Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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Rezensionen MIP 2010 16. Jahrgang stellt sich die CSU durch ihre „Einzigartigkeit“ (287), also programmatische Alleinstellungsmerkmale und ihre Verwurzelung in Bayern, als vor allzu großem Mitgliederschwund gefeit dar. Insgesamt bietet der Sammelband eine reichhaltige Auswahl an Zugängen, Perspektiven und aktuellen Forschungsergebnissen rund um das Thema Mitgliederparteien. Da die einzelnen Beiträge überwiegend kurz gehalten sind, besteht die Möglichkeit, sich zu den einzelnen Themenfeldern schnell einen Überblick zu verschaffen. Auch der Forschungsstand zu den einzelnen Bereichen ist meist gut aufbereitet. Die konzeptionelle Gestaltung, insbesondere die Rahmung des so vielschichtigen und komplexen Themas, ist dagegen ausbaufähig. Eine etwas stärker auf die Beiträge des Bandes zugeschnittene Einleitung der Herausgeber und ein bilanzierender Schlussteil wären hier wünschenswert gewesen. Annika Laux L. Volmer: Die Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten Partei – Eine Bilanz, C.- Bertelsmann, München 2009, 480 Seiten, € 24,95, ISBN 978-3-570-10040-0 Pünktlich zu ihrem 30jährigen Bestehen ist die Literatur zu Bündnis 90/Die Grünen um eine weitere Gesamtdarstellung ihrer Parteigeschichte erweitert worden. Autor ist eines der prominenten Gründungsmitglieder der Partei, der langjährige Grünen-Politiker Ludger Volmer. In „Die Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten Partei“ zeichnet er die Entwicklung der Grünen von ihren Vorläufern bis zur aktuellen Situation im Fünfparteiensystem nach. Der bei weitem größte Teil des Buches befasst sich mit der Gründungs- und Aufbauzeit der Grünen, angefangen von den Einflüssen u.a. studentischer und bürgerlicher Bewegungen bis hin zu den schweren Flügelkämpfen der jungen Partei bis Anfang der 90er Jahre. Dies ist insofern überraschend, als es gerade zu dieser Frühphase der Grünen eine mannigfaltige Auswahl an Literatur gibt, insbesondere auch verschiedenste Selbstzeugnisse ehemaliger und aktueller Parteimitglieder. Was wissenschaftlich fundierte Er- 144 gebnisse angeht, liefert Volmers Darstellung denn auch wenig Neues, vielmehr fügt er dem bereits sehr breiten Spektrum an Insiderdeutungen eine weitere hinzu. Die langwierigen Flügelund Richtungskämpfe der 80er Jahre stellt Volmer noch einmal eindrücklich als Schlammschlacht dar – ohne dabei jedoch zu versäumen, seine eigene Linie der „Mitte-Links“-Ausrichtung (282) zugleich als die wirklich ‚urgrüne‘ und damit richtige zu betonen. Das Motiv dieser von ihm so bezeichneten „undogmatischen Linken“ (36), die die Parteigründung bewirkt, die Parteispaltung verhindert, Regierungsbeteiligungen vorbereitet und durch all das hindurch die Parteiidentität erhalten habe, zieht sich folgerichtig durch das gesamte Buch. Er selbst interpretiert diese Analyse als längst überfälliges Umschreiben der grünen Geschichte (296) zugunsten der medial sträflich vernachlässigten linken Mitte der Grünen, die er verschiedentlich zur eigentlichen grünen Seele erklärt. Im gleichen Stil widmet sich Volmer auf den letzten knapp hundert Seiten seines Buches schließlich der grünen Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Die erste Amtsperiode wertet er vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Errungenschaften und dem erreichten Atomkonsens als Erfolg des grünen Projektes, wobei er in der Bewertung der Regierungszeit insgesamt wenig überraschend den drei großen internationalen Konflikten und den daraus resultierenden parteiinternen Zerreißproben den größten Platz einräumt. Den Abstieg der rot-grünen Regierung begründet Volmer jedoch aus Sicht der Grünen weniger mit den durch die internationalen Bundeswehreinsätze einhergehenden Kurskorrekturen der Partei, sondern mit dem rasanten Aufbau der WASG als Linksalternative im Westen bei gleichzeitiger Visionslosigkeit der grünen Partei. Theorie- und Ideologielosigkeit, das Fehlen avantgardistischer Gesellschaftsentwürfe wie sie in der Gründungs- und Frühphase der Partei im Überfluss vorhanden waren, hält Volmer auch in der aktuellen Situation im Fünfparteiensystem für das entscheidende Problem der Grünen. Indem die Partei sich wegweisenden Grundsatzdebatten entzogen und Pragmatikern an der Spitze das Feld überlassen habe, sei sie
MIP 2010 16. Jahrgang Rezensionen zur „ökologischen Bürgerrechtspartei“ (447) ausgedünnt und habe ihr „sozialökologisches“ (ebd.) Profil eingebüßt. Folgerichtig empfiehlt Volmer den Grünen im Fünfparteiensystem ausführliche Grundsatzdebatten, damit die Partei nach dem – so vermutet er – endgültigen Scheitern von Rot-Grün neue politische Projekte jenseits der Funktionalisierung zur bloßen Mehrheitsbeschafferin entwickeln kann. Vornehmliche Zielgruppe des Buches scheinen Medienvertreter und insbesondere Parteiangehörige zu sein. Für erstere bietet es ein breites, zitierfähiges Spektrum an Lob und Kritik über Weggefährten wie politische Gegner. Letztere hingegen können dieses jüngste Selbstzeugnis eines Parteifreundes dazu nutzen, wahlweise in Erinnerungen zu schwelgen oder aber Kontrapunkte zu setzen. Für die wissenschaftliche Parteienforschung bietet das Werk indes nur wenig Anknüpfungspunkte. Obwohl im Klappentext als Mischung aus der „Perspektive des involvierten Akteures“ und dem „distanzierten Blick des Sozialwissenschaftlers“ angekündigt, kann sich Volmers Darstellung doch nie aus der Sicht seines eigenen Wirkens lösen. Dies macht schon die gewählte Form des persönlichen Berichts in der ersten Person deutlich. Entsprechend nehmen mal unterschwellige, mal weniger subtile Freund- und Feindschaftsbekundungen, persönliche Erfolge wie Rückschläge eine prominente Rolle im Text ein. Der Autor selbst nimmt für sich in der Einleitung eine „lebendige Erzählung“ zur Vertiefung der bereits verfassten „Geschichten“ zu den Grünen in Anspruch, zugleich „durchwirkt von eigenen Erlebnissen und Bewertungen“, aber auch „sozialwissenschaftlich reflektiert“ (11). Dieser Reflexion jedoch kann er nicht gerecht werden. Das Buch ergänzt die Literatur zu den Grünen um eine um die Regierungs- und darauffolgende Oppositionszeit auf Bundesebene aktualisierte Innenschau, die wie bei diesem Genre üblich, interessante Einblicke in das Innenleben der Partei gibt, nicht jedoch vom politischen Kontext des Verfassers losgelöst betrachtet werden kann. Der Selbsteinschätzung als „subjektive Chronik“ ist in diesem Sinne voll zuzustimmen. Annika Laux F. Lange: Das parlamentarische Immunitätsprivileg als Wettbewerbsvorschrift, Nomos- Verlag, Baden-Baden 2009, 203 Seiten, 48,00 €, ISBN 978-3-8329-4012-6 Mit dem Buch von Friederike Lange liegt nunmehr eine aktuelle Untersuchung des parlamentarischen (und teilweise auch sonstigen) Immunitätsrechts vor. Während Herrmann Butzer5 vor nunmehr bald 20 Jahren eine immer noch beachtenswerte und akribische Untersuchung der parlamentarischen Praxis bot, greift das Buch von Lange weiter, indem es die Immunitätsvorschriften in den Zusammenhang des politischen Wettbewerbs einordnet, und berücksichtigt die mit BVerfGE 104, 310 ff. – dem „Fall Pofalla“ – eingetretene teilweise Präzisierung des Immunitätsrechts durch das Bundesverfassungsgericht. Weiterhin bietet Lange eine informative historische Einführung in die tief im Mittelalter liegenden Ursprünge des Immunitätsrechts, rechtsvergleichende Ausführungen sowie eine teilweise überraschende Bestandsaufnahme von nichtparlamentarischen Immunitätsregelungen und -fragen: So wird der Leser etwa auf das Problem der „Immunität“ von Kunstwerken gestoßen, die für Ausstellungen international verschickt werden. Insgesamt macht die Untersuchung aber deutlich, dass andere Staatsorgane, die unter einer nicht minder großen Bedrohung durch sachfremd motivierte Strafverfolgung stehen als die Parlamentarier, auch ohne das historisch gewachsene Sonderrecht der Immunität funktionsfähig bleiben, da der Rechtsstaat eine hinreichende Stabilität aufweist. Bereits vor diesem Hintergrund scheint parlamentarische Immunität rechtfertigungsbedürftig. Entscheidend ist für Lange aber die Relevanz der Immunität für den politischen Wettbewerb. Dieser könne optimal nur bei Chancengleichheit der Akteure funktionieren. Immunität trage aber die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung in sich, da sie nur den Inhabern parlamentarischer Mandate zugute komme, nicht aber den Bewerbern. Dies gebiete eine zurückhaltende Auslegung von Art. 46 GG, der nur dem Schutz der Freiheit und 5 Butzer, Herrmann: Immunität im parlamentarischen Rechtsstaat. Verfassungsgrundlagen und Parlamentspraxis des Deutschen Bundestages (1991). 145
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Rezensionen MIP 2010 16. Jahrgang<br />
stellt sich die CSU durch ihre „Einzigartigkeit“<br />
(287), also programmatische Alleinstellungsmerkmale<br />
und ihre Verwurzelung in Bayern, als<br />
vor allzu großem Mitgliederschwund gefeit dar.<br />
Insgesamt bietet der Sammelband eine reichhaltige<br />
Auswahl an Zugängen, Perspektiven und aktuellen<br />
Forschungsergebnissen rund um das Thema<br />
Mitgliederparteien. Da die einzelnen Beiträge<br />
überwiegend kurz gehalten sind, besteht die<br />
Möglichkeit, sich zu den einzelnen Themenfeldern<br />
schnell einen Überblick zu verschaffen.<br />
Auch der Forschungsstand zu den einzelnen Bereichen<br />
ist meist gut aufbereitet. Die konzeptionelle<br />
Gestaltung, insbesondere die Rahmung des<br />
so vielschichtigen und komplexen Themas, ist<br />
dagegen ausbaufähig. Eine etwas stärker auf die<br />
Beiträge des Bandes zugeschnittene Einleitung<br />
der Herausgeber und ein bilanzierender Schlussteil<br />
wären hier wünschenswert gewesen.<br />
Annika Laux<br />
L. Volmer: Die Grünen. Von der Protestbewegung<br />
zur etablierten Partei – Eine Bilanz, C.-<br />
Bertelsmann, München 2009, 480 Seiten, €<br />
24,95, ISBN 978-3-570-10040-0<br />
Pünktlich zu ihrem 30jährigen Bestehen ist die<br />
Literatur zu Bündnis 90/Die Grünen um eine<br />
weitere Gesamtdarstellung ihrer Parteigeschichte<br />
erweitert worden. Autor ist eines der prominenten<br />
Gründungsmitglieder der Partei, der langjährige<br />
Grünen-Politiker Ludger Volmer. In „Die<br />
Grünen. Von der Protestbewegung zur etablierten<br />
Partei“ zeichnet er die Entwicklung der Grünen<br />
von ihren Vorläufern bis zur aktuellen Situation<br />
im Fünfparteiensystem nach.<br />
Der bei weitem größte Teil des Buches befasst<br />
sich mit der Gründungs- und Aufbauzeit der<br />
Grünen, angefangen von den Einflüssen u.a. studentischer<br />
und bürgerlicher Bewegungen bis hin<br />
zu den schweren Flügelkämpfen der jungen Partei<br />
bis Anfang der 90er Jahre. Dies ist insofern<br />
überraschend, als es gerade zu dieser Frühphase<br />
der Grünen eine mannigfaltige Auswahl an Literatur<br />
gibt, insbesondere auch verschiedenste<br />
Selbstzeugnisse ehemaliger und aktueller Parteimitglieder.<br />
Was wissenschaftlich fundierte Er-<br />
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gebnisse angeht, liefert Volmers Darstellung<br />
denn auch wenig Neues, vielmehr fügt er dem<br />
bereits sehr breiten Spektrum an Insiderdeutungen<br />
eine weitere hinzu. Die langwierigen Flügelund<br />
Richtungskämpfe der 80er Jahre stellt Volmer<br />
noch einmal eindrücklich als Schlammschlacht<br />
dar – ohne dabei jedoch zu versäumen,<br />
seine eigene Linie der „Mitte-Links“-Ausrichtung<br />
(282) zugleich als die wirklich ‚urgrüne‘<br />
und damit richtige zu betonen. Das Motiv dieser<br />
von ihm so bezeichneten „undogmatischen Linken“<br />
(36), die die Parteigründung bewirkt, die<br />
Parteispaltung verhindert, Regierungsbeteiligungen<br />
vorbereitet und durch all das hindurch die<br />
Parteiidentität erhalten habe, zieht sich folgerichtig<br />
durch das gesamte Buch. Er selbst interpretiert<br />
diese Analyse als längst überfälliges<br />
Umschreiben der grünen Geschichte (296) zugunsten<br />
der medial sträflich vernachlässigten<br />
linken Mitte der Grünen, die er verschiedentlich<br />
zur eigentlichen grünen Seele erklärt.<br />
Im gleichen Stil widmet sich Volmer auf den<br />
letzten knapp hundert Seiten seines Buches<br />
schließlich der grünen Regierungsbeteiligung<br />
auf Bundesebene. Die erste Amtsperiode wertet<br />
er vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen<br />
Errungenschaften und dem erreichten<br />
Atomkonsens als Erfolg des grünen Projektes,<br />
wobei er in der Bewertung der Regierungszeit<br />
insgesamt wenig überraschend den drei großen<br />
internationalen Konflikten und den daraus resultierenden<br />
parteiinternen Zerreißproben den größten<br />
Platz einräumt. Den Abstieg der rot-grünen<br />
Regierung begründet Volmer jedoch aus Sicht<br />
der Grünen weniger mit den durch die internationalen<br />
Bundeswehreinsätze einhergehenden<br />
Kurskorrekturen der Partei, sondern mit dem rasanten<br />
Aufbau der WASG als Linksalternative<br />
im Westen bei gleichzeitiger Visionslosigkeit der<br />
grünen Partei. Theorie- und Ideologielosigkeit,<br />
das Fehlen avantgardistischer Gesellschaftsentwürfe<br />
wie sie in der Gründungs- und Frühphase<br />
der Partei im Überfluss vorhanden waren, hält<br />
Volmer auch in der aktuellen Situation im Fünfparteiensystem<br />
für das entscheidende Problem<br />
der Grünen. Indem die Partei sich wegweisenden<br />
Grundsatzdebatten entzogen und Pragmatikern<br />
an der Spitze das Feld überlassen habe, sei sie