Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

25.02.2013 Aufrufe

Nachruf MIP 2010 16. Jahrgang Nachruf Zum Gedenken an Prof. Dr. Dr. h.c. Dimitris Th. Tsatsos I. Am 24. April 2010 ist der Gründer des heutigen Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht und Parteienforschung nach kurzer schwerer Krankheit in Athen im Alter von 76 Jahren verstorben. Dies ist uns trauriger Anlass, einige Blicke auf Leben und Wirken dieses großen europäischen Juristen zu werfen. II. Dimitris Th. Tsatsos wurde am 5. Mai 1933 in Athen geboren. Er studierte Rechtswissenschaft in Athen und Heidelberg. In seiner Heimatstadt wurde er 1960 promoviert zum Thema „Der Begriff der im öffentlichen Interesse erlassenen Rechtsnorm im griechischen Staatshaftungssystem“. Acht Jahre später folgte die Habilitation in Athen zum Thema „Wirtschaftliche Inkompatibilitäten im Parlamentsrecht“. Da ihm die damalige Militärdiktatur die Vorlesungserlaubnis verweigerte, habilitierte er sich 1968 ein zweites Mal an der Universität Bonn zum Thema „Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten. Das Problem ihrer Beschränkbarkeit“. Von 1969 bis 1974 hatte er eine Professur an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn inne. In Thessaloniki war er nach dem Ende der Diktatur von 1974 bis 1980 Professor für Verfassungsrecht, an der Athener Panteion-Universität von 1980 bis 1989 Inhaber des Lehrstuhls für Verfassungsrecht. 4 Im Jahre 1980 erhielt Dimitris Th. Tsatsos zugleich einen Lehrstuhl für Deutsches und Ausländisches Staatsrecht und Staatslehre an der Fernuniversität in Hagen. Als Gründungsprofessor war er am Aufbau der Juristischen Fakultät in Hagen beteiligt und prägte sie entscheidend. Tsatsos etablierte u. a. den – damals noch in Kooperation mit der Fernuniversität Hagen durchgeführten – Studiengang Rechtswissenschaft in Düsseldorf. 1991 gründete er in Hagen das Institut für Deutsches und Europäisches Parteienrecht, das er bis zu seiner Emeritierung als Direktor leitete. Seit 1998 saß er dem Kuratorium dieses Instituts vor, dem er, auch nach der Verlagerung an die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und die Erweiterung um die sozialwissenschaftliche Parteienforschung, bis zu seinem Tode eng verbunden blieb. Dimitris Th. Tsatsos war seit 2003 auch als Honorarprofessor Mitglied der Juristischen Fakultät in Düsseldorf. Seit Mai 2003 war er zudem Vorstandsmitglied des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften in Hagen, das ihn zu seinem Ehrendirektor ernannte. Auch als Emeritus arbeitete er hier tatkräftig an der Aufarbeitung grundsätzlicher Fragen der Europäischen Union und ihrer Verfassung mit. III. Neben dem Wissenschaftler Dimitris Th. Tsatsos darf aber auch der aktive homo politicus oder, um es in seiner Muttersprache zu sagen, das zoon politikon Dimitris Th. Tsatsos nicht vergessen werden. Als mutiger Demokrat kehrte Dimitris Tsatsos zu Zeiten der Obristen in sein Heimatland zurück, wo er im März 1973 von der Militärjunta verhaftet wurde. Nach sechsmonatiger Haft wurde er – auf massiven öffentlichen Druck, u. a. von deutschen Politikern, namentlich Johannes Rau, Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel und Willy Brandt – aus der Haft entlassen. Nach dem Ende der Militärdiktatur trat er als stellvertretender Kultusminister in die „Regierung der nationalen Einheit“ unter Konstantin Karamanlis ein und entwarf das erste griechische Hochschulgesetz. Danach wirkte er an der nötig gewordenen Verfassungsreform mit.

MIP 2010 16. Jahrgang Nachruf Den Ministerpräsidenten Papandreou beriet er in Verfassungsfragen. Bis 1977 war Tsatsos Mitglied des ersten Nachdiktaturparlamentes und Generalreferent aller Oppositionsparteien für die demokratische Verfassungsreform. Neben dem teilnehmenden Interesse an der Politik in Griechenland wandte sich Dimitris Th. Tsatsos – leidenschaftlicher Europäer – zunehmend der Europapolitik zu. Im Jahre 1994 zog er für sein Land und die Sozialdemokratische Partei Europas in das Europäische Parlament ein, dessen Mitglied er bis 2004 blieb. Die Mischung aus politischem Sachverstand, juristischer Klugheit und überzeugtem Europäertum brachte ihm hohes Ansehen im institutionellen Ausschuss ein. Die Bestimmung über die Europäischen Politischer Parteien, nunmehr geregelt in Art. 10 Abs. 4 EUV, vormals in Art. 191 EGV (ex- Art. 138 a EGV) wurde von Dimitris Th. Tsatsos maßgeblich geprägt und in einem engagierten Kampf normativ auf europäischer Ebene verankert. IV. Seine Bedeutung für die griechische Verfassungsrechtswissenschaft spiegelt sich darin, dass Dimitris Th. Tsatsos das Verfassungsrecht wesentlich prägte und in drei Bänden das bedeutendste Grundlagenwerk verfasste. Außerdem fungierte er von 1989 bis 1992 als Präsident der griechischen Staatsrechtslehrer-Vereinigung. Im deutschen Parteienrecht hinterließ er als Begründer und Mitherausgeber der beim Nomos- Verlag erscheinenden „Schriften zum Parteienrecht“ bleibende Spuren. V. Für seine vielfältigen Verdienste wurde Tsatsos mehrfach in Deutschland und Griechenland geehrt und ausgezeichnet: Er war Träger des Kulturpreises Europa im Jahre 1995, erhielt 1998 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und 2002 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Universitäten Thessaloniki und Kreta verliehen ihm Ehrendoktorwürden, drei griechische Städte ernannten ihn zum Ehrenbürger. VI. Dimitris Th. Tsatsos war ein beispielloser Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Politik. Er war ein renommierter europäischer Jurist, überzeugter Europäer und mutiger Demokrat. Seine unermüdlichen Bemühungen, das Recht der Politik zu entwickeln und die rechtliche Einbettung der Politik zu untersuchen und herauszustellen, zeigt auch ein kurzes Portfolio einiger seiner großen wissenschaftlichen Werke: Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten. Das Problem ihrer Beschränkbarkeit (1968); Der verwaltungsrechtliche Organstreit (1969); Von der Würde des Staates zur Glaubwürdigkeit der Politik (1987); Parteienrecht (1982); Verfassung – Parteien - Europa mit Abhandlungen aus den Jahren 1962-1998 (1998/1999); Die europäische Unionsgrundordnung (1995); Die Uniongrundordnung – Handbuch der Europäischen Verfassung (2010). Dimitris Th. Tsatsos lebte in Griechenland und in Deutschland abwechselnd, oft hatten Freunde den Eindruck gleichzeitig. Er beförderte durch seine unzähligen persönlichen Kontakte den politischen und wissenschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern. Er lebte die vergleichende Verfassungslehre in seiner Person. Beeindruckend war seine Gabe, die Menschen für eine Sache oder Überzeugung zu begeistern. Er verband Politik und Wissenschaft und dies generationenübergreifend. Wir verlieren mit Dimitris Th. Tsatsos einen großen europäischen Juristen, einen renommierten Wissenschaftler und allseits geachteten Verfassungspolitiker; einen Mann, der wie wenige in Theorie und Praxis seine Überzeugungen lebte und dadurch andere zu überzeugen vermochte. Wir verlieren einen einzigartigen Menschen und Freund. Dieser Band der Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht und Parteienforschung ist ihm gewidmet. Prof. Dr. Martin Morlok Prof. Dr. Ulrich von Alemann Dr. Heike Merten 5

Nachruf MIP 2010 16. Jahrgang<br />

Nachruf<br />

Zum Gedenken an Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Dimitris Th. Tsatsos<br />

I. Am 24. April 2010 ist der Gründer des heutigen<br />

Instituts für Deutsches und Europäisches<br />

Parteienrecht und Parteienforschung nach kurzer<br />

schwerer Krankheit in Athen im Alter von 76<br />

Jahren verstorben. Dies ist uns trauriger Anlass,<br />

einige Blicke auf Leben und Wirken dieses<br />

großen europäischen Juristen zu werfen.<br />

II. Dimitris Th. Tsatsos wurde am 5. Mai 1933 in<br />

Athen geboren. Er studierte Rechtswissenschaft<br />

in Athen und Heidelberg. In seiner Heimatstadt<br />

wurde er 1960 promoviert zum Thema „Der Begriff<br />

der im öffentlichen Interesse erlassenen<br />

Rechtsnorm im griechischen Staatshaftungssystem“.<br />

Acht Jahre später folgte die Habilitation in<br />

Athen zum Thema „Wirtschaftliche Inkompatibilitäten<br />

im Parlamentsrecht“. Da ihm die damalige<br />

Militärdiktatur die Vorlesungserlaubnis verweigerte,<br />

habilitierte er sich 1968 ein zweites<br />

Mal an der Universität Bonn zum Thema „Die<br />

parlamentarische Betätigung von öffentlichen<br />

Bediensteten. Das Problem ihrer Beschränkbarkeit“.<br />

Von 1969 bis 1974 hatte er eine Professur<br />

an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät<br />

der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />

in Bonn inne. In Thessaloniki war er<br />

nach dem Ende der Diktatur von 1974 bis 1980<br />

Professor für Verfassungsrecht, an der Athener<br />

Panteion-Universität von 1980 bis 1989 Inhaber<br />

des Lehrstuhls für Verfassungsrecht.<br />

4<br />

Im Jahre 1980 erhielt Dimitris Th. Tsatsos zugleich<br />

einen Lehrstuhl für Deutsches und Ausländisches<br />

Staatsrecht und Staatslehre an der<br />

Fernuniversität in Hagen. Als Gründungsprofessor<br />

war er am Aufbau der Juristischen Fakultät<br />

in Hagen beteiligt und prägte sie entscheidend.<br />

Tsatsos etablierte u. a. den – damals noch in Kooperation<br />

mit der Fernuniversität Hagen durchgeführten<br />

– Studiengang Rechtswissenschaft in<br />

Düsseldorf.<br />

1991 gründete er in Hagen das Institut für Deutsches<br />

und Europäisches Parteienrecht, das er bis<br />

zu seiner Emeritierung als Direktor leitete. Seit<br />

1998 saß er dem Kuratorium dieses Instituts vor,<br />

dem er, auch nach der Verlagerung an die Heinrich-Heine-Universität<br />

in Düsseldorf und die Erweiterung<br />

um die sozialwissenschaftliche Parteienforschung,<br />

bis zu seinem Tode eng verbunden<br />

blieb. Dimitris Th. Tsatsos war seit 2003 auch<br />

als Honorarprofessor Mitglied der Juristischen<br />

Fakultät in Düsseldorf.<br />

Seit Mai 2003 war er zudem Vorstandsmitglied<br />

des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften<br />

in Hagen, das ihn zu seinem Ehrendirektor<br />

ernannte. Auch als Emeritus arbeitete er<br />

hier tatkräftig an der Aufarbeitung grundsätzlicher<br />

Fragen der Europäischen Union und ihrer<br />

Verfassung mit.<br />

III. Neben dem Wissenschaftler Dimitris Th.<br />

Tsatsos darf aber auch der aktive homo politicus<br />

oder, um es in seiner Muttersprache zu sagen,<br />

das zoon politikon Dimitris Th. Tsatsos nicht<br />

vergessen werden. Als mutiger Demokrat kehrte<br />

Dimitris Tsatsos zu Zeiten der Obristen in sein<br />

Heimatland zurück, wo er im März 1973 von der<br />

Militärjunta verhaftet wurde. Nach sechsmonatiger<br />

Haft wurde er – auf massiven öffentlichen<br />

Druck, u. a. von deutschen Politikern, namentlich<br />

Johannes Rau, Hans-Dietrich Genscher,<br />

Walter Scheel und Willy Brandt – aus der Haft<br />

entlassen. Nach dem Ende der Militärdiktatur<br />

trat er als stellvertretender Kultusminister in die<br />

„Regierung der nationalen Einheit“ unter Konstantin<br />

Karamanlis ein und entwarf das erste<br />

griechische Hochschulgesetz. Danach wirkte er<br />

an der nötig gewordenen Verfassungsreform mit.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!