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Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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MIP 2010 16. Jahrgang Knut Langewand – Parteienstaat Tschechoslowakei 1918-1938 <strong>Aufsätze</strong><br />

für die Tschechoslowakei sich erst langsam abzeichnen<br />

sollten. Die drei sozialistischen Parteien<br />

konnten von der Schwäche der bürgerlichen<br />

Koalition profitieren und Stimmen hinzugewinnen.<br />

Folgerichtig wurden sie in die Regierung<br />

der Großen Koalition aufgenommen, die alle<br />

sechs tschechoslowakischen Parteien und die<br />

drei aktivistischen deutschen Parteien umfasste.<br />

Dies bedeutete erstens das definitive Ende des<br />

Koalitionsausschusses, zweitens noch geringere<br />

Chancen für einen Konsens, der nurmehr auf<br />

Šrámeks Minimalformel „Wir haben uns geeinigt,<br />

dass wir uns einigen werden“ 70 gebracht<br />

werden konnte.<br />

Diese Ermüdung des Koalitionsprinzips wurde<br />

auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Krise<br />

durch ein Notstandsregime überwunden, das<br />

nach dem Rücktritt Udržals durch die neue Regierung<br />

unter dem Agrarier Jan Malypetr mit der<br />

Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes<br />

(im Juni 1933) etabliert wurde. Die Nationalversammlung<br />

trat in den Folgejahren sukzessive<br />

Gesetzgebungskompetenzen so freiwillig wie<br />

verfassungswidrig an die Regierung ab.<br />

Einem kurz bevorstehenden Parteiverbot auf der<br />

Basis eines neugeschaffenen Gesetzes kamen die<br />

deutschnationalen Parteien DNP und DNSAP im<br />

Oktober 1933 mit ihrer Selbstauflösung zuvor.<br />

In das politische Vakuum stieß als Sammelbecken<br />

der sudetendeutschen Autonomiebewegung<br />

unter Konrad Henlein die Sudetendeutsche Heimatfront,<br />

1935 in Sudetendeutsche Partei umbenannt.<br />

Zunächst legitimistisch ausgerichtet –<br />

nicht zuletzt zur Vermeidung eines Parteiverbots<br />

– forderte Henlein eine weitgehende Selbstverwaltung<br />

für die sudetendeutschen Gebiete. Trotz<br />

des überwältigenden Wahlerfolgs der SdP 1935,<br />

die ca. zwei Drittel der deutschen Stimmen auf<br />

sich vereinigte und damit sogar landesweit<br />

stärkste Partei wurde, blieb die Zusammensetzung<br />

der Regierung unverändert. Einen letzten<br />

Erfolg ihrer Integrationsfähigkeit feierten Burg<br />

und Koalition Ende 1935, als mit einigen Mühen<br />

die Wahl Beneš’ zum Nachfolger des aus Altersgründen<br />

zurückgetretenen Masaryk durch die<br />

70 Zit. n. Hoensch 1992, S. 58.<br />

Nationalversammlung sichergestellt werden<br />

konnte71 .<br />

Ab 1936 geriet Henlein zunehmend in (finanzielle)<br />

Abhängigkeit von Adolf Hitler, der die SdP<br />

durch die Platzierung ihm ergebener Vertreter<br />

wie Karl Hermann Frank zu einer Agentur<br />

reichsdeutscher Interessen und schließlich zur<br />

fünften Kolonne Nazideutschlands bei der Zerschlagung<br />

der Tschechoslowakei machte. Nach<br />

dem „Anschluss“ Österreichs gingen die aktivistischen<br />

Parteien mit Ausnahme der DSAP in<br />

Henleins SdP auf.<br />

Bekanntlich ist bei den Münchener Verhandlungen<br />

über die Auflösung der ČSR deren demokratisch<br />

legitimierte Regierung nicht hinzugezogen<br />

worden. Als „Rest-Tschechei“ bzw. „Zweite Republik“<br />

72 bestand sie noch ein knappes halbes<br />

Jahr weiter, doch im Herbst 1938 hatte die<br />

Tschechoslowakei mit der staatlichen Integrität<br />

auch ihren demokratischen Charakter verloren.<br />

VIII. Schlussbemerkung<br />

Eine strukturelle Schwäche der Demokratie in<br />

der Ersten Tschechoslowakischen Republik lag<br />

in der parteipolitischen Sektionalisierung des öffentlichen<br />

Lebens und der Bildung politischer<br />

Kartelle wie Burg oder Pětka. Eine derart institutionalisierte<br />

Kooperation der Parteien, die mit<br />

ihrer sozialen Klientel über berufsständische Organisationen<br />

und Gewerkschaften eng verflochten<br />

waren, wirkte sich auf die soziale Integration<br />

äußerst günstig aus73 . Doch gerade die Praxis der<br />

Proporzdemokratie – von der Verteilung von<br />

Ministerien als parteipolitischen „Erbhöfen“ bis<br />

hin zum häufig praktizierten Junktim politischer<br />

Entscheidungen74 – verhinderte eine institutio-<br />

71 Vgl. Mamatey, S. 167f ; Hoensch 1992, S. 72 ; Olivová,<br />

S. 196.<br />

72 Vgl. Procházka: Die Zweite Republik, 1938-1939, in:<br />

Mamatey/Luža, S. 276-291, hier S. 282f. Die meisten<br />

Parteien lösten sich nun auf, zwei miteinander kooperierende<br />

Staatsparteien entstanden; Hromádko et al., S.<br />

691 u. 693.<br />

73 Heumos 1989, S. 69.<br />

74 Vgl. Lipscher, S. 121f. Diese „paktierende Gesetzgebung“,<br />

in den USA “log-rolling“ genannt, funktionierte,<br />

wenn zwei (oder mehrere) Koalitionsparteien sich<br />

die Parlamentsmehrheit für ein Vorhaben mit ihrer Zustimmung<br />

zum Projekt der jeweils anderen erkauften,<br />

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