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Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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<strong>Aufsätze</strong> Maximilian Eßer – Vertrauen ist gut, Nachzählung ist besser MIP 2010 16. Jahrgang<br />

„lückenloses“ System ist, bedarf sie der Ergänzung<br />

durch ungeschriebenes Verfassungsrecht,<br />

welches aber niemals losgelöst von der Verfassung<br />

ent- oder bestehen kann, sondern immer<br />

nur als Vervollständigung oder Fortbildung der<br />

geschriebenen Verfassungsprinzipien 65 . Es handelt<br />

sich dabei um Rechtssätze, die vom Normgeber<br />

mitgesetzt, aber nicht fixiert wurden 66 oder<br />

die er als selbstverständlich verstanden hat 67 .<br />

Normerzeugend wird der ungeschriebene<br />

Rechtssatz jedoch erst mit seiner Anerkennung<br />

durch das Bundesverfassungsgericht als „Hüter<br />

der Verfassung“ 68 .<br />

Zum ungeschriebenen Verfassungsrecht zählen<br />

auch Normen des ungeschriebenen Wahlrechts 69 .<br />

Ungeschriebene Wahlrechtsgrundsätze, an denen<br />

sich der Einsatz von Wahlcomputern messen ließe,<br />

sind die Öffentlichkeit der Wahl sowie die<br />

Amtlichkeit der Wahldurchführung.<br />

a) Öffentlichkeit der Wahl<br />

Dass die Öffentlichkeit der Wahl nicht ausdrücklich<br />

im Grundgesetz erwähnt wird, ergibt sich<br />

daraus, dass sie eine nicht begründungsbedürftige<br />

Selbstverständlichkeit darstellt, die sich aus<br />

anderen Verfassungsprinzipien herleiten lässt<br />

65 Das BVerfG spricht in BVerfGE 2, 380 (403) einerseits<br />

von „Sätzen der geschriebenen Verfassung“ und daneben<br />

von „gewissen, sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden<br />

Grundsätzen und Leitlinien, die der Verfassungsgeber,<br />

weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild<br />

geprägt haben, (...) nicht in einem besonderen<br />

Rechtssatz konkretisiert hat“.<br />

66 Voigt, in: VVDStRL 10 (1952), 33 (43); Kunig, Das<br />

Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 96.<br />

67 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik<br />

Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rn. 21; zur Unterscheidung<br />

von nicht fixierten und als selbstverständlich<br />

vorausgesetzten Rechtssätzen vgl. eingehend<br />

Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem<br />

Grundgesetz, 2000, S. 404 ff.<br />

68 Stern, StaatsR I, 2. Aufl., 1984, § 4 I 6.<br />

69 So gelten die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1<br />

S. 1 GG als ungeschriebenes Verfassungsrecht für<br />

Wahlen zu allen Volksvertretungen im staatlichen Bereich<br />

sowie für Volksentscheide, vgl. BVerfGE 47, 253<br />

(276); 51, 222 (234).<br />

74<br />

und im einfachen Wahlrecht 70 genannt wird 71 .<br />

Öffentlichkeit hat nicht nur eine symbolische<br />

Bedeutung, die darin besteht, dass sich der Bürger<br />

öffentlich als Souverän erfährt 72 , sondern sie<br />

ist auch ein wichtiger „Integrationsfaktor“ 73 .<br />

Ohne kontrollierende Öffentlichkeit gibt es keine<br />

von der Volkssouveränität geprägte Demokratie<br />

74 . Im Wahlverfahren gibt die Öffentlichkeit<br />

den Bürgern das Recht, sich zu vergewissern,<br />

dass es nicht zu einer Wahlmanipulation „hinter<br />

verschlossenen Türen“ 75 kommt.<br />

In seinem Urteil erklärt das BVerfG, dass der<br />

Einsatz rechnergesteuerter Wahlgeräte „insbesondere“<br />

76 am Maßstab der Öffentlichkeit der<br />

Wahl zu messen sei.<br />

Es leitet den Öffentlichkeitsgrundsatz aus den in<br />

Art. 20 Abs. 1 und 2 GG geregelten Grundsätzen<br />

der Demokratie, der Republik und des Rechtsstaats<br />

ab 77 .<br />

Das Gericht betont, dass der „Akt der Übertragung<br />

der staatlichen Verantwortung auf die Parlamentarier<br />

einer besonderen Kontrolle unterliegt“<br />

78 . Das Demokratieprinzip gebiete, dass<br />

sich das Wahlvolk selbst zuverlässig von der<br />

Rechtmäßigkeit des Wahlaktes überzeugen können<br />

müsse 79 . Ebenso verlange das Rechtsstaatsprinzip<br />

die Transparenz und Kontrollierbarkeit<br />

staatlicher Machtausübung 80 . Der Grundsatz der<br />

70 Vgl. bspw. §§ 10, 31 BWG sowie §§ 1, 2, 20, 54, 84<br />

BWO.<br />

71 Gröschner, in: VVDStRL 63 (2003), 344 (351); Leder,<br />

in: DÖV 2002, 648 (653); Karpen, Elektronische<br />

Wahlen, 2005, S. 31; zusammenfassend auch Steffani,<br />

Parlamentarische Demokratie, in: ders. (Hrsg.), Parlamentarismus<br />

ohne Transparenz, 2. Aufl., 1973, S. 17 ff.<br />

72 Karpen, Elektronische Wahlen, 2005, S. 31.<br />

73 NRW VerfGH, in: NVwZ 1991, 1175 (1179).<br />

74 Morlok, in: Badura/Dreier, FS 50 Jahre BVerfG, 559<br />

(574).<br />

75 BAG, Beschluss vom 15.11.2000 – 7 ABR 53/99 S. 3.<br />

76 BVerfG, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 Rn. 105. Weitere<br />

mögliche Prüfungsmaßstäbe werden somit nicht explizit<br />

ausgeschlossen. Zwischen den Wahlrechtsgrundsätzen<br />

besteht indes keine Rangfolge, vgl. BVerfGE 99, 1<br />

(13).<br />

77 BVerfG, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 Rn. 107.<br />

78 BVerfG, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 Rn. 106; so auch<br />

schon BVerfGE, NVwZ 2008, 991 (992).<br />

79 BVerfG, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 Rn. 108.<br />

80 BVerfG, 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 Rn. 110.

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