Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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25.02.2013 Aufrufe

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2010 16. Jahrgang einen abgeschlossenen, individuell abgegrenzten Personenkreis umfasst, also nicht jedermann zugänglich ist. Diese Voraussetzung erfüllt ein grundsätzlich nur aus stimmberechtigten Mitgliedern bestehender Parteitag, selbst sofern darüber hinaus einzelne Gäste oder Journalisten zugelassen sein sollten. Mit Kontoverweigerungen und Kontokündigungen durch Kreditinstitute gegenüber politischen Parteien sind die Gerichte bereits seit Jahren befasst. Sparkassen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge tätig und haben auch die Möglichkeit der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Führung von Girokonten sicherzustellen. Dass die Sparkassen diese Aufgaben mit Mitteln des Privatrechts erfüllen und der Girovertrag privatrechtlicher Natur ist, ändert an der unmittelbaren Grundrechtsbindung der Sparkasse nichts. Sofern entsprechende Leistungen in zumindest einem vergleichbaren Fall erbracht werden, mit anderen Worten, Konten anderer politischen Parteien geführt werden, ergibt sich daher ein Anspruch auf Kontoeröffnung aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, namentlich aus Art. 21 Abs. 1, Art. 3 GG i.V.m. § 5 PartG. Dabei entspricht es einhelliger Auffassung, dass die Ziele einer nicht vom Bundesverfassungsgericht verbotenen politischen Partei nicht zum Anknüpfungspunkt einer Verweigerung der Kontoeröffnung oder der Kontenkündigung gemacht werden dürfen. In diesem Sinne haben nun auch das VG Göttingen26 und das VG Sigmaringen27 entschieden. Auch hinsichtlich der Überlassung öffentlicher Flächen für die Wahlsichtwerbung politischer Parteien hat sich eine gefestigte Rechtsprechungspraxis entwickelt, der sich in diesem Berichtsjahr wiederum einige Gerichte angeschlossen haben. Danach schränken zwar die Bedeutung von Wahlen für einen demokratischen Staat und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen, wie sie sich aus Art. 21 GG ergibt, das behördliche Ermessen bei der Entscheidung über 26 VG Göttingen, Urteil vom 10.06.2009 – Az. 1 A 91/08, veröffentlicht bei juris. 27 VG Sigmaringen, Urteil vom 30.07.2009 – Az. 2 K 2558/07, veröffentlicht bei juris. 120 die Erlaubnis zum Aufstellen von Wahlplakaten durch Parteien in so erheblichem Umfange ein, dass jedenfalls für den Regelfall in Wahlkampfzeiten28 ein Anspruch auf Erlaubniserteilung besteht. Dieser ist jedoch nicht unbegrenzt. In welcher Weise die Gemeinden dem verfassungsrechtlichen Gebot auf Einräumung von Stellplätzen für Werbetafeln in einem für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendigen und angemessenen Umfang Rechnung tragen, steht im behördlichen Ermessen. Dabei ist die Behörde nicht gehindert, neben der durch Art. 21 Abs. 1 GG, § 5 PartG gewährleisteten (nach der Bedeutung der Parteien abgestuften) Chancengleichheit auch andere öffentliche Belange, wie etwa die Gewährleistung der Verkehrssicherheit, die Wahrung des Ortsbildes, die Vermeidung von Verschmutzungen des Straßenraums, in die Abwägung einzustellen. In diesem Sinne hat das VG Saarlouis29 einen Anspruch einer politischen Partei auf Anbringung großflächiger Wahlkampftafeln des Formats 18/1 im öffentlichen Straßenraum verneint. Die Stadt Saarbrücken hatte in einem Grundsatzbeschluss eine für alle politischen Parteien gleichermaßen geltende Regelung beschlossen, der zufolge lediglich Wahlsichtwerbung mit den Wahlplakatformaten DIN A 1 und DIN A 0 zugelassen sind und dabei von ihrem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Diese Entscheidung hatte auch in zweiter Instanz vor dem OVG Saarlouis30 Bestand. Der Umfang der Gewährung von Leistungen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 und S. 3 PartG kann nach 28 Welchen Zeitraum der Begriff Wahlkampfzeiten abdeckt, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Die Auffassungen umspannen einen Zeitraum von vier Wochen vor dem Wahltermin (so etwa das OVG Saarlouis, Beschluss vom , in: NVwZ-RR 1999, 218 ff.) oder auch sechs Wochen vor dem Wahltermin (so etwa das VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.08.2009 – Az. 14 L 842/09, in: VD 2009, 284 ff.) bis zu drei Monaten, so das VG Köln, Urteil vom 03.04.2009 – Az. 18 K 5663/07, in: Städte- und Gemeinderat 2009 (Nr. 9), S. 34 f. 29 VG Saarlouis, Beschluss vom 16.04.2009 – Az. 10 L 248/09, in: LKRZ 2009, 236 ff. 30 OVG Saarlouis, Beschluss vom 02.06.2009 – Az. 1 B 347/09, in: LKRZ 2009, 313 ff.

MIP 2010 16. Jahrgang Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zweckes erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden, wobei sich die Bedeutung der Parteien insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen bemisst. Dieser Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit wird in mehrfacher Hinsicht durchbrochen: Zum einen haben gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 PartG Parteien, die mit Fraktionsstatus im Bundestag vertreten sind, Anspruch auf mindestens die Hälfte der Flächen, die im Höchstfall vergeben werden. Zum zweiten ist nach bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung auch den „kleinen“ Parteien, und zwar unabhängig von ihrer politischen Bedeutung oder dem Wahlergebnis einer vorangegangenen Wahl, eine Mindestzahl (Sockel) von grundsätzlich 5% der bereitstehenden Werbeflächen zuzuerkennen, wobei diese Mindestzahlregelung nicht dazu führen darf, dass allen Parteien nun annähernd gleich viel Werbeflächen zugeteilt werden, da eine zunehmende formale Gleichbehandlung das Recht der größeren Parteien auf die Berücksichtigung ihrer Bedeutung verletzen würde31 . Insbesondere kann die Mindestzahl dann unterschritten werden, wenn die notwendig begrenzt zur Verfügung stehenden Werbeflächen auf eine große Zahl an der Wahl teilnehmender Parteien im vorgenannten Sinne proportional zu verteilen sind. In Anwendung dieser Kriterien hat das VG Gelsenkirchen32 einen Anspruch einer politischen Partei auf Zuteilung weiterer Wahlwerbeflächen abgelehnt und das von der Stadt Gelsenkirchen aufgestellte Wahlsichtwerbungskonzept für die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen als ermessenfehlerfrei erachtet. Mit dem Überschreiten der Grenzen zulässiger Inhalte von Wahlsichtwerbung politischer Parteien hatte sich das BVerfG33 auseinanderzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde eines NPD-Kreisverbandes ge- 31 S. BVerwG, Urteil vom 13.12.1974 – Az. VII C 42/72 –, in: NJW 1975, 1289 ff. 32 VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.08.2009 – Az. 14 L 842/09, in: VD 2009, 284 ff. 33 BVerfG, Beschluss vom 24.9.2009 – Az. 2 BvR 2179/09, in: NJW 2009, 3503 f. gen die durch das OVG Greifswald34 für rechtmäßig erklärte Untersagungsverfügung hinsichtlich der Plakatierung eines NPD-Wahlplaktes mit der Aufschrift "Polen-Invasion stoppen!" während des Bundestagswahlkampfes nicht zur Entscheidung an und bescheinigte dem vorinstanzlich mit der Frage befassten OVG eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des einschlägigen Rechts. Die Wahlplakate waren mit einer graphischen Darstellung von drei Krähen im Zusammenhang mit einem Bündel Euro-Geldscheine, nach dem eine der Krähen mit dem Schnabel pickt, versehen. Das zuständige Landratsamt untersagte dem Kreisverband diese Plakatierung. Dagegen legte der Kreisverband der NPD Widerspruch ein und stellte zugleich beim Verwaltungsgericht im Eilverfahren einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Die stattgebende Entscheidung des VG Greifswald35 hatte jedoch vor dem OVG Greifswald keinen Bestand, das die Anordnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ablehnte. Mit der Verwendung der Wahlplakate geht ein Angriff auf die Menschenwürde der in Deutschland lebenden Bevölkerungsgruppe der Polen einher, weshalb tatbestandlich die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt sind, der zu Recht mit einer Untersagungsverfügung gemäß § 13 SOG-MV unterbunden werden konnte. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das OVG im Rahmen einer Gesamtwürdigung von textlicher und bildlicher Ausgestaltung der Wahlplakate willkürfrei angenommen. Entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die für die Einschränkung des Rechts auf Meinungsäußerung entwickelt wurden, lag eine Verletzung des NPD-Kreisverbandes in seinen Grundrechten auf freie Meinungsäußerung im Bundestagswahlkampf (Art. 21 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht vor. Die Wahlwerbung der NPD im Wahljahr 2009 war aufgrund ihres polenfeindlichen, ehrverletzenden Inhalts auch Gegenstand einer an den 34 OVG Greifswald, Beschluss vom 19.09.2009 – Az. 3 M 155/09, in: NordÖR 2010, 116 ff. 35 VG Greifswald, Beschluss vom 11.09.2009 – Az: 2 B 1133/09, unveröffentlicht. 121

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2010 16. Jahrgang<br />

einen abgeschlossenen, individuell abgegrenzten<br />

Personenkreis umfasst, also nicht jedermann zugänglich<br />

ist. Diese Voraussetzung erfüllt ein<br />

grundsätzlich nur aus stimmberechtigten Mitgliedern<br />

bestehender Parteitag, selbst sofern darüber<br />

hinaus einzelne Gäste oder Journalisten zugelassen<br />

sein sollten.<br />

Mit Kontoverweigerungen und Kontokündigungen<br />

durch Kreditinstitute gegenüber politischen<br />

Parteien sind die Gerichte bereits seit Jahren befasst.<br />

Sparkassen sind als Anstalten des öffentlichen<br />

Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge<br />

tätig und haben auch die Möglichkeit der<br />

Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr<br />

durch die Führung von Girokonten sicherzustellen.<br />

Dass die Sparkassen diese Aufgaben mit<br />

Mitteln des Privatrechts erfüllen und der Girovertrag<br />

privatrechtlicher Natur ist, ändert an der<br />

unmittelbaren Grundrechtsbindung der Sparkasse<br />

nichts. Sofern entsprechende Leistungen in<br />

zumindest einem vergleichbaren Fall erbracht<br />

werden, mit anderen Worten, Konten anderer politischen<br />

Parteien geführt werden, ergibt sich daher<br />

ein Anspruch auf Kontoeröffnung aus dem<br />

Grundsatz der Chancengleichheit, namentlich<br />

aus Art. 21 Abs. 1, Art. 3 GG i.V.m. § 5 PartG.<br />

Dabei entspricht es einhelliger Auffassung, dass<br />

die Ziele einer nicht vom Bundesverfassungsgericht<br />

verbotenen politischen Partei nicht zum<br />

Anknüpfungspunkt einer Verweigerung der Kontoeröffnung<br />

oder der Kontenkündigung gemacht<br />

werden dürfen. In diesem Sinne haben nun auch<br />

das VG Göttingen26 und das VG Sigmaringen27 entschieden.<br />

Auch hinsichtlich der Überlassung öffentlicher<br />

Flächen für die Wahlsichtwerbung politischer<br />

Parteien hat sich eine gefestigte Rechtsprechungspraxis<br />

entwickelt, der sich in diesem Berichtsjahr<br />

wiederum einige Gerichte angeschlossen<br />

haben. Danach schränken zwar die Bedeutung<br />

von Wahlen für einen demokratischen Staat<br />

und die Bedeutung der Parteien für solche<br />

Wahlen, wie sie sich aus Art. 21 GG ergibt, das<br />

behördliche Ermessen bei der Entscheidung über<br />

26 VG Göttingen, Urteil vom 10.06.2009 – Az. 1 A 91/08,<br />

veröffentlicht bei juris.<br />

27 VG Sigmaringen, Urteil vom 30.07.2009 – Az. 2 K<br />

2558/07, veröffentlicht bei juris.<br />

120<br />

die Erlaubnis zum Aufstellen von Wahlplakaten<br />

durch Parteien in so erheblichem Umfange ein,<br />

dass jedenfalls für den Regelfall in Wahlkampfzeiten28<br />

ein Anspruch auf Erlaubniserteilung besteht.<br />

Dieser ist jedoch nicht unbegrenzt. In welcher<br />

Weise die Gemeinden dem verfassungsrechtlichen<br />

Gebot auf Einräumung von Stellplätzen<br />

für Werbetafeln in einem für die Selbstdarstellung<br />

der jeweiligen Partei notwendigen und<br />

angemessenen Umfang Rechnung tragen, steht<br />

im behördlichen Ermessen. Dabei ist die Behörde<br />

nicht gehindert, neben der durch Art. 21 Abs.<br />

1 GG, § 5 PartG gewährleisteten (nach der Bedeutung<br />

der Parteien abgestuften) Chancengleichheit<br />

auch andere öffentliche Belange, wie<br />

etwa die Gewährleistung der Verkehrssicherheit,<br />

die Wahrung des Ortsbildes, die Vermeidung von<br />

Verschmutzungen des Straßenraums, in die Abwägung<br />

einzustellen.<br />

In diesem Sinne hat das VG Saarlouis29 einen<br />

Anspruch einer politischen Partei auf Anbringung<br />

großflächiger Wahlkampftafeln des Formats<br />

18/1 im öffentlichen Straßenraum verneint.<br />

Die Stadt Saarbrücken hatte in einem Grundsatzbeschluss<br />

eine für alle politischen Parteien gleichermaßen<br />

geltende Regelung beschlossen, der<br />

zufolge lediglich Wahlsichtwerbung mit den<br />

Wahlplakatformaten DIN A 1 und DIN A 0 zugelassen<br />

sind und dabei von ihrem Ermessen<br />

rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Diese Entscheidung<br />

hatte auch in zweiter Instanz vor dem<br />

OVG Saarlouis30 Bestand.<br />

Der Umfang der Gewährung von Leistungen gemäß<br />

§ 5 Abs. 1 S. 2 und S. 3 PartG kann nach<br />

28 Welchen Zeitraum der Begriff Wahlkampfzeiten abdeckt,<br />

wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.<br />

Die Auffassungen umspannen einen Zeitraum<br />

von vier Wochen vor dem Wahltermin (so etwa<br />

das OVG Saarlouis, Beschluss vom , in: NVwZ-RR<br />

1999, 218 ff.) oder auch sechs Wochen vor dem Wahltermin<br />

(so etwa das VG Gelsenkirchen, Beschluss vom<br />

18.08.2009 – Az. 14 L 842/09, in: VD 2009, 284 ff.)<br />

bis zu drei Monaten, so das VG Köln, Urteil vom<br />

03.04.2009 – Az. 18 K 5663/07, in: Städte- und Gemeinderat<br />

2009 (Nr. 9), S. 34 f.<br />

29 VG Saarlouis, Beschluss vom 16.04.2009 – Az. 10 L<br />

248/09, in: LKRZ 2009, 236 ff.<br />

30 OVG Saarlouis, Beschluss vom 02.06.2009 – Az. 1 B<br />

347/09, in: LKRZ 2009, 313 ff.

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