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Inhaltsverzeichnis Aufsätze - PRuF

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MIP 2010 16. Jahrgang Ann-Kristin Kölln – Und der Wähler ist doch rational Aufgespießt<br />

„Aufgespießt“<br />

Und der Wähler ist doch rational:<br />

Wahlbeteiligung aus spieltheoretischer<br />

Sicht<br />

Ann-Kristin Kölln, M.A. *<br />

I. Einleitung<br />

Ist es rational zu wählen? Laut ökonomischer<br />

Theorien ist es das nicht: hohe Kosten der Informationsbeschaffung<br />

über Parteien und Kandidaten,<br />

genauso wie der Gang zur Urne selbst, stehen<br />

nur einem geringen Nutzen gegenüber – der<br />

Wahrscheinlichkeit, dass der gewünschte Kandidat<br />

gewinnt. 1 Unter diesen Voraussetzungen ist<br />

der Akt des Wählens eine überaus kostspielige<br />

Angelegenheit und damit auch höchst irrational.<br />

Erwartungsgemäß müsste also die Wahlbeteilung<br />

bei nahezu null Prozent liegen. Doch belehrt uns<br />

die Realität eines Besseren: so lag die durchschnittliche<br />

Wahlbeteilung in Ländern der Europäischen<br />

Union zwischen 1945 und 2002 bei 83<br />

Prozent. 2 Was bedeutet diese offenbare Diskrepanz<br />

zwischen Theorie und Empirie? Schlägt die<br />

Theorie des rational handelnden Individuums<br />

hier fehl? Dieser Beitrag wird anhand der Spieltheorie<br />

zeigen, wie Rationalität des Wählers und<br />

eine positive Wahlbeteilung in Einklang gebracht<br />

werden können. Dies gelingt, wenn Moral eine<br />

Wählerpräferenz darstellt. Zwei Auszahlungsmatrizen<br />

werden vorgestellt; die eine zeigt die Ausgangssituation<br />

des paradox of not voting und die<br />

* Die Verfasserin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am<br />

Institut für Politikwissenschaften und Forschungsmethoden<br />

der Universität Twente, Niederlande. Email: a.kolln@utwente.nl<br />

1 Vgl. BERNHOLZ, P. & BREYER, F. (1994) Grundlagen<br />

der Politischen Ökonomie Band 2: Ökonomische<br />

Theorie der Politik, Tübingen, S. 118<br />

2 ROSE, R. (2004) Voter turnout in the European Union<br />

member countries. IN LÓPEZ PINTOR, R. & GRATS-<br />

CHEW, M. (Eds.) Voter Turnout in Western Europe<br />

Since 1945: A Regional Report. Stockholm, S. 18<br />

andere schlägt eine Lösung vor. Dadurch kann<br />

das Puzzle der Wahlbeteilung gelöst werden und<br />

die Theorie kann die Empirie erklären.<br />

II. ‘Paradox of not voting’<br />

Die Theorie geht von einer Nutzenfunktion aus,<br />

die den Wahlakt irrational erscheinen lässt, da<br />

hohe Kosten und ein geringer Nutzen involviert<br />

sind. Dabei hängt der Nutzen (der gewünschte<br />

Kandidat gewinnt) noch zusätzlich von der<br />

Wahrscheinlichkeit ab, dass die eigene Stimme<br />

tatsächlich ausschlaggebend ist. Millionen von<br />

Menschen gehen zur Wahl, so dass diese Wahrscheinlichkeit<br />

nahezu P=0 ist. Und selbst wenn<br />

der gewünschte Kandidat gewinnt, ist es unwahrscheinlich,<br />

dass der zusätzliche Gewinn<br />

große Auswirkungen auf die individualle Lebenslage<br />

hat. Dadurch ist es nur dann rational zu<br />

wählen, wenn die Nutzenfunktion wie folgt aussieht:<br />

R= (PB)-C>0 (1)<br />

Hier stellt R den Nutzen der Wahlbeteilung dar,<br />

P die Wahrscheinlichkeit, dass der eigene<br />

Wunschkandidat gewinnt, B den zusätzlichen<br />

Nutzen durch die Wahl des gewünschten Kandidaten<br />

und C die mit dem Wahlakt verbundenen<br />

Kosten. 3 P ist nahezu 0 mit Millionen von Wahlberechtigten,<br />

sodass B und letzlich R auch nahezu<br />

einen Wert von 0 annehmen. Der Akt des<br />

Wählens ist damit irrational. Dies führt aber<br />

schnell zu einem Zirkelproblem: Wähler werden<br />

sich dieser Problematik bewusst sein und versuchen,<br />

antizyklisch zu handeln. Wenn niemand<br />

eine Stimme abgibt, fällt mit P=1 die eigene<br />

Kosten-Nutzen Analyse sofort positiv aus. Allerdings<br />

wird widerum das auch Wählern bewusst<br />

sein, so dass sie doch eine Stimme abgeben mit<br />

P=0 und das Puzzle beginnt von Neuem. 4 Erst<br />

3 Vgl. RIKER, W. H. & ORDESHOOK, P. C. (1968) A<br />

Theory of the Calculus of Voting. American Political<br />

Science Review, 62, 25-42, S. 25<br />

4 Vgl. PALFREY, T. R. & ROSENTHAL, H. (1983) A<br />

strategic calculus of voting. Public Choice, 41, 7-53,<br />

S.10 und ALDRICH, J. H. (1993) Rational Choice and<br />

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