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Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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MIP 2010 16. Jahrgang Stefan Thierse – Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament <strong>Aufsätze</strong><br />

führenden Ausschuss nachvollziehen, da diese<br />

für die gesamtparlamentarische Positionierung<br />

und die interinstitutionellen Verhandlungen am<br />

bedeutsamsten sind.<br />

Divergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen<br />

Regierungen im Rat über EU-weite arbeits- und<br />

sozialrechtliche Regulierungsstandards übersetzen<br />

sich nicht wie anderswo (vgl. Høyland/Hagemann<br />

2007: 15) vermutet in eine Spaltung des<br />

EP entlang parteipolitischer Frontlinien. Die<br />

Scheidelinie verläuft stattdessen fraktionsübergreifend<br />

zwischen Befürwortern und Gegnern<br />

übernationaler Regulierungsstandards.<br />

V. Bilanz und Ausblick<br />

Ein Urteil über die Fähigkeit der Fraktionen im<br />

EP, in Sachfragen von hoher Konfliktintensität<br />

als geschlossene Akteure aufzutreten und sich<br />

im Parteienwettbewerb einheitlich zu positionieren,<br />

muss im Lichte der Ergebnisse der Fallstudie<br />

geteilt ausfallen. Unbestritten ist die Geschlossenheit<br />

der Fraktionen in Änderungsanträgen<br />

anderer Fraktionen beträchtlich (vgl. Tabelle<br />

4). Gleichwohl ist die „Abwehr“ inhaltlicher<br />

Forderungen seitens diametral positionierter<br />

Gegner im Parteienwettbewerb kaum eine anspruchsvolle<br />

Bedingung für die Aufrechterhaltung<br />

fraktioneller Geschlossenheit. “[T]he real<br />

test for the strength of party groups is to analyze<br />

the cohesion of parties when there is a considerable<br />

divergence of preferences within parties and<br />

a considerable overlap of preferences between<br />

parties” (Faas 2003: 849; Hervorhebung i.O.).<br />

Hier ergibt sich ein anderes Bild. In den vom<br />

Beschäftigungsausschuss formulierten Änderungsanträgen<br />

weisen die fraktionalisierten<br />

EVP-ED und ALDE eine merklich niedrigere<br />

Abstimmungsgeschlossenheit auf, die auf die<br />

Spaltung entlang nationaler Parteizugehörigkeit<br />

zurückzuführen ist. Genau jene politisch relevanten<br />

und für die Verhandlungsposition des gesamten<br />

EP zentralen Abstimmungsgegenstände<br />

stellen aus Sicht der EVP-ED und der ALDE das<br />

größte Hindernis zur Wahrung fraktioneller Geschlossenheit<br />

dar. Dies reflektiert offenkundig<br />

die höhere ideologische Bandbreite der Mitgliedsparteien<br />

in Bezug auf das Erfordernis<br />

übernationaler Regulierungsstandards. Dass die<br />

EVP-ED selbst in Abstimmungen über eigene<br />

Änderungsanträge keine höhere Geschlossenheit<br />

erreicht, unterstreicht grundsätzliche Differenzen<br />

zwischen den nationalen Delegationen. Ein Vergleich<br />

des Stimmverhaltens mit der Konfliktkonstellation<br />

im Rat liefert Indizien dafür, dass<br />

zumindest innerhalb der christdemokratischkonservativen<br />

Fraktion ordnungspolitische Prägungen<br />

und Präferenzen zwischen Mitgliedstaaten<br />

mit wenig bzw. stark regulierten Arbeitsmärkten<br />

schwer miteinander vereinbar sind. Die<br />

Annahme, dass die Übereinstimmung zwischen<br />

den Positionen der nationalen Delegation und<br />

der Fraktionsführung die Vorbedingung für<br />

messbare Geschlossenheit darstellt, kann insofern<br />

bestätigt werden. Dies belegt auch das Beispiel<br />

der SPE, in der selbst widerstreitende Präferenzen<br />

zwischen nationaler Parteiführung und<br />

Fraktionsführung nicht zu einem Loyalitätskonflikt<br />

der Labour-Abgeordneten führten. Abstrahiert<br />

man von der internen Spaltung der beiden<br />

Fraktionen, zeigen sich in den namentlichen Abstimmungen<br />

zu den vom Ausschuss eingebrachten<br />

Änderungsvorschlägen allerdings auch Tendenzen<br />

links-rechts-basierter Lagerkoalitionen.<br />

Vor allem ALDE und KVEL/NGL markieren in<br />

ordnungs- und sozialpolitischen Fragen gegensätzliche<br />

Pole im Parteienwettbewerb. EVP-ED<br />

und SPE bilden in zweiter Lesung aufgrund des<br />

höheren Quorums einer absoluten Mehrheit zwar<br />

häufiger Abstimmungskoalitionen, aber die umstrittensten<br />

Fragen kommen nicht durch „große<br />

Koalitionen“ zustande, in der beide Fraktionen<br />

mit Mehrheit vertreten sind.<br />

Angesichts der mehr oder weniger hohen Heterogenität<br />

der für die Mehrheitsbildung relevanten<br />

Fraktionen und vor dem Hintergrund eines<br />

institutionellen Kontextes, der nicht die Einhaltung<br />

strikter Fraktionsdisziplin erfordert, stellt<br />

sich Koalitionsbildung im EP zusammenfassend<br />

als funktionslogisches Komplement eines horizontal<br />

wie vertikal fragmentierten Parteiensystems<br />

dar. Wo wie im Fall der Arbeitszeitrichtlinie<br />

beträchtliche Unterschiede in den ordnungspolitischen<br />

Präferenzen zwischen den Mitgliedstaaten<br />

die (vertikale) Fragmentierung der Fraktionen<br />

in zahlreiche nationale Parteien akzentu-<br />

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