Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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<strong>Aufsätze</strong> Maximilian Eßer – Vertrauen ist gut, Nachzählung ist besser MIP 2010 16. Jahrgang<br />
fahren. So kann zumindest nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass eine Stimme in ihrer informationstechnischen<br />
Verarbeitung auf Grund eines unbeabsichtigten<br />
Softwarefehlers oder aber einer absichtlichen<br />
Manipulation verfälscht wird 35 . Sofern<br />
eine Stimme gar nicht gezählt wird, ist der<br />
entsprechende Wähler von der Wahl ausgeschlossen<br />
und der Grundsatz der Allgemeinheit<br />
der Wahl verletzt. Durch eine Manipulation der<br />
Stimmzuordnung wird zudem zwischen Stimmabgabe<br />
und Zuordnung der Stimme zu einem<br />
Wahlvorschlag die Willensentscheidung des Manipulators<br />
geschaltet. Ein solcher Missbrauch<br />
tangiert den Grundsatz der Unmittelbarkeit der<br />
Wahl 36 . In seinem Urteil vom 3. März 2009 äußert<br />
sich das BVerfG nicht zu den Grundsätzen<br />
der Allgemeinheit und Unmittelbarkeit der Wahl.<br />
Vielmehr behandelt es die Frage der korrekten<br />
Auszählung als Problem der Transparenz im<br />
Rahmen des Öffentlichkeitsgrundsatzes 37 .<br />
b) Freiheit und Geheimheit der Wahl<br />
Die Freiheit der Wahl gewährt, dass die Stimmabgabe<br />
ohne Zwang oder sonstige unzulässige<br />
Beeinflussung erfolgen kann 38 . Die Wahlbeeinflussung<br />
durch Private als Grundrechtsausübung<br />
ist grundsätzlich mit der Wahlfreiheit vereinbar<br />
39 , sofern nicht mit Mitteln des Zwangs oder<br />
ähnlich schwerwiegend auf die Wahlentscheidung<br />
Einfluss genommen wird 40 . Durch einen<br />
manipulierten Wahlcomputer kann der Wählerwille<br />
vor der Stimmabgabe jedoch nicht beeinflusst<br />
werden. Technisch ist es nur möglich, erst<br />
35 Will, NVwZ 2009, 700.<br />
36 Will, NVwZ 2009, 700.<br />
37 Vgl. Mähner, Anmerkung zu BVerfG, 2 BvC 3/07, 2<br />
BvC 4/07, in: ZJS 2009, 733 (734).<br />
38 BVerfGE 7, 63 (69 f.); 66, 369 (380); 95, 335 (350);<br />
vgl. Erichsen, in: Jura 1983, 635 (639).<br />
39 Vgl. OVG Münster, Urteil vom 18.03.1997 - 15 A<br />
6240/96, NVwZ-RR 1998, 196; Achterberg/Schulte,<br />
in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 38 Rn. 128; Magiera,<br />
in: Sachs, Art. 38 Rn. 88.<br />
40 Grenzen ergeben sich aus den Bestimmungen des<br />
Strafrechts über die Nötigung (§ 108 StGB), Täuschung<br />
(§ 108 a StGB) und Bestechung (§ 108 b<br />
StGB) von Wählern. Vgl. BVerfGE 21, 196 (198); 66,<br />
369 (189); Magiera, in: Sachs, Art. 38 Rn. 89.<br />
72<br />
nach der Abgabe der Stimme auf die Entscheidung<br />
des Wählers einzuwirken, indem seine<br />
Stimme gelöscht oder umgeleitet wird. Insofern<br />
liegt keine Verletzung der Wahlfreiheit vor 41 .<br />
Jedoch ist für die Durchsetzung des Freiheitsgrundsatzes<br />
die Beachtung des mit ihm eng verbundenen<br />
42 Grundsatzes der Geheimheit der<br />
Wahl unablässig. Die Geheimheit der Wahl<br />
„stellt den wichtigsten institutionellen Schutz<br />
der Wahlfreiheit dar“ 43 . Allein der Wähler hat<br />
das Recht, den Inhalt seiner eigenen Wahlentscheidung<br />
bei der Stimmabgabe zu kennen. Als<br />
Einrichtung des objektiven Rechts 44 verpflichtet<br />
die Geheimheit der Wahl den Staat dazu, die dafür<br />
erforderlichen Vorkehrungen zu treffen 45 .<br />
Doch senden – wenngleich auch manipulationsfreie<br />
– Wahlcomputer auf verschiedenen UKW-<br />
Frequenzen Signale aus, die innerhalb von wenigen<br />
Metern empfangen werden können, so sind<br />
womöglich Rückschlüsse auf das Wahlverhalten<br />
der Wähler möglich 46 . Da so die Geheimheit der<br />
Wahl verletzt wird, ist nicht sichergestellt, dass<br />
der Bürger innerlich frei seine Stimme abgeben<br />
kann, so dass mithin auch ein Verstoß gegen den<br />
Grundsatz der Freiheit der Wahl vorliegt. Ob der<br />
Einsatz von Wahlcomputern die Geheimheit der<br />
Wahl verletzt, erörtert das BVerfG in seiner Entscheidung<br />
nicht.<br />
c) Gleichheit der Wahl<br />
Das Prinzip der Gleichheit der Wahl sichert die<br />
von dem Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität<br />
der Bürger ab und damit deren Recht auf<br />
gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung<br />
des Volkes durch Wahlen 47 . Sah das<br />
BVerfG den Grundsatz der Wahlgleichheit zunächst<br />
als identischen Anwendungsfall des allge<br />
41 So auch Schiedermair, JZ 2007, 162 (167).<br />
42 Vgl. BVerfGE 5, 85 (232); Pieroth, in: Jarass/Pieroth,<br />
§ 38 Rn. 9; Trute, in: v. Münch/Kunig, Art. 38 Rn. 36.<br />
43 BVerfGE 99, 1 (3).<br />
44 Morlok, in: Dreier, Art. 38 Rn. 115 m.w.N.<br />
45 Trute, in: v. Münch/Kunig, Art. 38 Rn. 66, 69 f.<br />
46 Vgl. Schiedermair, in: JZ 2007, 162 (168) m.w.N.<br />
47 Vgl. Schreiber, BWahlG, 8. Aufl., 2009, § 1 Rn. 42.