Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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25.02.2013 Aufrufe

Aufsätze Stefan Thierse – Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament MIP 2010 16. Jahrgang schärfung der Bedingungen für das individuelle Opt-out von Arbeitnehmern sowie Bewertung der gesamten Bereitschaftszeit als Arbeitszeit – fand sich eine übergroße Koalition aus SPE, Grünen/EFA und KVEL/NGL sowie Teilen der ALDE und der EVP-ED. Die ALDE steht nur in zwei Abstimmungen weitgehend geschlossen auf Seiten der „linken“ Fraktionen, wobei dies politisch relativ unbedeutende Punkte betrifft – etwa die Forderung nach einer Vorlage eines Kommissionsberichts über die Durchführung der Richtlinie alle fünf Jahre. In zweiter Lesung liegt der Anteil der mit knapper Mehrheit (weniger als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen) verabschiedeten Änderungsanträge aufgrund des höheren Quorums einer absoluten Mehrheit erwartungsgemäß niedriger. Nur sechs der 23 Abstimmungsgegenstände, über die in namentlicher Abstimmung entschieden wurde, weisen nicht das Muster einer fraktionsübergreifenden Koalition auf. Dies sind genau jene Abstimmungen, welche den Fortbestand des Opt-out betreffen. Die entsprechenden Anträge, mit denen das EP den gemeinsamen Standpunkt des Rates abänderte und seine Position der ersten Lesung bekräftigte, wurden durch eine fraktionsübergreifende Mehrheit aus SPE, Grünen/EFA, KVEL/NGL, einer großen Mehrheit der UEN sowie Teilen der ALDE und der EVP-ED verabschiedet. Wie in der ersten Lesung sind es in der ALDE vor allem französische und italienische Abgeordnete und innerhalb der EVP-ED-Fraktion die griechischen, spanischen und ungarischen Delegationen, die auch in knappen Abstimmungen gegen die Mehrheit der Fraktion stimmen. Die übrigen Änderungsanträge des Ausschusses wurden mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit angenommen, wobei sich das Abstimmungsverhalten in diesen Fällen variabler darstellt und ein interessantes Muster aufweist: KVEL/NGL und ALDE sind lediglich dort, wo es hinreichenden Konsens zwischen SPE und EVP-ED über die Behauptung des Standpunktes des EP gegenüber dem Rat gibt, beide mehrheitlich an einer siegreichen Abstimmungskoalition beteiligt (vgl. Tabelle 3). Dies deutet darauf hin, dass beide Fraktionen in ordnungspolitischen Fragen an gegenüberliegenden 34 Polen positioniert sind, aber in interinstitutionellen Streitfragen fallweise kooperieren. Tabelle 1: Abstimmungsergebnis über legislative Entschließung in 1. Lesung Dafür Dagegen (JA) (NEIN) Enthaltung AI ALDE 35 39 3 0,26 EVP‐ED 89 152 3 0,43 Grüne/EFA 39 2 1 0,89 IND/DEM 1 26 2 0,84 KVEL/NGL 4 25 7 0,54 NI 13 4 7 0,31 SPE 170 9 4 0,89 UEN 4 15 4 0,48 355 272 31 Tabelle 2: Abstimmungsergebnis zu Änderungsantrag 5 (Streichung der Opt-out-Klausel) Dafür Dagegen (JA) (NEIN) Enthaltung AI ALDE 28 59 2 0.49 EVP‐ED 88 166 5 0.46 Grüne/EFA 38 2 0 0.95 IND/DEM 7 9 3 0.21 KVEL/NGL 39 0 0 1.00 NI 14 15 0 0.28 SPE 187 2 2 0.97 UEN 35 4 2 0.78 436 257 14 Tabelle 3: Abstimmungsergebnis zu Änderungsantrag 9 Teil 1 (Gesamte Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit) Dafür Dagegen ENTHAL‐ (JA) (NEIN) TUNG AI ALDE 74 13 3 0.73 EVP‐ED 190 64 4 0.60 Grüne/EFA 38 2 0 0.93 IND/DEM 7 10 2 0.29 KVEL/NGL 39 0 0 1.00 NI 17 10 1 0.28 SPE 183 13 2 0.89 UEN 28 10 1 0.58 576 122 13

MIP 2010 16. Jahrgang Stefan Thierse – Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament Aufsätze Tabelle 4: Abstimmungsgeschlossenheit und Erfolgsquoten in 1. und 2. Lesung EVP‐ED SPE ALDE Grüne/ KVEL/ UEN IND/ EFA NGL DEM Durchschnittlicher AI in Abstimmungen zur Beschäfti‐ gungs‐ und Sozialpolitik, 6. Wahlperiode 0.86 0.92 0.86 0.90 0.94 0.75 0.47 Durchschnittlicher AI in 1. Lesung 0.66 0.90 0.72 0.87 0.94 0.78 0.76 Durchschnittlicher AI in 2. Lesung 0.69 0.88 0.61 0.91 0.99 0.61 0.35 Durchschnittlicher AI in Änderungsanträgen des Aus‐ schusses, 1. Lesung 0.53 0.90 0.90 0.86 0.99 0.86 0.66 Durchschnittlicher AI in Änderungsanträgen des Aus‐ schusses, 2. Lesung 0.59 0.93 0.56 0.86 0.99 0.66 0.44 Durchschnittlicher AI in Änderungsanträgen der KVEL/NGL, 1. Lesung 0.92 0.85 0.96 0.85 1.00 0.91 0.74 Durchschnittlicher AI in Änderungsanträgen der EVP‐ ED, 1. Lesung 0.51 0.94 0.74 0.88 0.97 0.70 0.84 Durchschnittlicher AI in Änderungsanträgen der KVEL/NGL, 2. Lesung 0.77 0.89 0.74 0.87 1.00 0.50 0.29 Erfolgsquote, 1. Lesung 6/20 20/20 11/20 18/20 11/20 6/20 6/20 Erfolgsquote, 2. Lesung 17/23 23/23 10/23 18/23 17/23 20/23 8/23 Quelle: Eigene Berechnungen. Angaben in Zeile 1 aus http://www.votewatch.eu/cx_european_party_groups.php (05.02.2010) . AI = Agreement Index (Anm. 8). Die Erfolgsquote wird definiert als relative Häufigkeit, mit der eine Mehrheit der Fraktion an einer siegreichen Abstimmungskoaliti‐ on beteiligt ist. 4. Abstimmungsgeschlossenheit der Fraktionen Wie aus Tabelle 4 ersichtlich, votiert die Linksfraktion unabhängig davon, ob sie oder andere Fraktionen namentliche Abstimmungen beantragen, sehr geschlossen. Dagegen ist die EVP-ED in ihren eigenen Änderungsanträgen deutlich gespaltener als in Änderungsanträgen, die der Ausschuss oder andere Fraktionen einreichten. Dies deutet darauf hin, dass die nationalen Delegationen innerhalb der Fraktion zu keiner einheitlichen Haltung fanden. Allgemein gilt jedoch, dass bei Abstimmungen zu Änderungsanträgen aus den Reihen der Fraktionen die Geschlossenheit durchweg höher ist als bei Änderungsanträgen, welche der Ausschuss einreicht. Dies impliziert, dass Ausschussanträge tendenziell auf breite Mehrheitsfähigkeit ausgelegt sind. Die ermittelten Werte für die Abstimmungsgeschlossenheit, die Koalitionsformate sowie die Erfolgsquote der Fraktionen deuten indes darauf hin, dass Ausschussbericht und -änderungsanträge eher „linke“ Positionen ansprachen. Das Links-Rechts-Muster wird besonders in Abstimmungen über Änderungsanträge des Ausschusses deutlich: Hier stehen sich eine Mehrheit aus EVP-ED und eine nahezu geschlossene SPE ge- genüber. Ähnlich verhält es sich mit von der EVP-ED eingereichten Änderungsanträgen: SPE, Grüne/EFA und KVEL/NGL sind dort noch geschlossener als bei Abstimmungen über Ausschussvorschläge. Umgekehrt votieren insbesondere EVP-ED und ALDE in Abstimmungen über Änderungsanträge der KVEL/NGL wesentlich geschlossener als in Abstimmungen über Änderungsvorschläge des Ausschusses. Die nationalkonservative Union für ein Europa der Nationen (UEN) und die europaskeptische Fraktion Independence/Democracy (IND/DEM) votieren in erster Lesung durchweg geschlossen mit der Mehrheit der EVP-ED-Fraktion, während in zweiter Lesung für beide ein deutlich uneinheitlicheres Abstimmungsverhalten festzustellen ist. Änderungsanträge des Ausschusses finden immer die notwendige Mehrheit, während sämtliche Änderungsanträge der KVEL/NGL mit sehr breiten Mehrheiten abgelehnt werden. Aufschlussreich mit Blick auf mögliche Erklärungsmuster für die Spaltung der EVP-ED ist ein Vergleich des Abstimmungsverhaltens der nationalen Delegationen mit dem Abstimmungsergebnis der Regierungsvertreter im Rat. Gemessen an der Praxis einvernehmlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. Heisenberg 35

<strong>Aufsätze</strong> Stefan Thierse – Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament MIP 2010 16. Jahrgang<br />

schärfung der Bedingungen für das individuelle<br />

Opt-out von Arbeitnehmern sowie Bewertung<br />

der gesamten Bereitschaftszeit als Arbeitszeit –<br />

fand sich eine übergroße Koalition aus SPE,<br />

Grünen/EFA und KVEL/NGL sowie Teilen der<br />

ALDE und der EVP-ED. Die ALDE steht nur in<br />

zwei Abstimmungen weitgehend geschlossen<br />

auf Seiten der „linken“ Fraktionen, wobei dies<br />

politisch relativ unbedeutende Punkte betrifft –<br />

etwa die Forderung nach einer Vorlage eines<br />

Kommissionsberichts über die Durchführung der<br />

Richtlinie alle fünf Jahre.<br />

In zweiter Lesung liegt der Anteil der mit knapper<br />

Mehrheit (weniger als zwei Drittel der abgegebenen<br />

Stimmen) verabschiedeten Änderungsanträge<br />

aufgrund des höheren Quorums einer absoluten<br />

Mehrheit erwartungsgemäß niedriger.<br />

Nur sechs der 23 Abstimmungsgegenstände,<br />

über die in namentlicher Abstimmung entschieden<br />

wurde, weisen nicht das Muster einer fraktionsübergreifenden<br />

Koalition auf. Dies sind genau<br />

jene Abstimmungen, welche den Fortbestand<br />

des Opt-out betreffen. Die entsprechenden<br />

Anträge, mit denen das EP den gemeinsamen<br />

Standpunkt des Rates abänderte und seine Position<br />

der ersten Lesung bekräftigte, wurden durch<br />

eine fraktionsübergreifende Mehrheit aus SPE,<br />

Grünen/EFA, KVEL/NGL, einer großen Mehrheit<br />

der UEN sowie Teilen der ALDE und der<br />

EVP-ED verabschiedet. Wie in der ersten Lesung<br />

sind es in der ALDE vor allem französische<br />

und italienische Abgeordnete und innerhalb der<br />

EVP-ED-Fraktion die griechischen, spanischen<br />

und ungarischen Delegationen, die auch in knappen<br />

Abstimmungen gegen die Mehrheit der<br />

Fraktion stimmen. Die übrigen Änderungsanträge<br />

des Ausschusses wurden mit einer fraktionsübergreifenden<br />

Mehrheit angenommen, wobei<br />

sich das Abstimmungsverhalten in diesen Fällen<br />

variabler darstellt und ein interessantes Muster<br />

aufweist: KVEL/NGL und ALDE sind lediglich<br />

dort, wo es hinreichenden Konsens zwischen<br />

SPE und EVP-ED über die Behauptung des<br />

Standpunktes des EP gegenüber dem Rat gibt,<br />

beide mehrheitlich an einer siegreichen Abstimmungskoalition<br />

beteiligt (vgl. Tabelle 3). Dies<br />

deutet darauf hin, dass beide Fraktionen in ordnungspolitischen<br />

Fragen an gegenüberliegenden<br />

34<br />

Polen positioniert sind, aber in interinstitutionellen<br />

Streitfragen fallweise kooperieren.<br />

Tabelle 1: Abstimmungsergebnis über legislative<br />

Entschließung in 1. Lesung<br />

Dafür<br />

Dagegen<br />

(JA) (NEIN) Enthaltung AI<br />

ALDE 35 39 3 0,26<br />

EVP‐ED 89 152 3 0,43<br />

Grüne/EFA 39 2 1 0,89<br />

IND/DEM 1 26 2 0,84<br />

KVEL/NGL 4 25 7 0,54<br />

NI 13 4 7 0,31<br />

SPE 170 9 4 0,89<br />

UEN 4 15 4 0,48<br />

355 272 31<br />

Tabelle 2: Abstimmungsergebnis zu Änderungsantrag<br />

5<br />

(Streichung der Opt-out-Klausel)<br />

Dafür<br />

Dagegen<br />

(JA) (NEIN) Enthaltung AI<br />

ALDE 28 59 2 0.49<br />

EVP‐ED 88 166 5 0.46<br />

Grüne/EFA 38 2 0 0.95<br />

IND/DEM<br />

7<br />

9 3 0.21<br />

KVEL/NGL 39 0 0 1.00<br />

NI 14 15 0 0.28<br />

SPE 187 2 2 0.97<br />

UEN 35 4 2 0.78<br />

436 257 14<br />

Tabelle 3: Abstimmungsergebnis zu Änderungsantrag<br />

9 Teil 1<br />

(Gesamte Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit)<br />

Dafür Dagegen<br />

ENTHAL‐<br />

(JA) (NEIN) TUNG AI<br />

ALDE 74 13 3 0.73<br />

EVP‐ED 190 64 4 0.60<br />

Grüne/EFA 38 2 0 0.93<br />

IND/DEM 7 10 2 0.29<br />

KVEL/NGL 39 0 0 1.00<br />

NI 17 10 1 0.28<br />

SPE 183 13 2 0.89<br />

UEN 28 10 1 0.58<br />

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