Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2010 16. Jahrgang<br />
welchem Ort jemand wählbar ist (§ 12 Abs. 1),<br />
bei einem verheirateten Familienangehörigen auf<br />
die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung<br />
im Sinne des § 16 Abs. 1 Meldegesetzes<br />
NRW abstellt; ein Verstoß gegen die Allgemeinheit<br />
und Gleichheit der Wahl sei hierin ebenso<br />
wenig zu sehen wie ein Verstoß gegen Art. 6<br />
Abs. 1, Art. 3 und Art. 11 GG.<br />
Das OVG des Saarlandes74 führte in seinem<br />
Beschluss aus, dass der Ermessensausübung der<br />
Gemeinden in den letzten sechs Wochen vor<br />
dem jeweiligen Wahlkampf bei der Erteilung<br />
von straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen<br />
aus verfassungsrechtlichen Gründen enge<br />
Grenzen gezogen sind: Den Parteien müssen angemessene<br />
und wirksame Wahlwerbemöglichkeiten<br />
zur Verfügung gestellt werden. Allerdings<br />
bleibe es im Rahmen eines beschränkten Ermessens<br />
den Gemeinden überlassen, auf welche<br />
Weise sie diesem Gebot Rechnung tragen.<br />
Mit den Anforderungen, die an das Neutralitätsgebot<br />
von Amtsträgern zu stellen sind und den<br />
Voraussetzungen, unter denen Einwirkungen von<br />
privater Stelle als unzulässige Wahlbeeinflussung<br />
anzusehen sind, beschäftigte sich das OVG<br />
Lüneburg. 75 Es stellte fest: Ein Schreiben des<br />
bisherigen ehrenamtlichen Bürgermeisters an<br />
Erstwähler sei keine unzulässige Wahlbeeinflussung,<br />
soweit darin nicht das Amt im Vordergrund<br />
stehe, sondern die Aufforderung zur Wahlbeteiligung.<br />
Auch begründe eine falsche Darstellung<br />
einer Wahlbewerberin keine unzulässige,<br />
einen Wahlfehler begründende Wahlbeeinflussung.<br />
Eine zu berücksichtigende Wahlbeeinflussung<br />
durch Dritte liege nämlich nach der Rechtsprechung<br />
des BVerfG nur dann vor, wenn durch<br />
die beanstandete Einwirkung auf die Wählerwillensbildung<br />
in erheblichem Maße gegen die<br />
Grundsätze der Freiheit oder Gleichheit der<br />
Wahl verstoßen werde, ohne dass eine hinreichende<br />
Möglichkeit der Abwehr oder des Ausgleichs<br />
bestanden hat. Selbst gesetzeswidriges<br />
Handeln Privater führe nicht in jedem Fall zu<br />
Wahlfehlern. Der Grundsatz der Freiheit der<br />
Wahl schütze den Bürger nicht vor Beeinflus-<br />
74 ZfSch 2009, S. 477 ff.<br />
75 NdsVBl. 2009, S. 137 f.<br />
136<br />
sungen, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit<br />
trotz des bestehenden Wahlgeheimnisses<br />
ernstlich zu beeinträchtigen, wenn darüber eine<br />
öffentliche Diskussion stattfinde und der Wähler<br />
durch freie Entscheidung auf diese Beeinflussung<br />
reagieren könne. Aus demselben Grund<br />
wäre wohl auch eine aufgrund der Veröffentlichung<br />
von Wahlergebnissen vor Ablauf der Wahl<br />
eingereichte Beschwerde ohne Erfolg.<br />
Das OVG des Landes Sachsen-Anhaltes76 beschloss<br />
über verschiedene Wahlfehler bei einer<br />
Bürgermeisterwahl und deren wahlrechtlicher<br />
Erheblichkeit. Der Entscheidung lag die vorzeitige<br />
Auswertung von Briefwahlunterlagen durch<br />
nach den Wahlvorschriften unzuständige Personen<br />
(Mitwirkung von Mitgliedern des Wahlausschusses<br />
anstatt von zwei Beisitzern des Wahlvorstandes)<br />
zu Grunde. Zwar könne nach Auffassung<br />
des Gerichts die Auswertung durchaus<br />
an Mitglieder des Wahlausschusses als Kontrollorgan<br />
delegiert werden, allerdings liege eine<br />
Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit<br />
der Wahl vorliegend hierin, dass keine ausreichende<br />
Bekanntgabe über die Vorzeitigkeit der<br />
Behandlung der Briefwahlunterlagen und den<br />
Ort, an dem dies geschehen sollte, stattfand. Außerdem<br />
stelle es einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften<br />
dar, wenn sich Briefwahlunterlagen<br />
nach der Übergabe durch den Gemeindewahlleiter<br />
an den Wahlvorstand für einen nicht<br />
nur völlig unerheblichen Zeitraum in der alleinigen<br />
Verfügungsgewalt eines der Mitglieder des<br />
Wahlvorstandes befinden. Für die Anforderungen<br />
an die Kausalität des Wahlfehlers für das Ergebnis<br />
der Wahl knüpfte das Gericht an seine<br />
Rechtsprechung aus dem Jahr 200577 an. Gem.<br />
dem Wortlaut von § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 LKW<br />
LSA ist eine Einwendung gegen eine Wahl nur<br />
dann begründet, wenn dieser ein Tatbestand zugrunde<br />
liegt, der so schwerwiegend ist, dass bei<br />
einwandfreier Durchführung der Wahl ein wesentlich<br />
anderes Wahlergebnis zustande gekommen<br />
oder festgestellt worden wäre. Bei einer nah<br />
am Wortlaut orientierten Auslegung würden aber<br />
eine erhebliche Zahl von Wahlfehlern, bei denen<br />
76 LKV 2009, 232 f.<br />
77 Urteil vom 14.06.2005, Az.: 4 L 125/05, JMBl LSA<br />
2005, 315-318 (Leitsatz und Gründe).