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Geschäftsbericht Freiwilligendienste. - AKBV

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Seit 2000 schicken wir Freiwillige im Rahmen<br />

des EVS und des ADiA in die Welt. Wir legen<br />

heute einen Bericht über die letzten 3 Jahre<br />

vor, in dem die Berichte der Freiwilligen<br />

ungekürzt zu lesen sind, sowie die Bedingungen<br />

und Verbesserungsvorschläge die durch die<br />

Arbeit entstanden sind, aufgelistet werden.<br />

Ziele der Freiwilligenarbeit:<br />

Lernziele sind: Verantwortungsbewusstsein,<br />

Selbstständigkeit, interkulturelles Lernen,<br />

Einfühlungsvermögen Empathie, Erkennen der<br />

Problemlagen der Menschen und Situationen<br />

der Umwelt, Rassismus, usw.<br />

Wünsche der Freiwilligen waren:<br />

- Sprachwortschatz weiter auszubauen.<br />

- Durch Tätigkeiten in der Welt etwas zu verändern.<br />

- Sinnvolle soziale Aufgabe zu erfüllen, bei der man<br />

Menschen helfen kann, die diese Hilfe benötigen.<br />

- Viele neu Freundschaften zu knüpfen.<br />

- Neu Dinge kennen zu lernen.<br />

- Viele neu Erfahrungen zu sammeln.<br />

- Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zu<br />

verstehen und zu verbinden.<br />

Bereiche in denen Freiwillige eingesetzt<br />

werden:<br />

Umweltschutz, Schülerbetreuung,<br />

Antirassismusarbeit<br />

Länder:<br />

Ecuador Venezuela Trinidat<br />

Marokko China<br />

Georgien Serbien<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Bewerbungen<br />

38 Bewerbungen 3 EVS<br />

35 ADiA<br />

1 WW<br />

35 Männlich 3 Weiblich<br />

Bundesländer: Bayern 2 - Andere 36<br />

Verbesserungsfähig Werbung in Bayern<br />

Vorstellung<br />

Vorstellunggespräche und Übungen 3 Tage<br />

sowie Auswahl der zu entsendenden<br />

Freiwilligen.<br />

Vorbereitung<br />

Mit den ADIA Menschen wurden 10 Tage<br />

Seminar durchgeführt, dieses wurde praktisch<br />

mit einen Serbischen Jugendaustausch für das<br />

interkulturelles Lernen erprobt. Die Themen<br />

Bildungssystem<br />

Rassismus und<br />

verschiedene Kulturen,<br />

Zusammenarbeit mit dem Träger,<br />

Schwierigkeiten im Land und Menschen<br />

Behörden,<br />

Essgewohnheiten und Ethnien bearbeitet.<br />

Fragen wurden abgearbeitet.<br />

Wurde von allen als sehr genial empfunden.<br />

Möglichkeiten der Dokumentation der Arbeit<br />

wurde als extrapunkt behandelt.<br />

Die Versicherung wird abgeschlossen und die<br />

Impfungen überprüft.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 1


Betreuung<br />

Während des Aufenthaltes werden die<br />

Teilnehmer per Telefon und Email betreut,<br />

sowie von den Tutoren vor Ort. Der Tutor<br />

schickt uns regelmäßig einen Bericht und der<br />

Freiwillige schickt uns ebenfalls einen<br />

Monatsbericht, der auf unserer Homepage<br />

veröffentlich wird. In Ecuador und Serbien<br />

werden Besuche und ein Zwischenseminar<br />

durchgeführt.<br />

Sofortkontakt durch Telefon ist jederzeit<br />

möglich.<br />

Nachbereitung<br />

Nach dem Jahr wird ein 5 tägiges<br />

Nachbereitungsseminar durchgeführt, da hier<br />

bei der Rückkehr die meisten Probleme<br />

Auftauchen.<br />

EVS ADIA Weltwärts ÖSJ<br />

Wie weiter: Qualität<br />

Weitere ADIA und Weltwärtsstellen werden<br />

2010 im Senegal<br />

Marokko<br />

Togo<br />

Kamerun<br />

Rumänien<br />

Moldawien<br />

eingerichtet.<br />

Das Konzept für das Ausreiseseminar wurde<br />

2009 nochmal überarbeitet und wesentliche<br />

Verbesserungen im Ablaufplan von Bewerbung<br />

bis Abschlusszertifikat eingeführt.<br />

Werbung für die Einsatzstellen, nachdem wir<br />

Werbung bislang nicht durchgeführt haben.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Verbesserung der weiteren Entwicklungsarbeit<br />

in unseren Verein und Teilnahme der ADIA an<br />

unserer Jugendleiterausbildung und<br />

Ausstellung des Jugendleiterausweises.<br />

Die Freiwilligen engagieren sich in der<br />

Entwicklungsarbeit. Geplant ist ein jährliches<br />

Treffen aller ehemaligen Freiwilligen mit<br />

Aufgabenverteilung und Reflexion.<br />

Die Ausbildung der Tutoren im Aufnahmeland<br />

ist für 2010 geplant, dass im Rahmen der<br />

Zwischenseminare im Ausland 3 Tage für<br />

Tutoren angehängt werden um alle an den<br />

Neuerungen und Neuigkeiten teilhaben zu<br />

lassen.<br />

Zum Weiteren ist geplant auch Ältere<br />

Teilnehmer für das Auslandspraktikum und<br />

ehemalige Hauptschüler, die Arbeitslos sind,<br />

durch Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt, zu<br />

gewinnen.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 2


„ADiA“ – Anderer Dienst im Ausland<br />

Hier sind alle die sein Dienst jetzt gerade<br />

machen oder schon gemacht haben.<br />

Ecuador:<br />

Peter Trögel<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Juli 2005 – Juni 2006<br />

Thomas Mildenberger<br />

Oktober 2008 –<br />

September 2009<br />

Julian Wirth<br />

September 2009 -<br />

August 2010<br />

Cay Buschmann<br />

August 2008 - Juli 2009<br />

Peter Riegg<br />

Mai 2009 - April 2010<br />

Benjamin Bayerle<br />

September 2009 –<br />

August 2010<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 3


China:<br />

Serbien:<br />

Trinidad und Tobago:<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Alexander Fischer<br />

August 2008 – Juli 2009<br />

Nils Weitzel<br />

August 2008 – Juli 2009<br />

Stefan Stark<br />

Juli 2003 –<br />

September 2009<br />

Andreas Schmid<br />

September 2009 –<br />

August 2010<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 4


Monatsberichte von den ADiA Leistenden.<br />

Ecuador:<br />

Vom Cay Buschmann<br />

August – September 2008<br />

Buenos dias liebe Spender, Familie &<br />

Freunde,das hier ist mein erster "offizieller"<br />

Rundbrief aus Ecuador. Warum? Der erste<br />

Monat ist zwar noch nicht um, aber mein erster<br />

Teilabschnitt des Jahres ist vorbei - ich bin nun<br />

nach drei Wochen in meinem Projekt<br />

angekommen, habe also die Hauptstadt Quito<br />

verlassen.<br />

Das bedeutet, ich habe zwei Wochen<br />

Sprachkurs Spanisch hinter mir und muss<br />

sagen, es ist echt eine leichte Sprache.<br />

Sicher liegt auch viel daran, dass man quasi<br />

rund um die Uhr damit konfrontiert wird, aber<br />

es hat mir sogar Spaß gemacht Vokabel und<br />

Grammatik zu lernen - was angesichts der<br />

Tatsache, dass ich die Schule erst von ca. zwei<br />

Monaten verlassen habe, schon erstaunlich<br />

finde!<br />

Quito hat mir sehr gut gefallen, obwohl es die<br />

ersten Tage schwierig war, mit der Höhe von<br />

2800 m fertig zu werden. Der Sauerstoffmangel<br />

in der Luft ist durchaus spürbar und<br />

Zeitumstellung tut ihr übriges zur Mattheit und<br />

Dauer-Müdigkeit. Aber schnell ist all das<br />

vergessen und ich hatte meinen Spaß in der<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Sprachschule und mit meiner Gastfamilie -<br />

meine Gastmama war eine Lehrerin der<br />

Sprachschule und ich teilte die Wohnung<br />

außerdem zeitweise noch mit einem Australier<br />

(auch Schüler an meiner Sprachschule), einer<br />

Engländerin mit ihren zwei Kindern und einigen<br />

Verwandten meiner Gastmutter Patricia.<br />

Insgesamt war immer für Abwechslung gesorgt<br />

und ich fand schnell auch ein paar Deutsche,<br />

"natürlich" auch Zivis, die mich davon abhalten<br />

konnten Spanisch zu reden...<br />

Ich war in Quitos Touristenviertel La Mariscal<br />

untergebracht, wo Tag und Nacht immer was<br />

los war. Doch auch oder gerade die Altstadt ist<br />

nicht zu verachten, ein buntes Meer von<br />

Kirchen, Regierungs-Palästen und anderen<br />

herrlichen Kolonialbauten. Inmitten dieser<br />

Atmosphäre trafen ein anderer deutscher Zivi<br />

und ich an einem Hotel die Nationalmannschaft<br />

Ecuadors, welche grad in ihren Mannschaftsbus<br />

stieg. Nach dem 3:1-Sieg über Bolivien am<br />

Vortag waren auch wir zwei stolz auf "unsere"<br />

Jungs und klatschten mit den anderen,<br />

wechselten noch ein paar Worte mit dem<br />

Trainer (welcher übrigens in Deutschland<br />

studierte) und schossen Fotos mit ihm und ein<br />

paar Spielern. Tja, in Deutschland gibt es dann<br />

immer kilometerweise Absperrung um die<br />

National-Elf und hier rennt man ihnen einfach<br />

über den Weg....<br />

Überhaupt wird Fußball hier ganz anders<br />

gelebt, ein Fußballkommentator ist immer<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 5


freudig, gut gelaunt und zieht den TOOOOR-Ruf<br />

über eine enorme Länge hin, selbst wenn es ein<br />

Tor für die Gegenmannschaft ist. Ich verstehe<br />

nicht sehr viel von den Fußballkommentaren,<br />

weil mein Spanisch noch nicht so gefestigt ist<br />

und außerdem viel zu schnell gesprochen wird.<br />

Dennoch spürt man die Begeisterung und<br />

Leidenschaft unheimlich...<br />

Ich besichtigte auch das Äquator-Denkmal von<br />

la Mitad del Mundo, dem Mittelpunkt der Welt.<br />

Es ist schon faszinierend zu wissen, dass man<br />

beim einmaligen Umkreisen des Denkmals<br />

zweimal die Erdhalbkugel wechselt!<br />

Des weiterem besichtigte ich noch den<br />

Panecillo, einen Hügel etwa mittig in der Stadt<br />

gelegen.<br />

Auf ihm thront die Statue der Virgen de Quito,<br />

welche ihre schützenden Arme über der<br />

Altstadt, La Mariscal und den ganzen Norden<br />

der Stadt ausbreitet. Ein noch schöneres<br />

Erlebnis war die Besichtigung des TeleferiQo -<br />

die höchstgelegendste Seilbahn der Welt führt<br />

einen auf einen hohen Berg im Westen der<br />

Stadt. In eisigem Wind auf 4100 m Höhe sieht<br />

man noch deutlicher, was auch schon auf dem<br />

Panecillo zu sehen war: die Ausmaße Quitos.<br />

Obwohl die Stadt offiziell nur 1,3 oder 1,6<br />

Millionen Einwohner zählt, streckt sie sich über<br />

eine Länge von 50 km in der Nordsüd-Richtung.<br />

Die Breite beträgt ca. 5-10 km. An der Spitze<br />

des TeleferiQo's stehend, denkt man, das<br />

Ostende der Stadt fast greifen zu können,<br />

währende man das Nord- und Südende nur<br />

erahnen kann... Nicht nur die Kälte, sonder vor<br />

allem den erhöhten Sauerstoffmangel auf 4100<br />

m machte mir echt zu schaffen. Schritt für<br />

Schritt hechelt man die steilen Pfade in<br />

Richtung des Vulkans Ruco Pichincha, welcher<br />

der Region um Quito den Namen gab. Natürlich<br />

habe ich den Vulkan nicht bestiegen, dass ist,<br />

denke ich, nur mit Kletterausrüstung und<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Führer zu wagen. Dennoch ist das Gefühl dort<br />

oben einfach atemberaubend. Die Stille, wenn<br />

kein Auto hupt oder kein Handy klingelt, und<br />

der Ausblick auf karge und grasige Täler,<br />

wolkenumhüllte Berggipfel und natürlich auf<br />

die lärmende Stadt Quito, welche man hier<br />

oben ganz anders genießen kann.<br />

Doch am Freitag dem 12.9. hieß es Abschied<br />

nehmen von Quito und allen Freunden die ich<br />

hier fand, denn es ging endlich los. Der<br />

Regenwald wartet auf mich... Doch davon gibt<br />

es voraussichtlich Ende September mehr. Ist ja<br />

nicht mehr so lange.<br />

Bis zum nächsten Mal verbleibe ich mit den<br />

herzlichsten Grüßen von "kurz unterm Äquator"<br />

Euer Cay Buschmann<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 6


Vom Thomas Mildenberger<br />

Dezember 2008<br />

Hola!<br />

Meine 2. Rundmail schicke ich mitten in die<br />

Adventszeit, von der ich hier nichts bemerke.<br />

Hätte mir nicht jemand gesagt, dass schon<br />

Dezember ist – ich hätte vielleicht erst wieder<br />

Ende 2008 wieder das Gefühl von Winter und<br />

Weihnachtszeit gehabt (Ich bin gespannt, wie<br />

hier dieses Fest gestaltet wird und, wie ich<br />

diese Feiertage _ das erste Mal unter<br />

Bananenpalmen, verbringen werde). Die Zeit<br />

vergeht rasend (Ich bin jetzt wirklich schon<br />

einen Monat an der Küste?!). Eine Woche folgt<br />

der nächsten und, und… ich habe mich so<br />

langsam auf der Farm eingelebt. MEHR dazu<br />

unten, nun erstmal chronologisch:<br />

Nachdem ich also Quitos Altstadt näher kennen<br />

gelernt hatte (unter anderem eine barocke<br />

Basilika, die durchaus mit dem Freiburger<br />

Münster mithalten kann) und mit der Teleferico<br />

(die höchste Seilbahn der Welt) den Ricu<br />

Pichincha (4700m) annähernd bestiegen hatte,<br />

reiste ich am Sonntagabend an die Küste. Dank<br />

des skrupellosen Fahrstils des Busfahrers<br />

meisterten wir die Strecke von normalerweise 8<br />

in nur 7 Stunden, doch mussten wir im<br />

Gegenzug dazu auch einiges an Reisekomfort<br />

aufgeben. Ein ständiges Hin- und Her- Gewackel<br />

hinderte mich am Schlafen und so hatte ich<br />

lange genug die Gelegenheit, zu beobachten,<br />

wie der Fahrer versuchte, den<br />

verschiedengroßen Schlaglöchern<br />

auszuweichen, welche die schlecht- oder auch<br />

nicht- ausgebauten Straßen sehr<br />

abwechslungsreich gestalten.<br />

Angekommen in „Bahía de Caraquéz“ fand ich<br />

endlich die lang ersehnte Wärme/ Schwüle, die<br />

man am Äquator erwartet (nachdem mich die<br />

übereifrige Klimaanlage im Bus auf die<br />

derzeitige Temperatur in Deutschland herunter<br />

gekühlt hatte). Da sich diese Stadt auf einer<br />

Halbinsel der südlichen Seite der Bucht<br />

befindet, musste ich noch nach „San Vincente“<br />

übersetzten, um nach Norden weiter zur Farm<br />

reisen zu können. Von hier aus sollte ich<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

abgeholt und zur Farm gebracht werden. Es<br />

folgt nun eine Beschreibung der Fahrt, welche<br />

ein gutes Beispiel für die effiziente<br />

ecuadorianische Logistik ist: Normal große,<br />

uralte, rostige Pick-Up’s sind hier das<br />

Transportmittel Nummer 1. Zuerst wird die<br />

komplette Ladefläche mit Lebensmittelsäcken<br />

bepackt – nur kleine Zwischenräume werden<br />

gelassen, in denen die Beine der Passagiere<br />

später Platz finden sollen. Dann legt man ein<br />

paar Bretter auf diese Ladung, welche die<br />

Bänke für die Passagiere darstellen. Um auch<br />

wirklich die größtmögliche Anzahl an Menschen<br />

transportieren zu können, müssen diese, sich<br />

gegenübersitzend ihre Beine ineinander<br />

„verzahnen“. Auf diese Weise passen<br />

normalerweise mindestens 16 Leute auf 4<br />

Bretter. Nachdem man dann mit ein wenig<br />

Nachdruck noch mehr Gepäckstücke zwischen<br />

sich klemmt, können nun noch Kinder und neue<br />

Ladung auf den Schoss genommen werden. Zu<br />

diesem Zeitpunkt kann man sich schon nicht<br />

mehr bewegen, aber man glaubt gar nicht, was<br />

in dieser Hinsicht alles möglich ist. An diesem<br />

Tag wollten viele Leute in Richtung „Rio<br />

Muchacho“ fahren, weshalb wir ein bisschen<br />

näher zusammenrücken mussten. So stiegen<br />

auf unserer Fahrt durch San Vicente noch<br />

einige Personen zu und einiges an Ladung<br />

musste zusätzlich aufgenommen werden.<br />

Wir hatten eine Gesamtanzahl von 21 Personen<br />

erreicht, als weitere Einkäufe folgten. Tüten<br />

weise exotisches Obst wurde mitgenommen<br />

und dann woanders wieder abgeliefert; Es<br />

waren immer noch genug freie Hände da. Ich<br />

bekam einen Karton in die Hand, ca. 30cm x<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 7


50cm x 10cm. Darin befand sich, wie ich bald<br />

herausfand, zwischen 20 und 30 quiekende<br />

Küken! Unterwegs klammerten sich Leute, die<br />

ein Stück mitfahren wollten einfach von außen<br />

am Wagen fest und sprangen an der<br />

gewünschten Straßenecke wieder herunter.<br />

Dank eurer Vorstellungskraft (_Ich zwischen 20<br />

Ecuadorianern auf einem VOLL bepacktem<br />

Wagen; nicht in der Lage meinen großen<br />

Fußzehe zu bewegen) ist folgende Frage<br />

bestimmt nachvollziehbar: Wie lange werden<br />

die ohnehin schon lange abgefahrenen Reifen<br />

dem inneren Luftdruck noch standhalten<br />

können...?<br />

Nichts desto trotz habe ich diese Fahrt sehr<br />

genossen; Abgelenkt vom Fahrtwind in meinem<br />

über alle Köpfe hinwegblickenden Gesicht und<br />

durch das eben beschriebene Bild vor<br />

Augen…Ich denke, so muss man mal gereist<br />

sein ;) Ungefähr 10km nördlich liegt „Canoa“,<br />

ein kleines Küstendorf, das von Surfertouristik<br />

lebt. Von hier aus geht es weitere 8 km<br />

landeinwärts durch eine Region, in der 2<br />

unterschiedliche Ökosysteme aufeinander<br />

treffen:<br />

Regenwald aus dem Norden und<br />

Trockenwälder aus dem Süden. Grund für<br />

ersteres ist ein Warmwasserstrom aus<br />

Zentralamerika, der das Meer erhitzt und viel<br />

Wasser verdampfen lässt (ergo viel Regen).<br />

Ursache für die weltweit einzigartige,<br />

chilenische Wüste und die Trockenwälder an<br />

den Küsten Perus und Südecuadors ist der<br />

Humboldtstrom, der aus der Antarktis kaltes<br />

Wasser bringt und somit das Verdampfen des<br />

Wassers und den daraus resultierenden, Leben<br />

bringenden Regen verhindert. Man trifft hier<br />

also auf einen Mischwald, bestehend aus<br />

Pflanzen beider Ökosysteme. Da gerade noch<br />

Trockenzeit ist, sind einige Hügel mit<br />

vertrockneten Pflanzen und kahlen Bäumen<br />

bedeckt, während sich in den kleinen Tälern<br />

und entlang den Bächen immergrüne Büsche<br />

und Palmen erstrecken.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Um die Arbeit auf der Farm näher erklären zu<br />

können muss ich nun noch ein wichtiges Kapitel<br />

aus der Geschichte dieses Landes erzählen. Vor<br />

70 Jahren war hier alles bewaldet und die<br />

Region war bekannt für ihren Kaffeeanbau. Die<br />

Farmer bauten zwischen/ unter den Bäumen<br />

des Waldes eine Sorte an, die sehr gut im<br />

Schatten wuchs, aber auch nur einmal pro Jahr<br />

Ertrag brachte. Dann kam eine neue<br />

Kaffeesorte aus Arabien: Eine robustere und<br />

ertragsreichere Pflanze, die viel Sonne brauchte<br />

und dafür alle 3 Monate reife Bohnen lieferten.<br />

In Hoffnung auf mehr Profit holzte man die<br />

Wälder ab und wechselte zur reinen<br />

Monokultur dieser importierten Pflanze. Eine<br />

Überproduktion und die nun große Konkurrenz<br />

auf dem Kaffeemarkt senkten in den<br />

Folgejahren die Preise in dramatischer Weise.<br />

Der Staat half den verarmten Farmern aus<br />

dieser Krise, indem er Kühe aus Indien<br />

einschiffen ließ und so das Land für Rinderzucht<br />

(+ Milch-/Käseproduktion) umfunktionieren<br />

wollte. Daher vielen Kaffeefelder und restliche<br />

Wälder den großen Weideflächen zum Opfer.<br />

Als nächstes erschütterte eine 7 Jahre lang<br />

anhaltende Dürre das Land. Das Gras trocknete,<br />

die Kühe starben, die Farmer verließen die<br />

Region. 1983 trat dann das erste Mal das<br />

schreckliche Phänomen „El Nino“ ein,<br />

begründet in einem Meeresstrom aus<br />

Australien, der ca. alle 15 Jahre einen 10-<br />

Monatigen Dauerregen bringt: Die<br />

Küstenstädte wurden überschwemmt, in den<br />

Straßen stand der Schlamm bis zu 4 Meter hoch<br />

und machte die Familien obdachlos. Doch für<br />

den trockenen, vom Kaffe einseitig<br />

ausgelasteten Boden und die gesamte<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 8


entwaldete Landschaft war diese lange<br />

Regenzeit ein Segen. In den 1980gern wurde<br />

die Farm RIO MUCHACHO und das Projekt<br />

GUACAMAYA TOURS – „Tourismus für einen<br />

besseren Planeten“ gegründet, um das Land<br />

wieder zu bepflanzen/ bewalden/ aufzubauen.<br />

Nachdem Bahía vom „El Nino“ zerstört war,<br />

wurden einige Recycle-Aktionen ins Leben<br />

gerufen, weshalb diese Stadt inzwischen den<br />

Beinamen ECOCITY erhalten hat. Auch von<br />

Guacamayo Tours gegründet ist Ecuadors’<br />

erstes Papier- Recycle-Projekt: ECOPAPEL.<br />

Außerdem wurde eine Grundschule/<br />

ENVIRONMENTAL SCHOOL gebaut, in der den<br />

Kindern zusammen mit dem Lesen, Schreiben<br />

und Rechnen auch gleich Umweltgrundlagen<br />

und Ökologie beigebracht werden. Weitere 11<br />

ländliche Grundschulen und 11 städtische<br />

Schulen in Bahía und Umgebung nehmen an<br />

dem Unterrichtsprojekt ENVIRONMENTAL<br />

EDUCATION teil, was bedeutet, dass<br />

Unterrichtseinheiten zu umwelttechnischen<br />

Sachverhalten vorbereitet und an allen Schulen<br />

durchgeführt werden.<br />

Die Farm selbst, nennt sich „Finca Organica“<br />

und betreibt organische Landwirtschaft nach<br />

dem Prinzip der Permakultur und der<br />

Biodynamik.<br />

Das heißt, man versucht alle Bereiche so<br />

miteinander zu verknüpfen, dass sie sich<br />

gegenseitig ergänzen und einen unabhängigen<br />

Kreislauf bilden. Man richtet den gesamten<br />

Aufbau danach aus, kein einziges Abfallprodukt<br />

zu erzeugen und bezieht hierbei die Natur so<br />

mit ein, dass diese für einen arbeitet, anstatt<br />

selbst gegen sie zu arbeiten. Deswegen ist es<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

wichtig, dass alle Mittel 100% biologisch<br />

abbaubar sind. Verschiedene chemische<br />

Kompostierprozesse und Mikroorganismen<br />

spielen hierbei eine große Rolle. Jegliches<br />

organisches Material wie Laub oder Tierkot<br />

wird zu Dünger verarbeitet, welcher den<br />

Nutzpflanzen als Nährstoffquelle dient. Um die<br />

kahle, vertrocknete und sandige Landschaft<br />

wieder in fruchtbares Ackerland zu verwandeln<br />

und somit den Farmern und der kompletten<br />

Region ihre Lebensgrundlage zurück zu geben,<br />

braucht man nicht nur eine ganze Menge<br />

richtig guten Humus und eine ordentliche<br />

Regenzeit, sondern muss auch das Prinzip der<br />

Nachhaltigkeit publik machen. Denn das<br />

Gegenteil wird hier leider viel zu oft praktiziert:<br />

Große Unternehmen bieten den Farmern<br />

genmanipulierten Samen und nötige Herbizide<br />

+ Pestizide, damit diese riesige Monokultur an<br />

z.B. Bananen/ Kakao/… anbauen. Ein paar Jahre<br />

später sind die Farmer abhängige Käufer der<br />

chemischen Düngemittel und der Samen,<br />

welche nur eine einzige Pflanzengeneration am<br />

Leben bleiben, während der Boden verseucht<br />

und nährstoffarm ist. Man kann also nur<br />

hoffen, dass die „Eine Welt“-Läden noch<br />

erfolgreicher werden. (Auf der Rio Muchacho<br />

Farm angebaute/ hergestellte Produkte werden<br />

auch nach dem „Fair Trade“- Prinzip verkauft.<br />

Noch sind jedoch Touristen die einzigen<br />

Abnehmer, da sich Einheimische die teureren<br />

Produkte nicht leisten können.) Alle oben<br />

genannten „Guacamayo Tours Projekte“<br />

werden allein durch den so genannten<br />

Ökotourismus finanziert. Neben dem Angebot<br />

verschiedenen Tagestouren vor Ort, kann man<br />

auch als Volontär auf der Farm arbeiten oder<br />

Permakulturkurse belegen.<br />

Man könnte noch viel mehr über diese<br />

Ökoprojekte sagen, aber es soll sich ja nicht wie<br />

Schleichwerbung anhören. Trotzdem muss ich<br />

voller Überzeugung anmerken, dass dieses<br />

Thema (Permakultur, Nachhaltigkeit,<br />

Ökonomie, Recycling, Bio-, etc.) ein sehr<br />

wichtiges ist und in der Zukunft noch an<br />

Bedeutung gewinnen wird!<br />

Auf der Farm gibt es Pferde, Esel, indische Kühe<br />

(das sind die, mit dem überdimensional großen<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 9


Ohren), Schweine, Hühner, Meerschweinchen,<br />

Wurmbeete, Hunde, Katzen, einen riesigen<br />

Obst-, Kräuter- und Gemüsegarten und kahle<br />

Fläche, die erst noch wiederbepflanzt werden<br />

muss.<br />

Insgesamt ist das Gelände 10 Hektar groß, was<br />

im hiesigen Vergleich eine sehr kleine Farm ist.<br />

Neben Volontären kommen auch Touristen auf<br />

die Finca, um 3 oder 4 Tage zu bleiben – die<br />

Volontäre bleiben für einen Monat. Je nach<br />

Saison sind hier bis zu 30 junge Leute aus aller<br />

Welt, hauptsächlich aber aus den USA.<br />

Außerdem waren da: Kanadier, Australier,<br />

Engländer, Deutsche, Franzosen, Belgier,<br />

Schweden, Kolumbianer (sortiert nach deren<br />

Anzahl). Die Arbeiter und die Familien in der<br />

Umgebung sprechen/ nuscheln natürlich<br />

ausschließlich Spanisch, aber untereinander<br />

reden hier alle Englisch. Ja, das ist nicht das<br />

Beste für meine Spanischfortschritte, wobei<br />

mein passiver Wortschatz immer größer wird.<br />

Ich verstehe eigentlich schon das meiste, das<br />

mir auf Spanisch gesagt wird, wenn die Leute<br />

nicht gerade wieder alle Wortendungen<br />

verschlucken. Jedoch spreche ich selbst den<br />

ganzen Tag Englisch mit den andren<br />

Volontären. Eine tri-linguale Sprachreise<br />

sozusagen. Als ich ankam waren hier 30 Leute,<br />

ein wirklich „bunter“ Haufen! Sehr tolle Leute<br />

waren dabei, die inzwischen leider wieder<br />

weiter gereist sind. Nun sind wir noch 9, bald<br />

werden wir nur noch 4 sein. Ich weiß noch<br />

nicht, wann die nächsten anreisen. Es ist<br />

wahrscheinlich der beste Ort, um möglichst<br />

viele verschiedene, interessante Leute kennen<br />

zu lernen und internationale Kontakte zu<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

knüpfen. Für mich persönlich, da ich ja hier 11<br />

Monate bin, heißt das aber auch immer wieder<br />

Abschied nehmen zu müssen. Ein Kommen und<br />

Gehen, während ich bleibe. Auf jeden Fall ein<br />

spannender Ort, obwohl völlig abgeschieden<br />

vom Rest der Welt. An meinem ersten Tag habe<br />

gleich Papaya, Kakao und Kaffee gepflanzt. Da<br />

beginnt man die Natur mit andren Augen zu<br />

sehen, wenn man kleine grüne Pflänzchen oder<br />

ein paar Samen in die Erde drückt und weiß,<br />

dass auf diese Weise auch die Bananenpalme<br />

entstanden ist, unter der ich gerade sitze. Oder<br />

wenn einem bei der Arbeit hier eine Maracuja<br />

vor die Füße rollt; da denke ich nicht mehr an<br />

die Supermarktbuffets dieser Welt, die<br />

anscheinend immer alles haben, unabhängig<br />

davon, ob sich die Obstbäume der<br />

Anlieferländer gerade dazu entschließen<br />

ertragsreich zu offerieren. Oder wenn man<br />

beim morgendlichen Erntegang durch den<br />

Garten an Beeten vorbeiläuft, an denen leckere<br />

Dinge wachsen, die ich noch nie gesehen und<br />

von denen ich den Namen noch nie gehört<br />

habe,…<br />

Ich wollte aber nicht nur erzählen, dass ich am<br />

Esstisch versuche, einzelne Früchte aus dem<br />

Saft herauszuschmecken oder im Salat ein mir<br />

bis dahin unbekanntes Gewächs zu<br />

identifizieren. Nein, ich wollte eigentlich zum<br />

Ausdruck bringen, dass ich seitdem immer<br />

wieder den Ananas’ beim wachsen zu schaue<br />

und, während ich das Unkraut drum herum<br />

entferne, nun eine Ahnung davon bekomme,<br />

welcher Prozess hinter einer Frucht steckt, die<br />

ich in Deutschland einfach gegessen hätte,<br />

ohne einen Gedanken daran zu verschwenden,<br />

ob der Bauer, in welchem Land auch immer,<br />

daran gedacht hat, sie täglich zu gießen.<br />

Sicherlich interessant: Mein Tagesablauf:<br />

Ja, ob ihr es glaubt oder nicht, ich muss jeden<br />

Morgen um 6.00 Uhr anfangen zu arbeiten!<br />

D.h. aufstehen, während auf dem Wecker noch<br />

eine 5 ganz vorne steht. Wenn ihr also an der<br />

ein oder andren Stelle dieses Berichts an Urlaub<br />

erinnert werden solltet, seid ganz beruhigt:<br />

Ich liege nicht nur unter den Palmen und esse<br />

exotische Früchte… Die morgendlichen<br />

Aufgaben sind: Gummistiefel anziehen, Tiere<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 10


füttern, STÄLLE SÄUBERN, Pasto (hohes<br />

Grasgewächs) und Zuckerrohr schneiden,<br />

Wurmbeete gießen, Tagesbedarf an Gemüse<br />

etc. aus dem Garten holen, Komposthaufen um<br />

schippen,… Gummistiefel ausziehen, 7.30 Uhr<br />

Frühstück (das Beste am ganzen Tag – ein<br />

wahres Traumfrühstück;) Falls kein<br />

Küchendienst _ Pause bis 8.30 Uhr.<br />

Dann startet man mit bepflanzen/ sähen/<br />

erschließen neuer Flächen (Löcher in<br />

steinharten Boden hauen, Humus einfüllen,<br />

Setzling/ Samen hinein, Erde darauf, gießen),<br />

Unkraut jäten (ich werde in einem Jahr ein<br />

Meister der Machete sein), bewässern (was<br />

auch bedeuten kann, dass man stundenlang<br />

volle Wassereimer den Berg hochschleppen<br />

muss), kompostieren (ja, man hat hier sehr viel<br />

mit Mist zu tun; der von den Schweinen stinkt<br />

übrigens am intensivsten), fertigen Humus in<br />

Säcke füllen und Säcke herumtragen,<br />

Biogasanlage befühlen (unglücklicherweise ist<br />

hierfür der Schweinekot gemischt mit 2/3<br />

Wasser am besten geeignet), Tiere umsiedeln<br />

(z.B. Hühner fangen –das ist vielleicht ein Spaß–<br />

und in einen größeren Stall tragen; je nach<br />

dem, wie geübt man ist, kann man bis zu 8<br />

Hühner tragen, 4 Füße pro Hand, ich schaffe<br />

erst 4 Hühnchen insgesamt), Pasto ernten und<br />

herumtragen,… Da sich dieser Abschnitt zu sehr<br />

nach Bauernhof angehört hat, muss ich<br />

folgende Anmerkungen machen:<br />

1. Die Umgebung ist einfach so klasse, dass<br />

man auch an botanischen Garten und Zoo<br />

denken könnte.<br />

Die Palmen, Bäume und Büsche haben rote,<br />

gelbe, violette, rosa,…Blüten und bieten<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

aufregend geformte Früchte/ Samenkapseln.<br />

Und die Vögel! Es sind bunte Bilderbuchvögel,<br />

rot, gelb, blau, grün, auch Papagei ähnliche<br />

Arten mit großen Schnäbeln. Oder es fliegt<br />

gerade ein Kolibri ein Meter vor dir herum und<br />

zwischen den Palmwedeln über dir hängen 20<br />

Fledermäuse… Dinge, die man aus<br />

Tierdokumentationen kennt. Natürlich trifft<br />

man auch auf weniger attraktive Lebewesen,<br />

wie Insekten. Riesige Blattschneideameisen<br />

beeindrucken durch lange Straßen voller sich<br />

auf wunderbare Weise bewegenden, großen<br />

Blattschnipseln; Es gibt Nachtfalter mit 25cm<br />

Spannweite und jeden Tag lernt man eine neue<br />

Spinnenart kennen;)<br />

2. Ich bin mir sicher, dass die Kinder, die hier<br />

aufwachsen eine Menge Spaß haben und viel<br />

lernen, gerade auch über den Umgang mit<br />

Tieren. Ist es nicht toll, zu wissen, in welcher<br />

Tonlage man eine Kuh anfauchen muss, um sie<br />

wieder in ihren Stall zu scheuchen? Oder wie<br />

man am besten Meerschweinchen fängt? Oder<br />

wie man das Gehege eines 150kg Schweins<br />

fegt, ohne gefressen zu werden? Ich finde<br />

wirklich, dass jeder einmal ein<br />

Bauernhoferlebnis gemacht haben sollte. Ich<br />

hole meines gerade nach.<br />

3. Eigentlich entkomme ich meistens der Arbeit<br />

am Vormittag, da ich zwischen 8.00 und 11.00<br />

Uhr in der Schule bin. (Mehr dazu weiter<br />

unten.) Nächster wichtiger Zeitpunkt 12.00 Uhr:<br />

Mittagessen Das Essen ist im Grunde sehr gut,<br />

wären da nicht diese 3 Haken:<br />

1. Es gibt IMMER REIS. Jeden Tag REIS; Sogar<br />

zweimal täglich, da das Abendessen genau<br />

wie das Mittagessen ist, nur ohne Suppe und<br />

Saft.<br />

2. Vegetarisch. Als leidenschaftlicher<br />

Fleischesser habe ich es da ein wenig schwer.<br />

Zudem legen unseren Hühnern aus mir<br />

unbekannten Gründen kaum Eier und unsere<br />

Kühe geben kaum Milch. Einziger Lichtblick:<br />

Alle 10 Tage gibt es einmal Fisch.<br />

3. Das Repertoire an vegetarischen REIS<br />

Gerichten ist nicht sehr groß. Es gibt<br />

verschiedene Sorten Salat, verschiedenen<br />

Soßen, etwas Gebratenes und dazu Reis – jeden<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 11


Tag. Fazit: Eigentlich leckeres Essen! Aber mit<br />

der Zeit…<br />

Sofern nicht Küchendienst, Pause bis 13.30 Uhr.<br />

Dann ist bis 16.00 Uhr Projektarbeit. Die<br />

Projekte wechseln jede Woche, je nachdem,<br />

was gerade ansteht. Bsp:<br />

- Dächer neu decken (mit Palmblättern)<br />

- Produkte für die Läden zubereiten (Wir<br />

kochen „Aji“ _ verschiedene, meistens scharfe<br />

Saucen aus allen möglichen Zutaten, in jeder<br />

Geschmacksrichtung)<br />

- Landscaping, d.h. um die Häuser herum<br />

Blumen pflanzen, Wege säubern, andere<br />

Pflanzen zurückschneiden,…<br />

- Häuser streichen<br />

- Mehr Pasto/… pflanzen<br />

- Irgendetwas bauen, oder eines der Häuser<br />

ausbauen/ ausbessern<br />

- Kuhmist beim Nachbarn abholen<br />

- Irgendwelche Sachen von A nach B tragen *…+<br />

Mittwochs ist Cultural Day, das bedeutet, es<br />

gibt eines der „Kultur-Programme“ am<br />

Nachmittag:<br />

- Herstellung von Käse, Kaffee oder Schokolade<br />

(Jaaaa, wir machen Schokolade, aus den<br />

eigenen Bohnen, dem eigenen Zucker, der<br />

eigenen Milch UND sie schmeckt sehr gut: P am<br />

besten auf frischen Papaya/ Bananen)<br />

- Aushöhlen/ Schnitzen von Bechern, Löffeln<br />

oder Schalen, alles aus der Frucht des<br />

Matebaums. Fast unser gesamtes Geschirr ist<br />

also aus holzähnlichen Materialien. Größere<br />

Schüsseln sind aus Ton.<br />

- Schleifen/ Schnitzen/ Polieren von Halsketten<br />

und Ringe aus den Samen verschiedener<br />

Pflanzen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

- Ausflüge mit den Pferden zu einem<br />

Riesenbaum, einem kleinen Wasserfall oder<br />

einem bestimmten Waldstück in dem man<br />

Affen beobachten kann (Tierfilm-Feeling)<br />

- Im Fluss Schrimps fangen/ fischen<br />

- mal sehen was es noch gibt ;)<br />

Um 18.00 Uhr gibt’s wieder Essen/ Reis (Details<br />

siehe oben) Bis 19.00 Uhr ist es auch schon<br />

wieder komplett dunkel und da man ja schon<br />

so früh aufgestanden ist, verschiebt dich der<br />

Tagesrhythmus eben nach vorne, sodass man<br />

zwischen 20.00 und 22.00 Uhr wieder ins Bett<br />

geht. Man gewöhnt sich an alles – hoffentlich.<br />

Denn mit dem hohen, nächtlichen<br />

Geräuschpegel habe ich noch Probleme. Grillen<br />

in jeder Höhenlage erzeugen eine<br />

Dauergezirpe, welches nun von Fröschen/<br />

Vögeln und den schrägen Lauten anderer Tiere<br />

übertönt wird. Soweit akzeptabel, aber wovon<br />

ich wirklich auch nach einem Monat noch<br />

aufwache ist das ****** Kikeriki der Hähne ab<br />

ca. 4.00 Uhr (oder wann immer sie wollen), ein<br />

Grunzanfall der Schweine, dem scheinbar<br />

spontanen Gebell der eifrigen Hunde oder<br />

selten auch ein schreiender Esel. Ohropax<br />

helfen, nur hört man dann den Wecker nicht<br />

mehr…<br />

Schule:<br />

Die Rio Muchacho Grundschule ist zu Fuß 20<br />

Minuten von der Farm entfernt. Hierher<br />

kommen 30 Schüler im Alter zwischen 4 und 14<br />

Jahren, hauptsächlich die Kinder der Farmer.<br />

Aufgeteilt in 3 Gruppen ist es die Aufgabe von 2<br />

(manchmal 3) Lehrern die Kinder zu<br />

unterrichten. Klar sind diese für jede<br />

Unterstützung dankbar. So gehe ich zusammen<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 12


mit einer anderen Volontärin 3 Vormittage pro<br />

Woche zur Schule und mache mit den Kindern<br />

Sport, ein bisschen Englisch, oder was immer<br />

gerade anfällt, z.B. Diktat oder nur Spielen mit<br />

den Kleinsten. Die Kinder sind wirklich putzig<br />

und, wenn sie nicht gerade beleidigt oder<br />

rebellisch sind, sehr anhänglich.<br />

Sobald mein Spanisch gut genug ist, werde ich<br />

mehr Fächer unterrichten können und auch zu<br />

andren Schulen (Canoa oder Bahia) gehen.<br />

Außerdem gibt es einige Aufgaben im Öko-<br />

Tourismusbereich, die ich mit höheren<br />

Spanischfähigkeiten übernehmen kann. Es ist<br />

mir also möglich mit der Zeit die Schwerpunkte<br />

in den verschiedenen Aufgabenfeldern selbst<br />

zu wählen. Noch gefällt es mit aber gut auf der<br />

Farm und mein Spanisch ist… Ich werde wohl<br />

nächste Woche noch einmal Stunden nehmen ;)<br />

Schlussendlich hier ein paar Informationen zum<br />

Leben auf der Farm:<br />

- Wir sind an ein sehr labiles Stromnetz<br />

angeschlossen, weshalb häufig der Strom für<br />

ca. 20h ausfällt. Der Anschluss unseres<br />

funktionierenden Solarzellenakkus befindet sich<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

wohl auf einer To-Do Liste. Woran es fehlt weiß<br />

ich leider nicht, aber ich kann berichten, dass<br />

man hier auch gut eine Woche ohne Elektrizität<br />

auskommt, solange genug Kerzen vorhanden<br />

sind. Ein großer Nachteil besteht jedoch in der<br />

Abhängigkeit von der elektrischen<br />

Wasserpumpe. Wir haben also auch kein<br />

Leitungswasser, wenn Stromausfall _ Man<br />

wäscht sich dann im Fluss; Wäsche/Klamotten<br />

werden natürlich immer von Hand gewaschen<br />

- Wir haben so genannte Kompostiertoiletten.<br />

Nach Gebrauch schüttet man eine Schüssel<br />

Sägemehl oder Ähnliches hinein/ darauf und<br />

wenn der Graben voll/ der Inhalt zersetzt ist,<br />

wird er ausgeschaufelt und als Dünger für<br />

Nicht-Nutz-Pflanzen benutzt. Tatsächlich<br />

stinken diese Trockentoiletten nicht und sind<br />

hygienischer als manche nicht-<br />

funktionierende, konventionelle Toiletten.<br />

- Der Sagen umwobene Fluss Rio Muchacho ist<br />

momentan zwischen 10 und 50 cm tief und<br />

macht wirklich keinen zerstörerischen Eindruck.<br />

Wenn aber die Regenzeit beginnt, dann schwillt<br />

dieser Fluss auf eine tiefe von bis zu 5 Metern<br />

an (wurde mir gesagt). Da man den Fluss<br />

überqueren muss, um auf eine Hauptstraße zu<br />

gelangen, werden wir in diesem Falle von der<br />

Außenwelt abgeschlossen sein. Ich bin<br />

gespannt!<br />

- Das Wetter ist die meiste Zeit sehr angenehm:<br />

Immer bewölkt und daher nicht zu warm. Man<br />

fühlt sich Tag und Nacht in T-Shirt und kurzer<br />

Hose wohl. (Ich will gar nicht an Deutschland<br />

denken…) Ein bis Zwei Mal pro Woche ist es<br />

klar und HEISS. Zu Arbeiten ist dann<br />

unerträglich. Mit der Regenzeit (ab Januar),<br />

wird sich das aber alles ändern. Mehr Sonne<br />

und maximale Luftfeuchtigkeit _<br />

Wahrscheinlich eine SEHR anstrengende<br />

Schwüle. Ich berichte darüber in der nächsten<br />

Mail.<br />

In der Hängematte liegend und mit Macheten-<br />

Blasen am Daumen grüßt euch<br />

Thomas<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 13


Vom Thomas Mildenberger<br />

März 2009<br />

Hallo, ich lebe noch ;)<br />

Ich wurde noch nicht von unendlichen<br />

Wassermassen hinweggeschwemmt und mein<br />

Organismus ist noch nicht unter der riesigen<br />

Luftfeuchtigkeit zusammengebrochen.<br />

Tatsächlich haben wir nämlich im Moment eine<br />

ziemlich lausige Regenzeit. Anfang Februar fing<br />

es zwar tatsächlich an, immer öfter zu regnen<br />

und wir waren auch mal für 3,4 Tage ein wenig<br />

isoliert (d.h. die Straßen waren so schlammig,<br />

dass unbefahrbar), aber nun hat es seit über<br />

einer Woche außer ein bisschen Nieseln nicht<br />

mehr richtig geschüttet. Die jetzigen<br />

Verhältnisse haben zumindest dazu<br />

ausgereicht, die Landschaft in den<br />

verschiedensten Grüntönen zu färben und uns<br />

immer wieder (bis zu einer Woche lang am<br />

Stück) die Elektrizität zu nehmen. Außerdem ist<br />

der Fluss bis jetzt 2 mal angestiegen – nie mehr,<br />

als ca. 0,5 Meter. Und so können die Frauen<br />

immer noch am Ufer sitzend ihre Wäsche<br />

waschen; die Männer zum Putzen der Autos,<br />

diese in der Mitte des Flusses parken und die<br />

Kinder zur Erfrischung darin herum planschen.<br />

Für all den Mais, die Platanos und das Pasto,<br />

das in dieser Jahreszeit gepflanzt werden muss,<br />

ist es jedoch nicht genügend Regen und somit<br />

droht machen Bauern ohne ausreichenden<br />

Bewässerungsmöglichkeiten deren<br />

Existenzgrundlage zu vertrocknen. Die Lage ist<br />

tatsächlich ernst, da sich viele Bauern bei der<br />

Anschaffung von Samen und Chemikalien bei<br />

der Bestellung ihres Landes verschulden und<br />

ohne erfolgreiche Ernte nicht zurückzahlen<br />

können. An der Bushaltestelle am Eingang von<br />

Rio Muchacho wurde schon eine U.S.<br />

amerikanische Volontärin von den<br />

Dorfbewohnern angeklagt: „Weil die Leute in<br />

deinem Land nicht mehr an Jesus Christus<br />

beten, gibt es nicht genügend Regen!“ Neben<br />

der Arbeit im Garten, haben wir hier folgende<br />

Projekte in Angriff genommen/ verwirklicht:<br />

Auffanganlage für Regenwasser und Kanäle,<br />

Leitungen zum Filter- und<br />

Wasserspeichersystem; Volumenerweiterung<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

unserer Methansammel-Biogasanlage zur<br />

Erhitzung unseres Warmwassers; Brückenbau<br />

über den Rio Muchacho an einer Stelle, an der<br />

die alte Brücke beim ersten Anschwellen des<br />

Flusses hinweggeschwemmt wurde;<br />

Umsiedelung und Zucht unserer Würmer zur<br />

Humusherstellung, da wir einen „Großauftrag“<br />

von einer Universität bekommen haben, die<br />

Wurmbeet-Versuche durchführen will;<br />

Umsiedelung eines riesigen<br />

Blattschneideameisenhaufens und deren<br />

Kanalsystems, viele kleine weitere Projekte zum<br />

Schutz vor dem vielleicht bald kommenden<br />

Sturzregen. Touristenführungen sind es sehr<br />

viel weniger geworden, dafür aber viel<br />

Volontärarbeit mit mittelgroßen Gruppen, die<br />

nur für eine Woche bleiben und organisiert<br />

werden müssen).<br />

Ich bin immer gut beschäftigt;)<br />

Wie ich zum Fast-Vegetarier wurde:<br />

Die Rio Muchacho Umwelt-Grundschule hatte<br />

15 jähriges Jubiläum (momentan ist sie jedoch<br />

immer noch wegen Regenzeitferien<br />

geschlossen) und zu so einem Fest gibt es<br />

natürlich ein Festessen, das nicht vegetarisch<br />

gehalten werden kann. Also bereiteten die<br />

Mütter der Kinder einige Hühnchen zu. Was<br />

sich jedoch hinter der Formulierung<br />

„Hühnchenzubereitung“ verbirgt, war mir<br />

anscheinend nur unbewusst bewusst - und<br />

neugierig, wie ich bin, schaute ich den Frauen<br />

über die Schulter. In die Küchenecke gedrängt,<br />

verweilten die Hähne und Hennen, die ich<br />

schon seit ihrem Kückenalter an kannte. Die<br />

Täter waren noch in eine Diskussion vertieft,<br />

welche Schüssel man am besten benutze, um<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 14


das Blut aufzufangen. Als sie sich geeinigt<br />

hatten, und das erste Hühnchen ergriffen, fing<br />

dieses natürlich an, wie wild zu flattern und<br />

auch ich realisierte, dass es nun ernst wird, da<br />

mir die freundlichen Damen zeigen wollten, wie<br />

das nun geht. Sie waren sehr amüsiert darüber,<br />

dass ich noch nie eines geschlachtet hatte und<br />

lachten – mit Tier in der einen, Messer in der<br />

andren Hand. Ich lehnte das Angebot dankend<br />

ab und sah zu, wie ein Kopf nach dem andren<br />

über die Theke rollte. Beim Anblick der vollen<br />

Schüssel und des kleinen Haufens an<br />

Hühnerköpfen, der sich auf dem Boden bildete,<br />

musste ich anfangen darüber nachzudenken: So<br />

wie diesem Geflügelgericht gerade das Blut<br />

ausgedrückt und die Federn gerupft werden, so<br />

muss das ja mit jedem Huhn passiert sein, das<br />

ich im Laufe meines Fleischfresser Daseins<br />

verdrückt habe; Aus dem Kühlschrank holen<br />

kann jeder – Huhn töten sollte eigentlich auch<br />

jeder Nichtvegetarier können. Dieser Meinung<br />

war ich zumindest anfangs. Aber ich wollte<br />

wirklich nicht das Messer in die Hand nehmen,<br />

wollte nicht zudrücken bis es nicht mehr (so<br />

sehr) zappelte. Ich bitte um Verständnis für<br />

mein schüchternes Verhalten – ich war einfach<br />

nicht darauf vorbereitet und bis zu diesem<br />

Zeitpunkt waren sich in meiner Welt das<br />

lebende Tier und der Teller noch nie so nah<br />

gewesen. Ich denke schon, dass ich es hätte tun<br />

können, aber es ist angenehmer, darauf zu<br />

verzichten, zumal ich mich nicht dazu<br />

gezwungen sah. Dieses Ereignis war<br />

wahrscheinlich der erste kleine Schritt in<br />

Richtung Vegetarier…<br />

Der Zweite Schritt ist von Seiten der Ökologie<br />

und des Umweltschutzes zu betrachten: Im<br />

Durchschnitt verzehrt ein Nicht-Vegetarier eine<br />

Kuh pro Jahr (Masse an Fleisch) und eine Kuh<br />

wiederum frisst jährlich einen Hektar Gras oder<br />

Ähnliches. Dafür werden in den<br />

Entwicklungsländern die Wälder abgeholzt, um<br />

genügend Weidefläche zur Verfügung zu<br />

stellen. (Eine halbe Stunde von meiner Farm<br />

entfernt, hat ein Landbesitzer eine 20.000-<br />

Tierstarke Rinderzucht und ich muss immer<br />

wieder beobachten, wie die Bäume den Kühen<br />

weichen.) Ergo hat wahrscheinlich jeder<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Amerikaner, der Fleisch, Käse oder Milch kauft,<br />

jedes Jahr einen Hektar Regenwald auf dem<br />

Gewissen. (Auch in Europa ruft jegliche<br />

Massentierhaltung Umweltschäden hervor;<br />

neben der Tatsache, dass die Futtermittel<br />

hierfür natürlich größtenteils aus<br />

Entwicklungsländern importieren werden.) Ich<br />

esse hier auf der Farm nun schon vier Monate<br />

fleischlos und vermisse es inzwischen nicht<br />

mehr. Zwar würde ich kein feines<br />

Geschnetzeltes oder noch besseres Gulasch<br />

ablehnen wollen, und am Wochenende esse ich<br />

gerne mal Fisch in Canoa, aber ich habe mir<br />

dennoch fest vorgenommen, meinen<br />

Fleischkonsum deutlich zu senken, wenn ich<br />

zurück in Deutschland bin! (Der dritte Punkt<br />

wäre übrigens der gesundheitliche Aspekt, über<br />

den ich leider noch nicht allzu viel aussagen<br />

kann, außer, dass häufiger Fleischgenuss Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen fördert.)<br />

ISV-Workshop in Miraflores<br />

ISV Inc. steht für „International Student<br />

Volunteers“ und ist eine U.S. Amerikanische<br />

Organisation, welche Studenten aus aller Welt<br />

(hauptsächlich aus Kanada und USA) in<br />

verschiedene Entwicklungsländer entsendet.<br />

Dafür sucht ISV Ökotourismus-Projekte aus, in<br />

welchen die Teilnehmer dann für 2 Wochen<br />

arbeiten. In Ecuador gibt es momentan sieben<br />

solcher Projekte und die Farm Rio Muchacho ist<br />

eines davon. Anfang Februar fand das jährliche<br />

Seminar statt, und da Dario nur für wenige<br />

Stunden kommen konnte und ich auf der Farm<br />

auch mithelfe Volontäre zu koordinieren,<br />

bekam ich die Aufgabe/ Chance für drei Tage<br />

nach Miraflores (2h von Quito) zu fahren und<br />

Rio Muchacho zu repräsentieren. Natürlich war<br />

ich der einzige Gringo, der Jüngste und<br />

gleichzeitig derjenige, der 2 Köpfe größer war<br />

als der Rest; Derjenige, der noch nicht richtig<br />

spanisch konnte, derjenige, der blonde Haare<br />

hatte und derjenige, der sich jedes Mal beim<br />

Aufstehen den Kopf an derselben Lampe<br />

anschlug. Aber all die Ecuadorianer waren sehr<br />

nett, haben mich aufgenommen, herzlich mit<br />

mir/ über mich gelacht (sie nannten mich<br />

„Chicitito“, das ist sozusagen die doppelte<br />

Verkleinerungsform von „Chico“ = Junge) und<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 15


abends musste ich als Photomodel herhalten<br />

(alle wollten ein Bild mit dem Riesen aus<br />

Alemania) – Nicht nur deswegen wurden diese<br />

Tage zu einer besonderen Erfahrung.<br />

Das eigentlich berichtenswerte sind die<br />

besprochenen Themen, welche zu vielen<br />

essentiellen Gedankenanstöße führten. Ich<br />

machte mir tatsächlich sehr viele Gedanken, als<br />

Fragen aufkamen, wie zum Beispiel:<br />

Was sind die Kurz- und Langzeitziele unserer<br />

Projekte? Was nehmen die Volontäre an<br />

Erfahrungen/ Eindrücken mit nach Hause?<br />

Welche Werte können wie vermitteln? Welche<br />

Vorurteile vernichten? Welches Wissen<br />

verbreiten? Auf welche Probleme aufmerksam<br />

machen? Und wie viele Menschen können wir<br />

erreichen? – Können wir etwas verbessern? …<br />

Zugegebener Maßen hatte meine Motivation<br />

schon das ein oder andere Mal ein wenig<br />

abgenommen, wenn ich darüber nachgedacht<br />

hatte, was geändert werden müsste, und was<br />

wir tatsächlich bewegen können. Aber nach<br />

diesem Workshop, wusste ich wieder, welche<br />

Bedeutung ein solches Projekt (wie z.B. Rio<br />

Muchacho) hat.<br />

Denn auch wenn das angegebene Ziel der<br />

Wiederaufbau eines Ökosystems, die Gründung<br />

einer kleinen Dorfschule oder die Erhaltung der<br />

lokalen Artenvielfalt ist; All diese Projekte<br />

haben gleichzeitig immer die Mitaufgabe, ein<br />

Vorbild zu sein, eine Idee zu verbreiten. Je<br />

mehr Volontäre und Touristen hierbei integriert<br />

werden, desto mehr rückt diese Aufgabe, die<br />

hier mit dem Term des „Global Teaching“<br />

angesprochen wurde, in den Vordergrund.<br />

Sobald man ein breiteres Publikum mit einer<br />

guten Aktion erreicht, erhält man das Privileg,<br />

die Möglichkeit und somit die Verantwortung<br />

und die Pflicht, seine Botschaft weiterzugeben.<br />

Natürlich ist jeder Volontär für seine Erfahrung<br />

selbst verantwortlich – je nachdem, wie offen<br />

er für etwas Neues ist und in wie weit er<br />

interessiert ist, sich mit etwas Fremden zu<br />

beschäftigen. Aber „wir“ (ich sehe mich an<br />

dieser Stelle als Repräsentant eines solchen<br />

Projektes), bereiten den Teilnehmern<br />

sozusagen den Weg und ihr Erlebnis.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Zuvor habe ich Rio Muchacho „nur“ als ein<br />

tolles Konzept betrachtet, welches ohne große<br />

Auswirkung für sich besteht, aber keinen<br />

Einfluss auf das Treiben „da draußen“ (in der<br />

Welt) hat. Nun sehe ich, welche Rolle jeder<br />

Einzelne hier spielt, und dass wir ein Teil eines<br />

riesigen Projektes sind! Zur Veranschaulichung:<br />

In dem Raum saßen 16 Personen von 7<br />

unterschiedlichen Farmen und<br />

Ökotourismusanbietern in Ecuador. Diese 16<br />

Personen können Ein kleines Beispiel für die<br />

Reichweite einer guten Idee: Neben den<br />

nationalen Programmen des ISV, gibt es jährlich<br />

auch ein internationales ISV-Meeting, auf dem<br />

sich die ca. 10.000 Menschen ansprechen;<br />

Erreichen! Gerechnet haben wir mit der Anzahl<br />

der jeweiligen Bewohner der<br />

Dorfgemeinschaften vor Ort und den jährlichen<br />

Besuchern, zu denen wir direkten Kontakt<br />

haben. 10.000 Menschen, denen wir erzählen<br />

können, welche Auswirkung unser<br />

Konsumverhalten auf die Umwelt hat, und dass<br />

sich Nachhaltigkeit und Fortschritt nicht<br />

widersprechen. 10.000 Menschen die wir<br />

darauf aufmerksam machen können,<br />

erneuerbare Energien zu unterstützen und Müll<br />

zu reduzieren, zu trennen, zu recyceln. 10.000<br />

Menschen, die sich vielleicht bewusst werden,<br />

dass wir von der konventionellen Agrikultur<br />

Abstand nehmen müssen, um den Klimawandel<br />

nicht weiterhin zu beschleunigen, und dass wir<br />

die Natur wieder wertschätzen sollten, um<br />

einer nachfolgenden Generation eine<br />

Perspektive auf diesem Planeten geben zu<br />

können.<br />

Programmleiter aus aller Welt treffen und<br />

austauschen. Auf diesem Seminar stellte die<br />

Leiterinnen des ISV-Ecuador eine<br />

Spielplatzanlage aus alten Autoreifen und<br />

anderen recycelten Materialien vor, wie sie hier<br />

in Rio Muchacho einige Jahre zuvor in<br />

verschiedenen Schulen der Region gebaut<br />

wurde. Eben diese Spielplatzkonstruktionen hat<br />

daraufhin ein thailändischer ISV-Vertreter mit<br />

der nächsten Volontärgruppe in seinem Dorf<br />

gebaut! (Und auch ISV ist nur eine von vielen<br />

Organisationen! Momentan ist eine ähnliche<br />

Gruppe auf der Farm, namens „Carpe Diem“)<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 16


Mit aufgefrischter Motivation und ziemlich<br />

beeindruckt von den „guten Nachrichten“,<br />

kehrte ich zurück an die Küste. Wahrscheinlich<br />

war ich sogar noch beeindruckter, als die<br />

Ecuadorianer über die Größe meiner<br />

Turnschuhe ;)<br />

Zum Schluss noch eine kleine Statistik, welche<br />

versuchen soll, kleine Alltagsunterschiede zu<br />

veranschaulichen: Am 21. März war ich 131<br />

Tage in Rio Muchacho und 143 Tage in Ecuador.<br />

In Zahlen betrachtet heißt das,<br />

- Dass ich schon 276 Male Reis essen musste<br />

(täglich zum Mittag- und Abendessen; an<br />

geschätzten 16 Tagen konnte ich einer<br />

Reismahlzeit entkommen. Ich hätte die Masse<br />

an verzehrtem Reis ja gerne in 50kg Säcken<br />

angegeben, aber die unregelmäßigen<br />

Nachschöpf-Portionen, die in der Statistik<br />

vernachlässigt werden, machen es leider zu<br />

einem zu großen Rechenaufwand)<br />

- Dass mich schon 393 Zecken meines Blutes<br />

beraubt haben (im schnitt habe ich 3 pro Tag;<br />

um die Nummer nicht ins unendliche zu treiben<br />

habe ich 4 Tage ausgelassen, an denen wir an<br />

einem Berghang Mais gepflanzt haben und die<br />

Zecken wie Ameisen über unsere Kleider<br />

wuselten.)<br />

- Dass ich mir schon 214 Male den Kopf<br />

irgendwo angeschlagen habe, da hier viele<br />

Türen und manche Räume für den Standard-<br />

Ecuadorianer konstruiert sind (im Schnitt nur<br />

1,5 Male am Tag, aber in der ersten Woche auf<br />

der Farm mindestens 6 Mal täglich und in<br />

bestimmten Hütten immer noch jedes Mal,<br />

wenn ich rein oder rausgehe.<br />

- Dass ich schon mindestens 8mal von einer<br />

Hütte zur nächsten umziehen musste, um<br />

größeren Besucher-/ Volontärgruppe Platz zu<br />

machen<br />

- Dass ich schon von 48 Volontären Abschied<br />

nehmen musste, die mir mehr oder weniger<br />

ans herz gewachsen waren (Besucher, die<br />

kürzer als eine Woche da waren und große<br />

Gruppen, deren Teilnehmer ich nicht näher<br />

kennen gelernt habe, sind nicht inbegriffen)<br />

- Dass ich schon 398 Schnakenstiche hatte (die<br />

ersten 3 Monate vielleicht einen pro Woche;<br />

Jetzt in der Regenzeit werde ich manchmal<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

auch tagsüber so attackiert, dass meine ganzen<br />

Arme bedeckt sind; Als ich Punta Prieta von<br />

Sandfliegen aufgefressen wurde, hätte man<br />

Schwierigkeiten gehabt, die Stiche pro<br />

Quadratzentimeter zu zählen)<br />

- Dass ich schon 11mal meine Kleider von Hand<br />

gewaschen habe!!! (Hoch lebe die<br />

Waschmaschine)<br />

- Dass ich schon 41 Tage ohne Strom, war<br />

(Klingt eigentlich gar nicht so viel, aber 82mal<br />

für ½ Tag oder 123mal für 6 Stunden oder eine<br />

beliebige Anzahl von Zeiträumen zwischen<br />

einer halben Stunde und einer Woche lässt sich<br />

eben schlecht in „Tagen“ wiedergeben, und die<br />

Umstände, die ein Stromausfall mit sich bringt,<br />

sind einfach so Zeit fressend!)<br />

- Dass ich schon [???] Kilogramm<br />

Tierexkremente geschippt/ kompostiert/<br />

„bewegt“ habe (Hierbei bin ich am Versuch<br />

einer Schatzung kläglich gescheitert, aber die<br />

Zahl wäre wohl besser in Tonnen anzugeben)<br />

Liebe Grüße,<br />

im Fluss badend weil kein Strom und somit<br />

auch kein Leitungswasser da ist –<br />

Thomas<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 17


Vom Cay Buschmann<br />

April 2009<br />

Liebe Spender, Familie und Freunde,<br />

ich weiß, dass diese Meldung ziemlich lange auf<br />

sich warten ließ, aber ich war wie gesagt im<br />

Urlaub in Peru und auch so vergeht die Zeit hier<br />

wie im Flug. Aber jetzt endlich mal wieder ein<br />

Bericht aus dem fernen und heißen Ecuador.<br />

„Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“, sagt<br />

man so schön. Doch mir macht meine Arbeit<br />

hier nach wie vor riesig Spaß, aber es ist doch<br />

noch mal etwas anderes als ein Urlaub in Peru.<br />

Daher widme ich diesen Bericht hier der Arbeit,<br />

um welche es ja vorrangig geht. In den<br />

nächsten Tagen kommt dann für alle<br />

Neugierigen und Interessenten der Reisebericht<br />

aus Peru hinterher. Wie ich beim letzten Mal<br />

schon angedeutet habe, waren hier bis vor<br />

kurzem große Ferien. Doch das bedeutete<br />

keinesfalls Freizeit für mich, denn ich habe<br />

einen Ferien-Kurs für Lernbegierige gegeben.<br />

Da hatte ich den wahrscheinlich kürzesten<br />

Arbeitsweg, den es gibt: Aus der Wohnung raus<br />

und 15 Stufen ins Erdgeschoss, wo ich mein<br />

eigenes “English Office” bezog. Dazu diente<br />

eine Garage im Haus meiner Gastfamilie,<br />

welche erst ausgeräumt und gemalert werden<br />

musste. Doch dann konnte es auch schon<br />

losgehen. Nach ein Bisschen Werbung in der<br />

Nachbarschaft und bei einigen Bekannten hatte<br />

ich durchschnittlich 10-15 Schüler täglich,<br />

welche trotz Ferien Englisch lernen wollten<br />

(oder aufgrund parentaler Gebote dies<br />

mussten).<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Wie die lateinamerikanische Mentalität es nicht<br />

anders vermuten lässt, war es fast unmöglich,<br />

vorherzusagen, wer am nächsten Tag<br />

wiederkommt und wer schon nach ein oder<br />

zwei Mal genug hat. Aber damit konnte ich<br />

leben, da es trotzdem immer noch genug<br />

SchülerInnen gab. Vom Alter her waren sie<br />

zwischen 8 und 14 Jahren einzuordnen – also<br />

kein einheitliches Lernniveau. Wie auch in<br />

Deutschland gibt es auch hier die Fleißigen;<br />

jene, die kaum etwas wissen, aber viel dazu<br />

lernen; jene, die viel wissen und sich darauf<br />

ausruhen und natürlich die Faulen… Um das<br />

freiwillige Erscheinen etwas zu belohnen habe<br />

ich nach den zwei Stunden Unterricht auch<br />

immer eine Art “Belohungsspiel” eingeführt.<br />

Anfangs war das “The English Snake”, ein<br />

Würfelspiel, welches ich zusammen mit einer<br />

sechsten Klasse entwickelt habe, später kamen<br />

auch die Kinder mit ein paar Ideen zu diversen<br />

Spielen, z.T. auch mit englischen Wörtern. Ich<br />

würde sagen, es hat mir sogar noch mehr Spaß<br />

gemacht, als in der Schule, da es immer noch<br />

eine andere, freiere Atmosphäre ist, als in den<br />

“furchterregenden” Klassenzimmern. Auch die<br />

Resonanz war meist positiv – Negatives habe<br />

ich zwar nicht gehört, aber wenn jemand nach<br />

einmal Unterricht nicht wiederkommt, fasse ich<br />

das einfach mal als “negative” Bewertung auf.<br />

Doch einige fragte mich schon, ob ich in den<br />

nächsten großen Ferien (Februar bis April 2010)<br />

nicht wieder Unterricht geben möchte… Wollen<br />

schon, doch ich schätze, da dürfte mein<br />

geplantes Studium im Weg stehen.<br />

Wie die hier vorherrschende, drückende Hitze<br />

vermuten lässt ist die Regenzeit schon wieder<br />

vorbei und nach Ostern ging auch wieder die<br />

Schule los. Das bedeutet für mich, dass ich auch<br />

wieder in die Schule gehe und fast genau so<br />

weitermache, wie ich aufgehört habe. Das<br />

Projekt wurde nun etwas gerafft und ich<br />

unterrichte nun intensiver, einmal pro Woche<br />

in jeder meiner fünf Schulen. Das Projekt wurde<br />

auf fünf Schulen verkürzt, da in den andern drei<br />

Schulen ein konsequentes Arbeiten aufgrund<br />

der Verkehrsanbindung bzw. fehlendem<br />

Interesse der Lehrer nicht möglich war. In jenen<br />

fünf Schulen kann ich nun auch regelmäßiger<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 18


jede Woche erscheinen und nicht nur aller zwei<br />

Wochen – das nenne ich durchaus einen<br />

Vorteil. Eines ist allerdings Schade, dass ich<br />

einige meiner Kinder nun nicht wieder habe, da<br />

sie von der siebten Klasse den Sprung auf<br />

Colegio (Gymnasium) geschafft haben, wo ich ja<br />

nicht unterrichte, da der Englisch-Unterricht<br />

vergleichsweise gut, bzw. vorhanden ist. Doch<br />

z.B. in dem Dorf “La Josefina” wurde ich vor<br />

den Ferien schon gefragt, ob ich nicht für eine<br />

Gruppe von Schülern, welche die Grundschule<br />

beendet hat, Englisch unterrichten kann, da die<br />

meisten nicht aufs Colegio gehen können, weil<br />

der Weg zu weit ist, bzw. die Eltern diese<br />

Grundschulbildung für ausreichend halten und<br />

die weitere Bildung leider nicht unterstützen.<br />

Doch es ist immerhin vorbildlich, dass<br />

wenigstens der Klassenlehrer und die Schüler<br />

selbst die Initiative ergreifen und in diesem<br />

Schuljahr den Unterricht selbst auf die Beine<br />

stellen, auch ohne Gymnasium – was dann im<br />

nächsten Jahr wird, weiß aber keiner. Etwas zur<br />

aktuellen Situation in La Maná: Bis zum Sonntag<br />

steht das Städtchen noch Kopf, denn mit den<br />

Wahlen zur neuen Stadtregierung am 26.4.<br />

endet (Gott sei Dank!) auch die inzwischen<br />

nervige Wahlpropaganda, welche seit vielen<br />

Woche die Stadt beherrscht. Überall wird<br />

geworben, meist mit überdimensionalen<br />

Plakaten oder viel zu lauter Werbemusik aus<br />

großen Boxen, welche wackelig auf Autodächer<br />

oder dreirädrige Taxis gebunden werden. Noch<br />

nie habe ich so viel Politik auf so kleiner Fläche<br />

gesehen. Hier in La Maná – einem Städtchen,<br />

einem Dorf – kämpfen etwa 15 Parteien (das<br />

sind nur die, welche mir jetzt auf Anhieb<br />

einfallen) um die Vorherrschaft im Rathaus.<br />

Doch nicht, dass man nur den Bürgermeister<br />

wählt – nein! Denn jede Partei besitzt noch 6<br />

Concejales (sind in etwa Mitglieder des<br />

Stadtrats), welche unabhängig vom<br />

Bürgermeister gewählt werden und viele auch<br />

einen Vize als Vertretung mitbringen. Die<br />

meisten Parteien stellen aber auch noch einen<br />

Prefekt und Vizeprefekt (Vorsitzender der<br />

Provinz) sowie ein paar Asambleistas<br />

(„Provinzräte“). Und dass alles in unserer<br />

kleinen Provinz Cotopaxi, welche weitaus<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

weniger Einwohner hat als z.B. Leipzig (nur<br />

etwa 300.000). Ach ja, und der Präsident der<br />

Republik wartet an jenem Tag auch auf seine<br />

Wiederwahl, bzw. die<br />

Präsidentschaftskandidaten auf ihre Chance.<br />

Manchmal macht es den Eindruck, ich sei der<br />

Einzige in La Maná, welcher NICHT in einer<br />

Wahlkampagne steckt. Als einer der Wenigen<br />

kämpfe ich hier nicht mit z.T. unhaltbaren<br />

Wahlversprechungen um Anerkennung und<br />

Wahlstimmen. Wie ein Bekannter von mir es<br />

schon passend ausdrückte, während der Zeit<br />

der Kampangen kämpft quasi jeder gegen jeden<br />

und das kann in manchen Fällen bei<br />

normalerweise unwichtigen Kleinigkeiten auch<br />

schon mal auf Kosten der Freundschaft gehen<br />

kann, wenn der Freund zufällig noch in einer<br />

anderen Partei ist. Doch nach den Wahlen ist<br />

alles wieder ok - eben Friede, Freude…<br />

Eierkuchen. Naja, das bleibt nur zu hoffen und<br />

irgendwie freue ich mich auch darauf, nicht<br />

wieder im Minutentakt laute Propagandamusik<br />

zu hören - dann kehrt hoffentlich wieder etwas<br />

Ruhe ein...<br />

Nun ja, soviel zu meiner Arbeit und den News<br />

aus La Maná und Umgebung. Ich verbleibe bis<br />

zum nächsten Mal mit herzlichen, nach<br />

österlichen Grüßen<br />

Ihr Cay Buschmann<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 19


Vom Thomas Mildenberger<br />

Mai – Juni 2009<br />

Hola,<br />

Ab und zu erreichen mich Emails, in denen mir<br />

erklärt wird, wie „normal“ und ereignislos es in<br />

Deutschland sei – im Vergleich mit meinem<br />

Ecuadoraufenthalt – und man mir nicht viel<br />

Neues aus der Heimat berichten könne. Aber<br />

auch ich muss nun zugestehen, dass auf der<br />

Farm nicht allzu viel Aufregendes passiert. Zwar<br />

ist hier letztens eine Boa Constrictor von der<br />

Palme nahe meiner Lieblingshängematte<br />

gefallen und die Trockenzeit hat mehr oder<br />

weniger offiziell wieder angefangen, aber<br />

sonst… Es fällt mir schwer, etwas mitzuteilen,<br />

das mir neu oder besonders erscheinen würde.<br />

(Kurz: Inzwischen ist es zu einer kleinen<br />

Herausforderung geworden, großen<br />

Veränderungen oder wahrnehmungsbedingten<br />

„Neuigkeiten“ zu dokumentieren;)<br />

Der einzige kleine Wechsel betrifft meine<br />

persönliche Tätigkeit: Ich nehme an einem<br />

Permakultur-Kurs statt. 3 Mal im Jahr wird<br />

dieser auf der Farm angeboten und es kommen<br />

Lehrer aus ganz Ecuador und meistens<br />

Studenten aus den U.S. oder England.<br />

Vormittags und nachmittags lerne ich also in<br />

jeweils einem praktischen und einem<br />

theoretischen Teil organische Agrikultur,<br />

Permakulturdesign, Biodynamik, und, und,<br />

und,… kennen. Es ist höchst interessant! Und<br />

obwohl ich die allermeisten praktischen Teile<br />

im Garten schon zur Genüge kenne, ist es doch<br />

immer wieder etwas Neues, das ich dazulerne,<br />

wenn man das Hintergrundwissen oder die<br />

tieferen Zusammenhänge erklärt bekommt!<br />

Wenn ich nun also verschiedene<br />

Kompostierprozesse anschaue, weiß ich genau<br />

welcher Bestandteil welche Aufgabe erfüllt;<br />

Wenn ich durch den Garten gehe, schaue ich<br />

Blätter und Blüten an und kann deren<br />

Pflanzenfamilie bestimmen; Wenn ich ein<br />

Insekt auf mir herumkrabbelt (und ich eine<br />

Lupe zur Hand habe), kann ich die Ordnung<br />

erraten und weiß, ob es ein Schädling oder ein<br />

Nutzinsekt ist; Ich weiß, warum wir in welcher<br />

Mondphase sähen, pflanzen, ernten – und<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

warum an deren Einfluss kein Zweifel mehr<br />

besteht. Es ist beeindruckend, was es alles zu<br />

wissen gibt, über… *Hier könnte eine lange Liste<br />

stehen]<br />

…was jedoch nicht heißt, dass ich vorhabe<br />

Landwirtschaftler zu werden.<br />

Der Kurs dauert einen Monat und selbstredend<br />

gibt es für mich nebenher noch einige andere<br />

Aufgaben zu erledigen: Wenn Schulklassen<br />

oder Touristen zu Besuch kommen, werde ich<br />

aus dem Klassenzimmer gerufen und führe die<br />

Leute durch die Farm, den Garten und die<br />

Umgebung. Immer mehr Volontäre kommen<br />

auch auf die Farm (und wollen organisiert<br />

werden)…Zudem kommt nächste Woche schon<br />

die erste von 4 ISV-Gruppen (siehe letzter<br />

Rundbrief). Momentan sind also 36 unserer 40<br />

Betten belegt! Dies bedeutet nicht nur, dass<br />

hier immer viele Leute herumlaufen, Fragen<br />

stellen und das ein oder andere Durcheinander<br />

verursachen, sondern auch, dass der Abwasch<br />

nach dem Essen immer länger dauert. Zum<br />

Abwasch kann ich noch sagen, dass wir, als<br />

einzige Farm in der Communidad noch Mate-<br />

und Keramik- Geschirr benutzen. In jedem<br />

anderen Haushalt wurde dieses inzwischen<br />

durch Plastikbecher und –Teller ersetzt. Mate<br />

ist eine Baumkürbisart, welche ausgehöhlt und<br />

getrocknet einen kugelförmiger Holzbecher<br />

darstellt. Aus derselben Frucht stellen wir auch<br />

unsere Löffel her (_ unser einziges Besteck).<br />

Teller und Schüsseln sind aus dem Ton<br />

gebrannt, der hier vor Ort „vorkommt“. Da wir<br />

ausschließlich kaltes Leitungswasser haben,<br />

verwenden wir ein konzentriertes Grapefruit-<br />

Samen-Extrakt, um unser Holz- und<br />

Keramikgeschir nach dem Spülen ausreichend<br />

zu desinfizieren.<br />

Dann wäre da noch unsere Umwelt-Schule, in<br />

der ich für die Zeit der 4 Kurswochen nicht<br />

unterrichten werde. Dennoch gibt es einiges<br />

darüber zusagen, um meine Erfahrungen<br />

diesbezüglich zu veranschaulichen.<br />

In der Klasse, in der ich meistens unterrichte,<br />

sind es 9 Schüler im Alter von 9 bis 13 Jahren.<br />

Nicht, dass der Entwicklungsvorsprung der<br />

Mädchen schon genug wäre – nein, es besteht<br />

somit auch noch ein riesiger<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 20


Leistungsunterschied zwischen den jüngsten<br />

und ältesten Jungen. Angenommen ich stelle<br />

also ein Rechenaufgabe, so ist es nicht<br />

ungewöhnlich, dass ein paar Schüler gerade<br />

damit beschäftigt sind, die Aufgabe von der<br />

Tafel/ den ersten Rechenschritt beim Nachbarn<br />

abzuschreiben, während andere schon fertig<br />

sind und sich langweilen. (Das richtige Ergebnis<br />

haben nur ein paar Mädchen).<br />

Das ist die erste Hürde. Die zweite ergibt sich<br />

aus den konventionellen Unterrichtsmethoden<br />

der Lehrer hier. Die Klasse schweigt, hört zu,<br />

schreibt ab, lernt auswendig,…Ich kann mir also<br />

noch so viel Mühe geben, ein auflockerndes,<br />

abwechslungsreiches Lernspiel vorzubereiten –<br />

Sobald dieses die Eigeninitiative und Kreativität<br />

der Schüler erfordert oder ihnen einen kleinen<br />

Gestaltungsfreiraum gibt, sind sie überfordert.<br />

– Sie sitzen schüchtern da und wissen mit der<br />

Aufgabenstellung nichts anzufangen. Und da<br />

ich außerdem nicht die gewohnte Autorität der<br />

Lehrer besitze, sitzen sie zuerst schüchtern da<br />

und überwinden dann das Schweigen, um sich<br />

mit den andren zu unterhalten (die<br />

schüchternen Mädchen sitzen nur da und<br />

lächeln.)<br />

Das bringt uns zur dritten Hürde: die<br />

altersbedingten Interessen. Es ist köstlich<br />

anzuschauen, wie sich die Klasse in den Pausen<br />

sofort in 2 Gruppen teilt: Die Mädels stellen<br />

sich in die Ecke, zaubern die Schminke der<br />

großen Schwester hervor (oder wo auch immer<br />

sie die herhaben) und fangen an, sich<br />

gegenseitig Lippenstift aufzutragen, während<br />

die Jungs jede Minute nutzen, um mit<br />

irgendetwas Fußball zu spielen oder den Kreisel<br />

tanzen zu lassen. Diese Entwicklungsstufe<br />

beeinflusst natürlich auch den Unterricht (nicht<br />

nur im Fach Sport, in dem sich die Mädchen auf<br />

einmal nicht mehr bewegen wollen und die<br />

Jungs auf Knien um den Fußball betteln). Man<br />

hat also damit zu kämpfen, das Interesse der<br />

Schüler zu wecken und ihre Aufmerksamkeit zu<br />

gewinnen. Das funktioniert manchmal in<br />

Englisch (Vokabelspiele, die ich auch noch zum<br />

100. Mal wiederholen kann, ohne die Schüler<br />

zu langweilen. Manche können die Wörter<br />

immer noch nicht!), Erdkunde (Auch wenn man<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

davon ausgehen kann, dass die Mehrheit der<br />

Kinder niemals Ecuador verlassen können wird,<br />

kennen sie doch schon einige der anderen<br />

südamerikanischen Staaten), beim Malen und<br />

Basteln (Materialien sind natürlich eine Rarität<br />

– eine Packung Buntstifte löst bei vielen schon<br />

großes Entzücken aus) oder beim Sport (s.o.).<br />

Umso seltener jedoch in Mathe, Lesen und<br />

Schreiben. Bei Letzterem ist das<br />

Leistungsgefälle wohl am größten: Beim Diktat<br />

kann man ein Drittel der Texte selbst mit dem<br />

besten Willen nicht korrigieren. (Text =<br />

zusammenhanglose, falsch geschriebenen<br />

Wörter). Währenddessen gucken die Mädchen<br />

Löcher in die Luft, da sie den gesamten Satz<br />

schon beim ersten Vorlesen richtig<br />

aufgeschrieben haben. (Anmerkung:<br />

Analphabetismus ist auf dem Land nicht<br />

ungewöhnlich: Die etwas älteren Arbeiter auf<br />

der Farm und auch unsere Köchin können<br />

weder lesen noch schreiben.)<br />

Neben all diesen Problemchen ist es trotzdem<br />

immer wieder schön in die Schule zu gehen. Die<br />

Kinder empfangen mich herzlich, rennen auf<br />

mich zu, rufen „Tomaaaa“ und umarmen mich;<br />

Wenn man ihr Interesse für etwas geweckt hat<br />

und sie weiter ermutigt, etwas aus sich<br />

herauszugehen, dann können sie sich auch für<br />

etwas begeistern; Und wenn man eine freie<br />

Aufgabenstellung mehrfach demonstriert, dann<br />

versinken sie auch mal ganz in ihrer Arbeit. [In<br />

den beiden anderen Klassen, 3 bis 5 und 6 bis 8<br />

Jahre, hat man die ganze Zeit über die volle<br />

Aufmerksamkeit der meisten Kinder. Sie<br />

schauen mich mit großen Augen an, wollen<br />

Neues lernen und mir zeigen, was sie schon<br />

können („Mira, mira, mirame“ = schau mal,<br />

schau her zu mir…). Diese Tatsache macht den<br />

Unterricht zwar angenehmer, steigert jedoch<br />

leider nicht die Leistung der Kinder... ;)]<br />

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die<br />

Arbeit in der Schule eine wirkliche<br />

Herausforderung ist, welche mich jedoch einen<br />

wichtigen Schritt weiter in meiner<br />

Berufsfindung bringt: Ich werde nicht Lehrer.<br />

Zumindest nicht in diesen Altersstufen – Ich<br />

habe zwar gern mit Kindern zu tun, doch würde<br />

ich es vorziehen, wenn die Schüler, denen ich<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 21


etwas beibringe, eigenes Interesse mitbringen<br />

und es nicht mein Job ist, ihnen Wissen<br />

aufzuzwingen. Daher überlasse ich die<br />

Erziehungsarbeit all der Schüler, die nicht mit<br />

einem ungewöhnlich hohen Maß an Reife und<br />

Vernunft geboren wurden, weiterhin den<br />

Lehrern dieser Welt, welche eine<br />

„unausschöpfbare“ Quelle an Geduld und<br />

Motivation in sich tragen. Danke<br />

LG Thomas<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 22


Vom Peter Riegg<br />

Juni 2009<br />

Hola y Bienvenidos de la FINCA!<br />

Am 18. Mai bin ich an meinem<br />

Bestimmungsort, der „Finca Organica RIO<br />

MUCHACHO“ angekommen. Ich wurde herzlich<br />

empfangen, und konnte mich schnell an die<br />

neue Umgebung und die netten Leute<br />

gewöhnen. Die Finca (Farm) hat 10 Hektar und<br />

ist ca. 30 Minuten von der Küste entfernt.<br />

Eines der Ziele auf der Farm ist Reforestation.<br />

So sind bereits drei Hektar wiederbewaldet.<br />

Drei weitere Hektar sind auf dem besten Weg<br />

dorthin, wobei zwischen den Bäumen<br />

momentan noch „Pasto“ (ca. 2m hohes Gras)<br />

angebaut wird. In verschiedenen Projekten der<br />

„Finca Organica Rio Muchacho“ werden jährlich<br />

ca. 2000 Bäume gepflanzt. Dabei pflanzen<br />

einen Großteil die Kinder der Rio Muchacho<br />

Schule (Escuela Ambuentalista Rio Muchacho).<br />

Drei weitere Hektar nimmt der Garten in<br />

Anspruch. Hier wird von der Bananenpalme bis<br />

zur Süßkartoffel alles angebaut was das Herz<br />

begehrt�.<br />

Ein Hektar steht den Hütten, die als Unterkunft,<br />

Küche oder Aufenthaltsraum dienen, sowie den<br />

Tierställen zur Verfügung.In einer dieser Hütten<br />

hause ich also seit gut zwei Monaten und<br />

verlasse sie täglich um 6.00 Uhr um eine der<br />

Morgenroutinen zu verrichten.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

So ging ich auch am 26. Mai mit der Machete<br />

raus aufs Pastofeld um Gras für die Pferde,<br />

Kühe und Meerschweinchen zu schneiden.<br />

Dabei wurde mir nicht die Machete, dafür das<br />

Pasto zum Verhängnis, weil man sich damit<br />

ordentlich den Arm aufschneiden kann, wenn<br />

man kein Langarm T-Shirt trägt oder das Pasto<br />

richtig im Griff hat (so wie die routinierten<br />

Ecuadorianer). Aber aus solchen Fehlern lernt<br />

man ja gerne�. Ganz besonders die heimischen<br />

Heilmittel lernt man bei solchen Aktionen<br />

kennen... Es war ja nicht nur der Arm den ich<br />

mir aufgeschlitzt habe... auch der Rücken<br />

musste dran glauben, als ich die Treppe meiner<br />

Hütte runtergerutscht bin. Das hatte ich<br />

meinen verschlammten Tevas und meiner<br />

Hektik zu verdanken... ich wollte halt jaaa ganz<br />

schnell wieder auf dem Feld sein... ja mei... ...<br />

in diesem Sinne ein kleiner Gang durch unseren<br />

Kräutergarten: Aloe Vera: das beste Heilmittel<br />

bei Schürfwunden oder Sonnenbrand. Limetten<br />

(die kleinen): Desinfizieren die Schnittwunden...<br />

und brennen furchtbar.� Sie helfen auch bei<br />

Magenproblemen, um diesen zu desinfizieren<br />

(4 ausgepresste Limonen + ein halber Teelöffel<br />

Salz - Prost). Mit Blättern vom Guava Baum und<br />

Pegador (Klettpflanze) kann man einen Tee<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 23


zubereiten der bei Durchfall Wunder wirkt � ...<br />

jetzt aber wieder zum Tagesgeschäft:<br />

Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück.<br />

Das besteht aus Früchten des Gartens, Müsli,<br />

Tee und oftmals Yuccabrot. Gegessen wird aus<br />

Keramik Schusseln, die von einer Frau aus der<br />

Kommune/Region „Rio Muchacho“ getöpfert<br />

werden, und getrunken wird aus Matebechern.<br />

Mate ist eine Frucht, die man aufsägt, aushöhlt,<br />

zu schleift, eventuell verziert und dann als<br />

Becher oder Löffel verwendet.<br />

Von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr arbeite ich im<br />

Garten/ bzw. Feld. Da wir uns momentan in der<br />

Vollmondphase befinden, werden Beete<br />

vorbereitet, Bewässerungsgräben gezogen,<br />

Unkraut gejätet oder Insekten bekämpft. Auch<br />

unseren Bokashy Kompost bereiten wir gerade<br />

vor. Mit diesem Kompostmodell, das nach<br />

einem Japanischen Wissenschaftler benannt ist<br />

kann innerhalb 15 Tagen eine große Menge an<br />

Kompost hergestellt werden. Er beinhaltet<br />

Kuhexkrement, Laub, Melasse (Zucker), Hefe,<br />

Sägemehl, frisches grünes Gras und<br />

geschredderte Blätter von Leguminosen<br />

Bäumen (enthalten viele Proteine).<br />

Leider weis ich noch nicht genügend über den<br />

Einfluss des Mondes und die verschiedenen<br />

Mondphasen um es hier ausführlich zu<br />

erklären. Deshalb möchte ich dieses Thema<br />

noch ein bisschen aufschieben. Soviel vorweg:<br />

Die wenigen Tatsachen die mir von Dario –<br />

meinem Chef, und Besitzer der Finca – erklärt<br />

wurden, haben meine Skepsis diesbezüglich<br />

bereits enorm schrumpfen lassen, und ich freu<br />

mich mehr darüber zu erfahren... Es besteht<br />

auch die Möglichkeit vormittags in die Schule<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

(ca.20 min. Fußmarsch von der Finca) zu gehen<br />

um dort zu unterrichten.<br />

In der Schule sind ca. 30 Kinder (drei Klassen).<br />

Die Jüngsten Kinder sind 5 Jahre, die ältesten<br />

15 Jahre alt. Ich habe schon einige Ideen und<br />

auch schon ein ausgearbeitetes Musikprojekt<br />

auf dem Tisch, was ich aber erst in ca. einem<br />

Monat in Angriff nehmen will, um meinem<br />

Spanisch noch ein bisschen Zeit zu geben.<br />

Da es extrem schwierig ist Erwachsene davon<br />

zu überzeugen, dass bestimmte Gewohnheiten<br />

(ich meine damit das Verwenden von<br />

Chemikalien auf den Feldern, Monokulturen,...)<br />

nicht unbedingt die richtigen sind, um es<br />

höflich auszudrücken, haben sich die<br />

Projektleiter Dario und Nicola dazu<br />

entschlossen diese Schule zu bauen. Die Kinder,<br />

die von der ersten bis zur siebten Klasse die<br />

Schule besuchen, werden später die Bauern der<br />

Kommune sein. Deshalb dreht sich hier neben<br />

Lesen, Schreiben und Rechnen alles um<br />

ökologischen Anbau, Mülltrennung, Recycling,<br />

Kompostierung, alternative Energien und<br />

Umweltschutz. Der größte Teil der Spenden<br />

fließt in die Schule um Materialien,...<br />

einzukaufen und um die Lehrer zu bezahlen.<br />

Der Rest wird für die Finca verwendet<br />

(Instandhaltungsarbeiten,<br />

Neuanschaffungen,...). Mittags um 12.00 Uhr<br />

gibt es jeden Tag Gemüsesuppe und als<br />

Hauptspeise REIS mit Soße oder Kartoffelbrei,<br />

Gemüse und Yuccabrot oder Kochbananen.<br />

Um 13.30 Uhr arbeiten wir entweder im Garten<br />

weiter, um oben genannte Arbeiten zu<br />

beenden, oder arbeiten an verschiedenen<br />

Projekten. Zum Beispiel habe ich in meiner<br />

ersten Woche ein paar Wände in der Schule<br />

gestrichen. Vor zwei Wochen schleppten wir<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 24


Sand vom Fluss rauf zum Garten, um Wege<br />

anzulegen. Diese Woche hab ich beim<br />

Dachdecken geholfen. Die Dächer werden mit<br />

getrockneten Palmblättern gedeckt und sind ca.<br />

7 Jahre lang wasserdicht. Dann werden sie<br />

ersetzt. Auch Arbeiten am Haupthaus, wie z. B.<br />

einen neuen Wasserturm bauen und den alten<br />

abbauen gehörten zu meinen Aktivitäten.<br />

Um 16.00 Uhr ist Feierabend. Dann wird<br />

geduscht (oder im Fluss gebadet wenn mal<br />

wieder der Strom ausfällt), Gitarre gespielt,<br />

gelesen oder ausgeruht. Um 18.00 Uhr gibt es<br />

Abendessen, denn um 19.00 Uhr ist es finster<br />

und das Besteck sollte noch bei Tageslicht<br />

abgespült werden, weil man ja nie weiß ob im<br />

nächsten Moment wieder der Strom ausfällt.<br />

In diesem Sinne.... Licht aus!<br />

der Bauer Peter Riegg<br />

PS: Hier möchte ich ein paar Fragen<br />

beantworten, die mir von verschiedenen<br />

Leuten gestellt wurden.<br />

Wie viele Leute arbeiten auf der Farm?<br />

Dario und Nicola – Ehepaar und Besitzer der<br />

Finca. Thomas und ich - Zivis (Thomas wird in 1-<br />

2 Monaten seinen Dienst beenden)<br />

Durchschnittlich 5 bezahlte Arbeiter und 3<br />

Küchenfrauen aus der Kommune/Region „Rio<br />

Muchacho“. Volontäre (0 – 20)<br />

Wie viel Tiere sind auf der Farm zu versorgen,<br />

für was braucht ihr die Pferde?<br />

Eines der wichtigsten Themen hier auf der<br />

Farm: KOMPOST Wir kompostieren die<br />

Exkremente der Tiere, um damit die harte und<br />

trockene Erde auf dem Feld zu düngen, da wir<br />

ohne Chemikalien arbeiten. Die beste Erde<br />

(Humus) bekommen wir von unseren Würmern<br />

(Californian Red Wriggler – der effizienteste<br />

Wurm weltweit) � Die Meerschweinchen<br />

stehen an zweiter Stelle. Deren Popo ist voll mit<br />

Stickstoff (N) was eines der wichtigsten<br />

Nährstoffe in der Erde für die Pflanzen ist.<br />

Wir haben vier Pferde. Diese sind das einzige<br />

Transportmittel während der Regenzeit von<br />

Januar bis April, da es mit dem Auto nicht<br />

möglich ist in dieser Zeit die verschlammte<br />

Straße zu passieren. Unsere Kühe produzieren<br />

Milch und jede Menge Mist für unseren<br />

Kompost. Unsere Schweine bekommen die<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Essensreste aus der Küche. Die Exkremente der<br />

Schweine kommen in unsere Biogasanlage.<br />

So produzieren wir Methangas – um in der<br />

Küche damit zu kochen, - und Biol, ein<br />

natürlicher Dünger den man 1 zu 5 mit Wasser<br />

mischt und damit die Pflanzen düngt (eignet<br />

sich auch zur Insektenbekämpfung).<br />

Die Hühner legen auch in Ecuador Eier, �<br />

kratzen und picken in der Erde rum und<br />

machen sie so fruchtbarer. Wir haben drei<br />

Katzen und drei Hunde. Seit zwei Wochen<br />

haben wir einen kleinen Welpen... er wurde<br />

völlig ausgehungert von ein paar Volontären<br />

am Straßenrand zur Finca gefunden... wir<br />

haben ihn aufgepäppelt und von seinen Flöhen<br />

befreit. Entweder behalten wir ihn oder<br />

schenken ihn bzw. es ist ja eine SIE an ein Kind<br />

der „Rio Muchacho Schule“. Aah..und nicht zu<br />

vergessen unsere Fledermäuse!! Diese<br />

Säugetiere leben in unseren Palmen und sorgen<br />

dafür, dass wir nicht all zu viele Moskitos auf<br />

der Farm haben.<br />

Wo kommt der Strom her, bzw. wie wird er<br />

erzeugt?<br />

Wir haben Solarkollektoren auf dem Dach die<br />

einige Glühbirnen und das Funkgerät<br />

versorgen, dass uns mit der Außenwelt<br />

verbindet. Wir sind zusätzlich ans Stromnetz<br />

angeschlossen um die elektrische Pumpe zu<br />

versorgen, mit der wir Wasser vom Fluss zur<br />

Bewässerung raufpumpen. Dafür wäre unsere<br />

Solarenergie zu schwach. Ich bin aber der<br />

Meinung dass das Solarsystem hier noch weiter<br />

ausbaubar ist, sodass man ALLE Glühbirnen<br />

sowie die Pumpe mit Solarenergie versorgen<br />

könnte. Der konventionelle Strom ist zudem<br />

sehr unzuverlässig, sodass man viel<br />

unabhängiger wäre.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 25


Vom Cay Buschmann<br />

Juli 2009<br />

Liebe Spender, Familie und Freunde, Ecuador,<br />

oder besser La Maná, lässt mal wieder grüßen<br />

und so langsam neigt sich mein Jahr dem Ende<br />

zu. Das ist zugegebener Massen etwas schade,<br />

aber die Heimat ruft und irgendwie freue ich<br />

mich auch schon wieder auf zu Hause. Aber mir<br />

bleibt ja auch noch ein Weilchen hier im<br />

warmen Süden. In der vergangenen Woche (6.-<br />

12. Juli) waren mal wieder Ferien, denn das<br />

erste Trimester 2009 ist schon wieder vorbei.<br />

So haben mein Gastvater Patricio, seine 7.<br />

Klasse und ich die Gelegenheit des ersten<br />

Ferientages genutzt und sich zum<br />

Trimesterabschluss ins nächste Schwimmbad<br />

gefahren. Doch das hatten sich die Kids auch<br />

verdient, nachdem ich sie letzten Freitag mit<br />

einer überraschenden Englisch-Arbeit ärgerte.<br />

Eigentlich war das nicht geplant, aber da die<br />

Schüler in jedem Fach diese Trimester-<br />

Prüfungen (ansonsten gibt es keine Tests oder<br />

ähnliches) ablegen müssen, kam ich spontan zu<br />

dem Einfall, dass das auch in Englisch nötig<br />

wäre. Weitaus geplanter war es, dass ich<br />

ebenfalls in der letzten Woche die Trimester-<br />

Prüfungen für 8. und 9. Klasse in meinem<br />

Gymnasium schreiben, beaufsichtigen und<br />

natürlich auch korrigieren musste. Lief<br />

insgesamt ganz gut, doch die Kreativität der<br />

Schüler hat mich manchmal einfach nur<br />

umgehauen. Ein paar Kostproben: Bei der<br />

Einordnung englischer Begriffe in die Themen<br />

„Tiere“,“ Familienmitglieder“ und „Essen“<br />

landete so manche „Schwester“ oder „Mutter“<br />

in der Kategorie „Tiere“, der „Großvater“ zum<br />

Beispiel beim „Essen“ und ein „Schwein“ gilt<br />

mancherorts schon als „Familienmitglied“...<br />

Nach ein paar sehr üblen Übersetzungen<br />

schloss ein Schüler seine Arbeit damit ab, dass<br />

er mir den letzen englischen Satz „Die Schüler<br />

sind nett“ mit „Jetzt wird der Lehrer sauer“ auf<br />

Spanisch übersetzte. Das Interesse an Englisch<br />

scheint in letzter Zeit ziemlich gewachsen zu<br />

sein, denn es kommen immer mehr Leute zu<br />

mir und möchten Nachhilfe oder einfach mal<br />

wissen, wie dieses Englisch denn klingt. So<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

verbringe ich nachmittags immer mehr Zeit<br />

damit, Englisch-Unterricht zu geben oder hier<br />

und da mal eine Englisch-Hausaufgabe zu<br />

korrigieren oder zu lösen. Ob Schüler,<br />

Studenten, Familienväter oder Hausfrauen –<br />

inzwischen unterrichte ich jeden.<br />

Die letzten Wochenenden habe ich kaum hier<br />

in La Maná verbracht, sondern die Zeit genutzt,<br />

in die Hauptstadt Quito zu fahren, z.B. zu einem<br />

Konzert zweier Sänger aus Puerto Rico oder<br />

dem Fußball-Spiel Ecuador gegen Argentinien.<br />

Wer sich z.B. noch an die letzte<br />

Weltmeisterschaft erinnert, könnte wissen,<br />

dass Ecuador (als Gruppengegner von<br />

Deutschland) schon in der Vorrunde die Koffer<br />

packen musste, während Argentinien ja noch<br />

eine Weile erfolgreich im Turnier blieb. So war<br />

es umso erstaunlicher, dass die Weltklasse-<br />

Mannschaft Argentinien (noch dazu unter der<br />

Leitung Maradonnas) 0-2 gegen das kleine<br />

Ecuador verlor, welches sogar noch einen<br />

Elfmeter der Hellblau-Weißen hielt! Was für ein<br />

Spiel... Es hat zwar fast ununterbrochen<br />

geregnet (und auch mal kurz gehagelt), aber<br />

dass konnte „uns“ Ecuadorianern den Spaß am<br />

Spiel nicht verderben. In der Nacht trafen ich<br />

und mein Gastbruder auch noch ein paar<br />

Nationalspieler, welche den Sieg in einer Disko<br />

feierten. Leider (aber logischer Weise) wollte<br />

man uns nicht rein lassen...<br />

Ein anderes sehr interessantes Wochenende<br />

war jenes um den 21. Juni – was fällt Ihnen zu<br />

diesem Datum als erstes ein? Ok, dieses Jahr<br />

war da Vatertag, aber ich meine etwas anderes.<br />

Wer jetzt auf Sommersonnenwende kommt ist<br />

sehr gut, wer mir noch dazu Inti Raymi sagt, der<br />

hat meinen vollsten Respekt, denn nicht mal<br />

alle Ecuadorianer kennen das uralte Sonnenfest<br />

ihrer Inca-Vorfahren. Dabei war es sogar das<br />

wichtigste Fest des Jahres für sie. Es war eine<br />

Art Dankesfest für den höchsten Gott der Inca,<br />

Inti - die Sonne. Zum Inti Raymi fuhr ich mit<br />

einem ecuadorianischen Freund in den Norden<br />

des Landes nach Imbabura, obwohl es in vielen<br />

Gegenden gefeiert wird. Jedoch diese<br />

Andenprovinz ist bekannt für ihre lebendige<br />

Kultur und das bewahren von Traditionen und<br />

außerdem hatte mir mein Begleiter Hernan<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 26


diesen Ort vorgeschlagen, weil der von ein paar<br />

Freunden dorthin eingeladen wurde. Nach<br />

etwa 11 Stunden Fahrtzeit von La Maná nach<br />

Pingunchuela (der höchst unbekannte Ort<br />

unseres Festes) gelangen wird im Dunkeln an<br />

jenen Acker eines alten Gutsgeländes, welcher<br />

für unser Inti Raymi zur Verfügung gestellt<br />

wurde. Am Sommersonnenwende-Sonntag<br />

wurde 5 Uhr morgens alle zum „Temascal“<br />

geweckt. Das ist eine Zeremonie in einem<br />

flachen, komplett abgedunkelten Zelt, in<br />

dessen Mitte sich ein Steinloch befindet, in<br />

welches glühend heiße große Steine (direkt aus<br />

dem Feuer) gegeben wurden. Zuerst wurden<br />

ein paar Kräuter darauf verbrannt und dann,<br />

wie bei einer Sauna, immer wieder etwas<br />

Wasser über die Steine gegeben. Ich muss<br />

sagen, dass dies die intensivste „Sauna“ war,<br />

die ich erleben durfte. Da in diesem „Temascal“<br />

auch noch gesungen wurde war das Erlebnis<br />

dort drin zu sein noch viel stärker. Mit<br />

unterschiedlicher Anzahl von Steinen wurde<br />

diese „Runde“ von 20-30 Minuten vier Mal<br />

wiederholt, bevor wir raus gingen in die Kälte<br />

(denn schließlich befanden wir uns in den<br />

Anden) und mit nicht minder kaltem Wasser<br />

abgeduscht wurden. Nachdem man sich von<br />

der morgendlichen Sonne trocknen ließ und<br />

vielleicht eine Kleinigkeit aß ging es zum<br />

eigentlichen „Event“ des Tages - dem<br />

Sonnentanz. Es wurde ein langer, bunt<br />

geschmückter und bemalter Pfahl aufgestellt,<br />

welcher den Mittelpunkt unseres Tanzes<br />

darstellte, Dieses Areal wurde von 8 Stäben<br />

begrenzt, welche paarweise als Tore in den 4<br />

Himmelsrichtungen aufgestellt wurden. Und<br />

dann wurden vier Runden um den Pfahl<br />

getanzt!... Wenn jetzt jemand fragt, ob das alles<br />

war: ja! Es gab bloß einen kleinen Hacken, denn<br />

jede „Runde“ um den Pfahl bestand aus 4<br />

kleineren Runden, welche jeweils zwischen<br />

dem Pfahl und einem der Himmelsrichtung<br />

störe getanzt wurden. Und jede kleine Runde<br />

dauerte etwa 30 Minuten. Das ergibt laut<br />

meinen abiturgeprüften Rechenkünsten 8<br />

Stunden! Und das war dann auch schon alles –<br />

8 Stunden im Kreis tanzen, hüpfen, stampfen,<br />

springen und dabei singen, pfeifen, schreien,<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

klatschen oder was einem sonst noch so im<br />

Takt der Musikinstrumente einfällt. Die Musik<br />

fand ich auch echt toll, hauptsächlich<br />

„Dorfmusik“, traditionelle Lieder, teilweise<br />

auch auf Quichua. Zur Auflockerung gab es 2<br />

Männer in der Runde, welche sich mit ihren<br />

traditionellen, bunten Teufelsmasken immer<br />

entgegen der Tanzrichtung bewegten und die<br />

Leute anspornten oder eben Chicha verteilten,<br />

ein typisches alkoholisches Getränk. Nach der<br />

Hälfte (also nach „lockeren“ 4 Stunden tanzen)<br />

wurde zwar eine kleine Mittagspause eingelegt,<br />

aber länger als eine Stunde war diese auch<br />

nicht. Die zweite Hälfte verging dann viel<br />

schneller als die erste und als wir fertig waren<br />

und auch die Sonne gerade am untergehen<br />

war, schlossen wir diesen Tag mit einem<br />

erneuten „Temascal“ ab. Wie man sich<br />

vielleicht vorstellen kann, war das Ganze<br />

äußerst anstrengend, aber absolut lohnenswert<br />

und befreiend! Auch wenn das vielleicht alles<br />

etwas trocken klingt – es war ein unglaublich<br />

intensives und kraftvolles Erlebnis, doch ich<br />

wollte meine Gefühle und<br />

Gefühlsschwankungen hierbei nicht so sehr<br />

einbringen.<br />

Zurzeit sind hier in der Gegend ein paar<br />

kubanische Ärzte, welche ein tolles Projekt der<br />

Regierung unterstützen. Mit Hilfe des<br />

ecuadorianischen Militärs gelangen die Ärzte<br />

bis in die hintersten Winkel des Cantóns (und<br />

das möchte wirklich was heißen!), um die<br />

exakte Anzahl von geistigen und körperlichen<br />

Behinderungen zu katalogisieren, die<br />

Krankheiten zu analysieren und zu helfen. Es<br />

wird also nicht verlangt, dass die potentiellen<br />

Patienten zum nächsten Krankenhaus gehen,<br />

was unter Umständen sehr weit sein kann,<br />

sondern die Ärzte ergreifen die Initiative und<br />

gehen zu den Leuten – ein sozialmedizinisches<br />

Projekt, als ein Resultat der Revolution Che<br />

Guevaras, wie mir ein Arzt selbst sagte.<br />

Ansonsten ist es hier immer noch schön warm<br />

und ich liebe gerade das Leben hier wieder<br />

sehr, es ist einfach entspannter und<br />

unbeschwerter als in Deutschland. Das ist eine<br />

der Sachen, welche ich laut geschilderten<br />

Erfahrungen sehr vermissen dürfte, wenn ich<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 27


wieder nach Hause komme. Mal sehen, aber ich<br />

schätze, dass dürfte stimmen...<br />

Saludos cordiales<br />

Ihr Cay Buschmann<br />

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Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 28


Vom Thomas Mildenberger<br />

August 2009<br />

Hallo<br />

Es ist August, der Monat, den jeder (ehemalige)<br />

Schüler direkt mit Ferien verbindet. Noch bin<br />

ich auf der Farm; alles nimmt seinen<br />

gewohnten Lauf. Anfang September jedoch<br />

werde ich für 3 Wochen auf Reisen gehen – das<br />

ist der Urlaub, den ich mir aufgespart habe, um<br />

noch einmal ECUADOR zu sehen, bevor ich<br />

Ende September auch schon wieder zurück<br />

nach Deutschland komme. Ich sehe nun also<br />

die letzten Wochen vor mir und schaue auf ein<br />

paar Projekte, die ich angefangen habe, aber<br />

noch nicht beendet sind…<br />

Projekt Casa de Thomas:<br />

Es ist eine lange Geschichte, beginnend im<br />

Januar, als ich die Idee/ den Traum hatte, mir<br />

eine eigene kleine Bambus-Hütte zu bauen, da<br />

ich ja für eine beachtliche Zeit auf der Farm sein<br />

würde und nicht immer wieder umziehen<br />

wollte, wenn eine Großgruppe alle verfügbaren<br />

Häuschen in Anspruch nimmt. Die Idee wurde<br />

freudig aufgenommen, ein toller Platz am Hang<br />

zum Fluss ausgesucht und schon konnte ich die<br />

Konstruktionspläne beginnen. Als das Modell<br />

fertig war und unser „Schreiner“, der für alle<br />

Holzarbeiten zuständig ist, den Plan für<br />

realisierbar erklärte, musste nichts desto trotz<br />

das Projekt ein wenig ruhen, da der Regen<br />

beginnen sollte und außerdem andere<br />

Aufgaben in Angriff genommen wurden. So<br />

wurde es Mitte April, bis ich tatsächlich damit<br />

anfing, die Löcher für die Grundpfeiler zu<br />

graben. Die tragenden Starkholzpfosten waren<br />

bald versenkt und die ersten<br />

Querverstrebungen folgten. Aber dann waren<br />

auch schon die Materialien aufgebracht und wir<br />

mussten bei den Nachbar-Communidades<br />

anfragen. Solch eine Bestellung braucht<br />

natürlich seine Zeit, weshalb wir bis Juli<br />

warteten… Das Holz kam wir konnten innerhalb<br />

weniger Tage das gesamte Rahmengerüst<br />

errichten. Unser Hüttenbauer Sergio<br />

versicherte mir an dieser Stelle, dass man das<br />

gesamte Häuschen innerhalb von 2 bis 3<br />

Wochen fertig stellen könnte, wenn alle<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Materialien verfügbar und präpariert wären<br />

(Hölzer müssen entrindet, Bodenpaletten<br />

gefertigt und Palmblätter fürs Dach getrocknet<br />

werden). In den letzten Tagen haben wir auch<br />

den Boden verlegt und nun warten wir auf<br />

frischen Bambus für die Wände… Die Arbeit<br />

macht wirklich Spaß und während ich mit<br />

Sergio zusammenarbeite, lerne ich auch viel<br />

über Konstruktion und wann man für welchen<br />

Part welches Holz verwenden kann. Wir<br />

arbeiten mit Frutillo, Algorrobo, Bambus,<br />

Pachaco, und Tagua- Palmwedeln. Des<br />

Weiteren braucht man neben der Machete (!),<br />

einem Hammer und Nägeln nicht mehr viel. Um<br />

das Ganze ein wenig vertrauenswürdiger zu<br />

gestalten, benutzten wir auch ein Lot,<br />

Bindfaden, einen Bleistift, einen Winkel, eine<br />

Säge und - ich hätte es nicht geglaubt - eine<br />

Wasserwaage. Das war’s dann aber auch schon.<br />

Ich bin aufgeregt, aber auch gleichzeitig durch<br />

die Vorgeschichte ein wenig beängstigt, dass<br />

ich mein Traumhäuschen nicht mehr rechtzeitig<br />

beenden kann. Wenn alles gut läuft, habe ich<br />

vielleicht 2 Wochen darin zu wohnen, bevor ich<br />

mich dann auf meine Ecuadorreise begebe…<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 29


Bienenprojekt:<br />

Auf der Farm haben wir Bienenkästen, ernten<br />

und verkaufen somit unseren eigenen Bio-<br />

Honig. Neben diesem köstlichen Produkt leisten<br />

die Bienen aber auch allergrößte<br />

Blütenbestäubungsarbeit, welche für jeden<br />

Obst- und Gemüsegarten unerlässlich ist.<br />

Die Landwirtschaft ist weltweit sogar so<br />

abhängig von den Bienen, dass es<br />

voraussichtlich innerhalb weniger als 5 Jahren<br />

keine Ernte mehr gäbe, verlören wir deren<br />

Arbeit. Und momentan sieht es schlecht aus für<br />

unsere Bestäuber... Denn all die chemischen<br />

Hilfsmittel in unserer Agrikultur und zusätzlich<br />

die noch ungenügend erforschte Belastung der<br />

sich ausbreitenden und verstärkenden<br />

Mobilfunkstrahlung lassen die Populationen<br />

drastisch sinken. (Auch in Ecuador hat jeder<br />

Einwohner mindestens 1 Handy! - Zumal es<br />

kein ausgebautes Festnetz gibt). Das<br />

Bienenprojekt besteht nun darin, weitere<br />

Familien in Rio Muchacho mit Bienenkästen<br />

auszustatten. Angelockt durch den möglichen<br />

Gewinn des Honigverkaufs, haben auf unser<br />

Angebot hin 6 Familien Interesse bekundet. Mit<br />

ihnen zusammen werden wir nun die Kästen<br />

bauen und mit Hilfe unseres Bienenspezialisten<br />

neue Bienenstaaten gründen. Gleichzeitig<br />

verbunden mit dieser Anschaffung, ist auch das<br />

Pflanzen eines kleinen Gartens. Denn für eine<br />

hohe Honigproduktion brauchen die Bienen das<br />

ganze Jahr über genügend blühende Blüten, die<br />

den Nektar zur Verfügung stellen. Die meisten<br />

Familien bauen zum Beispiel ausschließlich<br />

Maracuja oder Yucca an und benutzen auch<br />

chemische Dünger. Um aber mit den Bienen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

erfolgreich zu sein, werden sie erkennen<br />

müssen, dass es nötig ist, Chemie zu reduzieren<br />

und Varietät zu erhöhen. Dabei erhalten sie<br />

unsere Unterstützung bei der Einrichtung und<br />

der Haltung der Bienen, aber auch eine<br />

Kollektion von Kräuter- und Gemüse-Samen,<br />

um den kleinen Garten zu starten. Die<br />

Samentütchen sind schon gerichtet und die<br />

letzten Materialien für die Kästen werden<br />

besorgt…Ich bin schon gespannt!<br />

Computerunterricht in der Schule:<br />

Man kann wahrlich darüber streiten, ob die<br />

Einführung von Computer und Internet in den<br />

Unterricht zu befürworten ist oder nicht.<br />

Einerseits wird den Kindern somit eine Technik<br />

vor Augen geführt, die sie vielleicht begehren<br />

werden, aber selbst nicht erwerben können<br />

und zudem nicht brauchen, wenn sie die Farm<br />

ihrer Eltern weiterführen – Andererseits, will<br />

man den Kindern vom Land die gleichen<br />

Möglichkeiten mitgeben, wie ihren<br />

Altersgenossen und zukünftigen<br />

Klassenkameraden mit städtischer Herkunft.<br />

Denn wenn die Familien Verwandte in der Stadt<br />

haben, entschließen sie sich vielleicht dazu, ihre<br />

Kinder nach den 7 Jahren Grundschule dorthin<br />

auf das weiterführende College zu schicken.<br />

Wie haben also angefangen 2 Laptops in unsere<br />

Schule zu bringen und die Kinder mit Paint®<br />

malen und mit Word® schreiben zu lassen. Auf<br />

diese Weise lernen sie auf spielerische Art und<br />

Weise, mit dem Computer umzugehen. Es ist<br />

eine Riesen- Attraktion für die Kinder, wenn wir<br />

mit dem Laptop kommen, und neugierig und<br />

aufgeregt stehen alle darum herum. Nächste<br />

Woche wollen wir mit ihnen einen Tag nach<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 30


Canoa fahren, um ihnen das Internet zu zeigen.<br />

Wenn man damit umzugehen weiß, ist es eine<br />

große Chance, viel zu lernen, herauszufinden,<br />

zu recherchieren und und und...<br />

Auf ihrem weiteren Bildungsweg und in<br />

beruflicher Zukunft wird ihr Computerwissen<br />

höchstwahrscheinlich eine relevante Rolle für<br />

sie spielen – sofern sie in die Stadt ziehen.<br />

(Doch dies bedeutet gleichzeitig, dass es in der<br />

nächsten Generation einige Familienfarmen<br />

weniger gibt…)<br />

Die Statistik No.2<br />

Am 7. August war ich 260 Tage auf der Bio-<br />

Farm Rio Muchacho und 272 Tage in Ecuador.<br />

Was sind 9 Monate?<br />

- 508 REIS-Mahlzeiten. Folgende Angabe ist das<br />

Resultat 508-facher Beobachtung: 70% jeder<br />

Speise ist Reis. Jeder andere Bestandteil wie<br />

Salat, Salza oder Gemüse (jeweils 10%), wird<br />

lediglich beigelegt, um die tatsächliche Menge<br />

an Reis darunter zu verstecken oder den<br />

Anblick farblich ein wenig aufzuwerten. (Um<br />

diese „Reisheit“ in ein vegetarisches<br />

Gourmetgericht zu verwandeln, reduziere man<br />

den Anteil auf 40% und schöpfe die meist<br />

deliziösen Beilagen auf 60% nach!)<br />

- Zecken! Ein 5-Minuten-Barfuß-Spaziergang auf<br />

der falschen Weide, wird unvermeidlich mit<br />

einer halbstündigen Zeckensuche quittiert<br />

(Erfolgsquote 1:5. Ich finde z.B. 40, während<br />

mir 8 entgehen, die sich dann ein warmes<br />

Plätzchen suchen). Demnach unterscheide ich<br />

nun generell zwischen den Blutsaugern, die ich<br />

auf mir herumkrabbeln finde, und denen, die<br />

ich herausziehe, nachdem sie sich schon in<br />

meiner hoch begehrten Haut festgebissen<br />

haben: Erste Zahl liegt - ohne Übertreibung –<br />

ungefähr im Bereich von 1.000.000.000. Die<br />

zweite Zahl lässt sich vielleicht mit einem<br />

Schnitt von 2 pro Tag veranschaulichen (_520)<br />

- 90 Male den Kopf irgendwo anhauen, da ich<br />

(und jeder nicht Südamerikaner) zu groß für<br />

ecuadorianische Konstruktionen ist.<br />

(Mindestens jeden dritten Tag). Nebenwirkung:<br />

Mittlerweile laufe ich in geschlossenen<br />

Räumlichkeiten deutlich geduckt umher<br />

- 114 Volontäre. Zusätzlich Schulklassen,<br />

Studentengruppen, Touristen, Besucher…und<br />

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dann noch ca. 12 Leute von der Farm, die mich<br />

mehr oder weniger täglich umgeben.<br />

Menschen – Persönlichkeiten – Erlebnisse –<br />

Erfahrungen – Leben! Es ist schwer zu<br />

beschreiben, aber wahrscheinlich das<br />

Wichtigste überhaupt: „Mit Wem“ man seine<br />

Zeit verbringt. Ich kann sagen, ich bin<br />

beeindruckt und dankbar, was ich alles lernen<br />

und wen ich alles kennen lernen durfte; Wer<br />

mir über meinen Weg gelaufen ist und Teil<br />

meiner Zeit wurde.<br />

- Moskitos! Ich habe zwar immer wieder das<br />

unverwechselbare Hochfrequenz- Surren im<br />

Ohr, aber über übermäßig viele Stiche kann ich<br />

mich nicht beklagen. Nur noch 2 pro Woche.<br />

(60) – Man beachte, dass genannte Zahl die<br />

Regenzeitmonate Januar bis April vollkommen<br />

außer Acht lässt<br />

- 16 Male Wäsche von Hand waschen (ca. alle 2<br />

½ Wochen). Mein Trick, um nicht so oft<br />

waschen zu müssen: Ich behalte zum Duschen<br />

einfach schmutzige Wäsche an oder springe<br />

nach der Arbeit mit allem was ich anhabe in<br />

den Fluss ;)<br />

- Stromausfälle wurden tatsächlich seltener. Es<br />

wurde zwar letzten Monat die Schnellstraße<br />

zwischen Canoa und San Vicente erweitert,<br />

weshalb über 3 Wochen täglich um 19.30Uhr<br />

der Strom abgestellt wurde; Aber abgesehen<br />

davon: im Schnitt nur noch 1Tag pro Woche<br />

ohne Elektrizität - 14 Tage oder 336 Stunden<br />

(Auch diese Zahl deckt nur die letzten 3<br />

Trockenzeitmonate seit Ende April). Zu meinen<br />

Erfahrungen abends im Dunkeln lässt sich<br />

sagen: Man glaubt gar nicht, wie hoch der<br />

Kerzenverbrauch ist, wenn man nach<br />

Sonnenuntergang noch wach bleiben will! Da<br />

wir aber morgens um 6.00Uhr mit der Arbeit<br />

beginnen, gehen die meisten eh freiwillig früh<br />

ins Bett.<br />

- Die von mir bewegte Masse an kompostierten<br />

und noch nicht kompostierten Tierexkrementen<br />

kann ich auch diesmal nicht in einer Zahl<br />

angeben. Aber es lässt sich so viel sagen: eine<br />

Kuhportion wiegt 6 Pfund; davon gibt bis zu 10<br />

Stück pro Tag. Auch Schweine sind höchst<br />

produktiv und die werden täglich ausgemistet…<br />

Ciao Euer Thomas<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 31


Vom Peter Riegg<br />

August 2009<br />

Buenos días, buenas tardes, buenas noches,<br />

seit 20 Jahren gibt es nun die “Finca Organica<br />

Rio Muchacho”. Seit 16 Jahren die<br />

„Umweltschule Rio Muchacho“. ¿Aber was<br />

sieht man, wenn man von der Hauptstraße die<br />

7 km landeinwärts zur Finca fährt?<br />

- Monokulturen (= ein Typ Pflanze (z. B. Mais) in<br />

riesigen Extensionen)<br />

- Verbrannte Flächen<br />

- Monokulturen (Maracuja, Mais, Chili,<br />

Maracuja, ...)<br />

- Kuhfarm<br />

Mit der „Grünen Revolution“ in den 60ern<br />

kamen diese Probleme. Samen die über 12.000<br />

Jahre gesammelt und ausgewählt wurden,<br />

natürliche Samen die robust waren und keine<br />

Chemikalien brauchten, wurden von einer zur<br />

nächsten Generation ersetzt durch „neue<br />

Samen“ (genmanipuliert,...) der<br />

Chemieindustrie. Den Bauern (vor allem in den<br />

Entwicklungsländern) wurde versprochen mit<br />

diesen Samen mehr Ertrag zu erwirtschaften,<br />

worauf diese ihre alten Samen an die Hühner<br />

verfütterten... 12.000 Jahre für die Katz! So hat<br />

es die Chemieindustrie also geschafft die<br />

Bauern von ihren Spritzmitteln und Pestiziden<br />

abhängig zu machen, da diese Samen nicht<br />

sonderlich resistent und viel anfälliger für<br />

Insekten sind... Einmal angefangen mit diesen<br />

Chemikalien ist es nicht so leicht zum<br />

Biologischen Anbau zurückzukehren.<br />

Chemikalien töten die Mikro- und<br />

Mikroorganismen in der Erde. Diese<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Organismen sind das Leben in der Erde. Um<br />

diese nach jahrerlanger Abnutzung wieder auf<br />

Vordermann zu bringen braucht es viel<br />

Kompost und einen guten Plan welche Pflanzen<br />

wann an der Reihe sind, um dem Boden wieder<br />

Nährstoffe zuzuführen. Die mit Chemikalien<br />

besprühten Blätter können keine Proteinketten<br />

bilden und sind deshalb anfälliger für Insekten.<br />

Um diese von den Pflanzen fernzuhalten<br />

werden Insektizide auf die Felder gespritzt.<br />

Dieser ganze Haufen an Chemikalien, der von<br />

der konventionellen Agrarindustrie auf die<br />

Pflanzen gesprüht wird, ist nicht nur schlecht<br />

für Insekten... es ist auch schlecht für unsere<br />

Gesundheit und für unsere Erde! Wenn wir<br />

unseren Planeten mit diesen Giften weiterhin<br />

so fertig machen, wird es nur noch ein paar<br />

Generationen dauern, bis die beschränkten<br />

Flächen der Erde, die wir zum Bepflanzen<br />

verwenden können so fertig sind, dass es uns<br />

nicht mehr möglich sein wird damit<br />

ausreichend Nahrung für die Bevölkerung zu<br />

produzieren (..vor allem für die Menschen die<br />

in den Städten leben). Ich bin absolut davon<br />

überzeugt, dass biologischer Anbau der einzige<br />

Weg ist aus dieser Sackgasse herauszukommen.<br />

Es ist hier also allerhöchste Eisenbahn die<br />

Bauern aus Rio Muchacho und den<br />

umliegenden Kommunen zu informieren, und<br />

zu helfen auf „Bio“ umzusteigen, um<br />

unabhängig von teuren Spritzmitteln zu<br />

werden, um den Fluss nicht weiter zu<br />

verschmutzen, um gesünder zu leben,...<br />

Das ist leider leichter gesagt als getan. Die<br />

Bauern sind arm und haben Angst vor<br />

Veränderungen. Schon ihr ganzes Leben lang<br />

sprühen sie Chemikalien und Pestizide aufs Feld<br />

und pflanzen in Monokulturen an. Sie haben<br />

keine Erfahrung damit, Pflanzen in<br />

Assoziationen zu pflanzen (Pflanzen die gut<br />

miteinander wachsen), oder einen Kompost<br />

anzulegen. Anstatt dessen verbrennen sie<br />

lieber die trockenen Blätter und Stöcke wie sie<br />

es schon immer gemacht haben, und sprühen<br />

anschließend ordentlich Gift auf die Pflanzen<br />

um sie vor den „bösen Insekten“ zu schützen.<br />

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, pflegt<br />

meine Oma immer zu sagen. Damit hat sie<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 32


völlig recht! Nur manchmal ist es für uns<br />

Gewohnheitstiere auch an der Zeit<br />

umzudenken, und sich eventuell<br />

umzugewöhnen ;)<br />

Deswegen hat mein ecuadorianischer Chef<br />

Dario einen ausgefuchsten Plan. Auf hohes<br />

Interesse stößt man, wenn man den Landwirten<br />

erzählt wie man mit wenig Aufwand Geld<br />

machen kann. Honig, vor allem Bio-Honig lässt<br />

sich gut verkaufen. Deswegen bieten wir ihnen<br />

an, mit unserer Unterstützung ihr eigenes<br />

Bienenhaus zu bauen und die Bienenhaltung zu<br />

erlernen. Das Angebot wird sehr gut<br />

angenommen, weshalb wir einen festen Stamm<br />

an Landwirten gewinnen konnten, mit denen<br />

wir an diesem „Bienenprojekt“ arbeiten. Bereits<br />

beim ersten Treffen wurden wir gefragt woher<br />

die Bienen ihre Nahrung beziehen sollen. Und<br />

das ist für uns der springende Punkt! Natürlich<br />

dürfen sie keine Chemikalien auf die Pflanzen<br />

sprühen, denn diese würden die Bienen<br />

genauso töten wie andere Insekten. So gut wie<br />

alle Bauern hier bauen Maracuja an. Deswegen<br />

haben wir ein Konzept entwickelt, welche<br />

Pflanzen man zwischen und neben der<br />

Maracuja Pflanze anbauen kann, um die freien<br />

Flächen dazwischen produktiv zu nutzen. Wir<br />

kommen somit bei ca. 18 m2 auf 20<br />

verschiedene Pflanzen. Pflanzen die nicht nur<br />

die Bienen glücklich machen, sondern vor allem<br />

die Familie ernähren. So versuchen wir sie ins<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Bio-Boot zu ziehen ;) Denn wenn erst einmal<br />

die kleine Fläche für die Bienen steht, ist der<br />

Weg zum Bio-Hof gepflastert, bzw. gepflanzt.<br />

Vorletzten Mittwoch und heute war der<br />

Bienenexperte Boris auf der Farm, der uns mit<br />

unseren Bienen geholfen hat und den<br />

interessierten Bauern im Projekt viele Sachen<br />

im Umgang mit den Bienen erklärt und gezeigt<br />

hat. Dieses Projekt ist unglaublich wichtig für<br />

mich. Das Wissen das ich mir in den<br />

Gesprächen und der Arbeit mit Dario und<br />

Nicola aneignen konnte, kann ich direkt an die<br />

Leute meiner Umgebung weitergeben. Und das<br />

ist, was für mich Entwicklungshilfe bedeutet. Zu<br />

erkennen, was läuft hier nicht richtig, was<br />

brauchen/wollen die Leute, und wie kann man<br />

ihnen langfristig helfen. Wir arbeiten mit ihnen,<br />

zeigen ökologische Praktiken auf, um sie dabei<br />

zu unterstützen, einen besseren<br />

Lebensstandart zu erreichen. Die Bauern sind<br />

sehr dankbar und interessiert. Wir organisieren<br />

jeden Monat zwei Treffen, in denen wir mit<br />

ihnen am Projekt „Agrupación de Productores<br />

Organicos – Gruppierung Biologischer<br />

Erzeuger“ arbeiten.<br />

Ein weiteres Projekt das ich diesen Monat in<br />

Angriff genommen habe ist die Schule. Da die<br />

Materialien für mein Musikprojekt leider immer<br />

noch nicht da sind, habe ich mich dazu<br />

entschlossen vorübergehend den<br />

Sportunterricht zu übernehmen. Und so bin ich<br />

jetzt zwei bis dreimal vormittags an der Schule<br />

und arbeite mit den 12-15 Jährigen an<br />

Lauftechnik, Weitsprung und Hochsprung (ich<br />

mache mit ihnen nur den Schersprung, weil wir<br />

nur eine ca. 10 cm dicke Matte haben). Die<br />

Kinder sind echt gut und machen schnell<br />

Fortschritte! Ich habe am ersten Tag die Zeiten<br />

genommen und gemessen wie weit und hoch<br />

sie springen damit ich die Veränderungen<br />

sehen kann. Von den Schülern ist keiner<br />

übergewichtig und von<br />

Bewegungslegastenikern wie an unseren<br />

Schulen in Deutschland ist hier weit und breit<br />

nichts zu sehen.<br />

Zu meinen Aufgaben gehört es mittlerweile<br />

neue Volontäre einzuweisen und ihnen und den<br />

Touristen die Finca zu zeigen, Modelle<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 33


alternativer Energien wie z. B. die Biogasanlage,<br />

verschiedene Komposte,... zu erklären und zu<br />

versuchen die Idee der Finca rüberzubringen. Z.<br />

B. Müllreduzierung wo es nur geht. Auf der<br />

Finca produzieren wir so gut wie keinen Müll<br />

(letzte Woche: 1,5 kg Plastikmüll).<br />

Mülltrennung, Recycling,... wird hier ganz<br />

GROSS geschrieben! Wenn nur einer von 10<br />

Besuchern seine Einstellung gegenüber seiner<br />

Umwelt ändert, und z. B. aufhört<br />

Plastikflaschen zu kaufen, oder aus<br />

Plastikbecher/Teller zu trinken/essen, haben<br />

wir schon viel geschafft. Nach einer Statistik aus<br />

dem Jahr 2004 würden pro Jahr 200 Flaschen<br />

weniger auf dem Müll landen wenn nur eine<br />

Person aufhören würde Plastikflaschen zu<br />

konsumieren.<br />

So... jetzt bin ich ganz froh es wieder einmal<br />

geschafft zu haben den Bericht fertig zu kriegen<br />

;) Ich hoffe er gibt euch Lesern einen kleinen<br />

Einblick in mein Leben hier in Rio Muchacho,<br />

und die Arbeit die ich hier verrichte. Eventuell<br />

ist er sogar eine kleine Anregung sich damit zu<br />

beschäftigen was alles in unserem Essen drin<br />

ist, wieso die Zahl der Allergiker ständig steigt,<br />

warum so viele Leute an Krebs erkranken,... um<br />

am Ende darauf zu kommen, dass alles in der<br />

Erde beginnt.<br />

Liebe Grüße,<br />

euer Peter<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Schwarze Brüllaffen Babies:<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 34


Vom Thomas Mildenberger<br />

September 2009<br />

Hallo zum letzten Mal,<br />

nach 538 Schüsseln voll Reis, zum letzten Mal<br />

per Rundmail aus Ecuador. Ich will gar nicht<br />

daran denken, aber schon in nur 2 Wochen bin<br />

ich wieder zu Hause…im schönen Deutschland –<br />

und muss jedoch ein noch viel schöneres<br />

Ecuador hinter mir lassen. Ich habe das<br />

Phänomen bei einigen anderen Volontären<br />

beobachtet, dass sobald man sich mit dem<br />

Rückflug konfrontiert sieht, anfängt sich hier in<br />

alles zu verlieben. All die Dinge, die man nun<br />

intensiver wahrnimmt und von denen man<br />

weiß, dass es in unseren Heimatländern so<br />

anders sein wird. Ich fange jetzt gar nicht erst<br />

an, aufzulisten, was ich vermissen werde, denn<br />

eine solche Liste wäre in jedem Fall<br />

unvollständig, wahllos und aus dem<br />

Zusammenhang genommen. Wie ich bereits im<br />

allerersten Rundbrief erwähnte, sind es die<br />

vielen kleinen Dinge, die einem erst auffallen,<br />

wenn sie sich ändern. Den Sprung aus der<br />

westlichen Kultur in das südamerikanische<br />

Leben habe ich damals ohne Probleme<br />

gemeistert und mich unmittelbar eingelebt. Im<br />

Gegenteil dazu erwarte ich bei meiner<br />

Wiederkehr einen Kulturschock! Zumindest<br />

habe ich Angst, dass ich von einer Welle<br />

überrannt werde, mich die Routine einholt,<br />

mich der Alltag aufsaugt, meine Erfahrungen<br />

zur Seite gedrängt werden und mir die<br />

Erinnerung ans letzte Jahr nur noch wie ein<br />

Traum erscheint. Auch dies wurde mir<br />

mehrfach von meinen Vorgängern bestätigt –<br />

Man könnte meinen, man hätte in jedem Fall<br />

verloren: Entweder Schwierigkeiten bei der<br />

Ankunft, gefolgt von Fernweh und<br />

Unzufriedenheit, oder aber ein Zurückfallen ins<br />

alte Leben gepaart mit der unbewussten<br />

Verdrängung der Erlebnisse. Ich persönlich<br />

setzte es mir zum Ziel, die Phrase: „aus den<br />

Augen – aus dem Sinn“ zu widerlegen und<br />

gleichzeitig keine Antipathie zum „Lauf der<br />

Dinge in der modernen Welt“ zu entwickeln.<br />

Das mag sich alles ein wenig übertreiben<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

anhören und überhaupt bin ich ja noch immer<br />

hier, also sollte ich nicht übertreiben… Zurück<br />

zu den Geschehnissen der letzten Wochen: Ich<br />

habe die Farm verlassen und bin nun auf<br />

Reisen, meine aufgesparten Urlaubstage<br />

genießend. Rückblickend war der Abschied von<br />

meinem Heim der letzten 10 Monate nicht<br />

leicht; Inzwischen bin ich jedoch in der<br />

Aufregung der vielen neuen Orte und Eindrücke<br />

gefangen. Während meiner letzten Tage in der<br />

„Finca Organica Rio Muchacho“ wurde mir<br />

bewusst, wie sehr ich mit allem vertraut war<br />

und wie komisch es sein wird, all das zu<br />

verlassen. Ich hatte immer den Gedanken im<br />

Kopf: ich mache nun zum letzten Mal dies, ich<br />

mache zum letzen Mal das…<br />

Obwohl es einem immer schwer vorkommt,<br />

„Adios“ zu sagen, mit dem Hintergedanken,<br />

dass man sich wahrscheinlich nicht wieder<br />

sieht, war ich das Abschied nehmen von<br />

vertrauten Personen schon gewöhnt durch das<br />

ständige Kommen/ Gehen der Volontäre. Die<br />

Familie und die Arbeiter der Farm kennen dies<br />

schon seit Jahren, weswegen auch mein<br />

Abschied in einem eher routinierten Rahmen<br />

gehalten wurde. Vielleicht konnten es in dieser<br />

Situation einfach noch keiner richtig fassen,<br />

dass ich jetzt ginge – so wie auch ich noch nicht<br />

fassen konnte, dass ich die Farm verlasse<br />

werde. Kurz gehalten: Ich war ziemlich<br />

aufgeregt und eingenommen von vielerlei<br />

Emotionen gegenüber den einzelnen Personen<br />

und rückblickend auf alles, was ich erlebt<br />

habe…<br />

Mein Jahr war mit Sicherheit eine große<br />

Bereicherung, ich habe unendlich viel gelernt,<br />

angefangen beim Unterrichten in unserer<br />

Umwelt-Grundschule und bei der Arbeit in<br />

biologischer Landwirtschaft, bis hin zu den<br />

Erfahrungen beim Organisieren der Volontäre,<br />

bei den Projekten in der Communidad und bei<br />

den Führungen für Touristen. Während meiner<br />

Zeit auf der Farm arbeitete ich mit 117<br />

Volontären aus 16 verschiedenen Ländern,<br />

einigen Großgruppen (10 bis 30 Personen) und<br />

zahllosen nationalen und internationalen<br />

Touristen (in den Saisonmonaten: Dezember,<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 35


Mai, Juli, August kamen fast jeden Tag<br />

Besucher).<br />

Um noch Bezug auf die erwähnten Projekte der<br />

letzten Mail zu nehmen:<br />

Die ersten beiden Treffen des neu gegründeten<br />

Vereins der Bienenhalter waren erfolgreich. 2<br />

Familien aus Rio Muchacho und 4 Familien aus<br />

der weiteren Nachbarschaft werden in die<br />

Honigproduktion eingewiesen und erhalten<br />

Unterstützung mit dem Aufbau eines Obst- und<br />

Kräutergartens. Mein Haus ist fertig gestellt! Es<br />

ist zweistöckig, hat 2 getrennte Schlafzimmer,<br />

eine riesige Terrasse mit Blick auf den Fluss,<br />

eigene Dusch und Kompostiertoilette und ist<br />

wunderschön;) Ich habe letztendlich noch eine<br />

Woche darin geschlafen.<br />

Östlich der Anden befindet sich die so genannte<br />

Selva (span. für Dschungel) oder auch nur der<br />

„Oriente“. Mit dem herabsteigen der<br />

Bergketten wird das Klima heißer und feuchter,<br />

wobei jedoch auch hier die Jahreszeit eine<br />

entscheidende Rolle spielt. In diesem drittel des<br />

Landes gibt es nur wenige Städte und ca. 90<br />

Prozent der Fläche sind noch immer isoliert und<br />

kaum besiedelt.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Nur die Petrolineras, das heißt, die Orte an<br />

denen Erdöl gefördert wird, werden aus<br />

Transportzwecken mit schönen, neu geteerten<br />

Straßen ans Verkehrsnetz angebunden. Als<br />

Tourist kommt man also nur in den Urwald,<br />

wenn man eine mehrtägige Führung bucht, die<br />

in einer der 3 größten Städte beginnt und von<br />

dort an per Begleiter und Kanufahrt<br />

weiterführt.<br />

Von einem Treffen mehrerer<br />

Volontärorganisationen im Februar kenne ich<br />

Alberto, ein Senior, der Projekte in einer der<br />

Dschungel-Communidades leitet. Campococha<br />

heißt das Dorf, in dem 70 Familien leben, und<br />

welches leider(!) leicht mit dem Geländewagen<br />

erreichbar war. Er erzählte mir, dass nur<br />

wenige Kilometer entfernt ein riesiger<br />

internationaler Flughafen gebaut wird. Die<br />

Mehrheit der Provinz hat dafür gestimmt, da<br />

natürlich viele Jobs und eine Menge Geld<br />

versprochen wurden. Aber die Schattenseite ist<br />

die Abholzung von –zig Hektar Bosque Primaria<br />

(Ururururururwald)! Noch haben die Arbeiten<br />

nicht begonnen und es ist ruhig im Wald –<br />

mehr oder weniger, denn wenn man erst<br />

einmal hinhört, kann es richtig laut sein. Ich war<br />

zwar nicht dort, wo die Tiger herumbrüllen,<br />

aber schon alleine das Hochfrequenz-Zirpen der<br />

Grillen, auch tagsüber, und die verschiedensten<br />

Vogelschreie, erzeugen eine beeindruckende<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 36


Atmosphäre. Im Sommer regnet es hier nur alle<br />

paar Tage, im Winter täglich stundenlang.<br />

Deswegen war die Luftfeuchtigkeit gut<br />

auszuhalten – nur un-glaub-lich HEISS war es!<br />

An der Küste habe ich die Mittagssonne ab 10<br />

Uhr gemieden – Hier dachte ich schon morgens<br />

um 8.00 Uhr, ich müsste verbrennen, wenn ich<br />

nicht im Schatten bleibe. Moskitos gab es nicht<br />

viele, zumindest wurde ich nicht<br />

überdurchschnittlich zerstochen (ich habe zu<br />

jeder Mahlzeit eine Menge Knoblauch<br />

gegessen, was anscheinend – und wie mir<br />

versprochen wurde – große Dienste leistete).<br />

Dafür gibt es aber andere kleine Plagen, wie<br />

z.B. die Coloradillos. Wie Zecken, nur so klein,<br />

dass man sie nicht sehen kann. Sie hinterlassen<br />

lediglich einen klaren roten Punkt auf der Haut<br />

und drum herum eine juckende größer<br />

werdende Schwellung, wie die eines<br />

Mückenstichs.<br />

Alberto zeigte uns die Schulgebäude,<br />

Betonfundament und Zinndach, sehr modern –<br />

außerdem eine kleine Bibliothek und: sage und<br />

schreibe 6 Computer! Selbst weitaus<br />

entwickelter Gemeinschaften haben keine<br />

Computer. Hier nun aber das Kontroverse: Die<br />

Leute sind trotzdem arm und die Kinder<br />

trotzdem nicht gebildeter als sonst. Zum einen<br />

lassen sich kaum Lehrer finden, die im<br />

Dschungel unterrichten wollen. Zum anderen<br />

leben die Familien hier immer noch<br />

ausschließlich von der Agrikultur. Wenn nichts<br />

geerntet wird, gibt es nichts zu essen.<br />

Geschäfte gibt es nicht und vom Verkauf der<br />

selbst angebauten Ware, kann keiner leben. Die<br />

Abnehmer in den Städten haben die Macht der<br />

Wahl; für eine Staude Platanos bekommt 1.5<br />

bis 2$ und für einen Sack Yuca nicht mehr als<br />

10$. Außerdem wird gefischt und manchmal<br />

Affen oder ähnliches gegessen... Aber die Flüsse<br />

werden verschmutz und die Tierpopulationen<br />

weichen immer weiter den Siedlungsgebieten<br />

der Menschen. Es droht hier keiner zu<br />

verhungern, denn im Wald findet sich immer<br />

etwas, wenn es auch nur eine junge<br />

Palmpflanze ist, die man weich kocht. Dennoch<br />

ist in der hiesigen Kultur die Chicha tief<br />

verankert: Ein Getränk, ein Mahlzeitenersatz,<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

das sowohl Hunger als auch Durst löscht;<br />

Zubereitung: Vorkauen der Yuca, die aufgrund<br />

des vermengten Speichels zu fermentieren<br />

beginnt (Alternativ auch mit Mais oder<br />

Zuckerrohr) – Interessant! Nach eigenen<br />

Angaben wissen die Männer immer noch, wie<br />

man im Dschungel überlebt; Alles was sie<br />

brauchen ist eine Machete und eine Packung<br />

Streichhölzer.<br />

Elektrizität gibt es hier seit 3 Jahren; ein Deal<br />

der Regierung mit dem Wahlprogramm „Wählt<br />

mich und ich bringe euch Strom in den<br />

Oriente“. Auch entdeckte ich in vielen kleinen<br />

Städtchen nagelneue, überdachte, beleuchtete<br />

Sportplätze. Auch das sind nur Wahlwerkzeuge<br />

der Politiker – an jedem Bau steht der Name<br />

des Präsidenten. Am nächsten Tag wanderten<br />

wir für eine Tagestour ins Reservat der<br />

Communidad, unter Schutz gestelltes<br />

Urwaldgebiet. Endlich dort angekommen, wo<br />

ich schon immer einmal hinwollte! Es ist in der<br />

Tat beeindruckend, aber anders als erwartet. Es<br />

ist nicht der sonnendurchflutete,<br />

frischsaftiggrüne, überall sprießende, blühende,<br />

plätschernde Ort, an dem die Lianen griffbereit<br />

herumhängen und die Affen singen. Zumindest<br />

nicht zu dieser Zeit, in der die breite Flüsse zu<br />

einem Bächlein schrumpfen und die immer<br />

wachsenden Schlingpflanzen auf Sparflamme<br />

arbeiten. Aber ich habe die uralten Bäume<br />

gigantischen Ausmaßes gesehen, wobei mich<br />

die Formen der Wurzeln und Stämme am<br />

meisten staunen ließen. Generell ist es dunkel<br />

im Wald, da jeder Quadratzentimeter<br />

Sonnenlicht vergeben ist und das Palm- und<br />

Laubdach gut abdeckt. Alles ist be- und<br />

verwachsen. Alles. Und jedes Kraut, jedes Blatt<br />

und jedes Stück Rinde wurde hier für<br />

medizinische Zwecke verwendet. Alberto<br />

konnte eine halbe Stunde über den Gebrauch<br />

und die Wirkung von Guanto reden, dabei weiß<br />

er sicherlich nur halb so viel wie ein Shaman -<br />

Die Medizinmänner hier, die man leider nicht<br />

mehr zu Gesicht bekommt. Was ich jedoch mit<br />

Sicherheit sagen kann ist, dass es eine Menge<br />

Pflanzen gibt, mit denen man „therapeutische“<br />

Tränke brauen kann…<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 37


Stichpunkte/ Reisebeobachtungen/<br />

Busgeschichten:<br />

- in den Dschungelstädten leben die Affen auf<br />

der Straße, wie an der Küste die Hunde<br />

- Abendbeschäftigung in der Stadt: die Leute<br />

sitzen einfach auf der Strasse – im<br />

Plastikgartenstuhl und unterhalten sich<br />

- Die Musikanlage ist der bestfunktionierende<br />

Teil eines jeden Busses. Auch wenn die<br />

Scheinwerfer kaum 3m weit leuchten – die<br />

Musik ist manchmal so laut, dass man sich nicht<br />

nebeneinander unterhalten kann.<br />

- In jedem Bus hängt entweder ein Jesus- oder<br />

Engelbild; in jedem Restaurant findet man ein<br />

Bild vom letzen Abendmahl; In den Straßen<br />

stehen Schaufensterkästen mit Maria mit Jesus<br />

oder Engelsfiguren,… – unsere Dorfkirche war<br />

jedoch nicht einmal an Ostern geöffnet<br />

- Baustellen werden mit grünen Zweigen<br />

(anstelle von Warndreiecken) gekennzeichnet<br />

- Straßenarbeiter tragen Flipflops, auch wenn<br />

geteert wird; bei Schweißarbeiten wird auf<br />

Schutzbrille oder gar Handschuhe gänzlich<br />

verzichtet<br />

- Ich habe noch nie eine<br />

Geschwindigkeitsbegrenzung gesehen, nur<br />

Bodenwellen im Asphalt, aber auch für diese<br />

gibt es kein Hinweisschild. Vor scharfen Kurven<br />

auf den Steilstrecken der Gebirgsketten findet<br />

man lediglich folgende Warnung: „Reduzieren<br />

Sie Ihre Geschwindigkeit jetzt“<br />

- Begrenzung der Fahrbahn vom tiefen (!),<br />

knappen Felsabgrund: verbeulte, gelb-rot<br />

angemalte, rostige, mit Steinen gefüllte Tonnen<br />

in 50m Abstand (Leitplanken sind im Kommen)<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

- Es werden mehr Tickets als Sitzplätze<br />

verkauft, und während der Fahrt steigen so<br />

lange hinzu, bis der Busfahrer in seinem<br />

Lenkradraum eingeschränkt wird<br />

- In Quito ist ein Stadtbus mit 42 Sitzplätzen für<br />

eine Gesamtpersonenanzahl von 160<br />

ausgeschildert (_ 118 Stehplätze)<br />

- „Ranchera“ = alter Bus mit abgerissenen<br />

Seitenwänden, rausgerissenen Sitzen und<br />

hinein gequetschten und aufmontierten<br />

Holzbänken- um mehr Personen bei weniger<br />

Komfort und ohne Sicherheit transportieren zu<br />

können<br />

- Auch gerade überholende Fahrzeuge werden<br />

noch in diesem Moment von dritten überholt –<br />

all dies geschieht auf der nicht einsehbaren<br />

Gegenfahrbahn einer kurvigen Schmalstrecke<br />

- Auf dem Seitenstreifen einer<br />

Hauptverkehrsstraße in Quito wohnen<br />

Menschen in überdimensionalen Kartonkisten,<br />

die mit Plastiktüten und Autoreifen befestigt<br />

sind<br />

- Am selben Straßenrand, wo der Streifen<br />

zwischen Zaun und Fahrbahn nicht einmal mehr<br />

2m breit ist, hat jemand seine Kuh auf dem<br />

Bürgersteig festgebunden, damit diese den<br />

Grasstreifen abfressen kann<br />

AUFREGUNG ist das Wort, das meinen jetzigen<br />

Zustand und meine Sicht auf Zurück- und vor<br />

mir Liegendes am besten beschreibt!<br />

Hasta Luego und Alles Gute<br />

Euer Thomas<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 38


Vom Julian Wirth<br />

September 2009<br />

Mein erster Monat hier ist wie im Flug<br />

vergangen und ich habe viel erlebt – Positives,<br />

Beeindruckendes und Interessantes.<br />

Die ersten 2 Wochen nach meiner Ankunft<br />

habe ich in Quito, der Hauptstad Ecuadors<br />

verbracht. Dort habe ich meine<br />

Spanischkenntnisse in einer Sprachschule<br />

vertieft und mich etwas an dieses Land<br />

gewöhnt, das so ganz anders ist als Europa.<br />

Quito habe ich als eine große, laute, aber auch<br />

schöne Stadt empfunden, die ihr ganz eigenes<br />

Flair besitzt. Die Stadt erstreckt sich auf einer<br />

Länge von ca. 30 km, aber auf eine Breite von<br />

nur ca. 3 km. Sie liegt auf fast 3000 Metern in<br />

einem schmalen Tal inmitten der Anden und ist<br />

umgeben von den Kordillen und bis zu 6000<br />

Meter hohen Vulkanen. Die Luft ist recht dünn<br />

und die Kulisse ist unbeschreiblich und hat mich<br />

von an Anfang an beeindruckt. Ansonsten hat<br />

die Stadt noch mehr zu bieten, wie zum Beispiel<br />

den Teleférico, eine Seilbahn die auf einen<br />

4200 Meter hohen Berg führt, von dem aus<br />

man einen fantastischen Blick auf Quito werfen<br />

kann. Die historische Altstadt mit ihren<br />

zahlreichen Kirchen und Kapellen aus der<br />

Kolonialzeit und das bunte und belebte<br />

Touristenviertel “La Mariscal” haben mir auch<br />

gut gefallen. Was mir an Quito nicht zugesagt<br />

hat, war der Lärm und die sehr schlechte Luft<br />

aufgrund des regen Verkehrs rund um die Uhr.<br />

Auch, dass man wirklich aufpassen musste wo<br />

man hingeht, weil die Stadt an manchen Ecken<br />

recht gefährlich sein kann, war etwas lästig.<br />

Daran musste ich mich erstmal gewöhnen, da<br />

ich aus einer eher wohlbehüteten, ländlichen<br />

Kleinstadt komme.<br />

Umso leichter fiel mir die Umstellung, als ich<br />

dann nach La Maná kam, die Stadt in der ich die<br />

nächsten 10 Monate leben und arbeiten werde.<br />

La Maná ist eine überschaubare Kleinstadt<br />

inmitten des tropischen Nebelregenwaldes und<br />

ist umgeben von Bananen-, Kakao-, Papaya-,<br />

Mandarinen- und Orangenplantagen und der<br />

“Reserva”, einem nahezu unberührten<br />

Naturschutzgebiet in den Bergen. Das Klima in<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Quito war aufgrund der Höhe angenehm frisch,<br />

wohingegen hier tropische, schweißtreibende<br />

Temperaturen herrschen und die<br />

Luftfeuchtigkeit ungewohnt hoch ist. Hier gibt<br />

es praktisch keine Jahreszeiten – nur einen<br />

langen Sommer. Zwar wird es angeblich im<br />

Dezember etwas kühler und regnet mehr, aber<br />

ich denke ich als kältegewohnter Germane<br />

werde immer noch bei jeglicher Betätigung<br />

schwitzen, so wie ich es jetzt im Moment zum<br />

Beispiel tue.<br />

Meine Gastfamilie, bei der ich hier lebe ist sehr<br />

nett und freundlich und so habe ich mich rasch<br />

eingelebt und bin mittlerweile nach nur 2<br />

Wochen festem Bestandteil der Familie Rivera.<br />

Die Mutter Maria (42) ist sehr herzlich und<br />

kocht lecker, der Vater Patricio (50) arbeitet<br />

viel und klärt mich über die politischen<br />

Verhältnisse und die Kultur Ecuadors auf. Mit<br />

den Gastbrüdern Mateo (18), Ramiro (14) und<br />

Julián (2) verstehe ich mich auch blendend und<br />

zusammen unternehmen wir viel.<br />

Baden am nahegelegenen Fluss, bei den<br />

Wasserfällen oder im Schwimmbad,<br />

Mandarinenpflücken im Garten der Familie an<br />

einem ruhiger Sonntag oder ein Besuch bei<br />

Verwandten in einem benachbarten Dorf, sind<br />

Aktivitäten, die die Familie mit hier<br />

unternimmt.<br />

Aufgrund eines Lehrerstreiks sind in ganz<br />

Ecuador schon seit knapp 3 Wochen nahezu<br />

alle Schulen geschlossen. Die<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 39


Lehrergewerkschaft U.N.E. protestiert gegen<br />

die Einführung eines Gesetzes, dass alle Lehrer<br />

dazu verpflichten an einem Test teilzunehmen,<br />

um ihren Leistungsstand und ihre Kompetenzen<br />

als Lehrer zu prüfen. Falls sie durchfallen<br />

sollten, sieht das Gesetzt vor ihnen ein Jahr Zeit<br />

zu geben um sich fortzubilden, sich ausreichend<br />

auf den Test vorzubereiten und sich zu<br />

qualifizieren. Falls sie jedoch abermals den Test<br />

nicht bestehen sollten, verlieren sie ihre Arbeit.<br />

Soweit ich das Thema richtig verstanden habe,<br />

halte ich das Gesetz für recht sinnvoll, aber<br />

viele Lehrer fürchten nun mal sie könnten ihren<br />

Job verlieren.<br />

Wegen eben diesem Streik sind auch die<br />

Grundschulen geschlossen in denen ich<br />

eigentlich Englisch unterrichten hätte sollen.<br />

Also konnte ich bis jetzt mit meiner Arbeit als<br />

Englischlehrer noch nicht wirklich beginnen.<br />

Planmäßig sollte ich jeden Werktag an einer<br />

anderen Schule unterrichten in drei<br />

umliegenden Dörfern und in La Maná selbst.<br />

Und jeden Donnerstag ist vorgesehen, dass ich<br />

in den “Montañas”, den angrenzenden Bergen,<br />

vormittags auf Kakao und Obstplantagen zur<br />

Hand gehe und nachmittags die dort lebenden<br />

Bauern und ihre Kinder in Englisch unterrichte.<br />

Dort war ich bis jetzt zweimal und es mir gut<br />

gefallen. Die Flora und Fauna ist<br />

atemberaubend. Es ist als hätte es die Natur<br />

hier mit den Pflanzen etwas zu gut gemeint. Die<br />

Papayas sind so groß wie Basketballer, die<br />

Mandarinen so groß wie Kokosnüsse und alles<br />

blüht und wächst und strotzt vor Fruchtbarkeit.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Apropos Fruchtbarkeit: Hier in Ecuador ist es<br />

keine Seltenheit, dass eine Familie 6-10 Kinder<br />

hat. So kommt es, dass zwar nur ca. 3 Familien<br />

meinen Englischunterricht auf dem Bauernhof<br />

besuchen, ich aber trotzdem an die 20 Schüler<br />

habe. Die Arbeit macht Spaß und die Menschen<br />

haben großes Interesse diese Sprache zu<br />

erlernen, zumal in den Schulen Englisch nur<br />

selten auf dem Lehrplan steht, da schlichtweg<br />

Lehrer mit Englischkenntnissen fehlen.<br />

Natürlich ist der Wechsel vom Schüler zum<br />

Lehrer – von der Schulbank ans Lehrerpult,<br />

gewöhnungsbedürftig, aber ich denke, wenn<br />

ich dann einmal regelmäßig unterrichte, werde<br />

ich meine Routine finden. Neben dieser habe<br />

ich noch einen weiteren Tag an in einer<br />

anderen Finca verbracht. Diese war das<br />

komplette Gegenteil der Ersten. Während auf<br />

der einen ökologisch und biologisch viele<br />

verschiedene Obstsorten angebaut wurden,<br />

bestand die andere Plantage aus einer nicht<br />

nachhaltigen Bananenmonokultur, in der im<br />

Akkord und unter Einsatz von Fungi-,<br />

Insektiziden und Hormonen Bananen als<br />

Massenware produziert wurden.<br />

Der Besitzer zeigte mir alle Schritte des Anbaus<br />

und der Weiterverarbeitung bis hin zum<br />

Transport der Banane, die dann später auch bei<br />

uns im Supermarkt im Regal liegt. Das<br />

Interessante ist nämlich, dass kein<br />

Ecuadorianer jemals auf die Idee kommen<br />

würde diese Exportbanane zu essen. Er<br />

bevorzugt die kleinere, schmackhafte und<br />

unbehandelte Sorte – die sogenannte “guineo”.<br />

Ich bin sehr froh um diesen Einblick und der Tag<br />

dort auf der Bananenplantage hat sehr zum<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 40


Nachdenken angeregt. Auch da, Jugendlich in<br />

meinem Alter und jünger dort tag ein tag aus<br />

12 Stunden lang schuften, ständig in Kontakt<br />

mit gesundheitsschädlichen Chemikalien und<br />

das für ein Gehalt von 1-2 $ pro Stunde.<br />

Alles in allem habe ich mich hier schon recht<br />

gut eingelebt. Mein Spanisch nimmt nach und<br />

nach verständliche Formen an, ich habe viele<br />

nette und offene Menschen kennen gelernt,<br />

schon die ein oder andere Freundschaft<br />

geschlossen und fühle mich hier sehr wohl. Ich<br />

hoffe, dass der Streik nächste Woche endet und<br />

ich mit meiner Arbeit beginnen kann um den<br />

Menschen hier die englische Sprache etwas<br />

näher zu bringen.<br />

Ich bin gespannt was das nächste Monat<br />

bringt…<br />

Julian<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 41


China:<br />

Vom Alexander Fischer<br />

Oktober 2008<br />

Mein Name ist Alexander Fischer. Ich komme<br />

aus der Nähe von Waiblingen, werde bald 19<br />

und ich befinde mich seit dem 24. August 2008<br />

in Peking, wo ich zurzeit meinen Anderen<br />

Dienst im Ausland (ADiA) ableiste. Mein Einsatz<br />

erfolgt über den Arbeiterkultur- und<br />

Bildungsverein (<strong>AKBV</strong>) an der deutschen<br />

Botschaftsschule in Peking (DS-Peking), wo ich<br />

zunächst in der Grundschule als auch im Hort<br />

eingesetzt werde. Untergebracht bin ich in<br />

einem Apartment mitten in Peking, im<br />

sogenannten Chaoyang District. Von da aus ist<br />

es mit dem Fahrrad nur 10 Minuten bis zu<br />

meiner Einsatzstelle. Ermöglicht wurde mir<br />

dieser außergewöhnliche Dienst durch das<br />

Entgegenkommen der Direktorin der<br />

Deutschen Botschaftsschule in Peking (Frau<br />

Angela Strathmann) und der Koordinatorin des<br />

deutschen Trägervereins <strong>AKBV</strong> e.V. (Frau<br />

Angela Friesenegger).Ich möchte mich an dieser<br />

Stelle nochmals recht herzlich bei Ihnen<br />

bedanken.<br />

Die ersten Wochen in Peking waren für mich<br />

durch eine Vielzahl neuer interessanter<br />

Eindrücke geprägt, die so ein Leben in der<br />

chinesischen Hauptstadt in sich birgt. So war es<br />

beispielsweise als Neuling gar nicht so einfach<br />

einen Supermarkt zu finden, um das<br />

chinesische Fortbewegungsmittel zu finden,<br />

ohne das ein Leben hier kaum vorstellbar ist,<br />

nämlich ein Fahrrad. Wenn man nicht ständig<br />

Taxi fahren möchte - was trotz des günstigen<br />

Preises auf Dauer auch ins Geld geht -, so ist<br />

dieses Vehikel ein unbedingtes Muss. Ich<br />

glaube, jeder zweite Verkehrsteilnehmer hier<br />

fährt mit dem Fahrrad. Dass es dennoch fast ein<br />

kleines Problem wurde, einen entsprechenden<br />

Laden zu finden, liegt an der für meine<br />

Vorstellungen doch immensen Größe dieser<br />

Millionenstadt, wo sich alles in der Entfernung<br />

ziemlich verteilt. Peking ist wirklich riesig und<br />

so sind selbst die größten Supermärkte nicht<br />

leicht ausfindig zu machen. Entschädigt wurde<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

die etwas längere Suche durch einen sehr<br />

zufriedenstellenden Preis von umgerechnet ca.<br />

30,- , mit dem ich schließlich ein Fahrrad<br />

erwarb. Damit wäre auch gleichzeitig ein großer<br />

Vorteil genannt, der mir sogleich auffiel.<br />

Aufgrund der, im Vergleich zu Deutschland,<br />

sehr niedrigen Preise sind hier die<br />

Lebenshaltungskosten sehr gering. Das kommt<br />

mir natürlich meinem nicht allzu üppigen<br />

Budget als ADiA-Leistender sehr entgegen. Dass<br />

ich trotz des vielfältigen internationalen<br />

Business-Verkehrs hier in der Hauptstadt<br />

immer noch als Nichtasiate auffalle und mich<br />

viele Einwohner Pekings fast wie eine<br />

Attraktion betrachten, war am Anfang<br />

gewöhnungsbedürftig. Es haben zwar auch<br />

schon viele Ausländer hier Fuß gefasst, für den<br />

größten Teil der Pekinger Bevölkerung sind<br />

Begegnungen mit diesen (trotz Olympia) jedoch<br />

immer noch eine Seltenheit.<br />

Meine Arbeit an der Botschaftsschule gefällt<br />

mir sehr gut. Von 8:00 bis 12:00 bin ich dort im<br />

Kindergarten eingesetzt und helfe größtenteils<br />

im Unterricht der Erstklässler, über die<br />

Betreuung bei Mathematikaufgaben bis hin zur<br />

Deutsch Nachhilfe. Ab 12:00 beginnt die<br />

Vorbereitung für den Hort. Meine Aufgabe ist<br />

es, mit einer weiteren Lehrerin den Hort der<br />

Dritt- und Viertklässler zu organisieren und<br />

dann als Aufsicht zu fungieren. Dazu gehören<br />

die Begleitung beim Essen in der Mensa,<br />

Aufsicht bei außerschulischen<br />

Freizeitaktivitäten und auch die<br />

Hausaufgabenbetreuung. Keine banale<br />

Herausforderung wie ich feststellte. Hierzu<br />

gehört eine Menge Erfahrung und ein gewisses<br />

pädagogisches Fingerspitzengefühl. Da ich<br />

zuvor noch nie mit kleinen Kindern gearbeitet<br />

hatte, waren die ersten Arbeitstage für mich<br />

daher auch nicht sehr einfach. Mir fiel es<br />

anfänglich etwas schwer, bei diversen<br />

Situationen angemessen zu reagieren und im<br />

Ganzen hatte ich mir eine Betreuung von<br />

Kindern etwas leichter vorgestellt. Mit der Zeit<br />

hat sich dies jedoch stark geändert und mit<br />

jedem Tag fällt mir die Arbeit leichter und<br />

gefällt immer mehr. Um 16:00 ist dann<br />

schließlich Feierabend.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 42


Nächste Woche werde ich schließlich als<br />

Begleitlehrer bei einem Klassenausflug einer 9.<br />

Klasse in Landesinnere teilnehmen. Für die<br />

Zukunft ist geplant, mich in das schuleigene<br />

Schulprojekt „Candlelight“ einzubinden. In<br />

diesem Projekt geht es darum, die Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen von Schülern und Lehrern<br />

in der Internatsschule Houcheng zu verbessern.<br />

Da eine gute Ausbildung der Schlüssel für eine<br />

bessere wirtschaftliche Zukunft auf dem Land<br />

ist, wird damit auch ein langfristiger Erfolg<br />

durch die Unterstützung der Dorfschule in<br />

Hebei anvisiert. Der Austausch zwischen den<br />

beiden Schulen ist rege. Regelmäßig finden<br />

gegenseitige Besuche von Lehrern und Schülern<br />

statt. Mitglieder des Teams fahren mehrmals<br />

im Jahr in die Dorfschule, um die bestehenden<br />

Kontakte zu pflegen, Spenden zu überbringen<br />

und um die Verhältnisse vor Ort zu erleben und<br />

zu verbessern. Auch konkrete Hilfe bei<br />

Baumaßnahmen wie z.B. ein demnächst<br />

geplanter Toilettenbau wird geleistet. Ganz<br />

besonders interessiert mich eine konkrete<br />

Lehrtätigkeit an dieser Dorfschule. So lebten<br />

bereits in den letzten Jahren für mehrere<br />

Monate Schüler der DS Peking in dem Dorf und<br />

betätigten sich dort als Englischlehrer. Im regen<br />

Kontakt mit den Organisatoren dieses Projektes<br />

ist ein erster Kennenlern- Besuch unter meiner<br />

Beteiligung in Hebei auf Ende Oktober<br />

terminiert. Darauf freue ich mich besonders<br />

und werde hierüber natürlich demnächst<br />

berichten.<br />

Euer Alexander<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 43


Vom Alexander Fischer<br />

März 2009<br />

Vorbereitung der zukünftigen ADiA Leistenden:<br />

Zu allererst: Würdest du mir raten "Ja - nimm<br />

die Stelle, die ist echt gut!"?<br />

- Ich persönlich wollte keinen Zivildienst in<br />

Deutschland machen, sondern etwas<br />

Besonderes im Ausland erleben. Da ich bereits<br />

in Deutschland chinesisch lernte war für mich<br />

klar, dass wenn ins Ausland, dann nach China.<br />

Womit für mich ein ADiA an der DSP in Peking<br />

die beste Alternative zum Zivildienst in<br />

Deutschland ist und war.<br />

Gefällt es dir im Moment dort drüben oder<br />

würdest du dir etwas anders wünschen?<br />

- Mir gefällt es hier sehr gut. In meiner Freizeit<br />

gehe ich ins Fitnessstudio oder gehe mit einem<br />

chinesischen Freund bzw. Lehrer einige der<br />

vielen Sehenswürdigkeiten Chinas erkunden.<br />

Wie sieht deine Wohnsituation aus?<br />

Telefon/Internet vorhanden?<br />

- Ich wohne in einem Apartment, welches zehn<br />

Minuten mit dem Fahrrad von der Schule zu<br />

erreichen ist. Monatlich zahle ich 3500RMB.<br />

Internet vorhanden.<br />

Was machst du an der DSP und hast du im<br />

Projekt Candlelight mitgearbeitet? Was sind<br />

deine typischen Aufgaben als Zivi an der DSP?<br />

Alles ok mit den Arbeitsbedingungen?<br />

- Die DSP ist eine sehr schöne und moderne<br />

Schule. Es herrscht eine super Atmosphäre<br />

weshalb ich wirklich gerne dort arbeite. Meine<br />

typischen Aufgaben als Zivi waren und sind:<br />

Hortleiter, Nachhilfelehrer in der Grundschule<br />

sowie Hilfskraft des Computer-Administrators.<br />

Kommst du auch raus aus der<br />

"Schulgemeinschaft" - also hast du auch einen<br />

größeren Freundeskreis außerhalb der Schule ?<br />

- Außerhalb der Schule, also in meiner Freizeit<br />

investiere ich den größten Teil meiner Zeit ins<br />

Chinesisch lernen. Ein Privatlehrer, der auch ein<br />

guter Freund von mir ist, unterrichtet mich für<br />

50RMB die Stunde.<br />

Kann man als Nicht-Asiate Peking wirklich<br />

authentisch erleben?<br />

- Ja, ich würde behaupten das geht, allerdings<br />

nur wenn man chinesisch kann.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Kannst du gut Chinesisch / lernst du es gerade?<br />

Hattest du einen anfänglichen Sprachkurs?<br />

- Ich hatte in Deutschland bereits<br />

Sprachunterricht. Also ich hier her kam, konnte<br />

ich also schon recht gut sprechen. Ich lerne es<br />

jeden Tag.<br />

Gibt es eine gute ärztliche Versorgung?<br />

- Ich bin glücklicherweise in meiner Zeit hier<br />

nicht ernsthaft krank geworden, allerdings gibt<br />

es in Peking Krankenhäuser nach europäischem<br />

Standard die man im Notfall aufsuchen kann.<br />

Fühlst du dich gut betreut von Seiten der<br />

Schule?<br />

- Die DSP hat mir einen sehr schönen ADiA in<br />

Peking ermöglicht. Für mich war und ist der<br />

ADiA die richtige Entscheidung. Naja generell<br />

interessiert mich halt, wie ich mir das<br />

vorzustellen habe (im Groben), wenn ich für 11<br />

Monate nach China gehe.<br />

Auf was muss ich achten? Welche Fehler sollte<br />

ich nicht machen =)<br />

- Finanziell sollte klar sein, dass ein ADiA in<br />

Peking im Gegensatz zum herkömmlichen<br />

Zivildienst einen finanziellen Aufwand<br />

bedeutet. Meine Empfehlung ist es den ADiA in<br />

Peking abzuleisten, wenn man ernsthaftes<br />

Interesse am Chinesisch lernen hat.<br />

Ich wünsche allen zukünftigen ADiA Leistenden<br />

an der DSP viel Glück.<br />

Ich bedanke mich herzlich bei der DSP, die mir<br />

dies alles überhaupt ermöglicht hat, sowie<br />

beim <strong>AKBV</strong> Trägerverein in Dachau.<br />

Alexander Fischer<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 44


Serbien:<br />

Vom Nils Weitzel<br />

September 2008<br />

Здраво из Ваљева! Hallo aus Valjevo!<br />

Am Dienstag, den 9.9., begann mein Serbien-<br />

Abenteuer. Ohne Sprachkenntnisse aber dafür<br />

mit viel Hoffnung begab ich mich zum<br />

Busbahnhof in München, direkt an der Allianz-<br />

Arena. Dort wartete bereits der erste<br />

Kulturschock auf mich. Die Busfahrer, die mich<br />

von München nach Belgrad bringen sollten,<br />

sprachen weder Deutsch noch Englisch.<br />

Glücklicherweise half mir eine in Deutschland<br />

lebende Serbin den richtigen Bus zu finden und<br />

den richtigen Preis für mein Gepäck zu<br />

bezahlen. Im Bus war ich wahrscheinlich der<br />

einzige Passagier, der keinen serbischen Pass<br />

besaß. Die Fahrt begann pünktlich um 19.00<br />

Uhr und ging die ganze Nacht hindurch über<br />

Österreich, Ungarn und Novi Sad, einer Stadt im<br />

nördlichen Teil Serbiens, bis nach Belgrad, wo<br />

wir um 9.00 Uhr morgens ankamen. Zwar war<br />

die Fahrt anstrengend, weil ich in Bussen<br />

immer schlecht schlafe, der einzige Film nur<br />

eine Komödie auf Serbisch war und ich mich<br />

kaum unterhalten konnte, doch eigentlich war<br />

sie trotzdem sehr angenehm. Glücklicherweise<br />

war der Bus nur halbvoll, sodass ich zwei Plätze<br />

für mich hatte. Unterwegs machte ich bereits<br />

erste Erfahrungen mit dem serbischen Verkehr,<br />

die mir zusammen mit den Eindrücken der<br />

nächsten Tage zeigten, dass zwischen dem<br />

Verkehr in Deutschland und dem in Serbien<br />

große Unterschiede bestehen. Die Autobahn<br />

nach Belgrad war zwar noch in relativ gutem<br />

Zustand, doch es ist zum Beispiel nicht unüblich<br />

auf dem Standstreifen zu halten und vermutlich<br />

würde auch diese Straße einen ADAC-Test nicht<br />

bestehen. Insgesamt war sie aber nicht sehr<br />

befahren. Außerhalb der Autobahnen gibt es<br />

nur sehr wenige gut ausgebaute Straßen. Die<br />

meisten haben sehr viele Schlaglöcher und sind<br />

auch nicht immer gut beleuchtet. Da ein Teil<br />

der Straße von Belgrad nach Valjevo gesperrt<br />

war, musste der Bus einen Umweg über<br />

kleinere Straßen machen, die manchmal so eng<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

waren, dass zwei Busse nicht aneinander vorbei<br />

kamen. Einige Verhaltensweisen der<br />

Verkehrsteilnehmer würden in Deutschland<br />

schwere Strafen zur Folge haben. So ist es<br />

normal rechts zu überholen, mit 80 km/h durch<br />

die Stadt zu fahren, sich nicht anzuschnallen,<br />

nicht an Zebrastreifen zu halten und auch<br />

gehupt wird sehr viel mehr als in Deutschland.<br />

Im Bus nach Belgrad traf ich noch eine weitere<br />

deutsch-sprechende Frau, die mir in Belgrad<br />

beim Umsteigen in den Bus nach Valjevo half.<br />

Es ist zwar eigentlich nicht so schwierig aber<br />

ohne Sprachkenntnisse und mit viel Gepäck<br />

wäre es alleine doch anstrengend geworden.<br />

Die Frau half mir den Eingang des Busbahnhofs<br />

zu finden, ein Ticket für den Bahnsteig und für<br />

den Bus nach Valjevo zu kaufen und zeigte mir<br />

dann noch, wo ich auf den Bus warten musste.<br />

Die Fahrt nach Valjevo dauerte dann noch<br />

einmal zwei Stunden, sodass ich um 12.00 Uhr<br />

ankam. Dort holte mich meine Betreuerin<br />

Dušica, die an einer Schule in Valjevo Deutsch<br />

unterrichtet, zusammen mit einem Mädchen,<br />

das ich auf einem Jugendaustausch des <strong>AKBV</strong> in<br />

Ingolstadt kennen gelernt habe, ab.<br />

Mit Ihnen bin ich zu Dušica und ihren Eltern<br />

gefahren, bei denen ich jetzt wohne.<br />

Das Grundstück liegt am Stadtrand von Valjevo,<br />

zwischen der Hauptstraße nach Belgrad und<br />

einer Bahnlinie. Abgesehen von dem Lärm<br />

bekommt man davon aber nicht so viel mit, da<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 45


die beiden kleinen Häuser von einem großen<br />

Garten umgeben sind. Neben diversen<br />

Gemüse- und Obstsorten besitzt die Familie<br />

auch Schweine und Ziegen, sodass ich immer<br />

mit frischen Lebensmitteln im Überfluss<br />

versorgt werde. Dušicas Mutter ist zudem eine<br />

hervorragende Köchin. Ich habe mein eigenes,<br />

frisch renoviertes Zimmer, indem ich sehr gut<br />

leben kann. Vor allem im Sommer muss das<br />

Leben hier toll sein, leider habe ich es nur drei<br />

Tage lang mitbekommen bevor das Wetter sehr<br />

schlecht wurde.<br />

Gleich am Donnerstag nach meiner Ankunft<br />

begann meine Arbeit. Ich habe meine<br />

Betreuerin in ihren Deutschunterricht begleitet,<br />

helfe ihr bei der Konversation mit den Schülern<br />

und hoffe, dass diese auch davon lernen, wenn<br />

sie sich mit einem Muttersprachler unterhalten,<br />

der außerdem nicht viel älter ist als sie.<br />

Die Jugendlichen, in deren Unterricht ich bin,<br />

sind zwischen 15 und 19 Jahren alt und<br />

besuchen eine Mittelschule.<br />

In diese kommen die Schüler, wenn sie die<br />

Grundschule, die acht Jahre dauert, beendet<br />

haben. Während der letzten vier Jahre auf der<br />

Grundschule lernen sie eine Fremdsprache,<br />

wahlweise Englisch, Deutsch, Französisch oder<br />

Russisch. In Valjevo gibt es fünf Mittelschulen,<br />

die die Schüler drei oder vier Jahre besuchen:<br />

Die Technische, die Ökonomische, die<br />

Medizinische, die Landwirtschaftliche und die<br />

Мusikschule. In diesen Schulen werden die<br />

Schüler neben dem normalen Unterricht auch<br />

mit speziellen Fächern und Praxistagen auf das<br />

Berufsleben vorbereitet. Außerdem gibt es<br />

noch das Gymnasium, das ebenfalls vier Jahre<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

dauert. Während sie im Gymnasium noch eine<br />

zweite Fremdsprache lernen, ist dies in den<br />

Mittelschulen nur in der ökonomischen Schule<br />

der Fall. Meine Betreuerin arbeitet in der<br />

Technischen Schule. Außerdem war ich bis jetzt<br />

an allen anderen Mittelschulen mit Ausnahme<br />

der Musikschule sowie im Gymnasium.<br />

Gelegentlich komme ich auch mit einer<br />

anderen Lehrerin der technischen Schule in den<br />

Englischunterricht mit, um mich mit den<br />

Jugendlichen zu unterhalten und vom Leben in<br />

Deutschland bzw. den Unterschieden zwischen<br />

Serbien und Deutschland zu berichten. Das<br />

Interesse und das Niveau der Schüler und<br />

Schülerinnen schwanken sehr stark. Ein paar<br />

sprechen sehr gut Deutsch und mit manchen ist<br />

wenigstens Smalltalk möglich, aber mit den<br />

meisten ist es sehr schwierig selbst einfachste<br />

Unterhaltungen zu führen. Ich habe mich<br />

mittlerweile daran gewöhnt, dass ich von den<br />

meisten nur verstanden werde, wenn ich sehr<br />

langsam und deutlich sowie in einfachen<br />

Worten spreche. Fragen werden häufig besser<br />

verstanden, wenn man Beispielantworten dazu<br />

nennt, z.B.: „Was wollt ihr machen, wenn ihr<br />

die Schule beendet habt? Wollt ihr studieren?“<br />

Das Niveau hängt nach meiner Erfahrung häufig<br />

nicht davon ab, wie viele Jahre die Schüler<br />

schon Deutsch lernen, sondern davon ob sie<br />

Interesse haben Deutsch zu lernen, ob sie<br />

außerhalb des Unterrichts noch Möglichkeiten<br />

besitzen Deutsch zu hören bzw. zu sprechen<br />

und ob sie schon einmal in Deutschland waren.<br />

Meine Lieblingsklassen an der Technischen<br />

Schule, in der meine Betreuerin arbeitet sind<br />

z.B. eine erste und eine zweite Klasse<br />

(Jugendliche von 15 bis 17 Jahren), weil sie sich<br />

mehr bemühen Deutsch zu sprechen und zu<br />

lernen als die meisten Jugendlichen in den<br />

höheren Klassen. Eine nette Ausnahme ist eine<br />

Schülerin an der ökonomischen Schule, die in<br />

Deutschland geboren wurde und erst mit<br />

sieben Jahren nach Serbien gekommen ist. Sie<br />

spricht perfekt Deutsch und gehört damit zu<br />

den ganz wenigen Menschen hier, mit denen<br />

ich fließende Unterhaltungen führen kann. In<br />

den meisten Klassen bin ich sehr gut<br />

aufgenommen worden. Viele Schüler(innen)<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 46


sind sehr interessiert an mir, an Deutschland<br />

und warum ich nach Valjevo gekommen bin.<br />

Häufig ist jedoch das Interesse an mir deutlich<br />

größer als an der deutschen Sprache und daher<br />

schaffen es auch nicht immer alle die Fragen zu<br />

stellen, die sie gerne stellen würden.<br />

Abgesehen von der Konversation bestehen<br />

meine Aufgaben im Unterricht bislang darin<br />

von Deutschland zu erzählen (z.B. das deutsche<br />

bzw. hessische Schulsystem zu erklären),<br />

Aufsätze der Schüler zu korrigieren, Texte<br />

vorzulesen, den Schüler(inne)n zu helfen besser<br />

vorzulesen und gelegentlich auch ihnen kurze<br />

Texte zu diktieren.<br />

Neben der Arbeit im Unterricht gebe ich auch<br />

noch Einzelunterricht für interessierte<br />

Schüler(innen), die ihr Deutsch verbessern<br />

wollen. Meistens sind dies jedoch nicht die, die<br />

am schlechtesten sprechen, sondern die, die<br />

ohnehin schon am besten sprechen. Daran<br />

erkennt man auch, dass es vor allem vom<br />

Interesse der Schüler(innen) abhängt, wie gut<br />

sie Deutsch sprechen.<br />

Mittlerweile habe ich auch meinen ersten<br />

Kontakt mit der Polizei gehabt. Entgegen der<br />

Erfahrungen, von denen mir viele Einheimische<br />

erzählten, war dieser aber sehr angenehm. Wie<br />

in vielen anderen Ländern auch, müssen<br />

Ausländer bei der Polizei ihren Wohnort<br />

angeben. Dies war aber kein großes<br />

bürokratisches Hindernis. Über einen<br />

Bekannten kennt meine Betreuerin einen<br />

Polizisten, der uns dann noch auf einen Kaffee<br />

in sein Büro eingeladen hat und alles schnell<br />

geregelt hat. Nebenbei hatte er Spaß, seine drei<br />

Wörter Deutsch, die er sich von einem<br />

Deutschkurs gemerkt hatte, zu benutzen und<br />

mir zu erzählen welche Deutschen Fußballer er<br />

kennt. Insgesamt war die Atmosphäre sehr viel<br />

freundlicher als ich es von vielen deutschen<br />

Ämtern gewöhnt bin.<br />

Am Samstag nach meiner Ankunft war ich<br />

zusammen mit meiner Betreuerin, ihren Eltern,<br />

ihrer Schwester und einer ihrer Cousinen auf<br />

einem etwas außerhalb der Stadt gelegenen<br />

Friedhof. Dort habe ich die Rituale, mit denen<br />

die Serben ihre Toten ehren, kennen gelernt.<br />

Dabei fiel mir auf, dass insgesamt mehr gelacht<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

wird als ich es von Deutschen Friedhöfen<br />

gewohnt bin und das der Toten nicht nur mit<br />

Blumen sondern auch mit kleinen Süßigkeiten<br />

gedacht wird. Außerdem versammeln sich die<br />

Angehörigen der Toten auf dem Friedhof, um<br />

zu Ehren der Toten eine kleine oder in manchen<br />

Familien auch größere Mahlzeit einzunehmen.<br />

Besuche, wie dieser auf dem Friedhof, sind für<br />

mich sehr interessant, weil sie mir die Chance<br />

bieten, die serbische Kultur hautnah kennen zu<br />

lernen.<br />

Ebenfalls an meinem ersten Samstag bin ich das<br />

erste Mal ausgegangen. Ich war in einer<br />

ziemlich vollen Bar, in der vor allem Rockmusik<br />

gespielt wurde.<br />

In Valjevo gibt es deutlich mehr Cafés als in<br />

meiner Heimatstadt Kassel, aber nur eine echte<br />

Disko. Die meisten Menschen in Serbien gehen<br />

häufiger weg als in Deutschland, vor allem<br />

unter der Woche. Ich war auch danach noch ein<br />

paar Mal in Cafés und Bars. Insgesamt sind die<br />

Menschen sehr freundlich zu mir, sodass ich<br />

schon ein paar Jugendliche getroffen habe, die<br />

mit mir ausgehen wollen oder bereits mit mir<br />

ausgegangen sind. Da das Wetter relativ kurz<br />

nachdem ich angekommen bin ziemlich<br />

regnerisch und kalt geworden ist und danach<br />

auch schon drei Wochen so geblieben ist, sind<br />

die vielen Cafés sehr angenehm, da man,<br />

während man durch die Stadt spazieren geht,<br />

immer wieder einen Kaffee trinken kann, um<br />

sich aufzuwärmen. Die Serben mögen ihre<br />

Volksmusik deutlich lieber als ich es aus<br />

Deutschland gewohnt bin. Einmal war ich auch<br />

mit Freunden in einem Lokal, in dem moderne<br />

Volksmusik gespielt wird, zu der die Serben<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 47


gerne tanzen. Die Preise für Getränke sind in<br />

Serbien deutlich niedriger als in Deutschland.<br />

Ein Kaffee oder ein Bier kosten jeweils ca. einen<br />

Euro. Dadurch ist das ausgehen für mich nicht<br />

so teuer. Sehr beliebt ist auch der serbische<br />

Schnaps (Rakija), den ich bei meiner Betreuerin<br />

probieren durfte. Das einzige, was etwas<br />

problematisch ist, ist das Nachhausekommen,<br />

da die Busse nur bis ungefähr 22.30 Uhr fahren.<br />

Deswegen muss man entweder hoffen, dass<br />

man jemanden trifft, der ein Auto hat, mit<br />

einem, für deutsche Verhältnisse relativ<br />

billigen, Taxi fahren oder zu Fuß laufen, was<br />

jedoch auch nicht so schlimm ist, da das Haus<br />

meiner Betreuerin ca. 3,5 km vom<br />

Stadtzentrum entfernt ist.<br />

Auf Grund des schlechten Wetters habe ich<br />

bislang noch nicht so viel von Valjevo und<br />

seiner Umgebung gesehen. Die Stadt besteht<br />

aus zwei Teilen, die durch einen kleinen Fluss<br />

voneinander getrennt sind, über den es jedoch<br />

viele Brücken gibt.<br />

Die rechte Seite ist relativ steil am Hang<br />

gelegen und besteht zum Teil aus der Altstadt<br />

„Tešnjar“, die noch sehr türkisch geprägt<br />

(Serbien war 500 Jahre lang mehr oder weniger<br />

unter türkischer Herrschaft) ist. Sie besteht aus<br />

kleinen Häusern und vielen Cafés. Die linke<br />

Seite ist relativ flach und deutlich neuer. In ihr<br />

liegt, fast direkt am Fluss, die neue Innenstadt<br />

mit einer kleinen Fußgängerzone, in der sich<br />

viele kleine Geschäfte und mehrere Cafés<br />

befinden.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Mehr über die Stadt werde ich schreiben, wenn<br />

das Wetter besser wird und ich mir mehr<br />

angeschaut habe. Aus Zeitmangel habe ich auch<br />

die beiden Museen der Stadt, unter anderem<br />

ein Stadtmuseum, noch nicht besichtigt.<br />

Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen hoffe<br />

ich in den nächsten Monaten von noch vielen<br />

schönen Ereignissen berichten zu können.<br />

Bis dahin! До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 48


Vom Nils Weitzel<br />

November 2008<br />

Здраво из Ваљева! Hallo aus Valjevo<br />

Nachdem ich in meinen ersten beiden Monaten<br />

vor allem in der Technischen Schule gearbeitet<br />

habe, hat sich dies im November geändert. Dies<br />

lag daran, dass meine Betreuerin Dušica, die an<br />

der Technischen Schule unterrichtet, drei<br />

Wochen lang an einer Schule in der Nähe von<br />

Hamburg hospitiert hat und die meisten ihrer<br />

Stunden deswegen ausgefallen sind. Ein paar<br />

Stunden habe ich alleine gehalten, die aber<br />

meistens sehr anstrengend waren, weil die<br />

Schüler zum größten Teil nicht sehr motiviert<br />

waren und auch nicht so gut Deutsch<br />

gesprochen haben. Außerdem war ich ein paar<br />

Stunden an der Technischen Schule bei einer<br />

anderen Lehrerin, die jedoch nur wenige<br />

Stunden dort unterrichtet, da sie überwiegend<br />

an der Landwirtschaftlichen Schule arbeitet.<br />

Dort und an der Ökonomischen Schule habe ich<br />

die meisten Stunden gearbeitet. Im November<br />

wurden nicht so viele Tests geschrieben, weil es<br />

die nächsten Noten erst wieder Ende Dezember<br />

gibt, sodass der Unterricht wieder inhaltlich<br />

interessanter wurde. Zu den Themen, die ich<br />

bearbeitet habe, gehörten Nahrungsmittel und<br />

Essenssitten in Serbien und Deutschland,<br />

Familien, Tourismus sowie Feste in<br />

Deutschland. Da ich mittlerweile auch etwas<br />

mehr Serbisch verstehe, ist auch der<br />

Grammatikunterricht für mich interessanter als<br />

er das am Anfang war. So lerne ich immer<br />

etwas, selbst dann, wenn ich den Unterricht<br />

nicht aktiv mitgestalte.<br />

Neben der direkten Unterrichtsgestaltung habe<br />

ich mich, vor allem an der Landwirtschaftlichen<br />

Schule, auch an der langfristigen Planung<br />

beteiligt, in dem ich mit der Lehrerin über die<br />

Vor- und Nachteile der verschiedenen Bücher<br />

diskutiert habe sowie zusammen mit ihr<br />

analysiert habe, wieso viele Schüler so wenig<br />

lernen und Ideen entwickelt, wie man das<br />

ändern könnte.<br />

Das erste Novemberwochenende habe ich zu<br />

einer weiteren Reise genutzt, da der<br />

anschließende Montag und Dienstag Feiertage<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

waren. Zuerst habe ich einen Tag in Belgrad<br />

verbracht.<br />

Diesmal habe ich mir viele verschiedene<br />

Stadtteile um die Fußgängerzone herum<br />

angeschaut. Dabei habe ich sehr viele Kirchen<br />

gesehen. Neben mehreren orthodoxen,<br />

entdeckte ich auch eine katholische, die aber<br />

zumindest von außen in keinem besonders<br />

guten Zustand war. Zunächst habe ich das<br />

Patriarchat gesehen, das der Sitz des religiösen<br />

Oberhaupts der serbischen Kirche ist. Direkt<br />

daneben ist ein Konak (Palast/Villa) einer<br />

ehemaligen Serbischen Fürstin. Von dort bin ich<br />

weiter zur alten Festung Kalemegdan gelaufen,<br />

die mich beim ersten Besuch sehr beeindruckt<br />

hat. Diesmal war es auch schön aber nicht so<br />

beeindruckend, weil das Wetter nicht so gut<br />

war. Ich habe mir vor allem die „Unterstadt“<br />

angeschaut, in der man mitten im Zentrum von<br />

Belgrad einige ruhige und einsame Minuten<br />

verbringen kann, weil die meisten Menschen<br />

nur die „Oberstadt“ besichtigen. Von dort bin<br />

ich durch viele verschiedene, mal mehr, mal<br />

weniger wohlhabende Viertel gelaufen, von<br />

denen viele eher trostlos wirkten. Sehr lebendig<br />

war nur ein Markt, den ich durchquerte.<br />

Schließlich gelangte ich zum Parlament, dessen<br />

Umgebung ich mir schon bei meinem ersten<br />

Belgradbesuch angeschaut hatte. Über<br />

verschiedene Hauptstraßen erreichte ich den<br />

Trg Slavija, einen weiteren sehr großen und<br />

bekannten Platz in Belgrad. Von dort gelangt<br />

man in wenigen Minuten zur Savakirche. Der<br />

heilige Sava ist einer der wichtigsten Heiligen in<br />

Serbien, da er als einer der Begründer der<br />

serbisch-orthodoxen Kirche gilt. Die Kirche ist<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 49


die größte in Serbien, wird aber nicht für<br />

Gottesdienste genutzt. Sie sollte Platz bieten<br />

für 12.000 Gläubige, aber die Gestaltung des<br />

Innenraums ist noch nicht abgeschlossen.<br />

Trotzdem wirkt sie sowohl von innen als auch<br />

von außen sehr beeindruckend.<br />

Zu den weiteren interessanten Punkten meines<br />

Stadtrundgangs gehörte das Gebiet um die<br />

Ulica Kneza Miloša. Dort liegen verschiedene<br />

Regierungsgebäude, wie zum Beispiel das<br />

Außenministerium. Das Gebiet war während<br />

des NATO-Bombardements 1999 eines der<br />

wichtigen Ziele, sodass viele Gebäude dort<br />

zerstört wurden. Einige wurden bis heute nicht<br />

wieder aufgebaut und stehen als stille Zeugen<br />

zwischen Wohnblocks und<br />

Regierungsgebäuden. Anschließend wurde es<br />

langsam dunkel und ich ging zurück zur<br />

Fußgängerzone, wo viele Menschen nach<br />

Feierabend spazieren gehen. So gewann ich<br />

noch einmal einen anderen Blick auf die<br />

Fußgängerzone, den Kalemegdan und das Sava-<br />

Ufer. Auch am Kalemegdan waren viele<br />

Menschen, die ihren Feierabend genossen,<br />

sowie Touristen, die sich Belgrad bei Nacht<br />

anschauen wollten.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Anschließend bin ich hinunter zum Sava-Ufer<br />

gelaufen. Von dort hat man einen schönen Blick<br />

hinauf zum Stadtzentrum. Nachts gibt es hier<br />

verschiedene schwimmende Clubs. Als ich da<br />

war, war jedoch noch sehr wenig los. Die<br />

eigentliche Ausgehzeit beginnt in Serbien halt<br />

erst gegen 22.00 Uhr und zu dieser Zeit verließ<br />

ich Belgrad gerade wieder.<br />

Ich fuhr die Nacht hindurch nach Sarajevo.<br />

Dort kam ich am Sonntagmorgen um 6.00 Uhr<br />

an, zu einer Zeit als die Stadt noch am Schlafen<br />

war. Sarajevo ist die Hauptstadt von Bosnien<br />

und Herzegowina. Die Stadt wird von einer<br />

imaginären Linie in einen serbischen und einen<br />

bosnisch-muslimischen Teil getrennt, was man<br />

im Stadtbild vor allem an den fehlenden<br />

Minaretten im serbischen Teil bemerkt. Ich kam<br />

im serbischen Teil an, da nur von dort<br />

regelmäßig Busse nach Serbien fahren.<br />

Insgesamt kam mir der bosnisch-muslimische<br />

Teil lebendiger vor. Dies kann ich aber nicht so<br />

gut beurteilen, weil ich nur zwei Tage dort war<br />

und mich in dieser Zeit fast nur im bosnischmuslimischen<br />

Teil bewegte. Drei historische<br />

Ereignisse prägen die Stadt besonders stark:<br />

Das erste ist der Anschlag auf den<br />

österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand<br />

im Jahr 1914, der als Auslöser des ersten<br />

Weltkriegs gilt. Über die Zeit der<br />

habsburgischen Besatzung Bosniens Ende des<br />

19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es<br />

auch ein kleines Museum und man findet noch<br />

viele Gebäude, die aus dieser Zeit stammen.<br />

Das zweite Ereignis sind die Olympischen<br />

Winterspiele, die im Jahr 1984 in Sarajevo<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 50


stattfanden und von denen mehrere Gebäude<br />

sowie verschiedene Skigebiete zeugen.<br />

Das dritte Ereignis ist der Bürgerkrieg zu Beginn<br />

der 90er Jahre, während dem Sarajevo stark<br />

zerstört wurde. Mehrere Schlachten wurden<br />

hier ausgetragen, dazu kamen gegenseitige<br />

Belagerungen der jeweiligen Stadtviertel. An<br />

einigen Stellen im Stadtzentrum finden sich<br />

noch zerstörte Gebäude, doch insgesamt finde<br />

ich es sehr erstaunlich wie gut die Stadt in den<br />

letzten 15 Jahren wieder aufgebaut wurde.<br />

Über den Bürgerkrieg gibt es auch eine<br />

Ausstellung, die ich mir angeschaut habe. Sie<br />

beschreibt den Krieg aus Sicht der bosnischmuslimischen<br />

Bevölkerung. Während ich viele<br />

Darstellungen der Kämpfe sehr<br />

propagandistisch und wenig ausgewogen fand,<br />

waren das Leben und die Leiden der zivilen<br />

Bevölkerung meiner Meinung nach sehr gut<br />

und realistisch (wobei ich mir nicht sicher bin,<br />

ob das jemand beurteilen kann, der es nicht<br />

erlebt hat) dargestellt. In der Ausstellung habe<br />

ich auch Fotos von Plätzen in der Stadt<br />

gefunden, an denen die Häuser stark zerstört<br />

waren. Während meiner Stadtrundgänge<br />

konnte ich aber feststellen, dass die Schäden an<br />

den meisten Häusern im Stadtzentrum beseitigt<br />

wurden. Da es immer noch sehr früh war, als<br />

ich den Busbahnhof, der im serbischen Teil der<br />

Stadt liegt, verließ, und noch alle Geschäfte<br />

geschlossen waren, beschloss ich die ca. 7 km<br />

ins Stadtzentrum, in dem auch meine Pension<br />

lag, zu Fuß zu laufen. So lernte ich verschiedene<br />

Stadtteile kennen, die zum Teil von den typisch<br />

serbischen Einfamilienhäusern und zum Teil<br />

von Reihen- und Hochhäusern geprägt waren.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Außerdem erlebte ich einen schönen<br />

Sonnenaufgang und hatte einen schönen Blick<br />

auf die umliegenden Berge und die Stadtteile,<br />

die sich an Hängen befinden.<br />

Das schöne Wetter begleitete mich<br />

glücklicherweise während der gesamten Zeit.<br />

Als ich die Hauptachse der Stadt von Osten<br />

nach Westen erreicht hatte, sah ich auch<br />

immer mehr repräsentative Bauten. Zunächst<br />

waren es überwiegend moderne Glasbauten.<br />

Als ich mich der Innenstadt näherte wurden<br />

diese zunehmend von den Monumentalbauten<br />

abgelöst, die zum Teil noch aus der<br />

Habsburgerzeit stammen. Den restlichen<br />

Vormittag widmete ich dann vor allem der<br />

Innenstadt und dabei vor allem dem alten<br />

Händlerviertel Baščaršija. Dieses ist heute der<br />

Haupttreffpunkt für Touristen aus zahlreichen<br />

Ländern, hat sich aber meiner Meinung nach<br />

einen gewissen Charme bewahrt, was vor allem<br />

an den Gebäuden liegt, die zwar renoviert<br />

wurden, aber nicht unpassend wirken.<br />

Außerdem gibt es viele Dinge, die typisch für<br />

Sarajevo sind, zu kaufen und zahlreiche kleine<br />

Restaurants und Bäckereien, in denen man<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 51


typische Gerichte wie Devapdidi, Bureg, Pita und<br />

Baklava essen kann. Was außerdem im<br />

Stadtbild auffällt sind die zahlreichen<br />

Moscheen sowie viele große Friedhöfe, die<br />

einen an die Opfer des Bürgerkrieges erinnern<br />

und wahrscheinlich langlebiger sein werden als<br />

alle Schäden an Häusern, Straßen und Brücken.<br />

Für diese ist Sarajevo ebenfalls bekannt. Durch<br />

die Stadt fließt ein kleiner Fluss, der aus einer<br />

Schlucht kommend, entlang der Hauptachse<br />

fließt und von vielen, zum Teil sehr alten und<br />

schönen, Brücken überspannt wird.<br />

Am Nachmittag erkundete ich die Natur um die<br />

Stadt sowie einen der vielen, zum Teil auch<br />

hohen, Berge, von denen die Stadt umgeben<br />

ist. Leider sind die meisten von ihnen nicht so<br />

gut für Fußgänger erschlossen, wie ich es aus<br />

vielen Mitteleuropäischen Städten kenne. Über<br />

der Stadt thront eine alte Festung bzw.<br />

Kaserne, die aber weitgehend zerstört ist und<br />

im Moment zum Teil wiederaufgebaut wird.<br />

Von einem der alten Verteidigungshügel hat<br />

man einen tollen Blick auf die Stadt und ich<br />

konnte dort sowohl am Sonntag als auch am<br />

Montag mein mitgebrachtes Mittagessen zu<br />

mir nehmen.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Dieser Platz ist zu meinem Lieblingsplatz<br />

geworden, weil er sehr ruhig und gemütlich ist,<br />

aber man gleichzeitig nahe an der Stadt ist und<br />

vieles von dem beobachten kann, was in der<br />

Stadt passiert. Von dort lief ich noch weiter zu<br />

einem höheren Aussichtspunkt und konnte<br />

dabei noch mehr von der sehr schönen<br />

Umgebung Sarajevos sehen. Abends wollte ich<br />

das Nachtleben der Stadt noch ein bisschen<br />

erkunden, doch als ich um 23.00 Uhr durch<br />

Baščaršija lief, war dort nichts mehr los, was<br />

mich doch sehr verwundert hat.<br />

Am nächsten Morgen fuhr ich mit der<br />

Straßenbahn nach Ilidža, einem Stadtteil im<br />

Westen der Stadt, wo zu den Habsburgerzeiten<br />

der Bahnhof der Eisenbahn nach Österreich war<br />

und in dem es große Parkanlagen mit<br />

Luxushotels gibt. Der Grund, weshalb man nach<br />

Ilidža kommt, ist die Quelle des Flusses Bosna,<br />

der dem Land seinen Namen gibt. Diese ist<br />

ebenfalls in eine große Parkanlage eingebettet,<br />

zu der man über eine sehr lange, immer<br />

geradeaus führende, Allee kommt. Dort traf ich<br />

zufällig eine große Gruppe von Lehrern der<br />

Technischen Schule Valjevo (u.a. meine<br />

Betreuerin Dušica), von der ich zwar wusste,<br />

dass sie auch in Sarajevo ist, mit der ich mich<br />

aber vorher nicht abgesprochen hatte. Den<br />

Nachmittag verbrachte ich wieder im<br />

Stadtzentrum, um ein paar bosnische<br />

Spezialitäten zu probieren und nach Souvenirs<br />

zu suchen. Anschließend genoss ich das schöne<br />

Wetter noch ein bisschen an meinem<br />

Lieblingsplatz über der Innenstadt, bevor ich<br />

mit der Gruppe der Technischen Schule nach<br />

Valjevo zurückfahren konnte.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 52


Im Oktober und November lernte ich die<br />

Sportverrücktheit Serbiens intensiv kennen. Zu<br />

den beliebtesten Sportarten gehören<br />

Basketball, Fußball, Handball, Volleyball und<br />

neuerdings Tennis, da einige Serben im<br />

Moment zu den besten Tennisspielern der Welt<br />

gehören. Basketball habe ich auch selber schon<br />

mit Freunden gespielt. Nach meinem Gefühl<br />

spielen die meisten aber nur auf Freiplätzen<br />

und nicht in Vereinen. In einem Park am<br />

Stadtrand von Valjevo (Pedina) habe ich<br />

während des sonnigen Oktobers mehrfach<br />

gespielt, wenn ich nachmittags nicht so lange<br />

arbeiten musste. Dort spielt bei schönem<br />

Wetter fast jeden Tag eine Gruppe von<br />

Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, von<br />

denen ich mittlerweile viele kenne, sodass ich,<br />

wenn ich Zeit habe, einfach hinkommen und<br />

mitspielen kann. Das Niveau ist höher als auf<br />

vielen deutschen Freiplätzen, da der Showanteil<br />

deutlich niedriger ist und meistens das<br />

Gewinnen im Vordergrund steht.<br />

Valjevo besitzt auch einen Basketballverein in<br />

der zweithöchsten Liga Serbiens, dessen Saison<br />

im Oktober begonnen hat. Die Mannschaft<br />

steht nach zwei Monaten ungefähr auf Platz<br />

fünf. Ein Spiel habe ich auch in der Stadthalle in<br />

Valjevo live angeschaut.<br />

Abwechslung vom Arbeitsalltag bot mir im<br />

November auch eines der wichtigsten Feste,<br />

das so genannte Slava-Fest. Den Begriff „Slava“<br />

könnte man am Besten mit Hauspatron<br />

übersetzen. Jede Familie hat einen solchen<br />

Hauspatron. An dessen Namenstag findet dann<br />

das jeweilige Slava-Fest statt. An diesem Tag<br />

bekommen die Schüler schulfrei und auch die<br />

Lehrer müssen während ihrer Slava nicht<br />

arbeiten. Die verschiedenen Slava-Feste finden<br />

über das Jahr verteilt statt, wobei die meisten<br />

im Herbst und im Winter sind. Ich habe eine<br />

solche Slava bei einer Freundin besucht, deren<br />

Familie in einem Dorf in der Nähe von Valjevo<br />

wohnt. Leider für mich fand die Slava an einem<br />

Freitag statt. Mittwochs und freitags fasten die<br />

Gläubigen der orthodoxen Kirche. Dies<br />

bedeutet vor allem, dass es kein Fleisch gibt.<br />

Stattdessen gibt es sehr viel Fisch, den ich<br />

eigentlich nicht mag. So habe ich an diesem Tag<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

genug Fisch für den Rest meines Lebens<br />

gegessen, weil ich aus Höflichkeit und Interesse<br />

alles probiert habe, auch wenn ich zum Teil<br />

schon vorher wusste, dass es mir nicht<br />

schmecken wird. Zum Glück gab es auch noch<br />

einige Speisen, die nur aus Gemüse bestanden<br />

und zum Nachtisch gab es verschiedene Torten,<br />

die mich dann endgültig satt gemacht haben.<br />

Abgesehen vom Essen sitzt man während der<br />

Slava mit Freunden zusammen, unterhält sich<br />

und trinkt dabei das eine oder andere<br />

(alkoholische) Getränk.<br />

Bereits im Oktober habe ich ein weiteres Fest<br />

besucht, dass den Serben sehr wichtig ist: Eine<br />

Hochzeitsparty. Zu diesen werden immer sehr<br />

viele Menschen eingeladen, in diesem Fall<br />

waren es ungefähr 600. Die Hochzeit gilt als ein<br />

Statussymbol, das man allen zeigen möchte,<br />

weshalb man sehr viele Menschen einlädt. Es<br />

gibt sehr viel zu Essen und zu Trinken, vor allem<br />

viel Fleisch. Außerdem wird viel getanzt.<br />

Deswegen hat mir Dušica am Nachmittag davor<br />

den traditionellen serbischen Tanz, den Kolo,<br />

beigebracht. Ich habe den Abend sehr<br />

genossen, auch die Musik hat mir gefallen,<br />

obwohl ich eigentlich kein Fan von Volksmusik<br />

bin, und ich habe meine neu erworbenen<br />

Tanzkenntnisse angewandt.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 53


Vom Nils Weitzel<br />

Dezember 2008<br />

Здраво из Ваљева! Hallo zu meinem letzten<br />

Bericht aus Valjevo!<br />

Ab Mitte Januar werde ich in Kragujevac weiter<br />

arbeiten. Dort werde ich wahrscheinlich<br />

ähnliche Aufgaben haben wie in Valjevo. Wie<br />

sich meine Arbeit genau gestaltet, werde ich<br />

aber erst dann sehen.<br />

Da Dušica Ende November aus Hamburg<br />

zurückgekommen ist, habe ich wieder mehr<br />

Stunden an der Technischen Schule gearbeitet.<br />

Ansonsten war ich hauptsächlich an der<br />

Landwirtschaftlichen und der Ökonomischen<br />

Schule.<br />

Themen waren zum Beispiel Sagen,<br />

bedeutende Wissenschaftler, wichtige<br />

Ereignisse des 20. Jahrhunderts, Umweltschutz<br />

und deutsche Städte.<br />

Da die Schüler am 30.12. ihre Halbjahresnoten<br />

bekommen, wurden auch wieder viele Tests<br />

geschrieben, bei deren Korrektur ich half und<br />

zum Teil war ich auch an der Konzeption<br />

beteiligt.<br />

In Valjevo gibt es neben den staatlichen<br />

Schulen noch Privatschulen an denen man<br />

verschiedene Sprachen lernen kann. Im<br />

Dezember war ich das erste Mal an einer<br />

solchen im Unterricht dabei. Die meisten<br />

Menschen, die dort lernen, sind Erwachsene,<br />

deren Kurse häufig von ihren Arbeitgebern<br />

bezahlt werden. Ich war bei der einzigen<br />

Kindergruppe, die aus drei Kindern besteht, die<br />

ungefähr 12 Jahre alt sind, sowie bei einem<br />

Anfängerkurs dabei. Alle Deutschgruppen an<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

der Schule sind sehr klein, da es nicht so viele<br />

Menschen gibt, die Deutsch lernen wollen. Die<br />

Arbeit mit den Kindern ist sehr erfrischend, da<br />

sie viel lernen wollen (Hobby: Lernen;<br />

Lieblingsfächer: Alle). Sie können nicht so viele<br />

Sachen sagen, aber das, was sie lernen, können<br />

sie sehr gut. So waren sie zum Beispiel die<br />

ersten Schüler, die ich kennen lernte, die<br />

wussten, was Kaninchen heißt, weil sie die<br />

Namen von vielen Haustieren gelernt hatten.<br />

Auch die Aussprache ist sehr gut. Es macht sich<br />

bemerkbar, dass sie früher angefangen haben<br />

intensiv Deutsch zu lernen als die meisten<br />

anderen Schüler. Viel Arbeitszeit habe ich auch<br />

in eine Veranstaltung anlässlich des 60.<br />

Geburtstages der Erklärung der Allgemeinen<br />

Menschenrechte investiert, die von Dušica und<br />

einem ihrer Kollegen organisiert wurde. Sie<br />

bestand aus vier verschiedenen Teilen. Am 9.<br />

und am 11.12 gab es jeweils Filmvorführungen<br />

von Kurzfilmen aus verschiedenen Ländern und<br />

in verschiedenen Sprachen zum Thema<br />

Menschenrechte. Am Mittwoch, dem 10.12.,<br />

dem offiziellen Tag der Menschrechte, fand<br />

abends eine Podiumsdiskussion in der<br />

Technischen Schule statt, an der unter anderem<br />

eine Expertin aus Belgrad teilnahm. Leider habe<br />

ich nicht so viel verstanden, weil die Sprache<br />

deutlich zu anspruchsvoll für meine Serbisch-<br />

Kenntnisse war. Insgesamt war die Diskussion<br />

aber trotzdem gut, nur leider haben nicht so<br />

viele Schüler und Lehrer zugehört, weil das<br />

Projekt von den anderen Lehrern der<br />

Technischen Schule nicht so gut unterstützt<br />

wurde wie ich es von Schulprojekten von<br />

meinen alten Schulen in Deutschland gewöhnt<br />

bin. Der Teil des Projekts, der die meiste<br />

Vorbereitungszeit erforderte und bei dem ich<br />

am meisten helfen konnte, war eine<br />

mehrsprachige Ausstellung zum Thema<br />

Menschenrechte. Der Hauptteil war eine<br />

illustrierte Darstellung der<br />

Menschenrechtsartikel in vielen, auch<br />

exotischen Sprachen (neben Serbisch, Englisch,<br />

Deutsch, Französisch und Spanisch gab es auch<br />

Chinesisch, Japanisch, Arabisch und Russisch).<br />

Als Inspiration dafür diente die Straße der<br />

Menschenrechte in Nürnberg, die ich im<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 54


Sommer im Rahmen des Internationalen<br />

Jugendcamps in Ingolstadt besucht habe.<br />

Daneben wurden einzelne Themen noch<br />

intensiver bearbeitet. Dazu zählten<br />

Kinderrechte, Frauenrechte, Menschenrechte<br />

und Religion, die Geschichte der<br />

Menschenrechte sowie einige Werte, die in der<br />

Menschenrechtserklärung verwirklicht wurden,<br />

wie Toleranz oder Gleichheit. Im Laufe des<br />

Projekts habe ich auch viel gelernt über die<br />

Organisation von Schulprojekten in Serbien.<br />

Fast die gesamte Arbeit wurde von Dušica,<br />

ihrem Kollegen und mir geleistet. Wir erhielten<br />

nur wenig Unterstützung von anderen Schülern<br />

oder Lehrern. Dies hat meiner Meinung nach<br />

drei Gründe: Das serbische Schulsystem mit<br />

seinen zwei Schichten (die Hälfte der Schüler<br />

geht morgens in die Schule, die andere Hälfte<br />

nachmittags) macht es sehr schwierig Projekte<br />

zu organisieren, die organisierenden Lehrer<br />

werden von ihren Kollegen nicht sehr gut<br />

unterstützt, da, im Vergleich zu deutschen<br />

Schulen, insgesamt mehr Wert auf das<br />

Auswendiglernen von Fakten gelegt wird als auf<br />

kreatives Arbeiten, und viele Schüler haben<br />

keine Lust, neben dem Unterricht und den<br />

Hausaufgaben noch mehr für die Schule zu<br />

arbeiten. Dies ist aber meiner Meinung nach<br />

nicht der Hauptgrund, da die Mehrheit der<br />

Schüler in Deutschland dazu ebenfalls nicht<br />

bereit ist und trotzdem in vielen Projekten die<br />

Schüler viel Verantwortung übernehmen.<br />

Außerdem habe ich noch die Schach-AG für<br />

mich entdeckt, die einmal pro Woche in der<br />

Technischen Schule angeboten wird. Dort habe<br />

ich mehrmals teilgenommen und meine<br />

Schachkenntnisse ein bisschen aufgefrischt. In<br />

den letzten beiden Dezemberwochen musste<br />

ich mich außerdem von allen „meinen“<br />

Schülern verabschieden. Dies fiel mal mehr und<br />

mal weniger emotional aus. Viele Klassen<br />

gestalteten mir eine Seite mit Namen und<br />

Abschiedsbotschaften (auf Deutsch, Serbisch<br />

oder Englisch). Dabei wünschten sich viele, dass<br />

ich wiederkomme, was ich auch vorhabe und in<br />

meinem verbleibenden halben Jahr in Serbien<br />

schaffen sollte.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Am 19. Dezember hat Dušica ihre Slava (siehe<br />

auch meinen Novemberbericht) gefeiert. Ihr<br />

Hauspatron ist der heilige Nikolaus, der der<br />

häufigste Haupatron in Serbien ist. Es gibt ein<br />

Sprichwort in Serbien, dass an diesem Tag das<br />

halbe Serbien seine Slava hat und die andere<br />

Hälfte auf Slavafeiern eingeladen ist. Es war<br />

eine sehr schöne Feier, die sich über fast acht<br />

Stunden hingezogen hat, da Dušicas Familie<br />

immer wieder Besuch bekommen hat von<br />

verschiedenen Verwandten und Freunden, mit<br />

den man die typischen Slava-Rituale<br />

durchgeführt und sich unterhalten hat.<br />

Deswegen habe ich auch ich sehr viel Serbisch<br />

geredet, was mir geholfen hat, meine<br />

Serbischkenntnisse zu verbessern. Die<br />

Zeremonie beginnt mit dem Essen von einer<br />

süßen Speise aus Weizen und dem Trinken von<br />

Wein, die symbolisch für den Leib und das Blut<br />

stehen. Anschließend isst man eine sehr süße<br />

Obstspeise. Danach beginnt dann das<br />

eigentliche Essen, das aus vielen verschiedenen<br />

Gängen mit traditionellen serbischen Speisen<br />

wie Bohneneintopf und Sarma (gefüllte<br />

Krautblätter) besteht. Da die Slava wieder an<br />

einem Freitag stattfand (Fastentag in der<br />

serbisch-orthodoxen Kirche) gab es auch viele<br />

Fischgerichte. Allerdings sollte man sich auf<br />

jeden Fall etwas Hunger für den Nachtisch<br />

aufheben, der aus riesigen Mengen von Koladi<br />

besteht, was kleine Kuchen- und<br />

Gebäckhäppchen sind, die unglaublich gut<br />

schmecken und für mich der beste Teil der<br />

Mahlzeit sind. Da an diesem Tag so viele<br />

Menschen Slava feiern, schaffen es viele nicht<br />

alle Freunde und Verwandte, bei denen sie<br />

eingeladen sind, zu besuchen. Deswegen wird<br />

auch das anschließende Wochenende noch zu<br />

vielen Besuchen genutzt.<br />

Wenige Tage danach habe ich die<br />

wahrscheinlich ungewöhnlichste<br />

Weihnachtsfeier meines bisherigen Lebens<br />

erlebt, da die Serben zwei Wochen später<br />

Weihnachten feiern als die evangelische und<br />

die katholische Kirche. Darum bin ich an allen<br />

drei Weihnachtstagen ganz normal in die<br />

Schule gegangen.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 55


Dušica und ihre Eltern haben für mich aber<br />

doch ein bisschen Weihnachtsstimmung<br />

erzeugt, da sie am 25. Dezember ein tolles<br />

Festmahl vorbereitet haben, unter anderem<br />

mit Truthahn und Ziegenfleisch. Außerdem<br />

habe ich von ihnen auch Weihnachtsgeschenke<br />

bekommen. Viele meiner Freunde haben mir<br />

auch frohe Weihnachten gewünscht, da sie<br />

wussten, dass ich früher als die Serben<br />

Weihnachten feiere. Außerdem bin ich von<br />

mehreren Freunden noch zu<br />

„Weihnachtsessen“ eingeladen worden.<br />

Zu den wichtigsten Festen in Serbien gehört<br />

Sylvester bzw. Neujahr. Da es den Begriff<br />

Sylvester, ähnlich wie im Englischen, im<br />

Serbischen nicht gibt, wird der Sylvesterabend<br />

schon als Neujahrsfeier bezeichnet. Dieses Fest<br />

wird von vielen (Jugendlichen) schon lange im<br />

Voraus geplant und viele kaufen sich extra neue<br />

Klamotten dafür. Eine Gruppe von<br />

Jugendlichen, mit denen ich kurz vorher<br />

ausgegangen war, hat mich ganz erstaunt<br />

angeschaut, als ich gesagt habe, dass ich mir<br />

keine neuen Sachen gekauft habe. Einige von<br />

ihnen sind extra nach Belgrad gefahren, um sich<br />

neue Klamotten zu kaufen, da dort das Angebot<br />

größer ist als in Valjevo. Es gibt viele<br />

Privatfeiern sowie Partys in vielen Cafés und<br />

Clubs. Ich habe den Abend auf einer Privatparty<br />

in einer Sprachschule in Valjevo verbracht.<br />

Außerdem gab es ein Konzert im Zentrum der<br />

Stadt, von einer serbischen Band, die irische<br />

Rockmusik gespielt hat. Leider war es extrem<br />

kalt. Pünktlich um Mitternacht gab es auch ein<br />

Feuerwerk, dieses war aber deutlich kleiner als<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

man es aus großen Städten in Deutschland oder<br />

anderen Ländern kennt.<br />

Vom 6. bis zum 8. Januar haben dann auch die<br />

Serben Weihnachten gefeiert. Die serbische<br />

Weihnachtsfeier ist sehr unterschiedlich im<br />

Vergleich zu den deutschen Weihnachtsfeiern,<br />

die ich kenne. Sie beginnt am 6. Januar abends<br />

mit einem Festessen, nachdem man vorher 40<br />

Tage fast sollte. Das klassische Gericht ist<br />

Schweinsbraten. Viele Familien, die noch ihre<br />

eigenen Schweine züchten, schlachten eins<br />

davon kurz zuvor.<br />

Viele Menschen gehen vorher in die Kirche,<br />

aber nicht so viele wie in Deutschland, glaube<br />

ich. Dies hat mich gewundert, da ich eigentlich<br />

das Gefühl habe, dass die Kirche in Serbien im<br />

Leben der Menschen eine größere Rolle spielt<br />

als in Deutschland. In der Kirche findet ein<br />

Gebet statt. Man zündet Kerzen und<br />

Eichenzweige an, es gibt heiße Getränke und<br />

man unterhält sich mit Freunden. Am 7. Januar<br />

beginnt die Feier schon sehr früh. Als erstes<br />

kommt ein guter Freund bzw. eine gute<br />

Freundin der Familie zu Besuch und entfacht<br />

das Feuer. Erst danach darf man miteinander<br />

reden. Anschließend gibt es ein sehr festliches<br />

Frühstück mit vielen traditionellen serbischen<br />

Speisen. Dieses bildet sozusagen den Abschluss<br />

der familiären Weihnachtsfeier und der<br />

Weihnachtsrituale. Den Rest des 7. und den<br />

ganzen 8. Januar nutzt man, um Freunde zu<br />

besuchen. Außerdem sagt man, dass man am 7.<br />

Januar alles machen sollte, was man das ganze<br />

über machen möchte bzw. sollte. An diesen<br />

Brauch habe ich mich aber nicht gehalten.<br />

Nachdem ich es in den Vormonaten nicht<br />

geschafft habe, die zwei historischen Museen<br />

sowie die beiden Gemäldegalerien, die es in<br />

Valjevo gibt, zu besuchen oder das Wetter so<br />

schön war, dass ich lieber etwas draußen<br />

machen wollte, habe ich immerhin zwei davon<br />

zum Abschluss meiner Zeit in Valjevo noch<br />

besichtigt.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 56


Das Stadtmuseum ist sehr modern eingerichtet<br />

und besitzt viele multimediale Exponate. Es<br />

zeigt die Geschichte der Stadt Valjevo und der<br />

Region „Kolubara“ (benannt nach dem Fluss,<br />

der auch durch Valjevo fließt) seit den ersten<br />

bekannten menschlichen Besiedelungen vor ca.<br />

50.000 Jahren bis in die Gegenwart. Man sieht<br />

viele archäologische Fundstücke aus der<br />

Steinzeit, der Römerzeit und dem Mittelalter.<br />

Diese sind mit serbischen und englischen<br />

Erklärungen versehen. Außerdem werden viele<br />

Exponate und die daraus gezogenen Schlüsse<br />

über Siedlungen, Festungen,<br />

Grenzbefestigungen etc. auf Karten verortet,<br />

sodass man gut verfolgen kann, welche Teile<br />

der Region eine große Bedeutung zu<br />

unterschiedlichen Zeiten hatten und wie sich<br />

die einzelnen Siedlungen entwickelt haben. Die<br />

Ereignisse in der Region werden in erklärenden<br />

Texten in die Entwicklungen auf dem Balkan<br />

eingeordnet. Einen Schwerpunkt bildet die Zeit<br />

der türkischen Herrschaft über Valjevo sowie<br />

die serbischen Aufstände gegen diese<br />

Herrschaft im 19. Jahrhundert. Einer der<br />

Auslöser dafür war die Ermordung von<br />

wichtigen serbischen Persönlichkeiten, die<br />

gegen die Türken kämpften, in Valjevo. Aus der<br />

jüngeren Vergangenheit gibt es viele<br />

traditionelle Einrichtungsstücke, Werkzeuge,<br />

Haushaltsgegenstände und Kleidungsstücke. Es<br />

finden sich zudem viele Waffen, die aus der Zeit<br />

des zweiten Weltkriegs stammen. Insgesamt<br />

war ich sehr positiv überrascht vom Museum,<br />

da ich keine so modern aufgemachte<br />

Ausstellung erwartet hatte. Meine einzige Kritik<br />

ist, dass es sehr wenige Informationen über die<br />

Entwicklung der Stadt seit dem Ende des<br />

zweiten Weltkrieges gibt. Diese würden die<br />

Ausstellung abrunden.<br />

Das zweite historische Museum, das sich im<br />

Muselimov Konak befindet, ist zurzeit leider<br />

wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.<br />

Deshalb muss ich einen Besuch nachholen,<br />

wenn ich das nächste Mal nach Valjevo komme.<br />

Eine kleine Gemäldegalerie ist die „Moderne<br />

Galerie“. Seit dem Eröffnungsjahr 1985 gab es<br />

dort viele kleine, oft wechselnde Ausstellungen.<br />

Gezeigt werden überwiegend serbische<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Künstler, die Bilder im „medialna“-Stil malen,<br />

was bedeutet, dass es überwiegend<br />

fantastische und abstrakte Kunstwerke sind. Im<br />

Moment gibt es eine Ausstellung mit Bildern<br />

des serbischen Künstlern Ljuba Popovid. Diese<br />

stammen zum Teil aus seiner Zeit an der<br />

Akademie in Paris und sind zum Teil neueren<br />

Datums. Dabei fällt die Veränderung im Stil auf.<br />

Die früheren Bilder sind überwiegend von<br />

düsteren Stimmungen und Gewalt geprägt,<br />

während die neueren Bilder eine positivere<br />

Ausstrahlung haben. Zentrales Thema sind<br />

Körper, vor allem weibliche. Eine weitere<br />

Ausstellung, die mir insgesamt besser gefallen<br />

hat, besteht aus Porträts von serbischen<br />

Künstlern aus den letzten 50 Jahren, in vielen<br />

verschiedenen Stilen, die überwiegend von<br />

Fantastik geprägt sind. Eine weitere<br />

Besonderheit der Galerie ist, dass alle<br />

Ausstellungen keinen Eintritt kosten, da sie von<br />

der Stadt finanziert werden. Dies hat mich sehr<br />

gewundert, da ich es weder aus Deutschland<br />

kenne und bis jetzt auch in Serbien das Gefühl<br />

hatte, dass jedes Museum und jede Ausstellung<br />

einen, wenn auch meistens niedrigen, Eintritt<br />

kostet. Sehr nett waren auch die Angestellten<br />

der Galerie, die mir die Ausstellungen gezeigt<br />

haben, mich danach noch mit Materialien über<br />

die Porträt-Ausstellung versorgt haben und<br />

mich eingeladen haben, wiederzukommen.<br />

Außerdem haben sie mich noch dem Direktor<br />

vorgestellt, der ebenfalls sehr freundlich war.<br />

Ich glaube, dass sie es auch interessant fanden,<br />

dass ein Deutscher ihre Ausstellungen besucht<br />

hat.<br />

Eine zweite Galerie mit Arbeiten von<br />

verschiedenen internationalen Künstlern ist<br />

zurzeit leider ebenfalls geschlossen, sodass ich<br />

auch hier den Besuch nachholen muss, wenn<br />

ich wieder einmal nach Valjevo komme.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht, dem ersten<br />

aus Kragujevac! До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 57


Vom Nils Weitzel<br />

Januar 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo zu meinem ersten<br />

Bericht aus Kragujevac!<br />

Seit dem 11. Januar lebe ich in Kragujevac. Die<br />

Stadt ist deutlich größer als Valjevo, ungefähr<br />

so groß wie meine Heimatstadt Kassel. Damit<br />

ist sie die viertgrößte Stadt in Serbien. Sie liegt<br />

im Zentrum Serbiens und bezeichnet sich<br />

deswegen auch als das Herz Serbiens. Dies hat<br />

auch mit der geschichtlichen Rolle zu tun, da<br />

die Stadt im 19. Jahrhundert eine Zeitlang die<br />

Hauptstadt des modernen serbischen Staates<br />

war. Aus diesem Grund gibt es hier das erste<br />

Gymnasium Serbiens, das erste Theater wurde<br />

hier eröffnet und das erste Parlament tagte<br />

hier. Bis jetzt habe ich vor allem das Zentrum<br />

kennen gelernt. Obwohl viele Gebäude eine<br />

Renovierung gebrauchen könnten, gibt es viele<br />

schöne Gebäude, sodass mir die Innenstadt<br />

insgesamt ganz gut gefällt. Zu den schönsten<br />

Gebäuden gehören das erste Gymnasium,<br />

das Gericht und die Post.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Eine Attraktion am Rande des Zentrums und in<br />

meiner unmittelbaren Umgebung ist auch das<br />

„Roda Centar“, ein im letzten Jahr eröffnetes<br />

Einkaufszentrum. Ich glaube, dass es das erste<br />

„westliche“ Einkaufszentrum in dieser<br />

Größenordnung in Kragujevac ist. Durch die<br />

Stadt fließt der Fluss, bzw. Bach – je nach<br />

Wasserstand – Lepenica. Über ihn führen viele<br />

schöne Brücken, auf denen unter anderem die<br />

Jahreszahlen von vier serbischen Aufständen<br />

gegen ausländische Fremdherrschaften über<br />

das Land verewigt wurden.<br />

Einen weiteren großen Aufschwung erlebte die<br />

Stadt durch die Industrialisierung, die in Serbien<br />

vor allem während der Tito-Zeit stattfand.<br />

Kragujevac ist der Sitz und Produktionsstandort<br />

des einzigen serbischen Autokonzerns<br />

„Zastava“, der neben Autos unter anderem<br />

auch Waffen produziert. Man sagt, dass 70%<br />

der Arbeitsplätze in Kragujevac direkt oder<br />

indirekt von Zastava abhängen. Dass die Stadt<br />

während der Zeit des Kommunismus stark<br />

gewachsen ist, sieht man auch an der<br />

Stadtstruktur, die sich stark von der von Valjevo<br />

unterscheidet. In Valjevo haben wesentlich<br />

mehr Familien ihr eigenes Haus bzw. Häuschen.<br />

In Kragujevac gibt es dagegen wesentlich mehr<br />

Großwohnsiedlungen, wie man sie auch aus<br />

China oder Russland kennt. In einer solchen<br />

wohne ich jetzt und erfreue mich an der<br />

Zentralheizung, die es in Serbien nur in<br />

Gebäuden gibt, in denen viele Menschen leben,<br />

die aber im Winter manchmal sehr praktisch<br />

sein kann.<br />

Meine Arbeit wird wahrscheinlich ähnlich<br />

aussehen wie in Valjevo. Bis jetzt war ich<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 58


überwiegend mit zwei Deutschlehrerinnen im<br />

zweiten Gymnasium im Unterricht dabei. Die<br />

meisten Schüler sprechen zum Glück ein<br />

bisschen Englisch, sodass die Kommunikation<br />

einfacher als an manchen Schulen in Valjevo ist,<br />

an denen die Schüler nur eine Fremdsprache<br />

gelernt haben. Da Kragujevac Universitätsstadt<br />

ist (unter anderem gibt es auch eine<br />

Germanistik-Fakultät) kann ich vielleicht auch<br />

dort etwas machen. Bis jetzt war ich schon bei<br />

mehreren Sprachkursen dabei, die jedoch nur<br />

für alle waren, die nicht Germanistik studieren.<br />

Außerdem war ich auch bei einigen<br />

Privatstunden dabei, wo ich zum Beispiel bei<br />

Übersetzungen helfen, Tests korrigieren und<br />

Schüler(innen) auf mündliche Prüfungen<br />

vorbereiten konnte.<br />

Am 27.1. war der Namenstag des Heiligen Sava,<br />

der als der Begründer der serbisch-orthodoxen<br />

Kirche gilt. Er lebte im 12. und 13. Jahrhundert<br />

und entstammte der damaligen serbischen<br />

Herrschaftsdynastie der Nemanjas. Mit 16<br />

Jahren entschloss er sich auf seine weltliche<br />

Herrschaft zu verzichten und stattdessen ins<br />

Kloster zu gehen. Er schloss sich der Athos-<br />

Bruderschaft auf dem Gebiet des heutigen<br />

Griechenland an. Nach mehreren Bürgerkriegen<br />

auf dem Balkan, wurde er vom damaligen<br />

Patriarchen der orthodoxen Kirche 1219 zum<br />

ersten Erzbischof von Serbien gewählt, wohin<br />

er 1220 zurückkehrte. 1221 wurde die serbischorthodoxe<br />

Kirche offizielle Staatsreligion.<br />

So wie viele Heilige, zum Beispiel der Heilige<br />

Nikolaus, Hauspatron von serbischen Familien<br />

sind, ist der Heilige Sava der Schutzpatron der<br />

Schulen in Serbien. Deswegen ist der 27. Januar<br />

ein Feiertag für alle serbischen Schüler. Es<br />

finden Feiern zu Ehren des heiligen Sava statt.<br />

Auch an meiner jetzigen Schule, dem zweiten<br />

Gymnasium in Kragujevac, fand eine große<br />

Feier statt. Zu dieser kamen mehrere kirchliche<br />

Amtsträger, sonstige Gäste, viele Lehrer der<br />

Schule und einige Schüler. Die Teilnahme ist<br />

jedoch nicht verpflichtend. Die Feier war sehr<br />

kirchlich geprägt, der Chor der Schule sang<br />

mehrere Lieder und es wurden mehrere<br />

kirchliche Rituale durchgeführt.<br />

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Außerdem wurden viele Schüler für<br />

außergewöhnliche Leistungen, zum Beispiel im<br />

Bereich Sport, Sprachen und Kunst, geehrt.<br />

Nach der Feier, die ca. eineinhalb Stunden<br />

dauerte, gab es noch ein Büffet in der Schule.<br />

Während der Feier fiel mir wieder einmal auf,<br />

dass der Einfluss der serbisch-orthodoxen<br />

Kirche auf die Gesellschaft und das Leben der<br />

Menschen größer ist als der Einfluss der<br />

Kirchen in Deutschland. So kann ich mir nicht<br />

vorstellen, dass in den staatlichen Schulen<br />

entsprechende, kirchlich geprägte, Feiern<br />

stattfinden. Wobei ich die religiöse<br />

Unabhängigkeit der deutschen Schulen<br />

eindeutig bevorzuge, was auch erklärt, weshalb<br />

ich große Teile der Feier eher langweilig fand.<br />

Glücklicherweise sprach meine Sitznachbarin<br />

sehr gut Deutsch und teilte meine<br />

Einschätzung, was es wesentlich lustiger<br />

machte.<br />

Die Winterferien habe ich nicht nur zum Umzug<br />

von Valjevo nach Kragujevac genutzt, sondern<br />

auch zu einer längeren Reise, die mich vor<br />

allem nach Ungarn geführt hat.<br />

Zuerst war ich einen Tag in Subotica, der fünft<br />

größten Stadt Serbiens (ca. 100.000 Einwohner)<br />

im Norden des Landes. Anschließend jeweils<br />

einen Tag in Szeged, einer ungarischen Stadt<br />

direkt an der Grenze, und in Pécs, der<br />

Hauptstadt der Vojvodina. Zum Abschluss<br />

verbrachte ich noch drei Tage in Budapest, wo<br />

ich nach vier Monaten auch meine Mutter<br />

wieder gesehen habe.<br />

Meine Reise begann sehr früh am Morgen mit<br />

einer 5½-stündigen Busfahrt von Kragujevac<br />

über Belgrad und Novi Sad nach Subotica.<br />

Subotica ist ganz anders als die meisten<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 59


serbischen Städte. Die unausweichlichen<br />

Plattenbausiedlungen sind in einem anderen<br />

Stil gebaut, der mich sehr an einige Viertel in<br />

der ehemaligen DDR erinnerte, und die<br />

Innenstadt ist vor allem ungarisch geprägt. Die<br />

Beschilderung ist dreisprachig – serbisch,<br />

ungarisch und kroatisch – nur mit Englisch<br />

kommt man nicht sehr weit, obwohl die Stadt<br />

eigentlich sehr schön ist und auch für<br />

internationale Touristen interessant sein<br />

könnte. Auch die Mitarbeiter des<br />

Touristenbüros sprachen weder Englisch noch<br />

waren sie besonders freundlich. Viele Häuser,<br />

wie zum Beispiel die Stadthalle (enthält u.a.<br />

Rathaus, Konferenzsäle und ein Museum), die<br />

auch der Mittelpunkt der Stadt ist, sind im so<br />

genannten Sezessionsstil gebaut, der um die<br />

Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert<br />

von ungarischen Architekten geprägt wurde.<br />

Typisch für diesen Stil, der mich während der<br />

gesamten Reise begleitete, sind die sehr<br />

verspielten Verzierungen und asymmetrischen<br />

Formen. Besonders sehenswert ist auch das<br />

reichhaltig verzierte Ferend-Raichle-Palais in<br />

der Nähe des Bahnhofs, das heute auch eine<br />

kleine Gemäldegalerie beherbergt. Ferend<br />

Raichle war einer der bekanntesten<br />

ungarischen Architekten dieser Epoche.<br />

Dadurch, dass das Rathaus der Mittelpunkt der<br />

Stadt ist und zudem auch ein sehr<br />

repräsentativer Bau ist, unterschiedet sich<br />

Subotica ebenfalls von anderen serbischen<br />

Städten, da dort das Rathaus meistens nur ein<br />

funktioneller Bau ist, der häufig während der<br />

kommunistischen Zeit entstanden ist.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Die Religionsvielfalt ist größer als in den<br />

meisten anderen Städten. Neben orthodoxen<br />

Kirchen, gibt es auch katholische und ein große<br />

Synagoge. Viele der Gotteshäuser hätten<br />

jedoch eine Renovierung dringend nötig, doch<br />

weder die Stadt noch die Gemeinden haben das<br />

dafür notwendige Geld. Die beiden Museen, in<br />

denen ich war, waren sehr klein und boten<br />

keine besonderen Highlights. Nachdem ich das<br />

Gefühl hatte alles wesentliche in der schönen<br />

aber auch überschaubaren Innenstadt gesehen<br />

zu haben, setzte ich mich in ein Café, um mich<br />

bei einem Espresso aufzuwärmen. Dort lernte<br />

ich zufällig ein paar Jugendliche kennen, von<br />

denen eine auch einmal in Deutschland gelebt<br />

hatte, und verbrachte den gesamten<br />

Spätnachmittag und frühen Abend mit ihnen.<br />

Am nächsten Morgen erreichte mich der erste<br />

Schock nach einem sparsamen aber leckeren<br />

Frühstück direkt als ich das Hotel verließ und<br />

ausrutschte: Glatteis. Entlang der Hauptstraßen<br />

ließ es sich aber aushalten, sodass ich meinen<br />

Zug nach Szeged wie geplant erreichte. Der<br />

Bahnhof in Subotica wirkt als ob dort seit den<br />

Habsburger Zeiten nichts mehr verändert<br />

wurde. Die Beschriftungen stimmen nicht, die<br />

Bediensteten sind langsam und unfreundlich<br />

und selbst die Gitter, die früher die einzelnen<br />

Klassen der Züge schon auf dem Bahnsteig<br />

trennten, wurden nicht entfernt. Für den Zug<br />

ist der Name Zug wohl deutlich übertrieben, die<br />

Bezeichnung Schienenbus passt deutlich<br />

besser. Er besteht aus einem alten Wagen, der<br />

mit ca. 15 km/h im Schnitt die 25 km nach<br />

Szeged zurücklegt und dafür inklusive<br />

Grenzkontrollen ungefähr zwei Stunden<br />

braucht. In Szeged merkte ich als erstes, dass<br />

der Bahnhof ähnlich lange nicht mehr renoviert<br />

worden war wie der Suboticer.<br />

Szeged hat eine sehr schöne Innenstadt.<br />

Mittelpunkt ist der große Dom mit einem noch<br />

größeren Domvorplatz. Im Sommer finden dort<br />

viele Konzerte und andere Veranstaltungen<br />

statt. Viele Gebäude in der Innenstadt sind wie<br />

in Subotica vom Sezessionsstil geprägt. Die<br />

Innenstadt ist auch sehr gut renoviert, aber<br />

sobald man sie verlässt, lässt die Qualität der<br />

Bausubstanz deutlich nach. Neben dem Dom<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 60


gehören das Rathaus, weitere Kirchen, ein<br />

Heilbad sowie die Synagoge zu den Highlights<br />

der Stadt.<br />

Die riesige Synagoge habe ich besichtigt und<br />

war von der Größe sowie der Gestaltung des<br />

Innenraums beeindruckt.<br />

Nachdem ich eine recht lange Zeit in der<br />

Innenstadt verbracht hatte, lief ich noch ein<br />

bisschen an der Tisza (serbisch: Tica), dem<br />

größten Fluss der Stadt, entlang, die in Serbien<br />

in die Donau mündet. Der Fluss war, ähnlich<br />

wie die Donau in Serbien, zum Teil von<br />

Eisschollen bedeckt. Die Uferpromenade mit<br />

einem Park war sehr schön, aber im Januar<br />

noch nicht sehr einladend.<br />

Direkt am Ufer steht auch das alte Schloss, das<br />

heute ein Museum ist. Dieses besichtigte ich<br />

später am Tag. Vom größten Teil der<br />

Ausstellung war ich aber relativ enttäuscht, da<br />

sie recht lieblos wirkte.<br />

Bevor ich allerdings das Museum besuchte, traf<br />

ich mich noch mit einem Freund von meinem<br />

Bruder, der im Moment in Szeged studiert. Er<br />

zeigte mir die Stadt ein bisschen und wir aßen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

zusammen Mittag. Während dieser Führung<br />

stellte ich fest, dass ein großer Teil der<br />

Innenstadt zur Universität gehört. Insbesondere<br />

die medizinische Fakultät hat riesige Ausmaße.<br />

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Stadt<br />

vor allem von ihren Kirchen und der Universität<br />

geprägt ist. Die Menschen fand ich weniger<br />

gastfreundlich als ich es aus Serbien gewohnt<br />

bin und auch die Englischkenntnisse der<br />

Menschen sind nicht wesentlich besser. Es fällt<br />

auf, dass die Stadt westlich-amerikanischer<br />

geprägt ist als serbische Städte, obwohl sie nur<br />

15 km von der Grenze entfernt ist. Am<br />

nächsten Morgen bin ich wiederum früh weiter<br />

gereist. Diesmal mit dem Bus ca. drei Stunden<br />

nach Peds, der Hauptstadt der Vojvodina.<br />

Die Innenstadt ist hervorragend renoviert und<br />

zum Teil Weltkulturerbe, weil man sehr alte<br />

christliche Grabkammern unter dem Standort<br />

des heutigen Doms gefunden hat. Die<br />

Erforschung dauert noch an und nur ein kleiner<br />

Teil ist bis jetzt zu besichtigen. Als ich in der<br />

Stadt war, war das Museum dafür leider sogar<br />

komplett geschlossen, aber man kann vom<br />

Erdboden aus durch Glasplatten einige Teile<br />

erkennen. Insgesamt hat die internationale<br />

Vermarktung des Kulturerbes erst begonnen,<br />

aber bereits jetzt gibt es zahlreiche<br />

ausländische Touristen.<br />

Ich habe zunächst einen Stadtrundgang durch<br />

die Innenstadt gemacht, die von einer fast<br />

intakten Stadtmauer umgeben ist. Es gibt viele<br />

Gebäude im bereits bekannten Sezessionsstil,<br />

aber auch viele klassizistische. Zu den<br />

schönsten Gebäuden zählen das Rathaus und<br />

das Theater. Allerdings wäre es an dieser Stelle<br />

unmöglich alle schönen Gebäude aufzuzählen,<br />

da es einfach zu viele sind. Die Religion ist<br />

ähnlich wie in Szeged ein prägendes Element,<br />

es gibt einen Dom, weitere Kirchen, eine große<br />

alte Moschee genau im Zentrum der Stadt und<br />

auch eine große Synagoge, die aber nicht so<br />

prächtig ist wie die in Szeged. Insgesamt lässt<br />

sich die Geschichte des Domes bis zur<br />

Römerzeit zurückverfolgen. Von diesem ersten<br />

Dom ist heute eine Kammer unterhalb des<br />

modernen Gebäudes für die Öffentlichkeit<br />

freigegeben. In der Altstadt gibt es eine große<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 61


Fußgängerzone mit einigen offenen Plätzen<br />

sowie zahlreiche kleine Gassen mit Restaurants<br />

und kleinen Geschäften. Es gibt zahlreiche<br />

vielfältige Museen, von denen ich aber nur<br />

eines gesehen habe. Dieses war jedoch sehr<br />

schön, mit sehr schönen großflächigen<br />

Gemälden eines ungarischen Malers.<br />

Anschließend bin ich noch zu einer Kapelle<br />

oberhalb der Innenstadt gelaufen. Von dort<br />

hatte man bei einsetzender Dunkelheit einen<br />

schönen Blick auf die Innenstadt.<br />

Insgesamt ist Peds eine eindeutig<br />

interessantere und vielfältigere Stadt als Szeged<br />

und Subotica.<br />

Bereits um 7.00 fuhr mein Zug am nächsten Tag<br />

von Peds nach Budapest. Diesmal war es ein<br />

sehr komfortabler IC. Am Bahnhof wartete<br />

bereits meine Mutter auf mich, die eine Stunde<br />

zuvor aus Deutschland angekommen war.<br />

Gemeinsam verbrachten wir drei sehr schöne<br />

Tage in Budapest. Budapest wird durch die<br />

Donau in zwei Teile geteilt: das hügelige Buda<br />

auf der einen und das flache Pest auf der<br />

anderen Seite.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

In der Donau liegt noch die Margaretheninsel,<br />

ein großer Park. Seine Blütezeit hatte die Stadt<br />

um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20.<br />

Jahrhundert, während der viele großartige<br />

Gebäude im Sezessionsstil entstanden. Danach<br />

verfielen viele Teile. Sie wurden im Zentrum<br />

überwiegend restauriert, aber man findet noch<br />

einige heruntergekommene Bauten<br />

dazwischen.<br />

In Buda, unweit unseres Hotels, liegt der<br />

Burgberg. Auf ihm ist das Schloss bzw. die Burg<br />

errichtet. Die Burg (ich folge einfach mal der<br />

offiziellen Namensgebung) diente vielen<br />

verschiedenen Herrschern als Wohnsitz. Heute<br />

sind darin mehrere Museen untergebracht, u.a.<br />

die ungarische Nationalgalerie, von der wir am<br />

zweiten Tag aus Zeitgründen leider nur eine<br />

Sonderausstellung sehen konnten, die uns nicht<br />

besonders überzeugt hat. Außerdem dient die<br />

Anlage als Aussichtspunkt und<br />

Naherholungsgebiet.<br />

An die Burg schließt sich ein sehr touristisches<br />

Viertel an, in dem es viele Bauten im<br />

neoklassizistischen und im Sezessionsstil gibt.<br />

Hervorzuheben sind die die stark verzierte<br />

Matthiaskirche, die Fischerbastei, die eine<br />

Attrappe einer Verteidigungsbastion im<br />

Sezessionsstil ist, die Überreste der „echten“<br />

alten Verteidigungsanlagen wie das Wiener Tor,<br />

sowie einige Museen, die uns zwar inhaltlich<br />

nicht so interessiert haben, die aber in sehr<br />

schönen Gebäuden untergebracht sind. Des<br />

Weiteren gibt es einige Denkmäler sowie viele<br />

Cafés, in denen es leckere Torten gibt. Wir<br />

haben im Ruszwurm-Café, dem Café, in dem es<br />

angeblich den besten Kuchen in Budapest gibt,<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 62


Torte gegessen und hausgemachte heiße<br />

Schokolade getrunken.<br />

Über eine der Donaubrücken kommt man vom<br />

Burgberg nach Pest, dass heute der Mittelpunkt<br />

des städtischen Lebens ist. Direkt am Ufer liegt<br />

das ungarische Parlament, dass ebenfalls im<br />

Sezessionsstil gebaut wurde und das<br />

drittgrößte Parlamentsgebäude der Welt ist.<br />

Am Morgen des zweiten Tages besichtigten wir<br />

es. Die Besichtigung kann ich auf jeden Fall<br />

weiter empfehlen. Das Gebäude ist auch von<br />

innen sehr beeindruckend. Das Viertel südlich<br />

des Parlaments direkt an der Donau ist das<br />

Geschäftszentrum der Stadt. Es gibt sehr viele<br />

neoklassizistische und sezessionistische<br />

Gebäude, den Dom, eine riesige Markthalle,<br />

einige Botschaften und Regierungsgebäude<br />

sowie einige Fußgängerzonenbereiche. Man<br />

findet auch viele (berühmte) Cafés, von denen<br />

wir am zweiten Tag auch noch eines<br />

ausprobierten. Die Fußgängerzone ist<br />

überwiegend sehr touristisch, aber man<br />

entdeckt, insbesondere im Januar, auch einige<br />

ruhige Ecken.<br />

Am zweiten Tag überquerten wir nach der<br />

Parlamentsbesichtigung die Margaretheninsel,<br />

um ins Vasarely-Museum (sehr bekannter<br />

ungarischer Künstler, Erfinder der Op-Art) zu<br />

kommen. Die Gemälde dort waren zwar sehr<br />

schön und man konnte faszinierende optische<br />

Effekte entdecken, aber ansonsten schien das<br />

Museum den Kommunismus nicht hinter sich<br />

gelassen zu haben. Die Anordnung der Gemälde<br />

wirkte nicht sehr durchdacht und die<br />

Angestellten sprachen nur Ungarisch und<br />

waren zudem nicht sehr freundlich.<br />

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Die dritte große Touristenattraktion Budapests<br />

ist der Gellertberg. Auf diesem Berg direkt an<br />

der Donau, der höher und steiler als der<br />

Burgberg ist, errichteten die Habsburger nach<br />

dem ungarischen Aufstand von 1848 eine<br />

Zitadelle. Heute hat man vom Gellertberg den<br />

wahrscheinlich besten Blick über die Stadt.<br />

Während die meisten Touristen mit Bussen auf<br />

den Berg fahren, nur kurz einige Fotos machen<br />

und dann zurück in die Busse steigen, liefen wir<br />

sowohl hoch als auch runter.<br />

Später am letzten Tag besuchten wir das<br />

jüdische Viertel, in dem jedoch heute nur noch<br />

einzelne Spuren des jüdischen Lebens – wie die<br />

drei Synagogen, einige Häuser oder einige<br />

traditionell gekleidete Fußgänger – zu finden<br />

sind. Eine der Synagogen ist die Dohány utcai<br />

Zsinagóga. Sie ist die zweitgrößte Synagoge der<br />

Welt und es gibt Führungen in vielen<br />

verschiedenen Sprachen durch die Synagoge,<br />

den angrenzenden Holocaust Gedenkpark und<br />

das ebenfalls benachbarte (kleine) jüdische<br />

Museum. Es ist eine sehr liberale Synagoge: Sie<br />

besitzt zum Beispiel eine Orgel, obwohl Juden<br />

während des Gottesdienstes kein Instrument<br />

spielen dürfen, und sie ist im maurischen Stil<br />

gebaut, weil sich der Architekt dachte, dass<br />

Judentum und Islam den gleichen Ursprung<br />

haben.<br />

Die letzte bekannte Touristenattraktion, die wir<br />

besuchten, war die Andrassy utca (utca =<br />

Straße), an die sich der Heldenplatz und das<br />

Stadtwäldchen anschließen. Entlang der Straße,<br />

die seit 2002 zum Weltkulturerbe gehört, liegen<br />

viele so genannte Wohnpaläste sowie<br />

Botschaften und andere herausragende<br />

Gebäude wie die ungarische Staatsoper. Am<br />

Ende der Straße liegt der Heldenplatz, der sehr<br />

monumental angelegt ist und an dessen Seiten<br />

sich zwei riesige Gemäldegalerien befinden.<br />

Das Stadtwäldchen ist eine Parkanlage, die im<br />

Winter eine Eisfläche besitzt, ein Heilbad, ein<br />

nachgebautes Siebenbürgener Schloss sowie<br />

einigen Seen mit Wasser aus heißen Quellen,<br />

die im Winter sehr beeindruckend gedampft<br />

haben.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht. До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 63


Vom Nils Weitzel<br />

Februar 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />

Seit meiner Ankunft in Kragujevac im Januar<br />

habe ich mich ganz gut eingearbeitet und kann<br />

dieses Mal wieder mehr über meine Arbeit<br />

schreiben. Meine Betreuerin Nataša arbeitet<br />

am zweiten Gymnasium in Kragujevac.<br />

Deswegen ist dies auch mein Hauptarbeitsplatz.<br />

Ich besuche mit ihr zusammen ihre Stunden<br />

und auch den Unterricht bei einer Kollegin von<br />

ihr, Sonja, am zweiten Gymnasium. Das zweite<br />

Gymnasium ist in einem der modernsten<br />

Schulgebäude Serbiens untergebracht, da es<br />

noch nicht sehr alt ist. Neben den allgemeinen<br />

Klassen gibt es in jedem Jahrgang auch eine<br />

philologische und eine sprachwissenschaftliche<br />

Klasse. Die Schüler lernen Deutsch als zweite<br />

Fremdsprache. Da es bis vor wenigen Jahren im<br />

Raum Kragujevac fast nicht möglich war,<br />

Deutsch in der Grundschule zu lernen, geht<br />

man davon aus, dass die Schüler ohne<br />

Vorkenntnisse auf das Gymnasium kommen. In<br />

den allgemeinen Klassen sind zumeist ungefähr<br />

30 Schüler(innen), die alle dieselbe zweite<br />

Fremdsprache lernen. Deswegen ist es dort<br />

relativ anstrengend, weil die Klassen eigentlich<br />

zu groß sind, um effektiven<br />

Fremdsprachenunterricht zu haben. Aus<br />

diesem Grund habe ich bei diesen Klassen nicht<br />

so viel Zeit verbracht.<br />

Im Gegensatz dazu sind in den philologischen<br />

und sprachwissenschaftlichen Klassen meist<br />

nur 10 bis 15 Schüler, wobei die Mehrzahl<br />

eindeutig weiblich ist. Zudem ist das Interesse<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

an Fremdsprachen dort im Allgemeinen sehr<br />

viel höher als in den allgemeinen Klassen. Mit<br />

diesen Klassen kann man dementsprechend<br />

sehr viel besser arbeiten und auch der Einsatz<br />

von modernen Unterrichtsmethoden wie<br />

Gruppenarbeit oder moderner Medien ist hier<br />

besser möglich. Deswegen macht mir der<br />

Unterricht hier viel mehr Spaß. Außerdem ist es<br />

auch einfacher für mich alleine zu unterrichten,<br />

da ich generell mit kleinen Klassen besser<br />

arbeiten kann. Obwohl ich mittlerweile sehr<br />

viel besser als am Anfang Serbisch spreche und<br />

die Schüler auch fast alle Englisch sprechen,<br />

kann ich in diesen speziellen Klassen<br />

normalerweise die ganze Stunde nur auf<br />

Deutsch sprechen und die Schüler verstehen<br />

mich fast immer, auch wenn es am Anfang<br />

etwas dauert, bis sie sich an meine Aussprache<br />

gewöhnten.<br />

Wenn ich alleine Unterricht hatte, habe ich in<br />

den Klassen, die noch auf einem relativ<br />

niedrigen Niveau sind, meistens<br />

Wortschatzübungen gemacht zu Dingen, die<br />

man sehr oft braucht, wenn man sich ein wenig<br />

auf Deutsch unterhalten will oder in ein<br />

deutschsprachiges Land reist, wie zum Beispiel<br />

Wegbeschreibungen, Farben oder Tiere. Mit<br />

den Klassen, die schon besser Deutsch<br />

sprechen, kann ich auch über Themen<br />

sprechen, die für Jugendliche interessant sind,<br />

wie zum Beispiel Freundschaft oder Zukunft.<br />

Außerdem kann man mit ihnen auch<br />

anspruchsvollere Themen wie Märchen oder<br />

verschiedene Teile der Landeskunde<br />

bearbeiten. Eine weitere Schule, an der ich<br />

gelegentlich Stunden habe, ist das erste<br />

Gymnasium. Es ist das älteste Gymnasium im<br />

modernen serbischen Staat und ist in einem,<br />

von außen, sehr beeindruckenden Gebäude<br />

untergebracht. Es ist vor allem auf<br />

Naturwissenschaften spezialisiert.<br />

Dementsprechend gibt es keine speziellen<br />

sprachlichen Klassen. Die Schüler beginnen<br />

auch hier Deutsch in der ersten Klasse des<br />

Gymnasiums zu lernen. Allerdings hatte ich hier<br />

nur wenige Stunden dort, sodass ich nur<br />

wenige Klassen kennen gelernt habe und auch<br />

in diesen habe ich mich oft nur vorgestellt und<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 64


vielleicht noch ein paar Stunden danach<br />

gehabt, aber ich habe nicht so intensiv mit<br />

ihnen gearbeitet wie mit den Schülern des<br />

zweiten Gymnasiums. Ein lustiges Erlebnis<br />

hatte ich aber einmal, als ich an einem Tag<br />

sechs Stunden hintereinander in Klassen hatte,<br />

in denen ich zuvor noch nicht gewesen war. In<br />

den meisten Klassen stelle ich mich kurz vor,<br />

dann stellen sich die Schüler vor, je nach<br />

Klassengröße manchmal auch nur ein paar, und<br />

danach sollen mir die Schüler noch Fragen<br />

stellen über alles, was sie interessiert. Nun<br />

hatte ich den Fall, dass ich von sechs Klassen<br />

hintereinander zu 90 % immer dasselbe gefragt<br />

wurde, sodass ich der Lehrerin am Ende<br />

vorschlug, ich könne doch meine Antworten auf<br />

Band aufnehmen, weil sowieso alle das gleiche<br />

fragen.<br />

Sowohl Nataša als auch Sonja haben auch noch<br />

Sprachkurse des DAAD (Deutschen<br />

akademischen Austausch Dienstes) an der<br />

Universität in Kragujevac. Diese kann jeder<br />

besuchen, der Lust hat und außer den<br />

Lehrmaterialien muss man nichts dafür<br />

bezahlen, was für Serbien nicht üblich ist. Im<br />

Moment haben beide einen Anfängerkurs<br />

(Niveau A1 nach dem europäischen<br />

Referenzrahmen). In diesen Stunden war ich<br />

mehrmals dabei und sie machen mir auch<br />

relativ viel Spaß. Dies liegt daran, dass die<br />

Schüler meistens interessierter sind Deutsch zu<br />

lernen als an den Schulen, dass sie, für ihre<br />

Lernzeit, schon relativ gut Deutsch sprechen<br />

und dass sie an mehr Themen in Bezug auf<br />

Deutschland interessiert sind als viele Schüler.<br />

Nataša hat außerdem einmal in der Woche<br />

noch eine Gruppe von vier Kindern zwischen 12<br />

und 15 Jahren, die sie privat unterrichtet. Mit<br />

einigen von ihnen macht mir der Unterricht<br />

auch viel Spaß, weil sie sehr gerne lernen, auch<br />

wenn man oft viel wiederholen muss, aber<br />

wenn man sehr einfach spricht, kann man sich<br />

schon ein wenig mit ihnen unterhalten.<br />

Außerdem helfe ich Nataša und Sonja<br />

manchmal bei Übersetzungen, mit deutschen<br />

Texten oder bei Privatstunden, wenn sie<br />

Schüler haben, die schon gut Deutsch sprechen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

und für die es hilfreich ist, wenn sie sich einmal<br />

mit einem Muttersprachler unterhalten.<br />

Daneben habe ich mich auch in Kragujevac<br />

allgemein gut eingelebt, sodass ich einen<br />

kleinen Stadtführer über Kragujevac für alle, die<br />

selber einmal hierher reisen wollen,<br />

geschrieben habe, in den meine Erfahrungen<br />

mit der Stadt eingeflossen sind:<br />

Die meisten interessanten Punkte in Kragujevac<br />

erreicht man innerhalb von maximal 30<br />

Minuten in der Innenstadt. Wenn man von der<br />

Autobusstation kommt, wo man am häufigsten<br />

ankommt, wenn man die Stadt mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln erreicht, überquert man als<br />

erstes den Bach Lepenica, der die Stadt in zwei<br />

Hälften teilt. Auf der Seite der Autobusstation<br />

ist der größte Teil der Industrie untergebracht,<br />

insbesondere das Automobilunternehmen<br />

Zastava, der größte Arbeitgeber der Stadt und<br />

zugleich der einzige serbische<br />

Automobilkonzern, der hier seinen Sitz hat.<br />

Auf der anderen Seite sind der größte Teil der<br />

Wohngebiete und das Stadtzentrum.<br />

Nach der Überquerung der Lepenica sieht man<br />

schon die Sporthalle „Hala Jezero“, in der alle<br />

guten Sportmannschaften des Vereins<br />

„Radnički Kragujevac“ spielen, unter anderem<br />

kann man sich Volleyball, Basketball und<br />

Handball ansehen. Über den Vater meiner<br />

Betreuerin Nataša, der für den Verein arbeitet,<br />

komme ich umsonst Tickets für zahlreiche<br />

Sportveranstaltungen. Wenn ich Zeit habe,<br />

schaue ich mir deswegen fast alle Volleyball-<br />

und Basketballspiele an. Im Volleyball ist<br />

Kragujevac Tabellenführer in Serbien und auch<br />

im Basketball spielt der Verein in der höchsten<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 65


serbischen Liga. Für serbische Verhältnisse ist<br />

die Halle mit ca. 3000 Zuschauerplätzen<br />

ziemlich groß und auch relativ komfortabel, da<br />

alle Plätze bestuhlt sind. Der Name der Halle ist<br />

von dem benachbarten See abgeleitet, der von<br />

einem kleinen Park sowie einem guten<br />

Restaurant umgeben ist und sich somit<br />

hervorragend für Spaziergänge eignet.<br />

Direkt daneben ist das Roda Centar, ein im<br />

letzten Jahre eröffnetes Einkaufszentrum, das<br />

an sieben Wochentagen bis abends um 22.00<br />

Uhr geöffnet ist. Hier treffen sich viele<br />

Jugendliche, da es in Serbien nur wenige<br />

„westliche“ Einkaufszentren gibt und es somit<br />

eine große Attraktion ist.<br />

Von hier aus kann man in zehn Minuten zur<br />

Fußgängerzone laufen. Auf dem Weg dorthin<br />

kommt man am Rathaus vorbei, das den<br />

Eindruck eines kommunistischen Funktionsbaus<br />

erweckt. Hier und in der angrenzenden<br />

Polizeistation habe ich viel Zeit bei meinen<br />

zahlreichen An- und Abmeldungen verbracht.<br />

Geht man weiter, verschönert sich die Gegend,<br />

im Sommer sieht man einige Straßencafés.<br />

Anschließend erreicht man die Post und direkt<br />

daneben das Hotel Kragujevac, in dem viele<br />

große Feiern stattfinden. Das Gebäude der Post<br />

ist auch noch nicht so alt, aber sehr viel<br />

geschmackvoller als das Rathaus. Am Platz<br />

befindet sich außerdem der „Peron“<br />

(Eisenbahnwagon), ein bekanntes Café mit sehr<br />

guten Pfannkuchen.<br />

Anschließend erreicht man die Fußgängerzone,<br />

die aus vier Straßen besteht. In ihr gibt es<br />

zahlreiche kleine und große Geschäfte und sehr<br />

viele Cafés. Die Häuser besitzen zum Teil noch<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

alte Bausubstanz mit einigen schönen<br />

Verzierungen, zum Teil sind es Neubauten aus<br />

der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. An einer<br />

der größten Ausfallstraßen, die zum Teil auch<br />

zur Fußgängerzone gehört, liegt die größte<br />

Kirche der Stadt, die wie fast alle orthodoxen<br />

Kirchen sehr schön aussieht.<br />

Folgt man der Straße, trifft man auf zahlreiche<br />

kleine Imbisse, Cafés, Kneipen, eine Diskothek<br />

sowie den „Veliki Park“ (Großen Park).<br />

Biegt man nach links ab, erreicht man das<br />

Theater und das erste Gymnasium. Sie sind<br />

beide die jeweils ersten im modernen<br />

serbischen Staaten, sind in sehr schönen,<br />

monumentalen Gebäuden untergebracht und<br />

repräsentieren das Gefühl der Menschen, dass<br />

Kragujevac im Herzen Serbiens liegt. Auf dem<br />

Platz vor dem ersten Gymnasium ist ein<br />

Denkmal für Vuk Karadžid, den großen<br />

Reformator der serbischen Sprache.<br />

Folgt man der kleinen Straße hinab zur<br />

Lepenica, trifft man auf einen typischen<br />

serbischen Markt, das Stadtmuseum sowie eine<br />

weitere große Ausfallstraße, an der zahlreiche<br />

kleine Geschäfte liegen. Überquert man den<br />

Fluss, wobei man sich die verzierten Brücken<br />

genau ansehen sollte, weil darin die<br />

Jahresdaten von vier serbischen Aufständen<br />

eingraviert sind, kommt man zur alten Kirche<br />

sowie zum ersten Parlament des modernen<br />

serbischen Staates. Darin ist heute ein Museum<br />

untergebracht, das aber wie viele Museen in<br />

Serbien zurzeit renoviert wird.<br />

Der Veliki Park eignet sich hervorragend für<br />

Spaziergänge und ruhige Abende im Freien.<br />

Direkt daneben befindet sich die<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 66


Maschinenbaufakultät, deren Gebäude jedoch<br />

ein reiner Funktionsbau ist. Geht man noch<br />

weiter in den Park, trifft man auf eine weitere<br />

Diskothek sowie anschließend auf den großen<br />

Gedenkpark Šumarice, der ein Museum in<br />

einem sehr interessanten Bau sowie zahlreiche<br />

Denkmäler umfasst. Er wurde in Erinnerung an<br />

ein Massaker der deutschen Wehrmacht<br />

während des zweiten Weltkrieges eingerichtet,<br />

bei dem ca. 3000 Zivilisten ermordet wurden,<br />

darunter eine komplette Schulklasse des<br />

Gymnasiums. Der Park eignet sich heute auch<br />

sehr gut für Spaziergänge und Picknicks. Direkt<br />

daneben ist ein Stausee, der Šumarice jezero, in<br />

dem einige mutige Menschen auch baden, aber<br />

niemand weiß genau, ob die Qualität des<br />

Wassers gut genug dafür ist. Die meisten<br />

Menschen sitzen nur am Strand, treiben Sport<br />

oder sitzen in einem der benachbarten Cafés.<br />

Ca. 20 Minuten außerhalb der Innenstadt<br />

befindet sich das zweite Gymnasium auf einem<br />

Hügel, direkt neben den Fakultäten für Jura und<br />

Ökonomie. Es ist in einem sehr modernen und<br />

sehr schönen Gebäude untergebracht, dass<br />

man schon von weitem gut erkennen kann.<br />

Wenn man tagsüber die Stadt besichtigt hat,<br />

sollte man noch wissen, wie man den Abend<br />

normalerweise verbringt. Bis ungefähr 21 Uhr<br />

sitzen die meisten Menschen in Cafés oder<br />

Restaurants, anschließend in Kneipen und ab<br />

ca. 1 Uhr begibt man sich in Diskotheken und<br />

Nachtclubs. Wenn man nicht genau, weiß,<br />

wohin man möchte, sieht man sich am besten<br />

in der Innenstadt um, hier findet man eigentlich<br />

alles. Auch in den anderen Stadtteilen kann<br />

man fündig werden, aber hier sollte man sich<br />

besser von einem Einheimischen führen lassen.<br />

Die meisten Stadtteile außerhalb der<br />

Innenstadt bestehen vor allem aus<br />

Wohngebieten, z.B. die Großwohnsiedlungen<br />

Aerodrom und Erdoglija. Zumeist findet man<br />

auch noch einige Geschäfte und Cafés dort. In<br />

die Innenstadt kommt man am besten mit dem<br />

Taxi, das, im Vergleich zu deutschen Städten,<br />

sehr billig ist. Noch billiger sind die Busse, bei<br />

denen man aber nie weiß, wann sie kommen,<br />

da der Fahrplan nicht so exakt eingehalten<br />

wird, dass man sich wirklich auf ihn verlassen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

könnte. Man kann eigentlich alles Wesentliche<br />

in Kragujevac an einem Tag besichtigen. Wenn<br />

man mehr Zeit hier verbringen möchte,<br />

empfiehlt es sich Leute zu kennen, die einem<br />

die unterschiedlichen Ausgehmöglichkeiten<br />

zeigen können, die wissen, was man in der<br />

Umgebung noch besichtigen kann, und die<br />

einem zahlreiche schöne Einblicke in das<br />

serbische Leben geben können.<br />

Glücklicherweise habe ich auch in Kragujevac<br />

schon einige gute Freunde getroffen, die mir<br />

die Stadt zeigen konnten und mit denen ich<br />

schon einige schöne Stunden verbracht habe.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 67


Vom Nils Weitzel<br />

März 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />

Auch im März habe ich wieder hauptsächlich<br />

am zweiten Gymnasium gearbeitet. Dort hat<br />

sich im Vergleich zum Februar nicht viel<br />

verändert. Ich habe wieder recht viel Spaß mit<br />

den philologischen Klassen gehabt. Es wurden<br />

viele Tests geschrieben, bei deren Korrektur ich<br />

geholfen habe, weil die Schüler vor Ostern ihre<br />

nächste Dreimonatsnote bekommen.<br />

Mittlerweile habe ich auch die germanistische<br />

Fakultät, die es in Kragujevac gibt, kennen<br />

gelernt. Da die Deutschlehrergemeinde<br />

allgemein in Serbien und innerhalb der meisten<br />

Städten nicht so groß ist, kennen sich die<br />

meisten untereinander. Dadurch habe ich auch<br />

ein paar der Professoren kennen gelernt, die an<br />

der Uni arbeiten. Zwei Professorinnen habe ich<br />

auch im Unterricht begleitet. Dadurch habe ich<br />

alle vier Studienjahre kennen gelernt.<br />

Im ersten Jahr sind es meistens ungefähr 25<br />

Studenten, die ein Germanistikstudium<br />

beginnen. Darunter sind einige, die längere Zeit<br />

in einem deutschsprachigen Land gelebt haben,<br />

einige, die in der Schule oder in Privatstunden<br />

schon gut bis sehr gut Deutsch gelernt haben<br />

und einige, die Deutsch studieren, weil sie kein<br />

anderes Fach gefunden haben, in dem sie<br />

besser waren, insbesondere weil es wenig<br />

Bewerber gibt, sodass fast alle genommen<br />

werden. Im vierten Studienjahr sind es dann<br />

meistens nur noch ca. 15 Studenten, die das<br />

Studium mit einem serbischen Diplom<br />

abschließen. In Serbien gibt es keine<br />

Unterscheidung zwischen Studenten, die auf<br />

Lehramt studieren und solchen, die zum<br />

Beispiel als Übersetzer arbeiten wollen.<br />

Dadurch sind Methodik und Didaktik keine<br />

Schwerpunkte des Studiums. Dies habe ich<br />

gemerkt, weil ich den Methodikunterricht im<br />

vierten Studienjahr relativ regelmäßig besuche,<br />

da ich dort auch noch einiges lernen kann.<br />

Jedoch habe ich das Gefühl, dass die meisten<br />

Studenten nicht sehr viel über Methodik wissen<br />

und ich habe somit bei vielen auch Probleme<br />

mir vorzustellen, dass sie ab nächstem Jahr in<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

einer Schule unterrichten werden. Weitere<br />

Fächer, die ich kennen lernte, sind<br />

Konversation im Rahmen von<br />

Gegenwartsdeutsch, Übersetzung und Aufsatz,<br />

wobei ich nur den Konversationsunterricht im<br />

ersten Studienjahr häufiger besucht habe. Dort<br />

habe ich zusammen mit der Professorin einige<br />

landeskundliche Themen bearbeitet wie zum<br />

Beispiel das Deutschlandbild der Studenten,<br />

deutschsprachige Musik und<br />

Rechtsextremismus. Als Abschluss der<br />

Unterrichtseinheit haben wir außerdem über<br />

Vorurteile gegenüber anderen Ländern und<br />

Toleranz gesprochen. Dies macht mir sehr viel<br />

Spaß, da die Studenten häufig gut mitarbeiten<br />

und sie einfach viel besseres Deutsch sprechen<br />

als die Schüler, sodass ich mit ihnen auch<br />

anspruchsvollere Themen und Texte bearbeiten<br />

kann. Außerdem wird von der Fakultät auch ein<br />

Projekt veranstaltet, das sich Sprachcafé nennt.<br />

Ungefähr alle zwei Wochen finden dort<br />

Filmvorführungen, Präsentationen oder<br />

Vorführungen von Studenten statt, zu denen<br />

jeder kommen kann. Bei den Vorbereitungen<br />

helfe ich relativ häufig. So gab es zum Beispiel<br />

eine Theateraufführung von Studenten, bei der<br />

ich bei den Proben mehrmals dabei war und ein<br />

paar sprachliche Tipps gegeben habe sowie<br />

einige andere Tipps zur besseren<br />

Verständlichkeit des Stücks, das eine<br />

Übersetzung eines bekannten serbischen Films<br />

war. Des Weiteren habe ich unter anderem bei<br />

der Vorbereitung einer Filmvorführung<br />

geholfen, um einige sprachliche Wendungen zu<br />

erklären, die nicht sehr gebräuchlich sind. Bei<br />

der Organisation des Sprachcafés habe ich auch<br />

eine deutsche Lektorin kennen gelernt, die an<br />

der Uni arbeitet. Mit ihr habe ich mich auch<br />

sonst ein paar Mal getroffen, da es schön ist,<br />

sich einmal mit einer „echten“ Deutschen zu<br />

unterhalten und vor allem die zahlreichen<br />

Erfahrungen, die wir beide in Serbien<br />

gesammelt haben, auszutauschen.<br />

10 Tage lang bin ich Ende März in die Türkei<br />

gereist, nach Istanbul und Bartin sowie Amasra,<br />

zwei Orte am Schwarzen Meer. Die Reise war<br />

für mich eine Mischung aus Abenteuerreise,<br />

Städtetourismus, Bildungsreise und<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 68


Wiedersehen mit Freunden. Von Kragujevac bin<br />

ich zunächst mit dem Bus nach Niš im Süden<br />

Serbiens gefahren. Nach einer kurzen<br />

Stadtbesichtigung, u.a. die Festung sowie Teile<br />

der Innenstadt, bin ich mit dem Zug weiter<br />

zunächst bis Sofia und anschließend nach<br />

Istanbul gefahren. Insgesamt bin ich ca. 24<br />

Stunden über den Balkan gefahren. Vor allem<br />

zwischen Niš und Sofia war der Zug extrem<br />

langsam, da die Bahnstrecke in keinem guten<br />

Zustand ist. So hatte ich aber genug Zeit die<br />

wunderschöne Schlucht zwischen Niš und der<br />

bulgarischen Grenze zu genießen.<br />

In Sofia musste ich den Zug wechseln und dabei<br />

noch eine Reservierung für den Schlafwagen<br />

nach Istanbul kaufen. Dabei bezahlte ich wie<br />

wahrscheinlich die meisten ausländischen<br />

Touristen mehr als die Karte eigentlich kostet<br />

und auch auf dem Rückweg wollte ein<br />

Mitarbeiter, der mir den Zug zeigte ohne dass<br />

ich ihn danach fragte, ein üppiges Trinkgeld,<br />

was ich jedoch ablehnte. Aus diesem Grund ist<br />

mein Eindruck vom Bahnhof in Sofia nicht<br />

unbedingt der beste. Die Stadt selber sah man<br />

kaum, aber das, was man sah, wirkte nicht sehr<br />

schön: viele Hochhäuser und einige<br />

Hüttensiedlungen. Das einzige, was sehr<br />

interessant wirkte, war die Lage, da sich die<br />

Stadt selber in einer Ebene befindet aber direkt<br />

daneben verschneite Berge liegen.<br />

Im Schlafwagen traf ich dann noch zwei<br />

Schweizer, deren Reisepläne noch<br />

abenteuerlicher waren als meine und die auch<br />

schon von der Schweiz aus mit dem Zug<br />

gekommen waren. Von der Ebene ging es<br />

wieder in ein Mittelgebirge, von dem wir aber<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

nicht mehr so viel mitbekamen, weil es relativ<br />

schnell dunkel wurde. Erst an der Grenze zur<br />

Türkei wurden wir wieder aufgeschreckt. Die<br />

bulgarische Kontrolle verlief noch relativ<br />

gesittet, aber die türkischen Zöllner ließen uns<br />

aussteigen und alle mussten zu Fuß zur<br />

Grenzstation laufen, lange warten und sich<br />

dann ihren Einreisestempel abholen.<br />

Anschließend ging es bei Nacht weiter bis kurz<br />

vor Istanbul. Die riesigen Ausmaße der Stadt<br />

nimmt man am besten war, wenn man mit dem<br />

Zug kommt, da man eine Stunde durch<br />

verschiedenste Stadtviertel fährt, bis man im<br />

Stadtzentrum ankommt. Das Highlight ist die<br />

letzte Viertelstunde, in der man den Hügel, auf<br />

dem die Altstadt mit vielen großen Moscheen<br />

und dem Sultanspalast liegt, umrundet.<br />

Mein Hostel lag im neueren Stadtzentrum auf<br />

einem Hügel auf der anderen Seite des<br />

Goldenen Horns, einem Seitenarm des<br />

Bosporus. Dort habe ich viele Menschen<br />

kennen gelernt und mit einigen von ihnen habe<br />

ich auch etwas in Istanbul unternommen. Ich<br />

war zunächst drei Tage dort und am Ende noch<br />

einmal eineinhalb. Während dieser Zeit bin ich<br />

vor allem viel gelaufen und habe probiert viele<br />

Stadtteile zu Fuß zu erkunden. Dabei habe ich<br />

unterschiedlichste Teile kennen gelernt, von<br />

ärmlichen und streng religiösen Vierteln bis zu<br />

westlich anmutender Einkaufsviertel. Ich habe<br />

probiert eine Mischung aus dem Besichtigen<br />

der touristischen Sehenswürdigkeiten, der<br />

historischen Zeugnisse, der Viertel ohne<br />

Touristen und den interessanten Punkten des<br />

modernen Istanbuls zu finden.<br />

Die meisten touristischen Sehenswürdigkeiten<br />

liegen im Stadtteil Sultanahmet auf mehreren<br />

Hügeln. Hier lag sowohl das byzantinische als<br />

auch das osmanische Zentrum.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 69


Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten zählen<br />

der Sultanspalast, die Aya Sofya, zuerst<br />

christliche Kirche, dann Moschee, heute<br />

Museum, die Blaue Moschee und der große<br />

Bazar. Einige weitere Tipps von mir sind das<br />

Aquädukt oberhalb der Atatürkbrücke, die<br />

Promenade entlang des Goldenen Hornes, auf<br />

der am Wochenende viele Einheimische<br />

spazieren gehen, sowie das Gebäude des<br />

ehemaligen griechischen Patriarchats, das sehr<br />

groß und sehr schön verziert aber leider nicht<br />

zu besichtigen ist.<br />

Das zweite sehr touristische Viertel ist Taksim,<br />

in dem auch mein Hostel lag. Es besteht vor<br />

allem aus einer großen Fußgängerzone, die fast<br />

den ganzen Tag über voll von Menschen ist. An<br />

ihr sowie in den benachbarten Gassen gibt es<br />

zahlreiche Geschäfte, Cafés, Bars, Diskotheken<br />

und Restaurants. Am unteren Ende steht der<br />

hohe Galata-Turm, der ein Teil der alten<br />

Stadtbefestigung ist. Am oberen Ende befindet<br />

sich ein großer Park mit mehreren neuen und<br />

zum Teil architektonisch anspruchsvollen<br />

Hochhäusern. Was mir ebenfalls sehr gefiel,<br />

war das Ufer des Bosporus, das oft sehr belebt<br />

ist, an dem es einen weiteren Sultanspalast,<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

mehrere Moscheen, das Museum für moderne<br />

Kunst sowie einige Bazare gibt, die manchmal<br />

touristisch wirken, wo man aber oft auch nur<br />

Einheimisch sieht.<br />

Empfehlen kann ich außerdem eine Fahrt mit<br />

einer der Fähren über den Bosporus, die sehr<br />

billig sind und während der man einen schönen<br />

Blick auf die Stadt hat. Die asiatische Seite der<br />

Stadt ist dagegen meiner Meinung nach nicht<br />

so interessant, weil viele hübsche Gebiete<br />

militärisches Sperrgebiet sind.<br />

Daneben empfehle ich jedem Istanbulreisenden<br />

möglichst viele verschiedene Viertel zu<br />

besuchen, da sich die Atmosphäre manchmal<br />

alle zwei Straßen ändert. Ob man sich eher in<br />

wohlhabende oder ärmere Viertel, religiöse<br />

oder weltlichere begibt, bleibt dabei dem<br />

Geschmack eines jeden Reisenden überlassen.<br />

Tipps habe ich auch noch von einer<br />

Einheimischen erhalten. Tümay ist<br />

Englischlehrerin in Istanbul und wir haben<br />

einen halben Tag zusammen verbracht. Ich<br />

habe sie letztes Jahr in Ingolstadt während des<br />

Austausches kennen gelernt. Sie hat mir auch<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 70


geholfen den zweiten Teil meiner Reise zu<br />

organisieren. Ich bin nach Bartin, eine<br />

Kleinstadt zwanzig Kilometer vom Schwarzen<br />

Meer entfernt, sowie Amasra, ein Dorf direkt<br />

am Schwarzen Meer, gefahren.<br />

Insgesamt sieben Stunden dauerte die Fahrt<br />

mit dem Bus jeweils, war aber eigentlich recht<br />

angenehm, da der Service wegen der hohen<br />

Konkurrenz der Busunternehmen in der Türkei<br />

recht gut ist. Mein einziges Problem war, dass<br />

ich mich mit niemandem unterhalten konnte,<br />

weil außerhalb von Istanbul und einigen<br />

Touristenorten nur wenige Menschen<br />

Fremdsprachen beherrschen. Auch die meisten<br />

Menschen, die ich in Bartin getroffen habe,<br />

sprechen nur wenig Englisch. Die Einzigen, mit<br />

denen ich mich gut unterhalten konnte, waren<br />

ein Englischlehrer, der auch den Austausch mit<br />

Ingolstadt organisiert, sowie ein Mädchen, das<br />

früher einmal in Deutschland gelebt hat. Ich bin<br />

nach Bartin gefahren, da alle Mitglieder der<br />

türkischen Gruppe, die ich in Ingolstadt kennen<br />

lernte, außer Tümay, dorther kommen. Bartin<br />

ist eine normale Kleinstadt, in einer schönen,<br />

bergigen Gegend. Amasra ist wesentlich<br />

hübscher, ein kleines Dorf, an einer steilen<br />

Küste, das schon von den Römern als Hafen<br />

genutzt wurde.<br />

Ein besonderes Highlight war, dass ich an<br />

einem Vormittag zusammen mit dem<br />

Englischlehrer ein türkisches Gymnasium<br />

besuchen durfte. Die Schüler dort tragen alle<br />

Schuluniformen und auch die Lehrer haben<br />

recht strenge Kleidervorschriften. Ansonsten ist<br />

das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern<br />

aber meiner Meinung noch freundschaftlicher<br />

und direkter als in Serbien. Der Unterricht ist<br />

häufig ebenfalls nicht von modernen Methoden<br />

sondern vom Auswendiglernen geprägt, da dies<br />

in den Aufnahmeprüfungen für die<br />

Universitäten gefordert wird. Aus einem Grund,<br />

den ich bislang noch nicht gefunden habe,<br />

haben die Schüler große Probleme mit<br />

Fremdsprachen. Während an den Gymnasien in<br />

Serbien die Schüler fast alle gut Englisch<br />

sprechen, sind dies in der Türkei nur die<br />

wenigsten.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Insgesamt hatte ich eine sehr schöne Zeit in der<br />

Türkei, in der ich viele interessante Erfahrungen<br />

machte. Ich habe mit Istanbul eine<br />

faszinierende Großstadt kennen gelernt. Die<br />

meisten Menschen, die ich traf, insbesondere<br />

in Bartin, waren sehr freundlich und haben sich<br />

trotz Sprachproblemen toll um mich<br />

gekümmert, sodass ich gerne noch einmal<br />

dorthin zurückkehren möchte.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />

Euer Nils.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 71


Vom Nils Weitzel<br />

April 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />

Im April habe ich noch eine weitere Schulform<br />

kennen gelernt, die ich bisher nur aus Berichten<br />

kannte: die Grundschule. Im Sprachcafé (siehe<br />

den Bericht von März) der germanistischen<br />

Fakultät traf ich eine Deutschlehrerin, die mich<br />

fragte, ob ich Lust habe, ein paar Stunden bei<br />

ihr zu besuchen. Die Kinder, deren Unterricht<br />

ich mir anschaute, sind zwischen 10 und 12<br />

Jahren und besuchen die 5. und 6. Klasse. Sie<br />

beginnen in der 5. Klasse Deutsch zu lernen. Da<br />

Deutsch erst seit 2 Jahren als zweite<br />

Fremdsprache unterrichtet wird, gibt es keine<br />

älteren Schüler, die Deutsch lernen, an der<br />

Grundschule, die insgesamt acht Jahre dauert.<br />

Die meisten Schüler an der Grundschule sind<br />

sehr fasziniert von mir, dass ich als Deutscher<br />

ihren Unterricht besuche. Dadurch sind sie fast<br />

immer sehr aufmerksam, wenn ich etwas sage,<br />

andererseits waren sie aber vor allem am<br />

Anfang auch sehr nervös, weil sie nichts<br />

Falsches sagen wollten. Mit der Zeit gewöhnten<br />

sie sich aber an mich und ich glaube, dass sie<br />

insgesamt mehr lernen als vorher, weil der<br />

Unterricht durch meine Anwesenheit für sie viel<br />

interessanter ist.<br />

Außer in der Grundschule unterrichtet diese<br />

Lehrerin auch in einer privaten Sprachschule in<br />

Kragujevac. Dort habe ich auch Stunden von ihr<br />

besucht. Die Gruppen dort sind sehr klein, im<br />

Normalfall nicht mehr als vier Schüler. Dadurch<br />

kann ich manchmal ganz individuell mit<br />

einzelnen Schülern arbeiten. Ansonsten sind<br />

meine Aufgaben ähnlich wie in den staatlichen<br />

Schulen. Was aber interessant ist, ist, dass die<br />

Schüler häufig an anderen Themen interessiert<br />

sind als die meisten Jugendlichen, was vor<br />

allem daran liegt, dass sie häufig schon ein<br />

Studium beendet haben. Dadurch habe ich zum<br />

Beispiel einmal über die deutsche Wirtschaft<br />

gesprochen, obwohl die Schüler nur relativ<br />

wenig Deutsch gesprochen haben, aber ich<br />

habe festgestellt, dass man fast alle Sachen in<br />

sehr einfachem Deutsch ausdrücken kann,<br />

wenn man sich nur entsprechend bemüht.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Daneben hatte ich auch weiterhin die meisten<br />

Stunden am zweiten Gymnasium. Außerdem<br />

besuchte ich noch einige Stunden an der<br />

Fakultät sowie am ersten Gymnasium. Für ein<br />

paar Gruppen, die Lust hatten, habe ich<br />

während der Osterferien alleine Stunden<br />

gehalten, weil viele Lehrer, u.a. auch Nataša, im<br />

Urlaub waren, aber ich, nachdem ich vorher in<br />

der Türkei war, diesmal nur ein paar Ausflüge<br />

von Kragujevac aus gemacht habe. Dies hat viel<br />

Spaß gemacht, weil die Gruppen alle Lust<br />

hatten etwas zu lernen und ich mir deswegen<br />

einige interessante und zum Teil lustige<br />

Aufgaben ausdenken konnte.<br />

In Serbien fand Ostern dieses Jahr eine Woche<br />

später statt als in Deutschland. Dies hängt mit<br />

den unterschiedlichen Kalendern von<br />

orthodoxer und katholischer bzw.<br />

evangelischer Kirche zusammen. Nach meiner<br />

Einschätzung ist Ostern das wichtigste<br />

Familienfest des Jahres in Serbien. Fast alle<br />

Menschen, die ich kenne, haben Ostern mit<br />

ihrer Familie oder zumindestens einem Teil<br />

davon verbracht. Aus diesem Grund habe ich<br />

mich in Kragujevac richtig einsam gefühlt, da<br />

ein Großteil meiner Freunde (Schüler und<br />

Studenten) zu Verwandten in allen Teilen des<br />

ehemaligen Jugoslawiens gefahren ist. Da<br />

Kragujevac eine Schüler- und Studentenstadt<br />

ist, macht sich dies besonders bemerkbar, weil<br />

viel mehr Menschen von Kragujevac wegfahren<br />

als dorthin zu Verwandten kommen. Daran<br />

kann man auch sehen, dass die Verstädterung<br />

in Serbien in den letzten 20 bis 30 Jahren stark<br />

zugenommen hat, weil die Großeltern vieler<br />

Menschen noch in irgendwelchen Dörfern<br />

leben, während die Eltern zum Arbeiten und die<br />

Kinder zum Studieren in die Städte ziehen. Das<br />

Osterfest beginnt mit dem wichtigsten Feiertag<br />

der orthodoxen Kirche, dem Karfreitag (Veliki<br />

Petak = Großer Freitag). Alle Gläubigen fasten<br />

an diesem Tag, was bedeutet, dass man kein<br />

Fleisch und keine Milchprodukte ist. Außerdem<br />

ist jede Art von Arbeit verboten.<br />

Den besonders Gläubigen wird von der Kirche<br />

empfohlen sich wenig zu bewegen und in der<br />

Bibel zu lesen. Außerdem färben die Menschen<br />

an diesem Tag und am anschließenden Samstag<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 72


Eier für die weiteren beiden Feiertage. Der<br />

Ostersonntag ist dann der Höhepunkt des<br />

Osterfestes. An diesem Tag isst man sehr viel,<br />

vor allem (gefärbte) Eier und Lammfleisch<br />

gehören ähnlich wie in Deutschland zu einem<br />

typischen Ostermahl. Zu den Osterbräuchen<br />

gehört auch das Eierditschen. Der Ostermontag<br />

ist dann wie in Deutschland noch ein Feiertag<br />

aber er hat eine geringere Bedeutung als der<br />

Karfreitag und der Ostersonntag. Ich habe das<br />

Gefühl, dass Ostern das ruhigste, familiärste<br />

und religiöseste Fest in Serbien ist.<br />

Weihnachten wird eigentlich nur 1½ Tage<br />

innerhalb der Familie und mit religiösen<br />

Bräuchen gefeiert und anschließend feiert man<br />

zusammen mit Freunden die restlichen<br />

Feiertage. Die ursprünglich ebenfalls religiösmotivierten<br />

Slava-Feiern werden vor allem von<br />

Jugendlichen heutzutage als gute Möglichkeit<br />

zum Feiern mit Familie und Freunden<br />

angesehen. Dagegen wird Ostern von fast allen<br />

ausschließlich mit der Familie und mit viel<br />

Besinnlichkeit gefeiert.<br />

Während der Osterferien habe zwar auch<br />

einige Lehrer vertreten und somit waren es<br />

keine richtigen Ferien aber für zwei<br />

Eintagesausflüge hatte ich noch Zeit.<br />

Zunächst war ich in Kraljevo. Das ist eine<br />

mittelgroße Stadt ca. 50 km südlich von<br />

Kragujevac. Ich habe mir die Stadt angeschaut<br />

und eine Wanderung zum Kloster Žiča, einer<br />

sehr bekannten Klosteranlage, und nach<br />

Mataruška Banja, einem bekannten Kurort,<br />

gemacht.<br />

Die Fahrt nach Kraljevo war eine typische<br />

serbische Busfahrt. Die Straßen sind<br />

überwiegend nicht gut gewesen, der Bus<br />

ziemlich alt und er hält in jedem kleinen Dorf<br />

mindestens einmal. Zum Glück war er nicht<br />

sehr voll, sodass ich die 1¼ Stunden Busfahrt<br />

recht gut überstanden habe.<br />

Das erste interessante Gebäude, dass ich in<br />

Kraljevo gesehen habe, war die Sava-Kirche. Sie<br />

ist am Rande der Innenstadt und wird gerade<br />

renoviert, sodass ich sie nicht besichtigen<br />

konnte. Sie ist die größte Kirche in Kraljevo und<br />

in einem schönen Rotton gestrichen.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Daneben entdeckte ich noch eine weitere<br />

orthodoxe sowie eine katholische Kirche, die<br />

aber nicht so schön wie diese waren. Danach<br />

bin ich weiter zum Ibar-Park (Der Ibar ist ein<br />

kleiner Fluss, der durch Kraljevo fließt und<br />

danach in die Morava mündet.). Dies ist eine<br />

schöne Parkanlage oberhalb des Flusses.<br />

Bei schönem Wetter, wie ich es zum Glück<br />

hatte, findet man hier viele Menschen, die<br />

spazieren gehen, Sport machen oder sich<br />

einfach nur unterhalten. Im Park ist auch das<br />

meiner Meinung nach interessanteste Gebäude<br />

der Stadt, der Gospodar Vasin Konak. Er<br />

stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert und ist<br />

damit eines der ältesten Gebäude der Stadt, die<br />

im zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde und<br />

danach überwiegend nach sozialistischfunktionalen<br />

Vorstellungen wieder aufgebaut<br />

wurde. So gibt es eine breite Fußgängerzone,<br />

die von einem zentralen, runden Platz geteilt<br />

wird. Auf diesem ist ein Denkmal für die<br />

gefallen serbischen Soldaten des ersten<br />

Weltkriegs. Auf diesem Platz waren zahlreiche<br />

Imker, die an Ständen ihren Honig verkauften.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 73


Die meisten Gebäude entlang der<br />

Fußgängerzone sind, ebenso wie das Rathaus,<br />

Funktionsbauten, die wenig Atmosphäre<br />

verbreiten. Nachdem ich die große Straße die<br />

durch das Ibartal in den Süden Serbiens<br />

Richtung Novi Pazar und danach weiter<br />

Richtung Kosovo oder Montenegro führt,<br />

überquert hatte, fand ich einen sehr großen<br />

Markt, der zum Teil entlang einer Straße und<br />

zum Teil auf einem sehr großen Marktgelände<br />

abgehalten wurde. Dafür, dass ich an einem<br />

Freitagmittag dort war, kauften meiner<br />

Meinung nach sehr viele Menschen ein.<br />

Nachdem ich den Ibar überquert hatte, begann<br />

die zweite Etappe meines Ausfluges: Die<br />

Wanderung zum Kloster Žiča (Manastira Žiča).<br />

Der Weg führt ungefährt vier Kilometer fast nur<br />

geradeaus entlang einer recht stark befahrenen<br />

Straße. Leider gibt es keine ausgeschilderten<br />

Wanderwege, die man stattdessen laufen<br />

könnte. Während des Weges hat man immer<br />

wieder schöne Blicke auf das Ibar-Tal sowie die<br />

Berge, die sich südlich von Kraljevo erheben<br />

und bis zu 1000m hoch sind.<br />

Das Kloster liegt auf einer Anhöhe und besteht<br />

aus einer zentralen Kirche sowie einigen<br />

umliegenden Gebäuden, die zurzeit zum Teil<br />

neu gebaut und zum Teil erneuert werden.<br />

Während die Kirche noch aus dem 13.<br />

Jahrhundert stammt, wurden alle anderen Teile<br />

der Anlage zerstört und später neu gebaut. Die<br />

Kirche war einer der wichtigsten Plätze des<br />

mittelalterlichen serbischen Reiches, da der<br />

heilige Sava hier seinen Bischof weihte und<br />

Stefan Nemanja zum König krönte.<br />

Anschließend wurde das Kloster zum ersten<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Erzbischofssitz des Landes. Dieser wurde jedoch<br />

noch im 13. Jahrhundert wegen der<br />

ungarischen Bedrohung weiter nach Süden<br />

verlegt. Die Kirche wurde wie zahlreiche andere<br />

Kirchen aus dem 13. Jahrhundert in dieser<br />

Gegend im sogenannten Raškastil gebaut.<br />

Sie enthält sehr schöne Bemalungen, die aber<br />

nicht so gut erhalten sind. Die Anlage ist eines<br />

der bedeutendsten Klöster Serbiens und<br />

besticht sowohl mit sehr schönen Bauten als<br />

auch mit einer sehr schönen und natürlichen<br />

Umgebung. Das einzige was mich störte war,<br />

dass die Regeln, die vor dem Kloster standen<br />

und ähnlich sind wie in bedeutenden Kirchen in<br />

Mitteleuropa von kaum jemandem (nicht<br />

einmal den Mönchen) eingehalten wurden. So<br />

kontrollierte niemand die<br />

Kleidungsvorschriften, jeder konnte<br />

fotografieren und auch über sehr laute<br />

Gespräche beschwerte sich niemand. Dadurch<br />

verlor das Kloster für mich einen Großteil seiner<br />

Faszination, da es kein Ort der Ruhe mehr war.<br />

Nachdem ich in unmittelbarer Umgebung des<br />

Klosters gepicknickt hatte, wanderte ich weiter.<br />

Es ging wieder abwärts zum Ibar. Nach etwa<br />

drei Kilometern erreichte ich den Kurort<br />

Mataruška Banja, einen bekannten Kurort in<br />

Serbien. Es ist eigentlich ein kleines Dorf mit<br />

einer großen und schönen Parkanlage direkt<br />

am Ibar. Dort entspannte ich einige Zeit.<br />

Anschließend fuhr ich mit einem Taxi<br />

gemeinsam mit drei anderen Menschen wieder<br />

zurück nach Kraljevo. Eigentlich wollte ich mit<br />

dem Bus fahren, aber als ich auf diesen<br />

wartete, sprach mich eine Frau an, ob ich nicht<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 74


mit dem Taxi fahren wolle, da es nicht teurer<br />

als der Bus aber deutlich schneller sei.<br />

In Kraljevo lief ich noch ein bisschen durch die<br />

Innenstadt bevor ich – mal wieder – eine recht<br />

abenteuerliche Rückfahrt hatte. Der Bus<br />

entsprach einem ca. 30 Jahre alten deutschen<br />

Stadtbus, der sehr voll und deswegen auch sehr<br />

heiß war. Er kämpfte so stark mit der hügeligen<br />

Strecke nach Kragujevac, das ich einige Male<br />

dachte, dass wir gleich stehen bleiben würden.<br />

Glückerlicherweise kam ich aber doch gut<br />

wieder an.<br />

Das schöne für mich ist, dass solche kurzen<br />

Busreisen wirklich sehr billig sind. Ich habe<br />

insgesamt für die Hin- und Rückfahrt, eine<br />

Taxifahrt von Maruška Banja nach Kraljevo und<br />

für Verpflegung weniger als 10 € ausgegeben.<br />

Das würde ich wahrscheinlich in Deutschland<br />

allein für die Hinfahrt bezahlen. Deswegen kann<br />

ich mit der schlechten Qualität der Busse und<br />

Straßen ganz gut leben.<br />

Mein zweiter Ausflug führte mich nach Gornji<br />

Milanovac, wo ich eine Freundin besucht habe.<br />

Gornji Milanovac ist eine kleine Stadt (ca.<br />

50.000 Einwohner im Gemeindegebiet), die<br />

etwas weniger als 50km von Kragujevac<br />

entfernt ist. Bereits auf der Fahrt dorthin und<br />

zurück machte ich wieder meine Erfahrungen<br />

mit serbischen Straßen sowie Busreisen. Die<br />

Busse halten in jedem noch so kleinen Dorf und<br />

es steigen auch tatsächlich Leute ein und aus.<br />

Wegen einer Baustelle musste der Bus einen<br />

Umweg durch ein großes Parkareal in<br />

Kragujevac machen, über sehr schmale Straßen,<br />

die in Deutschland, auch wegen ihrer Lage im<br />

Park, wahrscheinlich für den Autoverkehr<br />

gesperrt wären. Abgesehen davon war die<br />

Fahrt aber schön, weil die Landschaft zwischen<br />

Kragujevac und Milanovac sehr schön ist. Die<br />

Landschaft ist sehr hügelig und bewaldet,<br />

dazwischen gibt es viele kleine Dörfer.<br />

Die Stadt wurde während der diversen Kriege<br />

des letzten Jahrhunderts stark zerstört,<br />

insbesondere während des zweiten<br />

Weltkrieges. Aus diesem Grund gibt es nur<br />

wenige alte Gebäude, aber trotzdem einige<br />

sehr schöne.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Die schönsten sind wahrscheinlich die<br />

orthodoxe Kirche, eine frisch renovierte<br />

Grundschule und das alte Rathaus. Interessant<br />

ist, dass das schönste Schulgebäude eine<br />

Grundschule ist, da die Städte normalerweise<br />

sich gut präsentieren wollen und deswegen die<br />

Gymnasien (die höchsten Schulen in Serbien)<br />

am besten erhalten sind, während man auf die<br />

Grundschulen häufig keinen großen Wert legt.<br />

Die Innenstadt ist nicht so groß, aber es gibt<br />

viele Cafés, in denen man bei den<br />

sommerlichen Temperaturen, die wir hatten,<br />

auch draußen sitzen kann. Das schönste an<br />

Milanovac sind meiner Meinung nach aber die<br />

Parkanlagen und die Mischung aus städtischer<br />

Bebauung und einer sehr schönen natürlichen<br />

Umgebung. Wir waren in zwei Parks.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 75


Einer davon war der Brdo Mira (direkt<br />

übersetzt: Berg der Ruhe oder Berg des<br />

Friedens).Dieser liegt oberhalb der Innenstadt<br />

und wurde zu Ehren von serbischen Helden aus<br />

verschiedenen Zeiten erbaut. Er enthält<br />

mehrere Denkmäler, ist überwiegend bewaldet<br />

und auch sonst schön gestaltet. Man hat auch<br />

einen schönen Blick auf die Stadt und ihre<br />

Umgebung. Der zweite Park, in dem wir waren<br />

ist deutlich kleiner, liegt nicht weit vom Brdo<br />

Mira entfernt, und ist sehr naturbelassen, aber<br />

auch nicht so gepflegt.<br />

Ich glaube, dass Gornji Milanovac eine typische<br />

serbische Kleinstadt ist. Sie ist hübsch gelegen,<br />

bietet einige Möglichkeiten einen schönen Tag<br />

in Parks oder Cafés zu verbringen und aus<br />

Erzählungen der Freundin, die ich besuchte,<br />

weiß ich, dass man auch nachts dort gut<br />

ausgehen kann. Die serbischen Kleinstädte<br />

leben viel von ihren Menschen, da sich die<br />

meisten Menschen untereinander gut kennen<br />

und die Atmosphäre deswegen sehr freundlich<br />

ist. So habe ich auch viele Menschen kennen<br />

gelernt, die mit meiner Freundin befreundet<br />

sind. Viele von ihnen haben wir einfach so auf<br />

der Straße getroffen. Somit war es ein<br />

interessanter Tagesausflug, der mir einige<br />

schöne und interessante Einblicke in die<br />

serbische Kultur und das serbische Leben<br />

außerhalb der großen Städte gegeben hat.<br />

Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />

Euer Nils.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 76


Vom Nils Weitzel<br />

Mai 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />

Gemeinsam mit einer Lektorin von der Uni<br />

Kragujevac und einer Lektorin von der Uni in<br />

Novi Pazar, einer Stadt im Süden Serbiens,<br />

organisierte ich im Mai ein Projekt für<br />

Studenten. Das Projekt namens „Auf welcher<br />

Insel lebst du denn? Ein Planspiel zur<br />

Demokratie“ dauerte zwei Tage lang. Der<br />

Großteil fand im zweiten Gymnasium statt.<br />

Dort hatten wir zwei Räume zur Verfügung. In<br />

dem Projekt ging es darum, dass die Studenten<br />

auf einer Insel strandeten und dann<br />

verschiedene Aufgaben lösen mussten, in<br />

denen es um das Überleben und ihre Regeln<br />

auf der Insel ging. Während es am Anfang um<br />

grundlegende Dinge wie Nahrungsbeschaffung<br />

ging, sollten sie später unter anderem<br />

miteinander handeln, Herrschaftsregeln<br />

aufstellen und am Ende beschäftigten sie sich<br />

auch mit Migration zwischen den Inseln. Die<br />

meisten der Studenten aus Novi Pazar haben<br />

längere Zeit in Deutschland gelebt und<br />

sprechen deswegen sehr gut Deutsch aber es<br />

fiel auf, dass sie Probleme hatten sich gut und<br />

präzise auszudrücken, wenn es um politische<br />

oder wirtschaftliche Fragen ging.<br />

Nach dem wir am ersten Tag den ganzen Mittag<br />

und Nachmittag mit dem Planspiel beschäftigt<br />

waren, schauten wir abends einen Film.<br />

Nachdem wir uns anschließend in der<br />

Kragujevacer Innenstadt noch besser kennen<br />

gelernt hatten, ging es am nächsten Tag bis<br />

zum Mittag mit dem Planspiel weiter. Das<br />

gesamte Projekt hat mir viel Spaß gemacht, wir<br />

haben sehr intensiv gearbeitet, die Studenten<br />

machten sehr gut mit und die Ergebnisse waren<br />

auch sehr interessant.<br />

Daneben hatte ich weiterhin viele Stunden am<br />

zweiten Gymnasium, an der Grundschule, in<br />

den DAAD-Kursen und in der Privatschule. Am<br />

zweiten Gymnasium hatte ich relativ viele<br />

Stunden alleine, weil Nataša auf einigen<br />

Seminaren war. Die meisten der Stunden waren<br />

eigentlich ganz schön, weil die meisten Schüler<br />

gut mitmachten. An der Privatschule habe ich<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

außerdem noch einen weiteren Deutschlehrer<br />

kennen gelernt, der auch an der Fakultät<br />

arbeitet und bei dem ich einige Stunden<br />

besuchte. Dadurch habe ich jetzt neben den<br />

bisherigen Fächern auch noch die<br />

grammatikalischen Übungen als Teil von<br />

Gegenwartsdeutsch sowie den Unterricht für<br />

Deutsch als Zweitfach kennen gelernt.<br />

Die Schüler der 4. Klasse am Gymnasium hatten<br />

am 29. Mai ihren letzten Schultag. Deswegen<br />

gab es davor noch einige Tests, viele Noten und<br />

eine schöne gemeinsame Abschlussfeier am<br />

letzten Schultag.<br />

Da das Wetter im Mai überwiegend schön war,<br />

war ich an den Wochenenden oft unterwegs in<br />

der Stadt oder unternahm Ausflüge. Ich bin<br />

zum Beispiel einmal in der Umgebung von<br />

Kragujevac gewandert und an einem<br />

Wochenende besuchte ich viele Freunde in<br />

Valjevo. Mein persönliches Highlight war<br />

jedoch am vorletzten Maiwochenende.<br />

Nachdem ich schon viele größere und kleinere<br />

Städte in Serbien besichtigt hatte, hatte ich im<br />

Mai die Möglichkeit zusammen mit einer<br />

Reisegruppe von der ich einige Mitglieder<br />

kannte, die wahrscheinlich interessanteste<br />

Natursehenswürdigkeit Serbiens zu sehen:<br />

Đavolja Varoš (übersetzt: Teufelsort).<br />

Um dort hinzukommen muss man von<br />

Kragujevac ungefähr vier Stunden Fahrzeit<br />

einkalkulieren. Da ich mich mit den Menschen<br />

aus der Gruppe, die ich kannte, sehr gut<br />

verstanden habe, war die Fahrt, trotz zum Teil<br />

äußerst schlechter Straßenverhältnisse, sehr<br />

lustig. Đavolja Varoš liegt im Süden Serbiens<br />

nicht weit entfernt von der Grenze zum Kosovo.<br />

Es ist Teil des Radangebirges.<br />

Đavolja Varoš besitzt neben einer allgemein<br />

sehr schönen Umgebung zwei Besonderheiten,<br />

die man nicht sehr oft findet. Das eine sind<br />

durch Erosion entstandene Erdpyramiden,<br />

insgesamt ungefähr 200, das andere<br />

mineralhaltige Quellen, sodass die Bäche zum<br />

Teil gelb oder rot sind. Die Minerale wurde<br />

früher auch in zahlreichen Minen abgebaut, die<br />

aber mittlerweile alle geschlossen sind. Über<br />

die Entstehung der Erdpyramiden gibt es<br />

zahlreiche Mythen. Einer besagt, dass an<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 77


diesem Ort zwei Geschwister heirateten und<br />

die gesamte Hochzeitsgesellschaft versteinert<br />

wurde wegen dieser Sünde. Deswegen soll man<br />

in den Erdpyramiden zahlreiche Figuren<br />

entdecken.<br />

Ich konnte aber nur einige wenige finden und<br />

die meisten davon auch erst hinterher auf<br />

Fotos am Computer. Das Gebiet steht unter<br />

Naturschutz und steht zurzeit als<br />

Weltnaturwunder im Internet zur Wahl und<br />

laut meinen serbischen Quellen stehen die<br />

Chancen nicht schlecht, dass es gewählt wird.<br />

Man kann nicht den ganzen Weg mit dem Bus<br />

fahren, sondern muss zum Schluss ungefähr 45<br />

Minuten laufen, um zu den Erdpyramiden zu<br />

gelangen. Deswegen empfiehlt es sich<br />

Turnschuhe oder andere feste Schuhe<br />

anzuziehen. Entlang des für serbische<br />

Verhältnisse sehr guten Wanderweges findet<br />

man zahlreiche Statuen von mehr oder weniger<br />

bekannten Künstlern sowie einige ehemalige<br />

Minen mit gelben oder roten Bächen.<br />

Schließlich erreichten wir das erste Feld von<br />

Erdpyramiden, das sich an einem Hang<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

befindet. Nachdem wir zuerst zahlreiche Fotos<br />

machten, liefen wir über eine Treppe auf den<br />

Grad, an dessen beiden Hängen die Felder mit<br />

den Erdpyramiden sind. Nach weiteren Fotos<br />

dort oben, liefen wir weiter zu einer kleinen<br />

Kapelle und anschließend wieder hinab zum<br />

Parkplatz.<br />

Anschließend fuhren wir weiter nach Prolom<br />

Banja, einem kleinen, sehr schön in einem<br />

engen Tal gelegenen Kurort, wo wir zu Mittag<br />

aßen. Nach einem kurzen Spaziergang durch<br />

den Kurpark und der obligatorischen<br />

Besichtigung der heilsamen Quellen,<br />

entschieden wir uns noch eine Wanderung zu<br />

einer Kirche, die ursprünglich aus dem vierten<br />

Jahrhundert stammen soll, zu machen. Der<br />

Weg war für serbische Verhältnisse sehr gut<br />

ausgeschildert, sodass es nicht schwierig war<br />

sich zurechtzufinden. Außerdem trafen wir<br />

einige andere Wanderer, die wir immer fragen<br />

konnten, wie lange es noch sei. Die Kirche<br />

(Crkva Lazarica) ist an einem Hang gelegen und<br />

besteht aus einem Glockenturm, einem kleinen<br />

Gebetsraum und einem Souvenirshop. Aus<br />

Zeitgründen legten wir aber nur eine kurze<br />

Pause ein und machten uns dann auf den<br />

Rückweg. Nach einem kühlen Getränk gegen<br />

die Hitze in einem schönen Café außerhalb des<br />

Ortes, erreichten wir pünktlich den Bus und<br />

hatten eine wiederum lustige Rückfahrt.<br />

Falls das Wetter so gut bleibt und laut den<br />

Vorhersagen soll es das, werde ich<br />

wahrscheinlich auch im Juni noch einige<br />

Ausflüge unternehmen, von denen ich Euch<br />

dann in meinem nächsten und letzten Bericht<br />

erzählen werde.<br />

Bis dahin! До виђења!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 78


Vom Nils Weitzel<br />

Juni 2009<br />

Здраво из Крагујевцa! Hallo zu meinem letzten<br />

Bericht aus Kragujevac und aus Serbien!<br />

Der Juni war mein letzter Monat in Serbien,<br />

sodass ich dieses Mal neben einem Bericht des<br />

letzten Monats auch ein bisschen Bilanz ziehen<br />

möchte.<br />

Ein Highlight gab es noch am zweiten<br />

Gymnasium. Nataša hat sich für das Programm<br />

„Schulen – Partner der Zukunft (PASCH)“ des<br />

Goethe-Instituts beworben. Deswegen hatten<br />

wir an einem Tag eine Präsentation am zweiten<br />

Gymnasium. Dazu kam eine Mitarbeiterin des<br />

Goethe-Instituts und besichtigte die Schule,<br />

schaute sich einige Unterrichtsstunden an und<br />

sprach mit dem Schulleiter, den<br />

Deutschlehrern, einigen Schülern und auch mit<br />

mir. Die Präsentation lief sehr gut, sodass wir<br />

mittlerweile erfahren haben, dass die Schule<br />

PASCH-Schule wird und damit zahlreiche neue<br />

Möglichkeiten für Schüler und Lehrer erhält.<br />

Ansonsten haben nach und nach die Ferien für<br />

alle begonnen. Zuerst begann die<br />

unterrichtsfreie Zeit an der Fakultät, dann<br />

bekamen die Grundschüler Ferien und<br />

schließlich auch die Schüler am Gymnasium.<br />

Somit hatte ich wieder viele Abschiede, die ich<br />

mal mehr, mal weniger emotional meisterte.<br />

Am 5. Juni war außerdem Matura vom zweiten<br />

Gymnasium, eine Feier die mit dem Abiball in<br />

Deutschland vergleichbar ist. Zu dieser war ich<br />

auch eingeladen. Im Gegensatz zum Abiball in<br />

Deutschland sind zur Matura aber nur die<br />

Schüler und Lehrer eingeladen.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Der offizielle Teil ist auch relativ kurz und<br />

besteht nur aus einigen kurzen Reden sowie<br />

Geschenken, die an alle Klassenlehrer verteilt<br />

werden. Danach beginnt der inoffizielle Teil,<br />

der vor allem aus Tanzen besteht. Im Anschluss<br />

an die eigentliche Feier hatten die Schüler noch<br />

eine Disko gemietet, in der noch lange weiter<br />

gefeiert wurde.<br />

Insgesamt zehn Monate habe ich jetzt in<br />

Serbien Deutsch unterrichtet, an verschiedenen<br />

staatlichen und privaten Schulen sowie an der<br />

Universität in Kragujevac. Daneben habe ich bei<br />

der Organisation von verschiedenen Projekten<br />

geholfen und insgesamt viel Pionierarbeit für<br />

meine möglichen Nachfolger geleistet.<br />

Insbesondere am Anfang war sowohl in Valjevo<br />

als auch in Kragujevac vieles unorganisiert, da<br />

alles sehr kurzfristig zustande gekommen ist.<br />

Dadurch habe ich mit Sicherheit noch nicht alle<br />

Möglichkeiten, die ich als ADiA-Leistender<br />

hätte, ausgenutzt, aber ich glaube, dass ich<br />

einen guten Anfang gemacht habe.<br />

Insbesondere von Nataša aber auch von den<br />

meisten anderen Deutschlehrern, die ich<br />

kennen lernte, habe ich sehr viel über<br />

Methodik und Fremdsprachendidaktik gelernt.<br />

So bin ich jetzt viel besser in der Lage die<br />

Deutsche Sprache nicht nur richtig zu<br />

verwenden sondern auch zu erklären, warum<br />

ich ein Wort benutze, ich kann Wörter besser<br />

auf Deutsch erklären, mich in sehr einfachem<br />

Deutsch ausdrücken und sogar die Deutsche<br />

Grammatik ein wenig erklären. Im Gegenzug<br />

half ich ihr und anderen gelegentlich bei<br />

Übersetzungen oder anderen Texten, die in<br />

Deutsch verfasst werden mussten.<br />

Ich hoffe, dass ich vielen Schülern etwas<br />

beibringen konnte, vor allem hoffe ich, dass sie<br />

merkten, dass es sich lohnt Fremdsprachen zu<br />

lernen, da man nie weiß, wann man sie<br />

gebrauchen kann. Ich glaube, dass ich auch<br />

vielen Deutschlehrern helfen konnte ihre<br />

Sprachkenntnisse noch zu verbessern, da sie<br />

sonst nicht so oft die Möglichkeit haben sich<br />

auf Deutsch zu unterhalten. Dadurch hatte ich<br />

auch viele interessante Diskussionen über die<br />

deutsche Sprache.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 79


Da das Wetter fast den ganzen Monat gut war,<br />

bin ich an jedem Wochenende noch ein wenig<br />

durch Serbien gereist.<br />

Am ersten Wochenende im Juni habe ich<br />

zusammen mit drei Freundinnen einen Ausflug<br />

nach Vrnjačka Banja, einer der bekanntesten<br />

Kurorte Serbiens, gemacht, der ungefähr 50 km<br />

südlich von Kragujevac liegt. Der Ort besitzt<br />

mehrere Heilquellen, die unterschiedliche<br />

Wirkungen haben, und eine riesige Parkanlage.<br />

Es gibt viele Hotels, Restaurants und kleine<br />

Geschäfte in häufig sehr schönen Gebäuden.<br />

Ich habe mittlerweile schon ein paar serbische<br />

Kurorte gesehen, aber Vrnjačka Banja ist mit<br />

Sicherheit der größte und der, in dem man die<br />

meisten Leute sieht. Während dies am Tag vor<br />

allem ältere Menschen sind, trauen sich abends<br />

die Jugendlichen hervor und übernehmen das<br />

Kommando.<br />

Wir sind mittags dort angekommen und sind<br />

dann eine ganze Weile durch den Park spaziert,<br />

haben uns die Quellen angeschaut und alle<br />

weiteren Sehenswürdigkeiten.<br />

Das erste, was einem auffiel, war die Luft, die<br />

wesentlich frischer als in der Großstadt<br />

Kragujevac.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Nach einiger Zeit und vielen Fotos haben wir<br />

uns ein schönes Restaurant gesucht und dort<br />

ein gutes Mittagessen mit serbischen<br />

Grillspezialitäten gehabt. Die Preise waren nicht<br />

ganz niedrig aber für einen Touristenort<br />

durchaus akzeptabel.<br />

Anschließend sind wir noch ein bisschen weiter<br />

spazieren gegangen und haben das schöne<br />

Wetter und die gute Luft genossen. Dies ist im<br />

Normalfall auch das Einzige, was man in<br />

Vrnjačka Banja machen kann, da der Ort<br />

abgesehen vom Park klein ist und wenig<br />

Möglichkeiten bietet. Wenn ich längere Zeit<br />

hier verbringen müsste, würde ich mir<br />

deswegen wahrscheinlich viele Bücher<br />

mitnehmen und den ganzen Tag im Park sitzen<br />

bzw. liegen und lesen.<br />

An dem Tag, an dem wir dort waren, fand aber<br />

noch ein Festival statt, anlässlich dessen es<br />

schon nachmittags und am frühen Abend einige<br />

Präsentationen von Schülern zu sehen gab. Am<br />

späteren Abend begann dann das<br />

Hauptkonzert, das auch live im Fernsehen<br />

übertragen wurde. Die Musik war überwiegend<br />

die typische und bei vielen recht beliebte<br />

serbische Popmusik. Im Laufe des Abends<br />

steigerte sich die Stimmung immer weiter bis<br />

zum Hauptsänger, der in ganz Serbien bekannt<br />

ist. Auch wenn die Musik überwiegend nicht<br />

unbedingt meine Lieblingsmusik war, gefiel es<br />

mir sehr gut, sodass wir bis weit nach<br />

Mitternacht dort blieben. Zum Glück waren wir<br />

mit dem Auto gekommen, sodass es nicht<br />

schwierig war wieder zurück nach Kragujevac<br />

zu kommen.<br />

Am nächsten Wochenende führte mich eine<br />

Reise nach Novi Sad. Novi Sad ist mit ca.<br />

300.000 Einwohnern die zweitgrößte serbische<br />

Stadt nach Belgrad. Im Gegensatz zu Belgrad ist<br />

Novi Sad jedoch eine sehr ruhige Stadt, in der<br />

viele Menschen in Cafés auf den Straßen sitzen<br />

und den Tag genießen. Nur der Verkehr ist noch<br />

anstrengender als in Kragujevac oder Valjevo,<br />

da man als Fußgänger nur selten von<br />

Autofahrern wahrgenommen wird und sich<br />

dementsprechend vorsichtig verhalten muss.<br />

Die Stadt liegt in der Vojvodina im nördlichen<br />

Teil Serbiens direkt an der Donau. Sie ist<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 80


unterteilt in die Stadt Novi Sad auf der einen<br />

Seite der Donau und die Festung Petrovaradin<br />

auf der anderen Seite.<br />

Die Festung entstand in ihrer heutigen Form<br />

unter den Habsburgern und auch die Stadt<br />

wurde von diesen gegründet und stand nie<br />

unter türkischer Herrschaft. Sie ist deswegen im<br />

Gegensatz zu den meisten anderen serbischen<br />

Städten sehr österreichisch geprägt aber besitzt<br />

keine türkischen Einflüsse.<br />

Nachdem ich mit dem Bus etwas außerhalb der<br />

Innenstadt angekommen war, lief ich zunächst<br />

in diese, wo auch mein Hostel lag. Die äußeren<br />

Stadtteile sind nicht besonders hübsch, was<br />

vielleicht daran liegt, dass sie größtenteils erst<br />

während des Kommunismus entstanden. Über<br />

eine große Einfallstraße näherte ich mich dem<br />

Zentrum und entdeckte gleich eine<br />

Besonderheit der Stadt. Sie ist von sehr vielen<br />

Volksgruppen geprägt, obwohl die Serben<br />

heute eindeutig die Mehrheit stellen.<br />

Als erstes entdeckte ich die sehr schöne und<br />

ziemlich große Synagoge, die man aber leider<br />

nicht besichtigen konnte. Anschließend sah ich<br />

noch weitere Kirchen unterschiedlichster<br />

Konfessionen: u.a. serbisch-orthodox,<br />

ungarisch-katholisch, protestantisch,<br />

slowakisch-reformiert.<br />

Als Besonderheit kommt noch hinzu, dass fast<br />

alle Sakralbauten wie auch die meisten<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Verwaltungsbauten und viele weitere Gebäude<br />

in der Innenstadt im barocken Stil gebaut<br />

wurden. Da viele Gebäude gut erhalten sind, ist<br />

die Innenstadt in der Tat sehr schön. Deswegen<br />

halten auch viele Serben Novi Sad für die<br />

schönste serbische Stadt.<br />

Am wichtigsten Platz der Stadt liegt die<br />

ungarisch-katholische Marienkirche, die<br />

höchste Kirche in der Stadt und eine der<br />

wenigen, die man besichtigen kann. Sie besticht<br />

durch ihre zahlreichen Verzierungen. Am Platz<br />

finden sich neben dem Rathaus noch weitere<br />

schöne Gebäude im barocken Stil und zum Teil<br />

auch mit Einflüssen des Jugendstils.<br />

Direkt dem der Kirche lag mein Hostel, wo ich<br />

noch ein paar gute Tipps bekam, was ich mir<br />

anschauen sollte. Anschließend setzte ich<br />

meinen Gang durch die Innenstadt fort.<br />

Zunächst folgte ich der Fußgängerzone, wo sich<br />

der Bischofspalast und die serbisch-orthodoxe<br />

Georgskathedrale befinden. Anschließend<br />

unternahm ich einen längeren Spaziergang<br />

durch bzw. um die Innenstadt, während dem<br />

ich die zahlreichen weiteren Kirchen entdeckte<br />

sowie unter anderem auch das sehr schöne<br />

Gebäude der Matica Srbska, dem ersten<br />

serbischen Kulturverein. Gegründet wurde er<br />

ursprünglich in Budapest, seit 1864 ist Novi Sad<br />

sein Sitz. Neben den alten barocken Bauten und<br />

einigen kommunistischen Funktionsbauten<br />

findet man in der Innenstadt auch ein paar<br />

Gebäude, die eine moderne Architektur mit viel<br />

Glas und bunten Fassaden besitzen.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 81


Über einen kleinen aber sehr schönen Park, in<br />

dem ich noch eine kurze Pause einlegte,<br />

gelangte ich zur Donau. Während des NATO-<br />

Bombardements 1999 wurden alle Brücken<br />

zerstört, mittlerweile sind vier, darunter eine<br />

Eisenbahnbrücke, wieder auf- bzw. neu gebaut.<br />

Reste der alten Brücken sieht man aber noch<br />

als sehr eindrückliches Mahnmal im Fluss<br />

stehen. Auf der anderen Seite steht die riesige<br />

und hervorragend erhaltene Festungsanlage<br />

Petrovaradin. Sie liegt in einer Donauschleife<br />

auf einem Felsen. In ihrer heutigen Form wurde<br />

sie im 18. Jahrhundert von den Habsburgern<br />

errichtet und war auch zur Verteidigung gegen<br />

Feuerwaffen konzipiert, wodurch die<br />

Verteidigungsanlagen besonders<br />

beeindruckend sind. Neben der eigentlichen<br />

Festung war noch ein ganzes Dorf innerhalb der<br />

Verteidigungsmauern, -wälle und -gräben, in<br />

dem alles Wichtige hergestellt werden konnte.<br />

Durch mehrere Tore kam ich in die Hauptburg,<br />

in der, neben mehreren Gebäuden, die heute<br />

zum Teil als Restaurants genutzt werden, auch<br />

der sehr markante Uhrenturm liegt.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Dort machte ich zahlreiche Fotos.<br />

Anschließend brauchte ich unbedingt eine<br />

Pause, da ich sehr viel gelaufen war, sodass ich<br />

mir ein ruhiges Plätzchen innerhalb der<br />

weitläufigen Parkanlage, die auch noch<br />

innerhalb der Festungsanlage liegt, suchte, dort<br />

etwas aß und anschließend ein bisschen las. In<br />

der Zwischenzeit war es dämmrig geworden,<br />

sodass ich noch mehr Fotos von der Stadt<br />

machte, auf die man von dort oben einen<br />

hervorragenden Blick hat.<br />

Zurück in der Innenstadt machte ich noch<br />

einige Fotos und aß eine Pljeskavica, die von<br />

mir sehr verehrte serbische Form des<br />

Hamburgers. Danach begab ich mich zurück in<br />

den schon erwähnten Park an der Donau, wo<br />

im Rahmen eines Kino-Festivals, das während<br />

der gesamten Woche in Novi Sad stattfand, ein<br />

serbischer Film im Open-Air-Kino gezeigt<br />

wurde, von dem ich fast alles verstand, worauf<br />

ich ein bisschen stolz war.<br />

Am nächsten Morgen stärkte ich mich zunächst<br />

in einem Café direkt in der Fußgängerzone,<br />

anschließend deckte ich mich in einer Bäckerei<br />

mit allem ein, was ich für den Tag benötigte<br />

und ging danach ein wenig direkt an der Donau<br />

spazieren. Dort gibt es unter anderem ein<br />

Denkmal für die Opfer der Faschisten. Durch<br />

den Park gelangte ich zum Museum der<br />

Vojvodina, in dem es eine Ausstellung über die<br />

Geschichte der Donauschwaben in der<br />

Vojvodina auf Serbisch und Deutsch gab, die<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 82


mir sehr gut gefiel, sowie weitere<br />

Ausstellungsstücke über die Geschichte der<br />

Vojvodina, über die unterschiedlichen Kulturen,<br />

die hier leben bzw. lebten, und über die Klöster<br />

der Vojvodina, von denen viele leider nur noch<br />

als Ruinen erhalten sind.<br />

Anschließend fuhr ich mit einem normalen<br />

Linienbus nach Sremski Karlovci, eine kleinen<br />

Stadt, die sechs Kilometer von Novi Sad<br />

entfernt an der Donau liegt und die ich als<br />

meiner Meinung nach architektonisch schönste<br />

Stadt Serbiens im Kopf behalten werde.<br />

Ein Großteil der Stadt, die früher<br />

Patriarchensitz war, wurde im barocken Stil<br />

errichtet, neben den Sakral- und<br />

Verwaltungsbauten auch viele einfach<br />

Wohnhäuser. Das Zentrum des Städtchens ist<br />

sehr überschaubar. Neben mehreren serbischorthodoxen<br />

und einer römisch-katholischen<br />

Kirche findet man die Patriarchenresidenz<br />

sowie mehrere Kultur- und<br />

Bildungseinrichtungen. Einige der Gebäude sind<br />

bereits hervorragend renoviert, andere werden<br />

zurzeit restauriert.<br />

Nach einem Rundgang durch die Innenstadt<br />

erklomm ich noch einen Berg oberhalb der<br />

Stadt, auf dem unter anderem ein Friedhof<br />

angelegt wurde. Von hier aus hatte man bei<br />

fast völliger Ruhe einen sehr schönen Blick auf<br />

die Stadt, die von oben noch schöner wirkte,<br />

auf die Donau und auf die Ebene der Vojvodina.<br />

Zum Friedhof gehörte auch eine hübsche aber<br />

leider geschlossene Kapelle. Nach einer kurzen<br />

Pause stieg ich wieder hinab, sah mir noch eine<br />

weitere Kirche an und fuhr dann zurück nach<br />

Novi Sad, von wo aus ich einen Bus nach<br />

Kragujevac hatte.<br />

Die Rückfahrt bot mir noch eine kleine,<br />

unerwünschte Besonderheit. Der Bus fuhr<br />

entgegen meiner Annahme bis Belgrad nicht<br />

über die Autobahn sondern über Landstraßen<br />

durch die Ausläufer des Mittelgebirges Fruška<br />

Gora und durch die Ebene der Vojvodina. So<br />

sah ich noch einige Dörfer und konnte die<br />

Architektur der ländlichen Vojvodina ein wenig<br />

studieren, aber in erster Linie verlängerte sich<br />

die Fahrzeit um ungefähr eine Stunde.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Das dritte Juniwochenende nutzte ich um noch<br />

ein letztes Mal viele Freunde in Valjevo zu<br />

treffen und an meinem letzten Wochenende in<br />

Serbien habe ich noch einen letzten<br />

Eintagesausflug gemacht. Zusammen mit zwei<br />

Freundinnen bin ich nach Topola gefahren,<br />

einer Kleinstadt 40 km nördlich von Kragujevac,<br />

die sich inmitten der hügeligen Landschaft<br />

Šumadija befindet. Die Straße dorthin ist zum<br />

Teil neu und deswegen für serbische<br />

Verhältnisse sehr angenehm zu befahren. Die<br />

Stadt liegt an einem flachen Hang.<br />

Das besondere, weshalb man dorthin kommt,<br />

ist ein Hügel namens Oplenac oberhalb der<br />

Stadt, auf dem die Grabstätte der serbischen<br />

Karađorđevid-Dynastie liegt. Karađorđe war der<br />

Anführer des ersten serbischen Aufstandes<br />

gegen die osmanische Besetzung zwischen<br />

1804 und 1813. Er und seine Nachkommen<br />

regierten den serbischen Staat mehrfach<br />

zwischen 1804 und 1945, bevor. Nachdem der<br />

damalige Regend Peter II. schon während des<br />

zweiten Weltkriegs geflohen war, musste er<br />

anschließend auf Druck der Kommunisten auf<br />

seine Thronrechte verzichten und dauerhaft im<br />

Exil bleiben.<br />

Zu Ehren von Karađorđe und seiner Familie<br />

wurde ein großer Museumspark eingerichtet,<br />

dessen Mittelpunkt eine wundeschöne große<br />

Kirche auf dem Gipfel des Hügels ist.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 83


Diese besuchten wir als erstes. Die Kirche ist<br />

hervorragend gepflegt und besonders von<br />

innen sehr schön verziert. Unter der Kirche<br />

befindet sich die Grabkammer der Dynastie.<br />

Anschließend besuchten wir ein ehemaliges<br />

Wohnhaus, in dem heute Teile des<br />

Familienbesitzes ausgestellt werden. Danach<br />

sind wir ein wenig durch den Park spazieren<br />

gegangen, hinab zum nächsten Ausstellungsteil,<br />

einer kleinen Gemäldegalerie mit Bildern<br />

serbischer Künstler. Da Karađorđe bis heute als<br />

serbischer Befreier verehrt wird, kommen viele<br />

serbische Touristen hierher und auch viele<br />

Schulklassen besichtigen die Anlage.<br />

Danach verließen wir den schönen Park und<br />

fuhren mit dem Auto zurück ins Stadtzentrum,<br />

wo ein weiterer Park mit einer kleinen Kirche<br />

und dem Konak (Villa), in dem Karađorđe<br />

wohnte, liegt. Zuerst besichtigten wir die<br />

Kirche, anschließend den Konak, der auch als<br />

Museum eingerichtet sind.<br />

Dort findet man zum einen Holzschnitzarbeiten<br />

und zum anderen Ausstellungsstücke über den<br />

ersten serbischen Aufstand gegen die Türken,<br />

der in der Nähe von Topola begann. Danach<br />

hatten wir uns ein Mittagessen in einem<br />

Restaurant im Zentrum von Topola verdient.<br />

Mit dem Auto fuhren wir anschließend wieder<br />

zurück nach Kragujevac, wobei wir<br />

zwischendurch noch eine kurze Pause an einer<br />

kleinen Kirche machten, die ziemlich einsam in<br />

einem engen Tal liegt. Von außen wirkt sie<br />

relativ unscheinbar, aber sie besitzt einen<br />

schönen Altar. Die Frau, die für die<br />

Instandhaltung der Kirchenanlage<br />

verantwortlich ist, lud und noch zu einem<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Getränk ein und nach dem wir uns noch ein<br />

wenig unterhalten hatten, fuhren wir endgültig<br />

zurück.<br />

Zum Abschluss meiner Berichte möchte ich<br />

neben dem schulischen Rückblick weiter oben<br />

auch noch ein kurzes Fazit über mein sonstiges<br />

Leben ziehen:<br />

Ich habe zehn Monate in Serbien gelebt, vier in<br />

Valjevo und sechs in Kragujevac. Ich habe drei<br />

Auslandsreisen unternommen, nach Sarajevo,<br />

Ungarn und in die Türkei. Ich habe alle großen<br />

Städte in Serbien besucht und auch mehrere<br />

kleine sowie einige Naturschönheiten. Ich habe<br />

viele Freunde kennen gelernt, habe in einer<br />

serbischen Familie gewohnt und auch sonst<br />

viele Bereiche der serbischen Kultur<br />

beobachten können: z.B. Essen und Trinken,<br />

Kunst, Musik, Volksfeste, Sport, Polizei, Bildung,<br />

Politik, Wirtschaft, Religion, Energie,<br />

Umweltschutz und Medien.<br />

Da mich fast jeder fragt, was mir am besten<br />

gefallen hat und was ich nicht mochte, habe ich<br />

jetzt probiert drei Punkte zu beschreiben, die<br />

ich sehr positiv in Erinnerung behalten werde<br />

und drei, mit denen ich manchmal Probleme<br />

hatte. Das, was mir am meisten imponiert hat,<br />

war die unglaubliche Gastfreundschaft, die ich<br />

erlebt habe. Ich kenne sehr viele Menschen, die<br />

sich ganz lieb um mich gekümmert haben und<br />

mir immer geholfen haben, wenn ich etwas<br />

nicht alleine erledigen konnte. Viele Menschen<br />

interessierten sich dafür, warum ich in Serbien<br />

bin und was ich dort mache. Durch die<br />

Gastfreundschaft konnte ich auch viele<br />

Bereiche der serbischen Kultur kennen lernen.<br />

Was mir ebenfalls sehr gefallen hat, war die<br />

Entspanntheit und Spontaneität der Menschen.<br />

Es ist für viele Serben kein Problem, den ganzen<br />

Tag in Cafés zu verbringen und man handelt oft<br />

nach dem Motto, dass am Ende schon alles<br />

funktionieren wird. Von dieser Gelassenheit<br />

habe ich mir auch einiges abgeschaut, sodass<br />

ich jetzt nicht mehr alles möglichst lange im<br />

Voraus organisieren möchte, sondern<br />

manchmal auch Sachen auf den letzten Drücker<br />

aber trotzdem entspannt erledigen kann. Dazu<br />

kommt die Spontaneität, die mir sehr gefallen<br />

hat. Wenn ich zufällig ein bisschen Zeit hatte,<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 84


ief ich einfach jemanden an und fragte, ob wir<br />

uns treffen wollen und wenn er nicht gerade<br />

beschäftigt war, sagte derjenige: In zehn<br />

Minuten an diesem oder jenem Treffpunkt.<br />

Dadurch, dass die Menschen so entspannt sind<br />

und so viel Zeit in Cafés verbringen, gibt es<br />

auch ein sehr großes Angebot, sodass man<br />

immer das finden kann, worauf man gerade<br />

Lust hat.<br />

Serbien geht manchmal nicht so gut mit seinen<br />

Naturschönheiten um, wie ich es tun würde.<br />

Aber grundsätzlich besitzt Serbien viele sehr<br />

schöne Gegenden, von denen ich auch einige<br />

besucht habe. Insbesondere die vielen alten<br />

Klöster und Kirchen, die oft sehr abgelegen<br />

sind, lohnen einen Besuch und häufig kann man<br />

in der Umgebung noch ein wenig wandern.<br />

Leider braucht man fast immer ein Auto um die<br />

Natur zu erkunden.<br />

Auch wenn das jetzt sehr Deutsch klingt, aber<br />

mein größtes Problem hatte ich mit der<br />

fehlenden Organisation des Staates und der<br />

Menschen. Wenn ich bei der Polizei 30 Minuten<br />

für meine Anmeldung von einer Stelle zur<br />

nächsten laufen muss, dann nervt mich das<br />

eben. Wenn ich mich am Montag mit<br />

jemandem für Freitag verabrede und derjenige<br />

es bis Mittwoch vergessen hat, dann<br />

verwundert mich das etwas. Wenn ich in<br />

Kragujevac nicht in der Lage bin eine Zugkarte<br />

von Niš nach Istanbul zu kaufen, dann ärgert<br />

mich das. Und wenn ich für jede<br />

Busverbindung, die nicht in Kragujevac beginnt,<br />

bei einer anderen Busstation anrufen muss,<br />

dann ist das sehr anstrengend für mich, weil ich<br />

immer jemand anders fragen muss, weil ich auf<br />

Serbisch nur mit Leuten telefonieren kann, die<br />

ich kenne, ansonsten verstehe ich meinen<br />

Gesprächspartner kaum und er wird Probleme<br />

haben mich zu verstehen.<br />

Für einen ruhigen Menschen wie mich ist auch<br />

die Emotionalität von vielen Menschen ein<br />

Problem. Viele Menschen regen sich sehr<br />

schnell auf und dann kann man kaum mit ihnen<br />

sachlich diskutieren sondern greift sich nur<br />

noch gegenseitig persönlich an. Es lohnt sich<br />

allerdings nicht, sich lange darüber Gedanken<br />

zu machen, was man falsch gemacht hat, weil<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

nach zehn Minuten der ganze Ärger verflogen<br />

und alles wieder gut ist.<br />

Mein drittes Problem ist die schlechte<br />

verkehrstechnische Infrastruktur. Viele Straßen<br />

in Serbien verdienen meiner Meinung nach<br />

diesen Namen nicht, sondern sind eher<br />

asphaltierte Feldwege. Auf zahlreichen<br />

Busreisen war die Straßenqualität so schlecht,<br />

dass man vor lauter auf und ab weder lesen<br />

noch schlafen konnte, sondern nur dasitzen<br />

und hoffen, dass es möglichst schnell vorüber<br />

ist. Das Zugnetz ist außerdem in einem sehr<br />

schlechten Zustand, sodass man mit dem Bus<br />

immer schneller ist als mit dem Zug. Die Züge<br />

sind zwar sehr günstig, aber man weiß nie<br />

wann sie kommen. Deswegen sind die einzigen<br />

Menschen, die mit dem Zug fahren,<br />

Jugendliche, die viel Zeit aber kein Geld haben<br />

und Menschen, die lange Strecken zurücklegen<br />

müssen und zufällig einen Zug von ihrem Start-<br />

in ihren Zielort haben.<br />

In meinem Kopf behalten werde ich sowohl die<br />

guten als auch die schlechten Seiten meiner<br />

Zeit, aber die guten überwiegen ganz eindeutig,<br />

insbesondere, da ich mich an die meisten<br />

schlechten im Laufe der Zeit gewöhnt habe und<br />

sie deswegen kaum noch wahrnehme.<br />

Deswegen möchte ich auch sehr gerne wieder<br />

nach Serbien reisen, auch wenn ich noch nicht<br />

weiß, wann ich die Möglichkeit dazu habe.<br />

Auf Wiedersehen und danke fürs Lesen meiner<br />

Berichte! До виђења и хвала пуно!<br />

Euer Nils<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 85


Abschlussprojekt meiner<br />

Jugendleiterausbildung<br />

in Trinidad & Tobago<br />

Vom 31.07.2003 – 21.09.2003<br />

Von Stefan Stark<br />

Kontakt: Stark.Stefan@gmx.net<br />

wem der Text hier zu lang-wierig, jedoch<br />

trotzdem an meiner Arbeit interessiert ist, kann<br />

mich jederzeit kontaktieren, um einen Film<br />

über T&T zu sehen.<br />

Toco, im Nordosten Trinidads<br />

Grund meines Projektes:<br />

Während meiner ca. 2 jährigen Ausbildungszeit<br />

zum Jugendleiter im Internationalen Kultur –<br />

und Begegnungszentrum (IKuBeZ) habe ich an 8<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Seminaren teilgenommen. Dabei habe ich mir<br />

die theoretischen Kenntnisse, die ein<br />

Jugendleiter benötigt, erarbeitet. Um die<br />

Ausbildung abzuschließen ist jedoch auch die<br />

selbständige Planung, Organisation und<br />

Durchführung eines praktischen Projektes<br />

notwendig.<br />

Da ich mich in meiner Arbeit im IKuBeZ neben<br />

der Jugendleiterausbildung hauptsächlich um<br />

internationale Jugendarbeit kümmern möchte,<br />

habe ich mich für ein Projekt im Mittel- bzw.<br />

Südamerikanischen Ausland bemüht um unsere<br />

bereits bestehenden Kontakte dort (Venezuela,<br />

El Salvador, Chile, Ecuador und Nicaragua)<br />

weiter auszubauen.<br />

Nach langer Suche fand ich dann auch eine<br />

passende Partnerorganisation, die an einer<br />

längerfristigen Zusammenarbeit mit uns<br />

interessiert ist. Es ist die Young Men’s Christian<br />

Association in Trinidad & Tobago, Karibik.<br />

Nach ca. 1,5 jähriger Vorbereitungsarbeit war<br />

dann endlich der Zeitpunkt gekommen, meine<br />

Ansprechpartner persönlich kennenzulernen.<br />

Die Ziele meines Besuchs waren:<br />

1. Erkunden der sozialen und wirtschaftlichen<br />

Gegebenheiten und Strukturen des Landes.<br />

2. Kennenlernen der Partnerorganisation und<br />

der Angestellten um eine zuverlässige<br />

Zusammenarbeit zu fördern.<br />

3. Suchen und Kennenlernen von weiteren<br />

lokalen Jugendorganisationen.<br />

4. Recherchen über Gegebenheiten und<br />

entstehenden Kosten bei einem internationalen<br />

Jugendmeeting in Trinidad & Tobago.<br />

Ich habe mich für einen 7 woechigen<br />

Aufenthalt entschieden, der mir genügend Zeit<br />

gewährte, alle meine Aufgaben abzuarbeiten<br />

und gleichzeitig einen kleinen Einblick in die<br />

Lebensphilosophie der Trinis zu erhalten. Es<br />

war eine der großartigsten Erfahrungen meines<br />

Lebens und ich hoffe etwas von der<br />

beeindruckenden Lebensfreude der Menschen<br />

hier mit nach Deutschland gebracht zu haben.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 86


Geschichte Trinidads<br />

Die friedliebenden, Ackerbau treibenden<br />

Fischer und Jaeger werden um 1000 nach<br />

Christus von den vom südamerikanischen<br />

Festland kommenden Kariben unterjocht –<br />

einem kriegerischen Volk mit dem Brauch sich<br />

das Herz eines mutigen Gegners<br />

einzuverleiben, um sich an dessen Stärke zu<br />

bereichern.<br />

Als 1498 Christoph Kolumbus die Insel<br />

entdeckte betrug die Bevölkerungszahl etwa<br />

35 000. Kolumbus, der sich damals der<br />

Südküste näherte, sah als erstes die drei Hügel<br />

der Trinity Hills und nannte die Insel Trinidad<br />

(Dreifaltigkeit). Die Trinis finden es jedoch<br />

heute noch nicht richtig, dass Kolumbus einfach<br />

einen neuen Namen für die Insel bestimmt hat,<br />

da auf der Insel bereits andere Menschen<br />

lebten und diese ihren eigenen Namen für die<br />

Insel hatten.<br />

1580 machte sich der Spanier Don Antonio de<br />

Berrio y Oruna auf die Suche nach dem<br />

sagenumwobenen El Dorado. Der Versuch<br />

scheiterte, aber die Überzeugung, das Goldland<br />

müsse Trinidad sehr nahe sein, veranlasste die<br />

Spanier Trinidad zu besiedeln und de Berrio<br />

zum Gouverneur zu ernennen.<br />

Die errichtete Siedlung wurde bereits 3 Jahre<br />

nach der Entstehung von Sir Walter Raleigh, der<br />

sich gleichfalls der Suche nach El Dorado<br />

verschrieben hatte, geplündert und dem<br />

Erdboden gleichgemacht, bald aber wieder<br />

aufgebaut. Einige wenige privilegierte<br />

spanische Kolonisten blieben trotzdem und<br />

ließen ihre Plantagen von Indianern<br />

bewirtschaften. Kapuzinermönche errichteten<br />

Missionen, widmeten sich der Christianisierung<br />

und zogen die Ureinwohner zum Bau weiterer<br />

Kirchen heran. Wer rebellierte, bezahlte dies<br />

mit seinem Leben. Wer von den spanischen<br />

Soldaten verschont blieb, erlag den von<br />

Europäern eingeschleppten Krankheiten, so<br />

dass innerhalb von 3 Jahrhunderten die<br />

einheimische Bevölkerung so gut wie<br />

ausgelöscht war.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Das Zeitalter der Sklaverei<br />

1783 erwirkte der Franzose Roume de Saint-<br />

Laurent die Verkündung der Cedula de<br />

Populacion, die investitionsbereiten Pflanzern<br />

Unterstützung in Form von Land und<br />

Steuerfreiheit versprach, soweit sie sich der<br />

spanischen Krone gegenüber loyal zeigten und<br />

römisch-katholischen Glaubens waren.<br />

Das Konzept fruchtete und es kamen vor allem<br />

Franzosen. Wenige Jahre später hatte sich die<br />

Bevölkerungszahl schon fast verzehnfacht und<br />

die Wirtschaft blühte.<br />

Den Engländern war das Aufstreben Trinidads<br />

nicht entgangen und die Zeichen der Zeit<br />

standen günstig. Den Angriffen unter Sir Ralf<br />

Abercromby 1797 hatte die desolate<br />

Verteidigungsmaschinerie der Spanier wenig<br />

entgegenzusetzen.<br />

Gegen den Protest der Pflanzer verbot England<br />

zu Anfang des 19. Jahrhunderts den<br />

Sklavenhandel im gesamten Kolonialreich. 1838<br />

war dann für die Sklaven endgültig das Jahr der<br />

Freiheit und die meisten verließen die<br />

Plantagen so schnell es ging, was für viele<br />

Plantagenbesitzer, die sich mittlerweile auf den<br />

Anbau von Zuckerrohr konzentriert hatten,<br />

verheerende Folgen hatte.<br />

Aus diesem Grunde wurden bis 1917 fast<br />

150 000 Inder eingeschifft um auf den<br />

Plantagen zu arbeiten.<br />

Die Nachkriegsjahre des 2. Weltkrieges<br />

Im September 1956 gewann die People’s<br />

National Movement (PNM) die Wahlen und<br />

blieb für die nächsten 30 Jahre an der Macht<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 87


mit Williams als Premierminister. 1958 wurde<br />

die Föderation der Westindischen Inseln ins<br />

Leben gerufen, mit Trinidad als Regierungssitz.<br />

Premierminister wurde der Barbadier Grantly<br />

Adams. Politische Rivalitäten, der Unwille die<br />

schwächeren Staaten zu subventionieren und<br />

der Austritt Jamaikas 1961 veranlassten<br />

Williams für die Unabhängigkeit Trinidads &<br />

Tobagos einzutreten. 1962 viel die Föderation<br />

auseinander.<br />

Am 31. August 1962 erlangte Trinidad &<br />

Tobago die Unabhängigkeit, der Union Jack<br />

wurde eingeholt und die Flagge des neuen<br />

Staates gehisst.<br />

Die 70er und 80er Jahre:<br />

Die Preisbeschlüsse der OPEC 1973 waren für<br />

das wirtschaftlich sehr angeschlagene Trinidad<br />

ein Segen. Die Preissteigerungen verdreifachten<br />

schlagartig die Deviseneinnahmen,<br />

verzehnfachten sie sogar nach der zweiten<br />

Ölpreisexplosion der Jahre 79 und 80. Mit dem<br />

Geldsegen kaufte Williams die Kapitalmehrheit<br />

bei Shell und BP, verstaatlichte die<br />

Zuckerfabriken, die Fluglinie BWIA, Telefon-<br />

und Fernsehgesellschaften, konnte vor allem<br />

den Einfluss auf die von Auslandskapital<br />

kontrollierten Industrien ausweiten und ließ<br />

sich nicht vom Bau eines 460 Mill. US-Dollar<br />

teuren Stahlwerkes, ohne gesicherte<br />

Marktchancen, abbringen. Das Land erlebte<br />

einen noch nie da gewesenen Boom und eine<br />

Aufbruchsstimmung machte sich breit. Die<br />

Entwicklungen verstärkten jedoch das<br />

Lohngefälle zwischen Industrie- und<br />

Landarbeitern, so dass viele Bauern ihre Felder<br />

verließen. Während nur wenige wirklich reich<br />

wurden, lebten 1983 knapp 40% der ländlichen<br />

Bevölkerung unter der Armutsgrenze.<br />

Nach dem Oelboom waren die beginnenden<br />

80er Jahre geprägt von Rezession, fallenden<br />

Ölpreisen, Arbeitslosigkeit und Inflation. Mit<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

sinkenden Erdölpreisen ging auch die<br />

Fördermenge zurück, die Förderkosten stiegen<br />

und der Anreiz für Bohrungen ging verloren.<br />

Trotz Ausgabenkürzungen, der Abwertung des<br />

TT-Dollar um ein Drittel und weiterer<br />

Importbeschränkungen konnte die Regierung<br />

Preissteigerungen der Nahrungsmittel, immer<br />

höher werdende Zahlungsbilanzdefizite und<br />

Auslandsschulden nicht verhindern. Die<br />

Arbeitslosigkeit sollte bis zum Jahr 1990 auf<br />

27% steigen.<br />

Die 90er Jahre:<br />

1991 kam die PNM mit ihrem neuen<br />

Premierminister Patrick Manning wieder an die<br />

Macht. Ein wenig Luft verschaffte der PNM der<br />

Golfkrieg, der einen kurzen Oelboom auslöste.<br />

Mit Panday, Rechtsanwalt und früherer<br />

Marxist, war erstmals ein indisch stämmiger<br />

Politiker an der Macht. Viele Schwarze<br />

befürchteten, dass der Sieg Pandays eine neue<br />

Hegemonie signalisiere, so dass die Wahl zu<br />

neuen Rassenspannungen führen könnte. Im<br />

internationalen Vergleich kooperiert die<br />

Regenbogengesellschaft jedoch in einer<br />

akzeptablen Harmonie und profitiert sicherlich<br />

auch von ihrer ethnisch-kulturellen Vielfalt.<br />

In jüngsten Jahren konzentrierte man sich auf<br />

die Bekämpfung von Kriminalität, Drogen, Aids<br />

und Korruption. Seit 1994 verzeichnet die<br />

Regierung auch wieder sinkende<br />

Arbeitslosenzahlen, den Abbau der<br />

Auslandsverschuldung und den Anstieg des BIP.<br />

Die wirtschaftliche und politische Stabilität der<br />

Ölinsel wird weiterhin von vielen Faktoren<br />

abhängen, derzeit maßgeblich von den<br />

Unwägbarkeiten des Weltölmarktes. Mit dem<br />

Ausbau alternativer Wirtschaftszweige wird<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 88


jedoch langfristig eine Verringerung der<br />

Abhängigkeit vom Erdölsektor angestrebt.<br />

Regierung und Politik:<br />

1889 wurde Trinidad & Tobago von der<br />

britischen Kolonialherrschaft zu einer<br />

Verwaltungseinheit vereint.<br />

Seit März 2003 ist nun für 5 Jahre George<br />

Maxwell Richards der Präsident der<br />

parlamentarischen Demokratie.<br />

Es regieren der Premierminister Patrick<br />

Manning und das Parlament, das aus 2<br />

Kammern besteht – dem Repräsentantenhaus<br />

und dem Senat.<br />

Das Repräsentantenhaus - die dem britischen<br />

Unterhaus entsprechende<br />

Abgeordnetenkammer - setzt sich aus 36<br />

Abgeordneten (34 Trinidad, 2 Tobago)<br />

zusammen, die für eine Wahlperiode von 5<br />

Jahren nach relativer Mehrheitswahl gewählt<br />

werden. Wahlberechtigt ist jeder Bürger ab 18<br />

Jahren.<br />

Der Senat besteht aus 31 Mitgliedern, die<br />

mehrheitlich (16) auf Vorschlag des<br />

Premierministers ernannt werden, 6 auf<br />

Empfehlung des Oppositionsführers und 9 aus<br />

gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Verbänden auf Vorschlag des<br />

Staatspräsidenten.<br />

Seit 1980 verfügt Tobago über ein<br />

unabhängiges gesetzgebendes Organ (House of<br />

Assembly) mit 12 auf maximal 4 Jahre<br />

gewählten und 3 von der Mehrheitspartei<br />

ernannten Mitgliedern, das die Innenpolitik der<br />

Insel bestimmt. Die Regierung stellt seit 2002<br />

die People’s National Movement (PNM).<br />

Geführt von Patrick Manning ist das PNM eine<br />

gemäßigte Linkspartei mit starker Basis in der<br />

schwarzen Bevölkerung und<br />

marktwirtschaftlicher Orientierung. Die stärkste<br />

Oppositionspartei ist die linksorientierte Partei<br />

United National Congress (UNC), welche eine<br />

starke Basis in der indisch stämmigen<br />

Bevölkerung besitzt.<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Wirtschaft<br />

Nach einigen Höhen – und Tiefflügen in der<br />

Erdölindustrie stellte die Regierung Anfang der<br />

90er Jahre ein Konjunkturprogramm zur<br />

Modernisierung des Erdölsektors vor. Die<br />

Exploration neuer Lagerstätten wurde<br />

ausländischen Firmen wieder schmackhaft<br />

gemacht, was zu einer konstanteren Situation<br />

des Sektors führte. Die Erdölindustrie ist es<br />

auch, was T&T zum wirtschaftlich stärksten<br />

Land der englischsprachigen Karibik macht.<br />

Im Hinblick auf ein zweites Standbein trieb die<br />

Regierung außerdem die Erschließung von Offshore-Erdgasvorkommen<br />

voran. Das Erdgas<br />

wird zum größten Teil petrochemisch<br />

verarbeitet und zur Stahl- und Stromerzeugung<br />

eingesetzt. Trinidad & Tobago zählt außerdem<br />

zu den größten Exporteuren von Ammoniak,<br />

Stickstoffdünger, Harnstoffen und Methanol.<br />

Einen kleinen Beitrag zum Export leistet auch<br />

der Asphaltsee in La Brea. Weitere<br />

Unternehmen sind in der Nahrungs- und<br />

Genussmittelverarbeitung (Zucker, Rum, Bier,<br />

Zigaretten, Fruchtsäfte) und in der Herstellung<br />

von Baumwolltextilien tätig.<br />

Nach wie vor hängt Trinidads Wirtschaft<br />

langfristig von dem erfolgreichen Aufbau von<br />

Alternativen zum Erdöl ab, kurzfristig von der<br />

Fördermenge und der Entwicklung des<br />

Ölpreises und den marktwirtschaftlichen<br />

Gegebenheiten der anderen Exportgüter.<br />

Schwierig bleibt auch der Sektor<br />

Landwirtschaft, der während des Ölbooms<br />

völlig vernachlässigt wurde. Der Zucker ist seit<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 89


Jahrzehnten subventionsbedürftig und nur<br />

unter dem Schutz des Zucker-Protokolls der EG<br />

wettbewerbsfähig. Neben Zuckerrohr, werden<br />

auch Kokosnüsse, Zitrusfrüchte, Reis, Bananen,<br />

Kaffee und Kakao angebaut.<br />

Hauptimportgüter sind Kapitalgüter, Rohstoffe,<br />

Zwischenprodukte und Konsumgüter.<br />

Importiert wird überwiegend aus den USA<br />

(51%), daneben aus Lateinamerika,<br />

Großbritannien, Deutschland, Japan, Kanada<br />

und den CARICOM-Ländern. Export betreibt<br />

T&T in die USA (39%), daneben in die<br />

CARICOM-Länder, Lateinamerika, die EU und<br />

EFTA sowie Kanada.<br />

Die Arbeitslosenquote von 14% ist zwar recht<br />

hoch, hat jedoch aufgrund der karibischen<br />

manana-Mentalität, häufiger<br />

Gelegenheitsarbeit, der klimatischen<br />

Verhältnisse sowie des Naturangebotes an<br />

Früchten, Gemüse und Fisch, das bessere<br />

Versorgungsmöglichkeiten bietet, weniger<br />

gravierende Auswirkungen als in den<br />

Industriestaaten. Die Quote ist auch nur<br />

geschätzt, da in T&T nicht jeder Arbeiter<br />

eingeschrieben ist oder gar über eine Kranken –<br />

oder Rentenversicherung verfügt.<br />

In der Hauptstadt Port of Spain beispielsweise,<br />

arbeiten manche Bewohner nebenher als<br />

private Taxi Fahrer, vorausgesetzt ist natürlich<br />

der Besitz eines Autos. Um die Lizenz dafür zu<br />

erhalten sollte jährlich eine Inspektion am Auto<br />

durchgeführt werden, welche ca. 250 TT$ =<br />

36 Euro kostet, was ein fleißiger Fahrer an<br />

einem Tag bereits wieder verdienen kann. Die<br />

Dienstleister fahren dabei bestimmte Routen<br />

ab und lassen die irgendwo am Straßenrand<br />

stehenden Kunden einsteigen. Während der<br />

Fahrt wird bezahlt (2 – 5 TT$ = 30 – 70 Cent)<br />

und an jeder beliebigen Stelle der Route kann<br />

wieder ausgestiegen werden. Bei 4 Stunden<br />

Taxifahrt während der “rush-hour” steckt der<br />

private Fahrer bis zu 300 TT$ = 43 Euro<br />

steuerfrei in die eigene Tasche…<br />

Derzeit hat sich ein neuer Trend unter den<br />

etablierten Einheimischen eingeschlichen: Sie<br />

kaufen Grundstücke und warten bis ein Kunde<br />

deutlich mehr dafür bezahlt. Da die Bauplätze<br />

auf einer kleinen Insel logischerweise sehr<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

begrenzt sind, ist dieses ein relativ sicheres<br />

Unternehmen. So etwas wie Bauzwang gibt es<br />

hier nicht und die high society weiß auch zu<br />

verhindern dass etwas in dieser Art eingeführt<br />

wird. Dadurch ist es heutzutage für junge<br />

Menschen leider schwierig geworden ein<br />

eigenes Plätzchen zu erstehen.<br />

Eine zweifelsohne wachsende Einnahmequelle<br />

ist der Tourismus. Der Ausbau des Cruise Ship<br />

Complex in Port of Spain und die Erweiterung<br />

des Hafens in Scarborough trug dazu bei, dass<br />

beide Inseln mittlerweile täglich Anlaufhafen<br />

für Kreuzfahrtschiffe sind. Ansonsten<br />

erwirtschaftet Trinidad seine Devisenerlöse aus<br />

dieser Branche hauptsächlich während der<br />

Karnevalszeit. Für Tobago spielt der Tourismus<br />

eine weitaus bedeutendere Rolle und ist neben<br />

der Landwirtschaft und dem Fischfang<br />

Haupteinnahmequelle. 1998 kamen insgesamt<br />

350 000 Besucher ins Land, darunter 13 000<br />

Deutsche. Trotzdem T & T Jahr für Jahr eine<br />

Zunahme der Hotelbetten verzeichnet, steckt<br />

der Tourismus – verglichen mit anderen<br />

karibischen Eilanden – noch in den<br />

Kinderschuhen, was aus der Sicht der Besucher<br />

sicherlich noch etwas Besonderes ist.<br />

In T&T wird eine 15%ige allgemeine<br />

Umsatzsteuer (VAT) auf die meisten Güter und<br />

Dienstleistungen erhoben. Wichtigste<br />

Ausnahme sind eine Reihe von<br />

Grundnahrungsmitteln und Personalcomputer<br />

sowie zugehörige Peripheriegeräte. Andere<br />

indirekte Steuern werden an Treibstoff, Tabak<br />

und Alkohol erhoben. An direkten Steuern<br />

werden Einkommens- (28-35%) und<br />

Körperschaftssteuern (35%) erhoben. Auf<br />

Zinszahlungen, Dividenden, Lizenz- und<br />

Franchise gebühren etc. wird eine<br />

Quellensteuer zwischen 10 und 15% erhoben.<br />

Indische Gottheit in Trinidad:<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 90


Schule und Ausbildung<br />

Der Kindergarten hierzulande kann bereits in<br />

einem Alter ab 5 Monaten besucht werden. Die<br />

Kosten hierfür liegen bei 150 TT$ = 21 Euro die<br />

Woche, inklusive einer liebevoll zubereiteten<br />

warmen Mahlzeit. Die Kinder lernen bereis im<br />

Kindergarten einfache Wörter zu lesen,<br />

schreiben und auch einfache mathematische<br />

Aufgaben zu lösen.<br />

Mit 6 Jahren geht’s dann in die sogenannte<br />

Primary School. Diese dauert 7 Jahre und nach<br />

einem erfolgreichen Examen werden die<br />

Schüler in eine 5 oder 7 jährige Secondary<br />

School versetzt. Nach einem bestandenen<br />

Examen der 7 jährigen Schule haben die ca. 20<br />

jährigen jungen Menschen die Möglichkeit sich<br />

in der lokalen Universität, welche eine<br />

Zweigstelle der University of the West Indies<br />

ist, oder aber auch beispielsweise an einer<br />

Deutschen Uni bewerben. Derzeit bewerben<br />

sich jährlich ca. 10 Studenten aus dem<br />

englischsprachigen Raum der Karibik an<br />

deutschen Unis. Der Trend ist steigend. Zum<br />

Einen wegen der sehr positiven Erfahrungen<br />

welche die ehemaligen Trinistudenten in<br />

Deutschland gemacht haben, zum Anderen<br />

wegen der international anerkannten<br />

Studiengänge wie Master oder Bachelor die seit<br />

einigen Jahren in Deutschland angeboten<br />

werden. Schulabgänger die sich für eine<br />

Berufsausbildung entschieden haben erlernen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

diesen in einer ca. halbjährigen Ausbildung.<br />

Generell ist ein relativ hoher Ausbildungsstand<br />

zu verzeichnen. Mit Erfolg wird ein von der Frity<br />

Werner GmbH betreutes, am deutschen dualen<br />

System orientiertes Berufsausbildungsprojekt<br />

betrieben, das in zahlreiche lokale<br />

Unternehmen ausstrahlt.<br />

Geografie<br />

Trinidad<br />

Trinidad ist mit 4828 km2 (zum Vergleich<br />

Berlin: 889 km2) die größte Insel der Kleinen<br />

Antillen und liegt an ihrer schmalsten Passage<br />

nur 11 km vom venezolanischen Festland<br />

entfernt, getrennt durch den nur maximal 27 m<br />

tiefen Golf von Paria.<br />

Die steilen Ausläufer der mit tropischem<br />

Regenwald überzogenen Northern Range<br />

säumen die Nordküste Trinidads, vereinzelt<br />

unterbrochen durch schmale, palmengesäumte<br />

Buchten (z.B. Maracas Bay, Las Cuevas Bay,<br />

Marianne Beach)<br />

Die südlich San Fernandos weit nach Westen<br />

vorspringende, relativ flache Halbinsel weist<br />

ausgedehnte Kokospalmenwälder, einige<br />

Strände sowie den größten Asphaltsee der Welt<br />

auf und ist Standort einer weiteren<br />

Erdölraffinerie. Während die Northern Range,<br />

die Southern Range, die Sued- und Ostküste<br />

sehr spärlich besiedelt sind, drängt sich die<br />

Bevölkerung in den flachen westlichen<br />

Küstengebieten. Hier liegen unter anderem<br />

auch die Hauptstadt Port of Spain (im Norden)<br />

und die zweitgrößte Stadt San Fernando (im<br />

Süden).<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 91


Tobago<br />

Tobago ist gerade mal 300 km2 groß und liegt<br />

knapp 34 km nordoestlich von Trinidad. Auf fast<br />

zwei Dritteln der gesamten Insellänge<br />

überzeugt die immergrüne Bergkette – The<br />

Main Ridge – mit ihrer höchsten Erhebung, dem<br />

Pigeon Hill (572 m), das paradiesische Eiland.<br />

Das Tobago Forest Reserve gilt als das älteste<br />

Naturschutzgebiet der westlichen Hemisphäre.<br />

Die Ausläufer der Main Ridge fallen nicht<br />

überall steil ins Meer ab, so dass sich vor allem<br />

im östlichen Teil der Insel wundervolle, im<br />

Regenwald eingebettete Badebuchten gebildet<br />

haben.<br />

Der flache südwestliche Teil der Inseln ist am<br />

dichtesten besiedelt. Hier liegen die<br />

Touristenhochburg Crown Point und die<br />

Hauptstadt Scarborough. Das bezaubernde<br />

Buccoo Reef, eine ausgedehnte Korallenbank,<br />

stellt zusammen mit dem schneeweißen, von<br />

tief geneigten Palmen gesäumten Strand<br />

Pigeon Point zweifellos eines der schönsten<br />

Fleckchen Karibik dar.<br />

Fakten für Jugendmeeting in T&T:<br />

Die Inseln wären meiner Meinung nach<br />

durchaus für ein größeres Jugendmeeting<br />

geeignet. Die Überschaubarkeit der Städtchen<br />

und Inseln, die interessante Landschaft und<br />

Natur, und die liebenswürdige, warmherzige<br />

und stets hilfsbereite Bevölkerung machen T&T<br />

zu einem attraktiven Gastgeberland.<br />

Das Seminar auf diesen Inseln durchzuführen<br />

bringt ein relativ geringes Sicherheitsrisiko mit<br />

sich. Die Einheimischen versuchen zwar mit<br />

allen möglichen Tricks an das Geld der<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Touristen zu kommen, ich habe aber während<br />

meines Aufenthaltes keinerlei Erfahrungen mit<br />

Androhung von Gewalt oder etwas dergleichen<br />

machen müssen. Derzeit ist zwar das<br />

Kidnapping von Verwandten reicher<br />

Geschäftsleute in Mode, aber auch davon sind<br />

bis jetzt keine Touristen betroffen. Natürlich<br />

muss man jederzeit seine 7 Sinne aktiviert<br />

haben um nicht von den trickreichen<br />

Taschendieben überrascht zu werden, aber die<br />

gibt es ja bekanntlich überall auf der Welt.<br />

Wie man in dem geschichtlichen Teil nachlesen<br />

kann, sind in diesem Land verschiedenste<br />

Kulturen aufeinandergetroffen, was den Besuch<br />

dieses Landes zusaetzlich interessant macht. Es<br />

gibt Afrikaner, Inder, Europäer und Chinesen.<br />

Diese unterschiedlichen Herkunft haben sich<br />

mittlerweile vermischt und es existiert ein wohl<br />

weltweit einzigartiger Mix von differentiellen<br />

Lebensstilen. Viele Eigenheiten der einzelnen<br />

Abstammungen sind in den verschiedensten<br />

Bereichen wie Essen, Religion, Feierstil, Musik<br />

usw. deutlich ersichtlich. Die Teilnehmer dieses<br />

Seminares haben also die Möglichkeit einen<br />

Einblick in die verschiedensten Kulturen zu<br />

gewinnen ohne um die halbe Welt zu reisen.<br />

Die Einheimischen dort sind sehr stolz auf Ihre<br />

hübschen Frauen. Oft wird man darauf<br />

hingewiesen, wie viele Miss Universe T&T<br />

schon gestellt hat und auch im alltäglichen<br />

Leben trifft man auf einige attraktive Frauen.<br />

Auch das weibliche Geschlecht ist von den<br />

schwarzen durchtrainierten Gigolos mit ihren<br />

Rastalöckchen nicht abgeneigt. Als<br />

ausgebildeter Jugendleiter bin ich mir der<br />

Gefahren, die durch das Interesse der<br />

Jugendlichen an den Menschen mit einer<br />

anderen Hautfarbe entstehen können bewusst<br />

und weiß damit umzugehen.<br />

Ein weiterer Vorteil für die europäischen<br />

Teilnehmer ist die englische Sprache. Bedingt<br />

durch das Erbe von Kolonisten und<br />

Immigranten aus unterschiedlichen Ländern<br />

fand zwar ein Prozess sprachlicher<br />

Verschmelzung statt, der zur Entstehung einer<br />

kreolischen Variante des Englischen führte,<br />

aber wer der englischen Sprache mächtig ist,<br />

versteht das Wesentliche. Für die ausschließlich<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 92


spanisch sprechenden Teilnehmer müsste<br />

natürlich wieder ein Dolmetscher organisiert<br />

werden. Ich denke diesen Part würden aber<br />

gerne wieder unsere nicaraguanischen Freunde<br />

der deutschen Schule dort übernehmen.<br />

Das Essen in T&T ist abwechslungsreich,<br />

schmackhaft und günstig. Es gibt neben<br />

indischen, chinesischen, oder afrikanischen<br />

Spezialitäten auch viele fast Food Restaurants<br />

und unzählige Imbissbuden. Für ein großes<br />

Mittagessen inklusive 1 Getränk muss man ca.<br />

20 TT$ = 3 Euro einkalkulieren. Beim Besuch<br />

eines Restaurants mit einer größeren Gruppe<br />

könnte jedoch auch über diesen Preis noch<br />

verhandelt werden. Ein 0.3 l Softgetränk ist<br />

schon für 3 TT$ = 40 Cent zu haben.<br />

Mir wurde auch eine passende Unterkunft für<br />

bis zu 50 Personen empfohlen. Leider hatte ich<br />

keine Gelegenheit mir diese Unterkunft<br />

persönlich anzusehen, aber mir wurde gesagt,<br />

sie liege auf der Spitze eines Berges, was eine<br />

spektakuläre Aussicht zur Folge hätte, sei<br />

gepflegt und es stünde ein Seminarraum zur<br />

Verfügung. Außerdem ist das zentral gelegene<br />

Haus gut für Ausflüge in die ganze Insel<br />

geeignet. Es gibt viele interessante Ausflugziele,<br />

wie die Multikultistadt Port of Spain, welche<br />

gleichzeitig die Hauptstadt Trinidads darstellt,<br />

Regenwälder, unzählige wunderschöne Kirchen<br />

und Statuen verschiedenster Religionen,<br />

Aussichtspunkte, traumhafte Wasserfälle und<br />

den größten Asphaltsee der Welt. Natürlich gibt<br />

es auch etliche paradiesische Karibikbuchten,<br />

welche hervorragend zum Baden geeignet und<br />

über Wanderwege durch wunderschöne<br />

Wälder erreichbar sind, in welchen man<br />

vielleicht einen Affen, mit Sicherheit aber<br />

etliche Vögel und Schmetterlinge zu sehen<br />

bekommt.<br />

Gleeson und Stefan have a lime in Scaborough,<br />

Tobago:<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Die Trinis sind ein sehr feierfreudiges Volk.<br />

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Kulturen<br />

und Religionen gibt es bemerkenswert viele<br />

Feier- (19 staatliche) und vor allem Festtage auf<br />

den sogenannten Feierinseln der Karibik. Fällt<br />

einer der Feiertage auf ein Wochenende, wird<br />

der arbeitsfreie Tag im Laufe der folgenden<br />

Woche nachgeholt. Während eines 2<br />

woechigen Aufenthaltes würde sich mit<br />

Sicherheit eine Gelegenheit ergeben, die<br />

aufregenden Feiergewohnheiten dieses Volkes<br />

mitzuerleben.<br />

Desweiteren wäre noch zu erwähnen, dass<br />

diese Inseln wohl zu den Einzigen in der Karibik<br />

gehören, die noch nicht von Touristen<br />

überlaufen sind und deswegen auch ihre<br />

Lebensphilosophie ihre Ureigene ist, was die<br />

Inseln zusaetzlich interessant macht. Es ist zwar<br />

kaum zu glauben, aber noch nicht mal unser<br />

Weltenbummler, der 1. Vorsitzende unseres<br />

IKuBeZ, Herbert Seebauer, hat diese Inseln je<br />

besucht.<br />

Auch die Transportkosten halten sich in<br />

zumutbaren Grenzen. Während meiner<br />

Recherchen bin ich auf ein Busunternehmen<br />

gestoßen welches 20 Mann Busse zur<br />

Verfügung hat. Für einen eintägigen Ausflug mit<br />

2 Zielen werden pro Bus ca. 100 Euro<br />

abgerechnet.<br />

Ich denke mit der YMCA, Trinidad und Tobago,<br />

habe ich eine kompetente und zuverlässige<br />

Partnerorganisation gewinnen können. Sie<br />

betreuen Kinder- und Jugendgruppen, daher<br />

dürfte es für sie kein Problem darstellen eine<br />

interessante Gruppe zu schicken, welche<br />

unsere Seminare bereichern würde.<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 93


Die Präsidentin der Organisation Sandra Pyke-<br />

Anthony hat auch Interesse gezeigt ein<br />

internationales Jugendmeeting im eigenen<br />

Land durchzuführen. Die YMCA verfügt über ein<br />

eigenes Gelände mit asphaltierten Sportplatz<br />

auf dem Federball, Basketball oder Fußball<br />

gespielt wird, eine Bücherei, welche sich<br />

allerdings auf Bücher in englischer Sprache<br />

beschränkt, ein eigenes Schwimmerbecken<br />

(22m, 5 Bahnen) mit 3 supernetten<br />

Schwimmtrainern, einen Fernseh- und<br />

Seminarraum und natürlich einige Büros mit<br />

Computern und Internetanschlüssen.<br />

Desweiteren habe ich 2 kompetente deutsche<br />

Touristenführerinnen aufspüren können, die<br />

unser Programm gerne unterstützen würden:<br />

Frau Katharina Dumas (Spezialistin für Touren<br />

auf Tobago)<br />

River Road Circular 13c<br />

Plymouth, Tobago<br />

Republik of Trinidad and Tobago<br />

Tel. / Fax: (868) 639-5395<br />

Handy: (868) 756-0407<br />

E-Mail: katharinadumas@tstt.net.tt<br />

Frau Gunda Busch-Harewood (Spezialistin für<br />

Touren auf Trinidad)<br />

11 East Hill, Cascade<br />

Port of Spain, Trinidad<br />

Tel: (868) 625-2410<br />

Fax: (868) 627-6688<br />

Handy: (868) 756-9677<br />

E-Mail: gunda@wow.net<br />

Beschreibungen und Adressen der<br />

verschiedenen Organisationen<br />

Dieser Teil meiner Arbeit war mit viel<br />

Übersetzungsarbeit verbunden. Deswegen<br />

kann ich leider nicht für die vollständige<br />

Richtigkeit der Texte garantieren.<br />

a) YMCA, Trinidad & Tobago<br />

Benbow Road, off Wrightson Road<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Port of Spain<br />

Trinidad & Tobago<br />

Tel. (868) 625-9622<br />

Or (868) 627-8764<br />

E Mail: ymca@wow.net<br />

Der Patron der YMCA Trinidad & Tobago ist<br />

kein geringerer als der Präsident der Republik<br />

T&T George Maxwell Richards. Zu der<br />

Präsidentin der Organisation, Sandra Pyke-<br />

Anthony konnte ich einen guten persönlichen<br />

Kontakt herstellen und werde auch zukünftig<br />

diesen Kontakt aufrecht erhalten und pflegen.<br />

Die YMCA betreibt einige sehr interessante<br />

Projekte, von denen ich im Folgenden einige<br />

erläutern möchte.<br />

ILO Projekt (International Labru Organisation)<br />

Das Ziel dieses Projektes ist es, 40 in den<br />

staatlichen Müllhalden lebenden Kindern die<br />

Möglichkeit zu geben, eine Schule zu besuchen<br />

oder eine Ausbildung zu beginnen, sie zu<br />

resozialisieren und somit wieder in die<br />

Gesellschaft einzugliedern. Dieses Projekt<br />

konnte ich durch meine Vermittlung an die<br />

lokale deutsche Botschaft mit einem nicht<br />

unerheblichen Geldbetrag unterstützen.<br />

Citibank Projekt<br />

Hierbei möchte YMCA mit Hilfe der Citibank<br />

jungen Leuten einen Weg aufzeigen ein eigenes<br />

Geschäft zu eröffnen und selbständig zu<br />

werden. Es beginnt mit<br />

Informationsveranstaltungen in 6<br />

verschiedenen Gemeinden, erstreckt sich über<br />

die Beratung in wirtschaftlichen und<br />

technischen Fragen und endet wenn die jungen<br />

Geschäftsleute erfolgreich auf eigenen Beinen<br />

stehen.<br />

After-School Programme<br />

In der Trini-Gesellschaft gibt es viele Eltern,<br />

denen es aufgrund Ihrer täglichen Arbeit nicht<br />

möglich ist Ihre Kinder nach der Schule<br />

abzuholen. Mit der Gründung der “After-School<br />

Programme”, welche ständig erweitert werden,<br />

hat die YMCA eine passende Antwort für dieses<br />

Problem gefunden. Die Schüler werden von der<br />

Schule abgeholt, zu YMCA transportiert und mit<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 94


einem kleinen Snack versorgt. Sie machen<br />

unter Beaufsichtigung Ihre Hausaufgaben und<br />

haben die Möglichkeit verschiedenen<br />

Aktivitäten nachzugehen bis sie von Ihren<br />

Eltern abgeholt werden. Die Kosten für dieses<br />

Programm belaufen sich auf 150 TT$ = 22 Euro<br />

pro Monat.<br />

Summer time<br />

Die Schüler in der Republik Trinidad und<br />

Tobago genießen 8 Wochen Sommerferien.<br />

Während dieser Zeit können viele Eltern nicht<br />

genügend Zeit für Ihre Kinder aufbringen. Mit<br />

diesem Programm unterstützt YMCA diese<br />

Familien. Die Kinder werden den ganzen Tag<br />

über betreut, erhalten einen kleinen Lunch, und<br />

können sich die Zeit mit Kindern gleichen Alters<br />

vertreiben. Es wird Fußball, Basketball und<br />

Seilspringen, schwimmen, Filme, und singen<br />

angeboten. Die Kosten für dieses Programm<br />

belaufen sich auf 100TT$ = 14 Euro in der<br />

Woche. Es gibt auch ein Summer time<br />

Programm in den einzelnen Gemeinden.<br />

Natürlich hat man vor Ort nicht die gleichen<br />

Möglichkeiten und deshalb kostet dieses<br />

Programm auch nur 1TT$ = 14 Eurocent pro<br />

Tag. Trotzdem sind die Kinder beschäftigt und<br />

treiben sich nicht auf der Straße herum.<br />

Men Touring<br />

YMCA hat das Problem immer häufiger<br />

auftretender männlicher Aggressionen in T&T<br />

erkannt und deswegen das “Men Touring<br />

Programm” eingeführt. Dieses Programm<br />

wurde hauptsächlich zum Leben erweckt, damit<br />

junge Männer die richtigen Entscheidungen<br />

treffen, ihre persönliche Verantwortung<br />

erkennen und Ihren persönlichen Charakter<br />

weiterentwickeln.<br />

Youth & Community Outreach<br />

Seit 1995 arbeitet YMCA mit benachteiligten<br />

und desillusionierten jungen Personen, um sie<br />

zu positiven und produktiven Mitgliedern der<br />

Gesellschaft zu machen. Mit Hilfe von<br />

Hausbesuchen, Meetings in YMCA Zentren und<br />

Info Veranstaltungen in Schulen und<br />

Gemeinden war es der Organisation möglich<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

landesweit tausende Leute zu erreichen. Dieses<br />

Programm vermittelt einen besseren Umgang<br />

mit der Umwelt, soziale Fähigkeiten, Sport,<br />

Kunst, Lebens- und Familienplanung,<br />

Bewerbungsinfoveranstaltungen und<br />

Sommerfreizeitprogramme. Desweiteren gibt<br />

es verschiedene Jugendgruppen, welche das<br />

Gelände der YMCA benutzen dürfen und somit<br />

einen Platz um abzuhängen und relaxen haben.<br />

Early Childhood Care & Education<br />

Das immer größere werdende Programm<br />

betreut Kinder zwischen 5 Monaten und 5<br />

Jahren. Im Jahr 2002 waren 150 Kinder in der<br />

Obhut unserer Belegschaft. Die Kinder sind<br />

sozial engagiert durch Karnevalaktivitäten,<br />

spielen Fußball, praktizieren Karate und lernen<br />

Musik zu spielen.<br />

Character Caravan<br />

Fürsorge, Respekt, Verantwortlichkeit und<br />

Rechtschaffenheit sind die Kernwerte und<br />

Prinzipien der YMCA und die Organisation<br />

versucht diese zu pflegen und in ihrem<br />

Erziehungssystem durch “Character Caravan”<br />

zu vermitteln. Dieses Konzept wird von YMCA<br />

seit 2001 entwickelt und arbeitet mit Kunst,<br />

interaktiven Theaterstücken und Musik um<br />

jungen Menschen diese Fähigkeiten zu<br />

vermitteln.<br />

Meine direkten Ansprechpartner bei YMCA sind<br />

die beiden Community Outreach Coordinator<br />

der Organisation:<br />

Svenn Miki Grant<br />

43 Belle-Eau-Road<br />

Belmont<br />

Port of Spain<br />

Trinidad & Tobago<br />

Mobile: (868) 755-6993<br />

Home: (868) 623-3646<br />

Office: (868) 625-9622<br />

Gleeson Job<br />

Andrewtrace<br />

Blue Basin Road<br />

Diego Martin<br />

Trinidad<br />

Mobile: (868) 625-9622<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 95


) Youth Developers for a Sustainable<br />

T&T<br />

Upper St. Francois Valley Road,<br />

Belmont<br />

Trinidad & Tobago<br />

Tel. (868) 769-4322<br />

E-Mail: phillippauline@hotmail.com<br />

Die Präsidentin dieses Vereins heißt Pauline<br />

Phillip. Sie bereitet gerade einige karibische<br />

Austauschprogramme vor und zeigte sich auch<br />

sehr an einer Zusammenarbeit mit dem IKuBeZ<br />

in Deutschland interessiert. Diese Gruppe<br />

besteht derzeit aus ca. 40 jungen Menschen<br />

zwischen 14 und 30 Jahren, von denen jeder 20<br />

TT$ = 3 Euro Anmeldegebühr und 100 TT$ = 14<br />

Euro im Jahr Mitgliedsbeitrag entrichtet.<br />

Sie bieten kostenlose Computerkurse<br />

(Windows, Microsoft Office), verschiedene<br />

Sportveranstaltungen (Fußball, Kricket) und<br />

eine kostenlose Kinderbetreuung während der<br />

Nachmittage an. Hierbei erledigen die Kinder<br />

unter Beaufsichtigung Ihre Hausaufgaben.<br />

Außerdem haben die Schüler die Möglichkeit<br />

sich mit Fragen an die Aufseher zu wenden.<br />

Wenn alle Hausaufgaben erledigt sind, gibt es<br />

ein spannendes und abwechslungsreiches<br />

Beschäftigungsprogramm für die Kids.<br />

Es werden auch 2 Sportkurse angeboten, für<br />

die allerdings extra bezahlt werden muss:<br />

- KEEP FIT<br />

- SELBSTVERTEIDIGUNG<br />

Manchmal werden von der Organisation auch<br />

Partys organisiert. Diese Veranstaltungen<br />

stehen unter einem bestimmten Motto. Die<br />

Besucher werden hierbei mit den Themen<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Kriminalität, Gewalt, HIV/AIDS oder die Zukunft<br />

Trinidad und Tobagos konfrontiert.<br />

Weitere Ansprechpartner dieser Organisation<br />

sind:<br />

Call Hayden, Tel. (868) 750-6101<br />

Byron, Tel. (868) 756-1894<br />

c) CARe<br />

PO Box 1944<br />

Port of Spain<br />

Trinidad & Tobago<br />

Tel/Fax: (868) 625-0632<br />

E-Mail: exdir@tstt.net.tt<br />

CARe ist eine regierungsunabhängige<br />

Organisation und hat derzeit bereits über 300<br />

Mitglieder. Sie genießen Unterstützung von<br />

Doktoren, Anwälten und Psychologen. Die<br />

Vereinigung bestimmte einen Vorstand mit 9<br />

Mitgliedern, welcher die Organisation leitet<br />

und führt. Ein Drittel der Vorstandsmitglieder<br />

ist HIV positiv.<br />

Die story von CARe...<br />

Als 1983 der erste HIV/AIDS-Fall diagnostiziert<br />

wurde, hat sich niemand für diesen Fall<br />

interessiert. 1988 begannen eine Reihe<br />

infizierter, junger Leute sich wöchentlich zu<br />

treffen und offen über die Probleme zu<br />

sprechen, welche diese Krankheit mit sich<br />

bringt. Sie diskutierten offen über ihren<br />

Gesundheitszustand, ihre Strategie gegen die<br />

Krankheit anzukämpfen und wie sie infiziert<br />

wurden. Dieses Forum war das Erste seiner Art<br />

in der Karibik, irgendwann gaben sie dem<br />

regelmäßigen Meeting einen Namen: CARe<br />

CARe strebt danach…<br />

die Lebensqualität der Leute die mit dem<br />

HIV/AIDS Virus leben zu erhöhen<br />

CARe<br />

- bietet emotionale Unterstützung für HIV/AIDS<br />

infiziert Personen und deren Familien<br />

- bietet aufklärende Unterstützung für infizierte<br />

Personen und deren Familien<br />

- erleichtert den Zugang zu ärztlicher<br />

Behandlung<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 96


- treibt die Entwicklung der Dienste für<br />

Infizierte voran<br />

- hilft durch Aufklärung der Allgemeinheit und<br />

beeinflusst die Politik<br />

- stoppt die Diskriminierung Infizierter<br />

CARe hat ein HIV-negativ Netzwerk aufgebaut,<br />

welches sie darin unterstützt ihre Ziele zu<br />

erreichen. Die Mitglieder dieses Netzwerkes<br />

spielen für die Organisation eine wichtige Rolle,<br />

vor allem dann, wenn diese direkten<br />

Erfahrungen mit HIV/Aids infizierten in Familie<br />

oder Freundeskreis haben. CARe sucht ständig<br />

nach weiteren lokalen, regionalen und<br />

internationalen Partnerorganisationen. CARe<br />

tritt regelmäßig in Schulen und Jugendgruppen<br />

armer Regionen auf und veranstaltet dort<br />

Informationsrunden über HIV/AIDS, sexuelle<br />

Krankheiten und sexuelle Aufklärung allgemein.<br />

Sie verfügen über 5 Angestellte, die meiste<br />

Arbeit wird allerdings von den vielen<br />

freiwilligen Helfern erledigt.<br />

Desweiteren trifft sich eine Gruppe von ca. 20<br />

Personen zwischen 15 und 22 Jahren einmal<br />

wöchentlich um sich über alle Dinge zu<br />

unterhalten, die sie gerade beschäftigen.<br />

d) The YOUTH DELTA<br />

13C Wrightsen Road<br />

Port of Spain<br />

Trinidad & Tobago<br />

Tel: (868) 624-9335<br />

Fax: (868) 624-9336<br />

E-Mail: theyouthdelta@excite.com<br />

VISIONEN<br />

The YOUTH DELTA wird Hilfe durch<br />

Beteiligungen und Partnerschaften mit vielen<br />

verschiedenen Organisationen anbieten. Die<br />

Jugend hat ein großes Mitspracherecht, was die<br />

Entscheidungen und Durchführung der<br />

verschiedenen Programme angeht. Letztendlich<br />

werden diese Programme schließlich auch von<br />

den Jugendlichen selbst durchgeführt.<br />

TYD wird immer darauf achten, dass die<br />

Interessen der Jugendlichen unabhängig von<br />

der politischen Entwicklung Trinidad & Tobagos<br />

im Vordergrund stehen. TYD wird mehrere<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Jugendzentren in den einzelnen Gemeinden<br />

übernehmen, um dadurch engeren Kontakt zu<br />

den Jugendlichen aufbauen zu können und<br />

diese zu eigenverantwortlicher Arbeit in deren<br />

Gemeinde zu motivieren. TYD wird ein großes<br />

Netzwerk mit allen Jugendorganisationen<br />

bilden, mit denen sie in Kontakt stehen und<br />

somit einen großen starken Verband bilden.<br />

TYD sieht sich in der Zukunft als Die<br />

Informationsquelle was die Jugend in Trinidad<br />

und Tobago betrifft.<br />

KERNWERTE<br />

- Service Leistungen<br />

Unser primärer Klient ist die Gemeinschaft der<br />

Jugendorganisationen. Diese, bei denen der<br />

Ausbau und die Verbesserung der<br />

Serviceleistungen äußerste Priorität haben.<br />

- Professionalität<br />

Die effektive Entwicklung und Darstellung von<br />

Fähigkeiten und Kompetenzen ist immer Teil<br />

unserer Philosophie.<br />

- Teamwork<br />

Auf den verschiedenen Projekten basierenden,<br />

disziplinierten Teams sind unersetzlich um zu<br />

Erfolgen zu kommen.<br />

- Integration<br />

Soziales Verantwortlichkeitsgefühl und<br />

Rechtschaffenheit sind der Schlüssel um der<br />

Entwicklung unserer Jugend näher zu kommen.<br />

Unsere Organisation ist<br />

- dynamisch<br />

- innovativ<br />

- jung<br />

- produktiv<br />

- menschlich<br />

- technologisch bewandert<br />

- am Menschen orientiert<br />

- projektorientiert.<br />

HAUPTAUFGABEN<br />

Beraten und Unterstützen:<br />

- Beratung der Politik in Fragen der<br />

Jugendentwicklung<br />

- Repräsentation der Entwicklung der<br />

verschiedenen Stadien des<br />

Jugendentscheidungsprozesses<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 97


- Einwirkung auf den Gesetzgeber was<br />

Jugendfragen angeht<br />

- Sich um die intellektuelle Weiterentwicklung<br />

innerhalb der Organisation kümmern<br />

Projektmanagement & technische<br />

Unterstützung:<br />

- Weiterentwicklung der Kapazitäten von TYD<br />

und anderen Organisationen um verschiedene<br />

Projekte durchzuführen und zu verwalten.<br />

- Entwickeln eines Netzwerkes welches die<br />

Durchführung und Verwaltung von Projekten<br />

sehr ernst nimmt.<br />

- Leiten von Workshops, welche sich um<br />

Projektdesign und Projektentwicklung<br />

kümmern.<br />

Freiwillige beschäftigen:<br />

- Fördern von effektiver Freiwilligenarbeit und<br />

Bereitstellung von Gebäuden und<br />

Grundstücken für diese Arbeit.<br />

- Werben für Freiwilligenarbeit.<br />

Beschaffung von Geldern:<br />

- Durchführen von Veranstaltungen<br />

- Gründen von Workshops<br />

- Entwickeln von Produkten für Marketing und<br />

Verkauf<br />

STRUKTUR DER ORGANISATION<br />

Unsere Vereinigung ist eine flexible<br />

Organisation, die aus 4 Elementen besteht. Es<br />

gibt eine Reihe von Direktoren, welche für die<br />

<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />

Führung verantwortlich ist. Diese geschulten<br />

und qualifizierten Führungspersonen besitzen<br />

über große Erfahrungswerte im Bereich der<br />

sozialen Entwicklung, Jugendentwicklung,<br />

Finanzmanagement, graphisches Design und<br />

Psychologie. Außerdem gibt es eine Reihe<br />

Mitarbeiter, welche verschiedene<br />

Programmaktivitäten durchführen.<br />

Desweiteren gibt es viele freiwillige Helfer,<br />

welche für spezifische Projekte eingesetzt<br />

werden.<br />

Die Mitglieder von TYD sind in verschiedene<br />

Teams eingeteilt, was die Abarbeitung der<br />

Projekte vereinfacht. Diese Teams kümmern<br />

sich um folgende Teilgebiete:<br />

1. Mitglieder<br />

2. Verwaltung und Finanzen<br />

3. Ereignisplanung<br />

4. Produktenwicklung<br />

5. Kommunikation<br />

6. Gebäudekapazität.<br />

MITGLIEDORGANISATIONEN<br />

TYD arbeitet mit verschiedensten<br />

Organisationen zusammen. Etwa 25<br />

Jugendorganisationen bilden ein<br />

Jugendnetzwerk.<br />

Meine Ansprechpartnerin bei TYD ist:<br />

Arielle Joseph<br />

DRETCHI Compound<br />

13C Wrightson Road,<br />

Port of Spain<br />

Trinidad<br />

Tel. (868) 624 – 9335<br />

E-Mail: jarielle_99@yahoo.com<br />

wackotrini@hotmail.com<br />

Euer Stefan Stark<br />

Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 98

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