Geschäftsbericht Freiwilligendienste. - AKBV
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Seit 2000 schicken wir Freiwillige im Rahmen<br />
des EVS und des ADiA in die Welt. Wir legen<br />
heute einen Bericht über die letzten 3 Jahre<br />
vor, in dem die Berichte der Freiwilligen<br />
ungekürzt zu lesen sind, sowie die Bedingungen<br />
und Verbesserungsvorschläge die durch die<br />
Arbeit entstanden sind, aufgelistet werden.<br />
Ziele der Freiwilligenarbeit:<br />
Lernziele sind: Verantwortungsbewusstsein,<br />
Selbstständigkeit, interkulturelles Lernen,<br />
Einfühlungsvermögen Empathie, Erkennen der<br />
Problemlagen der Menschen und Situationen<br />
der Umwelt, Rassismus, usw.<br />
Wünsche der Freiwilligen waren:<br />
- Sprachwortschatz weiter auszubauen.<br />
- Durch Tätigkeiten in der Welt etwas zu verändern.<br />
- Sinnvolle soziale Aufgabe zu erfüllen, bei der man<br />
Menschen helfen kann, die diese Hilfe benötigen.<br />
- Viele neu Freundschaften zu knüpfen.<br />
- Neu Dinge kennen zu lernen.<br />
- Viele neu Erfahrungen zu sammeln.<br />
- Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zu<br />
verstehen und zu verbinden.<br />
Bereiche in denen Freiwillige eingesetzt<br />
werden:<br />
Umweltschutz, Schülerbetreuung,<br />
Antirassismusarbeit<br />
Länder:<br />
Ecuador Venezuela Trinidat<br />
Marokko China<br />
Georgien Serbien<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Bewerbungen<br />
38 Bewerbungen 3 EVS<br />
35 ADiA<br />
1 WW<br />
35 Männlich 3 Weiblich<br />
Bundesländer: Bayern 2 - Andere 36<br />
Verbesserungsfähig Werbung in Bayern<br />
Vorstellung<br />
Vorstellunggespräche und Übungen 3 Tage<br />
sowie Auswahl der zu entsendenden<br />
Freiwilligen.<br />
Vorbereitung<br />
Mit den ADIA Menschen wurden 10 Tage<br />
Seminar durchgeführt, dieses wurde praktisch<br />
mit einen Serbischen Jugendaustausch für das<br />
interkulturelles Lernen erprobt. Die Themen<br />
Bildungssystem<br />
Rassismus und<br />
verschiedene Kulturen,<br />
Zusammenarbeit mit dem Träger,<br />
Schwierigkeiten im Land und Menschen<br />
Behörden,<br />
Essgewohnheiten und Ethnien bearbeitet.<br />
Fragen wurden abgearbeitet.<br />
Wurde von allen als sehr genial empfunden.<br />
Möglichkeiten der Dokumentation der Arbeit<br />
wurde als extrapunkt behandelt.<br />
Die Versicherung wird abgeschlossen und die<br />
Impfungen überprüft.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 1
Betreuung<br />
Während des Aufenthaltes werden die<br />
Teilnehmer per Telefon und Email betreut,<br />
sowie von den Tutoren vor Ort. Der Tutor<br />
schickt uns regelmäßig einen Bericht und der<br />
Freiwillige schickt uns ebenfalls einen<br />
Monatsbericht, der auf unserer Homepage<br />
veröffentlich wird. In Ecuador und Serbien<br />
werden Besuche und ein Zwischenseminar<br />
durchgeführt.<br />
Sofortkontakt durch Telefon ist jederzeit<br />
möglich.<br />
Nachbereitung<br />
Nach dem Jahr wird ein 5 tägiges<br />
Nachbereitungsseminar durchgeführt, da hier<br />
bei der Rückkehr die meisten Probleme<br />
Auftauchen.<br />
EVS ADIA Weltwärts ÖSJ<br />
Wie weiter: Qualität<br />
Weitere ADIA und Weltwärtsstellen werden<br />
2010 im Senegal<br />
Marokko<br />
Togo<br />
Kamerun<br />
Rumänien<br />
Moldawien<br />
eingerichtet.<br />
Das Konzept für das Ausreiseseminar wurde<br />
2009 nochmal überarbeitet und wesentliche<br />
Verbesserungen im Ablaufplan von Bewerbung<br />
bis Abschlusszertifikat eingeführt.<br />
Werbung für die Einsatzstellen, nachdem wir<br />
Werbung bislang nicht durchgeführt haben.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Verbesserung der weiteren Entwicklungsarbeit<br />
in unseren Verein und Teilnahme der ADIA an<br />
unserer Jugendleiterausbildung und<br />
Ausstellung des Jugendleiterausweises.<br />
Die Freiwilligen engagieren sich in der<br />
Entwicklungsarbeit. Geplant ist ein jährliches<br />
Treffen aller ehemaligen Freiwilligen mit<br />
Aufgabenverteilung und Reflexion.<br />
Die Ausbildung der Tutoren im Aufnahmeland<br />
ist für 2010 geplant, dass im Rahmen der<br />
Zwischenseminare im Ausland 3 Tage für<br />
Tutoren angehängt werden um alle an den<br />
Neuerungen und Neuigkeiten teilhaben zu<br />
lassen.<br />
Zum Weiteren ist geplant auch Ältere<br />
Teilnehmer für das Auslandspraktikum und<br />
ehemalige Hauptschüler, die Arbeitslos sind,<br />
durch Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt, zu<br />
gewinnen.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 2
„ADiA“ – Anderer Dienst im Ausland<br />
Hier sind alle die sein Dienst jetzt gerade<br />
machen oder schon gemacht haben.<br />
Ecuador:<br />
Peter Trögel<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Juli 2005 – Juni 2006<br />
Thomas Mildenberger<br />
Oktober 2008 –<br />
September 2009<br />
Julian Wirth<br />
September 2009 -<br />
August 2010<br />
Cay Buschmann<br />
August 2008 - Juli 2009<br />
Peter Riegg<br />
Mai 2009 - April 2010<br />
Benjamin Bayerle<br />
September 2009 –<br />
August 2010<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 3
China:<br />
Serbien:<br />
Trinidad und Tobago:<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Alexander Fischer<br />
August 2008 – Juli 2009<br />
Nils Weitzel<br />
August 2008 – Juli 2009<br />
Stefan Stark<br />
Juli 2003 –<br />
September 2009<br />
Andreas Schmid<br />
September 2009 –<br />
August 2010<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 4
Monatsberichte von den ADiA Leistenden.<br />
Ecuador:<br />
Vom Cay Buschmann<br />
August – September 2008<br />
Buenos dias liebe Spender, Familie &<br />
Freunde,das hier ist mein erster "offizieller"<br />
Rundbrief aus Ecuador. Warum? Der erste<br />
Monat ist zwar noch nicht um, aber mein erster<br />
Teilabschnitt des Jahres ist vorbei - ich bin nun<br />
nach drei Wochen in meinem Projekt<br />
angekommen, habe also die Hauptstadt Quito<br />
verlassen.<br />
Das bedeutet, ich habe zwei Wochen<br />
Sprachkurs Spanisch hinter mir und muss<br />
sagen, es ist echt eine leichte Sprache.<br />
Sicher liegt auch viel daran, dass man quasi<br />
rund um die Uhr damit konfrontiert wird, aber<br />
es hat mir sogar Spaß gemacht Vokabel und<br />
Grammatik zu lernen - was angesichts der<br />
Tatsache, dass ich die Schule erst von ca. zwei<br />
Monaten verlassen habe, schon erstaunlich<br />
finde!<br />
Quito hat mir sehr gut gefallen, obwohl es die<br />
ersten Tage schwierig war, mit der Höhe von<br />
2800 m fertig zu werden. Der Sauerstoffmangel<br />
in der Luft ist durchaus spürbar und<br />
Zeitumstellung tut ihr übriges zur Mattheit und<br />
Dauer-Müdigkeit. Aber schnell ist all das<br />
vergessen und ich hatte meinen Spaß in der<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Sprachschule und mit meiner Gastfamilie -<br />
meine Gastmama war eine Lehrerin der<br />
Sprachschule und ich teilte die Wohnung<br />
außerdem zeitweise noch mit einem Australier<br />
(auch Schüler an meiner Sprachschule), einer<br />
Engländerin mit ihren zwei Kindern und einigen<br />
Verwandten meiner Gastmutter Patricia.<br />
Insgesamt war immer für Abwechslung gesorgt<br />
und ich fand schnell auch ein paar Deutsche,<br />
"natürlich" auch Zivis, die mich davon abhalten<br />
konnten Spanisch zu reden...<br />
Ich war in Quitos Touristenviertel La Mariscal<br />
untergebracht, wo Tag und Nacht immer was<br />
los war. Doch auch oder gerade die Altstadt ist<br />
nicht zu verachten, ein buntes Meer von<br />
Kirchen, Regierungs-Palästen und anderen<br />
herrlichen Kolonialbauten. Inmitten dieser<br />
Atmosphäre trafen ein anderer deutscher Zivi<br />
und ich an einem Hotel die Nationalmannschaft<br />
Ecuadors, welche grad in ihren Mannschaftsbus<br />
stieg. Nach dem 3:1-Sieg über Bolivien am<br />
Vortag waren auch wir zwei stolz auf "unsere"<br />
Jungs und klatschten mit den anderen,<br />
wechselten noch ein paar Worte mit dem<br />
Trainer (welcher übrigens in Deutschland<br />
studierte) und schossen Fotos mit ihm und ein<br />
paar Spielern. Tja, in Deutschland gibt es dann<br />
immer kilometerweise Absperrung um die<br />
National-Elf und hier rennt man ihnen einfach<br />
über den Weg....<br />
Überhaupt wird Fußball hier ganz anders<br />
gelebt, ein Fußballkommentator ist immer<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 5
freudig, gut gelaunt und zieht den TOOOOR-Ruf<br />
über eine enorme Länge hin, selbst wenn es ein<br />
Tor für die Gegenmannschaft ist. Ich verstehe<br />
nicht sehr viel von den Fußballkommentaren,<br />
weil mein Spanisch noch nicht so gefestigt ist<br />
und außerdem viel zu schnell gesprochen wird.<br />
Dennoch spürt man die Begeisterung und<br />
Leidenschaft unheimlich...<br />
Ich besichtigte auch das Äquator-Denkmal von<br />
la Mitad del Mundo, dem Mittelpunkt der Welt.<br />
Es ist schon faszinierend zu wissen, dass man<br />
beim einmaligen Umkreisen des Denkmals<br />
zweimal die Erdhalbkugel wechselt!<br />
Des weiterem besichtigte ich noch den<br />
Panecillo, einen Hügel etwa mittig in der Stadt<br />
gelegen.<br />
Auf ihm thront die Statue der Virgen de Quito,<br />
welche ihre schützenden Arme über der<br />
Altstadt, La Mariscal und den ganzen Norden<br />
der Stadt ausbreitet. Ein noch schöneres<br />
Erlebnis war die Besichtigung des TeleferiQo -<br />
die höchstgelegendste Seilbahn der Welt führt<br />
einen auf einen hohen Berg im Westen der<br />
Stadt. In eisigem Wind auf 4100 m Höhe sieht<br />
man noch deutlicher, was auch schon auf dem<br />
Panecillo zu sehen war: die Ausmaße Quitos.<br />
Obwohl die Stadt offiziell nur 1,3 oder 1,6<br />
Millionen Einwohner zählt, streckt sie sich über<br />
eine Länge von 50 km in der Nordsüd-Richtung.<br />
Die Breite beträgt ca. 5-10 km. An der Spitze<br />
des TeleferiQo's stehend, denkt man, das<br />
Ostende der Stadt fast greifen zu können,<br />
währende man das Nord- und Südende nur<br />
erahnen kann... Nicht nur die Kälte, sonder vor<br />
allem den erhöhten Sauerstoffmangel auf 4100<br />
m machte mir echt zu schaffen. Schritt für<br />
Schritt hechelt man die steilen Pfade in<br />
Richtung des Vulkans Ruco Pichincha, welcher<br />
der Region um Quito den Namen gab. Natürlich<br />
habe ich den Vulkan nicht bestiegen, dass ist,<br />
denke ich, nur mit Kletterausrüstung und<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Führer zu wagen. Dennoch ist das Gefühl dort<br />
oben einfach atemberaubend. Die Stille, wenn<br />
kein Auto hupt oder kein Handy klingelt, und<br />
der Ausblick auf karge und grasige Täler,<br />
wolkenumhüllte Berggipfel und natürlich auf<br />
die lärmende Stadt Quito, welche man hier<br />
oben ganz anders genießen kann.<br />
Doch am Freitag dem 12.9. hieß es Abschied<br />
nehmen von Quito und allen Freunden die ich<br />
hier fand, denn es ging endlich los. Der<br />
Regenwald wartet auf mich... Doch davon gibt<br />
es voraussichtlich Ende September mehr. Ist ja<br />
nicht mehr so lange.<br />
Bis zum nächsten Mal verbleibe ich mit den<br />
herzlichsten Grüßen von "kurz unterm Äquator"<br />
Euer Cay Buschmann<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 6
Vom Thomas Mildenberger<br />
Dezember 2008<br />
Hola!<br />
Meine 2. Rundmail schicke ich mitten in die<br />
Adventszeit, von der ich hier nichts bemerke.<br />
Hätte mir nicht jemand gesagt, dass schon<br />
Dezember ist – ich hätte vielleicht erst wieder<br />
Ende 2008 wieder das Gefühl von Winter und<br />
Weihnachtszeit gehabt (Ich bin gespannt, wie<br />
hier dieses Fest gestaltet wird und, wie ich<br />
diese Feiertage _ das erste Mal unter<br />
Bananenpalmen, verbringen werde). Die Zeit<br />
vergeht rasend (Ich bin jetzt wirklich schon<br />
einen Monat an der Küste?!). Eine Woche folgt<br />
der nächsten und, und… ich habe mich so<br />
langsam auf der Farm eingelebt. MEHR dazu<br />
unten, nun erstmal chronologisch:<br />
Nachdem ich also Quitos Altstadt näher kennen<br />
gelernt hatte (unter anderem eine barocke<br />
Basilika, die durchaus mit dem Freiburger<br />
Münster mithalten kann) und mit der Teleferico<br />
(die höchste Seilbahn der Welt) den Ricu<br />
Pichincha (4700m) annähernd bestiegen hatte,<br />
reiste ich am Sonntagabend an die Küste. Dank<br />
des skrupellosen Fahrstils des Busfahrers<br />
meisterten wir die Strecke von normalerweise 8<br />
in nur 7 Stunden, doch mussten wir im<br />
Gegenzug dazu auch einiges an Reisekomfort<br />
aufgeben. Ein ständiges Hin- und Her- Gewackel<br />
hinderte mich am Schlafen und so hatte ich<br />
lange genug die Gelegenheit, zu beobachten,<br />
wie der Fahrer versuchte, den<br />
verschiedengroßen Schlaglöchern<br />
auszuweichen, welche die schlecht- oder auch<br />
nicht- ausgebauten Straßen sehr<br />
abwechslungsreich gestalten.<br />
Angekommen in „Bahía de Caraquéz“ fand ich<br />
endlich die lang ersehnte Wärme/ Schwüle, die<br />
man am Äquator erwartet (nachdem mich die<br />
übereifrige Klimaanlage im Bus auf die<br />
derzeitige Temperatur in Deutschland herunter<br />
gekühlt hatte). Da sich diese Stadt auf einer<br />
Halbinsel der südlichen Seite der Bucht<br />
befindet, musste ich noch nach „San Vincente“<br />
übersetzten, um nach Norden weiter zur Farm<br />
reisen zu können. Von hier aus sollte ich<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
abgeholt und zur Farm gebracht werden. Es<br />
folgt nun eine Beschreibung der Fahrt, welche<br />
ein gutes Beispiel für die effiziente<br />
ecuadorianische Logistik ist: Normal große,<br />
uralte, rostige Pick-Up’s sind hier das<br />
Transportmittel Nummer 1. Zuerst wird die<br />
komplette Ladefläche mit Lebensmittelsäcken<br />
bepackt – nur kleine Zwischenräume werden<br />
gelassen, in denen die Beine der Passagiere<br />
später Platz finden sollen. Dann legt man ein<br />
paar Bretter auf diese Ladung, welche die<br />
Bänke für die Passagiere darstellen. Um auch<br />
wirklich die größtmögliche Anzahl an Menschen<br />
transportieren zu können, müssen diese, sich<br />
gegenübersitzend ihre Beine ineinander<br />
„verzahnen“. Auf diese Weise passen<br />
normalerweise mindestens 16 Leute auf 4<br />
Bretter. Nachdem man dann mit ein wenig<br />
Nachdruck noch mehr Gepäckstücke zwischen<br />
sich klemmt, können nun noch Kinder und neue<br />
Ladung auf den Schoss genommen werden. Zu<br />
diesem Zeitpunkt kann man sich schon nicht<br />
mehr bewegen, aber man glaubt gar nicht, was<br />
in dieser Hinsicht alles möglich ist. An diesem<br />
Tag wollten viele Leute in Richtung „Rio<br />
Muchacho“ fahren, weshalb wir ein bisschen<br />
näher zusammenrücken mussten. So stiegen<br />
auf unserer Fahrt durch San Vicente noch<br />
einige Personen zu und einiges an Ladung<br />
musste zusätzlich aufgenommen werden.<br />
Wir hatten eine Gesamtanzahl von 21 Personen<br />
erreicht, als weitere Einkäufe folgten. Tüten<br />
weise exotisches Obst wurde mitgenommen<br />
und dann woanders wieder abgeliefert; Es<br />
waren immer noch genug freie Hände da. Ich<br />
bekam einen Karton in die Hand, ca. 30cm x<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 7
50cm x 10cm. Darin befand sich, wie ich bald<br />
herausfand, zwischen 20 und 30 quiekende<br />
Küken! Unterwegs klammerten sich Leute, die<br />
ein Stück mitfahren wollten einfach von außen<br />
am Wagen fest und sprangen an der<br />
gewünschten Straßenecke wieder herunter.<br />
Dank eurer Vorstellungskraft (_Ich zwischen 20<br />
Ecuadorianern auf einem VOLL bepacktem<br />
Wagen; nicht in der Lage meinen großen<br />
Fußzehe zu bewegen) ist folgende Frage<br />
bestimmt nachvollziehbar: Wie lange werden<br />
die ohnehin schon lange abgefahrenen Reifen<br />
dem inneren Luftdruck noch standhalten<br />
können...?<br />
Nichts desto trotz habe ich diese Fahrt sehr<br />
genossen; Abgelenkt vom Fahrtwind in meinem<br />
über alle Köpfe hinwegblickenden Gesicht und<br />
durch das eben beschriebene Bild vor<br />
Augen…Ich denke, so muss man mal gereist<br />
sein ;) Ungefähr 10km nördlich liegt „Canoa“,<br />
ein kleines Küstendorf, das von Surfertouristik<br />
lebt. Von hier aus geht es weitere 8 km<br />
landeinwärts durch eine Region, in der 2<br />
unterschiedliche Ökosysteme aufeinander<br />
treffen:<br />
Regenwald aus dem Norden und<br />
Trockenwälder aus dem Süden. Grund für<br />
ersteres ist ein Warmwasserstrom aus<br />
Zentralamerika, der das Meer erhitzt und viel<br />
Wasser verdampfen lässt (ergo viel Regen).<br />
Ursache für die weltweit einzigartige,<br />
chilenische Wüste und die Trockenwälder an<br />
den Küsten Perus und Südecuadors ist der<br />
Humboldtstrom, der aus der Antarktis kaltes<br />
Wasser bringt und somit das Verdampfen des<br />
Wassers und den daraus resultierenden, Leben<br />
bringenden Regen verhindert. Man trifft hier<br />
also auf einen Mischwald, bestehend aus<br />
Pflanzen beider Ökosysteme. Da gerade noch<br />
Trockenzeit ist, sind einige Hügel mit<br />
vertrockneten Pflanzen und kahlen Bäumen<br />
bedeckt, während sich in den kleinen Tälern<br />
und entlang den Bächen immergrüne Büsche<br />
und Palmen erstrecken.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Um die Arbeit auf der Farm näher erklären zu<br />
können muss ich nun noch ein wichtiges Kapitel<br />
aus der Geschichte dieses Landes erzählen. Vor<br />
70 Jahren war hier alles bewaldet und die<br />
Region war bekannt für ihren Kaffeeanbau. Die<br />
Farmer bauten zwischen/ unter den Bäumen<br />
des Waldes eine Sorte an, die sehr gut im<br />
Schatten wuchs, aber auch nur einmal pro Jahr<br />
Ertrag brachte. Dann kam eine neue<br />
Kaffeesorte aus Arabien: Eine robustere und<br />
ertragsreichere Pflanze, die viel Sonne brauchte<br />
und dafür alle 3 Monate reife Bohnen lieferten.<br />
In Hoffnung auf mehr Profit holzte man die<br />
Wälder ab und wechselte zur reinen<br />
Monokultur dieser importierten Pflanze. Eine<br />
Überproduktion und die nun große Konkurrenz<br />
auf dem Kaffeemarkt senkten in den<br />
Folgejahren die Preise in dramatischer Weise.<br />
Der Staat half den verarmten Farmern aus<br />
dieser Krise, indem er Kühe aus Indien<br />
einschiffen ließ und so das Land für Rinderzucht<br />
(+ Milch-/Käseproduktion) umfunktionieren<br />
wollte. Daher vielen Kaffeefelder und restliche<br />
Wälder den großen Weideflächen zum Opfer.<br />
Als nächstes erschütterte eine 7 Jahre lang<br />
anhaltende Dürre das Land. Das Gras trocknete,<br />
die Kühe starben, die Farmer verließen die<br />
Region. 1983 trat dann das erste Mal das<br />
schreckliche Phänomen „El Nino“ ein,<br />
begründet in einem Meeresstrom aus<br />
Australien, der ca. alle 15 Jahre einen 10-<br />
Monatigen Dauerregen bringt: Die<br />
Küstenstädte wurden überschwemmt, in den<br />
Straßen stand der Schlamm bis zu 4 Meter hoch<br />
und machte die Familien obdachlos. Doch für<br />
den trockenen, vom Kaffe einseitig<br />
ausgelasteten Boden und die gesamte<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 8
entwaldete Landschaft war diese lange<br />
Regenzeit ein Segen. In den 1980gern wurde<br />
die Farm RIO MUCHACHO und das Projekt<br />
GUACAMAYA TOURS – „Tourismus für einen<br />
besseren Planeten“ gegründet, um das Land<br />
wieder zu bepflanzen/ bewalden/ aufzubauen.<br />
Nachdem Bahía vom „El Nino“ zerstört war,<br />
wurden einige Recycle-Aktionen ins Leben<br />
gerufen, weshalb diese Stadt inzwischen den<br />
Beinamen ECOCITY erhalten hat. Auch von<br />
Guacamayo Tours gegründet ist Ecuadors’<br />
erstes Papier- Recycle-Projekt: ECOPAPEL.<br />
Außerdem wurde eine Grundschule/<br />
ENVIRONMENTAL SCHOOL gebaut, in der den<br />
Kindern zusammen mit dem Lesen, Schreiben<br />
und Rechnen auch gleich Umweltgrundlagen<br />
und Ökologie beigebracht werden. Weitere 11<br />
ländliche Grundschulen und 11 städtische<br />
Schulen in Bahía und Umgebung nehmen an<br />
dem Unterrichtsprojekt ENVIRONMENTAL<br />
EDUCATION teil, was bedeutet, dass<br />
Unterrichtseinheiten zu umwelttechnischen<br />
Sachverhalten vorbereitet und an allen Schulen<br />
durchgeführt werden.<br />
Die Farm selbst, nennt sich „Finca Organica“<br />
und betreibt organische Landwirtschaft nach<br />
dem Prinzip der Permakultur und der<br />
Biodynamik.<br />
Das heißt, man versucht alle Bereiche so<br />
miteinander zu verknüpfen, dass sie sich<br />
gegenseitig ergänzen und einen unabhängigen<br />
Kreislauf bilden. Man richtet den gesamten<br />
Aufbau danach aus, kein einziges Abfallprodukt<br />
zu erzeugen und bezieht hierbei die Natur so<br />
mit ein, dass diese für einen arbeitet, anstatt<br />
selbst gegen sie zu arbeiten. Deswegen ist es<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
wichtig, dass alle Mittel 100% biologisch<br />
abbaubar sind. Verschiedene chemische<br />
Kompostierprozesse und Mikroorganismen<br />
spielen hierbei eine große Rolle. Jegliches<br />
organisches Material wie Laub oder Tierkot<br />
wird zu Dünger verarbeitet, welcher den<br />
Nutzpflanzen als Nährstoffquelle dient. Um die<br />
kahle, vertrocknete und sandige Landschaft<br />
wieder in fruchtbares Ackerland zu verwandeln<br />
und somit den Farmern und der kompletten<br />
Region ihre Lebensgrundlage zurück zu geben,<br />
braucht man nicht nur eine ganze Menge<br />
richtig guten Humus und eine ordentliche<br />
Regenzeit, sondern muss auch das Prinzip der<br />
Nachhaltigkeit publik machen. Denn das<br />
Gegenteil wird hier leider viel zu oft praktiziert:<br />
Große Unternehmen bieten den Farmern<br />
genmanipulierten Samen und nötige Herbizide<br />
+ Pestizide, damit diese riesige Monokultur an<br />
z.B. Bananen/ Kakao/… anbauen. Ein paar Jahre<br />
später sind die Farmer abhängige Käufer der<br />
chemischen Düngemittel und der Samen,<br />
welche nur eine einzige Pflanzengeneration am<br />
Leben bleiben, während der Boden verseucht<br />
und nährstoffarm ist. Man kann also nur<br />
hoffen, dass die „Eine Welt“-Läden noch<br />
erfolgreicher werden. (Auf der Rio Muchacho<br />
Farm angebaute/ hergestellte Produkte werden<br />
auch nach dem „Fair Trade“- Prinzip verkauft.<br />
Noch sind jedoch Touristen die einzigen<br />
Abnehmer, da sich Einheimische die teureren<br />
Produkte nicht leisten können.) Alle oben<br />
genannten „Guacamayo Tours Projekte“<br />
werden allein durch den so genannten<br />
Ökotourismus finanziert. Neben dem Angebot<br />
verschiedenen Tagestouren vor Ort, kann man<br />
auch als Volontär auf der Farm arbeiten oder<br />
Permakulturkurse belegen.<br />
Man könnte noch viel mehr über diese<br />
Ökoprojekte sagen, aber es soll sich ja nicht wie<br />
Schleichwerbung anhören. Trotzdem muss ich<br />
voller Überzeugung anmerken, dass dieses<br />
Thema (Permakultur, Nachhaltigkeit,<br />
Ökonomie, Recycling, Bio-, etc.) ein sehr<br />
wichtiges ist und in der Zukunft noch an<br />
Bedeutung gewinnen wird!<br />
Auf der Farm gibt es Pferde, Esel, indische Kühe<br />
(das sind die, mit dem überdimensional großen<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 9
Ohren), Schweine, Hühner, Meerschweinchen,<br />
Wurmbeete, Hunde, Katzen, einen riesigen<br />
Obst-, Kräuter- und Gemüsegarten und kahle<br />
Fläche, die erst noch wiederbepflanzt werden<br />
muss.<br />
Insgesamt ist das Gelände 10 Hektar groß, was<br />
im hiesigen Vergleich eine sehr kleine Farm ist.<br />
Neben Volontären kommen auch Touristen auf<br />
die Finca, um 3 oder 4 Tage zu bleiben – die<br />
Volontäre bleiben für einen Monat. Je nach<br />
Saison sind hier bis zu 30 junge Leute aus aller<br />
Welt, hauptsächlich aber aus den USA.<br />
Außerdem waren da: Kanadier, Australier,<br />
Engländer, Deutsche, Franzosen, Belgier,<br />
Schweden, Kolumbianer (sortiert nach deren<br />
Anzahl). Die Arbeiter und die Familien in der<br />
Umgebung sprechen/ nuscheln natürlich<br />
ausschließlich Spanisch, aber untereinander<br />
reden hier alle Englisch. Ja, das ist nicht das<br />
Beste für meine Spanischfortschritte, wobei<br />
mein passiver Wortschatz immer größer wird.<br />
Ich verstehe eigentlich schon das meiste, das<br />
mir auf Spanisch gesagt wird, wenn die Leute<br />
nicht gerade wieder alle Wortendungen<br />
verschlucken. Jedoch spreche ich selbst den<br />
ganzen Tag Englisch mit den andren<br />
Volontären. Eine tri-linguale Sprachreise<br />
sozusagen. Als ich ankam waren hier 30 Leute,<br />
ein wirklich „bunter“ Haufen! Sehr tolle Leute<br />
waren dabei, die inzwischen leider wieder<br />
weiter gereist sind. Nun sind wir noch 9, bald<br />
werden wir nur noch 4 sein. Ich weiß noch<br />
nicht, wann die nächsten anreisen. Es ist<br />
wahrscheinlich der beste Ort, um möglichst<br />
viele verschiedene, interessante Leute kennen<br />
zu lernen und internationale Kontakte zu<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
knüpfen. Für mich persönlich, da ich ja hier 11<br />
Monate bin, heißt das aber auch immer wieder<br />
Abschied nehmen zu müssen. Ein Kommen und<br />
Gehen, während ich bleibe. Auf jeden Fall ein<br />
spannender Ort, obwohl völlig abgeschieden<br />
vom Rest der Welt. An meinem ersten Tag habe<br />
gleich Papaya, Kakao und Kaffee gepflanzt. Da<br />
beginnt man die Natur mit andren Augen zu<br />
sehen, wenn man kleine grüne Pflänzchen oder<br />
ein paar Samen in die Erde drückt und weiß,<br />
dass auf diese Weise auch die Bananenpalme<br />
entstanden ist, unter der ich gerade sitze. Oder<br />
wenn einem bei der Arbeit hier eine Maracuja<br />
vor die Füße rollt; da denke ich nicht mehr an<br />
die Supermarktbuffets dieser Welt, die<br />
anscheinend immer alles haben, unabhängig<br />
davon, ob sich die Obstbäume der<br />
Anlieferländer gerade dazu entschließen<br />
ertragsreich zu offerieren. Oder wenn man<br />
beim morgendlichen Erntegang durch den<br />
Garten an Beeten vorbeiläuft, an denen leckere<br />
Dinge wachsen, die ich noch nie gesehen und<br />
von denen ich den Namen noch nie gehört<br />
habe,…<br />
Ich wollte aber nicht nur erzählen, dass ich am<br />
Esstisch versuche, einzelne Früchte aus dem<br />
Saft herauszuschmecken oder im Salat ein mir<br />
bis dahin unbekanntes Gewächs zu<br />
identifizieren. Nein, ich wollte eigentlich zum<br />
Ausdruck bringen, dass ich seitdem immer<br />
wieder den Ananas’ beim wachsen zu schaue<br />
und, während ich das Unkraut drum herum<br />
entferne, nun eine Ahnung davon bekomme,<br />
welcher Prozess hinter einer Frucht steckt, die<br />
ich in Deutschland einfach gegessen hätte,<br />
ohne einen Gedanken daran zu verschwenden,<br />
ob der Bauer, in welchem Land auch immer,<br />
daran gedacht hat, sie täglich zu gießen.<br />
Sicherlich interessant: Mein Tagesablauf:<br />
Ja, ob ihr es glaubt oder nicht, ich muss jeden<br />
Morgen um 6.00 Uhr anfangen zu arbeiten!<br />
D.h. aufstehen, während auf dem Wecker noch<br />
eine 5 ganz vorne steht. Wenn ihr also an der<br />
ein oder andren Stelle dieses Berichts an Urlaub<br />
erinnert werden solltet, seid ganz beruhigt:<br />
Ich liege nicht nur unter den Palmen und esse<br />
exotische Früchte… Die morgendlichen<br />
Aufgaben sind: Gummistiefel anziehen, Tiere<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 10
füttern, STÄLLE SÄUBERN, Pasto (hohes<br />
Grasgewächs) und Zuckerrohr schneiden,<br />
Wurmbeete gießen, Tagesbedarf an Gemüse<br />
etc. aus dem Garten holen, Komposthaufen um<br />
schippen,… Gummistiefel ausziehen, 7.30 Uhr<br />
Frühstück (das Beste am ganzen Tag – ein<br />
wahres Traumfrühstück;) Falls kein<br />
Küchendienst _ Pause bis 8.30 Uhr.<br />
Dann startet man mit bepflanzen/ sähen/<br />
erschließen neuer Flächen (Löcher in<br />
steinharten Boden hauen, Humus einfüllen,<br />
Setzling/ Samen hinein, Erde darauf, gießen),<br />
Unkraut jäten (ich werde in einem Jahr ein<br />
Meister der Machete sein), bewässern (was<br />
auch bedeuten kann, dass man stundenlang<br />
volle Wassereimer den Berg hochschleppen<br />
muss), kompostieren (ja, man hat hier sehr viel<br />
mit Mist zu tun; der von den Schweinen stinkt<br />
übrigens am intensivsten), fertigen Humus in<br />
Säcke füllen und Säcke herumtragen,<br />
Biogasanlage befühlen (unglücklicherweise ist<br />
hierfür der Schweinekot gemischt mit 2/3<br />
Wasser am besten geeignet), Tiere umsiedeln<br />
(z.B. Hühner fangen –das ist vielleicht ein Spaß–<br />
und in einen größeren Stall tragen; je nach<br />
dem, wie geübt man ist, kann man bis zu 8<br />
Hühner tragen, 4 Füße pro Hand, ich schaffe<br />
erst 4 Hühnchen insgesamt), Pasto ernten und<br />
herumtragen,… Da sich dieser Abschnitt zu sehr<br />
nach Bauernhof angehört hat, muss ich<br />
folgende Anmerkungen machen:<br />
1. Die Umgebung ist einfach so klasse, dass<br />
man auch an botanischen Garten und Zoo<br />
denken könnte.<br />
Die Palmen, Bäume und Büsche haben rote,<br />
gelbe, violette, rosa,…Blüten und bieten<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
aufregend geformte Früchte/ Samenkapseln.<br />
Und die Vögel! Es sind bunte Bilderbuchvögel,<br />
rot, gelb, blau, grün, auch Papagei ähnliche<br />
Arten mit großen Schnäbeln. Oder es fliegt<br />
gerade ein Kolibri ein Meter vor dir herum und<br />
zwischen den Palmwedeln über dir hängen 20<br />
Fledermäuse… Dinge, die man aus<br />
Tierdokumentationen kennt. Natürlich trifft<br />
man auch auf weniger attraktive Lebewesen,<br />
wie Insekten. Riesige Blattschneideameisen<br />
beeindrucken durch lange Straßen voller sich<br />
auf wunderbare Weise bewegenden, großen<br />
Blattschnipseln; Es gibt Nachtfalter mit 25cm<br />
Spannweite und jeden Tag lernt man eine neue<br />
Spinnenart kennen;)<br />
2. Ich bin mir sicher, dass die Kinder, die hier<br />
aufwachsen eine Menge Spaß haben und viel<br />
lernen, gerade auch über den Umgang mit<br />
Tieren. Ist es nicht toll, zu wissen, in welcher<br />
Tonlage man eine Kuh anfauchen muss, um sie<br />
wieder in ihren Stall zu scheuchen? Oder wie<br />
man am besten Meerschweinchen fängt? Oder<br />
wie man das Gehege eines 150kg Schweins<br />
fegt, ohne gefressen zu werden? Ich finde<br />
wirklich, dass jeder einmal ein<br />
Bauernhoferlebnis gemacht haben sollte. Ich<br />
hole meines gerade nach.<br />
3. Eigentlich entkomme ich meistens der Arbeit<br />
am Vormittag, da ich zwischen 8.00 und 11.00<br />
Uhr in der Schule bin. (Mehr dazu weiter<br />
unten.) Nächster wichtiger Zeitpunkt 12.00 Uhr:<br />
Mittagessen Das Essen ist im Grunde sehr gut,<br />
wären da nicht diese 3 Haken:<br />
1. Es gibt IMMER REIS. Jeden Tag REIS; Sogar<br />
zweimal täglich, da das Abendessen genau<br />
wie das Mittagessen ist, nur ohne Suppe und<br />
Saft.<br />
2. Vegetarisch. Als leidenschaftlicher<br />
Fleischesser habe ich es da ein wenig schwer.<br />
Zudem legen unseren Hühnern aus mir<br />
unbekannten Gründen kaum Eier und unsere<br />
Kühe geben kaum Milch. Einziger Lichtblick:<br />
Alle 10 Tage gibt es einmal Fisch.<br />
3. Das Repertoire an vegetarischen REIS<br />
Gerichten ist nicht sehr groß. Es gibt<br />
verschiedene Sorten Salat, verschiedenen<br />
Soßen, etwas Gebratenes und dazu Reis – jeden<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 11
Tag. Fazit: Eigentlich leckeres Essen! Aber mit<br />
der Zeit…<br />
Sofern nicht Küchendienst, Pause bis 13.30 Uhr.<br />
Dann ist bis 16.00 Uhr Projektarbeit. Die<br />
Projekte wechseln jede Woche, je nachdem,<br />
was gerade ansteht. Bsp:<br />
- Dächer neu decken (mit Palmblättern)<br />
- Produkte für die Läden zubereiten (Wir<br />
kochen „Aji“ _ verschiedene, meistens scharfe<br />
Saucen aus allen möglichen Zutaten, in jeder<br />
Geschmacksrichtung)<br />
- Landscaping, d.h. um die Häuser herum<br />
Blumen pflanzen, Wege säubern, andere<br />
Pflanzen zurückschneiden,…<br />
- Häuser streichen<br />
- Mehr Pasto/… pflanzen<br />
- Irgendetwas bauen, oder eines der Häuser<br />
ausbauen/ ausbessern<br />
- Kuhmist beim Nachbarn abholen<br />
- Irgendwelche Sachen von A nach B tragen *…+<br />
Mittwochs ist Cultural Day, das bedeutet, es<br />
gibt eines der „Kultur-Programme“ am<br />
Nachmittag:<br />
- Herstellung von Käse, Kaffee oder Schokolade<br />
(Jaaaa, wir machen Schokolade, aus den<br />
eigenen Bohnen, dem eigenen Zucker, der<br />
eigenen Milch UND sie schmeckt sehr gut: P am<br />
besten auf frischen Papaya/ Bananen)<br />
- Aushöhlen/ Schnitzen von Bechern, Löffeln<br />
oder Schalen, alles aus der Frucht des<br />
Matebaums. Fast unser gesamtes Geschirr ist<br />
also aus holzähnlichen Materialien. Größere<br />
Schüsseln sind aus Ton.<br />
- Schleifen/ Schnitzen/ Polieren von Halsketten<br />
und Ringe aus den Samen verschiedener<br />
Pflanzen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
- Ausflüge mit den Pferden zu einem<br />
Riesenbaum, einem kleinen Wasserfall oder<br />
einem bestimmten Waldstück in dem man<br />
Affen beobachten kann (Tierfilm-Feeling)<br />
- Im Fluss Schrimps fangen/ fischen<br />
- mal sehen was es noch gibt ;)<br />
Um 18.00 Uhr gibt’s wieder Essen/ Reis (Details<br />
siehe oben) Bis 19.00 Uhr ist es auch schon<br />
wieder komplett dunkel und da man ja schon<br />
so früh aufgestanden ist, verschiebt dich der<br />
Tagesrhythmus eben nach vorne, sodass man<br />
zwischen 20.00 und 22.00 Uhr wieder ins Bett<br />
geht. Man gewöhnt sich an alles – hoffentlich.<br />
Denn mit dem hohen, nächtlichen<br />
Geräuschpegel habe ich noch Probleme. Grillen<br />
in jeder Höhenlage erzeugen eine<br />
Dauergezirpe, welches nun von Fröschen/<br />
Vögeln und den schrägen Lauten anderer Tiere<br />
übertönt wird. Soweit akzeptabel, aber wovon<br />
ich wirklich auch nach einem Monat noch<br />
aufwache ist das ****** Kikeriki der Hähne ab<br />
ca. 4.00 Uhr (oder wann immer sie wollen), ein<br />
Grunzanfall der Schweine, dem scheinbar<br />
spontanen Gebell der eifrigen Hunde oder<br />
selten auch ein schreiender Esel. Ohropax<br />
helfen, nur hört man dann den Wecker nicht<br />
mehr…<br />
Schule:<br />
Die Rio Muchacho Grundschule ist zu Fuß 20<br />
Minuten von der Farm entfernt. Hierher<br />
kommen 30 Schüler im Alter zwischen 4 und 14<br />
Jahren, hauptsächlich die Kinder der Farmer.<br />
Aufgeteilt in 3 Gruppen ist es die Aufgabe von 2<br />
(manchmal 3) Lehrern die Kinder zu<br />
unterrichten. Klar sind diese für jede<br />
Unterstützung dankbar. So gehe ich zusammen<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 12
mit einer anderen Volontärin 3 Vormittage pro<br />
Woche zur Schule und mache mit den Kindern<br />
Sport, ein bisschen Englisch, oder was immer<br />
gerade anfällt, z.B. Diktat oder nur Spielen mit<br />
den Kleinsten. Die Kinder sind wirklich putzig<br />
und, wenn sie nicht gerade beleidigt oder<br />
rebellisch sind, sehr anhänglich.<br />
Sobald mein Spanisch gut genug ist, werde ich<br />
mehr Fächer unterrichten können und auch zu<br />
andren Schulen (Canoa oder Bahia) gehen.<br />
Außerdem gibt es einige Aufgaben im Öko-<br />
Tourismusbereich, die ich mit höheren<br />
Spanischfähigkeiten übernehmen kann. Es ist<br />
mir also möglich mit der Zeit die Schwerpunkte<br />
in den verschiedenen Aufgabenfeldern selbst<br />
zu wählen. Noch gefällt es mit aber gut auf der<br />
Farm und mein Spanisch ist… Ich werde wohl<br />
nächste Woche noch einmal Stunden nehmen ;)<br />
Schlussendlich hier ein paar Informationen zum<br />
Leben auf der Farm:<br />
- Wir sind an ein sehr labiles Stromnetz<br />
angeschlossen, weshalb häufig der Strom für<br />
ca. 20h ausfällt. Der Anschluss unseres<br />
funktionierenden Solarzellenakkus befindet sich<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
wohl auf einer To-Do Liste. Woran es fehlt weiß<br />
ich leider nicht, aber ich kann berichten, dass<br />
man hier auch gut eine Woche ohne Elektrizität<br />
auskommt, solange genug Kerzen vorhanden<br />
sind. Ein großer Nachteil besteht jedoch in der<br />
Abhängigkeit von der elektrischen<br />
Wasserpumpe. Wir haben also auch kein<br />
Leitungswasser, wenn Stromausfall _ Man<br />
wäscht sich dann im Fluss; Wäsche/Klamotten<br />
werden natürlich immer von Hand gewaschen<br />
- Wir haben so genannte Kompostiertoiletten.<br />
Nach Gebrauch schüttet man eine Schüssel<br />
Sägemehl oder Ähnliches hinein/ darauf und<br />
wenn der Graben voll/ der Inhalt zersetzt ist,<br />
wird er ausgeschaufelt und als Dünger für<br />
Nicht-Nutz-Pflanzen benutzt. Tatsächlich<br />
stinken diese Trockentoiletten nicht und sind<br />
hygienischer als manche nicht-<br />
funktionierende, konventionelle Toiletten.<br />
- Der Sagen umwobene Fluss Rio Muchacho ist<br />
momentan zwischen 10 und 50 cm tief und<br />
macht wirklich keinen zerstörerischen Eindruck.<br />
Wenn aber die Regenzeit beginnt, dann schwillt<br />
dieser Fluss auf eine tiefe von bis zu 5 Metern<br />
an (wurde mir gesagt). Da man den Fluss<br />
überqueren muss, um auf eine Hauptstraße zu<br />
gelangen, werden wir in diesem Falle von der<br />
Außenwelt abgeschlossen sein. Ich bin<br />
gespannt!<br />
- Das Wetter ist die meiste Zeit sehr angenehm:<br />
Immer bewölkt und daher nicht zu warm. Man<br />
fühlt sich Tag und Nacht in T-Shirt und kurzer<br />
Hose wohl. (Ich will gar nicht an Deutschland<br />
denken…) Ein bis Zwei Mal pro Woche ist es<br />
klar und HEISS. Zu Arbeiten ist dann<br />
unerträglich. Mit der Regenzeit (ab Januar),<br />
wird sich das aber alles ändern. Mehr Sonne<br />
und maximale Luftfeuchtigkeit _<br />
Wahrscheinlich eine SEHR anstrengende<br />
Schwüle. Ich berichte darüber in der nächsten<br />
Mail.<br />
In der Hängematte liegend und mit Macheten-<br />
Blasen am Daumen grüßt euch<br />
Thomas<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 13
Vom Thomas Mildenberger<br />
März 2009<br />
Hallo, ich lebe noch ;)<br />
Ich wurde noch nicht von unendlichen<br />
Wassermassen hinweggeschwemmt und mein<br />
Organismus ist noch nicht unter der riesigen<br />
Luftfeuchtigkeit zusammengebrochen.<br />
Tatsächlich haben wir nämlich im Moment eine<br />
ziemlich lausige Regenzeit. Anfang Februar fing<br />
es zwar tatsächlich an, immer öfter zu regnen<br />
und wir waren auch mal für 3,4 Tage ein wenig<br />
isoliert (d.h. die Straßen waren so schlammig,<br />
dass unbefahrbar), aber nun hat es seit über<br />
einer Woche außer ein bisschen Nieseln nicht<br />
mehr richtig geschüttet. Die jetzigen<br />
Verhältnisse haben zumindest dazu<br />
ausgereicht, die Landschaft in den<br />
verschiedensten Grüntönen zu färben und uns<br />
immer wieder (bis zu einer Woche lang am<br />
Stück) die Elektrizität zu nehmen. Außerdem ist<br />
der Fluss bis jetzt 2 mal angestiegen – nie mehr,<br />
als ca. 0,5 Meter. Und so können die Frauen<br />
immer noch am Ufer sitzend ihre Wäsche<br />
waschen; die Männer zum Putzen der Autos,<br />
diese in der Mitte des Flusses parken und die<br />
Kinder zur Erfrischung darin herum planschen.<br />
Für all den Mais, die Platanos und das Pasto,<br />
das in dieser Jahreszeit gepflanzt werden muss,<br />
ist es jedoch nicht genügend Regen und somit<br />
droht machen Bauern ohne ausreichenden<br />
Bewässerungsmöglichkeiten deren<br />
Existenzgrundlage zu vertrocknen. Die Lage ist<br />
tatsächlich ernst, da sich viele Bauern bei der<br />
Anschaffung von Samen und Chemikalien bei<br />
der Bestellung ihres Landes verschulden und<br />
ohne erfolgreiche Ernte nicht zurückzahlen<br />
können. An der Bushaltestelle am Eingang von<br />
Rio Muchacho wurde schon eine U.S.<br />
amerikanische Volontärin von den<br />
Dorfbewohnern angeklagt: „Weil die Leute in<br />
deinem Land nicht mehr an Jesus Christus<br />
beten, gibt es nicht genügend Regen!“ Neben<br />
der Arbeit im Garten, haben wir hier folgende<br />
Projekte in Angriff genommen/ verwirklicht:<br />
Auffanganlage für Regenwasser und Kanäle,<br />
Leitungen zum Filter- und<br />
Wasserspeichersystem; Volumenerweiterung<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
unserer Methansammel-Biogasanlage zur<br />
Erhitzung unseres Warmwassers; Brückenbau<br />
über den Rio Muchacho an einer Stelle, an der<br />
die alte Brücke beim ersten Anschwellen des<br />
Flusses hinweggeschwemmt wurde;<br />
Umsiedelung und Zucht unserer Würmer zur<br />
Humusherstellung, da wir einen „Großauftrag“<br />
von einer Universität bekommen haben, die<br />
Wurmbeet-Versuche durchführen will;<br />
Umsiedelung eines riesigen<br />
Blattschneideameisenhaufens und deren<br />
Kanalsystems, viele kleine weitere Projekte zum<br />
Schutz vor dem vielleicht bald kommenden<br />
Sturzregen. Touristenführungen sind es sehr<br />
viel weniger geworden, dafür aber viel<br />
Volontärarbeit mit mittelgroßen Gruppen, die<br />
nur für eine Woche bleiben und organisiert<br />
werden müssen).<br />
Ich bin immer gut beschäftigt;)<br />
Wie ich zum Fast-Vegetarier wurde:<br />
Die Rio Muchacho Umwelt-Grundschule hatte<br />
15 jähriges Jubiläum (momentan ist sie jedoch<br />
immer noch wegen Regenzeitferien<br />
geschlossen) und zu so einem Fest gibt es<br />
natürlich ein Festessen, das nicht vegetarisch<br />
gehalten werden kann. Also bereiteten die<br />
Mütter der Kinder einige Hühnchen zu. Was<br />
sich jedoch hinter der Formulierung<br />
„Hühnchenzubereitung“ verbirgt, war mir<br />
anscheinend nur unbewusst bewusst - und<br />
neugierig, wie ich bin, schaute ich den Frauen<br />
über die Schulter. In die Küchenecke gedrängt,<br />
verweilten die Hähne und Hennen, die ich<br />
schon seit ihrem Kückenalter an kannte. Die<br />
Täter waren noch in eine Diskussion vertieft,<br />
welche Schüssel man am besten benutze, um<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 14
das Blut aufzufangen. Als sie sich geeinigt<br />
hatten, und das erste Hühnchen ergriffen, fing<br />
dieses natürlich an, wie wild zu flattern und<br />
auch ich realisierte, dass es nun ernst wird, da<br />
mir die freundlichen Damen zeigen wollten, wie<br />
das nun geht. Sie waren sehr amüsiert darüber,<br />
dass ich noch nie eines geschlachtet hatte und<br />
lachten – mit Tier in der einen, Messer in der<br />
andren Hand. Ich lehnte das Angebot dankend<br />
ab und sah zu, wie ein Kopf nach dem andren<br />
über die Theke rollte. Beim Anblick der vollen<br />
Schüssel und des kleinen Haufens an<br />
Hühnerköpfen, der sich auf dem Boden bildete,<br />
musste ich anfangen darüber nachzudenken: So<br />
wie diesem Geflügelgericht gerade das Blut<br />
ausgedrückt und die Federn gerupft werden, so<br />
muss das ja mit jedem Huhn passiert sein, das<br />
ich im Laufe meines Fleischfresser Daseins<br />
verdrückt habe; Aus dem Kühlschrank holen<br />
kann jeder – Huhn töten sollte eigentlich auch<br />
jeder Nichtvegetarier können. Dieser Meinung<br />
war ich zumindest anfangs. Aber ich wollte<br />
wirklich nicht das Messer in die Hand nehmen,<br />
wollte nicht zudrücken bis es nicht mehr (so<br />
sehr) zappelte. Ich bitte um Verständnis für<br />
mein schüchternes Verhalten – ich war einfach<br />
nicht darauf vorbereitet und bis zu diesem<br />
Zeitpunkt waren sich in meiner Welt das<br />
lebende Tier und der Teller noch nie so nah<br />
gewesen. Ich denke schon, dass ich es hätte tun<br />
können, aber es ist angenehmer, darauf zu<br />
verzichten, zumal ich mich nicht dazu<br />
gezwungen sah. Dieses Ereignis war<br />
wahrscheinlich der erste kleine Schritt in<br />
Richtung Vegetarier…<br />
Der Zweite Schritt ist von Seiten der Ökologie<br />
und des Umweltschutzes zu betrachten: Im<br />
Durchschnitt verzehrt ein Nicht-Vegetarier eine<br />
Kuh pro Jahr (Masse an Fleisch) und eine Kuh<br />
wiederum frisst jährlich einen Hektar Gras oder<br />
Ähnliches. Dafür werden in den<br />
Entwicklungsländern die Wälder abgeholzt, um<br />
genügend Weidefläche zur Verfügung zu<br />
stellen. (Eine halbe Stunde von meiner Farm<br />
entfernt, hat ein Landbesitzer eine 20.000-<br />
Tierstarke Rinderzucht und ich muss immer<br />
wieder beobachten, wie die Bäume den Kühen<br />
weichen.) Ergo hat wahrscheinlich jeder<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Amerikaner, der Fleisch, Käse oder Milch kauft,<br />
jedes Jahr einen Hektar Regenwald auf dem<br />
Gewissen. (Auch in Europa ruft jegliche<br />
Massentierhaltung Umweltschäden hervor;<br />
neben der Tatsache, dass die Futtermittel<br />
hierfür natürlich größtenteils aus<br />
Entwicklungsländern importieren werden.) Ich<br />
esse hier auf der Farm nun schon vier Monate<br />
fleischlos und vermisse es inzwischen nicht<br />
mehr. Zwar würde ich kein feines<br />
Geschnetzeltes oder noch besseres Gulasch<br />
ablehnen wollen, und am Wochenende esse ich<br />
gerne mal Fisch in Canoa, aber ich habe mir<br />
dennoch fest vorgenommen, meinen<br />
Fleischkonsum deutlich zu senken, wenn ich<br />
zurück in Deutschland bin! (Der dritte Punkt<br />
wäre übrigens der gesundheitliche Aspekt, über<br />
den ich leider noch nicht allzu viel aussagen<br />
kann, außer, dass häufiger Fleischgenuss Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen fördert.)<br />
ISV-Workshop in Miraflores<br />
ISV Inc. steht für „International Student<br />
Volunteers“ und ist eine U.S. Amerikanische<br />
Organisation, welche Studenten aus aller Welt<br />
(hauptsächlich aus Kanada und USA) in<br />
verschiedene Entwicklungsländer entsendet.<br />
Dafür sucht ISV Ökotourismus-Projekte aus, in<br />
welchen die Teilnehmer dann für 2 Wochen<br />
arbeiten. In Ecuador gibt es momentan sieben<br />
solcher Projekte und die Farm Rio Muchacho ist<br />
eines davon. Anfang Februar fand das jährliche<br />
Seminar statt, und da Dario nur für wenige<br />
Stunden kommen konnte und ich auf der Farm<br />
auch mithelfe Volontäre zu koordinieren,<br />
bekam ich die Aufgabe/ Chance für drei Tage<br />
nach Miraflores (2h von Quito) zu fahren und<br />
Rio Muchacho zu repräsentieren. Natürlich war<br />
ich der einzige Gringo, der Jüngste und<br />
gleichzeitig derjenige, der 2 Köpfe größer war<br />
als der Rest; Derjenige, der noch nicht richtig<br />
spanisch konnte, derjenige, der blonde Haare<br />
hatte und derjenige, der sich jedes Mal beim<br />
Aufstehen den Kopf an derselben Lampe<br />
anschlug. Aber all die Ecuadorianer waren sehr<br />
nett, haben mich aufgenommen, herzlich mit<br />
mir/ über mich gelacht (sie nannten mich<br />
„Chicitito“, das ist sozusagen die doppelte<br />
Verkleinerungsform von „Chico“ = Junge) und<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 15
abends musste ich als Photomodel herhalten<br />
(alle wollten ein Bild mit dem Riesen aus<br />
Alemania) – Nicht nur deswegen wurden diese<br />
Tage zu einer besonderen Erfahrung.<br />
Das eigentlich berichtenswerte sind die<br />
besprochenen Themen, welche zu vielen<br />
essentiellen Gedankenanstöße führten. Ich<br />
machte mir tatsächlich sehr viele Gedanken, als<br />
Fragen aufkamen, wie zum Beispiel:<br />
Was sind die Kurz- und Langzeitziele unserer<br />
Projekte? Was nehmen die Volontäre an<br />
Erfahrungen/ Eindrücken mit nach Hause?<br />
Welche Werte können wie vermitteln? Welche<br />
Vorurteile vernichten? Welches Wissen<br />
verbreiten? Auf welche Probleme aufmerksam<br />
machen? Und wie viele Menschen können wir<br />
erreichen? – Können wir etwas verbessern? …<br />
Zugegebener Maßen hatte meine Motivation<br />
schon das ein oder andere Mal ein wenig<br />
abgenommen, wenn ich darüber nachgedacht<br />
hatte, was geändert werden müsste, und was<br />
wir tatsächlich bewegen können. Aber nach<br />
diesem Workshop, wusste ich wieder, welche<br />
Bedeutung ein solches Projekt (wie z.B. Rio<br />
Muchacho) hat.<br />
Denn auch wenn das angegebene Ziel der<br />
Wiederaufbau eines Ökosystems, die Gründung<br />
einer kleinen Dorfschule oder die Erhaltung der<br />
lokalen Artenvielfalt ist; All diese Projekte<br />
haben gleichzeitig immer die Mitaufgabe, ein<br />
Vorbild zu sein, eine Idee zu verbreiten. Je<br />
mehr Volontäre und Touristen hierbei integriert<br />
werden, desto mehr rückt diese Aufgabe, die<br />
hier mit dem Term des „Global Teaching“<br />
angesprochen wurde, in den Vordergrund.<br />
Sobald man ein breiteres Publikum mit einer<br />
guten Aktion erreicht, erhält man das Privileg,<br />
die Möglichkeit und somit die Verantwortung<br />
und die Pflicht, seine Botschaft weiterzugeben.<br />
Natürlich ist jeder Volontär für seine Erfahrung<br />
selbst verantwortlich – je nachdem, wie offen<br />
er für etwas Neues ist und in wie weit er<br />
interessiert ist, sich mit etwas Fremden zu<br />
beschäftigen. Aber „wir“ (ich sehe mich an<br />
dieser Stelle als Repräsentant eines solchen<br />
Projektes), bereiten den Teilnehmern<br />
sozusagen den Weg und ihr Erlebnis.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Zuvor habe ich Rio Muchacho „nur“ als ein<br />
tolles Konzept betrachtet, welches ohne große<br />
Auswirkung für sich besteht, aber keinen<br />
Einfluss auf das Treiben „da draußen“ (in der<br />
Welt) hat. Nun sehe ich, welche Rolle jeder<br />
Einzelne hier spielt, und dass wir ein Teil eines<br />
riesigen Projektes sind! Zur Veranschaulichung:<br />
In dem Raum saßen 16 Personen von 7<br />
unterschiedlichen Farmen und<br />
Ökotourismusanbietern in Ecuador. Diese 16<br />
Personen können Ein kleines Beispiel für die<br />
Reichweite einer guten Idee: Neben den<br />
nationalen Programmen des ISV, gibt es jährlich<br />
auch ein internationales ISV-Meeting, auf dem<br />
sich die ca. 10.000 Menschen ansprechen;<br />
Erreichen! Gerechnet haben wir mit der Anzahl<br />
der jeweiligen Bewohner der<br />
Dorfgemeinschaften vor Ort und den jährlichen<br />
Besuchern, zu denen wir direkten Kontakt<br />
haben. 10.000 Menschen, denen wir erzählen<br />
können, welche Auswirkung unser<br />
Konsumverhalten auf die Umwelt hat, und dass<br />
sich Nachhaltigkeit und Fortschritt nicht<br />
widersprechen. 10.000 Menschen die wir<br />
darauf aufmerksam machen können,<br />
erneuerbare Energien zu unterstützen und Müll<br />
zu reduzieren, zu trennen, zu recyceln. 10.000<br />
Menschen, die sich vielleicht bewusst werden,<br />
dass wir von der konventionellen Agrikultur<br />
Abstand nehmen müssen, um den Klimawandel<br />
nicht weiterhin zu beschleunigen, und dass wir<br />
die Natur wieder wertschätzen sollten, um<br />
einer nachfolgenden Generation eine<br />
Perspektive auf diesem Planeten geben zu<br />
können.<br />
Programmleiter aus aller Welt treffen und<br />
austauschen. Auf diesem Seminar stellte die<br />
Leiterinnen des ISV-Ecuador eine<br />
Spielplatzanlage aus alten Autoreifen und<br />
anderen recycelten Materialien vor, wie sie hier<br />
in Rio Muchacho einige Jahre zuvor in<br />
verschiedenen Schulen der Region gebaut<br />
wurde. Eben diese Spielplatzkonstruktionen hat<br />
daraufhin ein thailändischer ISV-Vertreter mit<br />
der nächsten Volontärgruppe in seinem Dorf<br />
gebaut! (Und auch ISV ist nur eine von vielen<br />
Organisationen! Momentan ist eine ähnliche<br />
Gruppe auf der Farm, namens „Carpe Diem“)<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 16
Mit aufgefrischter Motivation und ziemlich<br />
beeindruckt von den „guten Nachrichten“,<br />
kehrte ich zurück an die Küste. Wahrscheinlich<br />
war ich sogar noch beeindruckter, als die<br />
Ecuadorianer über die Größe meiner<br />
Turnschuhe ;)<br />
Zum Schluss noch eine kleine Statistik, welche<br />
versuchen soll, kleine Alltagsunterschiede zu<br />
veranschaulichen: Am 21. März war ich 131<br />
Tage in Rio Muchacho und 143 Tage in Ecuador.<br />
In Zahlen betrachtet heißt das,<br />
- Dass ich schon 276 Male Reis essen musste<br />
(täglich zum Mittag- und Abendessen; an<br />
geschätzten 16 Tagen konnte ich einer<br />
Reismahlzeit entkommen. Ich hätte die Masse<br />
an verzehrtem Reis ja gerne in 50kg Säcken<br />
angegeben, aber die unregelmäßigen<br />
Nachschöpf-Portionen, die in der Statistik<br />
vernachlässigt werden, machen es leider zu<br />
einem zu großen Rechenaufwand)<br />
- Dass mich schon 393 Zecken meines Blutes<br />
beraubt haben (im schnitt habe ich 3 pro Tag;<br />
um die Nummer nicht ins unendliche zu treiben<br />
habe ich 4 Tage ausgelassen, an denen wir an<br />
einem Berghang Mais gepflanzt haben und die<br />
Zecken wie Ameisen über unsere Kleider<br />
wuselten.)<br />
- Dass ich mir schon 214 Male den Kopf<br />
irgendwo angeschlagen habe, da hier viele<br />
Türen und manche Räume für den Standard-<br />
Ecuadorianer konstruiert sind (im Schnitt nur<br />
1,5 Male am Tag, aber in der ersten Woche auf<br />
der Farm mindestens 6 Mal täglich und in<br />
bestimmten Hütten immer noch jedes Mal,<br />
wenn ich rein oder rausgehe.<br />
- Dass ich schon mindestens 8mal von einer<br />
Hütte zur nächsten umziehen musste, um<br />
größeren Besucher-/ Volontärgruppe Platz zu<br />
machen<br />
- Dass ich schon von 48 Volontären Abschied<br />
nehmen musste, die mir mehr oder weniger<br />
ans herz gewachsen waren (Besucher, die<br />
kürzer als eine Woche da waren und große<br />
Gruppen, deren Teilnehmer ich nicht näher<br />
kennen gelernt habe, sind nicht inbegriffen)<br />
- Dass ich schon 398 Schnakenstiche hatte (die<br />
ersten 3 Monate vielleicht einen pro Woche;<br />
Jetzt in der Regenzeit werde ich manchmal<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
auch tagsüber so attackiert, dass meine ganzen<br />
Arme bedeckt sind; Als ich Punta Prieta von<br />
Sandfliegen aufgefressen wurde, hätte man<br />
Schwierigkeiten gehabt, die Stiche pro<br />
Quadratzentimeter zu zählen)<br />
- Dass ich schon 11mal meine Kleider von Hand<br />
gewaschen habe!!! (Hoch lebe die<br />
Waschmaschine)<br />
- Dass ich schon 41 Tage ohne Strom, war<br />
(Klingt eigentlich gar nicht so viel, aber 82mal<br />
für ½ Tag oder 123mal für 6 Stunden oder eine<br />
beliebige Anzahl von Zeiträumen zwischen<br />
einer halben Stunde und einer Woche lässt sich<br />
eben schlecht in „Tagen“ wiedergeben, und die<br />
Umstände, die ein Stromausfall mit sich bringt,<br />
sind einfach so Zeit fressend!)<br />
- Dass ich schon [???] Kilogramm<br />
Tierexkremente geschippt/ kompostiert/<br />
„bewegt“ habe (Hierbei bin ich am Versuch<br />
einer Schatzung kläglich gescheitert, aber die<br />
Zahl wäre wohl besser in Tonnen anzugeben)<br />
Liebe Grüße,<br />
im Fluss badend weil kein Strom und somit<br />
auch kein Leitungswasser da ist –<br />
Thomas<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 17
Vom Cay Buschmann<br />
April 2009<br />
Liebe Spender, Familie und Freunde,<br />
ich weiß, dass diese Meldung ziemlich lange auf<br />
sich warten ließ, aber ich war wie gesagt im<br />
Urlaub in Peru und auch so vergeht die Zeit hier<br />
wie im Flug. Aber jetzt endlich mal wieder ein<br />
Bericht aus dem fernen und heißen Ecuador.<br />
„Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“, sagt<br />
man so schön. Doch mir macht meine Arbeit<br />
hier nach wie vor riesig Spaß, aber es ist doch<br />
noch mal etwas anderes als ein Urlaub in Peru.<br />
Daher widme ich diesen Bericht hier der Arbeit,<br />
um welche es ja vorrangig geht. In den<br />
nächsten Tagen kommt dann für alle<br />
Neugierigen und Interessenten der Reisebericht<br />
aus Peru hinterher. Wie ich beim letzten Mal<br />
schon angedeutet habe, waren hier bis vor<br />
kurzem große Ferien. Doch das bedeutete<br />
keinesfalls Freizeit für mich, denn ich habe<br />
einen Ferien-Kurs für Lernbegierige gegeben.<br />
Da hatte ich den wahrscheinlich kürzesten<br />
Arbeitsweg, den es gibt: Aus der Wohnung raus<br />
und 15 Stufen ins Erdgeschoss, wo ich mein<br />
eigenes “English Office” bezog. Dazu diente<br />
eine Garage im Haus meiner Gastfamilie,<br />
welche erst ausgeräumt und gemalert werden<br />
musste. Doch dann konnte es auch schon<br />
losgehen. Nach ein Bisschen Werbung in der<br />
Nachbarschaft und bei einigen Bekannten hatte<br />
ich durchschnittlich 10-15 Schüler täglich,<br />
welche trotz Ferien Englisch lernen wollten<br />
(oder aufgrund parentaler Gebote dies<br />
mussten).<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Wie die lateinamerikanische Mentalität es nicht<br />
anders vermuten lässt, war es fast unmöglich,<br />
vorherzusagen, wer am nächsten Tag<br />
wiederkommt und wer schon nach ein oder<br />
zwei Mal genug hat. Aber damit konnte ich<br />
leben, da es trotzdem immer noch genug<br />
SchülerInnen gab. Vom Alter her waren sie<br />
zwischen 8 und 14 Jahren einzuordnen – also<br />
kein einheitliches Lernniveau. Wie auch in<br />
Deutschland gibt es auch hier die Fleißigen;<br />
jene, die kaum etwas wissen, aber viel dazu<br />
lernen; jene, die viel wissen und sich darauf<br />
ausruhen und natürlich die Faulen… Um das<br />
freiwillige Erscheinen etwas zu belohnen habe<br />
ich nach den zwei Stunden Unterricht auch<br />
immer eine Art “Belohungsspiel” eingeführt.<br />
Anfangs war das “The English Snake”, ein<br />
Würfelspiel, welches ich zusammen mit einer<br />
sechsten Klasse entwickelt habe, später kamen<br />
auch die Kinder mit ein paar Ideen zu diversen<br />
Spielen, z.T. auch mit englischen Wörtern. Ich<br />
würde sagen, es hat mir sogar noch mehr Spaß<br />
gemacht, als in der Schule, da es immer noch<br />
eine andere, freiere Atmosphäre ist, als in den<br />
“furchterregenden” Klassenzimmern. Auch die<br />
Resonanz war meist positiv – Negatives habe<br />
ich zwar nicht gehört, aber wenn jemand nach<br />
einmal Unterricht nicht wiederkommt, fasse ich<br />
das einfach mal als “negative” Bewertung auf.<br />
Doch einige fragte mich schon, ob ich in den<br />
nächsten großen Ferien (Februar bis April 2010)<br />
nicht wieder Unterricht geben möchte… Wollen<br />
schon, doch ich schätze, da dürfte mein<br />
geplantes Studium im Weg stehen.<br />
Wie die hier vorherrschende, drückende Hitze<br />
vermuten lässt ist die Regenzeit schon wieder<br />
vorbei und nach Ostern ging auch wieder die<br />
Schule los. Das bedeutet für mich, dass ich auch<br />
wieder in die Schule gehe und fast genau so<br />
weitermache, wie ich aufgehört habe. Das<br />
Projekt wurde nun etwas gerafft und ich<br />
unterrichte nun intensiver, einmal pro Woche<br />
in jeder meiner fünf Schulen. Das Projekt wurde<br />
auf fünf Schulen verkürzt, da in den andern drei<br />
Schulen ein konsequentes Arbeiten aufgrund<br />
der Verkehrsanbindung bzw. fehlendem<br />
Interesse der Lehrer nicht möglich war. In jenen<br />
fünf Schulen kann ich nun auch regelmäßiger<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 18
jede Woche erscheinen und nicht nur aller zwei<br />
Wochen – das nenne ich durchaus einen<br />
Vorteil. Eines ist allerdings Schade, dass ich<br />
einige meiner Kinder nun nicht wieder habe, da<br />
sie von der siebten Klasse den Sprung auf<br />
Colegio (Gymnasium) geschafft haben, wo ich ja<br />
nicht unterrichte, da der Englisch-Unterricht<br />
vergleichsweise gut, bzw. vorhanden ist. Doch<br />
z.B. in dem Dorf “La Josefina” wurde ich vor<br />
den Ferien schon gefragt, ob ich nicht für eine<br />
Gruppe von Schülern, welche die Grundschule<br />
beendet hat, Englisch unterrichten kann, da die<br />
meisten nicht aufs Colegio gehen können, weil<br />
der Weg zu weit ist, bzw. die Eltern diese<br />
Grundschulbildung für ausreichend halten und<br />
die weitere Bildung leider nicht unterstützen.<br />
Doch es ist immerhin vorbildlich, dass<br />
wenigstens der Klassenlehrer und die Schüler<br />
selbst die Initiative ergreifen und in diesem<br />
Schuljahr den Unterricht selbst auf die Beine<br />
stellen, auch ohne Gymnasium – was dann im<br />
nächsten Jahr wird, weiß aber keiner. Etwas zur<br />
aktuellen Situation in La Maná: Bis zum Sonntag<br />
steht das Städtchen noch Kopf, denn mit den<br />
Wahlen zur neuen Stadtregierung am 26.4.<br />
endet (Gott sei Dank!) auch die inzwischen<br />
nervige Wahlpropaganda, welche seit vielen<br />
Woche die Stadt beherrscht. Überall wird<br />
geworben, meist mit überdimensionalen<br />
Plakaten oder viel zu lauter Werbemusik aus<br />
großen Boxen, welche wackelig auf Autodächer<br />
oder dreirädrige Taxis gebunden werden. Noch<br />
nie habe ich so viel Politik auf so kleiner Fläche<br />
gesehen. Hier in La Maná – einem Städtchen,<br />
einem Dorf – kämpfen etwa 15 Parteien (das<br />
sind nur die, welche mir jetzt auf Anhieb<br />
einfallen) um die Vorherrschaft im Rathaus.<br />
Doch nicht, dass man nur den Bürgermeister<br />
wählt – nein! Denn jede Partei besitzt noch 6<br />
Concejales (sind in etwa Mitglieder des<br />
Stadtrats), welche unabhängig vom<br />
Bürgermeister gewählt werden und viele auch<br />
einen Vize als Vertretung mitbringen. Die<br />
meisten Parteien stellen aber auch noch einen<br />
Prefekt und Vizeprefekt (Vorsitzender der<br />
Provinz) sowie ein paar Asambleistas<br />
(„Provinzräte“). Und dass alles in unserer<br />
kleinen Provinz Cotopaxi, welche weitaus<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
weniger Einwohner hat als z.B. Leipzig (nur<br />
etwa 300.000). Ach ja, und der Präsident der<br />
Republik wartet an jenem Tag auch auf seine<br />
Wiederwahl, bzw. die<br />
Präsidentschaftskandidaten auf ihre Chance.<br />
Manchmal macht es den Eindruck, ich sei der<br />
Einzige in La Maná, welcher NICHT in einer<br />
Wahlkampagne steckt. Als einer der Wenigen<br />
kämpfe ich hier nicht mit z.T. unhaltbaren<br />
Wahlversprechungen um Anerkennung und<br />
Wahlstimmen. Wie ein Bekannter von mir es<br />
schon passend ausdrückte, während der Zeit<br />
der Kampangen kämpft quasi jeder gegen jeden<br />
und das kann in manchen Fällen bei<br />
normalerweise unwichtigen Kleinigkeiten auch<br />
schon mal auf Kosten der Freundschaft gehen<br />
kann, wenn der Freund zufällig noch in einer<br />
anderen Partei ist. Doch nach den Wahlen ist<br />
alles wieder ok - eben Friede, Freude…<br />
Eierkuchen. Naja, das bleibt nur zu hoffen und<br />
irgendwie freue ich mich auch darauf, nicht<br />
wieder im Minutentakt laute Propagandamusik<br />
zu hören - dann kehrt hoffentlich wieder etwas<br />
Ruhe ein...<br />
Nun ja, soviel zu meiner Arbeit und den News<br />
aus La Maná und Umgebung. Ich verbleibe bis<br />
zum nächsten Mal mit herzlichen, nach<br />
österlichen Grüßen<br />
Ihr Cay Buschmann<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 19
Vom Thomas Mildenberger<br />
Mai – Juni 2009<br />
Hola,<br />
Ab und zu erreichen mich Emails, in denen mir<br />
erklärt wird, wie „normal“ und ereignislos es in<br />
Deutschland sei – im Vergleich mit meinem<br />
Ecuadoraufenthalt – und man mir nicht viel<br />
Neues aus der Heimat berichten könne. Aber<br />
auch ich muss nun zugestehen, dass auf der<br />
Farm nicht allzu viel Aufregendes passiert. Zwar<br />
ist hier letztens eine Boa Constrictor von der<br />
Palme nahe meiner Lieblingshängematte<br />
gefallen und die Trockenzeit hat mehr oder<br />
weniger offiziell wieder angefangen, aber<br />
sonst… Es fällt mir schwer, etwas mitzuteilen,<br />
das mir neu oder besonders erscheinen würde.<br />
(Kurz: Inzwischen ist es zu einer kleinen<br />
Herausforderung geworden, großen<br />
Veränderungen oder wahrnehmungsbedingten<br />
„Neuigkeiten“ zu dokumentieren;)<br />
Der einzige kleine Wechsel betrifft meine<br />
persönliche Tätigkeit: Ich nehme an einem<br />
Permakultur-Kurs statt. 3 Mal im Jahr wird<br />
dieser auf der Farm angeboten und es kommen<br />
Lehrer aus ganz Ecuador und meistens<br />
Studenten aus den U.S. oder England.<br />
Vormittags und nachmittags lerne ich also in<br />
jeweils einem praktischen und einem<br />
theoretischen Teil organische Agrikultur,<br />
Permakulturdesign, Biodynamik, und, und,<br />
und,… kennen. Es ist höchst interessant! Und<br />
obwohl ich die allermeisten praktischen Teile<br />
im Garten schon zur Genüge kenne, ist es doch<br />
immer wieder etwas Neues, das ich dazulerne,<br />
wenn man das Hintergrundwissen oder die<br />
tieferen Zusammenhänge erklärt bekommt!<br />
Wenn ich nun also verschiedene<br />
Kompostierprozesse anschaue, weiß ich genau<br />
welcher Bestandteil welche Aufgabe erfüllt;<br />
Wenn ich durch den Garten gehe, schaue ich<br />
Blätter und Blüten an und kann deren<br />
Pflanzenfamilie bestimmen; Wenn ich ein<br />
Insekt auf mir herumkrabbelt (und ich eine<br />
Lupe zur Hand habe), kann ich die Ordnung<br />
erraten und weiß, ob es ein Schädling oder ein<br />
Nutzinsekt ist; Ich weiß, warum wir in welcher<br />
Mondphase sähen, pflanzen, ernten – und<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
warum an deren Einfluss kein Zweifel mehr<br />
besteht. Es ist beeindruckend, was es alles zu<br />
wissen gibt, über… *Hier könnte eine lange Liste<br />
stehen]<br />
…was jedoch nicht heißt, dass ich vorhabe<br />
Landwirtschaftler zu werden.<br />
Der Kurs dauert einen Monat und selbstredend<br />
gibt es für mich nebenher noch einige andere<br />
Aufgaben zu erledigen: Wenn Schulklassen<br />
oder Touristen zu Besuch kommen, werde ich<br />
aus dem Klassenzimmer gerufen und führe die<br />
Leute durch die Farm, den Garten und die<br />
Umgebung. Immer mehr Volontäre kommen<br />
auch auf die Farm (und wollen organisiert<br />
werden)…Zudem kommt nächste Woche schon<br />
die erste von 4 ISV-Gruppen (siehe letzter<br />
Rundbrief). Momentan sind also 36 unserer 40<br />
Betten belegt! Dies bedeutet nicht nur, dass<br />
hier immer viele Leute herumlaufen, Fragen<br />
stellen und das ein oder andere Durcheinander<br />
verursachen, sondern auch, dass der Abwasch<br />
nach dem Essen immer länger dauert. Zum<br />
Abwasch kann ich noch sagen, dass wir, als<br />
einzige Farm in der Communidad noch Mate-<br />
und Keramik- Geschirr benutzen. In jedem<br />
anderen Haushalt wurde dieses inzwischen<br />
durch Plastikbecher und –Teller ersetzt. Mate<br />
ist eine Baumkürbisart, welche ausgehöhlt und<br />
getrocknet einen kugelförmiger Holzbecher<br />
darstellt. Aus derselben Frucht stellen wir auch<br />
unsere Löffel her (_ unser einziges Besteck).<br />
Teller und Schüsseln sind aus dem Ton<br />
gebrannt, der hier vor Ort „vorkommt“. Da wir<br />
ausschließlich kaltes Leitungswasser haben,<br />
verwenden wir ein konzentriertes Grapefruit-<br />
Samen-Extrakt, um unser Holz- und<br />
Keramikgeschir nach dem Spülen ausreichend<br />
zu desinfizieren.<br />
Dann wäre da noch unsere Umwelt-Schule, in<br />
der ich für die Zeit der 4 Kurswochen nicht<br />
unterrichten werde. Dennoch gibt es einiges<br />
darüber zusagen, um meine Erfahrungen<br />
diesbezüglich zu veranschaulichen.<br />
In der Klasse, in der ich meistens unterrichte,<br />
sind es 9 Schüler im Alter von 9 bis 13 Jahren.<br />
Nicht, dass der Entwicklungsvorsprung der<br />
Mädchen schon genug wäre – nein, es besteht<br />
somit auch noch ein riesiger<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 20
Leistungsunterschied zwischen den jüngsten<br />
und ältesten Jungen. Angenommen ich stelle<br />
also ein Rechenaufgabe, so ist es nicht<br />
ungewöhnlich, dass ein paar Schüler gerade<br />
damit beschäftigt sind, die Aufgabe von der<br />
Tafel/ den ersten Rechenschritt beim Nachbarn<br />
abzuschreiben, während andere schon fertig<br />
sind und sich langweilen. (Das richtige Ergebnis<br />
haben nur ein paar Mädchen).<br />
Das ist die erste Hürde. Die zweite ergibt sich<br />
aus den konventionellen Unterrichtsmethoden<br />
der Lehrer hier. Die Klasse schweigt, hört zu,<br />
schreibt ab, lernt auswendig,…Ich kann mir also<br />
noch so viel Mühe geben, ein auflockerndes,<br />
abwechslungsreiches Lernspiel vorzubereiten –<br />
Sobald dieses die Eigeninitiative und Kreativität<br />
der Schüler erfordert oder ihnen einen kleinen<br />
Gestaltungsfreiraum gibt, sind sie überfordert.<br />
– Sie sitzen schüchtern da und wissen mit der<br />
Aufgabenstellung nichts anzufangen. Und da<br />
ich außerdem nicht die gewohnte Autorität der<br />
Lehrer besitze, sitzen sie zuerst schüchtern da<br />
und überwinden dann das Schweigen, um sich<br />
mit den andren zu unterhalten (die<br />
schüchternen Mädchen sitzen nur da und<br />
lächeln.)<br />
Das bringt uns zur dritten Hürde: die<br />
altersbedingten Interessen. Es ist köstlich<br />
anzuschauen, wie sich die Klasse in den Pausen<br />
sofort in 2 Gruppen teilt: Die Mädels stellen<br />
sich in die Ecke, zaubern die Schminke der<br />
großen Schwester hervor (oder wo auch immer<br />
sie die herhaben) und fangen an, sich<br />
gegenseitig Lippenstift aufzutragen, während<br />
die Jungs jede Minute nutzen, um mit<br />
irgendetwas Fußball zu spielen oder den Kreisel<br />
tanzen zu lassen. Diese Entwicklungsstufe<br />
beeinflusst natürlich auch den Unterricht (nicht<br />
nur im Fach Sport, in dem sich die Mädchen auf<br />
einmal nicht mehr bewegen wollen und die<br />
Jungs auf Knien um den Fußball betteln). Man<br />
hat also damit zu kämpfen, das Interesse der<br />
Schüler zu wecken und ihre Aufmerksamkeit zu<br />
gewinnen. Das funktioniert manchmal in<br />
Englisch (Vokabelspiele, die ich auch noch zum<br />
100. Mal wiederholen kann, ohne die Schüler<br />
zu langweilen. Manche können die Wörter<br />
immer noch nicht!), Erdkunde (Auch wenn man<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
davon ausgehen kann, dass die Mehrheit der<br />
Kinder niemals Ecuador verlassen können wird,<br />
kennen sie doch schon einige der anderen<br />
südamerikanischen Staaten), beim Malen und<br />
Basteln (Materialien sind natürlich eine Rarität<br />
– eine Packung Buntstifte löst bei vielen schon<br />
großes Entzücken aus) oder beim Sport (s.o.).<br />
Umso seltener jedoch in Mathe, Lesen und<br />
Schreiben. Bei Letzterem ist das<br />
Leistungsgefälle wohl am größten: Beim Diktat<br />
kann man ein Drittel der Texte selbst mit dem<br />
besten Willen nicht korrigieren. (Text =<br />
zusammenhanglose, falsch geschriebenen<br />
Wörter). Währenddessen gucken die Mädchen<br />
Löcher in die Luft, da sie den gesamten Satz<br />
schon beim ersten Vorlesen richtig<br />
aufgeschrieben haben. (Anmerkung:<br />
Analphabetismus ist auf dem Land nicht<br />
ungewöhnlich: Die etwas älteren Arbeiter auf<br />
der Farm und auch unsere Köchin können<br />
weder lesen noch schreiben.)<br />
Neben all diesen Problemchen ist es trotzdem<br />
immer wieder schön in die Schule zu gehen. Die<br />
Kinder empfangen mich herzlich, rennen auf<br />
mich zu, rufen „Tomaaaa“ und umarmen mich;<br />
Wenn man ihr Interesse für etwas geweckt hat<br />
und sie weiter ermutigt, etwas aus sich<br />
herauszugehen, dann können sie sich auch für<br />
etwas begeistern; Und wenn man eine freie<br />
Aufgabenstellung mehrfach demonstriert, dann<br />
versinken sie auch mal ganz in ihrer Arbeit. [In<br />
den beiden anderen Klassen, 3 bis 5 und 6 bis 8<br />
Jahre, hat man die ganze Zeit über die volle<br />
Aufmerksamkeit der meisten Kinder. Sie<br />
schauen mich mit großen Augen an, wollen<br />
Neues lernen und mir zeigen, was sie schon<br />
können („Mira, mira, mirame“ = schau mal,<br />
schau her zu mir…). Diese Tatsache macht den<br />
Unterricht zwar angenehmer, steigert jedoch<br />
leider nicht die Leistung der Kinder... ;)]<br />
Zusammenfassend kann ich also sagen, dass die<br />
Arbeit in der Schule eine wirkliche<br />
Herausforderung ist, welche mich jedoch einen<br />
wichtigen Schritt weiter in meiner<br />
Berufsfindung bringt: Ich werde nicht Lehrer.<br />
Zumindest nicht in diesen Altersstufen – Ich<br />
habe zwar gern mit Kindern zu tun, doch würde<br />
ich es vorziehen, wenn die Schüler, denen ich<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 21
etwas beibringe, eigenes Interesse mitbringen<br />
und es nicht mein Job ist, ihnen Wissen<br />
aufzuzwingen. Daher überlasse ich die<br />
Erziehungsarbeit all der Schüler, die nicht mit<br />
einem ungewöhnlich hohen Maß an Reife und<br />
Vernunft geboren wurden, weiterhin den<br />
Lehrern dieser Welt, welche eine<br />
„unausschöpfbare“ Quelle an Geduld und<br />
Motivation in sich tragen. Danke<br />
LG Thomas<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 22
Vom Peter Riegg<br />
Juni 2009<br />
Hola y Bienvenidos de la FINCA!<br />
Am 18. Mai bin ich an meinem<br />
Bestimmungsort, der „Finca Organica RIO<br />
MUCHACHO“ angekommen. Ich wurde herzlich<br />
empfangen, und konnte mich schnell an die<br />
neue Umgebung und die netten Leute<br />
gewöhnen. Die Finca (Farm) hat 10 Hektar und<br />
ist ca. 30 Minuten von der Küste entfernt.<br />
Eines der Ziele auf der Farm ist Reforestation.<br />
So sind bereits drei Hektar wiederbewaldet.<br />
Drei weitere Hektar sind auf dem besten Weg<br />
dorthin, wobei zwischen den Bäumen<br />
momentan noch „Pasto“ (ca. 2m hohes Gras)<br />
angebaut wird. In verschiedenen Projekten der<br />
„Finca Organica Rio Muchacho“ werden jährlich<br />
ca. 2000 Bäume gepflanzt. Dabei pflanzen<br />
einen Großteil die Kinder der Rio Muchacho<br />
Schule (Escuela Ambuentalista Rio Muchacho).<br />
Drei weitere Hektar nimmt der Garten in<br />
Anspruch. Hier wird von der Bananenpalme bis<br />
zur Süßkartoffel alles angebaut was das Herz<br />
begehrt�.<br />
Ein Hektar steht den Hütten, die als Unterkunft,<br />
Küche oder Aufenthaltsraum dienen, sowie den<br />
Tierställen zur Verfügung.In einer dieser Hütten<br />
hause ich also seit gut zwei Monaten und<br />
verlasse sie täglich um 6.00 Uhr um eine der<br />
Morgenroutinen zu verrichten.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
So ging ich auch am 26. Mai mit der Machete<br />
raus aufs Pastofeld um Gras für die Pferde,<br />
Kühe und Meerschweinchen zu schneiden.<br />
Dabei wurde mir nicht die Machete, dafür das<br />
Pasto zum Verhängnis, weil man sich damit<br />
ordentlich den Arm aufschneiden kann, wenn<br />
man kein Langarm T-Shirt trägt oder das Pasto<br />
richtig im Griff hat (so wie die routinierten<br />
Ecuadorianer). Aber aus solchen Fehlern lernt<br />
man ja gerne�. Ganz besonders die heimischen<br />
Heilmittel lernt man bei solchen Aktionen<br />
kennen... Es war ja nicht nur der Arm den ich<br />
mir aufgeschlitzt habe... auch der Rücken<br />
musste dran glauben, als ich die Treppe meiner<br />
Hütte runtergerutscht bin. Das hatte ich<br />
meinen verschlammten Tevas und meiner<br />
Hektik zu verdanken... ich wollte halt jaaa ganz<br />
schnell wieder auf dem Feld sein... ja mei... ...<br />
in diesem Sinne ein kleiner Gang durch unseren<br />
Kräutergarten: Aloe Vera: das beste Heilmittel<br />
bei Schürfwunden oder Sonnenbrand. Limetten<br />
(die kleinen): Desinfizieren die Schnittwunden...<br />
und brennen furchtbar.� Sie helfen auch bei<br />
Magenproblemen, um diesen zu desinfizieren<br />
(4 ausgepresste Limonen + ein halber Teelöffel<br />
Salz - Prost). Mit Blättern vom Guava Baum und<br />
Pegador (Klettpflanze) kann man einen Tee<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 23
zubereiten der bei Durchfall Wunder wirkt � ...<br />
jetzt aber wieder zum Tagesgeschäft:<br />
Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück.<br />
Das besteht aus Früchten des Gartens, Müsli,<br />
Tee und oftmals Yuccabrot. Gegessen wird aus<br />
Keramik Schusseln, die von einer Frau aus der<br />
Kommune/Region „Rio Muchacho“ getöpfert<br />
werden, und getrunken wird aus Matebechern.<br />
Mate ist eine Frucht, die man aufsägt, aushöhlt,<br />
zu schleift, eventuell verziert und dann als<br />
Becher oder Löffel verwendet.<br />
Von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr arbeite ich im<br />
Garten/ bzw. Feld. Da wir uns momentan in der<br />
Vollmondphase befinden, werden Beete<br />
vorbereitet, Bewässerungsgräben gezogen,<br />
Unkraut gejätet oder Insekten bekämpft. Auch<br />
unseren Bokashy Kompost bereiten wir gerade<br />
vor. Mit diesem Kompostmodell, das nach<br />
einem Japanischen Wissenschaftler benannt ist<br />
kann innerhalb 15 Tagen eine große Menge an<br />
Kompost hergestellt werden. Er beinhaltet<br />
Kuhexkrement, Laub, Melasse (Zucker), Hefe,<br />
Sägemehl, frisches grünes Gras und<br />
geschredderte Blätter von Leguminosen<br />
Bäumen (enthalten viele Proteine).<br />
Leider weis ich noch nicht genügend über den<br />
Einfluss des Mondes und die verschiedenen<br />
Mondphasen um es hier ausführlich zu<br />
erklären. Deshalb möchte ich dieses Thema<br />
noch ein bisschen aufschieben. Soviel vorweg:<br />
Die wenigen Tatsachen die mir von Dario –<br />
meinem Chef, und Besitzer der Finca – erklärt<br />
wurden, haben meine Skepsis diesbezüglich<br />
bereits enorm schrumpfen lassen, und ich freu<br />
mich mehr darüber zu erfahren... Es besteht<br />
auch die Möglichkeit vormittags in die Schule<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
(ca.20 min. Fußmarsch von der Finca) zu gehen<br />
um dort zu unterrichten.<br />
In der Schule sind ca. 30 Kinder (drei Klassen).<br />
Die Jüngsten Kinder sind 5 Jahre, die ältesten<br />
15 Jahre alt. Ich habe schon einige Ideen und<br />
auch schon ein ausgearbeitetes Musikprojekt<br />
auf dem Tisch, was ich aber erst in ca. einem<br />
Monat in Angriff nehmen will, um meinem<br />
Spanisch noch ein bisschen Zeit zu geben.<br />
Da es extrem schwierig ist Erwachsene davon<br />
zu überzeugen, dass bestimmte Gewohnheiten<br />
(ich meine damit das Verwenden von<br />
Chemikalien auf den Feldern, Monokulturen,...)<br />
nicht unbedingt die richtigen sind, um es<br />
höflich auszudrücken, haben sich die<br />
Projektleiter Dario und Nicola dazu<br />
entschlossen diese Schule zu bauen. Die Kinder,<br />
die von der ersten bis zur siebten Klasse die<br />
Schule besuchen, werden später die Bauern der<br />
Kommune sein. Deshalb dreht sich hier neben<br />
Lesen, Schreiben und Rechnen alles um<br />
ökologischen Anbau, Mülltrennung, Recycling,<br />
Kompostierung, alternative Energien und<br />
Umweltschutz. Der größte Teil der Spenden<br />
fließt in die Schule um Materialien,...<br />
einzukaufen und um die Lehrer zu bezahlen.<br />
Der Rest wird für die Finca verwendet<br />
(Instandhaltungsarbeiten,<br />
Neuanschaffungen,...). Mittags um 12.00 Uhr<br />
gibt es jeden Tag Gemüsesuppe und als<br />
Hauptspeise REIS mit Soße oder Kartoffelbrei,<br />
Gemüse und Yuccabrot oder Kochbananen.<br />
Um 13.30 Uhr arbeiten wir entweder im Garten<br />
weiter, um oben genannte Arbeiten zu<br />
beenden, oder arbeiten an verschiedenen<br />
Projekten. Zum Beispiel habe ich in meiner<br />
ersten Woche ein paar Wände in der Schule<br />
gestrichen. Vor zwei Wochen schleppten wir<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 24
Sand vom Fluss rauf zum Garten, um Wege<br />
anzulegen. Diese Woche hab ich beim<br />
Dachdecken geholfen. Die Dächer werden mit<br />
getrockneten Palmblättern gedeckt und sind ca.<br />
7 Jahre lang wasserdicht. Dann werden sie<br />
ersetzt. Auch Arbeiten am Haupthaus, wie z. B.<br />
einen neuen Wasserturm bauen und den alten<br />
abbauen gehörten zu meinen Aktivitäten.<br />
Um 16.00 Uhr ist Feierabend. Dann wird<br />
geduscht (oder im Fluss gebadet wenn mal<br />
wieder der Strom ausfällt), Gitarre gespielt,<br />
gelesen oder ausgeruht. Um 18.00 Uhr gibt es<br />
Abendessen, denn um 19.00 Uhr ist es finster<br />
und das Besteck sollte noch bei Tageslicht<br />
abgespült werden, weil man ja nie weiß ob im<br />
nächsten Moment wieder der Strom ausfällt.<br />
In diesem Sinne.... Licht aus!<br />
der Bauer Peter Riegg<br />
PS: Hier möchte ich ein paar Fragen<br />
beantworten, die mir von verschiedenen<br />
Leuten gestellt wurden.<br />
Wie viele Leute arbeiten auf der Farm?<br />
Dario und Nicola – Ehepaar und Besitzer der<br />
Finca. Thomas und ich - Zivis (Thomas wird in 1-<br />
2 Monaten seinen Dienst beenden)<br />
Durchschnittlich 5 bezahlte Arbeiter und 3<br />
Küchenfrauen aus der Kommune/Region „Rio<br />
Muchacho“. Volontäre (0 – 20)<br />
Wie viel Tiere sind auf der Farm zu versorgen,<br />
für was braucht ihr die Pferde?<br />
Eines der wichtigsten Themen hier auf der<br />
Farm: KOMPOST Wir kompostieren die<br />
Exkremente der Tiere, um damit die harte und<br />
trockene Erde auf dem Feld zu düngen, da wir<br />
ohne Chemikalien arbeiten. Die beste Erde<br />
(Humus) bekommen wir von unseren Würmern<br />
(Californian Red Wriggler – der effizienteste<br />
Wurm weltweit) � Die Meerschweinchen<br />
stehen an zweiter Stelle. Deren Popo ist voll mit<br />
Stickstoff (N) was eines der wichtigsten<br />
Nährstoffe in der Erde für die Pflanzen ist.<br />
Wir haben vier Pferde. Diese sind das einzige<br />
Transportmittel während der Regenzeit von<br />
Januar bis April, da es mit dem Auto nicht<br />
möglich ist in dieser Zeit die verschlammte<br />
Straße zu passieren. Unsere Kühe produzieren<br />
Milch und jede Menge Mist für unseren<br />
Kompost. Unsere Schweine bekommen die<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Essensreste aus der Küche. Die Exkremente der<br />
Schweine kommen in unsere Biogasanlage.<br />
So produzieren wir Methangas – um in der<br />
Küche damit zu kochen, - und Biol, ein<br />
natürlicher Dünger den man 1 zu 5 mit Wasser<br />
mischt und damit die Pflanzen düngt (eignet<br />
sich auch zur Insektenbekämpfung).<br />
Die Hühner legen auch in Ecuador Eier, �<br />
kratzen und picken in der Erde rum und<br />
machen sie so fruchtbarer. Wir haben drei<br />
Katzen und drei Hunde. Seit zwei Wochen<br />
haben wir einen kleinen Welpen... er wurde<br />
völlig ausgehungert von ein paar Volontären<br />
am Straßenrand zur Finca gefunden... wir<br />
haben ihn aufgepäppelt und von seinen Flöhen<br />
befreit. Entweder behalten wir ihn oder<br />
schenken ihn bzw. es ist ja eine SIE an ein Kind<br />
der „Rio Muchacho Schule“. Aah..und nicht zu<br />
vergessen unsere Fledermäuse!! Diese<br />
Säugetiere leben in unseren Palmen und sorgen<br />
dafür, dass wir nicht all zu viele Moskitos auf<br />
der Farm haben.<br />
Wo kommt der Strom her, bzw. wie wird er<br />
erzeugt?<br />
Wir haben Solarkollektoren auf dem Dach die<br />
einige Glühbirnen und das Funkgerät<br />
versorgen, dass uns mit der Außenwelt<br />
verbindet. Wir sind zusätzlich ans Stromnetz<br />
angeschlossen um die elektrische Pumpe zu<br />
versorgen, mit der wir Wasser vom Fluss zur<br />
Bewässerung raufpumpen. Dafür wäre unsere<br />
Solarenergie zu schwach. Ich bin aber der<br />
Meinung dass das Solarsystem hier noch weiter<br />
ausbaubar ist, sodass man ALLE Glühbirnen<br />
sowie die Pumpe mit Solarenergie versorgen<br />
könnte. Der konventionelle Strom ist zudem<br />
sehr unzuverlässig, sodass man viel<br />
unabhängiger wäre.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 25
Vom Cay Buschmann<br />
Juli 2009<br />
Liebe Spender, Familie und Freunde, Ecuador,<br />
oder besser La Maná, lässt mal wieder grüßen<br />
und so langsam neigt sich mein Jahr dem Ende<br />
zu. Das ist zugegebener Massen etwas schade,<br />
aber die Heimat ruft und irgendwie freue ich<br />
mich auch schon wieder auf zu Hause. Aber mir<br />
bleibt ja auch noch ein Weilchen hier im<br />
warmen Süden. In der vergangenen Woche (6.-<br />
12. Juli) waren mal wieder Ferien, denn das<br />
erste Trimester 2009 ist schon wieder vorbei.<br />
So haben mein Gastvater Patricio, seine 7.<br />
Klasse und ich die Gelegenheit des ersten<br />
Ferientages genutzt und sich zum<br />
Trimesterabschluss ins nächste Schwimmbad<br />
gefahren. Doch das hatten sich die Kids auch<br />
verdient, nachdem ich sie letzten Freitag mit<br />
einer überraschenden Englisch-Arbeit ärgerte.<br />
Eigentlich war das nicht geplant, aber da die<br />
Schüler in jedem Fach diese Trimester-<br />
Prüfungen (ansonsten gibt es keine Tests oder<br />
ähnliches) ablegen müssen, kam ich spontan zu<br />
dem Einfall, dass das auch in Englisch nötig<br />
wäre. Weitaus geplanter war es, dass ich<br />
ebenfalls in der letzten Woche die Trimester-<br />
Prüfungen für 8. und 9. Klasse in meinem<br />
Gymnasium schreiben, beaufsichtigen und<br />
natürlich auch korrigieren musste. Lief<br />
insgesamt ganz gut, doch die Kreativität der<br />
Schüler hat mich manchmal einfach nur<br />
umgehauen. Ein paar Kostproben: Bei der<br />
Einordnung englischer Begriffe in die Themen<br />
„Tiere“,“ Familienmitglieder“ und „Essen“<br />
landete so manche „Schwester“ oder „Mutter“<br />
in der Kategorie „Tiere“, der „Großvater“ zum<br />
Beispiel beim „Essen“ und ein „Schwein“ gilt<br />
mancherorts schon als „Familienmitglied“...<br />
Nach ein paar sehr üblen Übersetzungen<br />
schloss ein Schüler seine Arbeit damit ab, dass<br />
er mir den letzen englischen Satz „Die Schüler<br />
sind nett“ mit „Jetzt wird der Lehrer sauer“ auf<br />
Spanisch übersetzte. Das Interesse an Englisch<br />
scheint in letzter Zeit ziemlich gewachsen zu<br />
sein, denn es kommen immer mehr Leute zu<br />
mir und möchten Nachhilfe oder einfach mal<br />
wissen, wie dieses Englisch denn klingt. So<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
verbringe ich nachmittags immer mehr Zeit<br />
damit, Englisch-Unterricht zu geben oder hier<br />
und da mal eine Englisch-Hausaufgabe zu<br />
korrigieren oder zu lösen. Ob Schüler,<br />
Studenten, Familienväter oder Hausfrauen –<br />
inzwischen unterrichte ich jeden.<br />
Die letzten Wochenenden habe ich kaum hier<br />
in La Maná verbracht, sondern die Zeit genutzt,<br />
in die Hauptstadt Quito zu fahren, z.B. zu einem<br />
Konzert zweier Sänger aus Puerto Rico oder<br />
dem Fußball-Spiel Ecuador gegen Argentinien.<br />
Wer sich z.B. noch an die letzte<br />
Weltmeisterschaft erinnert, könnte wissen,<br />
dass Ecuador (als Gruppengegner von<br />
Deutschland) schon in der Vorrunde die Koffer<br />
packen musste, während Argentinien ja noch<br />
eine Weile erfolgreich im Turnier blieb. So war<br />
es umso erstaunlicher, dass die Weltklasse-<br />
Mannschaft Argentinien (noch dazu unter der<br />
Leitung Maradonnas) 0-2 gegen das kleine<br />
Ecuador verlor, welches sogar noch einen<br />
Elfmeter der Hellblau-Weißen hielt! Was für ein<br />
Spiel... Es hat zwar fast ununterbrochen<br />
geregnet (und auch mal kurz gehagelt), aber<br />
dass konnte „uns“ Ecuadorianern den Spaß am<br />
Spiel nicht verderben. In der Nacht trafen ich<br />
und mein Gastbruder auch noch ein paar<br />
Nationalspieler, welche den Sieg in einer Disko<br />
feierten. Leider (aber logischer Weise) wollte<br />
man uns nicht rein lassen...<br />
Ein anderes sehr interessantes Wochenende<br />
war jenes um den 21. Juni – was fällt Ihnen zu<br />
diesem Datum als erstes ein? Ok, dieses Jahr<br />
war da Vatertag, aber ich meine etwas anderes.<br />
Wer jetzt auf Sommersonnenwende kommt ist<br />
sehr gut, wer mir noch dazu Inti Raymi sagt, der<br />
hat meinen vollsten Respekt, denn nicht mal<br />
alle Ecuadorianer kennen das uralte Sonnenfest<br />
ihrer Inca-Vorfahren. Dabei war es sogar das<br />
wichtigste Fest des Jahres für sie. Es war eine<br />
Art Dankesfest für den höchsten Gott der Inca,<br />
Inti - die Sonne. Zum Inti Raymi fuhr ich mit<br />
einem ecuadorianischen Freund in den Norden<br />
des Landes nach Imbabura, obwohl es in vielen<br />
Gegenden gefeiert wird. Jedoch diese<br />
Andenprovinz ist bekannt für ihre lebendige<br />
Kultur und das bewahren von Traditionen und<br />
außerdem hatte mir mein Begleiter Hernan<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 26
diesen Ort vorgeschlagen, weil der von ein paar<br />
Freunden dorthin eingeladen wurde. Nach<br />
etwa 11 Stunden Fahrtzeit von La Maná nach<br />
Pingunchuela (der höchst unbekannte Ort<br />
unseres Festes) gelangen wird im Dunkeln an<br />
jenen Acker eines alten Gutsgeländes, welcher<br />
für unser Inti Raymi zur Verfügung gestellt<br />
wurde. Am Sommersonnenwende-Sonntag<br />
wurde 5 Uhr morgens alle zum „Temascal“<br />
geweckt. Das ist eine Zeremonie in einem<br />
flachen, komplett abgedunkelten Zelt, in<br />
dessen Mitte sich ein Steinloch befindet, in<br />
welches glühend heiße große Steine (direkt aus<br />
dem Feuer) gegeben wurden. Zuerst wurden<br />
ein paar Kräuter darauf verbrannt und dann,<br />
wie bei einer Sauna, immer wieder etwas<br />
Wasser über die Steine gegeben. Ich muss<br />
sagen, dass dies die intensivste „Sauna“ war,<br />
die ich erleben durfte. Da in diesem „Temascal“<br />
auch noch gesungen wurde war das Erlebnis<br />
dort drin zu sein noch viel stärker. Mit<br />
unterschiedlicher Anzahl von Steinen wurde<br />
diese „Runde“ von 20-30 Minuten vier Mal<br />
wiederholt, bevor wir raus gingen in die Kälte<br />
(denn schließlich befanden wir uns in den<br />
Anden) und mit nicht minder kaltem Wasser<br />
abgeduscht wurden. Nachdem man sich von<br />
der morgendlichen Sonne trocknen ließ und<br />
vielleicht eine Kleinigkeit aß ging es zum<br />
eigentlichen „Event“ des Tages - dem<br />
Sonnentanz. Es wurde ein langer, bunt<br />
geschmückter und bemalter Pfahl aufgestellt,<br />
welcher den Mittelpunkt unseres Tanzes<br />
darstellte, Dieses Areal wurde von 8 Stäben<br />
begrenzt, welche paarweise als Tore in den 4<br />
Himmelsrichtungen aufgestellt wurden. Und<br />
dann wurden vier Runden um den Pfahl<br />
getanzt!... Wenn jetzt jemand fragt, ob das alles<br />
war: ja! Es gab bloß einen kleinen Hacken, denn<br />
jede „Runde“ um den Pfahl bestand aus 4<br />
kleineren Runden, welche jeweils zwischen<br />
dem Pfahl und einem der Himmelsrichtung<br />
störe getanzt wurden. Und jede kleine Runde<br />
dauerte etwa 30 Minuten. Das ergibt laut<br />
meinen abiturgeprüften Rechenkünsten 8<br />
Stunden! Und das war dann auch schon alles –<br />
8 Stunden im Kreis tanzen, hüpfen, stampfen,<br />
springen und dabei singen, pfeifen, schreien,<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
klatschen oder was einem sonst noch so im<br />
Takt der Musikinstrumente einfällt. Die Musik<br />
fand ich auch echt toll, hauptsächlich<br />
„Dorfmusik“, traditionelle Lieder, teilweise<br />
auch auf Quichua. Zur Auflockerung gab es 2<br />
Männer in der Runde, welche sich mit ihren<br />
traditionellen, bunten Teufelsmasken immer<br />
entgegen der Tanzrichtung bewegten und die<br />
Leute anspornten oder eben Chicha verteilten,<br />
ein typisches alkoholisches Getränk. Nach der<br />
Hälfte (also nach „lockeren“ 4 Stunden tanzen)<br />
wurde zwar eine kleine Mittagspause eingelegt,<br />
aber länger als eine Stunde war diese auch<br />
nicht. Die zweite Hälfte verging dann viel<br />
schneller als die erste und als wir fertig waren<br />
und auch die Sonne gerade am untergehen<br />
war, schlossen wir diesen Tag mit einem<br />
erneuten „Temascal“ ab. Wie man sich<br />
vielleicht vorstellen kann, war das Ganze<br />
äußerst anstrengend, aber absolut lohnenswert<br />
und befreiend! Auch wenn das vielleicht alles<br />
etwas trocken klingt – es war ein unglaublich<br />
intensives und kraftvolles Erlebnis, doch ich<br />
wollte meine Gefühle und<br />
Gefühlsschwankungen hierbei nicht so sehr<br />
einbringen.<br />
Zurzeit sind hier in der Gegend ein paar<br />
kubanische Ärzte, welche ein tolles Projekt der<br />
Regierung unterstützen. Mit Hilfe des<br />
ecuadorianischen Militärs gelangen die Ärzte<br />
bis in die hintersten Winkel des Cantóns (und<br />
das möchte wirklich was heißen!), um die<br />
exakte Anzahl von geistigen und körperlichen<br />
Behinderungen zu katalogisieren, die<br />
Krankheiten zu analysieren und zu helfen. Es<br />
wird also nicht verlangt, dass die potentiellen<br />
Patienten zum nächsten Krankenhaus gehen,<br />
was unter Umständen sehr weit sein kann,<br />
sondern die Ärzte ergreifen die Initiative und<br />
gehen zu den Leuten – ein sozialmedizinisches<br />
Projekt, als ein Resultat der Revolution Che<br />
Guevaras, wie mir ein Arzt selbst sagte.<br />
Ansonsten ist es hier immer noch schön warm<br />
und ich liebe gerade das Leben hier wieder<br />
sehr, es ist einfach entspannter und<br />
unbeschwerter als in Deutschland. Das ist eine<br />
der Sachen, welche ich laut geschilderten<br />
Erfahrungen sehr vermissen dürfte, wenn ich<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 27
wieder nach Hause komme. Mal sehen, aber ich<br />
schätze, dass dürfte stimmen...<br />
Saludos cordiales<br />
Ihr Cay Buschmann<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 28
Vom Thomas Mildenberger<br />
August 2009<br />
Hallo<br />
Es ist August, der Monat, den jeder (ehemalige)<br />
Schüler direkt mit Ferien verbindet. Noch bin<br />
ich auf der Farm; alles nimmt seinen<br />
gewohnten Lauf. Anfang September jedoch<br />
werde ich für 3 Wochen auf Reisen gehen – das<br />
ist der Urlaub, den ich mir aufgespart habe, um<br />
noch einmal ECUADOR zu sehen, bevor ich<br />
Ende September auch schon wieder zurück<br />
nach Deutschland komme. Ich sehe nun also<br />
die letzten Wochen vor mir und schaue auf ein<br />
paar Projekte, die ich angefangen habe, aber<br />
noch nicht beendet sind…<br />
Projekt Casa de Thomas:<br />
Es ist eine lange Geschichte, beginnend im<br />
Januar, als ich die Idee/ den Traum hatte, mir<br />
eine eigene kleine Bambus-Hütte zu bauen, da<br />
ich ja für eine beachtliche Zeit auf der Farm sein<br />
würde und nicht immer wieder umziehen<br />
wollte, wenn eine Großgruppe alle verfügbaren<br />
Häuschen in Anspruch nimmt. Die Idee wurde<br />
freudig aufgenommen, ein toller Platz am Hang<br />
zum Fluss ausgesucht und schon konnte ich die<br />
Konstruktionspläne beginnen. Als das Modell<br />
fertig war und unser „Schreiner“, der für alle<br />
Holzarbeiten zuständig ist, den Plan für<br />
realisierbar erklärte, musste nichts desto trotz<br />
das Projekt ein wenig ruhen, da der Regen<br />
beginnen sollte und außerdem andere<br />
Aufgaben in Angriff genommen wurden. So<br />
wurde es Mitte April, bis ich tatsächlich damit<br />
anfing, die Löcher für die Grundpfeiler zu<br />
graben. Die tragenden Starkholzpfosten waren<br />
bald versenkt und die ersten<br />
Querverstrebungen folgten. Aber dann waren<br />
auch schon die Materialien aufgebracht und wir<br />
mussten bei den Nachbar-Communidades<br />
anfragen. Solch eine Bestellung braucht<br />
natürlich seine Zeit, weshalb wir bis Juli<br />
warteten… Das Holz kam wir konnten innerhalb<br />
weniger Tage das gesamte Rahmengerüst<br />
errichten. Unser Hüttenbauer Sergio<br />
versicherte mir an dieser Stelle, dass man das<br />
gesamte Häuschen innerhalb von 2 bis 3<br />
Wochen fertig stellen könnte, wenn alle<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Materialien verfügbar und präpariert wären<br />
(Hölzer müssen entrindet, Bodenpaletten<br />
gefertigt und Palmblätter fürs Dach getrocknet<br />
werden). In den letzten Tagen haben wir auch<br />
den Boden verlegt und nun warten wir auf<br />
frischen Bambus für die Wände… Die Arbeit<br />
macht wirklich Spaß und während ich mit<br />
Sergio zusammenarbeite, lerne ich auch viel<br />
über Konstruktion und wann man für welchen<br />
Part welches Holz verwenden kann. Wir<br />
arbeiten mit Frutillo, Algorrobo, Bambus,<br />
Pachaco, und Tagua- Palmwedeln. Des<br />
Weiteren braucht man neben der Machete (!),<br />
einem Hammer und Nägeln nicht mehr viel. Um<br />
das Ganze ein wenig vertrauenswürdiger zu<br />
gestalten, benutzten wir auch ein Lot,<br />
Bindfaden, einen Bleistift, einen Winkel, eine<br />
Säge und - ich hätte es nicht geglaubt - eine<br />
Wasserwaage. Das war’s dann aber auch schon.<br />
Ich bin aufgeregt, aber auch gleichzeitig durch<br />
die Vorgeschichte ein wenig beängstigt, dass<br />
ich mein Traumhäuschen nicht mehr rechtzeitig<br />
beenden kann. Wenn alles gut läuft, habe ich<br />
vielleicht 2 Wochen darin zu wohnen, bevor ich<br />
mich dann auf meine Ecuadorreise begebe…<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 29
Bienenprojekt:<br />
Auf der Farm haben wir Bienenkästen, ernten<br />
und verkaufen somit unseren eigenen Bio-<br />
Honig. Neben diesem köstlichen Produkt leisten<br />
die Bienen aber auch allergrößte<br />
Blütenbestäubungsarbeit, welche für jeden<br />
Obst- und Gemüsegarten unerlässlich ist.<br />
Die Landwirtschaft ist weltweit sogar so<br />
abhängig von den Bienen, dass es<br />
voraussichtlich innerhalb weniger als 5 Jahren<br />
keine Ernte mehr gäbe, verlören wir deren<br />
Arbeit. Und momentan sieht es schlecht aus für<br />
unsere Bestäuber... Denn all die chemischen<br />
Hilfsmittel in unserer Agrikultur und zusätzlich<br />
die noch ungenügend erforschte Belastung der<br />
sich ausbreitenden und verstärkenden<br />
Mobilfunkstrahlung lassen die Populationen<br />
drastisch sinken. (Auch in Ecuador hat jeder<br />
Einwohner mindestens 1 Handy! - Zumal es<br />
kein ausgebautes Festnetz gibt). Das<br />
Bienenprojekt besteht nun darin, weitere<br />
Familien in Rio Muchacho mit Bienenkästen<br />
auszustatten. Angelockt durch den möglichen<br />
Gewinn des Honigverkaufs, haben auf unser<br />
Angebot hin 6 Familien Interesse bekundet. Mit<br />
ihnen zusammen werden wir nun die Kästen<br />
bauen und mit Hilfe unseres Bienenspezialisten<br />
neue Bienenstaaten gründen. Gleichzeitig<br />
verbunden mit dieser Anschaffung, ist auch das<br />
Pflanzen eines kleinen Gartens. Denn für eine<br />
hohe Honigproduktion brauchen die Bienen das<br />
ganze Jahr über genügend blühende Blüten, die<br />
den Nektar zur Verfügung stellen. Die meisten<br />
Familien bauen zum Beispiel ausschließlich<br />
Maracuja oder Yucca an und benutzen auch<br />
chemische Dünger. Um aber mit den Bienen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
erfolgreich zu sein, werden sie erkennen<br />
müssen, dass es nötig ist, Chemie zu reduzieren<br />
und Varietät zu erhöhen. Dabei erhalten sie<br />
unsere Unterstützung bei der Einrichtung und<br />
der Haltung der Bienen, aber auch eine<br />
Kollektion von Kräuter- und Gemüse-Samen,<br />
um den kleinen Garten zu starten. Die<br />
Samentütchen sind schon gerichtet und die<br />
letzten Materialien für die Kästen werden<br />
besorgt…Ich bin schon gespannt!<br />
Computerunterricht in der Schule:<br />
Man kann wahrlich darüber streiten, ob die<br />
Einführung von Computer und Internet in den<br />
Unterricht zu befürworten ist oder nicht.<br />
Einerseits wird den Kindern somit eine Technik<br />
vor Augen geführt, die sie vielleicht begehren<br />
werden, aber selbst nicht erwerben können<br />
und zudem nicht brauchen, wenn sie die Farm<br />
ihrer Eltern weiterführen – Andererseits, will<br />
man den Kindern vom Land die gleichen<br />
Möglichkeiten mitgeben, wie ihren<br />
Altersgenossen und zukünftigen<br />
Klassenkameraden mit städtischer Herkunft.<br />
Denn wenn die Familien Verwandte in der Stadt<br />
haben, entschließen sie sich vielleicht dazu, ihre<br />
Kinder nach den 7 Jahren Grundschule dorthin<br />
auf das weiterführende College zu schicken.<br />
Wie haben also angefangen 2 Laptops in unsere<br />
Schule zu bringen und die Kinder mit Paint®<br />
malen und mit Word® schreiben zu lassen. Auf<br />
diese Weise lernen sie auf spielerische Art und<br />
Weise, mit dem Computer umzugehen. Es ist<br />
eine Riesen- Attraktion für die Kinder, wenn wir<br />
mit dem Laptop kommen, und neugierig und<br />
aufgeregt stehen alle darum herum. Nächste<br />
Woche wollen wir mit ihnen einen Tag nach<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 30
Canoa fahren, um ihnen das Internet zu zeigen.<br />
Wenn man damit umzugehen weiß, ist es eine<br />
große Chance, viel zu lernen, herauszufinden,<br />
zu recherchieren und und und...<br />
Auf ihrem weiteren Bildungsweg und in<br />
beruflicher Zukunft wird ihr Computerwissen<br />
höchstwahrscheinlich eine relevante Rolle für<br />
sie spielen – sofern sie in die Stadt ziehen.<br />
(Doch dies bedeutet gleichzeitig, dass es in der<br />
nächsten Generation einige Familienfarmen<br />
weniger gibt…)<br />
Die Statistik No.2<br />
Am 7. August war ich 260 Tage auf der Bio-<br />
Farm Rio Muchacho und 272 Tage in Ecuador.<br />
Was sind 9 Monate?<br />
- 508 REIS-Mahlzeiten. Folgende Angabe ist das<br />
Resultat 508-facher Beobachtung: 70% jeder<br />
Speise ist Reis. Jeder andere Bestandteil wie<br />
Salat, Salza oder Gemüse (jeweils 10%), wird<br />
lediglich beigelegt, um die tatsächliche Menge<br />
an Reis darunter zu verstecken oder den<br />
Anblick farblich ein wenig aufzuwerten. (Um<br />
diese „Reisheit“ in ein vegetarisches<br />
Gourmetgericht zu verwandeln, reduziere man<br />
den Anteil auf 40% und schöpfe die meist<br />
deliziösen Beilagen auf 60% nach!)<br />
- Zecken! Ein 5-Minuten-Barfuß-Spaziergang auf<br />
der falschen Weide, wird unvermeidlich mit<br />
einer halbstündigen Zeckensuche quittiert<br />
(Erfolgsquote 1:5. Ich finde z.B. 40, während<br />
mir 8 entgehen, die sich dann ein warmes<br />
Plätzchen suchen). Demnach unterscheide ich<br />
nun generell zwischen den Blutsaugern, die ich<br />
auf mir herumkrabbeln finde, und denen, die<br />
ich herausziehe, nachdem sie sich schon in<br />
meiner hoch begehrten Haut festgebissen<br />
haben: Erste Zahl liegt - ohne Übertreibung –<br />
ungefähr im Bereich von 1.000.000.000. Die<br />
zweite Zahl lässt sich vielleicht mit einem<br />
Schnitt von 2 pro Tag veranschaulichen (_520)<br />
- 90 Male den Kopf irgendwo anhauen, da ich<br />
(und jeder nicht Südamerikaner) zu groß für<br />
ecuadorianische Konstruktionen ist.<br />
(Mindestens jeden dritten Tag). Nebenwirkung:<br />
Mittlerweile laufe ich in geschlossenen<br />
Räumlichkeiten deutlich geduckt umher<br />
- 114 Volontäre. Zusätzlich Schulklassen,<br />
Studentengruppen, Touristen, Besucher…und<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
dann noch ca. 12 Leute von der Farm, die mich<br />
mehr oder weniger täglich umgeben.<br />
Menschen – Persönlichkeiten – Erlebnisse –<br />
Erfahrungen – Leben! Es ist schwer zu<br />
beschreiben, aber wahrscheinlich das<br />
Wichtigste überhaupt: „Mit Wem“ man seine<br />
Zeit verbringt. Ich kann sagen, ich bin<br />
beeindruckt und dankbar, was ich alles lernen<br />
und wen ich alles kennen lernen durfte; Wer<br />
mir über meinen Weg gelaufen ist und Teil<br />
meiner Zeit wurde.<br />
- Moskitos! Ich habe zwar immer wieder das<br />
unverwechselbare Hochfrequenz- Surren im<br />
Ohr, aber über übermäßig viele Stiche kann ich<br />
mich nicht beklagen. Nur noch 2 pro Woche.<br />
(60) – Man beachte, dass genannte Zahl die<br />
Regenzeitmonate Januar bis April vollkommen<br />
außer Acht lässt<br />
- 16 Male Wäsche von Hand waschen (ca. alle 2<br />
½ Wochen). Mein Trick, um nicht so oft<br />
waschen zu müssen: Ich behalte zum Duschen<br />
einfach schmutzige Wäsche an oder springe<br />
nach der Arbeit mit allem was ich anhabe in<br />
den Fluss ;)<br />
- Stromausfälle wurden tatsächlich seltener. Es<br />
wurde zwar letzten Monat die Schnellstraße<br />
zwischen Canoa und San Vicente erweitert,<br />
weshalb über 3 Wochen täglich um 19.30Uhr<br />
der Strom abgestellt wurde; Aber abgesehen<br />
davon: im Schnitt nur noch 1Tag pro Woche<br />
ohne Elektrizität - 14 Tage oder 336 Stunden<br />
(Auch diese Zahl deckt nur die letzten 3<br />
Trockenzeitmonate seit Ende April). Zu meinen<br />
Erfahrungen abends im Dunkeln lässt sich<br />
sagen: Man glaubt gar nicht, wie hoch der<br />
Kerzenverbrauch ist, wenn man nach<br />
Sonnenuntergang noch wach bleiben will! Da<br />
wir aber morgens um 6.00Uhr mit der Arbeit<br />
beginnen, gehen die meisten eh freiwillig früh<br />
ins Bett.<br />
- Die von mir bewegte Masse an kompostierten<br />
und noch nicht kompostierten Tierexkrementen<br />
kann ich auch diesmal nicht in einer Zahl<br />
angeben. Aber es lässt sich so viel sagen: eine<br />
Kuhportion wiegt 6 Pfund; davon gibt bis zu 10<br />
Stück pro Tag. Auch Schweine sind höchst<br />
produktiv und die werden täglich ausgemistet…<br />
Ciao Euer Thomas<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 31
Vom Peter Riegg<br />
August 2009<br />
Buenos días, buenas tardes, buenas noches,<br />
seit 20 Jahren gibt es nun die “Finca Organica<br />
Rio Muchacho”. Seit 16 Jahren die<br />
„Umweltschule Rio Muchacho“. ¿Aber was<br />
sieht man, wenn man von der Hauptstraße die<br />
7 km landeinwärts zur Finca fährt?<br />
- Monokulturen (= ein Typ Pflanze (z. B. Mais) in<br />
riesigen Extensionen)<br />
- Verbrannte Flächen<br />
- Monokulturen (Maracuja, Mais, Chili,<br />
Maracuja, ...)<br />
- Kuhfarm<br />
Mit der „Grünen Revolution“ in den 60ern<br />
kamen diese Probleme. Samen die über 12.000<br />
Jahre gesammelt und ausgewählt wurden,<br />
natürliche Samen die robust waren und keine<br />
Chemikalien brauchten, wurden von einer zur<br />
nächsten Generation ersetzt durch „neue<br />
Samen“ (genmanipuliert,...) der<br />
Chemieindustrie. Den Bauern (vor allem in den<br />
Entwicklungsländern) wurde versprochen mit<br />
diesen Samen mehr Ertrag zu erwirtschaften,<br />
worauf diese ihre alten Samen an die Hühner<br />
verfütterten... 12.000 Jahre für die Katz! So hat<br />
es die Chemieindustrie also geschafft die<br />
Bauern von ihren Spritzmitteln und Pestiziden<br />
abhängig zu machen, da diese Samen nicht<br />
sonderlich resistent und viel anfälliger für<br />
Insekten sind... Einmal angefangen mit diesen<br />
Chemikalien ist es nicht so leicht zum<br />
Biologischen Anbau zurückzukehren.<br />
Chemikalien töten die Mikro- und<br />
Mikroorganismen in der Erde. Diese<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Organismen sind das Leben in der Erde. Um<br />
diese nach jahrerlanger Abnutzung wieder auf<br />
Vordermann zu bringen braucht es viel<br />
Kompost und einen guten Plan welche Pflanzen<br />
wann an der Reihe sind, um dem Boden wieder<br />
Nährstoffe zuzuführen. Die mit Chemikalien<br />
besprühten Blätter können keine Proteinketten<br />
bilden und sind deshalb anfälliger für Insekten.<br />
Um diese von den Pflanzen fernzuhalten<br />
werden Insektizide auf die Felder gespritzt.<br />
Dieser ganze Haufen an Chemikalien, der von<br />
der konventionellen Agrarindustrie auf die<br />
Pflanzen gesprüht wird, ist nicht nur schlecht<br />
für Insekten... es ist auch schlecht für unsere<br />
Gesundheit und für unsere Erde! Wenn wir<br />
unseren Planeten mit diesen Giften weiterhin<br />
so fertig machen, wird es nur noch ein paar<br />
Generationen dauern, bis die beschränkten<br />
Flächen der Erde, die wir zum Bepflanzen<br />
verwenden können so fertig sind, dass es uns<br />
nicht mehr möglich sein wird damit<br />
ausreichend Nahrung für die Bevölkerung zu<br />
produzieren (..vor allem für die Menschen die<br />
in den Städten leben). Ich bin absolut davon<br />
überzeugt, dass biologischer Anbau der einzige<br />
Weg ist aus dieser Sackgasse herauszukommen.<br />
Es ist hier also allerhöchste Eisenbahn die<br />
Bauern aus Rio Muchacho und den<br />
umliegenden Kommunen zu informieren, und<br />
zu helfen auf „Bio“ umzusteigen, um<br />
unabhängig von teuren Spritzmitteln zu<br />
werden, um den Fluss nicht weiter zu<br />
verschmutzen, um gesünder zu leben,...<br />
Das ist leider leichter gesagt als getan. Die<br />
Bauern sind arm und haben Angst vor<br />
Veränderungen. Schon ihr ganzes Leben lang<br />
sprühen sie Chemikalien und Pestizide aufs Feld<br />
und pflanzen in Monokulturen an. Sie haben<br />
keine Erfahrung damit, Pflanzen in<br />
Assoziationen zu pflanzen (Pflanzen die gut<br />
miteinander wachsen), oder einen Kompost<br />
anzulegen. Anstatt dessen verbrennen sie<br />
lieber die trockenen Blätter und Stöcke wie sie<br />
es schon immer gemacht haben, und sprühen<br />
anschließend ordentlich Gift auf die Pflanzen<br />
um sie vor den „bösen Insekten“ zu schützen.<br />
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, pflegt<br />
meine Oma immer zu sagen. Damit hat sie<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 32
völlig recht! Nur manchmal ist es für uns<br />
Gewohnheitstiere auch an der Zeit<br />
umzudenken, und sich eventuell<br />
umzugewöhnen ;)<br />
Deswegen hat mein ecuadorianischer Chef<br />
Dario einen ausgefuchsten Plan. Auf hohes<br />
Interesse stößt man, wenn man den Landwirten<br />
erzählt wie man mit wenig Aufwand Geld<br />
machen kann. Honig, vor allem Bio-Honig lässt<br />
sich gut verkaufen. Deswegen bieten wir ihnen<br />
an, mit unserer Unterstützung ihr eigenes<br />
Bienenhaus zu bauen und die Bienenhaltung zu<br />
erlernen. Das Angebot wird sehr gut<br />
angenommen, weshalb wir einen festen Stamm<br />
an Landwirten gewinnen konnten, mit denen<br />
wir an diesem „Bienenprojekt“ arbeiten. Bereits<br />
beim ersten Treffen wurden wir gefragt woher<br />
die Bienen ihre Nahrung beziehen sollen. Und<br />
das ist für uns der springende Punkt! Natürlich<br />
dürfen sie keine Chemikalien auf die Pflanzen<br />
sprühen, denn diese würden die Bienen<br />
genauso töten wie andere Insekten. So gut wie<br />
alle Bauern hier bauen Maracuja an. Deswegen<br />
haben wir ein Konzept entwickelt, welche<br />
Pflanzen man zwischen und neben der<br />
Maracuja Pflanze anbauen kann, um die freien<br />
Flächen dazwischen produktiv zu nutzen. Wir<br />
kommen somit bei ca. 18 m2 auf 20<br />
verschiedene Pflanzen. Pflanzen die nicht nur<br />
die Bienen glücklich machen, sondern vor allem<br />
die Familie ernähren. So versuchen wir sie ins<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Bio-Boot zu ziehen ;) Denn wenn erst einmal<br />
die kleine Fläche für die Bienen steht, ist der<br />
Weg zum Bio-Hof gepflastert, bzw. gepflanzt.<br />
Vorletzten Mittwoch und heute war der<br />
Bienenexperte Boris auf der Farm, der uns mit<br />
unseren Bienen geholfen hat und den<br />
interessierten Bauern im Projekt viele Sachen<br />
im Umgang mit den Bienen erklärt und gezeigt<br />
hat. Dieses Projekt ist unglaublich wichtig für<br />
mich. Das Wissen das ich mir in den<br />
Gesprächen und der Arbeit mit Dario und<br />
Nicola aneignen konnte, kann ich direkt an die<br />
Leute meiner Umgebung weitergeben. Und das<br />
ist, was für mich Entwicklungshilfe bedeutet. Zu<br />
erkennen, was läuft hier nicht richtig, was<br />
brauchen/wollen die Leute, und wie kann man<br />
ihnen langfristig helfen. Wir arbeiten mit ihnen,<br />
zeigen ökologische Praktiken auf, um sie dabei<br />
zu unterstützen, einen besseren<br />
Lebensstandart zu erreichen. Die Bauern sind<br />
sehr dankbar und interessiert. Wir organisieren<br />
jeden Monat zwei Treffen, in denen wir mit<br />
ihnen am Projekt „Agrupación de Productores<br />
Organicos – Gruppierung Biologischer<br />
Erzeuger“ arbeiten.<br />
Ein weiteres Projekt das ich diesen Monat in<br />
Angriff genommen habe ist die Schule. Da die<br />
Materialien für mein Musikprojekt leider immer<br />
noch nicht da sind, habe ich mich dazu<br />
entschlossen vorübergehend den<br />
Sportunterricht zu übernehmen. Und so bin ich<br />
jetzt zwei bis dreimal vormittags an der Schule<br />
und arbeite mit den 12-15 Jährigen an<br />
Lauftechnik, Weitsprung und Hochsprung (ich<br />
mache mit ihnen nur den Schersprung, weil wir<br />
nur eine ca. 10 cm dicke Matte haben). Die<br />
Kinder sind echt gut und machen schnell<br />
Fortschritte! Ich habe am ersten Tag die Zeiten<br />
genommen und gemessen wie weit und hoch<br />
sie springen damit ich die Veränderungen<br />
sehen kann. Von den Schülern ist keiner<br />
übergewichtig und von<br />
Bewegungslegastenikern wie an unseren<br />
Schulen in Deutschland ist hier weit und breit<br />
nichts zu sehen.<br />
Zu meinen Aufgaben gehört es mittlerweile<br />
neue Volontäre einzuweisen und ihnen und den<br />
Touristen die Finca zu zeigen, Modelle<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 33
alternativer Energien wie z. B. die Biogasanlage,<br />
verschiedene Komposte,... zu erklären und zu<br />
versuchen die Idee der Finca rüberzubringen. Z.<br />
B. Müllreduzierung wo es nur geht. Auf der<br />
Finca produzieren wir so gut wie keinen Müll<br />
(letzte Woche: 1,5 kg Plastikmüll).<br />
Mülltrennung, Recycling,... wird hier ganz<br />
GROSS geschrieben! Wenn nur einer von 10<br />
Besuchern seine Einstellung gegenüber seiner<br />
Umwelt ändert, und z. B. aufhört<br />
Plastikflaschen zu kaufen, oder aus<br />
Plastikbecher/Teller zu trinken/essen, haben<br />
wir schon viel geschafft. Nach einer Statistik aus<br />
dem Jahr 2004 würden pro Jahr 200 Flaschen<br />
weniger auf dem Müll landen wenn nur eine<br />
Person aufhören würde Plastikflaschen zu<br />
konsumieren.<br />
So... jetzt bin ich ganz froh es wieder einmal<br />
geschafft zu haben den Bericht fertig zu kriegen<br />
;) Ich hoffe er gibt euch Lesern einen kleinen<br />
Einblick in mein Leben hier in Rio Muchacho,<br />
und die Arbeit die ich hier verrichte. Eventuell<br />
ist er sogar eine kleine Anregung sich damit zu<br />
beschäftigen was alles in unserem Essen drin<br />
ist, wieso die Zahl der Allergiker ständig steigt,<br />
warum so viele Leute an Krebs erkranken,... um<br />
am Ende darauf zu kommen, dass alles in der<br />
Erde beginnt.<br />
Liebe Grüße,<br />
euer Peter<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Schwarze Brüllaffen Babies:<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 34
Vom Thomas Mildenberger<br />
September 2009<br />
Hallo zum letzten Mal,<br />
nach 538 Schüsseln voll Reis, zum letzten Mal<br />
per Rundmail aus Ecuador. Ich will gar nicht<br />
daran denken, aber schon in nur 2 Wochen bin<br />
ich wieder zu Hause…im schönen Deutschland –<br />
und muss jedoch ein noch viel schöneres<br />
Ecuador hinter mir lassen. Ich habe das<br />
Phänomen bei einigen anderen Volontären<br />
beobachtet, dass sobald man sich mit dem<br />
Rückflug konfrontiert sieht, anfängt sich hier in<br />
alles zu verlieben. All die Dinge, die man nun<br />
intensiver wahrnimmt und von denen man<br />
weiß, dass es in unseren Heimatländern so<br />
anders sein wird. Ich fange jetzt gar nicht erst<br />
an, aufzulisten, was ich vermissen werde, denn<br />
eine solche Liste wäre in jedem Fall<br />
unvollständig, wahllos und aus dem<br />
Zusammenhang genommen. Wie ich bereits im<br />
allerersten Rundbrief erwähnte, sind es die<br />
vielen kleinen Dinge, die einem erst auffallen,<br />
wenn sie sich ändern. Den Sprung aus der<br />
westlichen Kultur in das südamerikanische<br />
Leben habe ich damals ohne Probleme<br />
gemeistert und mich unmittelbar eingelebt. Im<br />
Gegenteil dazu erwarte ich bei meiner<br />
Wiederkehr einen Kulturschock! Zumindest<br />
habe ich Angst, dass ich von einer Welle<br />
überrannt werde, mich die Routine einholt,<br />
mich der Alltag aufsaugt, meine Erfahrungen<br />
zur Seite gedrängt werden und mir die<br />
Erinnerung ans letzte Jahr nur noch wie ein<br />
Traum erscheint. Auch dies wurde mir<br />
mehrfach von meinen Vorgängern bestätigt –<br />
Man könnte meinen, man hätte in jedem Fall<br />
verloren: Entweder Schwierigkeiten bei der<br />
Ankunft, gefolgt von Fernweh und<br />
Unzufriedenheit, oder aber ein Zurückfallen ins<br />
alte Leben gepaart mit der unbewussten<br />
Verdrängung der Erlebnisse. Ich persönlich<br />
setzte es mir zum Ziel, die Phrase: „aus den<br />
Augen – aus dem Sinn“ zu widerlegen und<br />
gleichzeitig keine Antipathie zum „Lauf der<br />
Dinge in der modernen Welt“ zu entwickeln.<br />
Das mag sich alles ein wenig übertreiben<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
anhören und überhaupt bin ich ja noch immer<br />
hier, also sollte ich nicht übertreiben… Zurück<br />
zu den Geschehnissen der letzten Wochen: Ich<br />
habe die Farm verlassen und bin nun auf<br />
Reisen, meine aufgesparten Urlaubstage<br />
genießend. Rückblickend war der Abschied von<br />
meinem Heim der letzten 10 Monate nicht<br />
leicht; Inzwischen bin ich jedoch in der<br />
Aufregung der vielen neuen Orte und Eindrücke<br />
gefangen. Während meiner letzten Tage in der<br />
„Finca Organica Rio Muchacho“ wurde mir<br />
bewusst, wie sehr ich mit allem vertraut war<br />
und wie komisch es sein wird, all das zu<br />
verlassen. Ich hatte immer den Gedanken im<br />
Kopf: ich mache nun zum letzten Mal dies, ich<br />
mache zum letzen Mal das…<br />
Obwohl es einem immer schwer vorkommt,<br />
„Adios“ zu sagen, mit dem Hintergedanken,<br />
dass man sich wahrscheinlich nicht wieder<br />
sieht, war ich das Abschied nehmen von<br />
vertrauten Personen schon gewöhnt durch das<br />
ständige Kommen/ Gehen der Volontäre. Die<br />
Familie und die Arbeiter der Farm kennen dies<br />
schon seit Jahren, weswegen auch mein<br />
Abschied in einem eher routinierten Rahmen<br />
gehalten wurde. Vielleicht konnten es in dieser<br />
Situation einfach noch keiner richtig fassen,<br />
dass ich jetzt ginge – so wie auch ich noch nicht<br />
fassen konnte, dass ich die Farm verlasse<br />
werde. Kurz gehalten: Ich war ziemlich<br />
aufgeregt und eingenommen von vielerlei<br />
Emotionen gegenüber den einzelnen Personen<br />
und rückblickend auf alles, was ich erlebt<br />
habe…<br />
Mein Jahr war mit Sicherheit eine große<br />
Bereicherung, ich habe unendlich viel gelernt,<br />
angefangen beim Unterrichten in unserer<br />
Umwelt-Grundschule und bei der Arbeit in<br />
biologischer Landwirtschaft, bis hin zu den<br />
Erfahrungen beim Organisieren der Volontäre,<br />
bei den Projekten in der Communidad und bei<br />
den Führungen für Touristen. Während meiner<br />
Zeit auf der Farm arbeitete ich mit 117<br />
Volontären aus 16 verschiedenen Ländern,<br />
einigen Großgruppen (10 bis 30 Personen) und<br />
zahllosen nationalen und internationalen<br />
Touristen (in den Saisonmonaten: Dezember,<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 35
Mai, Juli, August kamen fast jeden Tag<br />
Besucher).<br />
Um noch Bezug auf die erwähnten Projekte der<br />
letzten Mail zu nehmen:<br />
Die ersten beiden Treffen des neu gegründeten<br />
Vereins der Bienenhalter waren erfolgreich. 2<br />
Familien aus Rio Muchacho und 4 Familien aus<br />
der weiteren Nachbarschaft werden in die<br />
Honigproduktion eingewiesen und erhalten<br />
Unterstützung mit dem Aufbau eines Obst- und<br />
Kräutergartens. Mein Haus ist fertig gestellt! Es<br />
ist zweistöckig, hat 2 getrennte Schlafzimmer,<br />
eine riesige Terrasse mit Blick auf den Fluss,<br />
eigene Dusch und Kompostiertoilette und ist<br />
wunderschön;) Ich habe letztendlich noch eine<br />
Woche darin geschlafen.<br />
Östlich der Anden befindet sich die so genannte<br />
Selva (span. für Dschungel) oder auch nur der<br />
„Oriente“. Mit dem herabsteigen der<br />
Bergketten wird das Klima heißer und feuchter,<br />
wobei jedoch auch hier die Jahreszeit eine<br />
entscheidende Rolle spielt. In diesem drittel des<br />
Landes gibt es nur wenige Städte und ca. 90<br />
Prozent der Fläche sind noch immer isoliert und<br />
kaum besiedelt.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Nur die Petrolineras, das heißt, die Orte an<br />
denen Erdöl gefördert wird, werden aus<br />
Transportzwecken mit schönen, neu geteerten<br />
Straßen ans Verkehrsnetz angebunden. Als<br />
Tourist kommt man also nur in den Urwald,<br />
wenn man eine mehrtägige Führung bucht, die<br />
in einer der 3 größten Städte beginnt und von<br />
dort an per Begleiter und Kanufahrt<br />
weiterführt.<br />
Von einem Treffen mehrerer<br />
Volontärorganisationen im Februar kenne ich<br />
Alberto, ein Senior, der Projekte in einer der<br />
Dschungel-Communidades leitet. Campococha<br />
heißt das Dorf, in dem 70 Familien leben, und<br />
welches leider(!) leicht mit dem Geländewagen<br />
erreichbar war. Er erzählte mir, dass nur<br />
wenige Kilometer entfernt ein riesiger<br />
internationaler Flughafen gebaut wird. Die<br />
Mehrheit der Provinz hat dafür gestimmt, da<br />
natürlich viele Jobs und eine Menge Geld<br />
versprochen wurden. Aber die Schattenseite ist<br />
die Abholzung von –zig Hektar Bosque Primaria<br />
(Ururururururwald)! Noch haben die Arbeiten<br />
nicht begonnen und es ist ruhig im Wald –<br />
mehr oder weniger, denn wenn man erst<br />
einmal hinhört, kann es richtig laut sein. Ich war<br />
zwar nicht dort, wo die Tiger herumbrüllen,<br />
aber schon alleine das Hochfrequenz-Zirpen der<br />
Grillen, auch tagsüber, und die verschiedensten<br />
Vogelschreie, erzeugen eine beeindruckende<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 36
Atmosphäre. Im Sommer regnet es hier nur alle<br />
paar Tage, im Winter täglich stundenlang.<br />
Deswegen war die Luftfeuchtigkeit gut<br />
auszuhalten – nur un-glaub-lich HEISS war es!<br />
An der Küste habe ich die Mittagssonne ab 10<br />
Uhr gemieden – Hier dachte ich schon morgens<br />
um 8.00 Uhr, ich müsste verbrennen, wenn ich<br />
nicht im Schatten bleibe. Moskitos gab es nicht<br />
viele, zumindest wurde ich nicht<br />
überdurchschnittlich zerstochen (ich habe zu<br />
jeder Mahlzeit eine Menge Knoblauch<br />
gegessen, was anscheinend – und wie mir<br />
versprochen wurde – große Dienste leistete).<br />
Dafür gibt es aber andere kleine Plagen, wie<br />
z.B. die Coloradillos. Wie Zecken, nur so klein,<br />
dass man sie nicht sehen kann. Sie hinterlassen<br />
lediglich einen klaren roten Punkt auf der Haut<br />
und drum herum eine juckende größer<br />
werdende Schwellung, wie die eines<br />
Mückenstichs.<br />
Alberto zeigte uns die Schulgebäude,<br />
Betonfundament und Zinndach, sehr modern –<br />
außerdem eine kleine Bibliothek und: sage und<br />
schreibe 6 Computer! Selbst weitaus<br />
entwickelter Gemeinschaften haben keine<br />
Computer. Hier nun aber das Kontroverse: Die<br />
Leute sind trotzdem arm und die Kinder<br />
trotzdem nicht gebildeter als sonst. Zum einen<br />
lassen sich kaum Lehrer finden, die im<br />
Dschungel unterrichten wollen. Zum anderen<br />
leben die Familien hier immer noch<br />
ausschließlich von der Agrikultur. Wenn nichts<br />
geerntet wird, gibt es nichts zu essen.<br />
Geschäfte gibt es nicht und vom Verkauf der<br />
selbst angebauten Ware, kann keiner leben. Die<br />
Abnehmer in den Städten haben die Macht der<br />
Wahl; für eine Staude Platanos bekommt 1.5<br />
bis 2$ und für einen Sack Yuca nicht mehr als<br />
10$. Außerdem wird gefischt und manchmal<br />
Affen oder ähnliches gegessen... Aber die Flüsse<br />
werden verschmutz und die Tierpopulationen<br />
weichen immer weiter den Siedlungsgebieten<br />
der Menschen. Es droht hier keiner zu<br />
verhungern, denn im Wald findet sich immer<br />
etwas, wenn es auch nur eine junge<br />
Palmpflanze ist, die man weich kocht. Dennoch<br />
ist in der hiesigen Kultur die Chicha tief<br />
verankert: Ein Getränk, ein Mahlzeitenersatz,<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
das sowohl Hunger als auch Durst löscht;<br />
Zubereitung: Vorkauen der Yuca, die aufgrund<br />
des vermengten Speichels zu fermentieren<br />
beginnt (Alternativ auch mit Mais oder<br />
Zuckerrohr) – Interessant! Nach eigenen<br />
Angaben wissen die Männer immer noch, wie<br />
man im Dschungel überlebt; Alles was sie<br />
brauchen ist eine Machete und eine Packung<br />
Streichhölzer.<br />
Elektrizität gibt es hier seit 3 Jahren; ein Deal<br />
der Regierung mit dem Wahlprogramm „Wählt<br />
mich und ich bringe euch Strom in den<br />
Oriente“. Auch entdeckte ich in vielen kleinen<br />
Städtchen nagelneue, überdachte, beleuchtete<br />
Sportplätze. Auch das sind nur Wahlwerkzeuge<br />
der Politiker – an jedem Bau steht der Name<br />
des Präsidenten. Am nächsten Tag wanderten<br />
wir für eine Tagestour ins Reservat der<br />
Communidad, unter Schutz gestelltes<br />
Urwaldgebiet. Endlich dort angekommen, wo<br />
ich schon immer einmal hinwollte! Es ist in der<br />
Tat beeindruckend, aber anders als erwartet. Es<br />
ist nicht der sonnendurchflutete,<br />
frischsaftiggrüne, überall sprießende, blühende,<br />
plätschernde Ort, an dem die Lianen griffbereit<br />
herumhängen und die Affen singen. Zumindest<br />
nicht zu dieser Zeit, in der die breite Flüsse zu<br />
einem Bächlein schrumpfen und die immer<br />
wachsenden Schlingpflanzen auf Sparflamme<br />
arbeiten. Aber ich habe die uralten Bäume<br />
gigantischen Ausmaßes gesehen, wobei mich<br />
die Formen der Wurzeln und Stämme am<br />
meisten staunen ließen. Generell ist es dunkel<br />
im Wald, da jeder Quadratzentimeter<br />
Sonnenlicht vergeben ist und das Palm- und<br />
Laubdach gut abdeckt. Alles ist be- und<br />
verwachsen. Alles. Und jedes Kraut, jedes Blatt<br />
und jedes Stück Rinde wurde hier für<br />
medizinische Zwecke verwendet. Alberto<br />
konnte eine halbe Stunde über den Gebrauch<br />
und die Wirkung von Guanto reden, dabei weiß<br />
er sicherlich nur halb so viel wie ein Shaman -<br />
Die Medizinmänner hier, die man leider nicht<br />
mehr zu Gesicht bekommt. Was ich jedoch mit<br />
Sicherheit sagen kann ist, dass es eine Menge<br />
Pflanzen gibt, mit denen man „therapeutische“<br />
Tränke brauen kann…<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 37
Stichpunkte/ Reisebeobachtungen/<br />
Busgeschichten:<br />
- in den Dschungelstädten leben die Affen auf<br />
der Straße, wie an der Küste die Hunde<br />
- Abendbeschäftigung in der Stadt: die Leute<br />
sitzen einfach auf der Strasse – im<br />
Plastikgartenstuhl und unterhalten sich<br />
- Die Musikanlage ist der bestfunktionierende<br />
Teil eines jeden Busses. Auch wenn die<br />
Scheinwerfer kaum 3m weit leuchten – die<br />
Musik ist manchmal so laut, dass man sich nicht<br />
nebeneinander unterhalten kann.<br />
- In jedem Bus hängt entweder ein Jesus- oder<br />
Engelbild; in jedem Restaurant findet man ein<br />
Bild vom letzen Abendmahl; In den Straßen<br />
stehen Schaufensterkästen mit Maria mit Jesus<br />
oder Engelsfiguren,… – unsere Dorfkirche war<br />
jedoch nicht einmal an Ostern geöffnet<br />
- Baustellen werden mit grünen Zweigen<br />
(anstelle von Warndreiecken) gekennzeichnet<br />
- Straßenarbeiter tragen Flipflops, auch wenn<br />
geteert wird; bei Schweißarbeiten wird auf<br />
Schutzbrille oder gar Handschuhe gänzlich<br />
verzichtet<br />
- Ich habe noch nie eine<br />
Geschwindigkeitsbegrenzung gesehen, nur<br />
Bodenwellen im Asphalt, aber auch für diese<br />
gibt es kein Hinweisschild. Vor scharfen Kurven<br />
auf den Steilstrecken der Gebirgsketten findet<br />
man lediglich folgende Warnung: „Reduzieren<br />
Sie Ihre Geschwindigkeit jetzt“<br />
- Begrenzung der Fahrbahn vom tiefen (!),<br />
knappen Felsabgrund: verbeulte, gelb-rot<br />
angemalte, rostige, mit Steinen gefüllte Tonnen<br />
in 50m Abstand (Leitplanken sind im Kommen)<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
- Es werden mehr Tickets als Sitzplätze<br />
verkauft, und während der Fahrt steigen so<br />
lange hinzu, bis der Busfahrer in seinem<br />
Lenkradraum eingeschränkt wird<br />
- In Quito ist ein Stadtbus mit 42 Sitzplätzen für<br />
eine Gesamtpersonenanzahl von 160<br />
ausgeschildert (_ 118 Stehplätze)<br />
- „Ranchera“ = alter Bus mit abgerissenen<br />
Seitenwänden, rausgerissenen Sitzen und<br />
hinein gequetschten und aufmontierten<br />
Holzbänken- um mehr Personen bei weniger<br />
Komfort und ohne Sicherheit transportieren zu<br />
können<br />
- Auch gerade überholende Fahrzeuge werden<br />
noch in diesem Moment von dritten überholt –<br />
all dies geschieht auf der nicht einsehbaren<br />
Gegenfahrbahn einer kurvigen Schmalstrecke<br />
- Auf dem Seitenstreifen einer<br />
Hauptverkehrsstraße in Quito wohnen<br />
Menschen in überdimensionalen Kartonkisten,<br />
die mit Plastiktüten und Autoreifen befestigt<br />
sind<br />
- Am selben Straßenrand, wo der Streifen<br />
zwischen Zaun und Fahrbahn nicht einmal mehr<br />
2m breit ist, hat jemand seine Kuh auf dem<br />
Bürgersteig festgebunden, damit diese den<br />
Grasstreifen abfressen kann<br />
AUFREGUNG ist das Wort, das meinen jetzigen<br />
Zustand und meine Sicht auf Zurück- und vor<br />
mir Liegendes am besten beschreibt!<br />
Hasta Luego und Alles Gute<br />
Euer Thomas<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 38
Vom Julian Wirth<br />
September 2009<br />
Mein erster Monat hier ist wie im Flug<br />
vergangen und ich habe viel erlebt – Positives,<br />
Beeindruckendes und Interessantes.<br />
Die ersten 2 Wochen nach meiner Ankunft<br />
habe ich in Quito, der Hauptstad Ecuadors<br />
verbracht. Dort habe ich meine<br />
Spanischkenntnisse in einer Sprachschule<br />
vertieft und mich etwas an dieses Land<br />
gewöhnt, das so ganz anders ist als Europa.<br />
Quito habe ich als eine große, laute, aber auch<br />
schöne Stadt empfunden, die ihr ganz eigenes<br />
Flair besitzt. Die Stadt erstreckt sich auf einer<br />
Länge von ca. 30 km, aber auf eine Breite von<br />
nur ca. 3 km. Sie liegt auf fast 3000 Metern in<br />
einem schmalen Tal inmitten der Anden und ist<br />
umgeben von den Kordillen und bis zu 6000<br />
Meter hohen Vulkanen. Die Luft ist recht dünn<br />
und die Kulisse ist unbeschreiblich und hat mich<br />
von an Anfang an beeindruckt. Ansonsten hat<br />
die Stadt noch mehr zu bieten, wie zum Beispiel<br />
den Teleférico, eine Seilbahn die auf einen<br />
4200 Meter hohen Berg führt, von dem aus<br />
man einen fantastischen Blick auf Quito werfen<br />
kann. Die historische Altstadt mit ihren<br />
zahlreichen Kirchen und Kapellen aus der<br />
Kolonialzeit und das bunte und belebte<br />
Touristenviertel “La Mariscal” haben mir auch<br />
gut gefallen. Was mir an Quito nicht zugesagt<br />
hat, war der Lärm und die sehr schlechte Luft<br />
aufgrund des regen Verkehrs rund um die Uhr.<br />
Auch, dass man wirklich aufpassen musste wo<br />
man hingeht, weil die Stadt an manchen Ecken<br />
recht gefährlich sein kann, war etwas lästig.<br />
Daran musste ich mich erstmal gewöhnen, da<br />
ich aus einer eher wohlbehüteten, ländlichen<br />
Kleinstadt komme.<br />
Umso leichter fiel mir die Umstellung, als ich<br />
dann nach La Maná kam, die Stadt in der ich die<br />
nächsten 10 Monate leben und arbeiten werde.<br />
La Maná ist eine überschaubare Kleinstadt<br />
inmitten des tropischen Nebelregenwaldes und<br />
ist umgeben von Bananen-, Kakao-, Papaya-,<br />
Mandarinen- und Orangenplantagen und der<br />
“Reserva”, einem nahezu unberührten<br />
Naturschutzgebiet in den Bergen. Das Klima in<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Quito war aufgrund der Höhe angenehm frisch,<br />
wohingegen hier tropische, schweißtreibende<br />
Temperaturen herrschen und die<br />
Luftfeuchtigkeit ungewohnt hoch ist. Hier gibt<br />
es praktisch keine Jahreszeiten – nur einen<br />
langen Sommer. Zwar wird es angeblich im<br />
Dezember etwas kühler und regnet mehr, aber<br />
ich denke ich als kältegewohnter Germane<br />
werde immer noch bei jeglicher Betätigung<br />
schwitzen, so wie ich es jetzt im Moment zum<br />
Beispiel tue.<br />
Meine Gastfamilie, bei der ich hier lebe ist sehr<br />
nett und freundlich und so habe ich mich rasch<br />
eingelebt und bin mittlerweile nach nur 2<br />
Wochen festem Bestandteil der Familie Rivera.<br />
Die Mutter Maria (42) ist sehr herzlich und<br />
kocht lecker, der Vater Patricio (50) arbeitet<br />
viel und klärt mich über die politischen<br />
Verhältnisse und die Kultur Ecuadors auf. Mit<br />
den Gastbrüdern Mateo (18), Ramiro (14) und<br />
Julián (2) verstehe ich mich auch blendend und<br />
zusammen unternehmen wir viel.<br />
Baden am nahegelegenen Fluss, bei den<br />
Wasserfällen oder im Schwimmbad,<br />
Mandarinenpflücken im Garten der Familie an<br />
einem ruhiger Sonntag oder ein Besuch bei<br />
Verwandten in einem benachbarten Dorf, sind<br />
Aktivitäten, die die Familie mit hier<br />
unternimmt.<br />
Aufgrund eines Lehrerstreiks sind in ganz<br />
Ecuador schon seit knapp 3 Wochen nahezu<br />
alle Schulen geschlossen. Die<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 39
Lehrergewerkschaft U.N.E. protestiert gegen<br />
die Einführung eines Gesetzes, dass alle Lehrer<br />
dazu verpflichten an einem Test teilzunehmen,<br />
um ihren Leistungsstand und ihre Kompetenzen<br />
als Lehrer zu prüfen. Falls sie durchfallen<br />
sollten, sieht das Gesetzt vor ihnen ein Jahr Zeit<br />
zu geben um sich fortzubilden, sich ausreichend<br />
auf den Test vorzubereiten und sich zu<br />
qualifizieren. Falls sie jedoch abermals den Test<br />
nicht bestehen sollten, verlieren sie ihre Arbeit.<br />
Soweit ich das Thema richtig verstanden habe,<br />
halte ich das Gesetz für recht sinnvoll, aber<br />
viele Lehrer fürchten nun mal sie könnten ihren<br />
Job verlieren.<br />
Wegen eben diesem Streik sind auch die<br />
Grundschulen geschlossen in denen ich<br />
eigentlich Englisch unterrichten hätte sollen.<br />
Also konnte ich bis jetzt mit meiner Arbeit als<br />
Englischlehrer noch nicht wirklich beginnen.<br />
Planmäßig sollte ich jeden Werktag an einer<br />
anderen Schule unterrichten in drei<br />
umliegenden Dörfern und in La Maná selbst.<br />
Und jeden Donnerstag ist vorgesehen, dass ich<br />
in den “Montañas”, den angrenzenden Bergen,<br />
vormittags auf Kakao und Obstplantagen zur<br />
Hand gehe und nachmittags die dort lebenden<br />
Bauern und ihre Kinder in Englisch unterrichte.<br />
Dort war ich bis jetzt zweimal und es mir gut<br />
gefallen. Die Flora und Fauna ist<br />
atemberaubend. Es ist als hätte es die Natur<br />
hier mit den Pflanzen etwas zu gut gemeint. Die<br />
Papayas sind so groß wie Basketballer, die<br />
Mandarinen so groß wie Kokosnüsse und alles<br />
blüht und wächst und strotzt vor Fruchtbarkeit.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Apropos Fruchtbarkeit: Hier in Ecuador ist es<br />
keine Seltenheit, dass eine Familie 6-10 Kinder<br />
hat. So kommt es, dass zwar nur ca. 3 Familien<br />
meinen Englischunterricht auf dem Bauernhof<br />
besuchen, ich aber trotzdem an die 20 Schüler<br />
habe. Die Arbeit macht Spaß und die Menschen<br />
haben großes Interesse diese Sprache zu<br />
erlernen, zumal in den Schulen Englisch nur<br />
selten auf dem Lehrplan steht, da schlichtweg<br />
Lehrer mit Englischkenntnissen fehlen.<br />
Natürlich ist der Wechsel vom Schüler zum<br />
Lehrer – von der Schulbank ans Lehrerpult,<br />
gewöhnungsbedürftig, aber ich denke, wenn<br />
ich dann einmal regelmäßig unterrichte, werde<br />
ich meine Routine finden. Neben dieser habe<br />
ich noch einen weiteren Tag an in einer<br />
anderen Finca verbracht. Diese war das<br />
komplette Gegenteil der Ersten. Während auf<br />
der einen ökologisch und biologisch viele<br />
verschiedene Obstsorten angebaut wurden,<br />
bestand die andere Plantage aus einer nicht<br />
nachhaltigen Bananenmonokultur, in der im<br />
Akkord und unter Einsatz von Fungi-,<br />
Insektiziden und Hormonen Bananen als<br />
Massenware produziert wurden.<br />
Der Besitzer zeigte mir alle Schritte des Anbaus<br />
und der Weiterverarbeitung bis hin zum<br />
Transport der Banane, die dann später auch bei<br />
uns im Supermarkt im Regal liegt. Das<br />
Interessante ist nämlich, dass kein<br />
Ecuadorianer jemals auf die Idee kommen<br />
würde diese Exportbanane zu essen. Er<br />
bevorzugt die kleinere, schmackhafte und<br />
unbehandelte Sorte – die sogenannte “guineo”.<br />
Ich bin sehr froh um diesen Einblick und der Tag<br />
dort auf der Bananenplantage hat sehr zum<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 40
Nachdenken angeregt. Auch da, Jugendlich in<br />
meinem Alter und jünger dort tag ein tag aus<br />
12 Stunden lang schuften, ständig in Kontakt<br />
mit gesundheitsschädlichen Chemikalien und<br />
das für ein Gehalt von 1-2 $ pro Stunde.<br />
Alles in allem habe ich mich hier schon recht<br />
gut eingelebt. Mein Spanisch nimmt nach und<br />
nach verständliche Formen an, ich habe viele<br />
nette und offene Menschen kennen gelernt,<br />
schon die ein oder andere Freundschaft<br />
geschlossen und fühle mich hier sehr wohl. Ich<br />
hoffe, dass der Streik nächste Woche endet und<br />
ich mit meiner Arbeit beginnen kann um den<br />
Menschen hier die englische Sprache etwas<br />
näher zu bringen.<br />
Ich bin gespannt was das nächste Monat<br />
bringt…<br />
Julian<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 41
China:<br />
Vom Alexander Fischer<br />
Oktober 2008<br />
Mein Name ist Alexander Fischer. Ich komme<br />
aus der Nähe von Waiblingen, werde bald 19<br />
und ich befinde mich seit dem 24. August 2008<br />
in Peking, wo ich zurzeit meinen Anderen<br />
Dienst im Ausland (ADiA) ableiste. Mein Einsatz<br />
erfolgt über den Arbeiterkultur- und<br />
Bildungsverein (<strong>AKBV</strong>) an der deutschen<br />
Botschaftsschule in Peking (DS-Peking), wo ich<br />
zunächst in der Grundschule als auch im Hort<br />
eingesetzt werde. Untergebracht bin ich in<br />
einem Apartment mitten in Peking, im<br />
sogenannten Chaoyang District. Von da aus ist<br />
es mit dem Fahrrad nur 10 Minuten bis zu<br />
meiner Einsatzstelle. Ermöglicht wurde mir<br />
dieser außergewöhnliche Dienst durch das<br />
Entgegenkommen der Direktorin der<br />
Deutschen Botschaftsschule in Peking (Frau<br />
Angela Strathmann) und der Koordinatorin des<br />
deutschen Trägervereins <strong>AKBV</strong> e.V. (Frau<br />
Angela Friesenegger).Ich möchte mich an dieser<br />
Stelle nochmals recht herzlich bei Ihnen<br />
bedanken.<br />
Die ersten Wochen in Peking waren für mich<br />
durch eine Vielzahl neuer interessanter<br />
Eindrücke geprägt, die so ein Leben in der<br />
chinesischen Hauptstadt in sich birgt. So war es<br />
beispielsweise als Neuling gar nicht so einfach<br />
einen Supermarkt zu finden, um das<br />
chinesische Fortbewegungsmittel zu finden,<br />
ohne das ein Leben hier kaum vorstellbar ist,<br />
nämlich ein Fahrrad. Wenn man nicht ständig<br />
Taxi fahren möchte - was trotz des günstigen<br />
Preises auf Dauer auch ins Geld geht -, so ist<br />
dieses Vehikel ein unbedingtes Muss. Ich<br />
glaube, jeder zweite Verkehrsteilnehmer hier<br />
fährt mit dem Fahrrad. Dass es dennoch fast ein<br />
kleines Problem wurde, einen entsprechenden<br />
Laden zu finden, liegt an der für meine<br />
Vorstellungen doch immensen Größe dieser<br />
Millionenstadt, wo sich alles in der Entfernung<br />
ziemlich verteilt. Peking ist wirklich riesig und<br />
so sind selbst die größten Supermärkte nicht<br />
leicht ausfindig zu machen. Entschädigt wurde<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
die etwas längere Suche durch einen sehr<br />
zufriedenstellenden Preis von umgerechnet ca.<br />
30,- , mit dem ich schließlich ein Fahrrad<br />
erwarb. Damit wäre auch gleichzeitig ein großer<br />
Vorteil genannt, der mir sogleich auffiel.<br />
Aufgrund der, im Vergleich zu Deutschland,<br />
sehr niedrigen Preise sind hier die<br />
Lebenshaltungskosten sehr gering. Das kommt<br />
mir natürlich meinem nicht allzu üppigen<br />
Budget als ADiA-Leistender sehr entgegen. Dass<br />
ich trotz des vielfältigen internationalen<br />
Business-Verkehrs hier in der Hauptstadt<br />
immer noch als Nichtasiate auffalle und mich<br />
viele Einwohner Pekings fast wie eine<br />
Attraktion betrachten, war am Anfang<br />
gewöhnungsbedürftig. Es haben zwar auch<br />
schon viele Ausländer hier Fuß gefasst, für den<br />
größten Teil der Pekinger Bevölkerung sind<br />
Begegnungen mit diesen (trotz Olympia) jedoch<br />
immer noch eine Seltenheit.<br />
Meine Arbeit an der Botschaftsschule gefällt<br />
mir sehr gut. Von 8:00 bis 12:00 bin ich dort im<br />
Kindergarten eingesetzt und helfe größtenteils<br />
im Unterricht der Erstklässler, über die<br />
Betreuung bei Mathematikaufgaben bis hin zur<br />
Deutsch Nachhilfe. Ab 12:00 beginnt die<br />
Vorbereitung für den Hort. Meine Aufgabe ist<br />
es, mit einer weiteren Lehrerin den Hort der<br />
Dritt- und Viertklässler zu organisieren und<br />
dann als Aufsicht zu fungieren. Dazu gehören<br />
die Begleitung beim Essen in der Mensa,<br />
Aufsicht bei außerschulischen<br />
Freizeitaktivitäten und auch die<br />
Hausaufgabenbetreuung. Keine banale<br />
Herausforderung wie ich feststellte. Hierzu<br />
gehört eine Menge Erfahrung und ein gewisses<br />
pädagogisches Fingerspitzengefühl. Da ich<br />
zuvor noch nie mit kleinen Kindern gearbeitet<br />
hatte, waren die ersten Arbeitstage für mich<br />
daher auch nicht sehr einfach. Mir fiel es<br />
anfänglich etwas schwer, bei diversen<br />
Situationen angemessen zu reagieren und im<br />
Ganzen hatte ich mir eine Betreuung von<br />
Kindern etwas leichter vorgestellt. Mit der Zeit<br />
hat sich dies jedoch stark geändert und mit<br />
jedem Tag fällt mir die Arbeit leichter und<br />
gefällt immer mehr. Um 16:00 ist dann<br />
schließlich Feierabend.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 42
Nächste Woche werde ich schließlich als<br />
Begleitlehrer bei einem Klassenausflug einer 9.<br />
Klasse in Landesinnere teilnehmen. Für die<br />
Zukunft ist geplant, mich in das schuleigene<br />
Schulprojekt „Candlelight“ einzubinden. In<br />
diesem Projekt geht es darum, die Lebens- und<br />
Arbeitsbedingungen von Schülern und Lehrern<br />
in der Internatsschule Houcheng zu verbessern.<br />
Da eine gute Ausbildung der Schlüssel für eine<br />
bessere wirtschaftliche Zukunft auf dem Land<br />
ist, wird damit auch ein langfristiger Erfolg<br />
durch die Unterstützung der Dorfschule in<br />
Hebei anvisiert. Der Austausch zwischen den<br />
beiden Schulen ist rege. Regelmäßig finden<br />
gegenseitige Besuche von Lehrern und Schülern<br />
statt. Mitglieder des Teams fahren mehrmals<br />
im Jahr in die Dorfschule, um die bestehenden<br />
Kontakte zu pflegen, Spenden zu überbringen<br />
und um die Verhältnisse vor Ort zu erleben und<br />
zu verbessern. Auch konkrete Hilfe bei<br />
Baumaßnahmen wie z.B. ein demnächst<br />
geplanter Toilettenbau wird geleistet. Ganz<br />
besonders interessiert mich eine konkrete<br />
Lehrtätigkeit an dieser Dorfschule. So lebten<br />
bereits in den letzten Jahren für mehrere<br />
Monate Schüler der DS Peking in dem Dorf und<br />
betätigten sich dort als Englischlehrer. Im regen<br />
Kontakt mit den Organisatoren dieses Projektes<br />
ist ein erster Kennenlern- Besuch unter meiner<br />
Beteiligung in Hebei auf Ende Oktober<br />
terminiert. Darauf freue ich mich besonders<br />
und werde hierüber natürlich demnächst<br />
berichten.<br />
Euer Alexander<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 43
Vom Alexander Fischer<br />
März 2009<br />
Vorbereitung der zukünftigen ADiA Leistenden:<br />
Zu allererst: Würdest du mir raten "Ja - nimm<br />
die Stelle, die ist echt gut!"?<br />
- Ich persönlich wollte keinen Zivildienst in<br />
Deutschland machen, sondern etwas<br />
Besonderes im Ausland erleben. Da ich bereits<br />
in Deutschland chinesisch lernte war für mich<br />
klar, dass wenn ins Ausland, dann nach China.<br />
Womit für mich ein ADiA an der DSP in Peking<br />
die beste Alternative zum Zivildienst in<br />
Deutschland ist und war.<br />
Gefällt es dir im Moment dort drüben oder<br />
würdest du dir etwas anders wünschen?<br />
- Mir gefällt es hier sehr gut. In meiner Freizeit<br />
gehe ich ins Fitnessstudio oder gehe mit einem<br />
chinesischen Freund bzw. Lehrer einige der<br />
vielen Sehenswürdigkeiten Chinas erkunden.<br />
Wie sieht deine Wohnsituation aus?<br />
Telefon/Internet vorhanden?<br />
- Ich wohne in einem Apartment, welches zehn<br />
Minuten mit dem Fahrrad von der Schule zu<br />
erreichen ist. Monatlich zahle ich 3500RMB.<br />
Internet vorhanden.<br />
Was machst du an der DSP und hast du im<br />
Projekt Candlelight mitgearbeitet? Was sind<br />
deine typischen Aufgaben als Zivi an der DSP?<br />
Alles ok mit den Arbeitsbedingungen?<br />
- Die DSP ist eine sehr schöne und moderne<br />
Schule. Es herrscht eine super Atmosphäre<br />
weshalb ich wirklich gerne dort arbeite. Meine<br />
typischen Aufgaben als Zivi waren und sind:<br />
Hortleiter, Nachhilfelehrer in der Grundschule<br />
sowie Hilfskraft des Computer-Administrators.<br />
Kommst du auch raus aus der<br />
"Schulgemeinschaft" - also hast du auch einen<br />
größeren Freundeskreis außerhalb der Schule ?<br />
- Außerhalb der Schule, also in meiner Freizeit<br />
investiere ich den größten Teil meiner Zeit ins<br />
Chinesisch lernen. Ein Privatlehrer, der auch ein<br />
guter Freund von mir ist, unterrichtet mich für<br />
50RMB die Stunde.<br />
Kann man als Nicht-Asiate Peking wirklich<br />
authentisch erleben?<br />
- Ja, ich würde behaupten das geht, allerdings<br />
nur wenn man chinesisch kann.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Kannst du gut Chinesisch / lernst du es gerade?<br />
Hattest du einen anfänglichen Sprachkurs?<br />
- Ich hatte in Deutschland bereits<br />
Sprachunterricht. Also ich hier her kam, konnte<br />
ich also schon recht gut sprechen. Ich lerne es<br />
jeden Tag.<br />
Gibt es eine gute ärztliche Versorgung?<br />
- Ich bin glücklicherweise in meiner Zeit hier<br />
nicht ernsthaft krank geworden, allerdings gibt<br />
es in Peking Krankenhäuser nach europäischem<br />
Standard die man im Notfall aufsuchen kann.<br />
Fühlst du dich gut betreut von Seiten der<br />
Schule?<br />
- Die DSP hat mir einen sehr schönen ADiA in<br />
Peking ermöglicht. Für mich war und ist der<br />
ADiA die richtige Entscheidung. Naja generell<br />
interessiert mich halt, wie ich mir das<br />
vorzustellen habe (im Groben), wenn ich für 11<br />
Monate nach China gehe.<br />
Auf was muss ich achten? Welche Fehler sollte<br />
ich nicht machen =)<br />
- Finanziell sollte klar sein, dass ein ADiA in<br />
Peking im Gegensatz zum herkömmlichen<br />
Zivildienst einen finanziellen Aufwand<br />
bedeutet. Meine Empfehlung ist es den ADiA in<br />
Peking abzuleisten, wenn man ernsthaftes<br />
Interesse am Chinesisch lernen hat.<br />
Ich wünsche allen zukünftigen ADiA Leistenden<br />
an der DSP viel Glück.<br />
Ich bedanke mich herzlich bei der DSP, die mir<br />
dies alles überhaupt ermöglicht hat, sowie<br />
beim <strong>AKBV</strong> Trägerverein in Dachau.<br />
Alexander Fischer<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 44
Serbien:<br />
Vom Nils Weitzel<br />
September 2008<br />
Здраво из Ваљева! Hallo aus Valjevo!<br />
Am Dienstag, den 9.9., begann mein Serbien-<br />
Abenteuer. Ohne Sprachkenntnisse aber dafür<br />
mit viel Hoffnung begab ich mich zum<br />
Busbahnhof in München, direkt an der Allianz-<br />
Arena. Dort wartete bereits der erste<br />
Kulturschock auf mich. Die Busfahrer, die mich<br />
von München nach Belgrad bringen sollten,<br />
sprachen weder Deutsch noch Englisch.<br />
Glücklicherweise half mir eine in Deutschland<br />
lebende Serbin den richtigen Bus zu finden und<br />
den richtigen Preis für mein Gepäck zu<br />
bezahlen. Im Bus war ich wahrscheinlich der<br />
einzige Passagier, der keinen serbischen Pass<br />
besaß. Die Fahrt begann pünktlich um 19.00<br />
Uhr und ging die ganze Nacht hindurch über<br />
Österreich, Ungarn und Novi Sad, einer Stadt im<br />
nördlichen Teil Serbiens, bis nach Belgrad, wo<br />
wir um 9.00 Uhr morgens ankamen. Zwar war<br />
die Fahrt anstrengend, weil ich in Bussen<br />
immer schlecht schlafe, der einzige Film nur<br />
eine Komödie auf Serbisch war und ich mich<br />
kaum unterhalten konnte, doch eigentlich war<br />
sie trotzdem sehr angenehm. Glücklicherweise<br />
war der Bus nur halbvoll, sodass ich zwei Plätze<br />
für mich hatte. Unterwegs machte ich bereits<br />
erste Erfahrungen mit dem serbischen Verkehr,<br />
die mir zusammen mit den Eindrücken der<br />
nächsten Tage zeigten, dass zwischen dem<br />
Verkehr in Deutschland und dem in Serbien<br />
große Unterschiede bestehen. Die Autobahn<br />
nach Belgrad war zwar noch in relativ gutem<br />
Zustand, doch es ist zum Beispiel nicht unüblich<br />
auf dem Standstreifen zu halten und vermutlich<br />
würde auch diese Straße einen ADAC-Test nicht<br />
bestehen. Insgesamt war sie aber nicht sehr<br />
befahren. Außerhalb der Autobahnen gibt es<br />
nur sehr wenige gut ausgebaute Straßen. Die<br />
meisten haben sehr viele Schlaglöcher und sind<br />
auch nicht immer gut beleuchtet. Da ein Teil<br />
der Straße von Belgrad nach Valjevo gesperrt<br />
war, musste der Bus einen Umweg über<br />
kleinere Straßen machen, die manchmal so eng<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
waren, dass zwei Busse nicht aneinander vorbei<br />
kamen. Einige Verhaltensweisen der<br />
Verkehrsteilnehmer würden in Deutschland<br />
schwere Strafen zur Folge haben. So ist es<br />
normal rechts zu überholen, mit 80 km/h durch<br />
die Stadt zu fahren, sich nicht anzuschnallen,<br />
nicht an Zebrastreifen zu halten und auch<br />
gehupt wird sehr viel mehr als in Deutschland.<br />
Im Bus nach Belgrad traf ich noch eine weitere<br />
deutsch-sprechende Frau, die mir in Belgrad<br />
beim Umsteigen in den Bus nach Valjevo half.<br />
Es ist zwar eigentlich nicht so schwierig aber<br />
ohne Sprachkenntnisse und mit viel Gepäck<br />
wäre es alleine doch anstrengend geworden.<br />
Die Frau half mir den Eingang des Busbahnhofs<br />
zu finden, ein Ticket für den Bahnsteig und für<br />
den Bus nach Valjevo zu kaufen und zeigte mir<br />
dann noch, wo ich auf den Bus warten musste.<br />
Die Fahrt nach Valjevo dauerte dann noch<br />
einmal zwei Stunden, sodass ich um 12.00 Uhr<br />
ankam. Dort holte mich meine Betreuerin<br />
Dušica, die an einer Schule in Valjevo Deutsch<br />
unterrichtet, zusammen mit einem Mädchen,<br />
das ich auf einem Jugendaustausch des <strong>AKBV</strong> in<br />
Ingolstadt kennen gelernt habe, ab.<br />
Mit Ihnen bin ich zu Dušica und ihren Eltern<br />
gefahren, bei denen ich jetzt wohne.<br />
Das Grundstück liegt am Stadtrand von Valjevo,<br />
zwischen der Hauptstraße nach Belgrad und<br />
einer Bahnlinie. Abgesehen von dem Lärm<br />
bekommt man davon aber nicht so viel mit, da<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 45
die beiden kleinen Häuser von einem großen<br />
Garten umgeben sind. Neben diversen<br />
Gemüse- und Obstsorten besitzt die Familie<br />
auch Schweine und Ziegen, sodass ich immer<br />
mit frischen Lebensmitteln im Überfluss<br />
versorgt werde. Dušicas Mutter ist zudem eine<br />
hervorragende Köchin. Ich habe mein eigenes,<br />
frisch renoviertes Zimmer, indem ich sehr gut<br />
leben kann. Vor allem im Sommer muss das<br />
Leben hier toll sein, leider habe ich es nur drei<br />
Tage lang mitbekommen bevor das Wetter sehr<br />
schlecht wurde.<br />
Gleich am Donnerstag nach meiner Ankunft<br />
begann meine Arbeit. Ich habe meine<br />
Betreuerin in ihren Deutschunterricht begleitet,<br />
helfe ihr bei der Konversation mit den Schülern<br />
und hoffe, dass diese auch davon lernen, wenn<br />
sie sich mit einem Muttersprachler unterhalten,<br />
der außerdem nicht viel älter ist als sie.<br />
Die Jugendlichen, in deren Unterricht ich bin,<br />
sind zwischen 15 und 19 Jahren alt und<br />
besuchen eine Mittelschule.<br />
In diese kommen die Schüler, wenn sie die<br />
Grundschule, die acht Jahre dauert, beendet<br />
haben. Während der letzten vier Jahre auf der<br />
Grundschule lernen sie eine Fremdsprache,<br />
wahlweise Englisch, Deutsch, Französisch oder<br />
Russisch. In Valjevo gibt es fünf Mittelschulen,<br />
die die Schüler drei oder vier Jahre besuchen:<br />
Die Technische, die Ökonomische, die<br />
Medizinische, die Landwirtschaftliche und die<br />
Мusikschule. In diesen Schulen werden die<br />
Schüler neben dem normalen Unterricht auch<br />
mit speziellen Fächern und Praxistagen auf das<br />
Berufsleben vorbereitet. Außerdem gibt es<br />
noch das Gymnasium, das ebenfalls vier Jahre<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
dauert. Während sie im Gymnasium noch eine<br />
zweite Fremdsprache lernen, ist dies in den<br />
Mittelschulen nur in der ökonomischen Schule<br />
der Fall. Meine Betreuerin arbeitet in der<br />
Technischen Schule. Außerdem war ich bis jetzt<br />
an allen anderen Mittelschulen mit Ausnahme<br />
der Musikschule sowie im Gymnasium.<br />
Gelegentlich komme ich auch mit einer<br />
anderen Lehrerin der technischen Schule in den<br />
Englischunterricht mit, um mich mit den<br />
Jugendlichen zu unterhalten und vom Leben in<br />
Deutschland bzw. den Unterschieden zwischen<br />
Serbien und Deutschland zu berichten. Das<br />
Interesse und das Niveau der Schüler und<br />
Schülerinnen schwanken sehr stark. Ein paar<br />
sprechen sehr gut Deutsch und mit manchen ist<br />
wenigstens Smalltalk möglich, aber mit den<br />
meisten ist es sehr schwierig selbst einfachste<br />
Unterhaltungen zu führen. Ich habe mich<br />
mittlerweile daran gewöhnt, dass ich von den<br />
meisten nur verstanden werde, wenn ich sehr<br />
langsam und deutlich sowie in einfachen<br />
Worten spreche. Fragen werden häufig besser<br />
verstanden, wenn man Beispielantworten dazu<br />
nennt, z.B.: „Was wollt ihr machen, wenn ihr<br />
die Schule beendet habt? Wollt ihr studieren?“<br />
Das Niveau hängt nach meiner Erfahrung häufig<br />
nicht davon ab, wie viele Jahre die Schüler<br />
schon Deutsch lernen, sondern davon ob sie<br />
Interesse haben Deutsch zu lernen, ob sie<br />
außerhalb des Unterrichts noch Möglichkeiten<br />
besitzen Deutsch zu hören bzw. zu sprechen<br />
und ob sie schon einmal in Deutschland waren.<br />
Meine Lieblingsklassen an der Technischen<br />
Schule, in der meine Betreuerin arbeitet sind<br />
z.B. eine erste und eine zweite Klasse<br />
(Jugendliche von 15 bis 17 Jahren), weil sie sich<br />
mehr bemühen Deutsch zu sprechen und zu<br />
lernen als die meisten Jugendlichen in den<br />
höheren Klassen. Eine nette Ausnahme ist eine<br />
Schülerin an der ökonomischen Schule, die in<br />
Deutschland geboren wurde und erst mit<br />
sieben Jahren nach Serbien gekommen ist. Sie<br />
spricht perfekt Deutsch und gehört damit zu<br />
den ganz wenigen Menschen hier, mit denen<br />
ich fließende Unterhaltungen führen kann. In<br />
den meisten Klassen bin ich sehr gut<br />
aufgenommen worden. Viele Schüler(innen)<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 46
sind sehr interessiert an mir, an Deutschland<br />
und warum ich nach Valjevo gekommen bin.<br />
Häufig ist jedoch das Interesse an mir deutlich<br />
größer als an der deutschen Sprache und daher<br />
schaffen es auch nicht immer alle die Fragen zu<br />
stellen, die sie gerne stellen würden.<br />
Abgesehen von der Konversation bestehen<br />
meine Aufgaben im Unterricht bislang darin<br />
von Deutschland zu erzählen (z.B. das deutsche<br />
bzw. hessische Schulsystem zu erklären),<br />
Aufsätze der Schüler zu korrigieren, Texte<br />
vorzulesen, den Schüler(inne)n zu helfen besser<br />
vorzulesen und gelegentlich auch ihnen kurze<br />
Texte zu diktieren.<br />
Neben der Arbeit im Unterricht gebe ich auch<br />
noch Einzelunterricht für interessierte<br />
Schüler(innen), die ihr Deutsch verbessern<br />
wollen. Meistens sind dies jedoch nicht die, die<br />
am schlechtesten sprechen, sondern die, die<br />
ohnehin schon am besten sprechen. Daran<br />
erkennt man auch, dass es vor allem vom<br />
Interesse der Schüler(innen) abhängt, wie gut<br />
sie Deutsch sprechen.<br />
Mittlerweile habe ich auch meinen ersten<br />
Kontakt mit der Polizei gehabt. Entgegen der<br />
Erfahrungen, von denen mir viele Einheimische<br />
erzählten, war dieser aber sehr angenehm. Wie<br />
in vielen anderen Ländern auch, müssen<br />
Ausländer bei der Polizei ihren Wohnort<br />
angeben. Dies war aber kein großes<br />
bürokratisches Hindernis. Über einen<br />
Bekannten kennt meine Betreuerin einen<br />
Polizisten, der uns dann noch auf einen Kaffee<br />
in sein Büro eingeladen hat und alles schnell<br />
geregelt hat. Nebenbei hatte er Spaß, seine drei<br />
Wörter Deutsch, die er sich von einem<br />
Deutschkurs gemerkt hatte, zu benutzen und<br />
mir zu erzählen welche Deutschen Fußballer er<br />
kennt. Insgesamt war die Atmosphäre sehr viel<br />
freundlicher als ich es von vielen deutschen<br />
Ämtern gewöhnt bin.<br />
Am Samstag nach meiner Ankunft war ich<br />
zusammen mit meiner Betreuerin, ihren Eltern,<br />
ihrer Schwester und einer ihrer Cousinen auf<br />
einem etwas außerhalb der Stadt gelegenen<br />
Friedhof. Dort habe ich die Rituale, mit denen<br />
die Serben ihre Toten ehren, kennen gelernt.<br />
Dabei fiel mir auf, dass insgesamt mehr gelacht<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
wird als ich es von Deutschen Friedhöfen<br />
gewohnt bin und das der Toten nicht nur mit<br />
Blumen sondern auch mit kleinen Süßigkeiten<br />
gedacht wird. Außerdem versammeln sich die<br />
Angehörigen der Toten auf dem Friedhof, um<br />
zu Ehren der Toten eine kleine oder in manchen<br />
Familien auch größere Mahlzeit einzunehmen.<br />
Besuche, wie dieser auf dem Friedhof, sind für<br />
mich sehr interessant, weil sie mir die Chance<br />
bieten, die serbische Kultur hautnah kennen zu<br />
lernen.<br />
Ebenfalls an meinem ersten Samstag bin ich das<br />
erste Mal ausgegangen. Ich war in einer<br />
ziemlich vollen Bar, in der vor allem Rockmusik<br />
gespielt wurde.<br />
In Valjevo gibt es deutlich mehr Cafés als in<br />
meiner Heimatstadt Kassel, aber nur eine echte<br />
Disko. Die meisten Menschen in Serbien gehen<br />
häufiger weg als in Deutschland, vor allem<br />
unter der Woche. Ich war auch danach noch ein<br />
paar Mal in Cafés und Bars. Insgesamt sind die<br />
Menschen sehr freundlich zu mir, sodass ich<br />
schon ein paar Jugendliche getroffen habe, die<br />
mit mir ausgehen wollen oder bereits mit mir<br />
ausgegangen sind. Da das Wetter relativ kurz<br />
nachdem ich angekommen bin ziemlich<br />
regnerisch und kalt geworden ist und danach<br />
auch schon drei Wochen so geblieben ist, sind<br />
die vielen Cafés sehr angenehm, da man,<br />
während man durch die Stadt spazieren geht,<br />
immer wieder einen Kaffee trinken kann, um<br />
sich aufzuwärmen. Die Serben mögen ihre<br />
Volksmusik deutlich lieber als ich es aus<br />
Deutschland gewohnt bin. Einmal war ich auch<br />
mit Freunden in einem Lokal, in dem moderne<br />
Volksmusik gespielt wird, zu der die Serben<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 47
gerne tanzen. Die Preise für Getränke sind in<br />
Serbien deutlich niedriger als in Deutschland.<br />
Ein Kaffee oder ein Bier kosten jeweils ca. einen<br />
Euro. Dadurch ist das ausgehen für mich nicht<br />
so teuer. Sehr beliebt ist auch der serbische<br />
Schnaps (Rakija), den ich bei meiner Betreuerin<br />
probieren durfte. Das einzige, was etwas<br />
problematisch ist, ist das Nachhausekommen,<br />
da die Busse nur bis ungefähr 22.30 Uhr fahren.<br />
Deswegen muss man entweder hoffen, dass<br />
man jemanden trifft, der ein Auto hat, mit<br />
einem, für deutsche Verhältnisse relativ<br />
billigen, Taxi fahren oder zu Fuß laufen, was<br />
jedoch auch nicht so schlimm ist, da das Haus<br />
meiner Betreuerin ca. 3,5 km vom<br />
Stadtzentrum entfernt ist.<br />
Auf Grund des schlechten Wetters habe ich<br />
bislang noch nicht so viel von Valjevo und<br />
seiner Umgebung gesehen. Die Stadt besteht<br />
aus zwei Teilen, die durch einen kleinen Fluss<br />
voneinander getrennt sind, über den es jedoch<br />
viele Brücken gibt.<br />
Die rechte Seite ist relativ steil am Hang<br />
gelegen und besteht zum Teil aus der Altstadt<br />
„Tešnjar“, die noch sehr türkisch geprägt<br />
(Serbien war 500 Jahre lang mehr oder weniger<br />
unter türkischer Herrschaft) ist. Sie besteht aus<br />
kleinen Häusern und vielen Cafés. Die linke<br />
Seite ist relativ flach und deutlich neuer. In ihr<br />
liegt, fast direkt am Fluss, die neue Innenstadt<br />
mit einer kleinen Fußgängerzone, in der sich<br />
viele kleine Geschäfte und mehrere Cafés<br />
befinden.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Mehr über die Stadt werde ich schreiben, wenn<br />
das Wetter besser wird und ich mir mehr<br />
angeschaut habe. Aus Zeitmangel habe ich auch<br />
die beiden Museen der Stadt, unter anderem<br />
ein Stadtmuseum, noch nicht besichtigt.<br />
Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen hoffe<br />
ich in den nächsten Monaten von noch vielen<br />
schönen Ereignissen berichten zu können.<br />
Bis dahin! До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 48
Vom Nils Weitzel<br />
November 2008<br />
Здраво из Ваљева! Hallo aus Valjevo<br />
Nachdem ich in meinen ersten beiden Monaten<br />
vor allem in der Technischen Schule gearbeitet<br />
habe, hat sich dies im November geändert. Dies<br />
lag daran, dass meine Betreuerin Dušica, die an<br />
der Technischen Schule unterrichtet, drei<br />
Wochen lang an einer Schule in der Nähe von<br />
Hamburg hospitiert hat und die meisten ihrer<br />
Stunden deswegen ausgefallen sind. Ein paar<br />
Stunden habe ich alleine gehalten, die aber<br />
meistens sehr anstrengend waren, weil die<br />
Schüler zum größten Teil nicht sehr motiviert<br />
waren und auch nicht so gut Deutsch<br />
gesprochen haben. Außerdem war ich ein paar<br />
Stunden an der Technischen Schule bei einer<br />
anderen Lehrerin, die jedoch nur wenige<br />
Stunden dort unterrichtet, da sie überwiegend<br />
an der Landwirtschaftlichen Schule arbeitet.<br />
Dort und an der Ökonomischen Schule habe ich<br />
die meisten Stunden gearbeitet. Im November<br />
wurden nicht so viele Tests geschrieben, weil es<br />
die nächsten Noten erst wieder Ende Dezember<br />
gibt, sodass der Unterricht wieder inhaltlich<br />
interessanter wurde. Zu den Themen, die ich<br />
bearbeitet habe, gehörten Nahrungsmittel und<br />
Essenssitten in Serbien und Deutschland,<br />
Familien, Tourismus sowie Feste in<br />
Deutschland. Da ich mittlerweile auch etwas<br />
mehr Serbisch verstehe, ist auch der<br />
Grammatikunterricht für mich interessanter als<br />
er das am Anfang war. So lerne ich immer<br />
etwas, selbst dann, wenn ich den Unterricht<br />
nicht aktiv mitgestalte.<br />
Neben der direkten Unterrichtsgestaltung habe<br />
ich mich, vor allem an der Landwirtschaftlichen<br />
Schule, auch an der langfristigen Planung<br />
beteiligt, in dem ich mit der Lehrerin über die<br />
Vor- und Nachteile der verschiedenen Bücher<br />
diskutiert habe sowie zusammen mit ihr<br />
analysiert habe, wieso viele Schüler so wenig<br />
lernen und Ideen entwickelt, wie man das<br />
ändern könnte.<br />
Das erste Novemberwochenende habe ich zu<br />
einer weiteren Reise genutzt, da der<br />
anschließende Montag und Dienstag Feiertage<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
waren. Zuerst habe ich einen Tag in Belgrad<br />
verbracht.<br />
Diesmal habe ich mir viele verschiedene<br />
Stadtteile um die Fußgängerzone herum<br />
angeschaut. Dabei habe ich sehr viele Kirchen<br />
gesehen. Neben mehreren orthodoxen,<br />
entdeckte ich auch eine katholische, die aber<br />
zumindest von außen in keinem besonders<br />
guten Zustand war. Zunächst habe ich das<br />
Patriarchat gesehen, das der Sitz des religiösen<br />
Oberhaupts der serbischen Kirche ist. Direkt<br />
daneben ist ein Konak (Palast/Villa) einer<br />
ehemaligen Serbischen Fürstin. Von dort bin ich<br />
weiter zur alten Festung Kalemegdan gelaufen,<br />
die mich beim ersten Besuch sehr beeindruckt<br />
hat. Diesmal war es auch schön aber nicht so<br />
beeindruckend, weil das Wetter nicht so gut<br />
war. Ich habe mir vor allem die „Unterstadt“<br />
angeschaut, in der man mitten im Zentrum von<br />
Belgrad einige ruhige und einsame Minuten<br />
verbringen kann, weil die meisten Menschen<br />
nur die „Oberstadt“ besichtigen. Von dort bin<br />
ich durch viele verschiedene, mal mehr, mal<br />
weniger wohlhabende Viertel gelaufen, von<br />
denen viele eher trostlos wirkten. Sehr lebendig<br />
war nur ein Markt, den ich durchquerte.<br />
Schließlich gelangte ich zum Parlament, dessen<br />
Umgebung ich mir schon bei meinem ersten<br />
Belgradbesuch angeschaut hatte. Über<br />
verschiedene Hauptstraßen erreichte ich den<br />
Trg Slavija, einen weiteren sehr großen und<br />
bekannten Platz in Belgrad. Von dort gelangt<br />
man in wenigen Minuten zur Savakirche. Der<br />
heilige Sava ist einer der wichtigsten Heiligen in<br />
Serbien, da er als einer der Begründer der<br />
serbisch-orthodoxen Kirche gilt. Die Kirche ist<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 49
die größte in Serbien, wird aber nicht für<br />
Gottesdienste genutzt. Sie sollte Platz bieten<br />
für 12.000 Gläubige, aber die Gestaltung des<br />
Innenraums ist noch nicht abgeschlossen.<br />
Trotzdem wirkt sie sowohl von innen als auch<br />
von außen sehr beeindruckend.<br />
Zu den weiteren interessanten Punkten meines<br />
Stadtrundgangs gehörte das Gebiet um die<br />
Ulica Kneza Miloša. Dort liegen verschiedene<br />
Regierungsgebäude, wie zum Beispiel das<br />
Außenministerium. Das Gebiet war während<br />
des NATO-Bombardements 1999 eines der<br />
wichtigen Ziele, sodass viele Gebäude dort<br />
zerstört wurden. Einige wurden bis heute nicht<br />
wieder aufgebaut und stehen als stille Zeugen<br />
zwischen Wohnblocks und<br />
Regierungsgebäuden. Anschließend wurde es<br />
langsam dunkel und ich ging zurück zur<br />
Fußgängerzone, wo viele Menschen nach<br />
Feierabend spazieren gehen. So gewann ich<br />
noch einmal einen anderen Blick auf die<br />
Fußgängerzone, den Kalemegdan und das Sava-<br />
Ufer. Auch am Kalemegdan waren viele<br />
Menschen, die ihren Feierabend genossen,<br />
sowie Touristen, die sich Belgrad bei Nacht<br />
anschauen wollten.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Anschließend bin ich hinunter zum Sava-Ufer<br />
gelaufen. Von dort hat man einen schönen Blick<br />
hinauf zum Stadtzentrum. Nachts gibt es hier<br />
verschiedene schwimmende Clubs. Als ich da<br />
war, war jedoch noch sehr wenig los. Die<br />
eigentliche Ausgehzeit beginnt in Serbien halt<br />
erst gegen 22.00 Uhr und zu dieser Zeit verließ<br />
ich Belgrad gerade wieder.<br />
Ich fuhr die Nacht hindurch nach Sarajevo.<br />
Dort kam ich am Sonntagmorgen um 6.00 Uhr<br />
an, zu einer Zeit als die Stadt noch am Schlafen<br />
war. Sarajevo ist die Hauptstadt von Bosnien<br />
und Herzegowina. Die Stadt wird von einer<br />
imaginären Linie in einen serbischen und einen<br />
bosnisch-muslimischen Teil getrennt, was man<br />
im Stadtbild vor allem an den fehlenden<br />
Minaretten im serbischen Teil bemerkt. Ich kam<br />
im serbischen Teil an, da nur von dort<br />
regelmäßig Busse nach Serbien fahren.<br />
Insgesamt kam mir der bosnisch-muslimische<br />
Teil lebendiger vor. Dies kann ich aber nicht so<br />
gut beurteilen, weil ich nur zwei Tage dort war<br />
und mich in dieser Zeit fast nur im bosnischmuslimischen<br />
Teil bewegte. Drei historische<br />
Ereignisse prägen die Stadt besonders stark:<br />
Das erste ist der Anschlag auf den<br />
österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand<br />
im Jahr 1914, der als Auslöser des ersten<br />
Weltkriegs gilt. Über die Zeit der<br />
habsburgischen Besatzung Bosniens Ende des<br />
19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es<br />
auch ein kleines Museum und man findet noch<br />
viele Gebäude, die aus dieser Zeit stammen.<br />
Das zweite Ereignis sind die Olympischen<br />
Winterspiele, die im Jahr 1984 in Sarajevo<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 50
stattfanden und von denen mehrere Gebäude<br />
sowie verschiedene Skigebiete zeugen.<br />
Das dritte Ereignis ist der Bürgerkrieg zu Beginn<br />
der 90er Jahre, während dem Sarajevo stark<br />
zerstört wurde. Mehrere Schlachten wurden<br />
hier ausgetragen, dazu kamen gegenseitige<br />
Belagerungen der jeweiligen Stadtviertel. An<br />
einigen Stellen im Stadtzentrum finden sich<br />
noch zerstörte Gebäude, doch insgesamt finde<br />
ich es sehr erstaunlich wie gut die Stadt in den<br />
letzten 15 Jahren wieder aufgebaut wurde.<br />
Über den Bürgerkrieg gibt es auch eine<br />
Ausstellung, die ich mir angeschaut habe. Sie<br />
beschreibt den Krieg aus Sicht der bosnischmuslimischen<br />
Bevölkerung. Während ich viele<br />
Darstellungen der Kämpfe sehr<br />
propagandistisch und wenig ausgewogen fand,<br />
waren das Leben und die Leiden der zivilen<br />
Bevölkerung meiner Meinung nach sehr gut<br />
und realistisch (wobei ich mir nicht sicher bin,<br />
ob das jemand beurteilen kann, der es nicht<br />
erlebt hat) dargestellt. In der Ausstellung habe<br />
ich auch Fotos von Plätzen in der Stadt<br />
gefunden, an denen die Häuser stark zerstört<br />
waren. Während meiner Stadtrundgänge<br />
konnte ich aber feststellen, dass die Schäden an<br />
den meisten Häusern im Stadtzentrum beseitigt<br />
wurden. Da es immer noch sehr früh war, als<br />
ich den Busbahnhof, der im serbischen Teil der<br />
Stadt liegt, verließ, und noch alle Geschäfte<br />
geschlossen waren, beschloss ich die ca. 7 km<br />
ins Stadtzentrum, in dem auch meine Pension<br />
lag, zu Fuß zu laufen. So lernte ich verschiedene<br />
Stadtteile kennen, die zum Teil von den typisch<br />
serbischen Einfamilienhäusern und zum Teil<br />
von Reihen- und Hochhäusern geprägt waren.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Außerdem erlebte ich einen schönen<br />
Sonnenaufgang und hatte einen schönen Blick<br />
auf die umliegenden Berge und die Stadtteile,<br />
die sich an Hängen befinden.<br />
Das schöne Wetter begleitete mich<br />
glücklicherweise während der gesamten Zeit.<br />
Als ich die Hauptachse der Stadt von Osten<br />
nach Westen erreicht hatte, sah ich auch<br />
immer mehr repräsentative Bauten. Zunächst<br />
waren es überwiegend moderne Glasbauten.<br />
Als ich mich der Innenstadt näherte wurden<br />
diese zunehmend von den Monumentalbauten<br />
abgelöst, die zum Teil noch aus der<br />
Habsburgerzeit stammen. Den restlichen<br />
Vormittag widmete ich dann vor allem der<br />
Innenstadt und dabei vor allem dem alten<br />
Händlerviertel Baščaršija. Dieses ist heute der<br />
Haupttreffpunkt für Touristen aus zahlreichen<br />
Ländern, hat sich aber meiner Meinung nach<br />
einen gewissen Charme bewahrt, was vor allem<br />
an den Gebäuden liegt, die zwar renoviert<br />
wurden, aber nicht unpassend wirken.<br />
Außerdem gibt es viele Dinge, die typisch für<br />
Sarajevo sind, zu kaufen und zahlreiche kleine<br />
Restaurants und Bäckereien, in denen man<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 51
typische Gerichte wie Devapdidi, Bureg, Pita und<br />
Baklava essen kann. Was außerdem im<br />
Stadtbild auffällt sind die zahlreichen<br />
Moscheen sowie viele große Friedhöfe, die<br />
einen an die Opfer des Bürgerkrieges erinnern<br />
und wahrscheinlich langlebiger sein werden als<br />
alle Schäden an Häusern, Straßen und Brücken.<br />
Für diese ist Sarajevo ebenfalls bekannt. Durch<br />
die Stadt fließt ein kleiner Fluss, der aus einer<br />
Schlucht kommend, entlang der Hauptachse<br />
fließt und von vielen, zum Teil sehr alten und<br />
schönen, Brücken überspannt wird.<br />
Am Nachmittag erkundete ich die Natur um die<br />
Stadt sowie einen der vielen, zum Teil auch<br />
hohen, Berge, von denen die Stadt umgeben<br />
ist. Leider sind die meisten von ihnen nicht so<br />
gut für Fußgänger erschlossen, wie ich es aus<br />
vielen Mitteleuropäischen Städten kenne. Über<br />
der Stadt thront eine alte Festung bzw.<br />
Kaserne, die aber weitgehend zerstört ist und<br />
im Moment zum Teil wiederaufgebaut wird.<br />
Von einem der alten Verteidigungshügel hat<br />
man einen tollen Blick auf die Stadt und ich<br />
konnte dort sowohl am Sonntag als auch am<br />
Montag mein mitgebrachtes Mittagessen zu<br />
mir nehmen.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Dieser Platz ist zu meinem Lieblingsplatz<br />
geworden, weil er sehr ruhig und gemütlich ist,<br />
aber man gleichzeitig nahe an der Stadt ist und<br />
vieles von dem beobachten kann, was in der<br />
Stadt passiert. Von dort lief ich noch weiter zu<br />
einem höheren Aussichtspunkt und konnte<br />
dabei noch mehr von der sehr schönen<br />
Umgebung Sarajevos sehen. Abends wollte ich<br />
das Nachtleben der Stadt noch ein bisschen<br />
erkunden, doch als ich um 23.00 Uhr durch<br />
Baščaršija lief, war dort nichts mehr los, was<br />
mich doch sehr verwundert hat.<br />
Am nächsten Morgen fuhr ich mit der<br />
Straßenbahn nach Ilidža, einem Stadtteil im<br />
Westen der Stadt, wo zu den Habsburgerzeiten<br />
der Bahnhof der Eisenbahn nach Österreich war<br />
und in dem es große Parkanlagen mit<br />
Luxushotels gibt. Der Grund, weshalb man nach<br />
Ilidža kommt, ist die Quelle des Flusses Bosna,<br />
der dem Land seinen Namen gibt. Diese ist<br />
ebenfalls in eine große Parkanlage eingebettet,<br />
zu der man über eine sehr lange, immer<br />
geradeaus führende, Allee kommt. Dort traf ich<br />
zufällig eine große Gruppe von Lehrern der<br />
Technischen Schule Valjevo (u.a. meine<br />
Betreuerin Dušica), von der ich zwar wusste,<br />
dass sie auch in Sarajevo ist, mit der ich mich<br />
aber vorher nicht abgesprochen hatte. Den<br />
Nachmittag verbrachte ich wieder im<br />
Stadtzentrum, um ein paar bosnische<br />
Spezialitäten zu probieren und nach Souvenirs<br />
zu suchen. Anschließend genoss ich das schöne<br />
Wetter noch ein bisschen an meinem<br />
Lieblingsplatz über der Innenstadt, bevor ich<br />
mit der Gruppe der Technischen Schule nach<br />
Valjevo zurückfahren konnte.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 52
Im Oktober und November lernte ich die<br />
Sportverrücktheit Serbiens intensiv kennen. Zu<br />
den beliebtesten Sportarten gehören<br />
Basketball, Fußball, Handball, Volleyball und<br />
neuerdings Tennis, da einige Serben im<br />
Moment zu den besten Tennisspielern der Welt<br />
gehören. Basketball habe ich auch selber schon<br />
mit Freunden gespielt. Nach meinem Gefühl<br />
spielen die meisten aber nur auf Freiplätzen<br />
und nicht in Vereinen. In einem Park am<br />
Stadtrand von Valjevo (Pedina) habe ich<br />
während des sonnigen Oktobers mehrfach<br />
gespielt, wenn ich nachmittags nicht so lange<br />
arbeiten musste. Dort spielt bei schönem<br />
Wetter fast jeden Tag eine Gruppe von<br />
Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, von<br />
denen ich mittlerweile viele kenne, sodass ich,<br />
wenn ich Zeit habe, einfach hinkommen und<br />
mitspielen kann. Das Niveau ist höher als auf<br />
vielen deutschen Freiplätzen, da der Showanteil<br />
deutlich niedriger ist und meistens das<br />
Gewinnen im Vordergrund steht.<br />
Valjevo besitzt auch einen Basketballverein in<br />
der zweithöchsten Liga Serbiens, dessen Saison<br />
im Oktober begonnen hat. Die Mannschaft<br />
steht nach zwei Monaten ungefähr auf Platz<br />
fünf. Ein Spiel habe ich auch in der Stadthalle in<br />
Valjevo live angeschaut.<br />
Abwechslung vom Arbeitsalltag bot mir im<br />
November auch eines der wichtigsten Feste,<br />
das so genannte Slava-Fest. Den Begriff „Slava“<br />
könnte man am Besten mit Hauspatron<br />
übersetzen. Jede Familie hat einen solchen<br />
Hauspatron. An dessen Namenstag findet dann<br />
das jeweilige Slava-Fest statt. An diesem Tag<br />
bekommen die Schüler schulfrei und auch die<br />
Lehrer müssen während ihrer Slava nicht<br />
arbeiten. Die verschiedenen Slava-Feste finden<br />
über das Jahr verteilt statt, wobei die meisten<br />
im Herbst und im Winter sind. Ich habe eine<br />
solche Slava bei einer Freundin besucht, deren<br />
Familie in einem Dorf in der Nähe von Valjevo<br />
wohnt. Leider für mich fand die Slava an einem<br />
Freitag statt. Mittwochs und freitags fasten die<br />
Gläubigen der orthodoxen Kirche. Dies<br />
bedeutet vor allem, dass es kein Fleisch gibt.<br />
Stattdessen gibt es sehr viel Fisch, den ich<br />
eigentlich nicht mag. So habe ich an diesem Tag<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
genug Fisch für den Rest meines Lebens<br />
gegessen, weil ich aus Höflichkeit und Interesse<br />
alles probiert habe, auch wenn ich zum Teil<br />
schon vorher wusste, dass es mir nicht<br />
schmecken wird. Zum Glück gab es auch noch<br />
einige Speisen, die nur aus Gemüse bestanden<br />
und zum Nachtisch gab es verschiedene Torten,<br />
die mich dann endgültig satt gemacht haben.<br />
Abgesehen vom Essen sitzt man während der<br />
Slava mit Freunden zusammen, unterhält sich<br />
und trinkt dabei das eine oder andere<br />
(alkoholische) Getränk.<br />
Bereits im Oktober habe ich ein weiteres Fest<br />
besucht, dass den Serben sehr wichtig ist: Eine<br />
Hochzeitsparty. Zu diesen werden immer sehr<br />
viele Menschen eingeladen, in diesem Fall<br />
waren es ungefähr 600. Die Hochzeit gilt als ein<br />
Statussymbol, das man allen zeigen möchte,<br />
weshalb man sehr viele Menschen einlädt. Es<br />
gibt sehr viel zu Essen und zu Trinken, vor allem<br />
viel Fleisch. Außerdem wird viel getanzt.<br />
Deswegen hat mir Dušica am Nachmittag davor<br />
den traditionellen serbischen Tanz, den Kolo,<br />
beigebracht. Ich habe den Abend sehr<br />
genossen, auch die Musik hat mir gefallen,<br />
obwohl ich eigentlich kein Fan von Volksmusik<br />
bin, und ich habe meine neu erworbenen<br />
Tanzkenntnisse angewandt.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 53
Vom Nils Weitzel<br />
Dezember 2008<br />
Здраво из Ваљева! Hallo zu meinem letzten<br />
Bericht aus Valjevo!<br />
Ab Mitte Januar werde ich in Kragujevac weiter<br />
arbeiten. Dort werde ich wahrscheinlich<br />
ähnliche Aufgaben haben wie in Valjevo. Wie<br />
sich meine Arbeit genau gestaltet, werde ich<br />
aber erst dann sehen.<br />
Da Dušica Ende November aus Hamburg<br />
zurückgekommen ist, habe ich wieder mehr<br />
Stunden an der Technischen Schule gearbeitet.<br />
Ansonsten war ich hauptsächlich an der<br />
Landwirtschaftlichen und der Ökonomischen<br />
Schule.<br />
Themen waren zum Beispiel Sagen,<br />
bedeutende Wissenschaftler, wichtige<br />
Ereignisse des 20. Jahrhunderts, Umweltschutz<br />
und deutsche Städte.<br />
Da die Schüler am 30.12. ihre Halbjahresnoten<br />
bekommen, wurden auch wieder viele Tests<br />
geschrieben, bei deren Korrektur ich half und<br />
zum Teil war ich auch an der Konzeption<br />
beteiligt.<br />
In Valjevo gibt es neben den staatlichen<br />
Schulen noch Privatschulen an denen man<br />
verschiedene Sprachen lernen kann. Im<br />
Dezember war ich das erste Mal an einer<br />
solchen im Unterricht dabei. Die meisten<br />
Menschen, die dort lernen, sind Erwachsene,<br />
deren Kurse häufig von ihren Arbeitgebern<br />
bezahlt werden. Ich war bei der einzigen<br />
Kindergruppe, die aus drei Kindern besteht, die<br />
ungefähr 12 Jahre alt sind, sowie bei einem<br />
Anfängerkurs dabei. Alle Deutschgruppen an<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
der Schule sind sehr klein, da es nicht so viele<br />
Menschen gibt, die Deutsch lernen wollen. Die<br />
Arbeit mit den Kindern ist sehr erfrischend, da<br />
sie viel lernen wollen (Hobby: Lernen;<br />
Lieblingsfächer: Alle). Sie können nicht so viele<br />
Sachen sagen, aber das, was sie lernen, können<br />
sie sehr gut. So waren sie zum Beispiel die<br />
ersten Schüler, die ich kennen lernte, die<br />
wussten, was Kaninchen heißt, weil sie die<br />
Namen von vielen Haustieren gelernt hatten.<br />
Auch die Aussprache ist sehr gut. Es macht sich<br />
bemerkbar, dass sie früher angefangen haben<br />
intensiv Deutsch zu lernen als die meisten<br />
anderen Schüler. Viel Arbeitszeit habe ich auch<br />
in eine Veranstaltung anlässlich des 60.<br />
Geburtstages der Erklärung der Allgemeinen<br />
Menschenrechte investiert, die von Dušica und<br />
einem ihrer Kollegen organisiert wurde. Sie<br />
bestand aus vier verschiedenen Teilen. Am 9.<br />
und am 11.12 gab es jeweils Filmvorführungen<br />
von Kurzfilmen aus verschiedenen Ländern und<br />
in verschiedenen Sprachen zum Thema<br />
Menschenrechte. Am Mittwoch, dem 10.12.,<br />
dem offiziellen Tag der Menschrechte, fand<br />
abends eine Podiumsdiskussion in der<br />
Technischen Schule statt, an der unter anderem<br />
eine Expertin aus Belgrad teilnahm. Leider habe<br />
ich nicht so viel verstanden, weil die Sprache<br />
deutlich zu anspruchsvoll für meine Serbisch-<br />
Kenntnisse war. Insgesamt war die Diskussion<br />
aber trotzdem gut, nur leider haben nicht so<br />
viele Schüler und Lehrer zugehört, weil das<br />
Projekt von den anderen Lehrern der<br />
Technischen Schule nicht so gut unterstützt<br />
wurde wie ich es von Schulprojekten von<br />
meinen alten Schulen in Deutschland gewöhnt<br />
bin. Der Teil des Projekts, der die meiste<br />
Vorbereitungszeit erforderte und bei dem ich<br />
am meisten helfen konnte, war eine<br />
mehrsprachige Ausstellung zum Thema<br />
Menschenrechte. Der Hauptteil war eine<br />
illustrierte Darstellung der<br />
Menschenrechtsartikel in vielen, auch<br />
exotischen Sprachen (neben Serbisch, Englisch,<br />
Deutsch, Französisch und Spanisch gab es auch<br />
Chinesisch, Japanisch, Arabisch und Russisch).<br />
Als Inspiration dafür diente die Straße der<br />
Menschenrechte in Nürnberg, die ich im<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 54
Sommer im Rahmen des Internationalen<br />
Jugendcamps in Ingolstadt besucht habe.<br />
Daneben wurden einzelne Themen noch<br />
intensiver bearbeitet. Dazu zählten<br />
Kinderrechte, Frauenrechte, Menschenrechte<br />
und Religion, die Geschichte der<br />
Menschenrechte sowie einige Werte, die in der<br />
Menschenrechtserklärung verwirklicht wurden,<br />
wie Toleranz oder Gleichheit. Im Laufe des<br />
Projekts habe ich auch viel gelernt über die<br />
Organisation von Schulprojekten in Serbien.<br />
Fast die gesamte Arbeit wurde von Dušica,<br />
ihrem Kollegen und mir geleistet. Wir erhielten<br />
nur wenig Unterstützung von anderen Schülern<br />
oder Lehrern. Dies hat meiner Meinung nach<br />
drei Gründe: Das serbische Schulsystem mit<br />
seinen zwei Schichten (die Hälfte der Schüler<br />
geht morgens in die Schule, die andere Hälfte<br />
nachmittags) macht es sehr schwierig Projekte<br />
zu organisieren, die organisierenden Lehrer<br />
werden von ihren Kollegen nicht sehr gut<br />
unterstützt, da, im Vergleich zu deutschen<br />
Schulen, insgesamt mehr Wert auf das<br />
Auswendiglernen von Fakten gelegt wird als auf<br />
kreatives Arbeiten, und viele Schüler haben<br />
keine Lust, neben dem Unterricht und den<br />
Hausaufgaben noch mehr für die Schule zu<br />
arbeiten. Dies ist aber meiner Meinung nach<br />
nicht der Hauptgrund, da die Mehrheit der<br />
Schüler in Deutschland dazu ebenfalls nicht<br />
bereit ist und trotzdem in vielen Projekten die<br />
Schüler viel Verantwortung übernehmen.<br />
Außerdem habe ich noch die Schach-AG für<br />
mich entdeckt, die einmal pro Woche in der<br />
Technischen Schule angeboten wird. Dort habe<br />
ich mehrmals teilgenommen und meine<br />
Schachkenntnisse ein bisschen aufgefrischt. In<br />
den letzten beiden Dezemberwochen musste<br />
ich mich außerdem von allen „meinen“<br />
Schülern verabschieden. Dies fiel mal mehr und<br />
mal weniger emotional aus. Viele Klassen<br />
gestalteten mir eine Seite mit Namen und<br />
Abschiedsbotschaften (auf Deutsch, Serbisch<br />
oder Englisch). Dabei wünschten sich viele, dass<br />
ich wiederkomme, was ich auch vorhabe und in<br />
meinem verbleibenden halben Jahr in Serbien<br />
schaffen sollte.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Am 19. Dezember hat Dušica ihre Slava (siehe<br />
auch meinen Novemberbericht) gefeiert. Ihr<br />
Hauspatron ist der heilige Nikolaus, der der<br />
häufigste Haupatron in Serbien ist. Es gibt ein<br />
Sprichwort in Serbien, dass an diesem Tag das<br />
halbe Serbien seine Slava hat und die andere<br />
Hälfte auf Slavafeiern eingeladen ist. Es war<br />
eine sehr schöne Feier, die sich über fast acht<br />
Stunden hingezogen hat, da Dušicas Familie<br />
immer wieder Besuch bekommen hat von<br />
verschiedenen Verwandten und Freunden, mit<br />
den man die typischen Slava-Rituale<br />
durchgeführt und sich unterhalten hat.<br />
Deswegen habe ich auch ich sehr viel Serbisch<br />
geredet, was mir geholfen hat, meine<br />
Serbischkenntnisse zu verbessern. Die<br />
Zeremonie beginnt mit dem Essen von einer<br />
süßen Speise aus Weizen und dem Trinken von<br />
Wein, die symbolisch für den Leib und das Blut<br />
stehen. Anschließend isst man eine sehr süße<br />
Obstspeise. Danach beginnt dann das<br />
eigentliche Essen, das aus vielen verschiedenen<br />
Gängen mit traditionellen serbischen Speisen<br />
wie Bohneneintopf und Sarma (gefüllte<br />
Krautblätter) besteht. Da die Slava wieder an<br />
einem Freitag stattfand (Fastentag in der<br />
serbisch-orthodoxen Kirche) gab es auch viele<br />
Fischgerichte. Allerdings sollte man sich auf<br />
jeden Fall etwas Hunger für den Nachtisch<br />
aufheben, der aus riesigen Mengen von Koladi<br />
besteht, was kleine Kuchen- und<br />
Gebäckhäppchen sind, die unglaublich gut<br />
schmecken und für mich der beste Teil der<br />
Mahlzeit sind. Da an diesem Tag so viele<br />
Menschen Slava feiern, schaffen es viele nicht<br />
alle Freunde und Verwandte, bei denen sie<br />
eingeladen sind, zu besuchen. Deswegen wird<br />
auch das anschließende Wochenende noch zu<br />
vielen Besuchen genutzt.<br />
Wenige Tage danach habe ich die<br />
wahrscheinlich ungewöhnlichste<br />
Weihnachtsfeier meines bisherigen Lebens<br />
erlebt, da die Serben zwei Wochen später<br />
Weihnachten feiern als die evangelische und<br />
die katholische Kirche. Darum bin ich an allen<br />
drei Weihnachtstagen ganz normal in die<br />
Schule gegangen.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 55
Dušica und ihre Eltern haben für mich aber<br />
doch ein bisschen Weihnachtsstimmung<br />
erzeugt, da sie am 25. Dezember ein tolles<br />
Festmahl vorbereitet haben, unter anderem<br />
mit Truthahn und Ziegenfleisch. Außerdem<br />
habe ich von ihnen auch Weihnachtsgeschenke<br />
bekommen. Viele meiner Freunde haben mir<br />
auch frohe Weihnachten gewünscht, da sie<br />
wussten, dass ich früher als die Serben<br />
Weihnachten feiere. Außerdem bin ich von<br />
mehreren Freunden noch zu<br />
„Weihnachtsessen“ eingeladen worden.<br />
Zu den wichtigsten Festen in Serbien gehört<br />
Sylvester bzw. Neujahr. Da es den Begriff<br />
Sylvester, ähnlich wie im Englischen, im<br />
Serbischen nicht gibt, wird der Sylvesterabend<br />
schon als Neujahrsfeier bezeichnet. Dieses Fest<br />
wird von vielen (Jugendlichen) schon lange im<br />
Voraus geplant und viele kaufen sich extra neue<br />
Klamotten dafür. Eine Gruppe von<br />
Jugendlichen, mit denen ich kurz vorher<br />
ausgegangen war, hat mich ganz erstaunt<br />
angeschaut, als ich gesagt habe, dass ich mir<br />
keine neuen Sachen gekauft habe. Einige von<br />
ihnen sind extra nach Belgrad gefahren, um sich<br />
neue Klamotten zu kaufen, da dort das Angebot<br />
größer ist als in Valjevo. Es gibt viele<br />
Privatfeiern sowie Partys in vielen Cafés und<br />
Clubs. Ich habe den Abend auf einer Privatparty<br />
in einer Sprachschule in Valjevo verbracht.<br />
Außerdem gab es ein Konzert im Zentrum der<br />
Stadt, von einer serbischen Band, die irische<br />
Rockmusik gespielt hat. Leider war es extrem<br />
kalt. Pünktlich um Mitternacht gab es auch ein<br />
Feuerwerk, dieses war aber deutlich kleiner als<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
man es aus großen Städten in Deutschland oder<br />
anderen Ländern kennt.<br />
Vom 6. bis zum 8. Januar haben dann auch die<br />
Serben Weihnachten gefeiert. Die serbische<br />
Weihnachtsfeier ist sehr unterschiedlich im<br />
Vergleich zu den deutschen Weihnachtsfeiern,<br />
die ich kenne. Sie beginnt am 6. Januar abends<br />
mit einem Festessen, nachdem man vorher 40<br />
Tage fast sollte. Das klassische Gericht ist<br />
Schweinsbraten. Viele Familien, die noch ihre<br />
eigenen Schweine züchten, schlachten eins<br />
davon kurz zuvor.<br />
Viele Menschen gehen vorher in die Kirche,<br />
aber nicht so viele wie in Deutschland, glaube<br />
ich. Dies hat mich gewundert, da ich eigentlich<br />
das Gefühl habe, dass die Kirche in Serbien im<br />
Leben der Menschen eine größere Rolle spielt<br />
als in Deutschland. In der Kirche findet ein<br />
Gebet statt. Man zündet Kerzen und<br />
Eichenzweige an, es gibt heiße Getränke und<br />
man unterhält sich mit Freunden. Am 7. Januar<br />
beginnt die Feier schon sehr früh. Als erstes<br />
kommt ein guter Freund bzw. eine gute<br />
Freundin der Familie zu Besuch und entfacht<br />
das Feuer. Erst danach darf man miteinander<br />
reden. Anschließend gibt es ein sehr festliches<br />
Frühstück mit vielen traditionellen serbischen<br />
Speisen. Dieses bildet sozusagen den Abschluss<br />
der familiären Weihnachtsfeier und der<br />
Weihnachtsrituale. Den Rest des 7. und den<br />
ganzen 8. Januar nutzt man, um Freunde zu<br />
besuchen. Außerdem sagt man, dass man am 7.<br />
Januar alles machen sollte, was man das ganze<br />
über machen möchte bzw. sollte. An diesen<br />
Brauch habe ich mich aber nicht gehalten.<br />
Nachdem ich es in den Vormonaten nicht<br />
geschafft habe, die zwei historischen Museen<br />
sowie die beiden Gemäldegalerien, die es in<br />
Valjevo gibt, zu besuchen oder das Wetter so<br />
schön war, dass ich lieber etwas draußen<br />
machen wollte, habe ich immerhin zwei davon<br />
zum Abschluss meiner Zeit in Valjevo noch<br />
besichtigt.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 56
Das Stadtmuseum ist sehr modern eingerichtet<br />
und besitzt viele multimediale Exponate. Es<br />
zeigt die Geschichte der Stadt Valjevo und der<br />
Region „Kolubara“ (benannt nach dem Fluss,<br />
der auch durch Valjevo fließt) seit den ersten<br />
bekannten menschlichen Besiedelungen vor ca.<br />
50.000 Jahren bis in die Gegenwart. Man sieht<br />
viele archäologische Fundstücke aus der<br />
Steinzeit, der Römerzeit und dem Mittelalter.<br />
Diese sind mit serbischen und englischen<br />
Erklärungen versehen. Außerdem werden viele<br />
Exponate und die daraus gezogenen Schlüsse<br />
über Siedlungen, Festungen,<br />
Grenzbefestigungen etc. auf Karten verortet,<br />
sodass man gut verfolgen kann, welche Teile<br />
der Region eine große Bedeutung zu<br />
unterschiedlichen Zeiten hatten und wie sich<br />
die einzelnen Siedlungen entwickelt haben. Die<br />
Ereignisse in der Region werden in erklärenden<br />
Texten in die Entwicklungen auf dem Balkan<br />
eingeordnet. Einen Schwerpunkt bildet die Zeit<br />
der türkischen Herrschaft über Valjevo sowie<br />
die serbischen Aufstände gegen diese<br />
Herrschaft im 19. Jahrhundert. Einer der<br />
Auslöser dafür war die Ermordung von<br />
wichtigen serbischen Persönlichkeiten, die<br />
gegen die Türken kämpften, in Valjevo. Aus der<br />
jüngeren Vergangenheit gibt es viele<br />
traditionelle Einrichtungsstücke, Werkzeuge,<br />
Haushaltsgegenstände und Kleidungsstücke. Es<br />
finden sich zudem viele Waffen, die aus der Zeit<br />
des zweiten Weltkriegs stammen. Insgesamt<br />
war ich sehr positiv überrascht vom Museum,<br />
da ich keine so modern aufgemachte<br />
Ausstellung erwartet hatte. Meine einzige Kritik<br />
ist, dass es sehr wenige Informationen über die<br />
Entwicklung der Stadt seit dem Ende des<br />
zweiten Weltkrieges gibt. Diese würden die<br />
Ausstellung abrunden.<br />
Das zweite historische Museum, das sich im<br />
Muselimov Konak befindet, ist zurzeit leider<br />
wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.<br />
Deshalb muss ich einen Besuch nachholen,<br />
wenn ich das nächste Mal nach Valjevo komme.<br />
Eine kleine Gemäldegalerie ist die „Moderne<br />
Galerie“. Seit dem Eröffnungsjahr 1985 gab es<br />
dort viele kleine, oft wechselnde Ausstellungen.<br />
Gezeigt werden überwiegend serbische<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Künstler, die Bilder im „medialna“-Stil malen,<br />
was bedeutet, dass es überwiegend<br />
fantastische und abstrakte Kunstwerke sind. Im<br />
Moment gibt es eine Ausstellung mit Bildern<br />
des serbischen Künstlern Ljuba Popovid. Diese<br />
stammen zum Teil aus seiner Zeit an der<br />
Akademie in Paris und sind zum Teil neueren<br />
Datums. Dabei fällt die Veränderung im Stil auf.<br />
Die früheren Bilder sind überwiegend von<br />
düsteren Stimmungen und Gewalt geprägt,<br />
während die neueren Bilder eine positivere<br />
Ausstrahlung haben. Zentrales Thema sind<br />
Körper, vor allem weibliche. Eine weitere<br />
Ausstellung, die mir insgesamt besser gefallen<br />
hat, besteht aus Porträts von serbischen<br />
Künstlern aus den letzten 50 Jahren, in vielen<br />
verschiedenen Stilen, die überwiegend von<br />
Fantastik geprägt sind. Eine weitere<br />
Besonderheit der Galerie ist, dass alle<br />
Ausstellungen keinen Eintritt kosten, da sie von<br />
der Stadt finanziert werden. Dies hat mich sehr<br />
gewundert, da ich es weder aus Deutschland<br />
kenne und bis jetzt auch in Serbien das Gefühl<br />
hatte, dass jedes Museum und jede Ausstellung<br />
einen, wenn auch meistens niedrigen, Eintritt<br />
kostet. Sehr nett waren auch die Angestellten<br />
der Galerie, die mir die Ausstellungen gezeigt<br />
haben, mich danach noch mit Materialien über<br />
die Porträt-Ausstellung versorgt haben und<br />
mich eingeladen haben, wiederzukommen.<br />
Außerdem haben sie mich noch dem Direktor<br />
vorgestellt, der ebenfalls sehr freundlich war.<br />
Ich glaube, dass sie es auch interessant fanden,<br />
dass ein Deutscher ihre Ausstellungen besucht<br />
hat.<br />
Eine zweite Galerie mit Arbeiten von<br />
verschiedenen internationalen Künstlern ist<br />
zurzeit leider ebenfalls geschlossen, sodass ich<br />
auch hier den Besuch nachholen muss, wenn<br />
ich wieder einmal nach Valjevo komme.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht, dem ersten<br />
aus Kragujevac! До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 57
Vom Nils Weitzel<br />
Januar 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo zu meinem ersten<br />
Bericht aus Kragujevac!<br />
Seit dem 11. Januar lebe ich in Kragujevac. Die<br />
Stadt ist deutlich größer als Valjevo, ungefähr<br />
so groß wie meine Heimatstadt Kassel. Damit<br />
ist sie die viertgrößte Stadt in Serbien. Sie liegt<br />
im Zentrum Serbiens und bezeichnet sich<br />
deswegen auch als das Herz Serbiens. Dies hat<br />
auch mit der geschichtlichen Rolle zu tun, da<br />
die Stadt im 19. Jahrhundert eine Zeitlang die<br />
Hauptstadt des modernen serbischen Staates<br />
war. Aus diesem Grund gibt es hier das erste<br />
Gymnasium Serbiens, das erste Theater wurde<br />
hier eröffnet und das erste Parlament tagte<br />
hier. Bis jetzt habe ich vor allem das Zentrum<br />
kennen gelernt. Obwohl viele Gebäude eine<br />
Renovierung gebrauchen könnten, gibt es viele<br />
schöne Gebäude, sodass mir die Innenstadt<br />
insgesamt ganz gut gefällt. Zu den schönsten<br />
Gebäuden gehören das erste Gymnasium,<br />
das Gericht und die Post.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Eine Attraktion am Rande des Zentrums und in<br />
meiner unmittelbaren Umgebung ist auch das<br />
„Roda Centar“, ein im letzten Jahr eröffnetes<br />
Einkaufszentrum. Ich glaube, dass es das erste<br />
„westliche“ Einkaufszentrum in dieser<br />
Größenordnung in Kragujevac ist. Durch die<br />
Stadt fließt der Fluss, bzw. Bach – je nach<br />
Wasserstand – Lepenica. Über ihn führen viele<br />
schöne Brücken, auf denen unter anderem die<br />
Jahreszahlen von vier serbischen Aufständen<br />
gegen ausländische Fremdherrschaften über<br />
das Land verewigt wurden.<br />
Einen weiteren großen Aufschwung erlebte die<br />
Stadt durch die Industrialisierung, die in Serbien<br />
vor allem während der Tito-Zeit stattfand.<br />
Kragujevac ist der Sitz und Produktionsstandort<br />
des einzigen serbischen Autokonzerns<br />
„Zastava“, der neben Autos unter anderem<br />
auch Waffen produziert. Man sagt, dass 70%<br />
der Arbeitsplätze in Kragujevac direkt oder<br />
indirekt von Zastava abhängen. Dass die Stadt<br />
während der Zeit des Kommunismus stark<br />
gewachsen ist, sieht man auch an der<br />
Stadtstruktur, die sich stark von der von Valjevo<br />
unterscheidet. In Valjevo haben wesentlich<br />
mehr Familien ihr eigenes Haus bzw. Häuschen.<br />
In Kragujevac gibt es dagegen wesentlich mehr<br />
Großwohnsiedlungen, wie man sie auch aus<br />
China oder Russland kennt. In einer solchen<br />
wohne ich jetzt und erfreue mich an der<br />
Zentralheizung, die es in Serbien nur in<br />
Gebäuden gibt, in denen viele Menschen leben,<br />
die aber im Winter manchmal sehr praktisch<br />
sein kann.<br />
Meine Arbeit wird wahrscheinlich ähnlich<br />
aussehen wie in Valjevo. Bis jetzt war ich<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 58
überwiegend mit zwei Deutschlehrerinnen im<br />
zweiten Gymnasium im Unterricht dabei. Die<br />
meisten Schüler sprechen zum Glück ein<br />
bisschen Englisch, sodass die Kommunikation<br />
einfacher als an manchen Schulen in Valjevo ist,<br />
an denen die Schüler nur eine Fremdsprache<br />
gelernt haben. Da Kragujevac Universitätsstadt<br />
ist (unter anderem gibt es auch eine<br />
Germanistik-Fakultät) kann ich vielleicht auch<br />
dort etwas machen. Bis jetzt war ich schon bei<br />
mehreren Sprachkursen dabei, die jedoch nur<br />
für alle waren, die nicht Germanistik studieren.<br />
Außerdem war ich auch bei einigen<br />
Privatstunden dabei, wo ich zum Beispiel bei<br />
Übersetzungen helfen, Tests korrigieren und<br />
Schüler(innen) auf mündliche Prüfungen<br />
vorbereiten konnte.<br />
Am 27.1. war der Namenstag des Heiligen Sava,<br />
der als der Begründer der serbisch-orthodoxen<br />
Kirche gilt. Er lebte im 12. und 13. Jahrhundert<br />
und entstammte der damaligen serbischen<br />
Herrschaftsdynastie der Nemanjas. Mit 16<br />
Jahren entschloss er sich auf seine weltliche<br />
Herrschaft zu verzichten und stattdessen ins<br />
Kloster zu gehen. Er schloss sich der Athos-<br />
Bruderschaft auf dem Gebiet des heutigen<br />
Griechenland an. Nach mehreren Bürgerkriegen<br />
auf dem Balkan, wurde er vom damaligen<br />
Patriarchen der orthodoxen Kirche 1219 zum<br />
ersten Erzbischof von Serbien gewählt, wohin<br />
er 1220 zurückkehrte. 1221 wurde die serbischorthodoxe<br />
Kirche offizielle Staatsreligion.<br />
So wie viele Heilige, zum Beispiel der Heilige<br />
Nikolaus, Hauspatron von serbischen Familien<br />
sind, ist der Heilige Sava der Schutzpatron der<br />
Schulen in Serbien. Deswegen ist der 27. Januar<br />
ein Feiertag für alle serbischen Schüler. Es<br />
finden Feiern zu Ehren des heiligen Sava statt.<br />
Auch an meiner jetzigen Schule, dem zweiten<br />
Gymnasium in Kragujevac, fand eine große<br />
Feier statt. Zu dieser kamen mehrere kirchliche<br />
Amtsträger, sonstige Gäste, viele Lehrer der<br />
Schule und einige Schüler. Die Teilnahme ist<br />
jedoch nicht verpflichtend. Die Feier war sehr<br />
kirchlich geprägt, der Chor der Schule sang<br />
mehrere Lieder und es wurden mehrere<br />
kirchliche Rituale durchgeführt.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Außerdem wurden viele Schüler für<br />
außergewöhnliche Leistungen, zum Beispiel im<br />
Bereich Sport, Sprachen und Kunst, geehrt.<br />
Nach der Feier, die ca. eineinhalb Stunden<br />
dauerte, gab es noch ein Büffet in der Schule.<br />
Während der Feier fiel mir wieder einmal auf,<br />
dass der Einfluss der serbisch-orthodoxen<br />
Kirche auf die Gesellschaft und das Leben der<br />
Menschen größer ist als der Einfluss der<br />
Kirchen in Deutschland. So kann ich mir nicht<br />
vorstellen, dass in den staatlichen Schulen<br />
entsprechende, kirchlich geprägte, Feiern<br />
stattfinden. Wobei ich die religiöse<br />
Unabhängigkeit der deutschen Schulen<br />
eindeutig bevorzuge, was auch erklärt, weshalb<br />
ich große Teile der Feier eher langweilig fand.<br />
Glücklicherweise sprach meine Sitznachbarin<br />
sehr gut Deutsch und teilte meine<br />
Einschätzung, was es wesentlich lustiger<br />
machte.<br />
Die Winterferien habe ich nicht nur zum Umzug<br />
von Valjevo nach Kragujevac genutzt, sondern<br />
auch zu einer längeren Reise, die mich vor<br />
allem nach Ungarn geführt hat.<br />
Zuerst war ich einen Tag in Subotica, der fünft<br />
größten Stadt Serbiens (ca. 100.000 Einwohner)<br />
im Norden des Landes. Anschließend jeweils<br />
einen Tag in Szeged, einer ungarischen Stadt<br />
direkt an der Grenze, und in Pécs, der<br />
Hauptstadt der Vojvodina. Zum Abschluss<br />
verbrachte ich noch drei Tage in Budapest, wo<br />
ich nach vier Monaten auch meine Mutter<br />
wieder gesehen habe.<br />
Meine Reise begann sehr früh am Morgen mit<br />
einer 5½-stündigen Busfahrt von Kragujevac<br />
über Belgrad und Novi Sad nach Subotica.<br />
Subotica ist ganz anders als die meisten<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 59
serbischen Städte. Die unausweichlichen<br />
Plattenbausiedlungen sind in einem anderen<br />
Stil gebaut, der mich sehr an einige Viertel in<br />
der ehemaligen DDR erinnerte, und die<br />
Innenstadt ist vor allem ungarisch geprägt. Die<br />
Beschilderung ist dreisprachig – serbisch,<br />
ungarisch und kroatisch – nur mit Englisch<br />
kommt man nicht sehr weit, obwohl die Stadt<br />
eigentlich sehr schön ist und auch für<br />
internationale Touristen interessant sein<br />
könnte. Auch die Mitarbeiter des<br />
Touristenbüros sprachen weder Englisch noch<br />
waren sie besonders freundlich. Viele Häuser,<br />
wie zum Beispiel die Stadthalle (enthält u.a.<br />
Rathaus, Konferenzsäle und ein Museum), die<br />
auch der Mittelpunkt der Stadt ist, sind im so<br />
genannten Sezessionsstil gebaut, der um die<br />
Jahrhundertwende vom 18. ins 19. Jahrhundert<br />
von ungarischen Architekten geprägt wurde.<br />
Typisch für diesen Stil, der mich während der<br />
gesamten Reise begleitete, sind die sehr<br />
verspielten Verzierungen und asymmetrischen<br />
Formen. Besonders sehenswert ist auch das<br />
reichhaltig verzierte Ferend-Raichle-Palais in<br />
der Nähe des Bahnhofs, das heute auch eine<br />
kleine Gemäldegalerie beherbergt. Ferend<br />
Raichle war einer der bekanntesten<br />
ungarischen Architekten dieser Epoche.<br />
Dadurch, dass das Rathaus der Mittelpunkt der<br />
Stadt ist und zudem auch ein sehr<br />
repräsentativer Bau ist, unterschiedet sich<br />
Subotica ebenfalls von anderen serbischen<br />
Städten, da dort das Rathaus meistens nur ein<br />
funktioneller Bau ist, der häufig während der<br />
kommunistischen Zeit entstanden ist.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Die Religionsvielfalt ist größer als in den<br />
meisten anderen Städten. Neben orthodoxen<br />
Kirchen, gibt es auch katholische und ein große<br />
Synagoge. Viele der Gotteshäuser hätten<br />
jedoch eine Renovierung dringend nötig, doch<br />
weder die Stadt noch die Gemeinden haben das<br />
dafür notwendige Geld. Die beiden Museen, in<br />
denen ich war, waren sehr klein und boten<br />
keine besonderen Highlights. Nachdem ich das<br />
Gefühl hatte alles wesentliche in der schönen<br />
aber auch überschaubaren Innenstadt gesehen<br />
zu haben, setzte ich mich in ein Café, um mich<br />
bei einem Espresso aufzuwärmen. Dort lernte<br />
ich zufällig ein paar Jugendliche kennen, von<br />
denen eine auch einmal in Deutschland gelebt<br />
hatte, und verbrachte den gesamten<br />
Spätnachmittag und frühen Abend mit ihnen.<br />
Am nächsten Morgen erreichte mich der erste<br />
Schock nach einem sparsamen aber leckeren<br />
Frühstück direkt als ich das Hotel verließ und<br />
ausrutschte: Glatteis. Entlang der Hauptstraßen<br />
ließ es sich aber aushalten, sodass ich meinen<br />
Zug nach Szeged wie geplant erreichte. Der<br />
Bahnhof in Subotica wirkt als ob dort seit den<br />
Habsburger Zeiten nichts mehr verändert<br />
wurde. Die Beschriftungen stimmen nicht, die<br />
Bediensteten sind langsam und unfreundlich<br />
und selbst die Gitter, die früher die einzelnen<br />
Klassen der Züge schon auf dem Bahnsteig<br />
trennten, wurden nicht entfernt. Für den Zug<br />
ist der Name Zug wohl deutlich übertrieben, die<br />
Bezeichnung Schienenbus passt deutlich<br />
besser. Er besteht aus einem alten Wagen, der<br />
mit ca. 15 km/h im Schnitt die 25 km nach<br />
Szeged zurücklegt und dafür inklusive<br />
Grenzkontrollen ungefähr zwei Stunden<br />
braucht. In Szeged merkte ich als erstes, dass<br />
der Bahnhof ähnlich lange nicht mehr renoviert<br />
worden war wie der Suboticer.<br />
Szeged hat eine sehr schöne Innenstadt.<br />
Mittelpunkt ist der große Dom mit einem noch<br />
größeren Domvorplatz. Im Sommer finden dort<br />
viele Konzerte und andere Veranstaltungen<br />
statt. Viele Gebäude in der Innenstadt sind wie<br />
in Subotica vom Sezessionsstil geprägt. Die<br />
Innenstadt ist auch sehr gut renoviert, aber<br />
sobald man sie verlässt, lässt die Qualität der<br />
Bausubstanz deutlich nach. Neben dem Dom<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 60
gehören das Rathaus, weitere Kirchen, ein<br />
Heilbad sowie die Synagoge zu den Highlights<br />
der Stadt.<br />
Die riesige Synagoge habe ich besichtigt und<br />
war von der Größe sowie der Gestaltung des<br />
Innenraums beeindruckt.<br />
Nachdem ich eine recht lange Zeit in der<br />
Innenstadt verbracht hatte, lief ich noch ein<br />
bisschen an der Tisza (serbisch: Tica), dem<br />
größten Fluss der Stadt, entlang, die in Serbien<br />
in die Donau mündet. Der Fluss war, ähnlich<br />
wie die Donau in Serbien, zum Teil von<br />
Eisschollen bedeckt. Die Uferpromenade mit<br />
einem Park war sehr schön, aber im Januar<br />
noch nicht sehr einladend.<br />
Direkt am Ufer steht auch das alte Schloss, das<br />
heute ein Museum ist. Dieses besichtigte ich<br />
später am Tag. Vom größten Teil der<br />
Ausstellung war ich aber relativ enttäuscht, da<br />
sie recht lieblos wirkte.<br />
Bevor ich allerdings das Museum besuchte, traf<br />
ich mich noch mit einem Freund von meinem<br />
Bruder, der im Moment in Szeged studiert. Er<br />
zeigte mir die Stadt ein bisschen und wir aßen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
zusammen Mittag. Während dieser Führung<br />
stellte ich fest, dass ein großer Teil der<br />
Innenstadt zur Universität gehört. Insbesondere<br />
die medizinische Fakultät hat riesige Ausmaße.<br />
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Stadt<br />
vor allem von ihren Kirchen und der Universität<br />
geprägt ist. Die Menschen fand ich weniger<br />
gastfreundlich als ich es aus Serbien gewohnt<br />
bin und auch die Englischkenntnisse der<br />
Menschen sind nicht wesentlich besser. Es fällt<br />
auf, dass die Stadt westlich-amerikanischer<br />
geprägt ist als serbische Städte, obwohl sie nur<br />
15 km von der Grenze entfernt ist. Am<br />
nächsten Morgen bin ich wiederum früh weiter<br />
gereist. Diesmal mit dem Bus ca. drei Stunden<br />
nach Peds, der Hauptstadt der Vojvodina.<br />
Die Innenstadt ist hervorragend renoviert und<br />
zum Teil Weltkulturerbe, weil man sehr alte<br />
christliche Grabkammern unter dem Standort<br />
des heutigen Doms gefunden hat. Die<br />
Erforschung dauert noch an und nur ein kleiner<br />
Teil ist bis jetzt zu besichtigen. Als ich in der<br />
Stadt war, war das Museum dafür leider sogar<br />
komplett geschlossen, aber man kann vom<br />
Erdboden aus durch Glasplatten einige Teile<br />
erkennen. Insgesamt hat die internationale<br />
Vermarktung des Kulturerbes erst begonnen,<br />
aber bereits jetzt gibt es zahlreiche<br />
ausländische Touristen.<br />
Ich habe zunächst einen Stadtrundgang durch<br />
die Innenstadt gemacht, die von einer fast<br />
intakten Stadtmauer umgeben ist. Es gibt viele<br />
Gebäude im bereits bekannten Sezessionsstil,<br />
aber auch viele klassizistische. Zu den<br />
schönsten Gebäuden zählen das Rathaus und<br />
das Theater. Allerdings wäre es an dieser Stelle<br />
unmöglich alle schönen Gebäude aufzuzählen,<br />
da es einfach zu viele sind. Die Religion ist<br />
ähnlich wie in Szeged ein prägendes Element,<br />
es gibt einen Dom, weitere Kirchen, eine große<br />
alte Moschee genau im Zentrum der Stadt und<br />
auch eine große Synagoge, die aber nicht so<br />
prächtig ist wie die in Szeged. Insgesamt lässt<br />
sich die Geschichte des Domes bis zur<br />
Römerzeit zurückverfolgen. Von diesem ersten<br />
Dom ist heute eine Kammer unterhalb des<br />
modernen Gebäudes für die Öffentlichkeit<br />
freigegeben. In der Altstadt gibt es eine große<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 61
Fußgängerzone mit einigen offenen Plätzen<br />
sowie zahlreiche kleine Gassen mit Restaurants<br />
und kleinen Geschäften. Es gibt zahlreiche<br />
vielfältige Museen, von denen ich aber nur<br />
eines gesehen habe. Dieses war jedoch sehr<br />
schön, mit sehr schönen großflächigen<br />
Gemälden eines ungarischen Malers.<br />
Anschließend bin ich noch zu einer Kapelle<br />
oberhalb der Innenstadt gelaufen. Von dort<br />
hatte man bei einsetzender Dunkelheit einen<br />
schönen Blick auf die Innenstadt.<br />
Insgesamt ist Peds eine eindeutig<br />
interessantere und vielfältigere Stadt als Szeged<br />
und Subotica.<br />
Bereits um 7.00 fuhr mein Zug am nächsten Tag<br />
von Peds nach Budapest. Diesmal war es ein<br />
sehr komfortabler IC. Am Bahnhof wartete<br />
bereits meine Mutter auf mich, die eine Stunde<br />
zuvor aus Deutschland angekommen war.<br />
Gemeinsam verbrachten wir drei sehr schöne<br />
Tage in Budapest. Budapest wird durch die<br />
Donau in zwei Teile geteilt: das hügelige Buda<br />
auf der einen und das flache Pest auf der<br />
anderen Seite.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
In der Donau liegt noch die Margaretheninsel,<br />
ein großer Park. Seine Blütezeit hatte die Stadt<br />
um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20.<br />
Jahrhundert, während der viele großartige<br />
Gebäude im Sezessionsstil entstanden. Danach<br />
verfielen viele Teile. Sie wurden im Zentrum<br />
überwiegend restauriert, aber man findet noch<br />
einige heruntergekommene Bauten<br />
dazwischen.<br />
In Buda, unweit unseres Hotels, liegt der<br />
Burgberg. Auf ihm ist das Schloss bzw. die Burg<br />
errichtet. Die Burg (ich folge einfach mal der<br />
offiziellen Namensgebung) diente vielen<br />
verschiedenen Herrschern als Wohnsitz. Heute<br />
sind darin mehrere Museen untergebracht, u.a.<br />
die ungarische Nationalgalerie, von der wir am<br />
zweiten Tag aus Zeitgründen leider nur eine<br />
Sonderausstellung sehen konnten, die uns nicht<br />
besonders überzeugt hat. Außerdem dient die<br />
Anlage als Aussichtspunkt und<br />
Naherholungsgebiet.<br />
An die Burg schließt sich ein sehr touristisches<br />
Viertel an, in dem es viele Bauten im<br />
neoklassizistischen und im Sezessionsstil gibt.<br />
Hervorzuheben sind die die stark verzierte<br />
Matthiaskirche, die Fischerbastei, die eine<br />
Attrappe einer Verteidigungsbastion im<br />
Sezessionsstil ist, die Überreste der „echten“<br />
alten Verteidigungsanlagen wie das Wiener Tor,<br />
sowie einige Museen, die uns zwar inhaltlich<br />
nicht so interessiert haben, die aber in sehr<br />
schönen Gebäuden untergebracht sind. Des<br />
Weiteren gibt es einige Denkmäler sowie viele<br />
Cafés, in denen es leckere Torten gibt. Wir<br />
haben im Ruszwurm-Café, dem Café, in dem es<br />
angeblich den besten Kuchen in Budapest gibt,<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 62
Torte gegessen und hausgemachte heiße<br />
Schokolade getrunken.<br />
Über eine der Donaubrücken kommt man vom<br />
Burgberg nach Pest, dass heute der Mittelpunkt<br />
des städtischen Lebens ist. Direkt am Ufer liegt<br />
das ungarische Parlament, dass ebenfalls im<br />
Sezessionsstil gebaut wurde und das<br />
drittgrößte Parlamentsgebäude der Welt ist.<br />
Am Morgen des zweiten Tages besichtigten wir<br />
es. Die Besichtigung kann ich auf jeden Fall<br />
weiter empfehlen. Das Gebäude ist auch von<br />
innen sehr beeindruckend. Das Viertel südlich<br />
des Parlaments direkt an der Donau ist das<br />
Geschäftszentrum der Stadt. Es gibt sehr viele<br />
neoklassizistische und sezessionistische<br />
Gebäude, den Dom, eine riesige Markthalle,<br />
einige Botschaften und Regierungsgebäude<br />
sowie einige Fußgängerzonenbereiche. Man<br />
findet auch viele (berühmte) Cafés, von denen<br />
wir am zweiten Tag auch noch eines<br />
ausprobierten. Die Fußgängerzone ist<br />
überwiegend sehr touristisch, aber man<br />
entdeckt, insbesondere im Januar, auch einige<br />
ruhige Ecken.<br />
Am zweiten Tag überquerten wir nach der<br />
Parlamentsbesichtigung die Margaretheninsel,<br />
um ins Vasarely-Museum (sehr bekannter<br />
ungarischer Künstler, Erfinder der Op-Art) zu<br />
kommen. Die Gemälde dort waren zwar sehr<br />
schön und man konnte faszinierende optische<br />
Effekte entdecken, aber ansonsten schien das<br />
Museum den Kommunismus nicht hinter sich<br />
gelassen zu haben. Die Anordnung der Gemälde<br />
wirkte nicht sehr durchdacht und die<br />
Angestellten sprachen nur Ungarisch und<br />
waren zudem nicht sehr freundlich.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Die dritte große Touristenattraktion Budapests<br />
ist der Gellertberg. Auf diesem Berg direkt an<br />
der Donau, der höher und steiler als der<br />
Burgberg ist, errichteten die Habsburger nach<br />
dem ungarischen Aufstand von 1848 eine<br />
Zitadelle. Heute hat man vom Gellertberg den<br />
wahrscheinlich besten Blick über die Stadt.<br />
Während die meisten Touristen mit Bussen auf<br />
den Berg fahren, nur kurz einige Fotos machen<br />
und dann zurück in die Busse steigen, liefen wir<br />
sowohl hoch als auch runter.<br />
Später am letzten Tag besuchten wir das<br />
jüdische Viertel, in dem jedoch heute nur noch<br />
einzelne Spuren des jüdischen Lebens – wie die<br />
drei Synagogen, einige Häuser oder einige<br />
traditionell gekleidete Fußgänger – zu finden<br />
sind. Eine der Synagogen ist die Dohány utcai<br />
Zsinagóga. Sie ist die zweitgrößte Synagoge der<br />
Welt und es gibt Führungen in vielen<br />
verschiedenen Sprachen durch die Synagoge,<br />
den angrenzenden Holocaust Gedenkpark und<br />
das ebenfalls benachbarte (kleine) jüdische<br />
Museum. Es ist eine sehr liberale Synagoge: Sie<br />
besitzt zum Beispiel eine Orgel, obwohl Juden<br />
während des Gottesdienstes kein Instrument<br />
spielen dürfen, und sie ist im maurischen Stil<br />
gebaut, weil sich der Architekt dachte, dass<br />
Judentum und Islam den gleichen Ursprung<br />
haben.<br />
Die letzte bekannte Touristenattraktion, die wir<br />
besuchten, war die Andrassy utca (utca =<br />
Straße), an die sich der Heldenplatz und das<br />
Stadtwäldchen anschließen. Entlang der Straße,<br />
die seit 2002 zum Weltkulturerbe gehört, liegen<br />
viele so genannte Wohnpaläste sowie<br />
Botschaften und andere herausragende<br />
Gebäude wie die ungarische Staatsoper. Am<br />
Ende der Straße liegt der Heldenplatz, der sehr<br />
monumental angelegt ist und an dessen Seiten<br />
sich zwei riesige Gemäldegalerien befinden.<br />
Das Stadtwäldchen ist eine Parkanlage, die im<br />
Winter eine Eisfläche besitzt, ein Heilbad, ein<br />
nachgebautes Siebenbürgener Schloss sowie<br />
einigen Seen mit Wasser aus heißen Quellen,<br />
die im Winter sehr beeindruckend gedampft<br />
haben.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht. До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 63
Vom Nils Weitzel<br />
Februar 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />
Seit meiner Ankunft in Kragujevac im Januar<br />
habe ich mich ganz gut eingearbeitet und kann<br />
dieses Mal wieder mehr über meine Arbeit<br />
schreiben. Meine Betreuerin Nataša arbeitet<br />
am zweiten Gymnasium in Kragujevac.<br />
Deswegen ist dies auch mein Hauptarbeitsplatz.<br />
Ich besuche mit ihr zusammen ihre Stunden<br />
und auch den Unterricht bei einer Kollegin von<br />
ihr, Sonja, am zweiten Gymnasium. Das zweite<br />
Gymnasium ist in einem der modernsten<br />
Schulgebäude Serbiens untergebracht, da es<br />
noch nicht sehr alt ist. Neben den allgemeinen<br />
Klassen gibt es in jedem Jahrgang auch eine<br />
philologische und eine sprachwissenschaftliche<br />
Klasse. Die Schüler lernen Deutsch als zweite<br />
Fremdsprache. Da es bis vor wenigen Jahren im<br />
Raum Kragujevac fast nicht möglich war,<br />
Deutsch in der Grundschule zu lernen, geht<br />
man davon aus, dass die Schüler ohne<br />
Vorkenntnisse auf das Gymnasium kommen. In<br />
den allgemeinen Klassen sind zumeist ungefähr<br />
30 Schüler(innen), die alle dieselbe zweite<br />
Fremdsprache lernen. Deswegen ist es dort<br />
relativ anstrengend, weil die Klassen eigentlich<br />
zu groß sind, um effektiven<br />
Fremdsprachenunterricht zu haben. Aus<br />
diesem Grund habe ich bei diesen Klassen nicht<br />
so viel Zeit verbracht.<br />
Im Gegensatz dazu sind in den philologischen<br />
und sprachwissenschaftlichen Klassen meist<br />
nur 10 bis 15 Schüler, wobei die Mehrzahl<br />
eindeutig weiblich ist. Zudem ist das Interesse<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
an Fremdsprachen dort im Allgemeinen sehr<br />
viel höher als in den allgemeinen Klassen. Mit<br />
diesen Klassen kann man dementsprechend<br />
sehr viel besser arbeiten und auch der Einsatz<br />
von modernen Unterrichtsmethoden wie<br />
Gruppenarbeit oder moderner Medien ist hier<br />
besser möglich. Deswegen macht mir der<br />
Unterricht hier viel mehr Spaß. Außerdem ist es<br />
auch einfacher für mich alleine zu unterrichten,<br />
da ich generell mit kleinen Klassen besser<br />
arbeiten kann. Obwohl ich mittlerweile sehr<br />
viel besser als am Anfang Serbisch spreche und<br />
die Schüler auch fast alle Englisch sprechen,<br />
kann ich in diesen speziellen Klassen<br />
normalerweise die ganze Stunde nur auf<br />
Deutsch sprechen und die Schüler verstehen<br />
mich fast immer, auch wenn es am Anfang<br />
etwas dauert, bis sie sich an meine Aussprache<br />
gewöhnten.<br />
Wenn ich alleine Unterricht hatte, habe ich in<br />
den Klassen, die noch auf einem relativ<br />
niedrigen Niveau sind, meistens<br />
Wortschatzübungen gemacht zu Dingen, die<br />
man sehr oft braucht, wenn man sich ein wenig<br />
auf Deutsch unterhalten will oder in ein<br />
deutschsprachiges Land reist, wie zum Beispiel<br />
Wegbeschreibungen, Farben oder Tiere. Mit<br />
den Klassen, die schon besser Deutsch<br />
sprechen, kann ich auch über Themen<br />
sprechen, die für Jugendliche interessant sind,<br />
wie zum Beispiel Freundschaft oder Zukunft.<br />
Außerdem kann man mit ihnen auch<br />
anspruchsvollere Themen wie Märchen oder<br />
verschiedene Teile der Landeskunde<br />
bearbeiten. Eine weitere Schule, an der ich<br />
gelegentlich Stunden habe, ist das erste<br />
Gymnasium. Es ist das älteste Gymnasium im<br />
modernen serbischen Staat und ist in einem,<br />
von außen, sehr beeindruckenden Gebäude<br />
untergebracht. Es ist vor allem auf<br />
Naturwissenschaften spezialisiert.<br />
Dementsprechend gibt es keine speziellen<br />
sprachlichen Klassen. Die Schüler beginnen<br />
auch hier Deutsch in der ersten Klasse des<br />
Gymnasiums zu lernen. Allerdings hatte ich hier<br />
nur wenige Stunden dort, sodass ich nur<br />
wenige Klassen kennen gelernt habe und auch<br />
in diesen habe ich mich oft nur vorgestellt und<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 64
vielleicht noch ein paar Stunden danach<br />
gehabt, aber ich habe nicht so intensiv mit<br />
ihnen gearbeitet wie mit den Schülern des<br />
zweiten Gymnasiums. Ein lustiges Erlebnis<br />
hatte ich aber einmal, als ich an einem Tag<br />
sechs Stunden hintereinander in Klassen hatte,<br />
in denen ich zuvor noch nicht gewesen war. In<br />
den meisten Klassen stelle ich mich kurz vor,<br />
dann stellen sich die Schüler vor, je nach<br />
Klassengröße manchmal auch nur ein paar, und<br />
danach sollen mir die Schüler noch Fragen<br />
stellen über alles, was sie interessiert. Nun<br />
hatte ich den Fall, dass ich von sechs Klassen<br />
hintereinander zu 90 % immer dasselbe gefragt<br />
wurde, sodass ich der Lehrerin am Ende<br />
vorschlug, ich könne doch meine Antworten auf<br />
Band aufnehmen, weil sowieso alle das gleiche<br />
fragen.<br />
Sowohl Nataša als auch Sonja haben auch noch<br />
Sprachkurse des DAAD (Deutschen<br />
akademischen Austausch Dienstes) an der<br />
Universität in Kragujevac. Diese kann jeder<br />
besuchen, der Lust hat und außer den<br />
Lehrmaterialien muss man nichts dafür<br />
bezahlen, was für Serbien nicht üblich ist. Im<br />
Moment haben beide einen Anfängerkurs<br />
(Niveau A1 nach dem europäischen<br />
Referenzrahmen). In diesen Stunden war ich<br />
mehrmals dabei und sie machen mir auch<br />
relativ viel Spaß. Dies liegt daran, dass die<br />
Schüler meistens interessierter sind Deutsch zu<br />
lernen als an den Schulen, dass sie, für ihre<br />
Lernzeit, schon relativ gut Deutsch sprechen<br />
und dass sie an mehr Themen in Bezug auf<br />
Deutschland interessiert sind als viele Schüler.<br />
Nataša hat außerdem einmal in der Woche<br />
noch eine Gruppe von vier Kindern zwischen 12<br />
und 15 Jahren, die sie privat unterrichtet. Mit<br />
einigen von ihnen macht mir der Unterricht<br />
auch viel Spaß, weil sie sehr gerne lernen, auch<br />
wenn man oft viel wiederholen muss, aber<br />
wenn man sehr einfach spricht, kann man sich<br />
schon ein wenig mit ihnen unterhalten.<br />
Außerdem helfe ich Nataša und Sonja<br />
manchmal bei Übersetzungen, mit deutschen<br />
Texten oder bei Privatstunden, wenn sie<br />
Schüler haben, die schon gut Deutsch sprechen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
und für die es hilfreich ist, wenn sie sich einmal<br />
mit einem Muttersprachler unterhalten.<br />
Daneben habe ich mich auch in Kragujevac<br />
allgemein gut eingelebt, sodass ich einen<br />
kleinen Stadtführer über Kragujevac für alle, die<br />
selber einmal hierher reisen wollen,<br />
geschrieben habe, in den meine Erfahrungen<br />
mit der Stadt eingeflossen sind:<br />
Die meisten interessanten Punkte in Kragujevac<br />
erreicht man innerhalb von maximal 30<br />
Minuten in der Innenstadt. Wenn man von der<br />
Autobusstation kommt, wo man am häufigsten<br />
ankommt, wenn man die Stadt mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln erreicht, überquert man als<br />
erstes den Bach Lepenica, der die Stadt in zwei<br />
Hälften teilt. Auf der Seite der Autobusstation<br />
ist der größte Teil der Industrie untergebracht,<br />
insbesondere das Automobilunternehmen<br />
Zastava, der größte Arbeitgeber der Stadt und<br />
zugleich der einzige serbische<br />
Automobilkonzern, der hier seinen Sitz hat.<br />
Auf der anderen Seite sind der größte Teil der<br />
Wohngebiete und das Stadtzentrum.<br />
Nach der Überquerung der Lepenica sieht man<br />
schon die Sporthalle „Hala Jezero“, in der alle<br />
guten Sportmannschaften des Vereins<br />
„Radnički Kragujevac“ spielen, unter anderem<br />
kann man sich Volleyball, Basketball und<br />
Handball ansehen. Über den Vater meiner<br />
Betreuerin Nataša, der für den Verein arbeitet,<br />
komme ich umsonst Tickets für zahlreiche<br />
Sportveranstaltungen. Wenn ich Zeit habe,<br />
schaue ich mir deswegen fast alle Volleyball-<br />
und Basketballspiele an. Im Volleyball ist<br />
Kragujevac Tabellenführer in Serbien und auch<br />
im Basketball spielt der Verein in der höchsten<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 65
serbischen Liga. Für serbische Verhältnisse ist<br />
die Halle mit ca. 3000 Zuschauerplätzen<br />
ziemlich groß und auch relativ komfortabel, da<br />
alle Plätze bestuhlt sind. Der Name der Halle ist<br />
von dem benachbarten See abgeleitet, der von<br />
einem kleinen Park sowie einem guten<br />
Restaurant umgeben ist und sich somit<br />
hervorragend für Spaziergänge eignet.<br />
Direkt daneben ist das Roda Centar, ein im<br />
letzten Jahre eröffnetes Einkaufszentrum, das<br />
an sieben Wochentagen bis abends um 22.00<br />
Uhr geöffnet ist. Hier treffen sich viele<br />
Jugendliche, da es in Serbien nur wenige<br />
„westliche“ Einkaufszentren gibt und es somit<br />
eine große Attraktion ist.<br />
Von hier aus kann man in zehn Minuten zur<br />
Fußgängerzone laufen. Auf dem Weg dorthin<br />
kommt man am Rathaus vorbei, das den<br />
Eindruck eines kommunistischen Funktionsbaus<br />
erweckt. Hier und in der angrenzenden<br />
Polizeistation habe ich viel Zeit bei meinen<br />
zahlreichen An- und Abmeldungen verbracht.<br />
Geht man weiter, verschönert sich die Gegend,<br />
im Sommer sieht man einige Straßencafés.<br />
Anschließend erreicht man die Post und direkt<br />
daneben das Hotel Kragujevac, in dem viele<br />
große Feiern stattfinden. Das Gebäude der Post<br />
ist auch noch nicht so alt, aber sehr viel<br />
geschmackvoller als das Rathaus. Am Platz<br />
befindet sich außerdem der „Peron“<br />
(Eisenbahnwagon), ein bekanntes Café mit sehr<br />
guten Pfannkuchen.<br />
Anschließend erreicht man die Fußgängerzone,<br />
die aus vier Straßen besteht. In ihr gibt es<br />
zahlreiche kleine und große Geschäfte und sehr<br />
viele Cafés. Die Häuser besitzen zum Teil noch<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
alte Bausubstanz mit einigen schönen<br />
Verzierungen, zum Teil sind es Neubauten aus<br />
der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. An einer<br />
der größten Ausfallstraßen, die zum Teil auch<br />
zur Fußgängerzone gehört, liegt die größte<br />
Kirche der Stadt, die wie fast alle orthodoxen<br />
Kirchen sehr schön aussieht.<br />
Folgt man der Straße, trifft man auf zahlreiche<br />
kleine Imbisse, Cafés, Kneipen, eine Diskothek<br />
sowie den „Veliki Park“ (Großen Park).<br />
Biegt man nach links ab, erreicht man das<br />
Theater und das erste Gymnasium. Sie sind<br />
beide die jeweils ersten im modernen<br />
serbischen Staaten, sind in sehr schönen,<br />
monumentalen Gebäuden untergebracht und<br />
repräsentieren das Gefühl der Menschen, dass<br />
Kragujevac im Herzen Serbiens liegt. Auf dem<br />
Platz vor dem ersten Gymnasium ist ein<br />
Denkmal für Vuk Karadžid, den großen<br />
Reformator der serbischen Sprache.<br />
Folgt man der kleinen Straße hinab zur<br />
Lepenica, trifft man auf einen typischen<br />
serbischen Markt, das Stadtmuseum sowie eine<br />
weitere große Ausfallstraße, an der zahlreiche<br />
kleine Geschäfte liegen. Überquert man den<br />
Fluss, wobei man sich die verzierten Brücken<br />
genau ansehen sollte, weil darin die<br />
Jahresdaten von vier serbischen Aufständen<br />
eingraviert sind, kommt man zur alten Kirche<br />
sowie zum ersten Parlament des modernen<br />
serbischen Staates. Darin ist heute ein Museum<br />
untergebracht, das aber wie viele Museen in<br />
Serbien zurzeit renoviert wird.<br />
Der Veliki Park eignet sich hervorragend für<br />
Spaziergänge und ruhige Abende im Freien.<br />
Direkt daneben befindet sich die<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 66
Maschinenbaufakultät, deren Gebäude jedoch<br />
ein reiner Funktionsbau ist. Geht man noch<br />
weiter in den Park, trifft man auf eine weitere<br />
Diskothek sowie anschließend auf den großen<br />
Gedenkpark Šumarice, der ein Museum in<br />
einem sehr interessanten Bau sowie zahlreiche<br />
Denkmäler umfasst. Er wurde in Erinnerung an<br />
ein Massaker der deutschen Wehrmacht<br />
während des zweiten Weltkrieges eingerichtet,<br />
bei dem ca. 3000 Zivilisten ermordet wurden,<br />
darunter eine komplette Schulklasse des<br />
Gymnasiums. Der Park eignet sich heute auch<br />
sehr gut für Spaziergänge und Picknicks. Direkt<br />
daneben ist ein Stausee, der Šumarice jezero, in<br />
dem einige mutige Menschen auch baden, aber<br />
niemand weiß genau, ob die Qualität des<br />
Wassers gut genug dafür ist. Die meisten<br />
Menschen sitzen nur am Strand, treiben Sport<br />
oder sitzen in einem der benachbarten Cafés.<br />
Ca. 20 Minuten außerhalb der Innenstadt<br />
befindet sich das zweite Gymnasium auf einem<br />
Hügel, direkt neben den Fakultäten für Jura und<br />
Ökonomie. Es ist in einem sehr modernen und<br />
sehr schönen Gebäude untergebracht, dass<br />
man schon von weitem gut erkennen kann.<br />
Wenn man tagsüber die Stadt besichtigt hat,<br />
sollte man noch wissen, wie man den Abend<br />
normalerweise verbringt. Bis ungefähr 21 Uhr<br />
sitzen die meisten Menschen in Cafés oder<br />
Restaurants, anschließend in Kneipen und ab<br />
ca. 1 Uhr begibt man sich in Diskotheken und<br />
Nachtclubs. Wenn man nicht genau, weiß,<br />
wohin man möchte, sieht man sich am besten<br />
in der Innenstadt um, hier findet man eigentlich<br />
alles. Auch in den anderen Stadtteilen kann<br />
man fündig werden, aber hier sollte man sich<br />
besser von einem Einheimischen führen lassen.<br />
Die meisten Stadtteile außerhalb der<br />
Innenstadt bestehen vor allem aus<br />
Wohngebieten, z.B. die Großwohnsiedlungen<br />
Aerodrom und Erdoglija. Zumeist findet man<br />
auch noch einige Geschäfte und Cafés dort. In<br />
die Innenstadt kommt man am besten mit dem<br />
Taxi, das, im Vergleich zu deutschen Städten,<br />
sehr billig ist. Noch billiger sind die Busse, bei<br />
denen man aber nie weiß, wann sie kommen,<br />
da der Fahrplan nicht so exakt eingehalten<br />
wird, dass man sich wirklich auf ihn verlassen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
könnte. Man kann eigentlich alles Wesentliche<br />
in Kragujevac an einem Tag besichtigen. Wenn<br />
man mehr Zeit hier verbringen möchte,<br />
empfiehlt es sich Leute zu kennen, die einem<br />
die unterschiedlichen Ausgehmöglichkeiten<br />
zeigen können, die wissen, was man in der<br />
Umgebung noch besichtigen kann, und die<br />
einem zahlreiche schöne Einblicke in das<br />
serbische Leben geben können.<br />
Glücklicherweise habe ich auch in Kragujevac<br />
schon einige gute Freunde getroffen, die mir<br />
die Stadt zeigen konnten und mit denen ich<br />
schon einige schöne Stunden verbracht habe.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 67
Vom Nils Weitzel<br />
März 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />
Auch im März habe ich wieder hauptsächlich<br />
am zweiten Gymnasium gearbeitet. Dort hat<br />
sich im Vergleich zum Februar nicht viel<br />
verändert. Ich habe wieder recht viel Spaß mit<br />
den philologischen Klassen gehabt. Es wurden<br />
viele Tests geschrieben, bei deren Korrektur ich<br />
geholfen habe, weil die Schüler vor Ostern ihre<br />
nächste Dreimonatsnote bekommen.<br />
Mittlerweile habe ich auch die germanistische<br />
Fakultät, die es in Kragujevac gibt, kennen<br />
gelernt. Da die Deutschlehrergemeinde<br />
allgemein in Serbien und innerhalb der meisten<br />
Städten nicht so groß ist, kennen sich die<br />
meisten untereinander. Dadurch habe ich auch<br />
ein paar der Professoren kennen gelernt, die an<br />
der Uni arbeiten. Zwei Professorinnen habe ich<br />
auch im Unterricht begleitet. Dadurch habe ich<br />
alle vier Studienjahre kennen gelernt.<br />
Im ersten Jahr sind es meistens ungefähr 25<br />
Studenten, die ein Germanistikstudium<br />
beginnen. Darunter sind einige, die längere Zeit<br />
in einem deutschsprachigen Land gelebt haben,<br />
einige, die in der Schule oder in Privatstunden<br />
schon gut bis sehr gut Deutsch gelernt haben<br />
und einige, die Deutsch studieren, weil sie kein<br />
anderes Fach gefunden haben, in dem sie<br />
besser waren, insbesondere weil es wenig<br />
Bewerber gibt, sodass fast alle genommen<br />
werden. Im vierten Studienjahr sind es dann<br />
meistens nur noch ca. 15 Studenten, die das<br />
Studium mit einem serbischen Diplom<br />
abschließen. In Serbien gibt es keine<br />
Unterscheidung zwischen Studenten, die auf<br />
Lehramt studieren und solchen, die zum<br />
Beispiel als Übersetzer arbeiten wollen.<br />
Dadurch sind Methodik und Didaktik keine<br />
Schwerpunkte des Studiums. Dies habe ich<br />
gemerkt, weil ich den Methodikunterricht im<br />
vierten Studienjahr relativ regelmäßig besuche,<br />
da ich dort auch noch einiges lernen kann.<br />
Jedoch habe ich das Gefühl, dass die meisten<br />
Studenten nicht sehr viel über Methodik wissen<br />
und ich habe somit bei vielen auch Probleme<br />
mir vorzustellen, dass sie ab nächstem Jahr in<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
einer Schule unterrichten werden. Weitere<br />
Fächer, die ich kennen lernte, sind<br />
Konversation im Rahmen von<br />
Gegenwartsdeutsch, Übersetzung und Aufsatz,<br />
wobei ich nur den Konversationsunterricht im<br />
ersten Studienjahr häufiger besucht habe. Dort<br />
habe ich zusammen mit der Professorin einige<br />
landeskundliche Themen bearbeitet wie zum<br />
Beispiel das Deutschlandbild der Studenten,<br />
deutschsprachige Musik und<br />
Rechtsextremismus. Als Abschluss der<br />
Unterrichtseinheit haben wir außerdem über<br />
Vorurteile gegenüber anderen Ländern und<br />
Toleranz gesprochen. Dies macht mir sehr viel<br />
Spaß, da die Studenten häufig gut mitarbeiten<br />
und sie einfach viel besseres Deutsch sprechen<br />
als die Schüler, sodass ich mit ihnen auch<br />
anspruchsvollere Themen und Texte bearbeiten<br />
kann. Außerdem wird von der Fakultät auch ein<br />
Projekt veranstaltet, das sich Sprachcafé nennt.<br />
Ungefähr alle zwei Wochen finden dort<br />
Filmvorführungen, Präsentationen oder<br />
Vorführungen von Studenten statt, zu denen<br />
jeder kommen kann. Bei den Vorbereitungen<br />
helfe ich relativ häufig. So gab es zum Beispiel<br />
eine Theateraufführung von Studenten, bei der<br />
ich bei den Proben mehrmals dabei war und ein<br />
paar sprachliche Tipps gegeben habe sowie<br />
einige andere Tipps zur besseren<br />
Verständlichkeit des Stücks, das eine<br />
Übersetzung eines bekannten serbischen Films<br />
war. Des Weiteren habe ich unter anderem bei<br />
der Vorbereitung einer Filmvorführung<br />
geholfen, um einige sprachliche Wendungen zu<br />
erklären, die nicht sehr gebräuchlich sind. Bei<br />
der Organisation des Sprachcafés habe ich auch<br />
eine deutsche Lektorin kennen gelernt, die an<br />
der Uni arbeitet. Mit ihr habe ich mich auch<br />
sonst ein paar Mal getroffen, da es schön ist,<br />
sich einmal mit einer „echten“ Deutschen zu<br />
unterhalten und vor allem die zahlreichen<br />
Erfahrungen, die wir beide in Serbien<br />
gesammelt haben, auszutauschen.<br />
10 Tage lang bin ich Ende März in die Türkei<br />
gereist, nach Istanbul und Bartin sowie Amasra,<br />
zwei Orte am Schwarzen Meer. Die Reise war<br />
für mich eine Mischung aus Abenteuerreise,<br />
Städtetourismus, Bildungsreise und<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 68
Wiedersehen mit Freunden. Von Kragujevac bin<br />
ich zunächst mit dem Bus nach Niš im Süden<br />
Serbiens gefahren. Nach einer kurzen<br />
Stadtbesichtigung, u.a. die Festung sowie Teile<br />
der Innenstadt, bin ich mit dem Zug weiter<br />
zunächst bis Sofia und anschließend nach<br />
Istanbul gefahren. Insgesamt bin ich ca. 24<br />
Stunden über den Balkan gefahren. Vor allem<br />
zwischen Niš und Sofia war der Zug extrem<br />
langsam, da die Bahnstrecke in keinem guten<br />
Zustand ist. So hatte ich aber genug Zeit die<br />
wunderschöne Schlucht zwischen Niš und der<br />
bulgarischen Grenze zu genießen.<br />
In Sofia musste ich den Zug wechseln und dabei<br />
noch eine Reservierung für den Schlafwagen<br />
nach Istanbul kaufen. Dabei bezahlte ich wie<br />
wahrscheinlich die meisten ausländischen<br />
Touristen mehr als die Karte eigentlich kostet<br />
und auch auf dem Rückweg wollte ein<br />
Mitarbeiter, der mir den Zug zeigte ohne dass<br />
ich ihn danach fragte, ein üppiges Trinkgeld,<br />
was ich jedoch ablehnte. Aus diesem Grund ist<br />
mein Eindruck vom Bahnhof in Sofia nicht<br />
unbedingt der beste. Die Stadt selber sah man<br />
kaum, aber das, was man sah, wirkte nicht sehr<br />
schön: viele Hochhäuser und einige<br />
Hüttensiedlungen. Das einzige, was sehr<br />
interessant wirkte, war die Lage, da sich die<br />
Stadt selber in einer Ebene befindet aber direkt<br />
daneben verschneite Berge liegen.<br />
Im Schlafwagen traf ich dann noch zwei<br />
Schweizer, deren Reisepläne noch<br />
abenteuerlicher waren als meine und die auch<br />
schon von der Schweiz aus mit dem Zug<br />
gekommen waren. Von der Ebene ging es<br />
wieder in ein Mittelgebirge, von dem wir aber<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
nicht mehr so viel mitbekamen, weil es relativ<br />
schnell dunkel wurde. Erst an der Grenze zur<br />
Türkei wurden wir wieder aufgeschreckt. Die<br />
bulgarische Kontrolle verlief noch relativ<br />
gesittet, aber die türkischen Zöllner ließen uns<br />
aussteigen und alle mussten zu Fuß zur<br />
Grenzstation laufen, lange warten und sich<br />
dann ihren Einreisestempel abholen.<br />
Anschließend ging es bei Nacht weiter bis kurz<br />
vor Istanbul. Die riesigen Ausmaße der Stadt<br />
nimmt man am besten war, wenn man mit dem<br />
Zug kommt, da man eine Stunde durch<br />
verschiedenste Stadtviertel fährt, bis man im<br />
Stadtzentrum ankommt. Das Highlight ist die<br />
letzte Viertelstunde, in der man den Hügel, auf<br />
dem die Altstadt mit vielen großen Moscheen<br />
und dem Sultanspalast liegt, umrundet.<br />
Mein Hostel lag im neueren Stadtzentrum auf<br />
einem Hügel auf der anderen Seite des<br />
Goldenen Horns, einem Seitenarm des<br />
Bosporus. Dort habe ich viele Menschen<br />
kennen gelernt und mit einigen von ihnen habe<br />
ich auch etwas in Istanbul unternommen. Ich<br />
war zunächst drei Tage dort und am Ende noch<br />
einmal eineinhalb. Während dieser Zeit bin ich<br />
vor allem viel gelaufen und habe probiert viele<br />
Stadtteile zu Fuß zu erkunden. Dabei habe ich<br />
unterschiedlichste Teile kennen gelernt, von<br />
ärmlichen und streng religiösen Vierteln bis zu<br />
westlich anmutender Einkaufsviertel. Ich habe<br />
probiert eine Mischung aus dem Besichtigen<br />
der touristischen Sehenswürdigkeiten, der<br />
historischen Zeugnisse, der Viertel ohne<br />
Touristen und den interessanten Punkten des<br />
modernen Istanbuls zu finden.<br />
Die meisten touristischen Sehenswürdigkeiten<br />
liegen im Stadtteil Sultanahmet auf mehreren<br />
Hügeln. Hier lag sowohl das byzantinische als<br />
auch das osmanische Zentrum.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 69
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten zählen<br />
der Sultanspalast, die Aya Sofya, zuerst<br />
christliche Kirche, dann Moschee, heute<br />
Museum, die Blaue Moschee und der große<br />
Bazar. Einige weitere Tipps von mir sind das<br />
Aquädukt oberhalb der Atatürkbrücke, die<br />
Promenade entlang des Goldenen Hornes, auf<br />
der am Wochenende viele Einheimische<br />
spazieren gehen, sowie das Gebäude des<br />
ehemaligen griechischen Patriarchats, das sehr<br />
groß und sehr schön verziert aber leider nicht<br />
zu besichtigen ist.<br />
Das zweite sehr touristische Viertel ist Taksim,<br />
in dem auch mein Hostel lag. Es besteht vor<br />
allem aus einer großen Fußgängerzone, die fast<br />
den ganzen Tag über voll von Menschen ist. An<br />
ihr sowie in den benachbarten Gassen gibt es<br />
zahlreiche Geschäfte, Cafés, Bars, Diskotheken<br />
und Restaurants. Am unteren Ende steht der<br />
hohe Galata-Turm, der ein Teil der alten<br />
Stadtbefestigung ist. Am oberen Ende befindet<br />
sich ein großer Park mit mehreren neuen und<br />
zum Teil architektonisch anspruchsvollen<br />
Hochhäusern. Was mir ebenfalls sehr gefiel,<br />
war das Ufer des Bosporus, das oft sehr belebt<br />
ist, an dem es einen weiteren Sultanspalast,<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
mehrere Moscheen, das Museum für moderne<br />
Kunst sowie einige Bazare gibt, die manchmal<br />
touristisch wirken, wo man aber oft auch nur<br />
Einheimisch sieht.<br />
Empfehlen kann ich außerdem eine Fahrt mit<br />
einer der Fähren über den Bosporus, die sehr<br />
billig sind und während der man einen schönen<br />
Blick auf die Stadt hat. Die asiatische Seite der<br />
Stadt ist dagegen meiner Meinung nach nicht<br />
so interessant, weil viele hübsche Gebiete<br />
militärisches Sperrgebiet sind.<br />
Daneben empfehle ich jedem Istanbulreisenden<br />
möglichst viele verschiedene Viertel zu<br />
besuchen, da sich die Atmosphäre manchmal<br />
alle zwei Straßen ändert. Ob man sich eher in<br />
wohlhabende oder ärmere Viertel, religiöse<br />
oder weltlichere begibt, bleibt dabei dem<br />
Geschmack eines jeden Reisenden überlassen.<br />
Tipps habe ich auch noch von einer<br />
Einheimischen erhalten. Tümay ist<br />
Englischlehrerin in Istanbul und wir haben<br />
einen halben Tag zusammen verbracht. Ich<br />
habe sie letztes Jahr in Ingolstadt während des<br />
Austausches kennen gelernt. Sie hat mir auch<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 70
geholfen den zweiten Teil meiner Reise zu<br />
organisieren. Ich bin nach Bartin, eine<br />
Kleinstadt zwanzig Kilometer vom Schwarzen<br />
Meer entfernt, sowie Amasra, ein Dorf direkt<br />
am Schwarzen Meer, gefahren.<br />
Insgesamt sieben Stunden dauerte die Fahrt<br />
mit dem Bus jeweils, war aber eigentlich recht<br />
angenehm, da der Service wegen der hohen<br />
Konkurrenz der Busunternehmen in der Türkei<br />
recht gut ist. Mein einziges Problem war, dass<br />
ich mich mit niemandem unterhalten konnte,<br />
weil außerhalb von Istanbul und einigen<br />
Touristenorten nur wenige Menschen<br />
Fremdsprachen beherrschen. Auch die meisten<br />
Menschen, die ich in Bartin getroffen habe,<br />
sprechen nur wenig Englisch. Die Einzigen, mit<br />
denen ich mich gut unterhalten konnte, waren<br />
ein Englischlehrer, der auch den Austausch mit<br />
Ingolstadt organisiert, sowie ein Mädchen, das<br />
früher einmal in Deutschland gelebt hat. Ich bin<br />
nach Bartin gefahren, da alle Mitglieder der<br />
türkischen Gruppe, die ich in Ingolstadt kennen<br />
lernte, außer Tümay, dorther kommen. Bartin<br />
ist eine normale Kleinstadt, in einer schönen,<br />
bergigen Gegend. Amasra ist wesentlich<br />
hübscher, ein kleines Dorf, an einer steilen<br />
Küste, das schon von den Römern als Hafen<br />
genutzt wurde.<br />
Ein besonderes Highlight war, dass ich an<br />
einem Vormittag zusammen mit dem<br />
Englischlehrer ein türkisches Gymnasium<br />
besuchen durfte. Die Schüler dort tragen alle<br />
Schuluniformen und auch die Lehrer haben<br />
recht strenge Kleidervorschriften. Ansonsten ist<br />
das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern<br />
aber meiner Meinung noch freundschaftlicher<br />
und direkter als in Serbien. Der Unterricht ist<br />
häufig ebenfalls nicht von modernen Methoden<br />
sondern vom Auswendiglernen geprägt, da dies<br />
in den Aufnahmeprüfungen für die<br />
Universitäten gefordert wird. Aus einem Grund,<br />
den ich bislang noch nicht gefunden habe,<br />
haben die Schüler große Probleme mit<br />
Fremdsprachen. Während an den Gymnasien in<br />
Serbien die Schüler fast alle gut Englisch<br />
sprechen, sind dies in der Türkei nur die<br />
wenigsten.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Insgesamt hatte ich eine sehr schöne Zeit in der<br />
Türkei, in der ich viele interessante Erfahrungen<br />
machte. Ich habe mit Istanbul eine<br />
faszinierende Großstadt kennen gelernt. Die<br />
meisten Menschen, die ich traf, insbesondere<br />
in Bartin, waren sehr freundlich und haben sich<br />
trotz Sprachproblemen toll um mich<br />
gekümmert, sodass ich gerne noch einmal<br />
dorthin zurückkehren möchte.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />
Euer Nils.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 71
Vom Nils Weitzel<br />
April 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />
Im April habe ich noch eine weitere Schulform<br />
kennen gelernt, die ich bisher nur aus Berichten<br />
kannte: die Grundschule. Im Sprachcafé (siehe<br />
den Bericht von März) der germanistischen<br />
Fakultät traf ich eine Deutschlehrerin, die mich<br />
fragte, ob ich Lust habe, ein paar Stunden bei<br />
ihr zu besuchen. Die Kinder, deren Unterricht<br />
ich mir anschaute, sind zwischen 10 und 12<br />
Jahren und besuchen die 5. und 6. Klasse. Sie<br />
beginnen in der 5. Klasse Deutsch zu lernen. Da<br />
Deutsch erst seit 2 Jahren als zweite<br />
Fremdsprache unterrichtet wird, gibt es keine<br />
älteren Schüler, die Deutsch lernen, an der<br />
Grundschule, die insgesamt acht Jahre dauert.<br />
Die meisten Schüler an der Grundschule sind<br />
sehr fasziniert von mir, dass ich als Deutscher<br />
ihren Unterricht besuche. Dadurch sind sie fast<br />
immer sehr aufmerksam, wenn ich etwas sage,<br />
andererseits waren sie aber vor allem am<br />
Anfang auch sehr nervös, weil sie nichts<br />
Falsches sagen wollten. Mit der Zeit gewöhnten<br />
sie sich aber an mich und ich glaube, dass sie<br />
insgesamt mehr lernen als vorher, weil der<br />
Unterricht durch meine Anwesenheit für sie viel<br />
interessanter ist.<br />
Außer in der Grundschule unterrichtet diese<br />
Lehrerin auch in einer privaten Sprachschule in<br />
Kragujevac. Dort habe ich auch Stunden von ihr<br />
besucht. Die Gruppen dort sind sehr klein, im<br />
Normalfall nicht mehr als vier Schüler. Dadurch<br />
kann ich manchmal ganz individuell mit<br />
einzelnen Schülern arbeiten. Ansonsten sind<br />
meine Aufgaben ähnlich wie in den staatlichen<br />
Schulen. Was aber interessant ist, ist, dass die<br />
Schüler häufig an anderen Themen interessiert<br />
sind als die meisten Jugendlichen, was vor<br />
allem daran liegt, dass sie häufig schon ein<br />
Studium beendet haben. Dadurch habe ich zum<br />
Beispiel einmal über die deutsche Wirtschaft<br />
gesprochen, obwohl die Schüler nur relativ<br />
wenig Deutsch gesprochen haben, aber ich<br />
habe festgestellt, dass man fast alle Sachen in<br />
sehr einfachem Deutsch ausdrücken kann,<br />
wenn man sich nur entsprechend bemüht.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Daneben hatte ich auch weiterhin die meisten<br />
Stunden am zweiten Gymnasium. Außerdem<br />
besuchte ich noch einige Stunden an der<br />
Fakultät sowie am ersten Gymnasium. Für ein<br />
paar Gruppen, die Lust hatten, habe ich<br />
während der Osterferien alleine Stunden<br />
gehalten, weil viele Lehrer, u.a. auch Nataša, im<br />
Urlaub waren, aber ich, nachdem ich vorher in<br />
der Türkei war, diesmal nur ein paar Ausflüge<br />
von Kragujevac aus gemacht habe. Dies hat viel<br />
Spaß gemacht, weil die Gruppen alle Lust<br />
hatten etwas zu lernen und ich mir deswegen<br />
einige interessante und zum Teil lustige<br />
Aufgaben ausdenken konnte.<br />
In Serbien fand Ostern dieses Jahr eine Woche<br />
später statt als in Deutschland. Dies hängt mit<br />
den unterschiedlichen Kalendern von<br />
orthodoxer und katholischer bzw.<br />
evangelischer Kirche zusammen. Nach meiner<br />
Einschätzung ist Ostern das wichtigste<br />
Familienfest des Jahres in Serbien. Fast alle<br />
Menschen, die ich kenne, haben Ostern mit<br />
ihrer Familie oder zumindestens einem Teil<br />
davon verbracht. Aus diesem Grund habe ich<br />
mich in Kragujevac richtig einsam gefühlt, da<br />
ein Großteil meiner Freunde (Schüler und<br />
Studenten) zu Verwandten in allen Teilen des<br />
ehemaligen Jugoslawiens gefahren ist. Da<br />
Kragujevac eine Schüler- und Studentenstadt<br />
ist, macht sich dies besonders bemerkbar, weil<br />
viel mehr Menschen von Kragujevac wegfahren<br />
als dorthin zu Verwandten kommen. Daran<br />
kann man auch sehen, dass die Verstädterung<br />
in Serbien in den letzten 20 bis 30 Jahren stark<br />
zugenommen hat, weil die Großeltern vieler<br />
Menschen noch in irgendwelchen Dörfern<br />
leben, während die Eltern zum Arbeiten und die<br />
Kinder zum Studieren in die Städte ziehen. Das<br />
Osterfest beginnt mit dem wichtigsten Feiertag<br />
der orthodoxen Kirche, dem Karfreitag (Veliki<br />
Petak = Großer Freitag). Alle Gläubigen fasten<br />
an diesem Tag, was bedeutet, dass man kein<br />
Fleisch und keine Milchprodukte ist. Außerdem<br />
ist jede Art von Arbeit verboten.<br />
Den besonders Gläubigen wird von der Kirche<br />
empfohlen sich wenig zu bewegen und in der<br />
Bibel zu lesen. Außerdem färben die Menschen<br />
an diesem Tag und am anschließenden Samstag<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 72
Eier für die weiteren beiden Feiertage. Der<br />
Ostersonntag ist dann der Höhepunkt des<br />
Osterfestes. An diesem Tag isst man sehr viel,<br />
vor allem (gefärbte) Eier und Lammfleisch<br />
gehören ähnlich wie in Deutschland zu einem<br />
typischen Ostermahl. Zu den Osterbräuchen<br />
gehört auch das Eierditschen. Der Ostermontag<br />
ist dann wie in Deutschland noch ein Feiertag<br />
aber er hat eine geringere Bedeutung als der<br />
Karfreitag und der Ostersonntag. Ich habe das<br />
Gefühl, dass Ostern das ruhigste, familiärste<br />
und religiöseste Fest in Serbien ist.<br />
Weihnachten wird eigentlich nur 1½ Tage<br />
innerhalb der Familie und mit religiösen<br />
Bräuchen gefeiert und anschließend feiert man<br />
zusammen mit Freunden die restlichen<br />
Feiertage. Die ursprünglich ebenfalls religiösmotivierten<br />
Slava-Feiern werden vor allem von<br />
Jugendlichen heutzutage als gute Möglichkeit<br />
zum Feiern mit Familie und Freunden<br />
angesehen. Dagegen wird Ostern von fast allen<br />
ausschließlich mit der Familie und mit viel<br />
Besinnlichkeit gefeiert.<br />
Während der Osterferien habe zwar auch<br />
einige Lehrer vertreten und somit waren es<br />
keine richtigen Ferien aber für zwei<br />
Eintagesausflüge hatte ich noch Zeit.<br />
Zunächst war ich in Kraljevo. Das ist eine<br />
mittelgroße Stadt ca. 50 km südlich von<br />
Kragujevac. Ich habe mir die Stadt angeschaut<br />
und eine Wanderung zum Kloster Žiča, einer<br />
sehr bekannten Klosteranlage, und nach<br />
Mataruška Banja, einem bekannten Kurort,<br />
gemacht.<br />
Die Fahrt nach Kraljevo war eine typische<br />
serbische Busfahrt. Die Straßen sind<br />
überwiegend nicht gut gewesen, der Bus<br />
ziemlich alt und er hält in jedem kleinen Dorf<br />
mindestens einmal. Zum Glück war er nicht<br />
sehr voll, sodass ich die 1¼ Stunden Busfahrt<br />
recht gut überstanden habe.<br />
Das erste interessante Gebäude, dass ich in<br />
Kraljevo gesehen habe, war die Sava-Kirche. Sie<br />
ist am Rande der Innenstadt und wird gerade<br />
renoviert, sodass ich sie nicht besichtigen<br />
konnte. Sie ist die größte Kirche in Kraljevo und<br />
in einem schönen Rotton gestrichen.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Daneben entdeckte ich noch eine weitere<br />
orthodoxe sowie eine katholische Kirche, die<br />
aber nicht so schön wie diese waren. Danach<br />
bin ich weiter zum Ibar-Park (Der Ibar ist ein<br />
kleiner Fluss, der durch Kraljevo fließt und<br />
danach in die Morava mündet.). Dies ist eine<br />
schöne Parkanlage oberhalb des Flusses.<br />
Bei schönem Wetter, wie ich es zum Glück<br />
hatte, findet man hier viele Menschen, die<br />
spazieren gehen, Sport machen oder sich<br />
einfach nur unterhalten. Im Park ist auch das<br />
meiner Meinung nach interessanteste Gebäude<br />
der Stadt, der Gospodar Vasin Konak. Er<br />
stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert und ist<br />
damit eines der ältesten Gebäude der Stadt, die<br />
im zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde und<br />
danach überwiegend nach sozialistischfunktionalen<br />
Vorstellungen wieder aufgebaut<br />
wurde. So gibt es eine breite Fußgängerzone,<br />
die von einem zentralen, runden Platz geteilt<br />
wird. Auf diesem ist ein Denkmal für die<br />
gefallen serbischen Soldaten des ersten<br />
Weltkriegs. Auf diesem Platz waren zahlreiche<br />
Imker, die an Ständen ihren Honig verkauften.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 73
Die meisten Gebäude entlang der<br />
Fußgängerzone sind, ebenso wie das Rathaus,<br />
Funktionsbauten, die wenig Atmosphäre<br />
verbreiten. Nachdem ich die große Straße die<br />
durch das Ibartal in den Süden Serbiens<br />
Richtung Novi Pazar und danach weiter<br />
Richtung Kosovo oder Montenegro führt,<br />
überquert hatte, fand ich einen sehr großen<br />
Markt, der zum Teil entlang einer Straße und<br />
zum Teil auf einem sehr großen Marktgelände<br />
abgehalten wurde. Dafür, dass ich an einem<br />
Freitagmittag dort war, kauften meiner<br />
Meinung nach sehr viele Menschen ein.<br />
Nachdem ich den Ibar überquert hatte, begann<br />
die zweite Etappe meines Ausfluges: Die<br />
Wanderung zum Kloster Žiča (Manastira Žiča).<br />
Der Weg führt ungefährt vier Kilometer fast nur<br />
geradeaus entlang einer recht stark befahrenen<br />
Straße. Leider gibt es keine ausgeschilderten<br />
Wanderwege, die man stattdessen laufen<br />
könnte. Während des Weges hat man immer<br />
wieder schöne Blicke auf das Ibar-Tal sowie die<br />
Berge, die sich südlich von Kraljevo erheben<br />
und bis zu 1000m hoch sind.<br />
Das Kloster liegt auf einer Anhöhe und besteht<br />
aus einer zentralen Kirche sowie einigen<br />
umliegenden Gebäuden, die zurzeit zum Teil<br />
neu gebaut und zum Teil erneuert werden.<br />
Während die Kirche noch aus dem 13.<br />
Jahrhundert stammt, wurden alle anderen Teile<br />
der Anlage zerstört und später neu gebaut. Die<br />
Kirche war einer der wichtigsten Plätze des<br />
mittelalterlichen serbischen Reiches, da der<br />
heilige Sava hier seinen Bischof weihte und<br />
Stefan Nemanja zum König krönte.<br />
Anschließend wurde das Kloster zum ersten<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Erzbischofssitz des Landes. Dieser wurde jedoch<br />
noch im 13. Jahrhundert wegen der<br />
ungarischen Bedrohung weiter nach Süden<br />
verlegt. Die Kirche wurde wie zahlreiche andere<br />
Kirchen aus dem 13. Jahrhundert in dieser<br />
Gegend im sogenannten Raškastil gebaut.<br />
Sie enthält sehr schöne Bemalungen, die aber<br />
nicht so gut erhalten sind. Die Anlage ist eines<br />
der bedeutendsten Klöster Serbiens und<br />
besticht sowohl mit sehr schönen Bauten als<br />
auch mit einer sehr schönen und natürlichen<br />
Umgebung. Das einzige was mich störte war,<br />
dass die Regeln, die vor dem Kloster standen<br />
und ähnlich sind wie in bedeutenden Kirchen in<br />
Mitteleuropa von kaum jemandem (nicht<br />
einmal den Mönchen) eingehalten wurden. So<br />
kontrollierte niemand die<br />
Kleidungsvorschriften, jeder konnte<br />
fotografieren und auch über sehr laute<br />
Gespräche beschwerte sich niemand. Dadurch<br />
verlor das Kloster für mich einen Großteil seiner<br />
Faszination, da es kein Ort der Ruhe mehr war.<br />
Nachdem ich in unmittelbarer Umgebung des<br />
Klosters gepicknickt hatte, wanderte ich weiter.<br />
Es ging wieder abwärts zum Ibar. Nach etwa<br />
drei Kilometern erreichte ich den Kurort<br />
Mataruška Banja, einen bekannten Kurort in<br />
Serbien. Es ist eigentlich ein kleines Dorf mit<br />
einer großen und schönen Parkanlage direkt<br />
am Ibar. Dort entspannte ich einige Zeit.<br />
Anschließend fuhr ich mit einem Taxi<br />
gemeinsam mit drei anderen Menschen wieder<br />
zurück nach Kraljevo. Eigentlich wollte ich mit<br />
dem Bus fahren, aber als ich auf diesen<br />
wartete, sprach mich eine Frau an, ob ich nicht<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 74
mit dem Taxi fahren wolle, da es nicht teurer<br />
als der Bus aber deutlich schneller sei.<br />
In Kraljevo lief ich noch ein bisschen durch die<br />
Innenstadt bevor ich – mal wieder – eine recht<br />
abenteuerliche Rückfahrt hatte. Der Bus<br />
entsprach einem ca. 30 Jahre alten deutschen<br />
Stadtbus, der sehr voll und deswegen auch sehr<br />
heiß war. Er kämpfte so stark mit der hügeligen<br />
Strecke nach Kragujevac, das ich einige Male<br />
dachte, dass wir gleich stehen bleiben würden.<br />
Glückerlicherweise kam ich aber doch gut<br />
wieder an.<br />
Das schöne für mich ist, dass solche kurzen<br />
Busreisen wirklich sehr billig sind. Ich habe<br />
insgesamt für die Hin- und Rückfahrt, eine<br />
Taxifahrt von Maruška Banja nach Kraljevo und<br />
für Verpflegung weniger als 10 € ausgegeben.<br />
Das würde ich wahrscheinlich in Deutschland<br />
allein für die Hinfahrt bezahlen. Deswegen kann<br />
ich mit der schlechten Qualität der Busse und<br />
Straßen ganz gut leben.<br />
Mein zweiter Ausflug führte mich nach Gornji<br />
Milanovac, wo ich eine Freundin besucht habe.<br />
Gornji Milanovac ist eine kleine Stadt (ca.<br />
50.000 Einwohner im Gemeindegebiet), die<br />
etwas weniger als 50km von Kragujevac<br />
entfernt ist. Bereits auf der Fahrt dorthin und<br />
zurück machte ich wieder meine Erfahrungen<br />
mit serbischen Straßen sowie Busreisen. Die<br />
Busse halten in jedem noch so kleinen Dorf und<br />
es steigen auch tatsächlich Leute ein und aus.<br />
Wegen einer Baustelle musste der Bus einen<br />
Umweg durch ein großes Parkareal in<br />
Kragujevac machen, über sehr schmale Straßen,<br />
die in Deutschland, auch wegen ihrer Lage im<br />
Park, wahrscheinlich für den Autoverkehr<br />
gesperrt wären. Abgesehen davon war die<br />
Fahrt aber schön, weil die Landschaft zwischen<br />
Kragujevac und Milanovac sehr schön ist. Die<br />
Landschaft ist sehr hügelig und bewaldet,<br />
dazwischen gibt es viele kleine Dörfer.<br />
Die Stadt wurde während der diversen Kriege<br />
des letzten Jahrhunderts stark zerstört,<br />
insbesondere während des zweiten<br />
Weltkrieges. Aus diesem Grund gibt es nur<br />
wenige alte Gebäude, aber trotzdem einige<br />
sehr schöne.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Die schönsten sind wahrscheinlich die<br />
orthodoxe Kirche, eine frisch renovierte<br />
Grundschule und das alte Rathaus. Interessant<br />
ist, dass das schönste Schulgebäude eine<br />
Grundschule ist, da die Städte normalerweise<br />
sich gut präsentieren wollen und deswegen die<br />
Gymnasien (die höchsten Schulen in Serbien)<br />
am besten erhalten sind, während man auf die<br />
Grundschulen häufig keinen großen Wert legt.<br />
Die Innenstadt ist nicht so groß, aber es gibt<br />
viele Cafés, in denen man bei den<br />
sommerlichen Temperaturen, die wir hatten,<br />
auch draußen sitzen kann. Das schönste an<br />
Milanovac sind meiner Meinung nach aber die<br />
Parkanlagen und die Mischung aus städtischer<br />
Bebauung und einer sehr schönen natürlichen<br />
Umgebung. Wir waren in zwei Parks.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 75
Einer davon war der Brdo Mira (direkt<br />
übersetzt: Berg der Ruhe oder Berg des<br />
Friedens).Dieser liegt oberhalb der Innenstadt<br />
und wurde zu Ehren von serbischen Helden aus<br />
verschiedenen Zeiten erbaut. Er enthält<br />
mehrere Denkmäler, ist überwiegend bewaldet<br />
und auch sonst schön gestaltet. Man hat auch<br />
einen schönen Blick auf die Stadt und ihre<br />
Umgebung. Der zweite Park, in dem wir waren<br />
ist deutlich kleiner, liegt nicht weit vom Brdo<br />
Mira entfernt, und ist sehr naturbelassen, aber<br />
auch nicht so gepflegt.<br />
Ich glaube, dass Gornji Milanovac eine typische<br />
serbische Kleinstadt ist. Sie ist hübsch gelegen,<br />
bietet einige Möglichkeiten einen schönen Tag<br />
in Parks oder Cafés zu verbringen und aus<br />
Erzählungen der Freundin, die ich besuchte,<br />
weiß ich, dass man auch nachts dort gut<br />
ausgehen kann. Die serbischen Kleinstädte<br />
leben viel von ihren Menschen, da sich die<br />
meisten Menschen untereinander gut kennen<br />
und die Atmosphäre deswegen sehr freundlich<br />
ist. So habe ich auch viele Menschen kennen<br />
gelernt, die mit meiner Freundin befreundet<br />
sind. Viele von ihnen haben wir einfach so auf<br />
der Straße getroffen. Somit war es ein<br />
interessanter Tagesausflug, der mir einige<br />
schöne und interessante Einblicke in die<br />
serbische Kultur und das serbische Leben<br />
außerhalb der großen Städte gegeben hat.<br />
Bis zu meinem nächsten Bericht! До виђења!<br />
Euer Nils.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 76
Vom Nils Weitzel<br />
Mai 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo aus Kragujevac!<br />
Gemeinsam mit einer Lektorin von der Uni<br />
Kragujevac und einer Lektorin von der Uni in<br />
Novi Pazar, einer Stadt im Süden Serbiens,<br />
organisierte ich im Mai ein Projekt für<br />
Studenten. Das Projekt namens „Auf welcher<br />
Insel lebst du denn? Ein Planspiel zur<br />
Demokratie“ dauerte zwei Tage lang. Der<br />
Großteil fand im zweiten Gymnasium statt.<br />
Dort hatten wir zwei Räume zur Verfügung. In<br />
dem Projekt ging es darum, dass die Studenten<br />
auf einer Insel strandeten und dann<br />
verschiedene Aufgaben lösen mussten, in<br />
denen es um das Überleben und ihre Regeln<br />
auf der Insel ging. Während es am Anfang um<br />
grundlegende Dinge wie Nahrungsbeschaffung<br />
ging, sollten sie später unter anderem<br />
miteinander handeln, Herrschaftsregeln<br />
aufstellen und am Ende beschäftigten sie sich<br />
auch mit Migration zwischen den Inseln. Die<br />
meisten der Studenten aus Novi Pazar haben<br />
längere Zeit in Deutschland gelebt und<br />
sprechen deswegen sehr gut Deutsch aber es<br />
fiel auf, dass sie Probleme hatten sich gut und<br />
präzise auszudrücken, wenn es um politische<br />
oder wirtschaftliche Fragen ging.<br />
Nach dem wir am ersten Tag den ganzen Mittag<br />
und Nachmittag mit dem Planspiel beschäftigt<br />
waren, schauten wir abends einen Film.<br />
Nachdem wir uns anschließend in der<br />
Kragujevacer Innenstadt noch besser kennen<br />
gelernt hatten, ging es am nächsten Tag bis<br />
zum Mittag mit dem Planspiel weiter. Das<br />
gesamte Projekt hat mir viel Spaß gemacht, wir<br />
haben sehr intensiv gearbeitet, die Studenten<br />
machten sehr gut mit und die Ergebnisse waren<br />
auch sehr interessant.<br />
Daneben hatte ich weiterhin viele Stunden am<br />
zweiten Gymnasium, an der Grundschule, in<br />
den DAAD-Kursen und in der Privatschule. Am<br />
zweiten Gymnasium hatte ich relativ viele<br />
Stunden alleine, weil Nataša auf einigen<br />
Seminaren war. Die meisten der Stunden waren<br />
eigentlich ganz schön, weil die meisten Schüler<br />
gut mitmachten. An der Privatschule habe ich<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
außerdem noch einen weiteren Deutschlehrer<br />
kennen gelernt, der auch an der Fakultät<br />
arbeitet und bei dem ich einige Stunden<br />
besuchte. Dadurch habe ich jetzt neben den<br />
bisherigen Fächern auch noch die<br />
grammatikalischen Übungen als Teil von<br />
Gegenwartsdeutsch sowie den Unterricht für<br />
Deutsch als Zweitfach kennen gelernt.<br />
Die Schüler der 4. Klasse am Gymnasium hatten<br />
am 29. Mai ihren letzten Schultag. Deswegen<br />
gab es davor noch einige Tests, viele Noten und<br />
eine schöne gemeinsame Abschlussfeier am<br />
letzten Schultag.<br />
Da das Wetter im Mai überwiegend schön war,<br />
war ich an den Wochenenden oft unterwegs in<br />
der Stadt oder unternahm Ausflüge. Ich bin<br />
zum Beispiel einmal in der Umgebung von<br />
Kragujevac gewandert und an einem<br />
Wochenende besuchte ich viele Freunde in<br />
Valjevo. Mein persönliches Highlight war<br />
jedoch am vorletzten Maiwochenende.<br />
Nachdem ich schon viele größere und kleinere<br />
Städte in Serbien besichtigt hatte, hatte ich im<br />
Mai die Möglichkeit zusammen mit einer<br />
Reisegruppe von der ich einige Mitglieder<br />
kannte, die wahrscheinlich interessanteste<br />
Natursehenswürdigkeit Serbiens zu sehen:<br />
Đavolja Varoš (übersetzt: Teufelsort).<br />
Um dort hinzukommen muss man von<br />
Kragujevac ungefähr vier Stunden Fahrzeit<br />
einkalkulieren. Da ich mich mit den Menschen<br />
aus der Gruppe, die ich kannte, sehr gut<br />
verstanden habe, war die Fahrt, trotz zum Teil<br />
äußerst schlechter Straßenverhältnisse, sehr<br />
lustig. Đavolja Varoš liegt im Süden Serbiens<br />
nicht weit entfernt von der Grenze zum Kosovo.<br />
Es ist Teil des Radangebirges.<br />
Đavolja Varoš besitzt neben einer allgemein<br />
sehr schönen Umgebung zwei Besonderheiten,<br />
die man nicht sehr oft findet. Das eine sind<br />
durch Erosion entstandene Erdpyramiden,<br />
insgesamt ungefähr 200, das andere<br />
mineralhaltige Quellen, sodass die Bäche zum<br />
Teil gelb oder rot sind. Die Minerale wurde<br />
früher auch in zahlreichen Minen abgebaut, die<br />
aber mittlerweile alle geschlossen sind. Über<br />
die Entstehung der Erdpyramiden gibt es<br />
zahlreiche Mythen. Einer besagt, dass an<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 77
diesem Ort zwei Geschwister heirateten und<br />
die gesamte Hochzeitsgesellschaft versteinert<br />
wurde wegen dieser Sünde. Deswegen soll man<br />
in den Erdpyramiden zahlreiche Figuren<br />
entdecken.<br />
Ich konnte aber nur einige wenige finden und<br />
die meisten davon auch erst hinterher auf<br />
Fotos am Computer. Das Gebiet steht unter<br />
Naturschutz und steht zurzeit als<br />
Weltnaturwunder im Internet zur Wahl und<br />
laut meinen serbischen Quellen stehen die<br />
Chancen nicht schlecht, dass es gewählt wird.<br />
Man kann nicht den ganzen Weg mit dem Bus<br />
fahren, sondern muss zum Schluss ungefähr 45<br />
Minuten laufen, um zu den Erdpyramiden zu<br />
gelangen. Deswegen empfiehlt es sich<br />
Turnschuhe oder andere feste Schuhe<br />
anzuziehen. Entlang des für serbische<br />
Verhältnisse sehr guten Wanderweges findet<br />
man zahlreiche Statuen von mehr oder weniger<br />
bekannten Künstlern sowie einige ehemalige<br />
Minen mit gelben oder roten Bächen.<br />
Schließlich erreichten wir das erste Feld von<br />
Erdpyramiden, das sich an einem Hang<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
befindet. Nachdem wir zuerst zahlreiche Fotos<br />
machten, liefen wir über eine Treppe auf den<br />
Grad, an dessen beiden Hängen die Felder mit<br />
den Erdpyramiden sind. Nach weiteren Fotos<br />
dort oben, liefen wir weiter zu einer kleinen<br />
Kapelle und anschließend wieder hinab zum<br />
Parkplatz.<br />
Anschließend fuhren wir weiter nach Prolom<br />
Banja, einem kleinen, sehr schön in einem<br />
engen Tal gelegenen Kurort, wo wir zu Mittag<br />
aßen. Nach einem kurzen Spaziergang durch<br />
den Kurpark und der obligatorischen<br />
Besichtigung der heilsamen Quellen,<br />
entschieden wir uns noch eine Wanderung zu<br />
einer Kirche, die ursprünglich aus dem vierten<br />
Jahrhundert stammen soll, zu machen. Der<br />
Weg war für serbische Verhältnisse sehr gut<br />
ausgeschildert, sodass es nicht schwierig war<br />
sich zurechtzufinden. Außerdem trafen wir<br />
einige andere Wanderer, die wir immer fragen<br />
konnten, wie lange es noch sei. Die Kirche<br />
(Crkva Lazarica) ist an einem Hang gelegen und<br />
besteht aus einem Glockenturm, einem kleinen<br />
Gebetsraum und einem Souvenirshop. Aus<br />
Zeitgründen legten wir aber nur eine kurze<br />
Pause ein und machten uns dann auf den<br />
Rückweg. Nach einem kühlen Getränk gegen<br />
die Hitze in einem schönen Café außerhalb des<br />
Ortes, erreichten wir pünktlich den Bus und<br />
hatten eine wiederum lustige Rückfahrt.<br />
Falls das Wetter so gut bleibt und laut den<br />
Vorhersagen soll es das, werde ich<br />
wahrscheinlich auch im Juni noch einige<br />
Ausflüge unternehmen, von denen ich Euch<br />
dann in meinem nächsten und letzten Bericht<br />
erzählen werde.<br />
Bis dahin! До виђења!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 78
Vom Nils Weitzel<br />
Juni 2009<br />
Здраво из Крагујевцa! Hallo zu meinem letzten<br />
Bericht aus Kragujevac und aus Serbien!<br />
Der Juni war mein letzter Monat in Serbien,<br />
sodass ich dieses Mal neben einem Bericht des<br />
letzten Monats auch ein bisschen Bilanz ziehen<br />
möchte.<br />
Ein Highlight gab es noch am zweiten<br />
Gymnasium. Nataša hat sich für das Programm<br />
„Schulen – Partner der Zukunft (PASCH)“ des<br />
Goethe-Instituts beworben. Deswegen hatten<br />
wir an einem Tag eine Präsentation am zweiten<br />
Gymnasium. Dazu kam eine Mitarbeiterin des<br />
Goethe-Instituts und besichtigte die Schule,<br />
schaute sich einige Unterrichtsstunden an und<br />
sprach mit dem Schulleiter, den<br />
Deutschlehrern, einigen Schülern und auch mit<br />
mir. Die Präsentation lief sehr gut, sodass wir<br />
mittlerweile erfahren haben, dass die Schule<br />
PASCH-Schule wird und damit zahlreiche neue<br />
Möglichkeiten für Schüler und Lehrer erhält.<br />
Ansonsten haben nach und nach die Ferien für<br />
alle begonnen. Zuerst begann die<br />
unterrichtsfreie Zeit an der Fakultät, dann<br />
bekamen die Grundschüler Ferien und<br />
schließlich auch die Schüler am Gymnasium.<br />
Somit hatte ich wieder viele Abschiede, die ich<br />
mal mehr, mal weniger emotional meisterte.<br />
Am 5. Juni war außerdem Matura vom zweiten<br />
Gymnasium, eine Feier die mit dem Abiball in<br />
Deutschland vergleichbar ist. Zu dieser war ich<br />
auch eingeladen. Im Gegensatz zum Abiball in<br />
Deutschland sind zur Matura aber nur die<br />
Schüler und Lehrer eingeladen.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Der offizielle Teil ist auch relativ kurz und<br />
besteht nur aus einigen kurzen Reden sowie<br />
Geschenken, die an alle Klassenlehrer verteilt<br />
werden. Danach beginnt der inoffizielle Teil,<br />
der vor allem aus Tanzen besteht. Im Anschluss<br />
an die eigentliche Feier hatten die Schüler noch<br />
eine Disko gemietet, in der noch lange weiter<br />
gefeiert wurde.<br />
Insgesamt zehn Monate habe ich jetzt in<br />
Serbien Deutsch unterrichtet, an verschiedenen<br />
staatlichen und privaten Schulen sowie an der<br />
Universität in Kragujevac. Daneben habe ich bei<br />
der Organisation von verschiedenen Projekten<br />
geholfen und insgesamt viel Pionierarbeit für<br />
meine möglichen Nachfolger geleistet.<br />
Insbesondere am Anfang war sowohl in Valjevo<br />
als auch in Kragujevac vieles unorganisiert, da<br />
alles sehr kurzfristig zustande gekommen ist.<br />
Dadurch habe ich mit Sicherheit noch nicht alle<br />
Möglichkeiten, die ich als ADiA-Leistender<br />
hätte, ausgenutzt, aber ich glaube, dass ich<br />
einen guten Anfang gemacht habe.<br />
Insbesondere von Nataša aber auch von den<br />
meisten anderen Deutschlehrern, die ich<br />
kennen lernte, habe ich sehr viel über<br />
Methodik und Fremdsprachendidaktik gelernt.<br />
So bin ich jetzt viel besser in der Lage die<br />
Deutsche Sprache nicht nur richtig zu<br />
verwenden sondern auch zu erklären, warum<br />
ich ein Wort benutze, ich kann Wörter besser<br />
auf Deutsch erklären, mich in sehr einfachem<br />
Deutsch ausdrücken und sogar die Deutsche<br />
Grammatik ein wenig erklären. Im Gegenzug<br />
half ich ihr und anderen gelegentlich bei<br />
Übersetzungen oder anderen Texten, die in<br />
Deutsch verfasst werden mussten.<br />
Ich hoffe, dass ich vielen Schülern etwas<br />
beibringen konnte, vor allem hoffe ich, dass sie<br />
merkten, dass es sich lohnt Fremdsprachen zu<br />
lernen, da man nie weiß, wann man sie<br />
gebrauchen kann. Ich glaube, dass ich auch<br />
vielen Deutschlehrern helfen konnte ihre<br />
Sprachkenntnisse noch zu verbessern, da sie<br />
sonst nicht so oft die Möglichkeit haben sich<br />
auf Deutsch zu unterhalten. Dadurch hatte ich<br />
auch viele interessante Diskussionen über die<br />
deutsche Sprache.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 79
Da das Wetter fast den ganzen Monat gut war,<br />
bin ich an jedem Wochenende noch ein wenig<br />
durch Serbien gereist.<br />
Am ersten Wochenende im Juni habe ich<br />
zusammen mit drei Freundinnen einen Ausflug<br />
nach Vrnjačka Banja, einer der bekanntesten<br />
Kurorte Serbiens, gemacht, der ungefähr 50 km<br />
südlich von Kragujevac liegt. Der Ort besitzt<br />
mehrere Heilquellen, die unterschiedliche<br />
Wirkungen haben, und eine riesige Parkanlage.<br />
Es gibt viele Hotels, Restaurants und kleine<br />
Geschäfte in häufig sehr schönen Gebäuden.<br />
Ich habe mittlerweile schon ein paar serbische<br />
Kurorte gesehen, aber Vrnjačka Banja ist mit<br />
Sicherheit der größte und der, in dem man die<br />
meisten Leute sieht. Während dies am Tag vor<br />
allem ältere Menschen sind, trauen sich abends<br />
die Jugendlichen hervor und übernehmen das<br />
Kommando.<br />
Wir sind mittags dort angekommen und sind<br />
dann eine ganze Weile durch den Park spaziert,<br />
haben uns die Quellen angeschaut und alle<br />
weiteren Sehenswürdigkeiten.<br />
Das erste, was einem auffiel, war die Luft, die<br />
wesentlich frischer als in der Großstadt<br />
Kragujevac.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Nach einiger Zeit und vielen Fotos haben wir<br />
uns ein schönes Restaurant gesucht und dort<br />
ein gutes Mittagessen mit serbischen<br />
Grillspezialitäten gehabt. Die Preise waren nicht<br />
ganz niedrig aber für einen Touristenort<br />
durchaus akzeptabel.<br />
Anschließend sind wir noch ein bisschen weiter<br />
spazieren gegangen und haben das schöne<br />
Wetter und die gute Luft genossen. Dies ist im<br />
Normalfall auch das Einzige, was man in<br />
Vrnjačka Banja machen kann, da der Ort<br />
abgesehen vom Park klein ist und wenig<br />
Möglichkeiten bietet. Wenn ich längere Zeit<br />
hier verbringen müsste, würde ich mir<br />
deswegen wahrscheinlich viele Bücher<br />
mitnehmen und den ganzen Tag im Park sitzen<br />
bzw. liegen und lesen.<br />
An dem Tag, an dem wir dort waren, fand aber<br />
noch ein Festival statt, anlässlich dessen es<br />
schon nachmittags und am frühen Abend einige<br />
Präsentationen von Schülern zu sehen gab. Am<br />
späteren Abend begann dann das<br />
Hauptkonzert, das auch live im Fernsehen<br />
übertragen wurde. Die Musik war überwiegend<br />
die typische und bei vielen recht beliebte<br />
serbische Popmusik. Im Laufe des Abends<br />
steigerte sich die Stimmung immer weiter bis<br />
zum Hauptsänger, der in ganz Serbien bekannt<br />
ist. Auch wenn die Musik überwiegend nicht<br />
unbedingt meine Lieblingsmusik war, gefiel es<br />
mir sehr gut, sodass wir bis weit nach<br />
Mitternacht dort blieben. Zum Glück waren wir<br />
mit dem Auto gekommen, sodass es nicht<br />
schwierig war wieder zurück nach Kragujevac<br />
zu kommen.<br />
Am nächsten Wochenende führte mich eine<br />
Reise nach Novi Sad. Novi Sad ist mit ca.<br />
300.000 Einwohnern die zweitgrößte serbische<br />
Stadt nach Belgrad. Im Gegensatz zu Belgrad ist<br />
Novi Sad jedoch eine sehr ruhige Stadt, in der<br />
viele Menschen in Cafés auf den Straßen sitzen<br />
und den Tag genießen. Nur der Verkehr ist noch<br />
anstrengender als in Kragujevac oder Valjevo,<br />
da man als Fußgänger nur selten von<br />
Autofahrern wahrgenommen wird und sich<br />
dementsprechend vorsichtig verhalten muss.<br />
Die Stadt liegt in der Vojvodina im nördlichen<br />
Teil Serbiens direkt an der Donau. Sie ist<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 80
unterteilt in die Stadt Novi Sad auf der einen<br />
Seite der Donau und die Festung Petrovaradin<br />
auf der anderen Seite.<br />
Die Festung entstand in ihrer heutigen Form<br />
unter den Habsburgern und auch die Stadt<br />
wurde von diesen gegründet und stand nie<br />
unter türkischer Herrschaft. Sie ist deswegen im<br />
Gegensatz zu den meisten anderen serbischen<br />
Städten sehr österreichisch geprägt aber besitzt<br />
keine türkischen Einflüsse.<br />
Nachdem ich mit dem Bus etwas außerhalb der<br />
Innenstadt angekommen war, lief ich zunächst<br />
in diese, wo auch mein Hostel lag. Die äußeren<br />
Stadtteile sind nicht besonders hübsch, was<br />
vielleicht daran liegt, dass sie größtenteils erst<br />
während des Kommunismus entstanden. Über<br />
eine große Einfallstraße näherte ich mich dem<br />
Zentrum und entdeckte gleich eine<br />
Besonderheit der Stadt. Sie ist von sehr vielen<br />
Volksgruppen geprägt, obwohl die Serben<br />
heute eindeutig die Mehrheit stellen.<br />
Als erstes entdeckte ich die sehr schöne und<br />
ziemlich große Synagoge, die man aber leider<br />
nicht besichtigen konnte. Anschließend sah ich<br />
noch weitere Kirchen unterschiedlichster<br />
Konfessionen: u.a. serbisch-orthodox,<br />
ungarisch-katholisch, protestantisch,<br />
slowakisch-reformiert.<br />
Als Besonderheit kommt noch hinzu, dass fast<br />
alle Sakralbauten wie auch die meisten<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Verwaltungsbauten und viele weitere Gebäude<br />
in der Innenstadt im barocken Stil gebaut<br />
wurden. Da viele Gebäude gut erhalten sind, ist<br />
die Innenstadt in der Tat sehr schön. Deswegen<br />
halten auch viele Serben Novi Sad für die<br />
schönste serbische Stadt.<br />
Am wichtigsten Platz der Stadt liegt die<br />
ungarisch-katholische Marienkirche, die<br />
höchste Kirche in der Stadt und eine der<br />
wenigen, die man besichtigen kann. Sie besticht<br />
durch ihre zahlreichen Verzierungen. Am Platz<br />
finden sich neben dem Rathaus noch weitere<br />
schöne Gebäude im barocken Stil und zum Teil<br />
auch mit Einflüssen des Jugendstils.<br />
Direkt dem der Kirche lag mein Hostel, wo ich<br />
noch ein paar gute Tipps bekam, was ich mir<br />
anschauen sollte. Anschließend setzte ich<br />
meinen Gang durch die Innenstadt fort.<br />
Zunächst folgte ich der Fußgängerzone, wo sich<br />
der Bischofspalast und die serbisch-orthodoxe<br />
Georgskathedrale befinden. Anschließend<br />
unternahm ich einen längeren Spaziergang<br />
durch bzw. um die Innenstadt, während dem<br />
ich die zahlreichen weiteren Kirchen entdeckte<br />
sowie unter anderem auch das sehr schöne<br />
Gebäude der Matica Srbska, dem ersten<br />
serbischen Kulturverein. Gegründet wurde er<br />
ursprünglich in Budapest, seit 1864 ist Novi Sad<br />
sein Sitz. Neben den alten barocken Bauten und<br />
einigen kommunistischen Funktionsbauten<br />
findet man in der Innenstadt auch ein paar<br />
Gebäude, die eine moderne Architektur mit viel<br />
Glas und bunten Fassaden besitzen.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 81
Über einen kleinen aber sehr schönen Park, in<br />
dem ich noch eine kurze Pause einlegte,<br />
gelangte ich zur Donau. Während des NATO-<br />
Bombardements 1999 wurden alle Brücken<br />
zerstört, mittlerweile sind vier, darunter eine<br />
Eisenbahnbrücke, wieder auf- bzw. neu gebaut.<br />
Reste der alten Brücken sieht man aber noch<br />
als sehr eindrückliches Mahnmal im Fluss<br />
stehen. Auf der anderen Seite steht die riesige<br />
und hervorragend erhaltene Festungsanlage<br />
Petrovaradin. Sie liegt in einer Donauschleife<br />
auf einem Felsen. In ihrer heutigen Form wurde<br />
sie im 18. Jahrhundert von den Habsburgern<br />
errichtet und war auch zur Verteidigung gegen<br />
Feuerwaffen konzipiert, wodurch die<br />
Verteidigungsanlagen besonders<br />
beeindruckend sind. Neben der eigentlichen<br />
Festung war noch ein ganzes Dorf innerhalb der<br />
Verteidigungsmauern, -wälle und -gräben, in<br />
dem alles Wichtige hergestellt werden konnte.<br />
Durch mehrere Tore kam ich in die Hauptburg,<br />
in der, neben mehreren Gebäuden, die heute<br />
zum Teil als Restaurants genutzt werden, auch<br />
der sehr markante Uhrenturm liegt.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Dort machte ich zahlreiche Fotos.<br />
Anschließend brauchte ich unbedingt eine<br />
Pause, da ich sehr viel gelaufen war, sodass ich<br />
mir ein ruhiges Plätzchen innerhalb der<br />
weitläufigen Parkanlage, die auch noch<br />
innerhalb der Festungsanlage liegt, suchte, dort<br />
etwas aß und anschließend ein bisschen las. In<br />
der Zwischenzeit war es dämmrig geworden,<br />
sodass ich noch mehr Fotos von der Stadt<br />
machte, auf die man von dort oben einen<br />
hervorragenden Blick hat.<br />
Zurück in der Innenstadt machte ich noch<br />
einige Fotos und aß eine Pljeskavica, die von<br />
mir sehr verehrte serbische Form des<br />
Hamburgers. Danach begab ich mich zurück in<br />
den schon erwähnten Park an der Donau, wo<br />
im Rahmen eines Kino-Festivals, das während<br />
der gesamten Woche in Novi Sad stattfand, ein<br />
serbischer Film im Open-Air-Kino gezeigt<br />
wurde, von dem ich fast alles verstand, worauf<br />
ich ein bisschen stolz war.<br />
Am nächsten Morgen stärkte ich mich zunächst<br />
in einem Café direkt in der Fußgängerzone,<br />
anschließend deckte ich mich in einer Bäckerei<br />
mit allem ein, was ich für den Tag benötigte<br />
und ging danach ein wenig direkt an der Donau<br />
spazieren. Dort gibt es unter anderem ein<br />
Denkmal für die Opfer der Faschisten. Durch<br />
den Park gelangte ich zum Museum der<br />
Vojvodina, in dem es eine Ausstellung über die<br />
Geschichte der Donauschwaben in der<br />
Vojvodina auf Serbisch und Deutsch gab, die<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 82
mir sehr gut gefiel, sowie weitere<br />
Ausstellungsstücke über die Geschichte der<br />
Vojvodina, über die unterschiedlichen Kulturen,<br />
die hier leben bzw. lebten, und über die Klöster<br />
der Vojvodina, von denen viele leider nur noch<br />
als Ruinen erhalten sind.<br />
Anschließend fuhr ich mit einem normalen<br />
Linienbus nach Sremski Karlovci, eine kleinen<br />
Stadt, die sechs Kilometer von Novi Sad<br />
entfernt an der Donau liegt und die ich als<br />
meiner Meinung nach architektonisch schönste<br />
Stadt Serbiens im Kopf behalten werde.<br />
Ein Großteil der Stadt, die früher<br />
Patriarchensitz war, wurde im barocken Stil<br />
errichtet, neben den Sakral- und<br />
Verwaltungsbauten auch viele einfach<br />
Wohnhäuser. Das Zentrum des Städtchens ist<br />
sehr überschaubar. Neben mehreren serbischorthodoxen<br />
und einer römisch-katholischen<br />
Kirche findet man die Patriarchenresidenz<br />
sowie mehrere Kultur- und<br />
Bildungseinrichtungen. Einige der Gebäude sind<br />
bereits hervorragend renoviert, andere werden<br />
zurzeit restauriert.<br />
Nach einem Rundgang durch die Innenstadt<br />
erklomm ich noch einen Berg oberhalb der<br />
Stadt, auf dem unter anderem ein Friedhof<br />
angelegt wurde. Von hier aus hatte man bei<br />
fast völliger Ruhe einen sehr schönen Blick auf<br />
die Stadt, die von oben noch schöner wirkte,<br />
auf die Donau und auf die Ebene der Vojvodina.<br />
Zum Friedhof gehörte auch eine hübsche aber<br />
leider geschlossene Kapelle. Nach einer kurzen<br />
Pause stieg ich wieder hinab, sah mir noch eine<br />
weitere Kirche an und fuhr dann zurück nach<br />
Novi Sad, von wo aus ich einen Bus nach<br />
Kragujevac hatte.<br />
Die Rückfahrt bot mir noch eine kleine,<br />
unerwünschte Besonderheit. Der Bus fuhr<br />
entgegen meiner Annahme bis Belgrad nicht<br />
über die Autobahn sondern über Landstraßen<br />
durch die Ausläufer des Mittelgebirges Fruška<br />
Gora und durch die Ebene der Vojvodina. So<br />
sah ich noch einige Dörfer und konnte die<br />
Architektur der ländlichen Vojvodina ein wenig<br />
studieren, aber in erster Linie verlängerte sich<br />
die Fahrzeit um ungefähr eine Stunde.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Das dritte Juniwochenende nutzte ich um noch<br />
ein letztes Mal viele Freunde in Valjevo zu<br />
treffen und an meinem letzten Wochenende in<br />
Serbien habe ich noch einen letzten<br />
Eintagesausflug gemacht. Zusammen mit zwei<br />
Freundinnen bin ich nach Topola gefahren,<br />
einer Kleinstadt 40 km nördlich von Kragujevac,<br />
die sich inmitten der hügeligen Landschaft<br />
Šumadija befindet. Die Straße dorthin ist zum<br />
Teil neu und deswegen für serbische<br />
Verhältnisse sehr angenehm zu befahren. Die<br />
Stadt liegt an einem flachen Hang.<br />
Das besondere, weshalb man dorthin kommt,<br />
ist ein Hügel namens Oplenac oberhalb der<br />
Stadt, auf dem die Grabstätte der serbischen<br />
Karađorđevid-Dynastie liegt. Karađorđe war der<br />
Anführer des ersten serbischen Aufstandes<br />
gegen die osmanische Besetzung zwischen<br />
1804 und 1813. Er und seine Nachkommen<br />
regierten den serbischen Staat mehrfach<br />
zwischen 1804 und 1945, bevor. Nachdem der<br />
damalige Regend Peter II. schon während des<br />
zweiten Weltkriegs geflohen war, musste er<br />
anschließend auf Druck der Kommunisten auf<br />
seine Thronrechte verzichten und dauerhaft im<br />
Exil bleiben.<br />
Zu Ehren von Karađorđe und seiner Familie<br />
wurde ein großer Museumspark eingerichtet,<br />
dessen Mittelpunkt eine wundeschöne große<br />
Kirche auf dem Gipfel des Hügels ist.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 83
Diese besuchten wir als erstes. Die Kirche ist<br />
hervorragend gepflegt und besonders von<br />
innen sehr schön verziert. Unter der Kirche<br />
befindet sich die Grabkammer der Dynastie.<br />
Anschließend besuchten wir ein ehemaliges<br />
Wohnhaus, in dem heute Teile des<br />
Familienbesitzes ausgestellt werden. Danach<br />
sind wir ein wenig durch den Park spazieren<br />
gegangen, hinab zum nächsten Ausstellungsteil,<br />
einer kleinen Gemäldegalerie mit Bildern<br />
serbischer Künstler. Da Karađorđe bis heute als<br />
serbischer Befreier verehrt wird, kommen viele<br />
serbische Touristen hierher und auch viele<br />
Schulklassen besichtigen die Anlage.<br />
Danach verließen wir den schönen Park und<br />
fuhren mit dem Auto zurück ins Stadtzentrum,<br />
wo ein weiterer Park mit einer kleinen Kirche<br />
und dem Konak (Villa), in dem Karađorđe<br />
wohnte, liegt. Zuerst besichtigten wir die<br />
Kirche, anschließend den Konak, der auch als<br />
Museum eingerichtet sind.<br />
Dort findet man zum einen Holzschnitzarbeiten<br />
und zum anderen Ausstellungsstücke über den<br />
ersten serbischen Aufstand gegen die Türken,<br />
der in der Nähe von Topola begann. Danach<br />
hatten wir uns ein Mittagessen in einem<br />
Restaurant im Zentrum von Topola verdient.<br />
Mit dem Auto fuhren wir anschließend wieder<br />
zurück nach Kragujevac, wobei wir<br />
zwischendurch noch eine kurze Pause an einer<br />
kleinen Kirche machten, die ziemlich einsam in<br />
einem engen Tal liegt. Von außen wirkt sie<br />
relativ unscheinbar, aber sie besitzt einen<br />
schönen Altar. Die Frau, die für die<br />
Instandhaltung der Kirchenanlage<br />
verantwortlich ist, lud und noch zu einem<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Getränk ein und nach dem wir uns noch ein<br />
wenig unterhalten hatten, fuhren wir endgültig<br />
zurück.<br />
Zum Abschluss meiner Berichte möchte ich<br />
neben dem schulischen Rückblick weiter oben<br />
auch noch ein kurzes Fazit über mein sonstiges<br />
Leben ziehen:<br />
Ich habe zehn Monate in Serbien gelebt, vier in<br />
Valjevo und sechs in Kragujevac. Ich habe drei<br />
Auslandsreisen unternommen, nach Sarajevo,<br />
Ungarn und in die Türkei. Ich habe alle großen<br />
Städte in Serbien besucht und auch mehrere<br />
kleine sowie einige Naturschönheiten. Ich habe<br />
viele Freunde kennen gelernt, habe in einer<br />
serbischen Familie gewohnt und auch sonst<br />
viele Bereiche der serbischen Kultur<br />
beobachten können: z.B. Essen und Trinken,<br />
Kunst, Musik, Volksfeste, Sport, Polizei, Bildung,<br />
Politik, Wirtschaft, Religion, Energie,<br />
Umweltschutz und Medien.<br />
Da mich fast jeder fragt, was mir am besten<br />
gefallen hat und was ich nicht mochte, habe ich<br />
jetzt probiert drei Punkte zu beschreiben, die<br />
ich sehr positiv in Erinnerung behalten werde<br />
und drei, mit denen ich manchmal Probleme<br />
hatte. Das, was mir am meisten imponiert hat,<br />
war die unglaubliche Gastfreundschaft, die ich<br />
erlebt habe. Ich kenne sehr viele Menschen, die<br />
sich ganz lieb um mich gekümmert haben und<br />
mir immer geholfen haben, wenn ich etwas<br />
nicht alleine erledigen konnte. Viele Menschen<br />
interessierten sich dafür, warum ich in Serbien<br />
bin und was ich dort mache. Durch die<br />
Gastfreundschaft konnte ich auch viele<br />
Bereiche der serbischen Kultur kennen lernen.<br />
Was mir ebenfalls sehr gefallen hat, war die<br />
Entspanntheit und Spontaneität der Menschen.<br />
Es ist für viele Serben kein Problem, den ganzen<br />
Tag in Cafés zu verbringen und man handelt oft<br />
nach dem Motto, dass am Ende schon alles<br />
funktionieren wird. Von dieser Gelassenheit<br />
habe ich mir auch einiges abgeschaut, sodass<br />
ich jetzt nicht mehr alles möglichst lange im<br />
Voraus organisieren möchte, sondern<br />
manchmal auch Sachen auf den letzten Drücker<br />
aber trotzdem entspannt erledigen kann. Dazu<br />
kommt die Spontaneität, die mir sehr gefallen<br />
hat. Wenn ich zufällig ein bisschen Zeit hatte,<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 84
ief ich einfach jemanden an und fragte, ob wir<br />
uns treffen wollen und wenn er nicht gerade<br />
beschäftigt war, sagte derjenige: In zehn<br />
Minuten an diesem oder jenem Treffpunkt.<br />
Dadurch, dass die Menschen so entspannt sind<br />
und so viel Zeit in Cafés verbringen, gibt es<br />
auch ein sehr großes Angebot, sodass man<br />
immer das finden kann, worauf man gerade<br />
Lust hat.<br />
Serbien geht manchmal nicht so gut mit seinen<br />
Naturschönheiten um, wie ich es tun würde.<br />
Aber grundsätzlich besitzt Serbien viele sehr<br />
schöne Gegenden, von denen ich auch einige<br />
besucht habe. Insbesondere die vielen alten<br />
Klöster und Kirchen, die oft sehr abgelegen<br />
sind, lohnen einen Besuch und häufig kann man<br />
in der Umgebung noch ein wenig wandern.<br />
Leider braucht man fast immer ein Auto um die<br />
Natur zu erkunden.<br />
Auch wenn das jetzt sehr Deutsch klingt, aber<br />
mein größtes Problem hatte ich mit der<br />
fehlenden Organisation des Staates und der<br />
Menschen. Wenn ich bei der Polizei 30 Minuten<br />
für meine Anmeldung von einer Stelle zur<br />
nächsten laufen muss, dann nervt mich das<br />
eben. Wenn ich mich am Montag mit<br />
jemandem für Freitag verabrede und derjenige<br />
es bis Mittwoch vergessen hat, dann<br />
verwundert mich das etwas. Wenn ich in<br />
Kragujevac nicht in der Lage bin eine Zugkarte<br />
von Niš nach Istanbul zu kaufen, dann ärgert<br />
mich das. Und wenn ich für jede<br />
Busverbindung, die nicht in Kragujevac beginnt,<br />
bei einer anderen Busstation anrufen muss,<br />
dann ist das sehr anstrengend für mich, weil ich<br />
immer jemand anders fragen muss, weil ich auf<br />
Serbisch nur mit Leuten telefonieren kann, die<br />
ich kenne, ansonsten verstehe ich meinen<br />
Gesprächspartner kaum und er wird Probleme<br />
haben mich zu verstehen.<br />
Für einen ruhigen Menschen wie mich ist auch<br />
die Emotionalität von vielen Menschen ein<br />
Problem. Viele Menschen regen sich sehr<br />
schnell auf und dann kann man kaum mit ihnen<br />
sachlich diskutieren sondern greift sich nur<br />
noch gegenseitig persönlich an. Es lohnt sich<br />
allerdings nicht, sich lange darüber Gedanken<br />
zu machen, was man falsch gemacht hat, weil<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
nach zehn Minuten der ganze Ärger verflogen<br />
und alles wieder gut ist.<br />
Mein drittes Problem ist die schlechte<br />
verkehrstechnische Infrastruktur. Viele Straßen<br />
in Serbien verdienen meiner Meinung nach<br />
diesen Namen nicht, sondern sind eher<br />
asphaltierte Feldwege. Auf zahlreichen<br />
Busreisen war die Straßenqualität so schlecht,<br />
dass man vor lauter auf und ab weder lesen<br />
noch schlafen konnte, sondern nur dasitzen<br />
und hoffen, dass es möglichst schnell vorüber<br />
ist. Das Zugnetz ist außerdem in einem sehr<br />
schlechten Zustand, sodass man mit dem Bus<br />
immer schneller ist als mit dem Zug. Die Züge<br />
sind zwar sehr günstig, aber man weiß nie<br />
wann sie kommen. Deswegen sind die einzigen<br />
Menschen, die mit dem Zug fahren,<br />
Jugendliche, die viel Zeit aber kein Geld haben<br />
und Menschen, die lange Strecken zurücklegen<br />
müssen und zufällig einen Zug von ihrem Start-<br />
in ihren Zielort haben.<br />
In meinem Kopf behalten werde ich sowohl die<br />
guten als auch die schlechten Seiten meiner<br />
Zeit, aber die guten überwiegen ganz eindeutig,<br />
insbesondere, da ich mich an die meisten<br />
schlechten im Laufe der Zeit gewöhnt habe und<br />
sie deswegen kaum noch wahrnehme.<br />
Deswegen möchte ich auch sehr gerne wieder<br />
nach Serbien reisen, auch wenn ich noch nicht<br />
weiß, wann ich die Möglichkeit dazu habe.<br />
Auf Wiedersehen und danke fürs Lesen meiner<br />
Berichte! До виђења и хвала пуно!<br />
Euer Nils<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 85
Abschlussprojekt meiner<br />
Jugendleiterausbildung<br />
in Trinidad & Tobago<br />
Vom 31.07.2003 – 21.09.2003<br />
Von Stefan Stark<br />
Kontakt: Stark.Stefan@gmx.net<br />
wem der Text hier zu lang-wierig, jedoch<br />
trotzdem an meiner Arbeit interessiert ist, kann<br />
mich jederzeit kontaktieren, um einen Film<br />
über T&T zu sehen.<br />
Toco, im Nordosten Trinidads<br />
Grund meines Projektes:<br />
Während meiner ca. 2 jährigen Ausbildungszeit<br />
zum Jugendleiter im Internationalen Kultur –<br />
und Begegnungszentrum (IKuBeZ) habe ich an 8<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Seminaren teilgenommen. Dabei habe ich mir<br />
die theoretischen Kenntnisse, die ein<br />
Jugendleiter benötigt, erarbeitet. Um die<br />
Ausbildung abzuschließen ist jedoch auch die<br />
selbständige Planung, Organisation und<br />
Durchführung eines praktischen Projektes<br />
notwendig.<br />
Da ich mich in meiner Arbeit im IKuBeZ neben<br />
der Jugendleiterausbildung hauptsächlich um<br />
internationale Jugendarbeit kümmern möchte,<br />
habe ich mich für ein Projekt im Mittel- bzw.<br />
Südamerikanischen Ausland bemüht um unsere<br />
bereits bestehenden Kontakte dort (Venezuela,<br />
El Salvador, Chile, Ecuador und Nicaragua)<br />
weiter auszubauen.<br />
Nach langer Suche fand ich dann auch eine<br />
passende Partnerorganisation, die an einer<br />
längerfristigen Zusammenarbeit mit uns<br />
interessiert ist. Es ist die Young Men’s Christian<br />
Association in Trinidad & Tobago, Karibik.<br />
Nach ca. 1,5 jähriger Vorbereitungsarbeit war<br />
dann endlich der Zeitpunkt gekommen, meine<br />
Ansprechpartner persönlich kennenzulernen.<br />
Die Ziele meines Besuchs waren:<br />
1. Erkunden der sozialen und wirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten und Strukturen des Landes.<br />
2. Kennenlernen der Partnerorganisation und<br />
der Angestellten um eine zuverlässige<br />
Zusammenarbeit zu fördern.<br />
3. Suchen und Kennenlernen von weiteren<br />
lokalen Jugendorganisationen.<br />
4. Recherchen über Gegebenheiten und<br />
entstehenden Kosten bei einem internationalen<br />
Jugendmeeting in Trinidad & Tobago.<br />
Ich habe mich für einen 7 woechigen<br />
Aufenthalt entschieden, der mir genügend Zeit<br />
gewährte, alle meine Aufgaben abzuarbeiten<br />
und gleichzeitig einen kleinen Einblick in die<br />
Lebensphilosophie der Trinis zu erhalten. Es<br />
war eine der großartigsten Erfahrungen meines<br />
Lebens und ich hoffe etwas von der<br />
beeindruckenden Lebensfreude der Menschen<br />
hier mit nach Deutschland gebracht zu haben.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 86
Geschichte Trinidads<br />
Die friedliebenden, Ackerbau treibenden<br />
Fischer und Jaeger werden um 1000 nach<br />
Christus von den vom südamerikanischen<br />
Festland kommenden Kariben unterjocht –<br />
einem kriegerischen Volk mit dem Brauch sich<br />
das Herz eines mutigen Gegners<br />
einzuverleiben, um sich an dessen Stärke zu<br />
bereichern.<br />
Als 1498 Christoph Kolumbus die Insel<br />
entdeckte betrug die Bevölkerungszahl etwa<br />
35 000. Kolumbus, der sich damals der<br />
Südküste näherte, sah als erstes die drei Hügel<br />
der Trinity Hills und nannte die Insel Trinidad<br />
(Dreifaltigkeit). Die Trinis finden es jedoch<br />
heute noch nicht richtig, dass Kolumbus einfach<br />
einen neuen Namen für die Insel bestimmt hat,<br />
da auf der Insel bereits andere Menschen<br />
lebten und diese ihren eigenen Namen für die<br />
Insel hatten.<br />
1580 machte sich der Spanier Don Antonio de<br />
Berrio y Oruna auf die Suche nach dem<br />
sagenumwobenen El Dorado. Der Versuch<br />
scheiterte, aber die Überzeugung, das Goldland<br />
müsse Trinidad sehr nahe sein, veranlasste die<br />
Spanier Trinidad zu besiedeln und de Berrio<br />
zum Gouverneur zu ernennen.<br />
Die errichtete Siedlung wurde bereits 3 Jahre<br />
nach der Entstehung von Sir Walter Raleigh, der<br />
sich gleichfalls der Suche nach El Dorado<br />
verschrieben hatte, geplündert und dem<br />
Erdboden gleichgemacht, bald aber wieder<br />
aufgebaut. Einige wenige privilegierte<br />
spanische Kolonisten blieben trotzdem und<br />
ließen ihre Plantagen von Indianern<br />
bewirtschaften. Kapuzinermönche errichteten<br />
Missionen, widmeten sich der Christianisierung<br />
und zogen die Ureinwohner zum Bau weiterer<br />
Kirchen heran. Wer rebellierte, bezahlte dies<br />
mit seinem Leben. Wer von den spanischen<br />
Soldaten verschont blieb, erlag den von<br />
Europäern eingeschleppten Krankheiten, so<br />
dass innerhalb von 3 Jahrhunderten die<br />
einheimische Bevölkerung so gut wie<br />
ausgelöscht war.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Das Zeitalter der Sklaverei<br />
1783 erwirkte der Franzose Roume de Saint-<br />
Laurent die Verkündung der Cedula de<br />
Populacion, die investitionsbereiten Pflanzern<br />
Unterstützung in Form von Land und<br />
Steuerfreiheit versprach, soweit sie sich der<br />
spanischen Krone gegenüber loyal zeigten und<br />
römisch-katholischen Glaubens waren.<br />
Das Konzept fruchtete und es kamen vor allem<br />
Franzosen. Wenige Jahre später hatte sich die<br />
Bevölkerungszahl schon fast verzehnfacht und<br />
die Wirtschaft blühte.<br />
Den Engländern war das Aufstreben Trinidads<br />
nicht entgangen und die Zeichen der Zeit<br />
standen günstig. Den Angriffen unter Sir Ralf<br />
Abercromby 1797 hatte die desolate<br />
Verteidigungsmaschinerie der Spanier wenig<br />
entgegenzusetzen.<br />
Gegen den Protest der Pflanzer verbot England<br />
zu Anfang des 19. Jahrhunderts den<br />
Sklavenhandel im gesamten Kolonialreich. 1838<br />
war dann für die Sklaven endgültig das Jahr der<br />
Freiheit und die meisten verließen die<br />
Plantagen so schnell es ging, was für viele<br />
Plantagenbesitzer, die sich mittlerweile auf den<br />
Anbau von Zuckerrohr konzentriert hatten,<br />
verheerende Folgen hatte.<br />
Aus diesem Grunde wurden bis 1917 fast<br />
150 000 Inder eingeschifft um auf den<br />
Plantagen zu arbeiten.<br />
Die Nachkriegsjahre des 2. Weltkrieges<br />
Im September 1956 gewann die People’s<br />
National Movement (PNM) die Wahlen und<br />
blieb für die nächsten 30 Jahre an der Macht<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 87
mit Williams als Premierminister. 1958 wurde<br />
die Föderation der Westindischen Inseln ins<br />
Leben gerufen, mit Trinidad als Regierungssitz.<br />
Premierminister wurde der Barbadier Grantly<br />
Adams. Politische Rivalitäten, der Unwille die<br />
schwächeren Staaten zu subventionieren und<br />
der Austritt Jamaikas 1961 veranlassten<br />
Williams für die Unabhängigkeit Trinidads &<br />
Tobagos einzutreten. 1962 viel die Föderation<br />
auseinander.<br />
Am 31. August 1962 erlangte Trinidad &<br />
Tobago die Unabhängigkeit, der Union Jack<br />
wurde eingeholt und die Flagge des neuen<br />
Staates gehisst.<br />
Die 70er und 80er Jahre:<br />
Die Preisbeschlüsse der OPEC 1973 waren für<br />
das wirtschaftlich sehr angeschlagene Trinidad<br />
ein Segen. Die Preissteigerungen verdreifachten<br />
schlagartig die Deviseneinnahmen,<br />
verzehnfachten sie sogar nach der zweiten<br />
Ölpreisexplosion der Jahre 79 und 80. Mit dem<br />
Geldsegen kaufte Williams die Kapitalmehrheit<br />
bei Shell und BP, verstaatlichte die<br />
Zuckerfabriken, die Fluglinie BWIA, Telefon-<br />
und Fernsehgesellschaften, konnte vor allem<br />
den Einfluss auf die von Auslandskapital<br />
kontrollierten Industrien ausweiten und ließ<br />
sich nicht vom Bau eines 460 Mill. US-Dollar<br />
teuren Stahlwerkes, ohne gesicherte<br />
Marktchancen, abbringen. Das Land erlebte<br />
einen noch nie da gewesenen Boom und eine<br />
Aufbruchsstimmung machte sich breit. Die<br />
Entwicklungen verstärkten jedoch das<br />
Lohngefälle zwischen Industrie- und<br />
Landarbeitern, so dass viele Bauern ihre Felder<br />
verließen. Während nur wenige wirklich reich<br />
wurden, lebten 1983 knapp 40% der ländlichen<br />
Bevölkerung unter der Armutsgrenze.<br />
Nach dem Oelboom waren die beginnenden<br />
80er Jahre geprägt von Rezession, fallenden<br />
Ölpreisen, Arbeitslosigkeit und Inflation. Mit<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
sinkenden Erdölpreisen ging auch die<br />
Fördermenge zurück, die Förderkosten stiegen<br />
und der Anreiz für Bohrungen ging verloren.<br />
Trotz Ausgabenkürzungen, der Abwertung des<br />
TT-Dollar um ein Drittel und weiterer<br />
Importbeschränkungen konnte die Regierung<br />
Preissteigerungen der Nahrungsmittel, immer<br />
höher werdende Zahlungsbilanzdefizite und<br />
Auslandsschulden nicht verhindern. Die<br />
Arbeitslosigkeit sollte bis zum Jahr 1990 auf<br />
27% steigen.<br />
Die 90er Jahre:<br />
1991 kam die PNM mit ihrem neuen<br />
Premierminister Patrick Manning wieder an die<br />
Macht. Ein wenig Luft verschaffte der PNM der<br />
Golfkrieg, der einen kurzen Oelboom auslöste.<br />
Mit Panday, Rechtsanwalt und früherer<br />
Marxist, war erstmals ein indisch stämmiger<br />
Politiker an der Macht. Viele Schwarze<br />
befürchteten, dass der Sieg Pandays eine neue<br />
Hegemonie signalisiere, so dass die Wahl zu<br />
neuen Rassenspannungen führen könnte. Im<br />
internationalen Vergleich kooperiert die<br />
Regenbogengesellschaft jedoch in einer<br />
akzeptablen Harmonie und profitiert sicherlich<br />
auch von ihrer ethnisch-kulturellen Vielfalt.<br />
In jüngsten Jahren konzentrierte man sich auf<br />
die Bekämpfung von Kriminalität, Drogen, Aids<br />
und Korruption. Seit 1994 verzeichnet die<br />
Regierung auch wieder sinkende<br />
Arbeitslosenzahlen, den Abbau der<br />
Auslandsverschuldung und den Anstieg des BIP.<br />
Die wirtschaftliche und politische Stabilität der<br />
Ölinsel wird weiterhin von vielen Faktoren<br />
abhängen, derzeit maßgeblich von den<br />
Unwägbarkeiten des Weltölmarktes. Mit dem<br />
Ausbau alternativer Wirtschaftszweige wird<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 88
jedoch langfristig eine Verringerung der<br />
Abhängigkeit vom Erdölsektor angestrebt.<br />
Regierung und Politik:<br />
1889 wurde Trinidad & Tobago von der<br />
britischen Kolonialherrschaft zu einer<br />
Verwaltungseinheit vereint.<br />
Seit März 2003 ist nun für 5 Jahre George<br />
Maxwell Richards der Präsident der<br />
parlamentarischen Demokratie.<br />
Es regieren der Premierminister Patrick<br />
Manning und das Parlament, das aus 2<br />
Kammern besteht – dem Repräsentantenhaus<br />
und dem Senat.<br />
Das Repräsentantenhaus - die dem britischen<br />
Unterhaus entsprechende<br />
Abgeordnetenkammer - setzt sich aus 36<br />
Abgeordneten (34 Trinidad, 2 Tobago)<br />
zusammen, die für eine Wahlperiode von 5<br />
Jahren nach relativer Mehrheitswahl gewählt<br />
werden. Wahlberechtigt ist jeder Bürger ab 18<br />
Jahren.<br />
Der Senat besteht aus 31 Mitgliedern, die<br />
mehrheitlich (16) auf Vorschlag des<br />
Premierministers ernannt werden, 6 auf<br />
Empfehlung des Oppositionsführers und 9 aus<br />
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Verbänden auf Vorschlag des<br />
Staatspräsidenten.<br />
Seit 1980 verfügt Tobago über ein<br />
unabhängiges gesetzgebendes Organ (House of<br />
Assembly) mit 12 auf maximal 4 Jahre<br />
gewählten und 3 von der Mehrheitspartei<br />
ernannten Mitgliedern, das die Innenpolitik der<br />
Insel bestimmt. Die Regierung stellt seit 2002<br />
die People’s National Movement (PNM).<br />
Geführt von Patrick Manning ist das PNM eine<br />
gemäßigte Linkspartei mit starker Basis in der<br />
schwarzen Bevölkerung und<br />
marktwirtschaftlicher Orientierung. Die stärkste<br />
Oppositionspartei ist die linksorientierte Partei<br />
United National Congress (UNC), welche eine<br />
starke Basis in der indisch stämmigen<br />
Bevölkerung besitzt.<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Wirtschaft<br />
Nach einigen Höhen – und Tiefflügen in der<br />
Erdölindustrie stellte die Regierung Anfang der<br />
90er Jahre ein Konjunkturprogramm zur<br />
Modernisierung des Erdölsektors vor. Die<br />
Exploration neuer Lagerstätten wurde<br />
ausländischen Firmen wieder schmackhaft<br />
gemacht, was zu einer konstanteren Situation<br />
des Sektors führte. Die Erdölindustrie ist es<br />
auch, was T&T zum wirtschaftlich stärksten<br />
Land der englischsprachigen Karibik macht.<br />
Im Hinblick auf ein zweites Standbein trieb die<br />
Regierung außerdem die Erschließung von Offshore-Erdgasvorkommen<br />
voran. Das Erdgas<br />
wird zum größten Teil petrochemisch<br />
verarbeitet und zur Stahl- und Stromerzeugung<br />
eingesetzt. Trinidad & Tobago zählt außerdem<br />
zu den größten Exporteuren von Ammoniak,<br />
Stickstoffdünger, Harnstoffen und Methanol.<br />
Einen kleinen Beitrag zum Export leistet auch<br />
der Asphaltsee in La Brea. Weitere<br />
Unternehmen sind in der Nahrungs- und<br />
Genussmittelverarbeitung (Zucker, Rum, Bier,<br />
Zigaretten, Fruchtsäfte) und in der Herstellung<br />
von Baumwolltextilien tätig.<br />
Nach wie vor hängt Trinidads Wirtschaft<br />
langfristig von dem erfolgreichen Aufbau von<br />
Alternativen zum Erdöl ab, kurzfristig von der<br />
Fördermenge und der Entwicklung des<br />
Ölpreises und den marktwirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten der anderen Exportgüter.<br />
Schwierig bleibt auch der Sektor<br />
Landwirtschaft, der während des Ölbooms<br />
völlig vernachlässigt wurde. Der Zucker ist seit<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 89
Jahrzehnten subventionsbedürftig und nur<br />
unter dem Schutz des Zucker-Protokolls der EG<br />
wettbewerbsfähig. Neben Zuckerrohr, werden<br />
auch Kokosnüsse, Zitrusfrüchte, Reis, Bananen,<br />
Kaffee und Kakao angebaut.<br />
Hauptimportgüter sind Kapitalgüter, Rohstoffe,<br />
Zwischenprodukte und Konsumgüter.<br />
Importiert wird überwiegend aus den USA<br />
(51%), daneben aus Lateinamerika,<br />
Großbritannien, Deutschland, Japan, Kanada<br />
und den CARICOM-Ländern. Export betreibt<br />
T&T in die USA (39%), daneben in die<br />
CARICOM-Länder, Lateinamerika, die EU und<br />
EFTA sowie Kanada.<br />
Die Arbeitslosenquote von 14% ist zwar recht<br />
hoch, hat jedoch aufgrund der karibischen<br />
manana-Mentalität, häufiger<br />
Gelegenheitsarbeit, der klimatischen<br />
Verhältnisse sowie des Naturangebotes an<br />
Früchten, Gemüse und Fisch, das bessere<br />
Versorgungsmöglichkeiten bietet, weniger<br />
gravierende Auswirkungen als in den<br />
Industriestaaten. Die Quote ist auch nur<br />
geschätzt, da in T&T nicht jeder Arbeiter<br />
eingeschrieben ist oder gar über eine Kranken –<br />
oder Rentenversicherung verfügt.<br />
In der Hauptstadt Port of Spain beispielsweise,<br />
arbeiten manche Bewohner nebenher als<br />
private Taxi Fahrer, vorausgesetzt ist natürlich<br />
der Besitz eines Autos. Um die Lizenz dafür zu<br />
erhalten sollte jährlich eine Inspektion am Auto<br />
durchgeführt werden, welche ca. 250 TT$ =<br />
36 Euro kostet, was ein fleißiger Fahrer an<br />
einem Tag bereits wieder verdienen kann. Die<br />
Dienstleister fahren dabei bestimmte Routen<br />
ab und lassen die irgendwo am Straßenrand<br />
stehenden Kunden einsteigen. Während der<br />
Fahrt wird bezahlt (2 – 5 TT$ = 30 – 70 Cent)<br />
und an jeder beliebigen Stelle der Route kann<br />
wieder ausgestiegen werden. Bei 4 Stunden<br />
Taxifahrt während der “rush-hour” steckt der<br />
private Fahrer bis zu 300 TT$ = 43 Euro<br />
steuerfrei in die eigene Tasche…<br />
Derzeit hat sich ein neuer Trend unter den<br />
etablierten Einheimischen eingeschlichen: Sie<br />
kaufen Grundstücke und warten bis ein Kunde<br />
deutlich mehr dafür bezahlt. Da die Bauplätze<br />
auf einer kleinen Insel logischerweise sehr<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
begrenzt sind, ist dieses ein relativ sicheres<br />
Unternehmen. So etwas wie Bauzwang gibt es<br />
hier nicht und die high society weiß auch zu<br />
verhindern dass etwas in dieser Art eingeführt<br />
wird. Dadurch ist es heutzutage für junge<br />
Menschen leider schwierig geworden ein<br />
eigenes Plätzchen zu erstehen.<br />
Eine zweifelsohne wachsende Einnahmequelle<br />
ist der Tourismus. Der Ausbau des Cruise Ship<br />
Complex in Port of Spain und die Erweiterung<br />
des Hafens in Scarborough trug dazu bei, dass<br />
beide Inseln mittlerweile täglich Anlaufhafen<br />
für Kreuzfahrtschiffe sind. Ansonsten<br />
erwirtschaftet Trinidad seine Devisenerlöse aus<br />
dieser Branche hauptsächlich während der<br />
Karnevalszeit. Für Tobago spielt der Tourismus<br />
eine weitaus bedeutendere Rolle und ist neben<br />
der Landwirtschaft und dem Fischfang<br />
Haupteinnahmequelle. 1998 kamen insgesamt<br />
350 000 Besucher ins Land, darunter 13 000<br />
Deutsche. Trotzdem T & T Jahr für Jahr eine<br />
Zunahme der Hotelbetten verzeichnet, steckt<br />
der Tourismus – verglichen mit anderen<br />
karibischen Eilanden – noch in den<br />
Kinderschuhen, was aus der Sicht der Besucher<br />
sicherlich noch etwas Besonderes ist.<br />
In T&T wird eine 15%ige allgemeine<br />
Umsatzsteuer (VAT) auf die meisten Güter und<br />
Dienstleistungen erhoben. Wichtigste<br />
Ausnahme sind eine Reihe von<br />
Grundnahrungsmitteln und Personalcomputer<br />
sowie zugehörige Peripheriegeräte. Andere<br />
indirekte Steuern werden an Treibstoff, Tabak<br />
und Alkohol erhoben. An direkten Steuern<br />
werden Einkommens- (28-35%) und<br />
Körperschaftssteuern (35%) erhoben. Auf<br />
Zinszahlungen, Dividenden, Lizenz- und<br />
Franchise gebühren etc. wird eine<br />
Quellensteuer zwischen 10 und 15% erhoben.<br />
Indische Gottheit in Trinidad:<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 90
Schule und Ausbildung<br />
Der Kindergarten hierzulande kann bereits in<br />
einem Alter ab 5 Monaten besucht werden. Die<br />
Kosten hierfür liegen bei 150 TT$ = 21 Euro die<br />
Woche, inklusive einer liebevoll zubereiteten<br />
warmen Mahlzeit. Die Kinder lernen bereis im<br />
Kindergarten einfache Wörter zu lesen,<br />
schreiben und auch einfache mathematische<br />
Aufgaben zu lösen.<br />
Mit 6 Jahren geht’s dann in die sogenannte<br />
Primary School. Diese dauert 7 Jahre und nach<br />
einem erfolgreichen Examen werden die<br />
Schüler in eine 5 oder 7 jährige Secondary<br />
School versetzt. Nach einem bestandenen<br />
Examen der 7 jährigen Schule haben die ca. 20<br />
jährigen jungen Menschen die Möglichkeit sich<br />
in der lokalen Universität, welche eine<br />
Zweigstelle der University of the West Indies<br />
ist, oder aber auch beispielsweise an einer<br />
Deutschen Uni bewerben. Derzeit bewerben<br />
sich jährlich ca. 10 Studenten aus dem<br />
englischsprachigen Raum der Karibik an<br />
deutschen Unis. Der Trend ist steigend. Zum<br />
Einen wegen der sehr positiven Erfahrungen<br />
welche die ehemaligen Trinistudenten in<br />
Deutschland gemacht haben, zum Anderen<br />
wegen der international anerkannten<br />
Studiengänge wie Master oder Bachelor die seit<br />
einigen Jahren in Deutschland angeboten<br />
werden. Schulabgänger die sich für eine<br />
Berufsausbildung entschieden haben erlernen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
diesen in einer ca. halbjährigen Ausbildung.<br />
Generell ist ein relativ hoher Ausbildungsstand<br />
zu verzeichnen. Mit Erfolg wird ein von der Frity<br />
Werner GmbH betreutes, am deutschen dualen<br />
System orientiertes Berufsausbildungsprojekt<br />
betrieben, das in zahlreiche lokale<br />
Unternehmen ausstrahlt.<br />
Geografie<br />
Trinidad<br />
Trinidad ist mit 4828 km2 (zum Vergleich<br />
Berlin: 889 km2) die größte Insel der Kleinen<br />
Antillen und liegt an ihrer schmalsten Passage<br />
nur 11 km vom venezolanischen Festland<br />
entfernt, getrennt durch den nur maximal 27 m<br />
tiefen Golf von Paria.<br />
Die steilen Ausläufer der mit tropischem<br />
Regenwald überzogenen Northern Range<br />
säumen die Nordküste Trinidads, vereinzelt<br />
unterbrochen durch schmale, palmengesäumte<br />
Buchten (z.B. Maracas Bay, Las Cuevas Bay,<br />
Marianne Beach)<br />
Die südlich San Fernandos weit nach Westen<br />
vorspringende, relativ flache Halbinsel weist<br />
ausgedehnte Kokospalmenwälder, einige<br />
Strände sowie den größten Asphaltsee der Welt<br />
auf und ist Standort einer weiteren<br />
Erdölraffinerie. Während die Northern Range,<br />
die Southern Range, die Sued- und Ostküste<br />
sehr spärlich besiedelt sind, drängt sich die<br />
Bevölkerung in den flachen westlichen<br />
Küstengebieten. Hier liegen unter anderem<br />
auch die Hauptstadt Port of Spain (im Norden)<br />
und die zweitgrößte Stadt San Fernando (im<br />
Süden).<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 91
Tobago<br />
Tobago ist gerade mal 300 km2 groß und liegt<br />
knapp 34 km nordoestlich von Trinidad. Auf fast<br />
zwei Dritteln der gesamten Insellänge<br />
überzeugt die immergrüne Bergkette – The<br />
Main Ridge – mit ihrer höchsten Erhebung, dem<br />
Pigeon Hill (572 m), das paradiesische Eiland.<br />
Das Tobago Forest Reserve gilt als das älteste<br />
Naturschutzgebiet der westlichen Hemisphäre.<br />
Die Ausläufer der Main Ridge fallen nicht<br />
überall steil ins Meer ab, so dass sich vor allem<br />
im östlichen Teil der Insel wundervolle, im<br />
Regenwald eingebettete Badebuchten gebildet<br />
haben.<br />
Der flache südwestliche Teil der Inseln ist am<br />
dichtesten besiedelt. Hier liegen die<br />
Touristenhochburg Crown Point und die<br />
Hauptstadt Scarborough. Das bezaubernde<br />
Buccoo Reef, eine ausgedehnte Korallenbank,<br />
stellt zusammen mit dem schneeweißen, von<br />
tief geneigten Palmen gesäumten Strand<br />
Pigeon Point zweifellos eines der schönsten<br />
Fleckchen Karibik dar.<br />
Fakten für Jugendmeeting in T&T:<br />
Die Inseln wären meiner Meinung nach<br />
durchaus für ein größeres Jugendmeeting<br />
geeignet. Die Überschaubarkeit der Städtchen<br />
und Inseln, die interessante Landschaft und<br />
Natur, und die liebenswürdige, warmherzige<br />
und stets hilfsbereite Bevölkerung machen T&T<br />
zu einem attraktiven Gastgeberland.<br />
Das Seminar auf diesen Inseln durchzuführen<br />
bringt ein relativ geringes Sicherheitsrisiko mit<br />
sich. Die Einheimischen versuchen zwar mit<br />
allen möglichen Tricks an das Geld der<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Touristen zu kommen, ich habe aber während<br />
meines Aufenthaltes keinerlei Erfahrungen mit<br />
Androhung von Gewalt oder etwas dergleichen<br />
machen müssen. Derzeit ist zwar das<br />
Kidnapping von Verwandten reicher<br />
Geschäftsleute in Mode, aber auch davon sind<br />
bis jetzt keine Touristen betroffen. Natürlich<br />
muss man jederzeit seine 7 Sinne aktiviert<br />
haben um nicht von den trickreichen<br />
Taschendieben überrascht zu werden, aber die<br />
gibt es ja bekanntlich überall auf der Welt.<br />
Wie man in dem geschichtlichen Teil nachlesen<br />
kann, sind in diesem Land verschiedenste<br />
Kulturen aufeinandergetroffen, was den Besuch<br />
dieses Landes zusaetzlich interessant macht. Es<br />
gibt Afrikaner, Inder, Europäer und Chinesen.<br />
Diese unterschiedlichen Herkunft haben sich<br />
mittlerweile vermischt und es existiert ein wohl<br />
weltweit einzigartiger Mix von differentiellen<br />
Lebensstilen. Viele Eigenheiten der einzelnen<br />
Abstammungen sind in den verschiedensten<br />
Bereichen wie Essen, Religion, Feierstil, Musik<br />
usw. deutlich ersichtlich. Die Teilnehmer dieses<br />
Seminares haben also die Möglichkeit einen<br />
Einblick in die verschiedensten Kulturen zu<br />
gewinnen ohne um die halbe Welt zu reisen.<br />
Die Einheimischen dort sind sehr stolz auf Ihre<br />
hübschen Frauen. Oft wird man darauf<br />
hingewiesen, wie viele Miss Universe T&T<br />
schon gestellt hat und auch im alltäglichen<br />
Leben trifft man auf einige attraktive Frauen.<br />
Auch das weibliche Geschlecht ist von den<br />
schwarzen durchtrainierten Gigolos mit ihren<br />
Rastalöckchen nicht abgeneigt. Als<br />
ausgebildeter Jugendleiter bin ich mir der<br />
Gefahren, die durch das Interesse der<br />
Jugendlichen an den Menschen mit einer<br />
anderen Hautfarbe entstehen können bewusst<br />
und weiß damit umzugehen.<br />
Ein weiterer Vorteil für die europäischen<br />
Teilnehmer ist die englische Sprache. Bedingt<br />
durch das Erbe von Kolonisten und<br />
Immigranten aus unterschiedlichen Ländern<br />
fand zwar ein Prozess sprachlicher<br />
Verschmelzung statt, der zur Entstehung einer<br />
kreolischen Variante des Englischen führte,<br />
aber wer der englischen Sprache mächtig ist,<br />
versteht das Wesentliche. Für die ausschließlich<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 92
spanisch sprechenden Teilnehmer müsste<br />
natürlich wieder ein Dolmetscher organisiert<br />
werden. Ich denke diesen Part würden aber<br />
gerne wieder unsere nicaraguanischen Freunde<br />
der deutschen Schule dort übernehmen.<br />
Das Essen in T&T ist abwechslungsreich,<br />
schmackhaft und günstig. Es gibt neben<br />
indischen, chinesischen, oder afrikanischen<br />
Spezialitäten auch viele fast Food Restaurants<br />
und unzählige Imbissbuden. Für ein großes<br />
Mittagessen inklusive 1 Getränk muss man ca.<br />
20 TT$ = 3 Euro einkalkulieren. Beim Besuch<br />
eines Restaurants mit einer größeren Gruppe<br />
könnte jedoch auch über diesen Preis noch<br />
verhandelt werden. Ein 0.3 l Softgetränk ist<br />
schon für 3 TT$ = 40 Cent zu haben.<br />
Mir wurde auch eine passende Unterkunft für<br />
bis zu 50 Personen empfohlen. Leider hatte ich<br />
keine Gelegenheit mir diese Unterkunft<br />
persönlich anzusehen, aber mir wurde gesagt,<br />
sie liege auf der Spitze eines Berges, was eine<br />
spektakuläre Aussicht zur Folge hätte, sei<br />
gepflegt und es stünde ein Seminarraum zur<br />
Verfügung. Außerdem ist das zentral gelegene<br />
Haus gut für Ausflüge in die ganze Insel<br />
geeignet. Es gibt viele interessante Ausflugziele,<br />
wie die Multikultistadt Port of Spain, welche<br />
gleichzeitig die Hauptstadt Trinidads darstellt,<br />
Regenwälder, unzählige wunderschöne Kirchen<br />
und Statuen verschiedenster Religionen,<br />
Aussichtspunkte, traumhafte Wasserfälle und<br />
den größten Asphaltsee der Welt. Natürlich gibt<br />
es auch etliche paradiesische Karibikbuchten,<br />
welche hervorragend zum Baden geeignet und<br />
über Wanderwege durch wunderschöne<br />
Wälder erreichbar sind, in welchen man<br />
vielleicht einen Affen, mit Sicherheit aber<br />
etliche Vögel und Schmetterlinge zu sehen<br />
bekommt.<br />
Gleeson und Stefan have a lime in Scaborough,<br />
Tobago:<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Die Trinis sind ein sehr feierfreudiges Volk.<br />
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Kulturen<br />
und Religionen gibt es bemerkenswert viele<br />
Feier- (19 staatliche) und vor allem Festtage auf<br />
den sogenannten Feierinseln der Karibik. Fällt<br />
einer der Feiertage auf ein Wochenende, wird<br />
der arbeitsfreie Tag im Laufe der folgenden<br />
Woche nachgeholt. Während eines 2<br />
woechigen Aufenthaltes würde sich mit<br />
Sicherheit eine Gelegenheit ergeben, die<br />
aufregenden Feiergewohnheiten dieses Volkes<br />
mitzuerleben.<br />
Desweiteren wäre noch zu erwähnen, dass<br />
diese Inseln wohl zu den Einzigen in der Karibik<br />
gehören, die noch nicht von Touristen<br />
überlaufen sind und deswegen auch ihre<br />
Lebensphilosophie ihre Ureigene ist, was die<br />
Inseln zusaetzlich interessant macht. Es ist zwar<br />
kaum zu glauben, aber noch nicht mal unser<br />
Weltenbummler, der 1. Vorsitzende unseres<br />
IKuBeZ, Herbert Seebauer, hat diese Inseln je<br />
besucht.<br />
Auch die Transportkosten halten sich in<br />
zumutbaren Grenzen. Während meiner<br />
Recherchen bin ich auf ein Busunternehmen<br />
gestoßen welches 20 Mann Busse zur<br />
Verfügung hat. Für einen eintägigen Ausflug mit<br />
2 Zielen werden pro Bus ca. 100 Euro<br />
abgerechnet.<br />
Ich denke mit der YMCA, Trinidad und Tobago,<br />
habe ich eine kompetente und zuverlässige<br />
Partnerorganisation gewinnen können. Sie<br />
betreuen Kinder- und Jugendgruppen, daher<br />
dürfte es für sie kein Problem darstellen eine<br />
interessante Gruppe zu schicken, welche<br />
unsere Seminare bereichern würde.<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 93
Die Präsidentin der Organisation Sandra Pyke-<br />
Anthony hat auch Interesse gezeigt ein<br />
internationales Jugendmeeting im eigenen<br />
Land durchzuführen. Die YMCA verfügt über ein<br />
eigenes Gelände mit asphaltierten Sportplatz<br />
auf dem Federball, Basketball oder Fußball<br />
gespielt wird, eine Bücherei, welche sich<br />
allerdings auf Bücher in englischer Sprache<br />
beschränkt, ein eigenes Schwimmerbecken<br />
(22m, 5 Bahnen) mit 3 supernetten<br />
Schwimmtrainern, einen Fernseh- und<br />
Seminarraum und natürlich einige Büros mit<br />
Computern und Internetanschlüssen.<br />
Desweiteren habe ich 2 kompetente deutsche<br />
Touristenführerinnen aufspüren können, die<br />
unser Programm gerne unterstützen würden:<br />
Frau Katharina Dumas (Spezialistin für Touren<br />
auf Tobago)<br />
River Road Circular 13c<br />
Plymouth, Tobago<br />
Republik of Trinidad and Tobago<br />
Tel. / Fax: (868) 639-5395<br />
Handy: (868) 756-0407<br />
E-Mail: katharinadumas@tstt.net.tt<br />
Frau Gunda Busch-Harewood (Spezialistin für<br />
Touren auf Trinidad)<br />
11 East Hill, Cascade<br />
Port of Spain, Trinidad<br />
Tel: (868) 625-2410<br />
Fax: (868) 627-6688<br />
Handy: (868) 756-9677<br />
E-Mail: gunda@wow.net<br />
Beschreibungen und Adressen der<br />
verschiedenen Organisationen<br />
Dieser Teil meiner Arbeit war mit viel<br />
Übersetzungsarbeit verbunden. Deswegen<br />
kann ich leider nicht für die vollständige<br />
Richtigkeit der Texte garantieren.<br />
a) YMCA, Trinidad & Tobago<br />
Benbow Road, off Wrightson Road<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Port of Spain<br />
Trinidad & Tobago<br />
Tel. (868) 625-9622<br />
Or (868) 627-8764<br />
E Mail: ymca@wow.net<br />
Der Patron der YMCA Trinidad & Tobago ist<br />
kein geringerer als der Präsident der Republik<br />
T&T George Maxwell Richards. Zu der<br />
Präsidentin der Organisation, Sandra Pyke-<br />
Anthony konnte ich einen guten persönlichen<br />
Kontakt herstellen und werde auch zukünftig<br />
diesen Kontakt aufrecht erhalten und pflegen.<br />
Die YMCA betreibt einige sehr interessante<br />
Projekte, von denen ich im Folgenden einige<br />
erläutern möchte.<br />
ILO Projekt (International Labru Organisation)<br />
Das Ziel dieses Projektes ist es, 40 in den<br />
staatlichen Müllhalden lebenden Kindern die<br />
Möglichkeit zu geben, eine Schule zu besuchen<br />
oder eine Ausbildung zu beginnen, sie zu<br />
resozialisieren und somit wieder in die<br />
Gesellschaft einzugliedern. Dieses Projekt<br />
konnte ich durch meine Vermittlung an die<br />
lokale deutsche Botschaft mit einem nicht<br />
unerheblichen Geldbetrag unterstützen.<br />
Citibank Projekt<br />
Hierbei möchte YMCA mit Hilfe der Citibank<br />
jungen Leuten einen Weg aufzeigen ein eigenes<br />
Geschäft zu eröffnen und selbständig zu<br />
werden. Es beginnt mit<br />
Informationsveranstaltungen in 6<br />
verschiedenen Gemeinden, erstreckt sich über<br />
die Beratung in wirtschaftlichen und<br />
technischen Fragen und endet wenn die jungen<br />
Geschäftsleute erfolgreich auf eigenen Beinen<br />
stehen.<br />
After-School Programme<br />
In der Trini-Gesellschaft gibt es viele Eltern,<br />
denen es aufgrund Ihrer täglichen Arbeit nicht<br />
möglich ist Ihre Kinder nach der Schule<br />
abzuholen. Mit der Gründung der “After-School<br />
Programme”, welche ständig erweitert werden,<br />
hat die YMCA eine passende Antwort für dieses<br />
Problem gefunden. Die Schüler werden von der<br />
Schule abgeholt, zu YMCA transportiert und mit<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 94
einem kleinen Snack versorgt. Sie machen<br />
unter Beaufsichtigung Ihre Hausaufgaben und<br />
haben die Möglichkeit verschiedenen<br />
Aktivitäten nachzugehen bis sie von Ihren<br />
Eltern abgeholt werden. Die Kosten für dieses<br />
Programm belaufen sich auf 150 TT$ = 22 Euro<br />
pro Monat.<br />
Summer time<br />
Die Schüler in der Republik Trinidad und<br />
Tobago genießen 8 Wochen Sommerferien.<br />
Während dieser Zeit können viele Eltern nicht<br />
genügend Zeit für Ihre Kinder aufbringen. Mit<br />
diesem Programm unterstützt YMCA diese<br />
Familien. Die Kinder werden den ganzen Tag<br />
über betreut, erhalten einen kleinen Lunch, und<br />
können sich die Zeit mit Kindern gleichen Alters<br />
vertreiben. Es wird Fußball, Basketball und<br />
Seilspringen, schwimmen, Filme, und singen<br />
angeboten. Die Kosten für dieses Programm<br />
belaufen sich auf 100TT$ = 14 Euro in der<br />
Woche. Es gibt auch ein Summer time<br />
Programm in den einzelnen Gemeinden.<br />
Natürlich hat man vor Ort nicht die gleichen<br />
Möglichkeiten und deshalb kostet dieses<br />
Programm auch nur 1TT$ = 14 Eurocent pro<br />
Tag. Trotzdem sind die Kinder beschäftigt und<br />
treiben sich nicht auf der Straße herum.<br />
Men Touring<br />
YMCA hat das Problem immer häufiger<br />
auftretender männlicher Aggressionen in T&T<br />
erkannt und deswegen das “Men Touring<br />
Programm” eingeführt. Dieses Programm<br />
wurde hauptsächlich zum Leben erweckt, damit<br />
junge Männer die richtigen Entscheidungen<br />
treffen, ihre persönliche Verantwortung<br />
erkennen und Ihren persönlichen Charakter<br />
weiterentwickeln.<br />
Youth & Community Outreach<br />
Seit 1995 arbeitet YMCA mit benachteiligten<br />
und desillusionierten jungen Personen, um sie<br />
zu positiven und produktiven Mitgliedern der<br />
Gesellschaft zu machen. Mit Hilfe von<br />
Hausbesuchen, Meetings in YMCA Zentren und<br />
Info Veranstaltungen in Schulen und<br />
Gemeinden war es der Organisation möglich<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
landesweit tausende Leute zu erreichen. Dieses<br />
Programm vermittelt einen besseren Umgang<br />
mit der Umwelt, soziale Fähigkeiten, Sport,<br />
Kunst, Lebens- und Familienplanung,<br />
Bewerbungsinfoveranstaltungen und<br />
Sommerfreizeitprogramme. Desweiteren gibt<br />
es verschiedene Jugendgruppen, welche das<br />
Gelände der YMCA benutzen dürfen und somit<br />
einen Platz um abzuhängen und relaxen haben.<br />
Early Childhood Care & Education<br />
Das immer größere werdende Programm<br />
betreut Kinder zwischen 5 Monaten und 5<br />
Jahren. Im Jahr 2002 waren 150 Kinder in der<br />
Obhut unserer Belegschaft. Die Kinder sind<br />
sozial engagiert durch Karnevalaktivitäten,<br />
spielen Fußball, praktizieren Karate und lernen<br />
Musik zu spielen.<br />
Character Caravan<br />
Fürsorge, Respekt, Verantwortlichkeit und<br />
Rechtschaffenheit sind die Kernwerte und<br />
Prinzipien der YMCA und die Organisation<br />
versucht diese zu pflegen und in ihrem<br />
Erziehungssystem durch “Character Caravan”<br />
zu vermitteln. Dieses Konzept wird von YMCA<br />
seit 2001 entwickelt und arbeitet mit Kunst,<br />
interaktiven Theaterstücken und Musik um<br />
jungen Menschen diese Fähigkeiten zu<br />
vermitteln.<br />
Meine direkten Ansprechpartner bei YMCA sind<br />
die beiden Community Outreach Coordinator<br />
der Organisation:<br />
Svenn Miki Grant<br />
43 Belle-Eau-Road<br />
Belmont<br />
Port of Spain<br />
Trinidad & Tobago<br />
Mobile: (868) 755-6993<br />
Home: (868) 623-3646<br />
Office: (868) 625-9622<br />
Gleeson Job<br />
Andrewtrace<br />
Blue Basin Road<br />
Diego Martin<br />
Trinidad<br />
Mobile: (868) 625-9622<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 95
) Youth Developers for a Sustainable<br />
T&T<br />
Upper St. Francois Valley Road,<br />
Belmont<br />
Trinidad & Tobago<br />
Tel. (868) 769-4322<br />
E-Mail: phillippauline@hotmail.com<br />
Die Präsidentin dieses Vereins heißt Pauline<br />
Phillip. Sie bereitet gerade einige karibische<br />
Austauschprogramme vor und zeigte sich auch<br />
sehr an einer Zusammenarbeit mit dem IKuBeZ<br />
in Deutschland interessiert. Diese Gruppe<br />
besteht derzeit aus ca. 40 jungen Menschen<br />
zwischen 14 und 30 Jahren, von denen jeder 20<br />
TT$ = 3 Euro Anmeldegebühr und 100 TT$ = 14<br />
Euro im Jahr Mitgliedsbeitrag entrichtet.<br />
Sie bieten kostenlose Computerkurse<br />
(Windows, Microsoft Office), verschiedene<br />
Sportveranstaltungen (Fußball, Kricket) und<br />
eine kostenlose Kinderbetreuung während der<br />
Nachmittage an. Hierbei erledigen die Kinder<br />
unter Beaufsichtigung Ihre Hausaufgaben.<br />
Außerdem haben die Schüler die Möglichkeit<br />
sich mit Fragen an die Aufseher zu wenden.<br />
Wenn alle Hausaufgaben erledigt sind, gibt es<br />
ein spannendes und abwechslungsreiches<br />
Beschäftigungsprogramm für die Kids.<br />
Es werden auch 2 Sportkurse angeboten, für<br />
die allerdings extra bezahlt werden muss:<br />
- KEEP FIT<br />
- SELBSTVERTEIDIGUNG<br />
Manchmal werden von der Organisation auch<br />
Partys organisiert. Diese Veranstaltungen<br />
stehen unter einem bestimmten Motto. Die<br />
Besucher werden hierbei mit den Themen<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Kriminalität, Gewalt, HIV/AIDS oder die Zukunft<br />
Trinidad und Tobagos konfrontiert.<br />
Weitere Ansprechpartner dieser Organisation<br />
sind:<br />
Call Hayden, Tel. (868) 750-6101<br />
Byron, Tel. (868) 756-1894<br />
c) CARe<br />
PO Box 1944<br />
Port of Spain<br />
Trinidad & Tobago<br />
Tel/Fax: (868) 625-0632<br />
E-Mail: exdir@tstt.net.tt<br />
CARe ist eine regierungsunabhängige<br />
Organisation und hat derzeit bereits über 300<br />
Mitglieder. Sie genießen Unterstützung von<br />
Doktoren, Anwälten und Psychologen. Die<br />
Vereinigung bestimmte einen Vorstand mit 9<br />
Mitgliedern, welcher die Organisation leitet<br />
und führt. Ein Drittel der Vorstandsmitglieder<br />
ist HIV positiv.<br />
Die story von CARe...<br />
Als 1983 der erste HIV/AIDS-Fall diagnostiziert<br />
wurde, hat sich niemand für diesen Fall<br />
interessiert. 1988 begannen eine Reihe<br />
infizierter, junger Leute sich wöchentlich zu<br />
treffen und offen über die Probleme zu<br />
sprechen, welche diese Krankheit mit sich<br />
bringt. Sie diskutierten offen über ihren<br />
Gesundheitszustand, ihre Strategie gegen die<br />
Krankheit anzukämpfen und wie sie infiziert<br />
wurden. Dieses Forum war das Erste seiner Art<br />
in der Karibik, irgendwann gaben sie dem<br />
regelmäßigen Meeting einen Namen: CARe<br />
CARe strebt danach…<br />
die Lebensqualität der Leute die mit dem<br />
HIV/AIDS Virus leben zu erhöhen<br />
CARe<br />
- bietet emotionale Unterstützung für HIV/AIDS<br />
infiziert Personen und deren Familien<br />
- bietet aufklärende Unterstützung für infizierte<br />
Personen und deren Familien<br />
- erleichtert den Zugang zu ärztlicher<br />
Behandlung<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 96
- treibt die Entwicklung der Dienste für<br />
Infizierte voran<br />
- hilft durch Aufklärung der Allgemeinheit und<br />
beeinflusst die Politik<br />
- stoppt die Diskriminierung Infizierter<br />
CARe hat ein HIV-negativ Netzwerk aufgebaut,<br />
welches sie darin unterstützt ihre Ziele zu<br />
erreichen. Die Mitglieder dieses Netzwerkes<br />
spielen für die Organisation eine wichtige Rolle,<br />
vor allem dann, wenn diese direkten<br />
Erfahrungen mit HIV/Aids infizierten in Familie<br />
oder Freundeskreis haben. CARe sucht ständig<br />
nach weiteren lokalen, regionalen und<br />
internationalen Partnerorganisationen. CARe<br />
tritt regelmäßig in Schulen und Jugendgruppen<br />
armer Regionen auf und veranstaltet dort<br />
Informationsrunden über HIV/AIDS, sexuelle<br />
Krankheiten und sexuelle Aufklärung allgemein.<br />
Sie verfügen über 5 Angestellte, die meiste<br />
Arbeit wird allerdings von den vielen<br />
freiwilligen Helfern erledigt.<br />
Desweiteren trifft sich eine Gruppe von ca. 20<br />
Personen zwischen 15 und 22 Jahren einmal<br />
wöchentlich um sich über alle Dinge zu<br />
unterhalten, die sie gerade beschäftigen.<br />
d) The YOUTH DELTA<br />
13C Wrightsen Road<br />
Port of Spain<br />
Trinidad & Tobago<br />
Tel: (868) 624-9335<br />
Fax: (868) 624-9336<br />
E-Mail: theyouthdelta@excite.com<br />
VISIONEN<br />
The YOUTH DELTA wird Hilfe durch<br />
Beteiligungen und Partnerschaften mit vielen<br />
verschiedenen Organisationen anbieten. Die<br />
Jugend hat ein großes Mitspracherecht, was die<br />
Entscheidungen und Durchführung der<br />
verschiedenen Programme angeht. Letztendlich<br />
werden diese Programme schließlich auch von<br />
den Jugendlichen selbst durchgeführt.<br />
TYD wird immer darauf achten, dass die<br />
Interessen der Jugendlichen unabhängig von<br />
der politischen Entwicklung Trinidad & Tobagos<br />
im Vordergrund stehen. TYD wird mehrere<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Jugendzentren in den einzelnen Gemeinden<br />
übernehmen, um dadurch engeren Kontakt zu<br />
den Jugendlichen aufbauen zu können und<br />
diese zu eigenverantwortlicher Arbeit in deren<br />
Gemeinde zu motivieren. TYD wird ein großes<br />
Netzwerk mit allen Jugendorganisationen<br />
bilden, mit denen sie in Kontakt stehen und<br />
somit einen großen starken Verband bilden.<br />
TYD sieht sich in der Zukunft als Die<br />
Informationsquelle was die Jugend in Trinidad<br />
und Tobago betrifft.<br />
KERNWERTE<br />
- Service Leistungen<br />
Unser primärer Klient ist die Gemeinschaft der<br />
Jugendorganisationen. Diese, bei denen der<br />
Ausbau und die Verbesserung der<br />
Serviceleistungen äußerste Priorität haben.<br />
- Professionalität<br />
Die effektive Entwicklung und Darstellung von<br />
Fähigkeiten und Kompetenzen ist immer Teil<br />
unserer Philosophie.<br />
- Teamwork<br />
Auf den verschiedenen Projekten basierenden,<br />
disziplinierten Teams sind unersetzlich um zu<br />
Erfolgen zu kommen.<br />
- Integration<br />
Soziales Verantwortlichkeitsgefühl und<br />
Rechtschaffenheit sind der Schlüssel um der<br />
Entwicklung unserer Jugend näher zu kommen.<br />
Unsere Organisation ist<br />
- dynamisch<br />
- innovativ<br />
- jung<br />
- produktiv<br />
- menschlich<br />
- technologisch bewandert<br />
- am Menschen orientiert<br />
- projektorientiert.<br />
HAUPTAUFGABEN<br />
Beraten und Unterstützen:<br />
- Beratung der Politik in Fragen der<br />
Jugendentwicklung<br />
- Repräsentation der Entwicklung der<br />
verschiedenen Stadien des<br />
Jugendentscheidungsprozesses<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 97
- Einwirkung auf den Gesetzgeber was<br />
Jugendfragen angeht<br />
- Sich um die intellektuelle Weiterentwicklung<br />
innerhalb der Organisation kümmern<br />
Projektmanagement & technische<br />
Unterstützung:<br />
- Weiterentwicklung der Kapazitäten von TYD<br />
und anderen Organisationen um verschiedene<br />
Projekte durchzuführen und zu verwalten.<br />
- Entwickeln eines Netzwerkes welches die<br />
Durchführung und Verwaltung von Projekten<br />
sehr ernst nimmt.<br />
- Leiten von Workshops, welche sich um<br />
Projektdesign und Projektentwicklung<br />
kümmern.<br />
Freiwillige beschäftigen:<br />
- Fördern von effektiver Freiwilligenarbeit und<br />
Bereitstellung von Gebäuden und<br />
Grundstücken für diese Arbeit.<br />
- Werben für Freiwilligenarbeit.<br />
Beschaffung von Geldern:<br />
- Durchführen von Veranstaltungen<br />
- Gründen von Workshops<br />
- Entwickeln von Produkten für Marketing und<br />
Verkauf<br />
STRUKTUR DER ORGANISATION<br />
Unsere Vereinigung ist eine flexible<br />
Organisation, die aus 4 Elementen besteht. Es<br />
gibt eine Reihe von Direktoren, welche für die<br />
<strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>Freiwilligendienste</strong>.<br />
Führung verantwortlich ist. Diese geschulten<br />
und qualifizierten Führungspersonen besitzen<br />
über große Erfahrungswerte im Bereich der<br />
sozialen Entwicklung, Jugendentwicklung,<br />
Finanzmanagement, graphisches Design und<br />
Psychologie. Außerdem gibt es eine Reihe<br />
Mitarbeiter, welche verschiedene<br />
Programmaktivitäten durchführen.<br />
Desweiteren gibt es viele freiwillige Helfer,<br />
welche für spezifische Projekte eingesetzt<br />
werden.<br />
Die Mitglieder von TYD sind in verschiedene<br />
Teams eingeteilt, was die Abarbeitung der<br />
Projekte vereinfacht. Diese Teams kümmern<br />
sich um folgende Teilgebiete:<br />
1. Mitglieder<br />
2. Verwaltung und Finanzen<br />
3. Ereignisplanung<br />
4. Produktenwicklung<br />
5. Kommunikation<br />
6. Gebäudekapazität.<br />
MITGLIEDORGANISATIONEN<br />
TYD arbeitet mit verschiedensten<br />
Organisationen zusammen. Etwa 25<br />
Jugendorganisationen bilden ein<br />
Jugendnetzwerk.<br />
Meine Ansprechpartnerin bei TYD ist:<br />
Arielle Joseph<br />
DRETCHI Compound<br />
13C Wrightson Road,<br />
Port of Spain<br />
Trinidad<br />
Tel. (868) 624 – 9335<br />
E-Mail: jarielle_99@yahoo.com<br />
wackotrini@hotmail.com<br />
Euer Stefan Stark<br />
Arbeiterkultur- und Bildungsverein e.V. Seite 98