Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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MIP 2010 16. Jahrgang Nachruf<br />
Den Ministerpräsidenten Papandreou beriet er in<br />
Verfassungsfragen. Bis 1977 war Tsatsos Mitglied<br />
des ersten Nachdiktaturparlamentes und<br />
Generalreferent aller Oppositionsparteien für die<br />
demokratische Verfassungsreform.<br />
Neben dem teilnehmenden Interesse an der Politik<br />
in Griechenland wandte sich Dimitris Th.<br />
Tsatsos – leidenschaftlicher Europäer – zunehmend<br />
der Europapolitik zu. Im Jahre 1994 zog er<br />
für sein Land und die Sozialdemokratische Partei<br />
Europas in das Europäische Parlament ein,<br />
dessen Mitglied er bis 2004 blieb. Die Mischung<br />
aus politischem Sachverstand, juristischer Klugheit<br />
und überzeugtem Europäertum brachte ihm<br />
hohes Ansehen im institutionellen Ausschuss<br />
ein. Die Bestimmung über die Europäischen Politischer<br />
Parteien, nunmehr geregelt in Art. 10<br />
Abs. 4 EUV, vormals in Art. 191 EGV (ex-<br />
Art. 138 a EGV) wurde von Dimitris Th. Tsatsos<br />
maßgeblich geprägt und in einem engagierten<br />
Kampf normativ auf europäischer Ebene verankert.<br />
IV. Seine Bedeutung für die griechische Verfassungsrechtswissenschaft<br />
spiegelt sich darin, dass<br />
Dimitris Th. Tsatsos das Verfassungsrecht wesentlich<br />
prägte und in drei Bänden das bedeutendste<br />
Grundlagenwerk verfasste. Außerdem<br />
fungierte er von 1989 bis 1992 als Präsident der<br />
griechischen Staatsrechtslehrer-Vereinigung.<br />
Im deutschen Parteienrecht hinterließ er als Begründer<br />
und Mitherausgeber der beim Nomos-<br />
Verlag erscheinenden „Schriften zum Parteienrecht“<br />
bleibende Spuren.<br />
V. Für seine vielfältigen Verdienste wurde Tsatsos<br />
mehrfach in Deutschland und Griechenland<br />
geehrt und ausgezeichnet: Er war Träger des<br />
Kulturpreises Europa im Jahre 1995, erhielt<br />
1998 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse<br />
und 2002 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Die Universitäten Thessaloniki und Kreta verliehen<br />
ihm Ehrendoktorwürden, drei griechische<br />
Städte ernannten ihn zum Ehrenbürger.<br />
VI. Dimitris Th. Tsatsos war ein beispielloser<br />
Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Politik.<br />
Er war ein renommierter europäischer Jurist,<br />
überzeugter Europäer und mutiger Demokrat.<br />
Seine unermüdlichen Bemühungen, das Recht<br />
der Politik zu entwickeln und die rechtliche Einbettung<br />
der Politik zu untersuchen und herauszustellen,<br />
zeigt auch ein kurzes Portfolio einiger<br />
seiner großen wissenschaftlichen Werke: Die<br />
parlamentarische Betätigung von öffentlichen<br />
Bediensteten. Das Problem ihrer Beschränkbarkeit<br />
(1968); Der verwaltungsrechtliche Organstreit<br />
(1969); Von der Würde des Staates zur<br />
Glaubwürdigkeit der Politik (1987); Parteienrecht<br />
(1982); Verfassung – Parteien - Europa mit<br />
Abhandlungen aus den Jahren 1962-1998<br />
(1998/1999); Die europäische Unionsgrundordnung<br />
(1995); Die Uniongrundordnung – Handbuch<br />
der Europäischen Verfassung (2010).<br />
Dimitris Th. Tsatsos lebte in Griechenland und<br />
in Deutschland abwechselnd, oft hatten Freunde<br />
den Eindruck gleichzeitig. Er beförderte durch<br />
seine unzähligen persönlichen Kontakte den politischen<br />
und wissenschaftlichen Austausch zwischen<br />
den beiden Ländern. Er lebte die vergleichende<br />
Verfassungslehre in seiner Person. Beeindruckend<br />
war seine Gabe, die Menschen für<br />
eine Sache oder Überzeugung zu begeistern. Er<br />
verband Politik und Wissenschaft und dies generationenübergreifend.<br />
Wir verlieren mit Dimitris Th. Tsatsos einen<br />
großen europäischen Juristen, einen renommierten<br />
Wissenschaftler und allseits geachteten Verfassungspolitiker;<br />
einen Mann, der wie wenige<br />
in Theorie und Praxis seine Überzeugungen lebte<br />
und dadurch andere zu überzeugen vermochte.<br />
Wir verlieren einen einzigartigen Menschen und<br />
Freund.<br />
Dieser Band der Mitteilungen des Instituts für<br />
Deutsches und Europäisches Parteienrecht und<br />
Parteienforschung ist ihm gewidmet.<br />
Prof. Dr. Martin Morlok<br />
Prof. Dr. Ulrich von Alemann<br />
Dr. Heike Merten<br />
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