25.02.2013 Aufrufe

Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rezensionen MIP 2010 16. Jahrgang<br />

entschieden sich aufgrund der für sie günstigen<br />

Umfragen gegen einen Angriffswahlkampf und<br />

für eine sachliche, themenbezogene Kampagne.<br />

Tenscher resümiert, dass gerade dieser Rollentausch<br />

es den Sozialdemokraten ermöglichte,<br />

einen auf Angriff ausgelegten Oppositionswahlkampf<br />

führen zu können, obwohl sie die Regierung<br />

stellten.<br />

Mit dem wohl prägendsten Ereignis der Bundestagswahl,<br />

der Differenz der gemessenen Stimmungswerte<br />

und dem endgültigen Wahlergebnis<br />

beschäftigen sich gleich zwei Beiträge. Hilmer<br />

vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap<br />

zieht das überraschende Fazit, dass die Abweichung<br />

der Messwerte vom Endergebnis kein<br />

Methodenproblem sondern ein Instrumentenproblem<br />

der Umfrageinstitute war. So bezweifelt er,<br />

dass das Instrument der Sonntagsfrage geeignet<br />

war, um die Grundstimmung der Deutschen adäquat<br />

abzubilden. Plischke und Rattinger gehen<br />

einen Schritt weiter. Sie vertreten die These,<br />

dass das Wahlergebnis 2005 vor dem Hintergrund<br />

etablierter Theorien der Wahlsoziologie<br />

keine Überraschung darstellte. Ursache für das<br />

„Debakel der Demoskopie“ war die hohe Quote<br />

an Unentschlossenen, die in den Projektionen<br />

der Umfrageinstitute ausgeschlossen wurden, da<br />

sie über keine Parteipräferenz verfügten. Der<br />

Höhenflug der Union war nach ihren Befunden<br />

„nicht auf eine gestiegene Attraktivität der<br />

Christdemokraten in der Wählerschaft zurückzuführen,<br />

sondern auf das temporäre Ausscheiden<br />

zahlreicher SPD-Wähler aus der Untersuchungsgesamtheit“.<br />

Daher war nach ihrer Ansicht der<br />

Einbruch der Union kurz vor der Wahl unvermeidlich.<br />

Sie postulieren deshalb konsequent,<br />

dem Konzept der „Normalwahl“ als Alternative<br />

zu herkömmlichen Projektionen mehr Beachtung<br />

zu schenken.<br />

Aus methodischer Perspektive sind der Beitrag<br />

von Klein und Rossar sowie der Beitrag von<br />

Schmitt-Beck hervorzuheben. Untersuchen Erstere<br />

im Rahmen eines faktoriellen Surveys die<br />

Passung der Kanzlerkandidaten zu ihrer jeweiligen<br />

Partei, analysiert Schmitt-Beck den Effekt<br />

des Bundestagswahlkampfs 2005 auf die Entwicklung<br />

der Präferenzen der Wählerinnen und<br />

Wähler. Mit einem neuen methodischen Instru-<br />

148<br />

ment – dem „Rolling Cross Section Design“ –<br />

kommt Schmitt-Beck zu dem Ergebnis, dass der<br />

Anteil derjenigen, die sich erst am Wahltag für<br />

eine Partei entschieden hatten, noch nie so hoch<br />

war wie 2005. Er gibt deshalb zu bedenken, dass<br />

eine solche Fluidität der politischen Präferenzen<br />

zwangsläufig in einer sinkenden Validität von<br />

Vorwahlumfragen münden muss.<br />

Insgesamt bietet dieser Sammelband einen ausführlichen<br />

und umfassenden Überblick über den<br />

aktuellen Stand der bundesdeutschen Wahlforschung.<br />

In einem Anlauf dürfte sich wohl kaum<br />

jemand an die über 600 daten- und faktengesättigten<br />

Seiten wagen. Dies ist jedoch kein Manko,<br />

da die gut redigierten Einzelbeiträge auch für<br />

sich allein stehen können. Sie tragen im gegebenen<br />

Rahmen zur Produktion und Kumulation der<br />

aktuellen empirischen Befunde bezüglich des<br />

Wahlverhaltens der Bundesbürger bei. Damit<br />

werden die Herausgeber ihrem Anspruch gerecht,<br />

die Tradition der „Blauen Bände“ fortzusetzen.<br />

Zugleich muss jedoch ein allgemeines<br />

Problem der Wahlforschung angesprochen werden:<br />

Es fehlt an neuen theoretischen Ansätzen.<br />

Dies wird nicht zuletzt an der Dominanz des<br />

Ann-Arbor-Ansatzes bei einer Gesamtschau der<br />

einzelnen Beiträge deutlich. Ob die „Blauen<br />

Bände“ jedoch auch weiterhin das Standardwerk<br />

der deutschen Wahlforschung bleiben werden,<br />

ist zu bezweifeln. Dies liegt nicht zuletzt an den<br />

eher zeitnah erscheinenden Konkurrenzprodukten<br />

– zumal dann, wenn sich diese durch eine<br />

Teilidentität der Autorenschaft auszeichnen. Daher<br />

steht am Ende der Aufruf an die Herausgeber,<br />

dass die „Analysen aus Anlass der Bundestagswahl<br />

2009“ nicht erst zur Bundestagswahl<br />

2013 erscheinen mögen.<br />

Jens Walther

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!