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Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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<strong>Aufsätze</strong> Stefan Thierse – Parteienwettbewerb und Koalitionsbildung im Europäischen Parlament MIP 2010 16. Jahrgang<br />

ren, und die sich bereits in nationalen öffentlichen<br />

und Parteiämtern qualifiziert haben (vgl.<br />

Thiem 2009: 108ff.; Rasmussen 2008: 1173).<br />

Darüber hinaus wird durch die Einbindung ihres<br />

EP-Spitzenpersonals in nationale Parteigremien<br />

bzw. durch regelmäßige Kontakte eine starke<br />

Rückbindung gewährleistet. Dies gilt im Besonderen<br />

für nationale Regierungsparteien (vgl.<br />

Messmer 2003: 208). Die Tatsache, dass Parteien,<br />

die Regierungsverantwortung tragen, seltener<br />

gegen die Fraktionslinie votieren, deutet darauf<br />

hin, dass die Delegationsbeziehungen in der Regel<br />

effizient funktionieren (vgl. Hix u.a. 2007:<br />

102). Abstimmungsempfehlungen oder gar Anweisungen<br />

seitens der nationalen Parteiführungen<br />

stellen die Ausnahme dar (vgl. Raunio 2000:<br />

217) und sind unter strategischen Gesichtspunkten<br />

auch ineffizient. Selbst die größten nationalen<br />

Delegationen wie die deutsche CDU/CSU-<br />

Delegation sind zu klein, um über Vetomacht zu<br />

verfügen. Für die nationalen Delegationen ist es<br />

daher effizienter, durch Verhandlungen die Einbeziehung<br />

eigener Positionen in eine Kompromisslösung<br />

zu erreichen (vgl. Judge/Earnshaw<br />

2003: 147; Hix/Lord 1997: 129). Wenn Entscheidungen,<br />

an denen das EP als Gesetzgeber<br />

beteiligt ist, jedoch Sprengkraft für die nationale<br />

Politik bergen oder eine Mehrheit im EP sich anschickt,<br />

einen mühsam ausgehandelten Kompromiss<br />

zwischen den Regierungen im Rat aufzuschnüren,<br />

können Europaabgeordnete aus Regierungsparteien<br />

unter Druck geraten, gegen die<br />

Fraktionslinie zu stimmen (vgl. Hix u.a. 2007:<br />

214f.; Høyland/Hagemann 2007: 28; Faas 2003:<br />

845).<br />

2. Namentliche Abstimmungen und Parteienwettbewerb<br />

Die Befunde hoher und wachsender Geschlossenheit<br />

der Fraktionen sowie einer Links-<br />

Rechts-Strukturierung des Parteienwettbewerbs<br />

stützen sich auf Analysen namentlicher Abstimmungen.<br />

Namentliche Abstimmungen sind allerdings<br />

nicht frei von methodischen Unzulänglichkeiten.<br />

Innerhalb des EP hat ihr Umfang zwar<br />

zugenommen, dennoch wird nur in etwa einem<br />

Viertel aller Abstimmungen namentlich abge-<br />

30<br />

stimmt (vgl. Carrubba u.a. 2004: 5). Namentliche<br />

Abstimmungen weisen einen auffälligen<br />

Überhang in Bezug auf bestimmte Gesetzgebungsverfahren,<br />

spezifische Lesungen, bestimmte<br />

Sachfragen und einzelne Fraktionen auf. Der<br />

Abstimmungsmodus wird bevorzugt in weniger<br />

„harten“ Politikbereichen eingesetzt, überproportional<br />

von der EVP-ED-Fraktion in Schlussabstimmungen,<br />

aber von den kleineren Fraktionen<br />

überproportional in Änderungsanträgen beantragt.<br />

Wie Thiem (2009: 136f.) darlegt, eignen<br />

sich namentliche Abstimmungen aufgrund der<br />

fehlenden Machtmittel der Fraktionsführung<br />

auch nicht als Disziplinierungsinstrument, sondern<br />

dienen in erster Linie der Positionierung.<br />

Mittels einer namentlichen Abstimmung können<br />

Fraktionen ihre Haltung gegenüber Kommission<br />

und Rat anzeigen, als „Koalitionspartner“ oder<br />

im Verbund mit anderen Fraktionen als „parlamentarische<br />

Front“ auftreten. Sie können sich so<br />

aber auch gegenüber anderen Fraktionen abgrenzen,<br />

sei es um fehlende Geschlossenheit aufzudecken<br />

oder um eine Fraktion zu entlarven, die<br />

sich nicht entsprechend zuvor vertretener inhaltlicher<br />

Positionen verhält.<br />

Geschlossenheit der Fraktionen ist insoweit<br />

nicht Folge, sondern Voraussetzung für die Beantragung<br />

einer namentlichen Abstimmung (vgl.<br />

ebd.: 139). Die größte Geschlossenheit kann<br />

vorausgesetzt werden, wenn die Fraktion Kontrolle<br />

in Bezug auf den Abstimmungsgegenstand<br />

hat (z.B. in eigenen Änderungsanträgen) oder<br />

von vornherein Einigkeit zwischen den nationalen<br />

Delegationen besteht. Über Änderungsanträge<br />

des mit der Ausarbeitung der parlamentarischen<br />

Position befassten Ausschusses, die stärker<br />

konsensorientierte und für eine Parlamentsmehrheit<br />

annehmbare Ergebnisse darstellen,<br />

werden dagegen tendenziell seltener namentliche<br />

Abstimmungen beantragt. Das gleiche gilt für legislativ<br />

relevante, öffentlichkeitswirksame<br />

Schlussabstimmungen, da die Abgeordneten hinsichtlich<br />

ihrer Positionierung unter erhöhter Beobachtung<br />

der nationalen Partei stehen können<br />

(vgl. ebd.: 144ff.). Hix u.a. (2007: 130) wenden<br />

dagegen ein, dass die Fraktionen auch in Fällen<br />

ohne Agendakontrolle geschlossen zu agieren<br />

vermögen, z.B. in Abstimmungen über von an-

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