Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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25.02.2013 Aufrufe

„Aufgespießt“ Christina Hientzsch – Veröffentlichung von Parteischiedsgerichtsentscheidungen MIP 2010 16. Jahrgang um Personalia, Disziplinarfragen und Rivalitäten, bei deren Untersuchung in der Verhandlung Tatsachen zum Vorschein kommen, an deren Geheimhaltung die Partei ein legitimes Interesse hat. Anders als staatliche Gerichte überprüfen die Schiedsgerichte außerdem nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, sondern entscheiden selbst über die Zweckmäßigkeit und treffen Ermessensentscheidungen. Als Schiedsgericht obliegt dieser Institution eine Schlichtungsfunktion in zumeist tendenzgeprägten Fragen, die durch einen Raum der Verschwiegenheit gefördert wird. Insofern lassen sich gewichtige Gründe für die Rechtfertigung von Verschwiegenheitspflichten im laufenden Verfahren finden. Dem Sinn und Zweck nach müssen diese jedoch dann nicht nur für die Verfahrensbeteiligten selbst gelten, sondern für alle Parteimitglieder, da es sonst zu einem Ungleichgewicht zu Lasten des Verfahrensbeteiligten kommt. Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung kann dem Interesse an einer Veröffentlichung der Entscheidungen das Interesse an einem ordnungsgemäßen sachlichen Verfahren aber ebenso wenig entgegengehalten werden, wie das Integritätsinteresse der politischen Partei und die effektive Ausübung der Schlichtungsfunktion. Das Schiedsgericht hat nämlich zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung verfasst, die einen feststehenden Sachverhalt umfasst und nur das Ergebnis zu den aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnissen darstellt. 2. Gegenüber Dritten, insbesondere der Presse Auch kann die Partei die Veröffentlichung der Entscheidung durch Dritte, insbesondere durch die Presse nicht rechtlich verhindern. Die Presse kann sich bei der Veröffentlichung grundsätzlich auf ihre Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen. Allerdings könnte dieser Freiheit ein Anspruch der Partei aus § 97 UrhG entgegenstehen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann derjenige, der ein Urheberrecht widerrechtlich verletzt, von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder - soweit Widerholungsge- 114 fahr besteht - auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Ein solcher Anspruch setzt also voraus, dass der Partei das Urheberrecht an der Schiedsgerichtsentscheidung zukommt, so dass sie nach § 12 Abs. 1 UrhG darüber bestimmen kann, ob und wie das Werk zu veröffentlichen ist. Zunächst ist das Urheberrecht nicht gem. § 5 UrhG deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Schiedsgerichtsentscheidung um eine amtliche Entscheidung handelt. Denn die schiedsgerichtliche Entscheidung als Ergebnis eines Vorgangs in der politischen Partei als privatrechtliche Organisation fällt nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Trotzdem steht den politischen Parteien kein Urheberrecht an den Entscheidungen ihres Parteischiedsgerichtes zu. Grundsätzlich ist eine Entscheidung des Parteischiedsgerichtes zwar formal gesehen ein unter das Urheberrecht fallendes Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Allerdings fehlt es an dem nach Abs. 2 geforderten materiell-rechtlichen Erfordernis der persönlichen-geistigen Schöpfung. Der Begriff der persönlichen Schöpfung ist dabei nicht personen- sondern werkbezogen. Es geht deshalb bei der Bestimmung, ob ein Urheberrecht besteht nicht um die Frage, wem die Schöpfung zuzuschreiben ist – das bestimmt allein § 7 UrhG – sondern, ob die Schöpfung eine persönliche Handschrift trägt. 4 Der Urheber muss also etwas geschaffen haben, das mehr Eigenes enthält als eine Leistung, wie sie allgemein von jedem bzw. von jedem anderen mit vergleichbarer Ausbildung und Begabung erbracht werden kann. 5 Das urheberrechtliche Werk ist damit ein durch den menschlichen Geist geprägtes Produkt, das die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt. 6 4 So Ahlberg, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage 2000, § 2 Rn. 65. 5 So Ahlberg, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage 2000, § 2 Rn. 65. 6 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 2 Rn. 21.

MIP 2010 16. Jahrgang Christina Hientzsch – Veröffentlichung von Parteischiedsgerichtsentscheidungen „Aufgespießt“ Ausgehend von diesen Feststellungen muss zunächst präzisierend klargestellt werden, dass nur den Verfassern des Urteils selbst, nie aber der politischen Partei bzw. dem Parteischiedsgericht als Institution überhaupt ein Urheberrecht zustehen kann. Da nach § 2 Abs. 2 UrhG individueller menschlicher Geist für eine Werkschöpfung erforderlich ist, können juristische Personen oder Personengesellschaften als solche niemals Urheber sein. 7 Aber selbst wenn man auf die einzelnen Schiedsrichter abstellt, ist in der Entscheidung des Schiedsgerichts wohl kein Ergebnis eines Schöpfungsvorgangs zu sehen, das wesentlich durch die Individualität der Richter geprägt ist. Vielmehr sind gerade Schiedsgerichte – wie auch staatliche Gerichte – zunächst dazu gehalten einen Sachverhalt festzustellen und anschließend in den Entscheidungsgründen allgemein bestehende juristische Ansichten wiederzugeben. Es fehlt also an einer Gestaltungshöhe im Sinne einer an die Persönlichkeit des einzelnen Richters anknüpfenden Eigenleistung, die unter den Urheberrechtsschutz fällt. 8 Vielmehr sollen gerichtliche Entscheidungen – auch die des Parteischiedsgerichts – unabhängig von der einzelnen Person getroffen werden. Die Richter sind beliebig austauschbar. Eine andere Einordnung würde zudem dem Sinn und Zweck des Urhebergesetzes widersprechen. Das Urheberrecht soll dem Urheber durch die Verwertungsrechte der §§ 15 ff. UrhG die wirtschaftlichen Früchte seines Werkes sichern, nicht aber geistige und juristische Auseinandersetzungen ver- oder behindern. 9 Für die Bürger aber auch für andere Parteien können die Entscheidungen des Schiedsgerichtes von großem Interesse sein. Sei es, um sich von der Partei ein Bild zu machen, auf dessen Grundlage der Wähler seine nächste Wahlentscheidung trifft, oder um aus vergleichbaren Fällen einen Rückschluss auf die in der eigenen Partei vorzufindende Lage zu ziehen. Soweit der Schutz der Persönlichkeit 7 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 7 Rn. 8. 8 So auch für einen anwaltlichen Schriftsatz: Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 2 Rn. 23. 9 Wild, GRUR 1986, S. 739 (742). der Beteiligten in Rede steht, sind diese durch entsprechende Vorkehrungen wie Schwärzungen zu erreichen. Im Ergebnis fallen Entscheidungen des Parteischiedsgerichtes daher nicht unter das Urhebergesetz. Die Folge ist: Hat die Presse die Entscheidung erhalten, so darf sie sie rechtmäßig veröffentlichen. V. Zusammenfassung in Thesen: → Die Parteien sind berechtigt aber nicht generell verpflichtet, Parteischiedsgerichtsentscheidungen zu veröffentlichen. → Aus dem Status der Öffentlichkeit in Verbindung mit dem Gebot zur innerparteilichen Demokratie ergibt sich eine Pflicht der Parteien zur Gewährung der Einsichtnahme in Parteischiedsgerichtsentscheidungen. → Die Partei kann einer Weiterveröffenlichung der Parteischiedsgerichtsentscheidungen weder eines Parteimitglieds (als Verfahrensbeteiligter) oder eines Dritten rechtlich verhindern. Zum einen sind Verschwiegenheitspflichten für Verfahrensbeteiligte und sonstige Parteimitglieder über das laufende Schiedsgerichtsverfahren hinaus – also für den Zeitraum nach Beendigung des Verfahrens nicht zulässig. Zum anderen sind Parteischiedsgerichtsentscheidungen nicht urheberrechtlich geschützt. 115

MIP 2010 16. Jahrgang Christina Hientzsch – Veröffentlichung von Parteischiedsgerichtsentscheidungen „Aufgespießt“<br />

Ausgehend von diesen Feststellungen muss zunächst<br />

präzisierend klargestellt werden, dass nur<br />

den Verfassern des Urteils selbst, nie aber der<br />

politischen Partei bzw. dem Parteischiedsgericht<br />

als Institution überhaupt ein Urheberrecht zustehen<br />

kann. Da nach § 2 Abs. 2 UrhG individueller<br />

menschlicher Geist für eine Werkschöpfung erforderlich<br />

ist, können juristische Personen oder<br />

Personengesellschaften als solche niemals Urheber<br />

sein. 7 Aber selbst wenn man auf die einzelnen<br />

Schiedsrichter abstellt, ist in der Entscheidung<br />

des Schiedsgerichts wohl kein Ergebnis eines<br />

Schöpfungsvorgangs zu sehen, das wesentlich<br />

durch die Individualität der Richter geprägt<br />

ist. Vielmehr sind gerade Schiedsgerichte – wie<br />

auch staatliche Gerichte – zunächst dazu gehalten<br />

einen Sachverhalt festzustellen und anschließend<br />

in den Entscheidungsgründen allgemein<br />

bestehende juristische Ansichten wiederzugeben.<br />

Es fehlt also an einer Gestaltungshöhe im Sinne<br />

einer an die Persönlichkeit des einzelnen Richters<br />

anknüpfenden Eigenleistung, die unter den<br />

Urheberrechtsschutz fällt. 8 Vielmehr sollen gerichtliche<br />

Entscheidungen – auch die des Parteischiedsgerichts<br />

– unabhängig von der einzelnen<br />

Person getroffen werden. Die Richter sind beliebig<br />

austauschbar.<br />

Eine andere Einordnung würde zudem dem Sinn<br />

und Zweck des Urhebergesetzes widersprechen.<br />

Das Urheberrecht soll dem Urheber durch die<br />

Verwertungsrechte der §§ 15 ff. UrhG die wirtschaftlichen<br />

Früchte seines Werkes sichern,<br />

nicht aber geistige und juristische Auseinandersetzungen<br />

ver- oder behindern. 9 Für die Bürger<br />

aber auch für andere Parteien können die Entscheidungen<br />

des Schiedsgerichtes von großem<br />

Interesse sein. Sei es, um sich von der Partei ein<br />

Bild zu machen, auf dessen Grundlage der Wähler<br />

seine nächste Wahlentscheidung trifft, oder<br />

um aus vergleichbaren Fällen einen Rückschluss<br />

auf die in der eigenen Partei vorzufindende Lage<br />

zu ziehen. Soweit der Schutz der Persönlichkeit<br />

7 Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage<br />

2009, § 7 Rn. 8.<br />

8 So auch für einen anwaltlichen Schriftsatz: Bullinger,<br />

in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009,<br />

§ 2 Rn. 23.<br />

9 Wild, GRUR 1986, S. 739 (742).<br />

der Beteiligten in Rede steht, sind diese durch<br />

entsprechende Vorkehrungen wie Schwärzungen<br />

zu erreichen.<br />

Im Ergebnis fallen Entscheidungen des Parteischiedsgerichtes<br />

daher nicht unter das Urhebergesetz.<br />

Die Folge ist: Hat die Presse die Entscheidung<br />

erhalten, so darf sie sie rechtmäßig veröffentlichen.<br />

V. Zusammenfassung in Thesen:<br />

→ Die Parteien sind berechtigt aber nicht generell<br />

verpflichtet, Parteischiedsgerichtsentscheidungen<br />

zu veröffentlichen.<br />

→ Aus dem Status der Öffentlichkeit in Verbindung<br />

mit dem Gebot zur innerparteilichen<br />

Demokratie ergibt sich eine Pflicht der Parteien<br />

zur Gewährung der Einsichtnahme in<br />

Parteischiedsgerichtsentscheidungen.<br />

→ Die Partei kann einer Weiterveröffenlichung<br />

der Parteischiedsgerichtsentscheidungen<br />

weder eines Parteimitglieds (als Verfahrensbeteiligter)<br />

oder eines Dritten rechtlich<br />

verhindern. Zum einen sind Verschwiegenheitspflichten<br />

für Verfahrensbeteiligte und<br />

sonstige Parteimitglieder über das laufende<br />

Schiedsgerichtsverfahren hinaus – also für<br />

den Zeitraum nach Beendigung des Verfahrens<br />

nicht zulässig. Zum anderen sind Parteischiedsgerichtsentscheidungen<br />

nicht urheberrechtlich<br />

geschützt.<br />

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