WIE VERHÄLT SICH DAS IN ART.33b VwVG ... - Thomas Fleiner
WIE VERHÄLT SICH DAS IN ART.33b VwVG ... - Thomas Fleiner
WIE VERHÄLT SICH DAS IN ART.33b VwVG ... - Thomas Fleiner
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__________________________________________________________________<br />
<strong>WIE</strong> <strong>VERHÄLT</strong> <strong>SICH</strong> <strong>DAS</strong> <strong>IN</strong> <strong>ART.33b</strong> <strong>VwVG</strong> VORGE-<br />
SEHENE MEDIATIONSVERFAHREN MIT DEM<br />
GRUNDSATZ DER GESETZMÄSSIGKEIT DER VER-<br />
WALTUNG?<br />
PROBEARBEIT IM VERWALTUNGSRECHT<br />
vorgelegt von<br />
Patrizia Zbinden / Studentennummer 03-218-526<br />
Vissaulastrasse 4<br />
3280 Murten<br />
patrizia.zbinden@unifr.ch<br />
Bachelor of Law, 10. Semester<br />
eingereicht bei<br />
Prof. Dr. <strong>Thomas</strong> <strong>Fleiner</strong><br />
Professor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät<br />
der Universität Freiburg i.Ue<br />
Probearbeit begonnen am 25. Februar 2008<br />
Probearbeit eingereicht am 10. März 2008<br />
_________________________________________________________________<br />
I
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis.......................................................................................................... I<br />
Literaturverzeichnis ..................................................................................................... III<br />
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ V<br />
I. Einleitung............................................................................................................. 1<br />
II. Mediationsverfahren ........................................................................................... 1<br />
1. Mediationsverfahren im Allgemeinen................................................................. 1<br />
1.1 Begriff und Herkunft des Mediationsverfahren .......................................... 1<br />
1.2 Voraussetzungen....................................................................................... 2<br />
2. Das Mediationsverfahren in der Verwaltung...................................................... 4<br />
2.1 Entwicklung im Verwaltungsrecht.............................................................. 4<br />
2.2 Mediationsansatz....................................................................................... 5<br />
2.2.1 Rolle der Behörden im Mediationsverfahren ....................................... 5<br />
2.2.2. Einsatzmöglichkeiten........................................................................... 6<br />
2.2.3 Wesen des Mediationsverfahren......................................................... 7<br />
2.3 Mediationsverfahren in Art. 33b <strong>VwVG</strong>...................................................... 7<br />
2.3.1 Allgemeiner Überblick ......................................................................... 7<br />
2.3.2 Spannungsverhältnis in Art. 33b <strong>VwVG</strong> .............................................. 9<br />
III. Grundsatz der Gesetzmässigkeit..................................................................... 10<br />
1. Allgemeines..................................................................................................... 10<br />
1.1 Rechtsgrundlage ..................................................................................... 10<br />
1.2 Inhalt und Begriff ..................................................................................... 10<br />
1.3 Rechtsstaatliche und demokratische Funktion ........................................ 11<br />
1.4 Geltungsbereich ...................................................................................... 12<br />
2. Erfordernis des Rechtsatzes............................................................................ 12<br />
3. Erfordernis der Gesetzesform.......................................................................... 13<br />
4. Fazit................................................................................................................. 14<br />
I
IV. Verhältnis zwischen dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit und dem<br />
Mediationsverfahren in Art. 33b <strong>VwVG</strong> .......................................................... 15<br />
1. Allgemeines..................................................................................................... 15<br />
2. Rechtlicher Rahmen des Mediationsverfahrens .............................................. 15<br />
3. Stellung des Mediators .................................................................................... 17<br />
4. Fazit und Schlussbemerkungen ...................................................................... 19<br />
II
Literaturverzeichnis<br />
Die angeführten Autoren werden, wo nicht anders angegeben, mit ihren Namen und<br />
mit der Seitenzahl oder der Randnote der Fundstelle zitiert.<br />
BÖSCH PETER<br />
BROHM W<strong>IN</strong>FRIED<br />
GUY - ECABERT CHRIST<strong>IN</strong>E<br />
DIESELBE<br />
HÄFEL<strong>IN</strong> ULRICH /<br />
MÜLLER GEORG /<br />
UHLMANN FELIX<br />
HÖSLI PETER<br />
MÄCHLER AUGUST<br />
Gericht und Mediation, in: Justizia, Die Schweizer<br />
Richterzeitung, 2006/2, S. 1 – 21.<br />
Beschleunigung der Verwaltungsverfahren - Straffung<br />
oder konsensuales Verwaltungshandeln, in:<br />
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 1991, S. 1025<br />
– 1033.<br />
La juridicisation du règlement amiable des conflits<br />
administratifs en droit fédéral, in: LeGes, 2005, S.<br />
97ff.<br />
(zit. GUY - ECABERT, LeGes.)<br />
Procédure administrative et médiation, Zürich usw.<br />
2002.<br />
(zit. GUY – ECABERT, Procédure.)<br />
Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich usw.<br />
2006.<br />
Möglichkeiten und Grenzen der Verfahrensbeschleunigung<br />
durch informelles-kooperatives Verwaltungshandeln,<br />
Zürich 2002.<br />
Vertrag und Verwaltungsrechtspflege, Zürich usw.<br />
2005.<br />
III
MEIER ISAAK Mediation und Möglichkeiten ihrer Förderung durch<br />
PFISTERER THOMAS<br />
DERSELBE<br />
DERSELBE<br />
DERSELBE<br />
SCHNEIDER ULRICH<br />
SIEGWART KAR<strong>IN</strong>E<br />
STE<strong>IN</strong>ER ROLF / ANDREAS<br />
NABHOLZ<br />
TSCHANNEN PIERRE /<br />
ZIMMERLI<br />
ULRICH<br />
den Gesetzgeber, in: Recht, 2004, S. 1 – 8.<br />
Einigung und Mediation, Übersicht über die aktuelle<br />
Bundesgesetzgebung, in: AJP, 2008, S. 3 – 17.<br />
(zit. PFISTERER, AJP.)<br />
Verhandeln und Konsens im Verwaltungs- und ins-<br />
besondere im Umweltrecht, in: URP, 2005, S. 99 –<br />
125.<br />
(zit. PFISTERER, URP.)<br />
Über Konsens und Mediationslösungen im öffentlichen<br />
Recht, in: ZSR, Halbband II, 2002, S.177 –<br />
279.<br />
(zit. PFISTERER, ZSR.)<br />
Grundsätze zur Verwendung von Konsens- und Mediationslösungen,<br />
in: Pfisterer <strong>Thomas</strong>(Hrsg.), Konsens<br />
und Mediation im Verwaltungsbereich, Zürich,<br />
2004.<br />
(zit. PFISTERER, Grundsätze.)<br />
Legalitätsprinzip und finales Recht, Diss. Bern 2001.<br />
Einführung in die Begriffe und Arten der Mediation,<br />
in: Pfisterer <strong>Thomas</strong> (Hrsg.), Konsens und Mediation<br />
im Verwaltungshandeln, Zürich, 2004.<br />
Ombuds - Mediation, Zürich usw. 2003.<br />
Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern, 2005.<br />
IV
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abs. Absatz<br />
AJP Aktuelle Juristische Praxis (Lachen)<br />
Art. Artikel<br />
Aufl. Auflage<br />
BGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundes-<br />
gerichts<br />
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom<br />
d.h. das heisst<br />
18. April 1999 (SR 101)<br />
Diss. Dissertation<br />
E. Erwägung<br />
f. und folgende<br />
ff. und fortfolgende<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
LeGes LeGes – Gesetzgebung und Evaluation, Mitteilungsblatt der Schweiz.<br />
Gesellschaft für Gesetzgebung und der Schweiz. Evaluationsgesell-<br />
schaft (Bern)<br />
N Randnote<br />
RPG Raumplanungsgesetz<br />
S. Seite<br />
SR Systematische Sammlung des Bundesrechts<br />
u.a. unter anderem<br />
usw. und so weiter<br />
URP Umweltrecht in der Praxis (Zürich)<br />
vgl. vergleiche<br />
<strong>VwVG</strong> Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren<br />
(SR 172.021)<br />
z.B. zum Beispiel<br />
zit. Zitiert<br />
ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel)<br />
V
I. Einleitung<br />
Am 1. Januar 2007 wurde Art. 33b <strong>VwVG</strong> in das Verwaltungsverfahren eingefügt. Er<br />
regelt die Rahmenbedingungen für den Einsatz der gütlichen Einigung und des Media-<br />
tionsverfahrens.<br />
Im Zusammenhang mit der Einführung des Artikels ist die Fragen aufgetaucht, wie<br />
sich der neue Artikel mit dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit verträgt.<br />
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem im Art. 33b <strong>VwVG</strong> enthaltenen Media-<br />
tionsverfahren und seinem Verhältnis zum Grundsatz der Gesetzmässigkeit.<br />
Ich habe versucht, in dieser Arbeit aufzuzeigen, wo Spannungsverhältnisse bestehen<br />
und wie ihnen begegnet werden kann.<br />
Im ersten Teil meiner Arbeit wird aufgezeigt, wie das Mediationsverfahren zu verstehen<br />
ist, und wie es sich gerade im Verwaltungswesen ausgestaltet. Im zweiten Teil<br />
widme ich mich dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit, um schliesslich im letzten Teil<br />
meiner Arbeit aufzeigen zu können, im welchem Verhältnis die Beiden zueinander<br />
stehen.<br />
II. Mediationsverfahren<br />
1. Mediationsverfahren im Allgemeinen<br />
1.1 Begriff und Herkunft des Mediationsverfahren<br />
Obwohl wir in verschiedenen Gesetzestexten auf den Begriff „Mediation“ stossen, erklärt<br />
das Gesetz ihn aber nicht selber. 1 Deshalb soll zu Beginn kurz definiert werden,<br />
was eigentlich unter Mediation bzw. Mediationsverfahren zu verstehen ist.<br />
Beim Mediationsverfahren handelt es sich um eine Form der alternativen Streitbeilegung.<br />
Im Zentrum dieses aussergerichtlichen Verfahrens steht das Verhandeln. 2<br />
Die Mediation wird umgangssprachlich oft als Überbegriff für verschieden Formen der<br />
Konfliktbewältigung gebraucht. Teils wird Mediation auch als Synonym für Konsenslösung<br />
verwendet. Im Kern meint aber Mediation die besondere Verhandlungsunterstützung,<br />
durch eine Drittperson. 3 Diese Drittperson, wird bezeichnet als Mediator und<br />
unterstützt die Streitparteien darin, eine rechtsverbindliche Lösung zu finden. Der Mediator<br />
selber hat keine eigene Entscheidungsbefugnis.<br />
1 PFISTERER, AJP, S. 9.<br />
2 SIEGWART, S. 19; MEIER, S. 1 f.<br />
3 PFISTERER, ZSR, S. 177; GUY – ECABERT, Procédure, S. 17 ff.<br />
1
Ziel des Mediationsverfahrens ist es, dass die Konfliktparteien selber eine Lösung für<br />
ihr Problem erarbeiten. Der Mediator hat dabei die Aufgabe, das Verfahren zu leiten,<br />
und mit besonderen Verhandlungsmethoden die Voraussetzungen für die Kommuni-<br />
kation zwischen den Parteien zu schaffen. 4<br />
Ihm kommt vor allem eine Führungsfunktion im Problemlösungsprozess zu. Seine<br />
Aufgabe ist es, zu kommunizieren, Gespräche zu führen und zu überzeugen. Dabei<br />
hat er neutral und sachlich vorzugehen. Er ist eine Art Lotse durch den Konflikt hindurch<br />
und nicht der Kapitän. 5 Der Mediator soll das Verhalten der Konfliktparteien so<br />
beeinflussen, dass die Beteiligten den Konflikt sachlich austragen können. 6<br />
Mediatonsverfahren sind immer freiwillig und bieten Raum für auf Konsens ausgerichtetes<br />
Handeln und für kreative Lösungen. 7<br />
Als Konfliktlösungsmethode hat sich die Mediation in den 70iger Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts in den USA entwickelt. 8 Auch heute noch spielen die US - amerikanischen<br />
Erfahrungen, v.a bei der Durchführung von Mediationsverfahren, eine gewisse<br />
Vorreiterrolle. Vorab geprägt durch Amerika haben sich wichtige Erfahrungen in Kanada,<br />
Australien und in Japan angesammelt. Aus diesen Ländern ist eine „Mediationsbewegung“<br />
nach Europa vorgedrungen, wodurch sich der Trend zur Vermittlung<br />
mittels Mediation in vielen Ländern verstärkt hat. 9<br />
Auch in die Schweiz erfreuen sich Mediationsverfahren grösster Beliebtheit. Die Mediation<br />
hat sich hier anfänglich im Wesentlichen in familienrechtlichen Konflikten, durch<br />
Scheidungs- und Familienmediation, entwickelt. Heute gibt es kaum mehr ein Gebiet,<br />
wo Mediation nicht schon eingesetzt worden ist, oder eingesetzt werden kann. 10 Ansätze<br />
gibt es vor allem im Umwelt-, Raum- und Infrastrukturrecht, sowie im Schulwesen.<br />
11 Aber auch im Bereich der Wirtschaft sowie bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen<br />
diskutiert man über Konfliktlösung durch Mediationsverfahren. 12<br />
1.2 Voraussetzungen<br />
Damit ein Mediationsverfahren Erfolg haben kann, müssen gewisse Bedingungen erfüllt<br />
sein. Grundvoraussetzung ist einmal, dass der Konflikt überhaupt verhandelbar,<br />
4<br />
STE<strong>IN</strong>ER / NABHOLZ, S. 17 f.<br />
5<br />
PFISTERER, AJP, S. 10.<br />
6<br />
PFISTERER, ZSR, S. 213.<br />
7<br />
SIEGWART, S. 19.<br />
8<br />
BÖSCH, N 8; BROHM, S. 1031.<br />
9<br />
PFISTERER, AJP, S. 4.<br />
10<br />
BÖSCH, N 19; MEIER, S. 1 f.<br />
11<br />
PFISTERER, ZSR, S. 215 f.; HÖSLI, S. 120 ff.<br />
12<br />
SIEGWART, S. 22.<br />
2
somit kompromissfähig ist. Sind diese Grundvoraussetzungen nicht gegeben, behindert<br />
dies das Mediationsverfahren.<br />
Um das Vorhandensein solcher Voraussetzungen abzuklären, bedarf jedes Mediationsverfahren<br />
einer Vorbereitungsphase. In dieser Phase stellt sich die Frage, ob überhaupt<br />
genügend Spielraum seitens der Parteien und des Gesetztes da sind, um<br />
ein Mediationsverfahren erfolgreich durchzuführen. 13<br />
Ein Mediationsverfahren kann nur dann erfolgreich sein, wenn beide Parteien einverstanden<br />
sind, gemeinsam zu verhandeln. Es kann also niemand gezwungen werden,<br />
an einem Mediationsverfahren teilzunehmen. 14 Ein erzwungenes Mediationsverfahren<br />
wäre sowieso unsinnig, denn nur wenn beide Beteiligten an der Lösung des Konfliktes<br />
ein ausreichend starkes Interesse haben, verspricht das Verfahren ein Erfolg zu wer-<br />
den. 15<br />
Ein Ausstieg aus der Mediationsverhandlung ist jederzeit möglich, da ja die Verhandlung<br />
auf dem Freiwilligkeitsprinzip beruht. Die Parteien können selber bestimmen,<br />
welche Streitpunkte behandelt werden sollen. Der Mediator hat lediglich die Aufgabe,<br />
das Gespräch zu strukturieren und den Ablauf der Verhandlung zu bestimmen. Im<br />
Endeffekt dient die Mediation dazu, eine gemeinsame von beiden Parteien akzeptierte<br />
Lösung zu finden. 16<br />
Weil sich durch den Konsensweg viele Anliegen zusammenführen lassen, erleichtert<br />
er es, nachhaltige Lösungen zu finden. Ein konsensuales Vorgehen führt unter Umständen<br />
zu einem rascheren und besseren Ergebnis. 17<br />
Mediation kann dann nicht der geeignete Weg sein, wenn eine grundlegende Rechtsfrage<br />
gelöst werden soll. Da Mediationsergebnisse nur Einzelfallgerechtigkeit schaffen<br />
können, vermögen sie nicht zur Rechtsfortbildung beitragen. Sie sind deshalb auch<br />
nicht der geeignete Weg, eine grundlegende Rechtsfrage zu lösen. 18<br />
13 BÖSCH, N 12 ff.<br />
14 BÖSCH, N 11.<br />
15 SIEGWART, S. 19 f.<br />
16 SIEGWART, S. 15.<br />
17 PFISTERER, URP, S. 105.<br />
18 BÖSCH, N 11.<br />
3
2. Das Mediationsverfahren in der Verwaltung<br />
2.1 Entwicklung im Verwaltungsrecht<br />
Die permanente Suche nach einem Kompromiss ist ein fester Bestandteil der Schweizer<br />
Konkordanzdemokratie. Das schweizerische politische System ist durch föderale<br />
und direkt demokratische Strukturen stark von einem Vermittlungsgedanken geprägt.<br />
Auch in der Bundesverfassung, wie auch im Bundesrecht, finden wir Bestimmungen,<br />
welche für die Konfliktlösung auf den Gedanken der Verhandlung und der Vermittlung<br />
abstellen. (vgl. Art. 28 Abs. 2 BV, Art. 44 Abs. 3 BV). Weiter finden wir den Vermittlungsgedanken<br />
z. B. auch im Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV) sowie im<br />
informellen und konsensualen Verwaltungshandeln. 19<br />
Im Hinblick auf diesen schon fast systemimmanenten Vermittlungsgedanken ist es<br />
eher erstaunlich, dass es die ältere schweizerische Verwaltungsrechtslehre lange Zeit<br />
stark ablehnte, dass der Staat mit Privaten über öffentlichrechtliche Belange Verhandlungen<br />
führt.<br />
Die Begründung für diese Haltung war, dass der zwingende Charakter des öffentlichen<br />
Rechts „kein Paktieren zwischen Imperiumsträgern und Privatpersonen“ zulasse.<br />
20 Namentlich wurden in diesem Zusammenhang Bedenken in Bezug auf das Legalitätsprinzip,<br />
die Rechtsgleichheit und den Rechtschutz der Privaten geäussert.<br />
Das Staatsverständnis hat sich diesbezüglich im Verlaufe der Zeit stark geändert.<br />
Heute wird der Staat vermehrt als Dienstleistungsbetrieb gesehen. Er kann durchaus<br />
auf Private zugehen und mit ihnen Vereinbarungen treffen, ohne deswegen Gefahr zu<br />
laufen, seine hoheitliche Autorität einzubüssen. Mit der Zeit hat sich die Auffassung<br />
durchgesetzt, dass sich komplexe Probleme oftmals nur dann lösen lassen, wenn Behörden<br />
und Private gemeinsam nach Lösungen suchen.<br />
Allein mit Hilfe der traditionellen Zwangsmittel des Staates wären viele Probleme der<br />
heutigen Zeit nicht mehr zu bewältigen. Die Entwicklung unserer Gesellschaft rechtfertigt<br />
somit die Suche nach neuen Lösungswegen für Konflikte zwischen Privaten und<br />
Staat. 21<br />
Formen gütlicher Konfliktbeilegung erleben in allen Rechtsbereichen, namentlich auch<br />
im Bereich des Verwaltungsrechts, einen regelrechten Aufschwung. 22<br />
19 SIEGWART, S. 22 f.<br />
20 HÖSLI, S. 130.<br />
21 HÖSLI, S. 130 ff.<br />
22 GUY - ECABERT, LeGes, S. 97.<br />
4
Heutzutage stösst die Verwaltung immer mehr an die Grenzen ihrer Wirksamkeit und<br />
ihrer Steuerungsfähigkeit. Die Verwaltung alleine bringt keinen allseits akzeptablen<br />
und zügig realisierbaren Verfügungs- oder Projektentwurf mehr zustande.<br />
Die Aufgabenerfüllung wird immer komplexer, da die Verwaltung oft über ungenügen-<br />
de Informationen verfügt. 23 Sie ist vermehrt auf die Zusammenarbeit mit den Betroffe-<br />
nen angewiesen.<br />
Die Ansprüche der Menschen sind gewachsen und haben sich gewandelt. Immer<br />
mehr handelt die Verwaltung nicht mehr in einem juristisch abgegrenzten Bereich,<br />
sondern folgt einem Konfliktlösungsprozess mit den betroffenen Parteien.<br />
Der mediative Ansatz verlangt einen Kulturwandel in der Verwaltung, weg von einer<br />
vertikalen zu einer teilweise horizontalen Beziehung von Behörden und Privaten. Weg<br />
von einer Befehlskultur hin zu einer Partnerschaft. 24<br />
Gefordert wird, dass die Verwaltungsbehörden weniger „von oben herab“ über Recht<br />
verfügen, sondern partnerschaftlich einen von beiden Seiten getragene Lösung schaf-<br />
fen.<br />
„Nicht nur kollektive Mitbestimmung bei der staatlichen Willensbildung, sondern indivi-<br />
duelle Formen einer partnerschaftlichen Beteiligung Betroffener bei der Gestaltung<br />
von konkreten Verwaltungsverhältnissen stehen im Zentrum der Forderungen nach<br />
mehr Kooperation zwischen Verwaltung und Privaten.“ 25<br />
2.2 Mediationsansatz<br />
Trotz all dieser Schwierigkeiten muss die Verwaltung dennoch ihre Aufgaben erfüllen.<br />
Wie bereits erwähnt, bildet hier der Mediationsansatz eine Möglichkeit zur Bewältigung<br />
dieser Aufgaben.<br />
Die Verwaltung kann durch diesen mediativen Ansatz die Betroffenen zu Beteiligten<br />
machen und mit ihnen zusammen eine Lösung finden. Auf diese Weise sollen die<br />
Grenzen der Verwaltungstätigkeit gemildert werden und soll helfen, die Anliegen der<br />
Privaten zu erfüllen und Legitimation zu gewährleisten. Das Ziel dabei ist eine raschere<br />
und bessere Aufgabenerfüllung. 26<br />
2.2.1 Rolle der Behörden im Mediationsverfahren<br />
Mediationsverhandlungen sind im Verwaltungsrecht von vornherein speziell, weil eine<br />
Behörde daran beteiligt ist. Die Behörde agiert in einer Art Doppelrolle, sie verhandelt<br />
23 PFISTERER, Grundsätze, S. 11.<br />
24 PFISTERER, Grundsätze, S. 112 f.<br />
25 MÄCHLER, S. 75 f.<br />
26 PFISTERER, Grundsätze, S. 11.<br />
5
und muss gleichzeitig dafür sorgen, dass die Anforderungen von Rechtsstaat und<br />
Demokratie eingehalten werden. 27<br />
Wichtig ist, dass das Mediationsverfahren in der Verwaltung sich auf das Recht und<br />
die demokratische Ordnung ausrichten. Die Mediationsvereinbarung muss in einem<br />
rechtlich gebundenen Rahmen entstehen und muss auch im Ergebnis rechtmässig<br />
sein. 28<br />
Im Mediationsverfahren wird der Inhalt des Entscheides konsensual vorbereitet. Ge-<br />
fällt wird der Entscheid anschliessend alleine durch die rechtlich zuständige Behörde.<br />
Sie ist über alle Verhandlungen hinweg letztverantwortlich dafür, dass rechtmässig<br />
entschieden, das Recht richtig angewendet und der Entscheid innert nützlicher Frist in<br />
einem ordnungsgemässen Verfahren geschaffen wird. Die Behörde muss dafür sor-<br />
gen, dass der Sachverhalt korrekt ermittelt wird, die Beteiligten angehört werden usw.<br />
Sie muss die Anforderungen des Rechts wahren, ungeachtet einer Zustimmung der<br />
Beteiligten. Das Mediatonsverfahren ist an die Grundordnung und an das Verfahren<br />
gebunden. Unter keinen Umständen darf die Behörde ihre Letztverantwortung einem<br />
Dritten überlassen, auch nicht dem Mediator! Sie alleine trägt die Letztverantwortung<br />
über den Verhandlungstisch hinaus, denn alleine die Behörde darf einseitig hoheitli-<br />
che Anordnungen treffen. 29<br />
2.2.2. Einsatzmöglichkeiten<br />
Die Vermittlung zwischen den Parteien ist nach schweizerischer Tradition ureigene<br />
Funktion der Behörde. Es gibt aber auch im Verwaltungsbereich Gründe, anstatt der<br />
Behörde einen unabhängigen Mediator als Vermittler einzusetzen.<br />
Solche Gründe können sein, dass für eine Verhandlung ein besonderes Fachwissen<br />
nötig ist, welches der Mediator hat, oder ganz einfach um die Verwaltung zu entlas-<br />
ten. 30<br />
Vorteile des Verhandelns mittels Mediation können sein, dass unter Umständen Zeit<br />
und Aufwand der Behörde wie auch der Privaten eingespart werden. Kooperation<br />
bringt auch den positiven Vorteil, dass Positionen im Diskurs besser überprüft werden<br />
können und damit besser fundiert sind. Es gibt auch immer wieder Fälle, welche so<br />
komplex gelagert sind, dass die Verwaltung ohne die Mitwirkung der Betroffenen über-<br />
fordert wird, und durch die Zusammenarbeit der Informationsfluss erheblich verbessert<br />
27 PFISTERER, ZSR, S. 231 f.<br />
28 PFISTERER, ZSR, S. 198 f.<br />
29 PFISTERER, URP, S. 111.<br />
30 PFISTERER, AJP, S. 10.<br />
6
werden kann. Ausserdem lassen sich langwierige Rechtsstreitigkeiten mit Konsenslö-<br />
sung eher vermeiden. 31<br />
2.2.3 Wesen des Mediationsverfahren<br />
Tendenziell spricht die Lehre die auf Verhandlung und Konsens ausgerichteten Stra-<br />
tegien, wie u.a. auch das Mediationsverfahren, dem informellen Verwaltungshandeln<br />
zu. Es wäre jedoch dogmatisch falsch, wenn diese Strategien ausschliesslich dort zur<br />
Anwendung gelangen dürften. Mediation ist nur dann dem informellen Verwaltungs-<br />
handeln zuzuordnen, wenn sie von den Beteiligten als rechtlich unverbindliche Vor-<br />
verhandlung qualifiziert wird. Wenn aber im Mediationsergebnis, wie bei Art. 33b<br />
<strong>VwVG</strong>, eine Verfügung integriert wird, ist sie dem formellen Verwaltungsverfahren zu-<br />
zuschreiben. Der Verwaltungsvollzug im Rahmen des informellen Verwaltungshandeln<br />
ist geeignet für die Medationslösung. Auch das Verfahren auf Erlass einer Verfügung<br />
lässt Handlungsspielräume für das Mediationsverfahren offen. Wichtig ist es zu be-<br />
merken, dass es beim Mediationsverfahren immer um eine Ergänzung und nicht um<br />
den Ersatz des formellen Verwaltungsverfahren geht. 32<br />
2.3 Mediationsverfahren in Art. 33b <strong>VwVG</strong><br />
2.3.1 Allgemeiner Überblick<br />
Das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren ist seit dem 1. Januar 2007 um<br />
eine neue Bestimmung ergänzt worden, welche die gütliche Einigung und die Mediati-<br />
on einführt.<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> regelt die Rahmenbedingungen für den Einsatz der gütlichen Einigung<br />
und dem Mediationsverfahren. Die Bestimmung gilt im Anwendungsbereich des<br />
<strong>VwVG</strong>, d.h. im Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügungen von Bundes-<br />
verwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde zu erledigen sind. Die<br />
Bestimmung macht nur dort Sinn, wo das materielle Recht überhaupt einen Entschei-<br />
dungsspielraum offen lässt. Nach Art. 33b <strong>VwVG</strong> kann die Behörde das Verfahren im<br />
Einverständnis der Parteien sistieren, damit sie sich über den Inhalt der Verfügung<br />
einigen können.<br />
Einschliessen soll die Einigung auch, dass die Parteien auf Rechtsmittel verzichten<br />
und die Verteilung der Kosten regeln. Zur Förderung der Einigung kann die Behörde<br />
eine neutrale, fachkundige Person als Mediator einsetzen.<br />
31 MÄCHLER, S. 82 f.<br />
32 SIEGWART, S. 24.<br />
7
Nach Abschluss der Verhandlungen macht die Behörde die Einigung zum Inhalt der<br />
Verfügung, es sei denn, diese Einigung widerspreche dem Bundesrecht oder sei unangemessen.<br />
Die Streitigkeit wird also nicht durch einen Vergleich zwischen den Parteien<br />
beendet, sondern durch eine Verfügung der Beschwerdeinstanz. Der Streitgegenstand<br />
steht nicht zur Disposition der Streitparteien. Mit der Verfügung wird die Einigung<br />
zwischen den Parteien in das öffentliche Recht überführt. 33 Nicht also der Konsens<br />
der Parteien, sondern einzig der hoheitliche Akt der Behörde begründet Rechte<br />
und Pflichten. Die Lösung, welche die Parteien ausgehandelt haben, wird somit erst<br />
durch die Überführung in eine Verfügung rechtsverbindlich.<br />
Das Verhandlungsergebnis darf von der Behörde nur dann in eine Verfügung übernommen<br />
werden, wenn diese Bundesrechtskonform ist d.h. wenn das Gesetzesrecht<br />
und die Grundrechte nicht verletzt werden, die Lösung angemessen ist, kein Ermessensfehler<br />
vorliegt und der Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt wurde.<br />
Ähnliche Bestimmungen wie den Art. 33b <strong>VwVG</strong> finden wir in kantonalen Verwaltungsverfahrens-<br />
oder Verwaltungsrechtpflegegesetzen. So sieht z.B. der Kanton<br />
Graubünden in seinem Raumplanungsrecht ebenfalls eine Möglichkeit der gütlichen<br />
Einigung und der Mediation vor. 34<br />
Im Vordergrund eines möglichen Einsatzes von mediativen Verfahren im Bereich der<br />
Anwendung des Bundesverwaltungsrechts stehen grössere umweltrelevante Bauvorhaben<br />
mit zahlreichen Betroffenen und Verfahren, bei denen der Behörde ein weiter<br />
Ermessensspielraum zu steht. Gerade in diesen Bereichen kann das Mediationsverfahren<br />
zu effizienten und kreativen Lösungen führen.<br />
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in erster Linie eine einvernehmliche Lösung<br />
angestrebt werden soll<br />
Der Beizug eines Mediators ist möglich, aber nicht vorgeschrieben. Es gilt nämlich<br />
auch hier zu beachten, dass Mediation nur bei Freiwilligkeit funktioniert. Wenn eine<br />
Mediation stattfinden soll, muss sie möglichst früh in das Verfahren einbezogen wer-<br />
den. 35<br />
In der Lehre wird gesagt, dass es theoretisch für ein Mediationsverfahren keine explizite<br />
gesetzliche Grundlage bräuchte. Mediatonsverfahren sind grundsätzlich dort zulässig,<br />
wo das Gesetz genügend Entscheidungsspielraum für eine mediative Lösung<br />
bietet. Auch im Verwaltungsrecht setzt das mediative Verfahren Räume zur Verhand-<br />
33 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 1810a ff.; GUY-ECABERT, LeGes, S. 107 f.<br />
34 Vgl. Art. 6 RPG des Kanton Graubünden.<br />
35 Vgl. Einfache Anfrage im Nationalrat von Cina Jean-Michel, 03.10.2003.<br />
8
lung voraus. Eine gesetzliche Grundlage wie Art. 33b <strong>VwVG</strong> stellt die Möglichkeiten<br />
für Mediation klar und sie ist deshalb sehr sinnvoll. Der Mediationsweg wird auf diese<br />
Weise legitimiert und die behördliche Kontrolle samt deren Massstäben abgesichert. 36<br />
2.3.2 Spannungsverhältnis in Art. 33b <strong>VwVG</strong><br />
Im Zusammenhang mit der Einführung des Art. 33b <strong>VwVG</strong> wurden kritische Fragen<br />
aufgeworfen. Zum einem im Zusammenhang mit seiner Einführung, zum andern aufgrund<br />
seines Inhaltes. Mittels einer parlamentarischen Initiative wurde sogar die Aufhebung<br />
von Art. 33b <strong>VwVG</strong> verlangt.<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> war im Entwurf des Bundesrates zur Totalrevision der Bundesrechtspflege<br />
nicht enthalten. Die Bestimmung konnte daher auch nicht Gegenstand ausführlicher<br />
Erläuterungen in der Botschaft sein. Auch in den Zusatzbotschaften und Berichten<br />
findet sich Art. 33b <strong>VwVG</strong> nicht. Er wurde auf Antrag eines Mitgliedes des Ständerates<br />
in der vorberatenden Kommission aufgenommen.<br />
Der Artikel wurde somit nicht eingehend im Plenum besprochen, was wahrscheinlich<br />
auch damit zu tun hatte, dass er nur in einem Anhang untergebracht war, welcher die<br />
Änderungen von 150 Bundeserlassen zum Inhalt hatte. Kritiker des Artikels bemerken,<br />
dass eine Bestimmung wie Art. 33b <strong>VwVG</strong>, welche nicht unerhebliche Auswirkungen<br />
auf die Stellung der Behörden haben wird, ausführlicher vom Parlament im ordentlichen<br />
Verfahren hätte behandelt werden müssen.<br />
Zum Inhalt von Art. 33b <strong>VwVG</strong> wurden ebenfalls Befürchtungen geäussert, dass das<br />
in Art. 33b <strong>VwVG</strong> vorgesehene Mediationsverfahren dem verwaltungsrechtlichen<br />
Grundsatz der Gesetzmässigkeit zuwiderlaufen könnte. Es bestünde ein Spannungsverhältnis<br />
zwischen dem neu eingeführten Mediationsverfahren und dem Grundsatz,<br />
dass die Behörden das öffentliche Recht von Amtes wegen anzuwenden hätten<br />
(Grundsatz der Gesetzmässigkeit). Weiter wurde argumentiert, dass durch solche Bestimmungen<br />
das Recht aufgeweicht werden könnte, und die Behörden aufgrund von<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> ihre Vorrangstellung verlieren könnten. Dem Mediationsverfahren wurde<br />
somit eine gewisse Demontage-Wirkung unterstellt. 37<br />
Auf dieses Verhältnis zwischen Mediationsverfahren von Art. 33b <strong>VwVG</strong> und dem<br />
Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung soll im 4. Teil meiner Arbeit einge-<br />
36<br />
GUY-ECABERT, LeGes, S. 102; PFISTERER, AJP, S. 11.<br />
37<br />
PFISTERER, AJP, S. 13; vgl. Parlamentarische Initiative zur Aufhebung von Art. 33b <strong>VwVG</strong>,<br />
02.07.2007.<br />
9
gangen werden. Zunächst soll aber aufgezeigt werden, was unter dem Grundsatz der<br />
Gesetzmässigkeit zu verstehen ist.<br />
III. Grundsatz der Gesetzmässigkeit<br />
1. Allgemeines<br />
1.1 Rechtsgrundlage<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit, auch genannt das Legalitätsprinzip, hat seine<br />
Grundlage in Art. 5 Abs. 1 BV. Bis zum Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung am<br />
1. Januar 2000 war der Grundsatz der Gesetzmässigkeit nicht in der Verfassung verankert.<br />
Er galt aber bereits damals als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz des<br />
Bundesrechts. 38<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit findet nicht nur in Art. 5 BV, sondern auch in<br />
anderen allgemeinen Bestimmungen der Bundesverfassung Ausdruck. So zum Beispiel<br />
im Zusammenhang mit der Einschränkung von Grundrechten in Art. 36 Abs. 1<br />
BV. 39<br />
Im kantonalen und kommunalen Recht gilt der Grundsatz der Gesetzmässigkeit aufgrund<br />
seiner Verankerung in der BV. Aber gerade neuere Kantonsverfassungen haben<br />
das Prinzip selber normiert. Den Kantonen steht es frei, strengere Anforderungen<br />
für das Legalitätsprinzip vorzusehen. 40<br />
1.2 Inhalt und Begriff<br />
Der Grundsatzes der Gesetzmässigkeit bindet sämtliche Verwaltungstätigkeiten an<br />
das Gesetz. Das Prinzip von Art. 5 Abs. 1 BV, „Grundlage und Schranke staatlichen<br />
Handelns ist das Recht“, bildet ein tragendes Element des schweizerischen Rechts-<br />
staates. 41<br />
Alles Verwaltungshandeln muss sich auf das Gesetz stützen. Zudem dürfen Verwaltungstätigkeiten<br />
nicht gegen das Gesetz verstossen. Somit wird klargestellt, dass alle<br />
Verwaltungstätigkeiten, die nicht auf einem Gesetz beruhen, unzulässig sind. 42<br />
In der Schweiz wird der Grundsatz der Gesetzmässigkeit traditioneller Weise in zwei<br />
Teilprinzipien gegliedert. Zum einen in das des „Vorrang des Gesetzes“ und zum andern<br />
in das des „Vorbehalts des Gesetzes“. 43<br />
38 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 377; SCHNEIDER, S. 6.<br />
39 SCHNEIDER, S. 7 f.<br />
40 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 378.<br />
41 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 368 f.; TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 1.<br />
42 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 368 f.<br />
43 SCHNEIDER, S. 11; HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 379.<br />
10
Nach dem Prinzip des „Vorrang des Gesetzes“ darf eine staatliche Handlung nicht<br />
gegen das geltende Recht verstossen. Der Staat agiert nicht ausserhalb der Rechtsordnung.<br />
Er muss sein Handeln am geltenden Recht auszurichten. Er darf keine Verfügung<br />
erlassen, die einem gültigen Rechtssatz widerspricht und keinen Rechtssatz,<br />
der einem höheren Rechtssatz zuwiderläuft. 44<br />
Nach dem Prinzip des „Vorbehalts des Gesetzes“ dürfen Rechte und Pflichten nur<br />
durch einen Rechtssatz begründet werden. In der neueren Lehre wird der Ausdruck<br />
„Vorbehalt des Gesetzes“ als missverständlich kritisiert. 45 Deshalb wird heute anstatt<br />
vom „Vorbehalt des Gesetzes“ von der Unterscheidung zwischen „Erfordernis der Gesetzesform“<br />
und dem „Erfordernis des Rechtssatzes“ gesprochen. 46 Was genau unter<br />
diesen Erfordernissen zu versehen ist, wird nachfolgend in Punkt 2 und Punkt 3 dieses<br />
Kapitels erklärt.<br />
1.3 Rechtsstaatliche und demokratische Funktion<br />
Dem Grundssatz der Gesetzmässigkeit wird von Lehre und Rechtsprechung eine<br />
rechtsstaatlich und eine demokratisch Funktion zugeschrieben.<br />
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dient der Grundsatz der Gesetzmässigkeit,<br />
„einerseits dem demokratischen Anliegen der Sicherung der staatlichen Zuständigkeitsordnung,<br />
andererseits dem rechtsstaatlichen Anliegen der Rechtsgleichheit,<br />
Berechenbarkeit und der Voraussehbarkeit staatlichen Handelns (...)“. 47<br />
Ein Teilgehalt der rechtsstaatlichen Funktion ist die Gewährleistung der Rechtssicherheit.<br />
Durch das Prinzip der Gesetzmässigkeit wird eine Bindung der Verwaltungsbehörden<br />
an das Gesetz bewirkt und dient somit der Voraussehbarkeit des Verwaltungshandelns.<br />
Weiter gewährleistet die Bindung an das Gesetz, dass sich die Verwaltung<br />
an generell-abstrakte Regeln halten muss. Dadurch wird sicher gestellt, dass<br />
die Behörden in ähnlich gelagerten Fällen gleich entscheiden. So wird der Gefahr einer<br />
Ungleichbehandlung entgegen gewirkt und somit folglich die Rechtssicherheit ge-<br />
währleistet. 48<br />
44 SCHNEIDER, S. 11.<br />
45 TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 5 ff.<br />
46 TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 5 ff.; SCHNEIDER, S. 13.<br />
47 BGE 123 I 1 E 2b S. 3 f.<br />
48 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 372 ff.<br />
11
Dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit kommt zudem eine demokratische Funktion zu.<br />
Das sogenannte Erfordernis der Gesetzesform fordert, dass Verfügungen sich auf ein<br />
Gesetz abstützen müssen, das vom Parlament und allenfalls auch unter Mitsprache<br />
des Volkes erlassen wurde. 49<br />
Je nach Regelungstatbestand haben rechtsstaatliche oder demokratische Anliegen<br />
eine unterschiedliche Bedeutung. Infolge dessen ist auch das Legalitätsprinzip diffe-<br />
renziert zu verstehen. 50<br />
1.4 Geltungsbereich<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit bezieht sich auf die gesamte Verwaltungstätig-<br />
keit. Es wirkt sich auf sämtliche Bereiche und Arten aus.<br />
Er gilt heute sowohl für die Eingriffsverwaltung, wie auch für die Leistungsverwaltung.<br />
Historisch gesehen hatte der Grundsatz der Gesetzmässigkeit sein Wirkungsfeld in<br />
der Eingriffsverwaltung. Seit dem grundlegenden Bundesgerichtsentscheid „Wäffler“<br />
findet das Legalitätsprinzip aber auch Anwendung in der Leistungsverwaltung. 51<br />
Grund für diese Ausdehnung des Legalitätsprinzips war insbesondere der, dass die<br />
Leistungsverwaltung eine immer beträchtlichere Bedeutung erlangt hat. Es war nicht<br />
länger vertretbar, Entscheidungen über wirtschaftliche und soziale Leistungen allein<br />
dem Ermessen der Behörden zu überlassen. 52<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit gilt nicht nur für den Bund, sondern für alle Stu-<br />
fen des Gemeinwesens, d.h. auch für die Kantone und Gemeinden. 53<br />
2. Erfordernis des Rechtsatzes<br />
Das Erfordernis des Rechtssatzes erfüllt eine rechtsstaatliche Funktion. Als Teilgehalt<br />
des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit bildet es eine Grundvoraussetzung für ein<br />
rechtssicheres und willkürfreies Handeln. Das Erfordernis verlangt, dass eine Staats-<br />
tätigkeit nur auf Grund und nach Massgabe von generell-abstrakten Rechtsnormen<br />
ausgeübt werden darf. Von den Rechtsnormen wird verlangt, dass sie genügend be-<br />
stimmt oder bestimmbar sind. 54<br />
Jede Verfügung muss sich also auf einen Rechtssatz stützen. Unter einem Rechtssatz<br />
ist eine Regelung zu verstehen, die sich an eine unbestimmte Zahl von Adressaten<br />
richtet und eine unbestimmte Zahl von Fällen erfasst. Sie begründet Rechte und<br />
49 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 376.<br />
50 SCHNEIDER, S. 20.<br />
51 BGE 103 Ia 369 S. 380 ff.<br />
52 TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 15.<br />
53 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 418.<br />
54 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 381 f.<br />
12
Pflichten von Privaten, regelt die Organisation, die Zuständigkeit oder Aufgaben der<br />
Behörden oder des Verfahrens. 55<br />
Als materielle Grundlage gelten alle Rechtssätze unabhängig ihrer Normstufe.<br />
Damit sich eine Verfügung auf einen Rechtssatz stützen kann, muss dieser genügend<br />
bestimmt sein. Das Handeln einer Behörde muss also voraussehbar sein.<br />
Laut Bundesrechtsprechung muss, „das Gesetz so präzise formuliert sein, dass der<br />
Bürger sein Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens<br />
mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit, erkennen kann.“ 56<br />
Jedem Rechtssatz ist aber dennoch ein bestimmter Grad an Unbestimmtheit eigen.<br />
Das ergibt sich aus der mangelnden Präzision der Sprache und der beschränkten<br />
Voraussehbarkeit künftiger Ereignisse. Zudem besteht in gewissen Bereichen der<br />
Verwaltungstätigkeit ein Bedürfnis nach einem gewissen Spielraum für die Berücksichtigung<br />
besonderer Umstände im Einzelfall. 57<br />
Zu offene und zu wenig detaillierte Normen stehen aber unter Umständen im Widerspruch<br />
zu den rechtsstaatlichen Forderungen des Grundsatzes der Gesetzmässig-<br />
keit. 58<br />
Es lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, welche konkreten Anforderungen an<br />
die Bestimmtheit einer Norm zu stellen sind.<br />
Für die Frage nach dem Grad der Bestimmtheit hat die neuere Rechtsprechung und<br />
Lehre folgende Massstäbe aufgestellt: Neben den verfassungsmässigen Grundsätzen<br />
der Demokratie, der Gewaltenteilung und des Rechtsstaates sollen neuerdings auch<br />
praktische Bedürfnisse, wie z. B das nach sachgerechter Flexibilität, bei der Beurteilung<br />
der Frage nach dem Grad der erforderlichen Bestimmtheit eine Rolle spielen. 59<br />
3. Erfordernis der Gesetzesform<br />
Das Erfordernis der Gesetzesform verlangt, dass die wichtigsten Rechtsnormen, auf<br />
die sich staatliches Handeln stützt, in einem Gesetz im formellen Sinn enthalten sind.<br />
Die Anforderungen an die Rechtsgrundlage gehen bei diesem Teilgehalt des Gesetzmässigkeitsprinzips<br />
weiter als beim Erfordernis des Rechtssatzes.<br />
55<br />
HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 383.<br />
56<br />
BGE 109 Ia 273, S. 283 ff.<br />
57<br />
HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 388; TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 26 f.<br />
58<br />
TSCHANNEN / ZIMMERLI, N 26 f.<br />
59<br />
SCHNEIDER, S. 112 ff.<br />
13
Das Erfordernis der Gesetzesform dient v.a der demokratischen Funktion des Ge-<br />
setzmässigkeitsprinzips. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung<br />
kommt ihm aber auch eine gewisse rechtsstaatliche Bedeutung zu. 60<br />
4. Fazit<br />
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Grundsatz der Gesetzmässigkeit rechtsstaatliche<br />
und demokratische Aufgaben erfüllt, indem er den Staat in seinem Handeln<br />
an das Recht bindet. Es soll Schutz vor Willkür, Rechtsgleichheit und Rechtsicherheit<br />
gewährleisten und zur demokratischen Legitimation staatlichen Handelns beitragen.<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit ist dabei nicht als etwas absolut Unveränderliches<br />
zu verstehen ist. Er befindet sich in einem ständigen Wandel, genau wie die Gesellschafts-<br />
und Staatsordnung, die ihm zugrunde liegt. Allerdings ist zu beachten,<br />
dass der Grundsatz der Gesetzmässigkeit in seiner Funktion, demokratische und<br />
rechtsstaatliche Anliegen zu schützen, zweifellos in einem gewissen Spannungsverhältnis<br />
zu Modernisierungsbestrebungen in der Verwaltungsorganisation stehen kann.<br />
60 HÄFEL<strong>IN</strong> / MÜLLER, N 393 f.<br />
14
IV. Verhältnis zwischen dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit<br />
und dem Mediationsverfahren in Art. 33b <strong>VwVG</strong><br />
1. Allgemeines<br />
Das Mediationsverfahren in Art. 33b <strong>VwVG</strong> steht mit dem Grundsatz der Gesetzmäs-<br />
sigkeit der Verwaltung in einem gewissen Spannungsverhältnis. Gerade was die<br />
Rechtsgleichheit und die Rechtssicherheit angehen.<br />
Werden Lösungen in einem Mediationsverfahren erarbeitet, sind diese von Fall zu Fall<br />
verschieden und sehr individuell. Kritisch wurde die Frage aufgeworfen, ob der neue<br />
Artikel nicht sogar den Grundsatz, dass Behörden das Recht von Amtes wegen anzu-<br />
wenden haben, vereiteln könnte.<br />
Da Art. 33b <strong>VwVG</strong> erst seit dem 1. Januar 2007 im Verwaltungsverfahren eingeführt<br />
worden ist, wird sich vermutlich erst in Zukunft zeigen, wie viele Fragen in seinem Zu-<br />
sammenhang aufgeworfen werden und welche Bedeutung ihm zukommen wird. Es<br />
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle rechtsstaatlichen Probleme zu erör-<br />
tern, welche im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren in der Verwaltung auftauchen<br />
könnten. Aus diesem Grund beschränke ich mich folgend darauf, den rechtlichen<br />
Rahmen des Mediatonsverfahrens zu erörtern, damit der Grundsatz der Gesetzmässigkeit<br />
eingehalten wird. Zudem werde ich kurz auf die Stellung des privaten<br />
Mediators im Verwaltungsverfahren eingehen.<br />
2. Rechtlicher Rahmen des Mediationsverfahrens<br />
Heute ist nicht mehr umstritten, dass die Verwaltung konsensual handeln darf. Sie ist<br />
aber, auch im konsensualen Handeln, immer an ihren öffentlichen Auftrag gebunden.<br />
Damit geht einher, dass die Behörden sinngemäss die verfassungsmässigen Rechte<br />
zu beachten haben und nicht rechtsungleich Rechte erteilen und Pflichten auferlegen<br />
dürfen. 61<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> enthält für das öffentliche Recht nicht etwas grundsätzlich Neues,<br />
sondern verankert lediglich im Allgemeinen Verfahrensrecht, was bisher informell oder<br />
aufgrund von Spezialgesetzten möglich war. 62<br />
Damit der Grundsatz der Gesetzmässigkeit eingehalten wird, müssen Lösungen, die<br />
in einem Mediationsverfahren nach Art. 33b <strong>VwVG</strong> gefunden werden, sich innerhalb<br />
des rechtlich zulässigen Rahmens bewegen.<br />
61 MÄCHLER, S. 119.<br />
62 Vgl. MÄCHLER, S. 69 ff.; PFISTERER, Grundsätze, S. 109 ff.<br />
15
Die Behörde darf das Verhandlungsergebnis nur dann in die Verfügung übernehmen,<br />
wenn diese bundesrechtskonform ist. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Ge-<br />
seztmässigkeit. Es dürfen also keine Grundrechte oder Gesetzesrechte verletzt wer-<br />
den, keine Ermessensfehler vorliegen, die Lösung muss angemessen sein und der<br />
rechtlich erhebliche Sachverhalt richtig und vollständig ermittelt.<br />
Hält die ausgehandelte Regelung dieser umfassenden Prüfung stand, ist davon aus-<br />
zugehen, dass eine Verpflichtung besteht, sie in die Verfügung zu übernehmen und<br />
ihr damit Rechtsverbindlichkeit zu verleihen.<br />
Die Verwaltung muss sich an den Grundsatz der Gesetzmässigkeit halten. Solange<br />
die Verwaltung sich in diesen Grenzen bewegt, kann ein Konflikt auch einvernehmlich<br />
geregelt werden. 63<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> steht somit nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmässigkeit<br />
und auch nicht zum zwingenden Charakter des öffentlichen Rechts.<br />
Wichtig ist zu beachten, dass das Mediationsverfahren den Grundsatz der Gesetzmässigkeit<br />
nicht verdrängen kann. 64<br />
In etlichen Bereichen des Verwaltungsrechts macht ein Mediationsverfahren mangels<br />
Verhandlungsspielraum keinen Sinn z.B. wenn es sich um die Anwendung polizeilich<br />
motivierter Gesetze geht. Mediation ist nämlich nur da angebracht, wo ein gewisser<br />
Verhandlungsspielraum besteht. Aber auch da zieht die Wahrung der Rechtsgleichheit<br />
der Zulässigkeit behördlicher Zugeständnisse Schranken.<br />
Art. 33b <strong>VwVG</strong> trägt diesen Vorbehalten Rechnung, indem die Behörden das Verfahren<br />
zur Durchführung eines Mediationsverfahrens sistieren können, (aber nicht in jedem<br />
Fall müssen), wobei die Parteien jederzeit die Aufhebung der Sistierung verlangen<br />
können.<br />
Der Einfluss der Behörden wird trotz Mediation aufrecht erhalten. Die Behörden behalten<br />
die Herrschaft über das Verfahren, indem sie sistieren, das ordentliche Verfahren<br />
wieder aufnehmen und Behördenempfehlungen abgeben. Die inhaltliche Kontrolle der<br />
Ergebnisse muss bei der Behörde bleiben. 65<br />
Bei der Verfahrenseröffnung müssen beide Parteien, Private und Behörden, durch<br />
Sistierungsanträge dem Mediatonsverfahren zustimmen.<br />
63<br />
GUY- ECABERT, LeGes, S. 99.<br />
64<br />
Vgl. Parlamentarische Initiative zur Aufhebung von Art. 33b <strong>VwVG</strong>.<br />
65<br />
Vgl. Art. 33b Abs. 1 <strong>VwVG</strong>.<br />
16
Ebenso sind beim Abschluss das Einverständnis der Privaten und ein positiver Ent-<br />
scheid der Behörde nötig. 66<br />
Selbst eine Einigung mit allen Beteiligten befreit die Verwaltung nicht davon, das<br />
Recht zu beachten. Das Recht kennt keine rechtsfreien Räume, in denen sich Media-<br />
tionslösungen beliebig tummeln dürfen.<br />
Vermittelnde Behörden und der Mediator dürfen nicht nach persönlichem Dafürhalten<br />
agieren. Sie müssen das Recht in den Verwaltungsprozess einführen und stets nach<br />
ihm handeln. Alle Parteien müssen sich bemühen, einen rechtmässigen Weg zu gehen<br />
und rechtmässige Ergebnisse zu erzielen. 67<br />
Voraussetzung ist immer, dass sich Mediationslösungen innerhalb des Rechts und der<br />
demokratischen Strukturen bewegen und die Verfassungsgrundsätze des Verwaltungsrechts<br />
beachten. Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit kann nicht weg mediiert<br />
werden, die Verantwortung bleibt eine staatliche. 68<br />
3. Stellung des Mediators<br />
Werden in einem Verwaltungsverfahren private Mediatoren eingesetzt, bestehen immer<br />
gewisse Risiken.<br />
Damit der Mediator nicht willkürlich seine Macht ausüben kann, oder gar die Schranken<br />
des Rechts missachtet, müssen Massnahmen zur Begrenzung seiner Kompetenzen<br />
und zur Kontrolle seiner Macht getroffen werden.<br />
Das wichtigste Bollwerk dazu ist und bleibt die Letztverantwortung der Behörde. 69<br />
Der öffentlich-rechtlich tätige Mediator verkörpert eine Art Zwischenform. Er „beinhaltet“<br />
kooperative und hierarchische Elemente. Er ist weder freischaffender Beauftragter,<br />
noch ist er einfach ein Verwaltungsfunktionär.<br />
Seine Aufgabe ist ausgelagert worden, ohne die öffentliche Verantwortung für das<br />
Verfahren anzutasten.<br />
Sollen Private als Mediatoren an einem Mediatonsverfahren mitarbeiten, üben sie einen<br />
delegierten Teil der behördlichen Befugnis zur Rechtsanwendung aus. Daraus<br />
entsteht, dass der Mediator genau wie die Behörde ans Recht gebunden ist. 70<br />
66 PFISTERER, AJP, S. 11.<br />
67 PFISTERER, URP, S.112.<br />
68 SIEGWART, S. 23.<br />
69 PFISTERER, ZSR, S. 293.<br />
70 Vgl. Art. 33b Abs. 3 <strong>VwVG</strong>.<br />
17
Bei der verwaltungsrechtlichen Entscheidvorbereitung gelten also dieselben verfah-<br />
rensmässigen und inhaltlichen Vorschriften, wie jene die für die nachfolgende Verfü-<br />
gung gelten und zu beachten sind.<br />
Auch wenn sich private Mediatoren am Verwaltungsverfahren beteiligen, bilden die<br />
allgemeinen Verwaltungsvorschriften die massgebende Grundordnung.<br />
Mediation darf kein Einfallstor für Belieben sein. 71<br />
Bei einer allfälligen Schaffung eines verwaltungsinternen Mediationsangebots (z.B. im<br />
Personalbereich der Behörde) wäre ein besonderes Augenmerk auf die Unabhängig-<br />
keit zu richten, die einen Mediator wesensgemäss auszeichnen müssen. 72<br />
71 PFISTERER, AJP, S. 11.<br />
72 PFISTERER, Grundsätze, S. 109 ff.<br />
18
4. Fazit und Schlussbemerkungen<br />
Mediationsverfahren und Verwaltungsrecht schliessen einander gegenseitig nicht aus.<br />
Es ist zwar festzustellen, dass Mediatonsverfahren im Verwaltungsrecht gewisse Risiken<br />
bergen, sich aber deshalb noch lange nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen.<br />
Wer Mediationslösungen einsetzt, ist herausgefordert, die rechtlichen Bedingungen<br />
einzuhalten und gleichzeitig die Chancen zu effizienten und besseren Resultaten aus-<br />
zuschöpfen. 73<br />
Spielräume für Mediationsverfahren sollten auch in der Verwaltungstätigkeit möglichst<br />
gut genutzt werden, aber immer müssen dabei die Anforderungen und die Schranken<br />
des Rechts beachtet werden.<br />
Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit kann und darf nicht weg mediiert werden. Dafür<br />
zu sorgen ist und bleibt die Aufgabe der Verwaltungsbehörde, welche Letztverantwortlich<br />
dafür bleibt, dass ihre Aufgaben rechtlich und demokratisch einwandfrei erfüllt<br />
werden.<br />
Murten, den 10. März 2008<br />
Patrizia Zbinden<br />
73 PFISTERER, ZSR, S. 236 ff.<br />
19