Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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Aufsätze Johannes N. Blumenberg/Manuela S. Kulick – Zur Perspektive der SPD nach der Bundestagswahl 2009 MIP 2010 16. Jahrgang einverstanden sind sich einer anderen Partei zuwenden, vorausgesetzt es existiert keine starke Parteibindung. 21 Das Ergebnis mag der SPD Anlass zu der Hoffnung geben, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl, unter sicherlich anderen Voraussetzungen, gute Chancen hat deutlich mehr Stimmen zu gewinnen. Ob dafür allerdings Frank-Walter Steinmeier der geeignete Kandidat ist, ist fraglich. Potenzial ist bei den kurzfristig abgewanderten Wählern zumindest zu erkennen, auch wenn bei diesen die Bewertungen für den Kanzlerkandidaten nur bedingt positiv ausfallen. Die Wahlniederlage der SPD allein auf den Kanzlerkandidaten Steinmeier zurückzuführen wäre jedoch falsch. Auch der Faktor „Issues“ hat großen Einfluss auf die Wahlentscheidung der Bürger. 2. Issues Issues sind, sofern in den Issuefeldern Konfliktpotential vorliegt, als einer der Faktoren zu benennen, welche Wechselwahlverhalten begünstigen. 22 Zur Untersuchung dieses Einflusses kann dabei in dieser Untersuchung die Nennung des wichtigsten Problems und der dazugehörigen vermuteten Lösungskompetenz genannt werden. Daneben ist auch die Gegenüberstellung der eigenen Präferenzen und der antizipierten Positionen von Parteien zu bestimmten Themen zu erörtern. Durch Differenzen zwischen den eigenen Vorstellungen und der Idee, wie die einzelnen Parteien zu diesen stehen, können Wahlentscheidungen zumindest anteilig erklärt werden. Ausgangspunkt hierfür ist die Feststellung, dass Parteipositionen von Akteuren durchaus unterschiedlich wahrgenommen werden. 23 21 Bei einer starken Parteiidentifikation sind Wähler bereit auch über einen „negativen“ Kandidaten hinwegzusehen und ihrer präferierten Partei weiterhin die Stimme zu geben. (vgl. Brettschneider, Frank (2002): Spitzenkandidaten und Wahlerfolg. Personalisierung - Kompetenz – Parteien, Wiesbaden, S. 57f.). 22 Schoen, Harald (2003): Wählerwandel und Wechselwahl. Wiesbaden, S. 171. 23 Vgl. hierzu auch Pappi, Franz Urban/Shikano, Susumu (2007): Wahl- und Wählerforschung, Baden-Baden, S. 115ff. 66 Dennoch lassen sich bei den durch die Umfrage abgedeckten Themen (eigene Position zum Afghanistankrieg, Angst vor Wirtschaftskrise, Einstellung zu Steuern und Abgaben sowie Abschaltung von Kernkraftwerken) nur in einzelnen Bereichen – oft nur marginale – Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen loyale und ehemalige SPD-Wähler erkennen. Insgesamt sind die loyalen und die ehemaligen SPD-Wähler sich darüber einig, dass sie von der Grundtendenz eher zu einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan neigen. Bei den ehemaligen SPD-Wählern ist diese Position stärker ausgeprägt. Bei der Frage nach einer Senkung von Steuern und Abgaben, sprechen sich überraschenderweise die ehemaligen Wähler gleichsam mit leichter Tendenz (Mittelwert 5,8924 ) dafür aus, auch wenn dafür sozialstaatliche Leistungen gekürzt werden müssen, während die loyalen SPD-Wähler eher gegenteiliger Meinung sind (6,34). Die Präferenz für die Abschaltung der Atomkraftwerke entspricht hingegen den gängigen Vorstellungen über die Ansichten der SPD-Wählerschaft. Bei der Betrachtung der eigenen Positionen im Vergleich zu den erwarteten Vorstellungen der SPD lassen sich teilweise große Unterschiede erkennen. So sind die angegebenen Werte zwischen SPD und der eigenen Vorstellung in der Gruppe der SPD-Wähler bei der Position zu Steuern und Abgaben fast deckungsgleich, bei den ehemaligen SPD-Wählern jedoch mit einer Differenz von 0,6 Punkten auf einer 11er Skala zu beziffern. In der Differenz manifestiert sich dabei der erwartete Unterschied zwischen der eigenen Position und dem parteilichen Standpunkt. Der SPD wird dabei eher die klassische Position „mehr sozialstaatliche Leistungen“ und damit verbunden „höhere Steuern und Abgaben“ zuge- 24 Die Befragten wurden gebeten zunächst die einzelnen Parteien und später sich selbst in eine Skala von 1 bis 11 einzuordnen, wobei der Achsenwert „1“ der Antwort „Weniger Steuern/weniger sozialstaatliche Leistungen“ und der Wert „11“ der Antwort „Mehr sozialstaatliche Leistungen/mehr Steuern“ entsprach.
MIP 2010 16. Jahrgang Johannes N. Blumenberg/Manuela S. Kulick – Zur Perspektive der SPD nach der Bundestagswahl 2009 Aufsätze schrieben, während die ehemaligen Wähler sich eher Steuererleichterungen wünschen. Auch lassen sich Unterschiede zwischen der eigenen Position und der der SPD bei der Frage nach der Einstellung zur Kernkraft25 erkennen. Wie bereits angesprochen decken sich hierbei die Vorstellungen der ehemaligen und der loyalen Wähler. Uneinig sind sie sich jedoch über die Position der SPD. Weicht die SPD aus Sicht der loyalen SPD-Wähler mit nur 0,24 Punkten tendenziell gegen eine Abschaltung nach unten ab, so beträgt dieser Wert bei den ehemaligen Wählern 0,93 Punkte – eine Abweichung, die insbesondere bei Wählern mit einer hohen Gewichtung dieses Themas viele Stimmen gekostet haben könnte. Tab. 2: Eigene und antizipierte Positionen Steuern und Abgaben loyale SPD-Wähler 2009 gesamt ehemalige kurzfristig dauerhaft Ego 6,34 5,89 5,85 5,94 SPD 6,64 6,49 6,53 6,50 Diff. -0,30 -0,60 -0,68 -0,56 Kernkraft Ego 7,54 7,67 7,64 7,72 SPD 7,30 6,74 6,68 6,82 Diff. 0,24 0,93 0,96 0,90 Wirtschaftskrise Ego 3,40 3,51 3,44 3,56 Afghanistan Ego 2,84 2,42 2,37 2,50 Quelle: GLES, eigene Zusammenstellung Bei der weiteren Aufgliederung der ehemaligen Wähler ist auffällig, dass in der Gruppe der kurzfristig abgewanderten Wähler die Differenzen zwischen der erwarteten Einstellung der SPD und der eigenen Einstellung größer sind, als bei den verlorenen Wählern. Diese tendieren in ihren Vorstellungen zudem nur gemäßigt mehr zum Abbau von Kernenergie und mehr sozialstaatlichen Leistungen, wo sie weiterhin hinter der Einschätzung der SPD-Positionen zurück bleiben. In Anbetracht der vielfach angemahnten 25 Ebenfalls eine 11er Skala mit den Achsenwerten „1“ „Weiterer Ausbau der Kernenergie“ und „11“ „Sofortige Abschaltung aller Kernkraftwerke“. Verluste der SPD durch DIE LINKE, welche augenscheinlich das bessere, weil stärker sozial ausgelegte Profil bot, ist dies ein sehr überraschendes Ergebnis. Auch hier bestätigt sich die bereits geäußerte Vermutung, dass eine Transformation der SPD hin zum stärkeren Eintreten für soziale Gerechtigkeit dieser nicht gut tun würde. Hingegen scheint sich die Mehrheit geringere Steuern zu wünschen. An dieser Stelle ist jedoch abermals anzumerken, dass es im Datensatz eine Verzerrung zur höheren Bildungs- und damit auch Einkommensschicht gibt, Arbeitslose nicht genügend repräsentiert werden und die Fragestellung „Manche wollen weniger Steuern und Abgaben, auch wenn das weniger sozialstaatliche Leistungen bedeutet, andere wollen mehr sozialstaatliche Leistungen, auch wenn das mehr Steuern und Abgaben bedeutet“ aufgrund der nicht genauen Benennung sozialstaatlicher Leistungen ein bestimmtes Antwortverhalten provoziert. Als wichtigste Probleme wurden von allen betrachteten Gruppen die Wirtschaftskrise (36,8 Prozent loyale und 32,4 Prozent ehemalige SPD- Wähler) und Arbeitslosigkeit (35,6 Prozent und 32,4 Prozent) genannt. Abseits von diesen ist kein Problem mit einer besonderen Nennungshäufung anzuführen. Lösungskompetenzen werden der SPD dabei vor allem durch die Gruppe der loyalen SPD-Wähler zugesprochen. Diese trauen ihr zu 46,1 Prozent zu die mit der Wirtschaftskrise verbundenen Probleme zu lösen. Dass die SPD die richtige Partei sei um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, glaubten sogar 56,9 Prozent der loyalen SPD-Anhänger. Auffällig ist, dass die anderen Parteien insgesamt nur selten benannt wurden, wenn es um die Frage ging, welche Partei die Probleme zu lösen vermag. So war die zweithäufigste Nennung bei den loyalen SPD-Wählern „keine Partei“ (Wirtschaftskrise: 22,6 Prozent; Arbeitslosigkeit: 21,8 Prozent). Eine Antwort, die auch die ehemaligen Wähler eindeutig favorisierten (28,8 Prozent und 30,6 Prozent) und welche der SPD nur noch Lösungskompetenzen im gleichen Maße zutrauen wie „keiner Partei“. Diese benannten zudem die CDU ver- 67
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MIP 2010 16. Jahrgang Johannes N. Blumenberg/Manuela S. Kulick – Zur Perspektive der SPD nach der Bundestagswahl 2009 <strong>Aufsätze</strong><br />
schrieben, während die ehemaligen Wähler sich<br />
eher Steuererleichterungen wünschen.<br />
Auch lassen sich Unterschiede zwischen der eigenen<br />
Position und der der SPD bei der Frage<br />
nach der Einstellung zur Kernkraft25 erkennen.<br />
Wie bereits angesprochen decken sich hierbei<br />
die Vorstellungen der ehemaligen und der loyalen<br />
Wähler. Uneinig sind sie sich jedoch über die<br />
Position der SPD. Weicht die SPD aus Sicht der<br />
loyalen SPD-Wähler mit nur 0,24 Punkten tendenziell<br />
gegen eine Abschaltung nach unten ab,<br />
so beträgt dieser Wert bei den ehemaligen Wählern<br />
0,93 Punkte – eine Abweichung, die insbesondere<br />
bei Wählern mit einer hohen Gewichtung<br />
dieses Themas viele Stimmen gekostet haben<br />
könnte.<br />
Tab. 2: Eigene und antizipierte Positionen<br />
Steuern und<br />
Abgaben<br />
loyale<br />
SPD-Wähler 2009<br />
gesamt<br />
ehemalige<br />
kurzfristig dauerhaft<br />
Ego 6,34 5,89 5,85 5,94<br />
SPD 6,64 6,49 6,53 6,50<br />
Diff. -0,30 -0,60 -0,68 -0,56<br />
Kernkraft Ego 7,54 7,67 7,64 7,72<br />
SPD 7,30 6,74 6,68 6,82<br />
Diff. 0,24 0,93 0,96 0,90<br />
Wirtschaftskrise<br />
Ego 3,40 3,51 3,44 3,56<br />
Afghanistan Ego 2,84 2,42 2,37 2,50<br />
Quelle: GLES, eigene Zusammenstellung<br />
Bei der weiteren Aufgliederung der ehemaligen<br />
Wähler ist auffällig, dass in der Gruppe der kurzfristig<br />
abgewanderten Wähler die Differenzen<br />
zwischen der erwarteten Einstellung der SPD<br />
und der eigenen Einstellung größer sind, als bei<br />
den verlorenen Wählern. Diese tendieren in ihren<br />
Vorstellungen zudem nur gemäßigt mehr<br />
zum Abbau von Kernenergie und mehr sozialstaatlichen<br />
Leistungen, wo sie weiterhin hinter<br />
der Einschätzung der SPD-Positionen zurück<br />
bleiben. In Anbetracht der vielfach angemahnten<br />
25 Ebenfalls eine 11er Skala mit den Achsenwerten „1“<br />
„Weiterer Ausbau der Kernenergie“ und „11“ „Sofortige<br />
Abschaltung aller Kernkraftwerke“.<br />
Verluste der SPD durch DIE LINKE, welche augenscheinlich<br />
das bessere, weil stärker sozial<br />
ausgelegte Profil bot, ist dies ein sehr überraschendes<br />
Ergebnis. Auch hier bestätigt sich die<br />
bereits geäußerte Vermutung, dass eine Transformation<br />
der SPD hin zum stärkeren Eintreten für<br />
soziale Gerechtigkeit dieser nicht gut tun würde.<br />
Hingegen scheint sich die Mehrheit geringere<br />
Steuern zu wünschen.<br />
An dieser Stelle ist jedoch abermals anzumerken,<br />
dass es im Datensatz eine Verzerrung zur<br />
höheren Bildungs- und damit auch Einkommensschicht<br />
gibt, Arbeitslose nicht genügend repräsentiert<br />
werden und die Fragestellung „Manche<br />
wollen weniger Steuern und Abgaben, auch<br />
wenn das weniger sozialstaatliche Leistungen<br />
bedeutet, andere wollen mehr sozialstaatliche<br />
Leistungen, auch wenn das mehr Steuern und<br />
Abgaben bedeutet“ aufgrund der nicht genauen<br />
Benennung sozialstaatlicher Leistungen ein bestimmtes<br />
Antwortverhalten provoziert.<br />
Als wichtigste Probleme wurden von allen betrachteten<br />
Gruppen die Wirtschaftskrise (36,8<br />
Prozent loyale und 32,4 Prozent ehemalige SPD-<br />
Wähler) und Arbeitslosigkeit (35,6 Prozent und<br />
32,4 Prozent) genannt. Abseits von diesen ist<br />
kein Problem mit einer besonderen Nennungshäufung<br />
anzuführen.<br />
Lösungskompetenzen werden der SPD dabei vor<br />
allem durch die Gruppe der loyalen SPD-Wähler<br />
zugesprochen. Diese trauen ihr zu 46,1 Prozent<br />
zu die mit der Wirtschaftskrise verbundenen Probleme<br />
zu lösen. Dass die SPD die richtige Partei<br />
sei um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen,<br />
glaubten sogar 56,9 Prozent der loyalen<br />
SPD-Anhänger. Auffällig ist, dass die anderen<br />
Parteien insgesamt nur selten benannt wurden,<br />
wenn es um die Frage ging, welche Partei<br />
die Probleme zu lösen vermag. So war die zweithäufigste<br />
Nennung bei den loyalen SPD-Wählern<br />
„keine Partei“ (Wirtschaftskrise: 22,6 Prozent;<br />
Arbeitslosigkeit: 21,8 Prozent). Eine Antwort,<br />
die auch die ehemaligen Wähler eindeutig<br />
favorisierten (28,8 Prozent und 30,6 Prozent)<br />
und welche der SPD nur noch Lösungskompetenzen<br />
im gleichen Maße zutrauen wie „keiner<br />
Partei“. Diese benannten zudem die CDU ver-<br />
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