Physi-<br />

ker und Highschool-Lehrer<br />

Frank Oppenheimer de-<br />

monstrierte seinen Schülern<br />

physikalische Gesetze<br />

am liebsten auf Schrottplätzen.<br />

Überzeugt von<br />

dieser Methode entwarf er<br />

Pläne für ein „hands on“-<br />

Museum. Sein Ziel: Wissen<br />

spielerisch vermitteln.<br />

› 42<br />

terminals an. In interaktiven Ausstellungen muss<br />

der Besucher mit den Exponaten spielen, um die<br />

Phänomene auszulösen. Dies trägt den Diskus-<br />

sionen um Lerntheorien der letzten Jahrzehnte<br />

Rechnung. Erkenntnisse der Pädagogik, aber auch<br />

der Neuropsychologie diagnostizieren die selbst<br />

gesteuerte Handlung als Schlüssel zum Lernen.<br />

Schon Albert Einstein erkannte: „Lernen ist Erfah-<br />

rung, alles andere ist Information“.<br />

Die ursprüngliche Idee, Wissenschaft mit Un-<br />

terhaltung zu verknüpfen, führt bis in die Aufklä-<br />

rung zurück. Schon im 17. Jahrhundert forderte<br />

beispielsweise Gottfried Wilhelm Leibniz ein Wis-<br />

senschaftstheater. In seiner Schrift „Theater der<br />

Natur und Kunst“ schreibt er, dass wissenschaftli-<br />

che Erkenntnisse nicht mehr nur in Büchern, Figu-<br />

ren und Modellen erfasst, sondern inszeniert wer-<br />

den müssen. So entstanden Wissenschaftstheater.<br />

Vormals ausschließlich private Sammlungen von<br />

historischen Artefakten, Relikten, Büchern und<br />

Kunstobjekten werden um 1830 mit der Gründung<br />

der ersten Museen in Europa der Öffentlichkeit<br />

zugängig gemacht.<br />

In Deutschland wurde schon 1903 das erste<br />

interaktive Ausstellungshaus eröffnet: das Deut-<br />

sche Museum in München. Der Gründer Oskar von<br />

Miller entwickelte gemeinsam mit dem Pädago-<br />

gen und Verfechter des eigentätigen Lernens im<br />

Schulunterricht, Georg Michel Kerschensteiner,<br />

eine Ausstellung mit interaktiven Exponaten.<br />

Oskar von Miller erhob den Anspruch, Volksbil-<br />

dung und Unterhaltung in seinem Museumskon-<br />

zept zu verbinden. Seine Auffassung ist aus einer<br />

Unterredung mit Nobelpreisträger Wilhelm Con-<br />

rad Röntgen überliefert.<br />

EINE MISCHUNG AUS VOLKSBILDUNGSSTÄTTE<br />

UND OKTOBERFEST<br />

„So antwortete von Miller auf dessen Frage: Glau-<br />

ben Sie, ein Museum ist der richtige Rahmen für<br />

die Zurschaustellung meiner Apparatur? – Doch<br />

natürlich, das Deutsche Museum ist eine Mischung<br />

aus einer Volksbildungsstätte und dem Oktober-<br />

fest“, erzählt Dr. Annette Noschka-Roos, Leiterin<br />

der Hauptabteilung Bildung des Deutschen Muse-<br />

ums. Interaktion und so genannte Knopfdruck-<br />

Exponate sind seit der Gründung ein fester Be-<br />

standteil des Konzepts. Das Museum verfügt über<br />

mehr als 100.000 Objekte aus Naturwissenschaft<br />

und Technik, wovon 2.500 interaktiv sind. Ein<br />

Klassiker ist beispielsweise der Flaschenzug: Statt<br />

abstrakter Bilder und Erläuterungen können die


Besucher schlicht selbst testen, wie viel Kraft es<br />

braucht, um den eigenen Körper anzuheben.<br />

WASSERDAMPFTORNADO MIT WIRBELEFFEKT<br />

HAUTNAH ERLEBEN UND VERSTEHEN<br />

Das erste Ausstellungshaus, das explizit den<br />

Namen „Science Center“ trug, ist das 1969 von<br />

Frank Oppenheimer gegründete Exploratorium<br />

in San Francisco. Auch in deutschen Science Cen-<br />

tern sind zum Teil Exponate zu sehen, die aus den<br />

Werkstätten San Franciscos stammen. Beispiels-<br />

weise eine zylinderförmige Kammer, in der ein<br />

Wasserdampftornado durch einen Saugmechanis-<br />

mus an der Kammerdecke und zwei Gebläse an<br />

den Wänden entsteht. In der begehbaren Kammer<br />

ist zu spüren, dass der Wirbeleffekt durch seitliche<br />

Winde entsteht und der Luftsog durch die Bewe-<br />

gung der Besucher den Tornado von seinem Kurs<br />

ablenkt.<br />

In Bremen orientierten sich Initiatoren des<br />

Universums an einer „Tür zur Wissenschaft“. Das<br />

als riesiges Oval geformte, mit Metallschindeln<br />

verkleidete Gebäude soll Neugier wecken und<br />

die Besucher für verschiedene Deutungen sensi-<br />

bilisieren. Im Inneren unterteilt sich die Ausstel-<br />

lung in die drei Themenkomplexe „Expedition:<br />

Mensch, Erde, Kosmos“. Der Bereich „Kosmos“ ist<br />

dunkel gehalten und von unzähligen sternen-<br />

ähnlichen Glühlampen erleuchtet, die Exponate<br />

sind in einem stilisierten Himmelszelt angeord-<br />

net. „In unserem Haus spielt die Einbindung der<br />

Phänomene in eine Geschichte eine große Rolle.<br />

Durch die künstlerische Inszenierung sieht der<br />

Besucher im Kleinen wie im Großen den Bezug<br />

zur wirklichen Welt“, so Dr. Haller. Da Lernen ein<br />

› 43<br />

› 43<br />

Die silberne Scheibe rotiert<br />

und befördert alle auf ihr<br />

liegenden Objekte schnell<br />

herunter, es sei denn, den<br />

Exploratorium-Besuchern<br />

gelingt es, die Objekte auf<br />

der Scheibe auf der Spitze<br />

rotieren zu lassen.<br />

der Spezialist 51


PANORAMA<br />

individueller Prozess ist, gibt es beispielsweise für<br />

das Phänomen Schall verschiedenste Exponate,<br />

die jeweils ein anderes Sinnensorgan des Men-<br />

schen reizen. Nicht zuletzt sind Faktoren wie Spaß<br />

und Emotionen für die menschliche Lernmotiva-<br />

tion ganz entscheidend. Vor einem Seismogra-<br />

phen springend und hüpfend, können die Besu-<br />

cher selbst die Stärke ihres selbst produzierten<br />

Bebens prüfen. Wie intensiv Erdstöße bei einem<br />

echten Erdbeben sein können, erleben sie in der<br />

Erdbebenkammer, die auf Knopfdruck mit Stärke<br />

sieben ruckelt.<br />

400.000 BESUCHER KOMMEN JÄHRLICH<br />

INS UNIVERSUM<br />

Das Universum verzeichnet auch sieben Jahre<br />

nach der Eröffnung noch etwa 400.000 Besucher<br />

jährlich. Es wurde im Sommer 2007 um den „Ent-<br />

decker Park“, ein Freiluftareal mit Exponaten zum<br />

Thema Bewegung von Wind und Wasser, erweitert.<br />

Auf dem Außengelände steht ein in sich gedreh-<br />

ter 27 Meter hoher Turm. Dieser „Turm der Lüfte“<br />

52<br />

der Spezialist<br />

› 44<br />

bietet weitere Experimente zu den Themen Luft,<br />

Wind und Wetter sowie der Schwerkraft und Ener-<br />

gie. Im Herbst folgte das „SchauBox“-Gebäude –<br />

ein Anbau, in dem zukünftig wechselnde Sonder-<br />

ausstellungen und Wissenschaftsdiskurse ange-<br />

boten werden.<br />

Auch in Wolfsburg gibt es seit Ende 2005 mit<br />

dem „Phaeno“ ein Science Center. „Wie schon der<br />

Name andeutet, steht hier die Faszination der<br />

Phänomene im Vordergrund“, erklärt Dr. Wolf-<br />

gang Guthardt, Direktor des Phaeno. Schon der<br />

mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnete<br />

Bau soll die Besucher auf Forschen und Erkunden<br />

einstellen. Denn sowohl von außen als auch innen<br />

ist das Phaeno aus einem Guss gestaltet: wie eine<br />

abstrakte Landschaft mit Höhlen, Kratern, Hügeln<br />

und Tälern. „Alles fließt“ ist ein Leitgedanke. Die<br />

räumliche Trennung der Ausstellungsthemen<br />

wurde bewusst vermieden. „Der Besucher soll<br />

ungeleitet den Phänomenen nachspüren, die ihn<br />

wirklich reizen“, so Guthardt.<br />

Die Ausstellungsstücke im Phaeno sind nicht<br />

alle interaktiv. Beispielsweise zeigen Kunstexpo-<br />

› 44<br />

Im „Phaeno“ gibt es didaktisch<br />

aufbereitete Informationen<br />

unter anderem<br />

zu den Themengebieten<br />

„Leben“ und „Wind und<br />

Wetter“. Links im Bild die<br />

interaktive Installation<br />

„Text rain“. Auf einer<br />

Projektionsfläche fallen<br />

Buchstaben herunter und<br />

können von den Besuchern<br />

aufgehalten werden.


nate wie die „Strato Flora“ kein naturwissenschaft-<br />

liches Phänomen an sich. Wohl aber beruht die<br />

aus der Bewegung von mehrfarbigen Lichtröhren<br />

kreierte Blume auf den naturwissenschaftlichen<br />

Eigenschaften des Stroboskops und Farbreak-<br />

tionen von Gasen. „Durch verändernde Farbinten-<br />

sitäten und Leuchtphasen soll die „Strato Flora“<br />

an den Lebenszyklus einer Blume erinnern und<br />

auch weniger technikbegeisterte Menschen fas-<br />

zinieren“, so Christof Börner, Leiter der Experi-<br />

mentierfelder.<br />

„Der Umgang mit interaktiven Exponaten<br />

bedeutet viele Glücksmomente, wenn der Besu-<br />

cher den Dreh raus hat, aber gelegentlich auch die<br />

Möglichkeit, zu scheitern“, erklärt Dr. Guthardt.<br />

Doch die Exponate sind so gebaut, dass das Phä-<br />

nomen auch ohne Vorkenntnisse erkennbar ist.<br />

Geschultes Personal steht den Besuchern beim<br />

Experimentieren zur Seite und erklärt Zusam-<br />

menhänge oder Parallelen zu weiteren Themen.<br />

Einen Trend zu informellen Lernformen sieht<br />

Dr. Wolfgang Guthardt erst langsam aufkeimen:<br />

„Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten setzen<br />

› 45<br />

› 46<br />

sich Science Center in Deutschland erst nach und<br />

nach durch. Es bleibt abzuwarten, wie sich der<br />

Markt entwickelt. In deutschen Bildungsstätten<br />

wird derzeit noch sehr an formalen Lernformen<br />

festgehalten.“ Im Phaeno, im Universum und im<br />

Deutschen Museum ist das spielerische Lernen<br />

schon Programm. Alle Ausstellungshäuser koope-<br />

rieren ferner mit Schulen oder Universitäten und<br />

zeigen Sonderausstellungen, Vorträge und Thea-<br />

tervorführungen über Neuigkeiten aus den For-<br />

schungslaboren der Wissenschaftler. Aber auch<br />

die klassischen Museen setzen heute mit inter-<br />

aktiven Computerterminals oder audiovisuellen<br />

Angeboten auf die Erlebnisorientierung der Besu-<br />

cher. „Bitte nicht Anfassen“ mutet heute verstaubt<br />

an. „Inwieweit Lernformen mit Erlebnischarakter<br />

wie ,forschendes Lernen‘ jedoch in klassischen<br />

Bildungsinstitutionen aufgenommen werden,<br />

lässt sich nicht abschätzen. Dennoch kann lebens-<br />

langes Lernen so attraktiver werden“, vermutet<br />

Bernd Becker, Leiter des Bereichs Bildung vom<br />

Bremer Universum.<br />

PANORAMA<br />

› 46<br />

Gemeinsam entdecken:<br />

Auch viele Erwachsene<br />

haben noch nie einen<br />

echten Tornado erlebt.<br />

Hier im Bremer Universum<br />

geht das ganz gefahrlos<br />

im Kleinformat.<br />

› 45<br />

Was kräuselt sich denn da<br />

so schön? Die verzehrte<br />

Wahrnehmung durch die<br />

Brechung in der bewegten<br />

Wasseroberfläche ist<br />

nicht nur für Kinder immer<br />

wieder faszinierend. Im<br />

Exploratorium wird nicht<br />

nur ausprobiert, sondern<br />

im zweiten Schritt erklärt,<br />

warum das so ist.<br />

der Spezialist<br />

53


PANORAMA<br />

Offroad-Expedition durch<br />

34 Länder Eurasiens<br />

Völkerverständigung in Zeiten der Globalisierung ist das Ziel. Auf dem Weg dahin legen<br />

sechs Geländewagen 150.000 Kilometer zurück. Die Route führt über insgesamt 43 Etappen<br />

quer über den europäischen Kontinent und durch Asien. Start- und Zielpunkt ist Bremen.<br />

TEXT › Anja Naumann<br />

Die Ausrüstung wird bereits auf Vollständigkeit geprüft, die<br />

Reservetanks befüllt und der Luftdruck der Reifen gemessen. In<br />

wenigen Wochen werden Abenteuerlustige in sechs Offroad-<br />

Spezialfahrzeugen von Bremen starten, um für 20 Monate auf<br />

der Expeditionstour Xworld ferne Länder und fremde Kultu-<br />

ren des eurasischen Kontinents zu erkunden. Auf ihrem Weg<br />

durchqueren die Land Cruiser 34 Länder in 43 Etappen. Darun-<br />

ter legendäre Stätten und faszinierende Landschaften wie das<br />

sagenumwobene Tibet, die Weiten Sibiriens oder das Hochge-<br />

birge von Kirgistan.<br />

EIN PRIVATER TRAUM WIRD NACH ZWEIJÄHRIGER<br />

PLANUNGSPHASE ZUM ÖFFENTLICHEN GROSSEVENT<br />

Veranstalter der Expedition ist der international operierende<br />

Hydraulikdienstleister Hansa-Flex. Das Unternehmen will mit<br />

der Xworld in Zeiten globaler Vernetzung seinen Beitrag zur<br />

Völkerverständigung leisten. Mit diesem besonderen Kultur-<br />

austausch werden Menschen aus verschiedenen Ländern die<br />

schönsten Ziele Europas und Asiens in einem gemeinsamen<br />

Abenteuer erleben. Was als privater Traum von Geschäftsfüh-<br />

rer Thomas Armerding seinen Ursprung hatte, entwickelte sich<br />

in einer zweijährigen Planungsphase zu einem öffentlichen<br />

Großevent. „Ich wollte schon immer eine Offroad-Tour durch<br />

Tibet und Nepal unternehmen“, erzählt Thomas Armerding.<br />

„Seitdem wir große Zuwachsraten in Asien und Osteuropa ver-<br />

zeichnen, war es an der Zeit, die Menschen und die Kultur vor<br />

Ort einmal näher kennen zu lernen.“ So führt die Route über<br />

Istanbul, Peking, Shanghai und zurück von Indonesien über<br />

China durch die Weiten Sibiriens bis ans Nordkap Europas, vor-<br />

bei an vielen Hansa-Flex Niederlassungen. Zu den beliebtesten<br />

54<br />

der Spezialist<br />

Etappen zählt den Anmeldungen<br />

zufolge die Route von Ulan-Bator<br />

nach Peking. Die Stadt wird recht-<br />

zeitig zu den Olympischen Spielen<br />

2008 erreicht.<br />

Was die Technik der Land Cruiser<br />

betrifft, muss sie den extremen Be-<br />

dingungen von Wüste, Dschungel<br />

und Hochgebirgsmassiv auf einer<br />

Gesamtdistanz von 150.000 Kilome-<br />

tern gerecht werden. Das entspricht<br />

knapp vier Erdumrundungen. Für<br />

diese Extrembelastung wurden die<br />

Fahrzeuge extra technisch modifi-<br />

ziert. „Insbesondere die steinigen<br />

Passagen durch das nepalesische<br />

Hochplateau sind sehr materialer-<br />

müdend“, weiß Thomas Armerding.<br />

Das Fahrwerk wurde daher etwa<br />

zehn Zentimeter höher gelegt und<br />

mit einem kompletten Unterfahr-<br />

schutz ausgerüstet. Auch ein speziel-<br />

ler Wasserschnorchel darf nicht feh-<br />

len. Dieser ist mit dem Luftfilter des<br />

Motors verbunden und verhindert,<br />

dass der Motor bei Wasserdurch-<br />

fahrten in Laos Schaden nimmt.<br />

Nach 600 Tagen wird die outdoor-<br />

erprobte Fahrzeugkarawane am<br />

31. Oktober 2009 schließlich wieder<br />

in Bremen eintreffen.<br />

GEWINNSPIEL<br />

Hat Sie die Abenteuerlust<br />

gepackt? Dann lassen<br />

Sie sich nicht die Chance<br />

entgehen, an der ersten<br />

Etappe der Xworld teilzunehmen.<br />

Wir verlosen<br />

zwei Plätze für die Reise<br />

im Geländewagen von<br />

Bremen über Österreich,<br />

Slowenien, Kroatien, Bos-<br />

nien, Serbien und Bulgarien<br />

bis in die türkische<br />

Metropole Istanbul. Die<br />

Teilnahmekarte finden Sie<br />

im hinteren Heftumschlag.


TERMINE<br />

termine<br />

AUSGABE 10 || Februar 2008<br />

›04.– 09. März<br />

Besuchen Sie uns auf der<br />

CeBIT in Halle 4, Stand D67.<br />

› 21.– 25. april<br />

Auf der Hannover Messe<br />

ist <strong>Brunel</strong> in Halle 26 im<br />

Job & Career Market sowie<br />

in Halle 25 beim diesjährigen<br />

RoboCup vertreten.<br />

56<br />

der Spezialist<br />

Februar bis Mai 2008<br />

26. – 28. Febr. 2008<br />

04. – 09. März. 2008<br />

21. – 25. April 2008<br />

05. Februar 1933<br />

19. Februar 1986<br />

31. Mai 1879<br />

Messen und veranstaltungen<br />

EMBEDDED WORLD<br />

Ob im Automobil, in der Datentechnik und Telekommunikation, Industrie-<br />

und Konsumelektronik, Militär- und Luftfahrttechnik: Überall arbeiten<br />

Embedded-Technologien. Die Aussteller zeigen in Nürnberg das komplette<br />

Angebot rund um Hardware, Software, Tools und Dienstleistungen auf rund<br />

23.000 Quadratmetern Fläche. www.embedded-world.de<br />

CEBIT 2008<br />

Als weltweit größte Messe für die ITK-Branche ist die CeBIT der bedeutendste<br />

globale Marktplatz und Wegweiser für die digitale Zukunft. 6.153 Aussteller<br />

aus 79 Ländern und rund 480.000 Besucher, davon alleine 385.000 Fachbe-<br />

sucher, konnte die CeBIT 2007 verzeichnen. Rund 8.000 Journalisten aus aller<br />

Welt berichteten über alles, was die digitale Welt bewegt. www.cebit.de<br />

HANNOVER MESSE – ROBOCUP GERMAN OPEN<br />

Die Hannover Messe ist seit 60 Jahren der führende Marktplatz für weg-<br />

weisende Technologien. Sie ist mit mittlerweile über 5.000 Ausstellern<br />

das wohl wichtigste Technologieereignis weltweit. Die „Robocup German<br />

Open“, die deutschen Meisterschaften für Fußball spielende Roboter, finden<br />

zum zweiten Mal im Rahmen der Messe statt. www.hannovermesse.de<br />

Meilensteine<br />

Der Bau der Golden Gate Bridge beginnt. Mit einer Spannweite von 1.280<br />

Metern ist sie bei der Einweihung 1937 die längste Hängebrücke der Welt.<br />

Das Kernmodul der russischen Raumstation Mir erreicht die Erdumlauf-<br />

bahn. 15 Jahre lang forschen Wissenschaftler in rund 350 Kilometern<br />

Höhe, bevor die Station 2001 kontrolliert zum Absturz gebracht wird.<br />

Der Ingenieur Werner von Siemens stellt auf der Deutschen Gewerbeaus-<br />

stellung in Berlin die erste elektrische Lokomotive vor – als Modell. Zwei<br />

Jahre später fährt die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Berlin.


i mpressum<br />

AUSGABE 10 || Februar 2008<br />

REDAKTIONSANSCHRIFT<br />

<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong>, Redaktion „Der Spezialist“<br />

Airport City, Hermann-Köhl-Str. 1a, 28199 Bremen<br />

redaktion@der-spezialist.de<br />

www.der-spezialist.de<br />

Telefon 0421-1 69 41-0<br />

HERAUSGEBER<br />

<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />

VERANTWORTLICHER REDAKTEUR<br />

(V. I. S. D. P.)<br />

Carsten Siebeneich, General Manager <strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />

REDAKTION<br />

DIALOG Public Relations, Bremen<br />

GfG / Gruppe für Gestaltung <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />

GESTALTUNG<br />

GfG / Gruppe für Gestaltung <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />

FOTOGRAFIE (COPYRIGHTS)<br />

Sofern nicht abweichend, alle Angaben als Bildnummern:<br />

Thomas Kleiner (Titel, S. 3, S. 7, 02, 03, S. 55), Claudia Raband<br />

(U2,) Corbis (01, 40), Robert Lewis (04, 05), picture-alliance<br />

(06), Getty (07, 24), Retina Implant AG (08), Fraunhofer ILT<br />

(09), BEGO Medical <strong>GmbH</strong> (10–12), Rolls-Royce Deutschland<br />

Ltd & Co KG (S. 25), BMW AG (13, 14), <strong>Brunel</strong> Car Synergies<br />

(15), Carl Zeiss SMT AG (16–18, S. 31), Jörg Gläscher<br />

(19–21), NIR Online <strong>GmbH</strong> (22, 23), Saint Louis University<br />

(25), Rensselaer Polytechnic Institut (26), Coaster <strong>GmbH</strong><br />

(27, 28, 30), Universum® Bremen (14, 46), Deutsches<br />

Museum (42), The Exploratorium, Amy Snyder (43, 45),<br />

The Exploratorium, Nancy Rodger (50)<br />

DRUCK<br />

Druckerei Girzig + Gottschalk <strong>GmbH</strong>, Bremen<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

3 Ausgaben / Jahr, Auflage 28.000 Stück<br />

INGENIEURE.<br />

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© 2008 Deutsche Messe AG © 2008 XWORLD, HANSA-FLEX<br />

MITMACHEN UND GEWINNEN<br />

Abenteuer pur können Sie auf der ersten Etappe der Xworld erleben. Die Gewinner unseres Preisausschreibens<br />

nehmen vom 8. bis 21. März 2008 an der Fahrt im Geländewagen von Bremen über Österreich, Slowenien,<br />

Kroatien, Bosnien, Serbien und Bulgarien bis in die türkische Metropole Istanbul teil. Mehr über das Projekt<br />

Xworld erfahren Sie in dieser Ausgabe auf der Seite 54.<br />

Neues aus der Welt der Informationstechnologie gibt es auf der diesjährigen CeBIT in Hannover zu erleben.<br />

Wir verlosen 20 Tageskarten.<br />

Viel Glück bei den Verlosungen wünscht<br />

Ihr Redaktionsteam „Der Spezialist“


INFORMATION UND SERVICE<br />

Ihre Adresse hat sich geändert? Sie interessieren sich für Hintergründe und weitere Informationen zu einzelnen<br />

Artikeln des Spezialisten? Oder Sie möchten uns auf ein interessantes Thema für eine der nächsten<br />

Ausgaben aufmerksam machen? Dann senden Sie uns bitte eine E-Mail an: leserforum@der-spezialist.de<br />

Wir freuen uns auf Ihr Feedback und Ihre Anregungen!<br />

Ihr Redaktionsteam „Der Spezialist“<br />

JA, ich möchte gerne an der Xworld-Etappe 01<br />

von Bremen nach Istanbul vom 8. bis 21. März<br />

2008 teilnehmen (An- und Abreise inklusive).<br />

Einsendeschluss ist der 21. Februar 2008.<br />

(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)<br />

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Straße / Hausnummer<br />

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für die CeBIT 2008 vom 4. bis 9. März in<br />

Hannover gewinnen.<br />

Einsendeschluss ist der 21. Februar 2008.<br />

(Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.)<br />

Vorname / Name<br />

Firma / Branche<br />

Abteilung<br />

Straße / Hausnummer<br />

PLZ / Ort<br />

Telefon / Fax<br />

E-Mail<br />

ANTWORT<br />

Redaktion „Der Spezialist“<br />

<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Airport City<br />

Hermann-Köhl-Straße 1a<br />

28199 Bremen<br />

ANTWORT<br />

Redaktion „Der Spezialist“<br />

<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Airport City<br />

Hermann-Köhl-Straße 1a<br />

28199 Bremen<br />

Bitte<br />

ausreichend<br />

frankieren,<br />

danke.<br />

Bitte<br />

ausreichend<br />

frankieren,<br />

danke.


<strong>Brunel</strong> <strong>GmbH</strong> | Airport City | Hermann-Köhl-Str. 1 a | 28199 Bremen<br />

6008_02.2008

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