Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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MIP 2010 16. Jahrgang Rezensionen<br />
N. M. Grünewald: Keine Angst vor Politikmarken!<br />
Evolution und Enttabuisierung eines<br />
gesellschaftlichen Phänomens, Nomos-Verlag,<br />
Baden-Baden 2009, 361 Seiten, 59,00 €, ISBN<br />
978-3-8329-4205-2<br />
Bereits 1965 stellte Otto Kirchheimer fest, dass<br />
die Rolle der Volkspartei auf dem politischen<br />
Gebiet das sein müsse, „was auf dem wirtschaftlichen<br />
Sektor ein überall gebrauchter und standardisierter,<br />
weithin bekannter Marken- und<br />
Massenartikel ist.“ 8 Die Frage, ob Parteien Marken<br />
sind, hat also Tradition in der Parteienforschung.<br />
Nicole Marianne Grünewald widmet<br />
sich in ihrer Dissertation nun der Frage nach der<br />
Markenentwicklung in der politischen Kommunikation.<br />
Sie versucht den Nachweis zu erbringen,<br />
dass – genau wie in der Wirtschaft – sich in<br />
der Politik Marken herausgebildet haben bzw.<br />
dass in der Politik aktiv Markenbildung betrieben<br />
wird. Wie der Untertitel bereits erahnen<br />
lässt, bildet die von der Autorin wahrgenommene<br />
Tabuisierung dieses Vorgangs durch die politischen<br />
Akteure den Hintergrund dieser kommunikationswissenschaftlichen<br />
Arbeit. Grünewald<br />
erkennt einen Widerspruch zwischen der Leugnung,<br />
man würde Markenbildung betreiben und<br />
der politischen Praxis, in der augenscheinlich erfolgreich<br />
Mittel der Markenkommunikation angewandt<br />
würden.<br />
Auf drei Wegen rückt Grünewald der Tabuisierung<br />
auf den Leib. Der Erste ist ein systemtheoretischer,<br />
der Grünewald zu vier forschungsleitenden<br />
Thesen führt. Sie besagen im Kern: Es<br />
gibt Austauschprozesse zwischen den gesellschaftlichen<br />
Teilsystemen Wirtschaft und Politik.<br />
Dies gilt auch für die Markenkommunikation,<br />
und der Austausch und die freiwillige gegenseitige<br />
Anpassung können existenzsichernd für<br />
die beiden Teilsysteme sein. Zudem bewegten<br />
sich Politiker und Parteien mit ihrem politischen<br />
Angebot in einer von professioneller Wirtschaftswerbung<br />
dominierten Umwelt, in der politische<br />
Kommunikation – besonders in Wahlkampfzeiten<br />
– umso erfolgreicher sein werde, je<br />
8 Kirchheimer, Otto: Der Wandel des westeuropäischen<br />
Parteiensystems, in: PVS 6, Heft 1 (1965), S. 20-41<br />
[34].<br />
professioneller sie von Markenexperten aus der<br />
Wirtschaft gesteuert werde.<br />
Der zweite Weg zur Enttabuisierung ist die Begriffsklärung.<br />
Ausgehend von der Beobachtung,<br />
dass unter den Politikern meist noch ein Markenverständnis<br />
vorherrsche, das, vorsichtig formuliert,<br />
nicht auf dem neuesten Stand der Forschung<br />
ist, zeichnet Grünewald die Entwicklung<br />
des Markenbegriffs nach und macht ihre Leser<br />
mit Markentypologien und Merkmalen vertraut.<br />
Denn in einem fehlerhaften Markenverständnis,<br />
verbunden mit der Angst vor dem Vorwurf, politische<br />
Inhalte durch künstlich kreierte Images ersetzen<br />
zu wollen, macht Grünewald einen der<br />
Hauptgründe für die Tabuisierung aus. Schließlich<br />
erwachse daraus die Befürchtung, in den<br />
Ruch des Manipulativen und Undemokratischen<br />
zu geraten. Sie selbst vertritt den heute weit verbreiteten<br />
identitätsorientierten Markenbegriff.<br />
Ziel der ganzheitlichen Markenführung ist es dabei<br />
nicht, Konsumenten dahingehend zu manipulieren,<br />
dass sie ein Produkt kaufen, sondern es<br />
geht darum, möglichst alle markenbezogenen<br />
Aktivitäten so zu vernetzen, dass sie einen nachhaltigen<br />
Vertrauensaufbau ermöglichen. Dieses<br />
erweiterte Markenverständnis ermöglicht es<br />
Grünewald auch Parteien- und Politiker als Marken<br />
zu erfassen.<br />
Der dritte Enttabuisierungspfad, den Grünewald<br />
beschreitet, ist der empirische. Sie führt eine repräsentative<br />
Längsschnittuntersuchung durch,<br />
die 286 Wahlplakate der SPD aus den 30 freien<br />
Reichs- und Bundestagswahlen zwischen 1893<br />
und 2005 umfasst. Dies ist sicherlich der wichtigste<br />
Beitrag Grünewalds zur Diskussion über<br />
politisches Marketing. Die Wahl ihres Untersuchungsgegenstands<br />
begründet die Autorin<br />
schlüssig damit, dass Plakate in allen Wahlkämpfen<br />
seit 1893 verwendet worden seien und<br />
die Hauptbotschaften der Partei jeweils in konzentrierter<br />
Form enthielten. Zudem unterlägen<br />
die Plakat-Inhalte dem direkten Einfluss der Parteiführung<br />
und würden teilweise von ihr mitgestaltet.<br />
Das Vorliegen von Markenkommunikation<br />
macht die Autorin schließlich an den Kriterien<br />
Markenname, Logo (Bildzeichen), Farbe, Typografie<br />
(Schriftart) und Slogans fest. Tauchten<br />
alle fünf Merkmale aufeinander abgestimmt auf,<br />
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