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Ausschreibungen Der Weg zum besten Angebot Risikomanagement ...

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Experience Nr. 46 September 2009<br />

© by ERNI Consulting AG<br />

Experience<br />

ERNI Erfahrungsberichte rund um Management-, Prozess- und Technologiethemen<br />

<strong>Ausschreibungen</strong><br />

<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong><br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

Gefahren frühzeitig erkennen<br />

und zielgerichtet entschärfen<br />

Zeitmanagement<br />

Dem Druck standhalten<br />

Projektmanagement<br />

Zwischen Effi zienz und Prozessreife


ERNI Experience | Editorial<br />

Titelseite: Peter Zuber<br />

Business Area Manager<br />

in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Softwarearchitektur,<br />

Process Improvement und Geschäftsprozess-Management.<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

ERNI Consulting AG<br />

Zürich · Baar · Bern<br />

ERNI (Deutschland) GmbH, München<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o., Bratislava<br />

Redaktion<br />

Maria Holla<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o.<br />

Tel. +421 2 3255 37 37<br />

E-Mail leserservice@erni.ch<br />

Internet www.erni.ch/experience<br />

Editorial<br />

Peter Zuber<br />

<strong>Ausschreibungen</strong><br />

Oliver Blindenbacher<br />

Olivier Gut<br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

Dimitrios Ekatodramis<br />

Zeitmanagement<br />

Georges Mauch<br />

Patrik Lustenberger<br />

Projektmanagement<br />

Winfried Kärtner<br />

Olivier Gut<br />

Lektorat<br />

Stefan Kyora,<br />

Mediacontact GmbH, Luzern<br />

Ruedi Häuptli, Sprachagentur Bahia,<br />

Salvador BR<br />

Konzept/Layout<br />

Katarina Beinrohrova<br />

Produktion<br />

Druckerei Ebikon AG, Ebikon<br />

Auflage<br />

10 000 Exemplare<br />

Erscheint quartalsweise<br />

Copyright © 2009<br />

by ERNI Management Services AG<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

2<br />

Nachhaltig sparen<br />

ohne Leistungseinbussen<br />

Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage steigt der Spar- und Kostendruck weiterhin. Kostenreduktionen<br />

sind dabei kein Rechenexempel, sondern eine Managementaufgabe. Sie<br />

setzen eine langfristige Perspektive und intensive Kommunikation mit den Mitarbeitenden<br />

voraus. Es ist nun wichtig, die Kräfte zur Umsetzung des Richtigen einzusetzen, sprich effektiv<br />

vorzugehen. Unter diesen Voraussetzungen lassen sich Einsparungen realisieren, bei<br />

denen die Qualität der Leistungen nach wie vor stimmt und die Mitarbeitenden weiterhin<br />

motiviert und engagiert zur Sache gehen. Die Effizienzsteigerungen sind in solchen Fällen<br />

keine Abwehrreaktion mehr gegen konjunkturell unsichere Zeiten, sondern ein Beitrag zur<br />

Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Organisation.<br />

In diesem ERNI Experience stellen wir Ihnen vier Ansätze vor, welche Ihre Organisation weiterbringen<br />

und dabei gleichzeitig deutliche Einsparungen bewirken. <strong>Der</strong> erste Artikel betrifft<br />

ein Evaluationsverfahren für Software welches hilft Gefahren frühzeitig zu erkennen und<br />

zielgerichtet zu entfschärfen. <strong>Der</strong> zweite Text beschreibt ein konsequentes <strong>Risikomanagement</strong>.<br />

Daran anschliessend werden die Vorteile eines Zeitmanagements der Mitarbeitenden<br />

vorgestellt und es wird erläutert, wie man dies einführt. Im vierten Artikel wird aufgezeigt,<br />

dass sich ein Tailoring des eigenen Projektmanagementprozesses auch für einzelne Projekte<br />

lohnt.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und freue mich auf Ihr Feedback.<br />

Herzlich<br />

Peter Zuber


Inhalt<br />

<strong>Ausschreibungen</strong><br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

Zeitmanagement<br />

Projektmanagement<br />

<strong>Ausschreibungen</strong>: <strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong> 4<br />

Evaluationsverfahren können gleichzeitig effektiv und effizient sein.<br />

Eine IT-Lösung ist häufig mehr als zehn Jahre in Betrieb. Über diesen langen Zeitraum muss sie<br />

sich in Sachen Kosten, Technologie und Anforderungen der Nutzer bewähren. Ein effektives und<br />

effizientes Vorgehen bei der Ausschreibung stellt sicher, dass man bei der Wahl einer Software<br />

langfristig die optimale Entscheidung trifft und trotzdem die Aufwände für den Evaluationsprozess<br />

im Griff behält.<br />

Gefahren frühzeitig erkennen und zielgerichtet entschärfen 8<br />

Effektives <strong>Risikomanagement</strong> als integrativer Bestandteil des Projektmanagements<br />

Die Bedeutung des <strong>Risikomanagement</strong>s ist jedem erfahrenen Projektleiter klar. Doch wenn IT-Projekte<br />

wie in der aktuellen wirtschaftlichen Situation unter hohem Zeit- und Kostendruck stehen,<br />

nehmen <strong>Risikomanagement</strong>-Aktivitäten oft ab. Da das Projektumfeld jedoch gerade bei hohem<br />

Arbeitsdruck Überraschungen bereithalten kann, lohnt es sich derzeit besonders, das <strong>Risikomanagement</strong><br />

konsequent zu betreiben oder sogar weiter zu verbessern.<br />

Dem Druck standhalten 12<br />

Nachhaltig erfolgreich mit Zeitmanagement<br />

Schlanke Organisationen brauchen nicht nur effiziente Prozesse, sondern auch leistungsfähige<br />

Mitarbeitende. Dies setzt voraus, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeitskraft nicht nur effizient, sondern<br />

auch nachhaltig einsetzen. Die Methoden dafür liefert das Zeitmanagement.<br />

Zwischen Effizienz und Prozessreife 16<br />

Angemessenes statt bürokratisches Projektmanagement<br />

Operatives Projektmanagement ist eine Gratwanderung zwischen möglichst hoher Effizienz und<br />

Agilität auf der einen Seite sowie Wiederholbarkeit, Steuerbarkeit und Personenunabhängigkeit<br />

auf der anderen. Die bekannten Referenzmodelle wie PMBOK® (des PMI) oder IPMA zeigen einen<br />

soliden Prozessrahmen für das Projektmanagement. Leider helfen sie nur bedingt bei der Frage,<br />

wie die Prozesse umgesetzt werden sollen. Denn <strong>zum</strong> angemessenen Projektmanagement gelangt<br />

man nicht durch die umfassende Umsetzung eines Referenzmodells, sondern durch die Definition<br />

von Prozessen, die optimal zur eigenen Organisation passen.<br />

Alle Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Inhalt | ERNI Experience<br />

3


<strong>Ausschreibungen</strong> | <strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong><br />

<strong>Ausschreibungen</strong>:<br />

der <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong><br />

Evaluationsverfahren können gleichzeitig effektiv und effizient sein.<br />

Eine IT-Lösung ist häufig mehr als zehn Jahre in Betrieb. Über diesen langen Zeitraum muss sie sich in Sachen Kosten,<br />

Technologie und Anforderungen der Nutzer bewähren. Ein effektives und effizientes Vorgehen bei der Ausschreibung stellt<br />

sicher, dass man bei der Wahl einer Software langfristig die optimale Entscheidung trifft und trotzdem die Aufwände für<br />

den Evaluationsprozess im Griff behält. Von Oliver Blindenbacher und Olivier Gut<br />

<strong>Der</strong> Entscheid für eine IT-Lösung hat weitreichende<br />

Folgen. Trifft man die richtige<br />

Entscheidung, kann über Jahre hinweg,<br />

während des gesamten Lebenszyklus der<br />

Lösung, Geld gespart werden. So hat beispielsweise<br />

eine gute Bedienbarkeit weniger<br />

aufwändige Schulungen oder weniger<br />

Supportanfragen zur Folge. <strong>Ausschreibungen</strong><br />

für IT-Lösungen können deshalb<br />

nicht nur auf das Beherrschen juristischer<br />

Feinheiten reduziert werden. Es ist notwendig,<br />

systematisch und methodisch<br />

die Anforderungen an das IT-System zu<br />

erheben und zu formulieren.<br />

Jede Evaluation verläuft über vier Stationen.<br />

Bei der Gestaltung spielen für öffentliche<br />

Auftraggeber und sogenannte Sektorenbetriebe<br />

juristische Rahmenbedingungen eine<br />

wichtige Rolle. Innerhalb dieser Bedingungen<br />

können sie die Vergabe nach Effektivitäts-<br />

und Effizienzkriterien gestalten. Diese<br />

sind dieselben wie bei privaten Unternehmen<br />

(siehe Abb. 1).<br />

Die Grundlage für die Entscheidung wird<br />

im ersten Schritt gelegt. Grosse Bedeutung<br />

4<br />

bei der Erhebung der Anforderungen, dem<br />

Requirements Engineering, haben die sogenannten<br />

nichtfunktionalen Anforderungen.<br />

Zu ihnen gehören etwa die Performance<br />

der Lösung, die Sicherheit und<br />

Zuverlässigkeit, vor allem aber auch die<br />

Bedienbarkeit (Usability). Solche Faktoren<br />

entscheiden nicht nur über die Effizienz<br />

beim Einsatz und sind damit unmittelbar<br />

kostenwirksam, sondern beeinflussen<br />

darüber hinaus auch die Zufriedenheit<br />

der Anwender in entscheidender Weise.<br />

Deswegen sollten die zukünftigen Nutzer<br />

der IT-Lösung bei der Erhebung und der<br />

späteren Bewertung der entsprechenden<br />

Kriterien einbezogen werden.<br />

Weitere wichtige Anforderungen betreffen<br />

die der Lösung zugrunde liegende Technologie.<br />

Diese sollte auf Dauer verfügbar sein<br />

und nicht in den nächsten Jahren durch<br />

einen Technologieschritt abgelöst werden.<br />

Deshalb muss eine langfristige Releaseplanung<br />

vorliegen. Zudem sollten genügend<br />

Fachkräfte, Ausbildungsangebote, Literatur<br />

und Dokumentationen auf dem Markt verfügbar<br />

sein. Sind diese Kriterien erfüllt, kann<br />

eine nachhaltige Lösung gefunden werden.<br />

Doch auch die Anbieter müssen bestimmte<br />

Eigenschaften aufweisen, damit das spätere<br />

System nachhaltig betrieben werden<br />

kann. Das Unternehmen sollte aufgrund<br />

seiner Grösse und Stabilität langfristig<br />

eine Perspektive besitzen sowie Support-<br />

und Wartungsleistungen zur Verfügung<br />

stellen können. Hinzu kommen Anforderungen<br />

hinsichtlich der Projektabwicklung.<br />

Insbesondere sollte schon in der<br />

Ausschreibung ein Vorgehensmodell festgelegt<br />

werden, das die Basis für die Zusammenarbeit<br />

zwischen Lieferant und Käufer<br />

bildet. Eine stabile Zusammensetzung des<br />

Teams, das beim Anbieter für den Auftrag<br />

zuständig ist, ermöglicht eine effiziente<br />

Realisierung der IT-Lösung.<br />

Die Anforderungen müssen indes nicht<br />

nur richtig erhoben, sondern auch in geeigneter<br />

Form festgehalten werden. Das<br />

heisst, sie müssen eindeutig, verständlich<br />

und messbar formuliert sowie mit<br />

Prioritäten versehen sein. So erlauben<br />

sie eine Konsensfindung unter den Anforderungsträgern<br />

auf der Bestellerseite,


<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong> | <strong>Ausschreibungen</strong><br />

Eine Gruppengrösse von etwa fünf bis sieben Personen ermöglicht einerseits<br />

effi zientes Arbeiten und lässt andererseits aber auch einen Vertreter für jede<br />

wichtige Gruppe von Anforderungsträgern zu.<br />

5


<strong>Ausschreibungen</strong> | <strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong><br />

ermöglichen die Bewertung der Offerten<br />

und dienen darüber hinaus auch noch als<br />

Grundlage für die spätere Entwicklung.<br />

Die Ressourcen, die in das Erheben der<br />

Anforderungen fl iessen, bringen auf diese<br />

Weise mehrfachen Nutzen und helfen,<br />

die Ausschreibung effi zient umzusetzen.<br />

Ist mit der Dokumentation der Anforderungen<br />

die Frage geklärt, was man will,<br />

folgt die Auswahl des Ausschreibungsverfahrens.<br />

In Frage kommen prinzipiell vier<br />

Verfahren mit unterschiedlichen Vor- und<br />

Nachteilen (siehe Abb. 2).<br />

Schliesslich erfolgt die Bewertung der Offerten,<br />

die eng mit der Formulierung der<br />

Anforderungen zusammenhängt. Hier zeigt<br />

sich, ob die gestellten Anforderungen die<br />

Zukunftsperspektive genügend berücksichtigt<br />

haben. Bei der Betrachtung der Kosten<br />

etwa muss der gesamte Lifecycle der Lösung<br />

betrachtet werden. Da ein grosser Teil der<br />

Kosten während des Betriebs und späterer<br />

Änderungen anfällt, ist es nicht ungewöhnlich,<br />

dass sich schliesslich diejenige Lösung<br />

als die günstigste entpuppt, deren Anschaffung<br />

relativ teuer war (siehe Abb. 3).<br />

Beispiel 1<br />

Evaluation einer Standardsoftware<br />

in einem selektiven Verfahren<br />

Bei der Ausschreibung für eine Standardsoftware<br />

wurde eine grosse Anzahl von Offertstellern<br />

erwartet, weshalb ein zweistu-<br />

6<br />

Abbildung 1:<br />

Vier Stufen während der Evaluation<br />

Trifft man die richtige Entscheidung, kann über Jahre hinweg, während des gesamten<br />

Lebenszyklus der Lösung, Geld gespart werden.<br />

Effektivitäts- und Effi zienzkriterien<br />

Erheben<br />

der Anforderungen<br />

Einholen<br />

der Offerten<br />

fi ges, selektives Verfahren gewählt wurde,<br />

um den Aufwand bei der Detailbewertung<br />

der offerierten Lösungen zu beschränken.<br />

Für die erste Selektion wurden nur Anforderungskriterien<br />

in Bezug auf den Anbieter<br />

und die Technologie berücksichtigt.<br />

Dies reduzierte die Anzahl Offertsteller<br />

auf eine kleine, bewertbare Menge. Bei<br />

potenziellen Lieferanten, die diese Hürde<br />

nahmen, wurde dann als zweiter Schritt<br />

die Lösung selbst evaluiert. Die aus juristischen<br />

Gründen unterschiedlichen Kriterien<br />

für die erste und die zweite Stufe<br />

des Verfahrens konnten aufgrund des klar<br />

strukturierten Anforderungskatalogs relativ<br />

einfach getrennt werden. Auch bei<br />

dieser Trennung stellten sich die Investitionen<br />

in eine aufwändigere Erhebung der<br />

Anforderungen als lohnend heraus.<br />

Soll die Bewertung wirklich <strong>zum</strong> optimalen<br />

<strong>Angebot</strong> führen, ist auch hier ein gewisser<br />

Aufwand unumgänglich. Dennoch gibt es<br />

auch Raum für Effi zienzsteigerungen.<br />

<strong>Der</strong> Aufwand lässt sich <strong>zum</strong> Beispiel begrenzen,<br />

wenn auf ein Dokument verzichtet<br />

wird, in dem zu jeder einzelnen<br />

Anforderung Stellung genommen wird.<br />

Effi zienter ist eine Lösungsskizze, kombiniert<br />

mit einer sogenannten Delta-Liste.<br />

Die Skizze charakterisiert auf wenigen Seiten<br />

die Lösung des Anbieters. Aufgrund<br />

dieser Skizze lassen sich der Ansatz, die<br />

Technologie, der Innovationsgrad und<br />

Beurteilung<br />

der Offerten<br />

Vergabe<br />

des Auftrags<br />

Rechtliche Rahmenbedingungen für die öffentliche Hand und Sektorenbetriebe, nach<br />

vorgegebenem Vergabeverfahren<br />

Ziel: gesamtschweizerische Harmonisierung des Vergabewesens, Förderung des wirksamen<br />

Wettbewerbs, Gleichbehandlung von Anbietenden, Sicherstellung der Transparenz<br />

bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher<br />

Mittel<br />

andere wichtige Faktoren bestimmen.<br />

Die Delta-Liste verzeichnet ausschliesslich<br />

diejenigen Anforderungen, welche<br />

die Lösung des Anbieters nicht oder nicht<br />

vollständig erfüllt. Beide Dokumente zusammen<br />

sind deutlich schneller zu evaluieren<br />

als das übliche Dokument mit allen<br />

Anforderungen.<br />

Beispiel 2<br />

Effi ziente Beurteilung<br />

einer massgeschneiderten Software<br />

Bei der Ausschreibung für eine komplexe,<br />

massgeschneiderte IT-Lösung wurde<br />

nur eine kleine Anzahl von Offertstellern<br />

erwartet. <strong>Der</strong> Neuigkeitsgehalt der Aufgabenstellung<br />

erforderte von den Herstellern<br />

auch innovative Umsetzungsvorschläge<br />

und höheren Aufwand für die Offertstellung.<br />

Deshalb wurde das offene Verfahren<br />

gewählt, um möglichst alle innovativen<br />

Offerten bewerten zu können.<br />

Auch in diesem Beispiel war ein Balanceakt<br />

zwischen Effektivität und Effi zienz<br />

notwendig, <strong>zum</strong> Beispiel beim Zusammenstellen<br />

des Teams, welches die Offerten<br />

bewertete. Einerseits sollten hier alle<br />

wichtigen Stakeholder vertreten sein, um<br />

eine möglichst effektive Bewertung abzugeben,<br />

und andererseits sollte die Gruppe<br />

nicht zu gross sein, um effi zient zu arbeiten.<br />

Eine Gruppengrösse von etwa fünf<br />

bis sieben Personen ermöglicht einerseits<br />

effi zientes Arbeiten und lässt andererseits


Verfahrenstyp Freihändig Einladung Selektiv Offen<br />

Charakteristik<br />

Direkte Vergabe<br />

an einen Anbieter<br />

Mehrere Anbieter<br />

(üblich: 3–5)<br />

werden gewählt<br />

und dürfen<br />

Offerten einreichen.<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich schliesslich diejenige Lösung als die günstigste<br />

entpuppt, deren Anschaffung relativ teuer war.<br />

aber auch einen Vertreter für jede wichtige<br />

Gruppe von Anforderungsträgern zu.<br />

Die Beispiele, aber auch die allgemeinen<br />

Ausführungen zeigen, wie eine effektive<br />

Ausschreibung möglich ist, ohne dass<br />

gleichzeitig der Aufwand ausufert. Die Basis<br />

für eine effektive Selektion ist die systematische<br />

und weitblickende Anforderungserhebung.<br />

Sie hilft, die über den ganzen<br />

Lebenszyklus wirtschaftlichste Lösung zu<br />

fi nden. Durchgängige Verwendung von Anforderungen,<br />

sinnvolle Wahl des Ausschreibungsverfahrens,<br />

Delta-Anforderungsliste,<br />

Grösse des Evaluationsteams und weitere<br />

geschickt gewählte Faktoren helfen, den<br />

Aufwand in Grenzen zu halten.<br />

Zweistufi ges Verfahren,<br />

bei dem zunächst die<br />

Eignung der Anbieter<br />

überprüft wird. Nur selektierte<br />

Anbieter dürfen<br />

Offerten einreichen.<br />

Dauer Kurz Kurz Lang Mittel<br />

Aufwand Tief Tief Mittel Hoch<br />

Optimales<br />

Anwendungsgebiet<br />

Vorteil<br />

Risiken<br />

Kumulierte<br />

Kosten<br />

Beschaffung Lösung A<br />

billiger<br />

Kleine Aufträge<br />

mit tiefem<br />

Neuigkeitsgehalt<br />

Schnell, wenig<br />

Aufwand<br />

Gewählte Lösung<br />

nicht optimal<br />

Kleine Aufträge<br />

mit überschaubarem<br />

Anbieterfeld<br />

Schnell, wenig<br />

Aufwand<br />

Unbekannte<br />

Lieferanten werden<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Schulung<br />

Rollout<br />

…<br />

Lösung A<br />

Einfache<br />

Aufgabenstellung, niedriger<br />

Innovationsgrad,<br />

grosses Anbieterfeld<br />

Effi zient, wenn viele<br />

Offerten zu erwarten<br />

sind<br />

Durch Selektion kann<br />

die beste Lösung<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Wartung<br />

Erweiterung<br />

Betrieb<br />

(z.B. Stromfresser)<br />

... wie bei der Phase<br />

Einführung<br />

Beschaffung Einführung Betrieb<br />

Lösung B<br />

Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Jeder Anbieter darf eine<br />

Offerte einreichen.<br />

Jede gültige Offerte muss<br />

bewertet werden.<br />

Komplexe<br />

Aufgabenstellung, hoher<br />

Innovationsgrad, kleines<br />

Anbieterfeld<br />

Alle Lösungsansätze<br />

werden berücksichtigt,<br />

geringeres Risiko<br />

von Beschwerden.<br />

Aufwand für Beurteilung<br />

möglicherweise sehr hoch<br />

Entsorgung<br />

Lebenszyklus Lösung B<br />

wirtschaftlicher<br />

Zeit<br />

Oliver Blindenbacher<br />

Kontakt: oliver.blindenbacher@erni.ch<br />

<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>besten</strong> <strong>Angebot</strong> | <strong>Ausschreibungen</strong><br />

Abbildung 2:<br />

Tabelle Wahl des Verfahrens<br />

Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Architektur, Design und Development sowie Testing.<br />

Olivier Gut<br />

Kontakt: olivier.gut@erni.ch<br />

Abbildung 3:<br />

Wirtschaftlichkeit einer Lösung<br />

Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Project Management und Requirements Engineering.<br />

7


<strong>Risikomanagement</strong> | Gefahren frühzeitig erkennen und zielgerichtet entschärfen<br />

Gefahren frühzeitig erkennen<br />

und zielgerichtet entschärfen<br />

Effektives <strong>Risikomanagement</strong> als integrativer Bestandteil des Projektmanagements<br />

Die Bedeutung des <strong>Risikomanagement</strong>s ist jedem erfahrenen Projektleiter klar. Doch wenn IT-Projekte wie in der aktuellen<br />

wirtschaftlichen Situation unter hohem Zeit- und Kostendruck stehen, nehmen <strong>Risikomanagement</strong>-Aktivitäten oft ab. Da<br />

das Projektumfeld jedoch gerade bei hohem Arbeitsdruck Überraschungen bereithalten kann, lohnt es sich derzeit besonders,<br />

das <strong>Risikomanagement</strong> konsequent zu betreiben oder sogar weiter zu verbessern. Von Dimitrios Ekatodramis<br />

8<br />

<strong>Risikomanagement</strong> spielt in IT-Projekten<br />

eine entscheidende Rolle. Damit können<br />

Projekte trotz der Schwierigkeiten, die im<br />

gesamten Verlauf auftauchen, auf Kurs<br />

gehalten werden. Deswegen sollte <strong>Risikomanagement</strong><br />

nicht, wie dies heute noch<br />

verbreitet der Fall ist, als eine vom Projektmanagement<br />

separierte Disziplin betrachtet<br />

werden. <strong>Der</strong> grossen Bedeutung für den<br />

Projekterfolg entsprechend ist das <strong>Risikomanagement</strong><br />

integrativer Bestandteil des<br />

Projektmanagements und gehört somit <strong>zum</strong><br />

Verantwortungsbereich des Projektleiters.<br />

Beispiel 1<br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

bei einer Prozesseinführung<br />

In einer Organisation sollte ein neuer Prozess<br />

eingeführt werden, der eng an die<br />

Nutzung eines entsprechenden Tools gekoppelt<br />

war. Als Risiko wurde unter anderem<br />

eine Verzögerung bei der Beschaffung<br />

und Bereitstellung des Tools identifiziert<br />

(Risikoidentifikation). Dieses Risiko wurde<br />

als sehr hoch bewertet, da dadurch die gesamte<br />

Einführung des Prozesses und somit<br />

ein wichtiger Projektmeilenstein gefährdet<br />

war (Risikobewertung). Als Gegenmassnahme<br />

bestimmte man die Entwicklung einer<br />

Alternative, die es ermöglichte, den Prozess<br />

manuell durchzuführen, das heisst ohne<br />

Toolunterstützung (Risikobewältigung). Parallel<br />

zur Entwicklung des Prozesses und zur<br />

Tool-Evaluation/-Bereitstellung wurde die<br />

Erarbeitung dieses manuellen Verfahrens<br />

als weitere Projektaktivität aufgenommen<br />

und umgesetzt (Risikocontrolling). Als der<br />

Prozess eingeführt werden sollte, stand das<br />

Tool tatsächlich noch nicht zur Verfügung.<br />

Nur dank des rechtzeitig entwickelten manuellen<br />

Vorgehens konnte der Prozess eingeführt<br />

werden.


Das Beispiel zeigt die Vorteile eines konsequent<br />

betriebenen <strong>Risikomanagement</strong>s.<br />

Wenn sämtliche Schritte von der Risikoidentifikation<br />

über die Analyse und die<br />

Massnahmen zur Risikobewältigung bis<br />

hin zu deren planmässiger Umsetzung<br />

durch das Controlling abgearbeitet werden,<br />

kann das Projekt sofort weiterlaufen, selbst<br />

wenn das Risiko eintritt. Die kontrollierte,<br />

planmässige Umsetzung von Gegenmassnahmen<br />

ist dabei vom Projektmanagement<br />

(Projektplanung, Projektsteuerung/-kontrolle)<br />

gestützt. Inwiefern <strong>Risikomanagement</strong>-Aktivitäten<br />

zudem noch im Projektmanage-<br />

ment verankert sind, soll im Folgenden aus<br />

einer Praxissicht aufgezeigt werden.<br />

<strong>Risikomanagement</strong>-Planung<br />

Beim <strong>Risikomanagement</strong> in Projekten<br />

werden oft Probleme mit Risiken verwechselt.<br />

Hierzu ein Beispiel: Ein Teilprojektleiter<br />

macht gegenüber dem Gesamtprojektleiter<br />

folgende Aussage: «Eine weitere,<br />

detaillierte Planungsrunde in meinem<br />

Teilprojekt hat ergeben, dass die Anzahl<br />

Engineering-Ressourcen nicht genügen,<br />

um die geplanten Arbeitspakete termingerecht<br />

zu bewältigen. Ich möchte dies hiermit<br />

als Risiko rapportieren.» In diesem<br />

Beispiel ist der Teilprojektleiter nicht mit<br />

einem Risiko, sondern mit einem Problem<br />

konfrontiert, dessen Lösung unmittelbar<br />

angegangen werden muss. Da die Verwechslung<br />

von Risiko und Problem häufig<br />

auftritt, erweist es sich bei der Planung<br />

des <strong>Risikomanagement</strong>s als unumgänglich,<br />

den Risikobegriff zu klären.<br />

«Ein Risiko ist ein unerwartetes<br />

Ereignis, das bei dessen Eintreten<br />

zu einem Problem wird.»<br />

Gefahren frühzeitig erkennen und zielgerichtet entschärfen | <strong>Risikomanagement</strong><br />

Eine Definition stellt sicher, dass alle Beteiligten<br />

vom Gleichen sprechen. Allen<br />

Definitionen ist der Aspekt eines potenziellen,<br />

zukünftigen Ereignisses, das den<br />

Projektablauf negativ beeinflusst, gemein.<br />

Erst wenn dieses Ereignis tatsächlich eintritt,<br />

spricht man von einem Problem.<br />

Des Weiteren ist <strong>Risikomanagement</strong> in<br />

einem Projekt in erster Linie Aufgabe des<br />

Projektleiters. Doch es beinhaltet mehr, als<br />

nur Risikoidentifikation, -bewertung, -bewältigung<br />

und -kontrolle zu durchlaufen.<br />

Zum <strong>Risikomanagement</strong> gehört auch, Risi-<br />

ken im Projektumfeld zu kommunizieren.<br />

Somit gehört in jeden guten Projektstatusreport<br />

oder zu jeder Präsentation vor dem<br />

Lenkungsausschuss eine managementgerecht<br />

dokumentierte Darstellung der momentanen<br />

Risikosituation und des Stands<br />

der Gegenmassnahmen. Gerade unter diesem<br />

Aspekt ist <strong>Risikomanagement</strong> als wirkungsvolles<br />

Steuerungsinstrument in der<br />

Projektabwicklung zu betrachten.<br />

Risikoidentifikation<br />

Bei der Identifikation der Risiken haben<br />

sich Kreativitätstechniken zur Anregung<br />

bei der Suche bewährt. Darüber<br />

hinaus lässt sich die Identifikation<br />

systematisch gestalten, wenn man von<br />

Standard-Risikogruppen (siehe Abb. 1)<br />

ausgeht und auf dieser Basis konkrete<br />

projektspezifische Risiken identifiziert.<br />

Von besonderer Bedeutung ist es, die Risikoidentifikation<br />

zielgerichtet durchzuführen.<br />

<strong>Der</strong> Einsatz eines Fachexperten,<br />

eines dedizierten Risikoverantwortlichen,<br />

kann dies wesentlich erleichtern.<br />

Er kann dafür sorgen, dass nur Risiken<br />

mit einem konkreten, sinnvollen Bezug<br />

<strong>zum</strong> Projekt, zu dessen Erfolgsfaktoren<br />

und <strong>zum</strong> Unternehmen identifiziert<br />

und ins <strong>Risikomanagement</strong> aufgenommen<br />

werden. Dagegen ist die immer<br />

noch verbreitete Methode, möglichst<br />

viele Projektbeteiligte zu befragen, um<br />

alle denkbaren Risiken zusammenzutragen,<br />

trotz hohem Aufwand wenig<br />

leistungsfähig – <strong>zum</strong>al meist nur die Risiken<br />

an den Tag kommen, die momentan<br />

von besonderer Bedeutung für das<br />

Projekt sind. Es entstehen Daten- und<br />

Risikoberge, die nicht zielführend und<br />

aktiv angegangen werden können.<br />

«Es gibt zur Identifizierung von<br />

Risiken keine mathematischen<br />

Methoden!»<br />

Für die Identifikation von Risiken mit direktem<br />

Bezug zur Projektabwicklung kann<br />

auch der Netzplan herangezogen werden,<br />

worin der kritische Pfad aufgezeigt wird.<br />

Risiken sind dann diejenigen Ereignisse,<br />

die einen unmittelbaren Einfluss auf<br />

den kritischen Pfad haben können. Somit<br />

können für den Projektablauf aus planerischer<br />

Sicht irrelevante Ereignisse als Risiken<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Risikobewertung<br />

Risiken werden aufgrund der Eintretenswahrscheinlichkeit<br />

eines potenziellen, zukünftigen<br />

Ereignisses und dessen Schadenausmass<br />

bewertet. Hierbei wird die Formel<br />

Eintretenswahrscheinlichkeit x Schadenausmass<br />

in Franken verwendet, um eine quantitative<br />

Bewertung eines Risikos anhand<br />

eines Geldbetrages anzugeben. Um die zwei<br />

Parameter in der Formel jedoch präzise<br />

schätzen zu können, ist in erster Linie Er-<br />

9


<strong>Risikomanagement</strong> | Gefahren frühzeitig erkennen und zielgerichtet entschärfen<br />

fahrung gefordert. Somit ist die quantitative<br />

Bewertung einerseits für jedermann leicht<br />

nachvollziehbar (Schaden in Franken), andererseits<br />

aufgrund allfälliger grosser Ungenauigkeiten<br />

mit entsprechender Vorsicht zu<br />

geniessen. In der Regel genügt es deswegen,<br />

Risiken qualitativ anhand einer Risikozahl<br />

(Auswirkungsgrad) zu bewerten.<br />

Sowohl die quantitative als auch die qualitative<br />

Bewertung dienen dazu, Risiken<br />

gemäss ihrem Risikograd zu priorisieren.<br />

Bei einer Vielzahl identifi zierter Risiken<br />

kann somit der Fokus zuerst auf die wichtigsten<br />

gelegt werden.<br />

Risikobewältigung<br />

Bei der Risikobewältigung stehen aus der<br />

Sicht des Projektmanagements proaktive<br />

Gegenmassnahmen zur Minimierung<br />

oder Verhinderung des Risikos im Vordergrund.<br />

Solche Gegenmassnahmen zu<br />

bestimmen und zu formulieren, in die<br />

Planung aufzunehmen und deren Umsetzung<br />

zu steuern sowie zu kontrollieren,<br />

liegt vollumfänglich in der Verantwortung<br />

des Projektleiters und ist wohl der<br />

10<br />

Abbildung 1:<br />

Risikogruppen-SPOL<br />

Für die Identifi kation von Risiken mit direktem Bezug zur Projektabwicklung kann<br />

auch der Netzplan herangezogen werden, worin der kritische Pfad aufgezeigt wird.<br />

Umsetzungsrisiken<br />

Projektrisiken Managementrisiken<br />

Soziale Risiken<br />

wichtigste Schritt im <strong>Risikomanagement</strong>.<br />

Dieser Schritt wird in der Praxis oft vernachlässigt,<br />

da nicht selten der Glaube<br />

herrscht, mit der Formulierung von Gegenmassnahmen<br />

sei die Risikobewältigung<br />

abgeschlossen. Dies käme etwa dem<br />

Verhalten gleich, für die Projektplanung<br />

eine Arbeitspaketstruktur zu erstellen und<br />

davon auszugehen, dass damit schon die<br />

gesamte Planung vorliegt. Für die Umsetzung<br />

von proaktiven Gegenmassnahmen<br />

zur Risikobewältigung braucht es jedoch<br />

Ressourcen, Geld und Zeit – so wie für jedes<br />

andere Arbeitspaket in der Projektplanung.<br />

Um ihre Umsetzung zu gewährleisten,<br />

müssen solche Gegenmassnahmen<br />

unter dem Aspekt der Projektplanung und<br />

der Projektsteuerung/-kontrolle berücksichtigt<br />

werden (siehe Abb. 2). <strong>Risikomanagement</strong><br />

und Projektmanagement sind<br />

demzufolge eng miteinander verbunden,<br />

<strong>Risikomanagement</strong> ist integrativer Bestandteil<br />

des Projektmanagements.<br />

Die Projektsteuerung und -kontrolle liefert<br />

somit nicht nur Input für Projektstatus-Reports,<br />

sondern auch für die Risikoneubeurteilung<br />

oder gar die Identifi kation<br />

neuer Risiken.<br />

Einführungsrisiko<br />

Funktionsrisiko<br />

Materialzulieferungsrisiko<br />

Projektführungsrisiko<br />

Planungsrisiko<br />

Kommunikationsrisiko<br />

Koordinationsrisiko<br />

Motivationsrisiko<br />

Mitarbeiterrisiko<br />

Politisches Risiko<br />

Gegenmassnahmen können auch reaktiv<br />

sein, das heisst, sie werden erst beim<br />

Eintreten des Risikos durchgeführt, also<br />

dann, wenn das Risiko zu einem Problem<br />

geworden ist. Auch solche Massnahmen<br />

werden idealerweise unter Einbezug aller<br />

Planungsaspekte, wie Ressourcen, Geld<br />

und Zeit, in einer Art «Plan B» bereitgehalten.<br />

Somit kann bei einem Problem<br />

unmittelbar dessen Lösung angegangen<br />

werden.<br />

Beispiel 2<br />

Proaktive Eindämmung<br />

des Lieferantenrisikos<br />

Ein Projekt war massgeblich vom Beitrag<br />

eines Zulieferers abhängig. Als Projektrisiko<br />

wurde das Nichteinhalten des geplanten<br />

Liefertermins seitens des Zulieferers identifi<br />

ziert. Das Risiko wurde als sehr hoch<br />

bewertet. Proaktive Gegenmassnahmen lagen<br />

erst nach reifl icher Überlegung auf der<br />

Hand: die Sensibilisierung des Lieferanten<br />

auf seine wichtige Rolle im Projekt und<br />

das regelmässige Monitoring/Tracking der


<strong>Risikomanagement</strong> und Projektmanagement sind demzufolge eng miteinander verbunden,<br />

<strong>Risikomanagement</strong> ist integrativer Bestandteil des Projektmanagements.<br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

Risikoidentifi kation<br />

Risikoanalyse/-bewertung<br />

Bewältigungsmassnahmen<br />

Lieferantenaktivitäten im Hinblick auf die<br />

Lieferung. In einem ersten Treffen machte<br />

der Projektleiter den Partner auf die grosse<br />

Bedeutung seines Beitrags für den Projekterfolg<br />

aufmerksam und vereinbarte<br />

mit ihm weitere, wöchentliche Treffen, in<br />

denen der Status der Lieferaktivitäten auch<br />

schriftlich festgehalten wurde. Das Vorgehen<br />

bewährte sich. Nachdem der Lieferant<br />

sich der Abhängigkeit bewusst geworden<br />

war, stellte er sicher, dass er <strong>zum</strong> vorgesehenen<br />

Zeitpunkt liefern konnte.<br />

«Manage deine Risiken, so managst<br />

du dein Projekt!»<br />

Risiken eingestehen<br />

Oft macht die Furcht, dass wichtige Eckpunkte<br />

eines Projektes – Fertigstellungstermin<br />

oder vorgegebener Kostenrahmen – in<br />

Frage gestellt werden könnten, <strong>Risikomanagement</strong><br />

zu einer Pro-forma-Übung, im<br />

Rahmen deren man sich auf einige relativ<br />

ungefährliche Nebenrisiken beschränkt.<br />

In der Folge lohnt dann ein handwerklich<br />

sauber ausgeführtes <strong>Risikomanagement</strong><br />

Projektmanagement<br />

Projekt-/Risikosteuerung und<br />

-kontrolle<br />

Gefahren frühzeitig erkennen und zielgerichtet entschärfen | <strong>Risikomanagement</strong><br />

den Aufwand nicht. Professionelles <strong>Risikomanagement</strong><br />

beginnt erst, wenn man sich<br />

selbst und anderen Fehler oder Irrtümer<br />

eingestehen und sich somit auch zu wirklich<br />

schwerwiegenden Risiken bekennen<br />

kann. Erst dann kann der Projekterfolg<br />

durch effi zientes und effektives <strong>Risikomanagement</strong><br />

sichergestellt werden.<br />

Tipps:<br />

Mojgan Mohtashami, Risk Management<br />

for Collaborative Software Development<br />

(zugänglich etwa über fi ndarticles.com).<br />

Tom De Marco, <strong>Der</strong> Termin,<br />

ISBN: 978-3-446-41439-6.<br />

Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Projektplanung<br />

Arbeitspaketstruktur<br />

Ressourcenplan<br />

Kostenplan<br />

Terminplan<br />

Abbildung 2:<br />

<strong>Risikomanagement</strong><br />

Dr. Dimitrios Ekatodramis<br />

Kontakt: dimitrios.ekatodramis@erni.ch<br />

Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Project Management<br />

und Requirements Engineering.<br />

11


Zeitmanagement | Dem Druck standhalten<br />

Dem Druck standhalten<br />

Nachhaltig erfolgreich mit Zeitmanagement<br />

Schlanke Organisationen brauchen nicht nur effiziente Prozesse, sondern auch leistungsfähige Mitarbeitende. Dies setzt<br />

voraus, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeitskraft nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig einsetzen. Die Methoden<br />

dafür liefert das Zeitmanagement. Von Georges Mauch und Patrik Lustenberger<br />

12<br />

Im Prinzip ist es eine gute Nachricht: In<br />

den meisten Entwicklungsorganisationen<br />

gibt es keine ungenutzten Ressourcen,<br />

die Mitarbeitenden sind ausgelastet. Die<br />

Wirtschaftskrise hat weder in der öffentlichen<br />

Verwaltung, noch in privaten Unternehmen<br />

zu ineffizienten Überkapazitäten<br />

geführt. Sei es, weil mit Sparprogrammen<br />

rechtzeitig Gegensteuer gegeben wurde,<br />

sei es, weil sich die anfallende Arbeit gar<br />

nicht reduziert hat.<br />

Aufgrund des Sparkurses gibt es sogar Entwicklungsabteilungen,<br />

deren Mitarbeitende<br />

mehr zu tun haben, als je zuvor. Da nicht<br />

abzusehen ist, dass sich ihre Arbeitsbelastung<br />

verringert, lohnt es sich, wenn sich<br />

Organisationen mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit<br />

und Leistungsbereitschaft<br />

ihrer Mitarbeitenden auseinandersetzen.<br />

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang<br />

die Leistungsträger. Einerseits,<br />

weil die Organisation nur dank ihrem<br />

Know-how und Engagement ihre Ziele<br />

erreicht. Andererseits, weil gerade die engagierten<br />

Mitarbeitenden dazu neigen, an<br />

ihre Grenzen zu gehen und sich damit auf<br />

Dauer zu verausgaben. Methoden, welche<br />

die Leistungsträger dabei unterstützen, ihr<br />

Potenzial nachhaltig zu entfalten, werden<br />

seit Jahren entwickelt, wobei der Begriff<br />

Zeitmanagement wohl der bekannteste<br />

sein dürfte.<br />

Die im Folgenden vorgestellte Methode<br />

basiert auf den Arbeiten der renommierten<br />

Experten Lothar Seiwert und Verena<br />

Steiner (siehe Tipps). Sie sieht sechs Stufen<br />

vor (siehe Abb. 1):<br />

1. <strong>Der</strong> erste Schritt besteht aus einer Analyse<br />

der persönlichen Situation. Fragen,<br />

die hier geklärt werden sollten, lauten<br />

etwa: Was motiviert und was demotiviert<br />

mich? Wann im Tagesverlauf<br />

habe ich meine Tiefs und wann meine<br />

Hochs? Was setzt mich unter Druck?<br />

2. In dieser Phase geht es darum, dass der<br />

Mitarbeiter sich Raum verschafft, um<br />

überhaupt wieder Entscheidungsfreiheit<br />

zu gewinnen. Insbesondere sollte<br />

er in dieser Phase lernen, «Nein» zu sagen<br />

und Aufträge auch abzulehnen.<br />

3. Danach setzt sich der Mitarbeiter Ziele,<br />

um die Erkenntnisse aus der Analyse<br />

wirkungsvoll und überprüfbar in die<br />

Praxis umzusetzen.<br />

4. Als nächsten Schritt führt er eine Priorisierung<br />

der Ziele durch.<br />

5. <strong>Der</strong> Mitarbeiter optimiert seinen eigenen<br />

Arbeitsablauf, <strong>zum</strong> Beispiel mit einer<br />

persönlichen Arbeitsplanung, mit<br />

Besprechungsregeln, Regeln im Umgang<br />

mit E-Mails etc. Dabei sollte er<br />

auch die bekannten Erkenntnisse aus<br />

dem Zeitmanagement wie etwa den<br />

Verlauf des Biozyklus einbeziehen (siehe<br />

Abb. 2).<br />

6. Als abschliessender Schritt folgt die<br />

Selbstreflexion. Ziele, die nicht erreicht<br />

wurden, werden in der nächsten Iteration<br />

des persönlichen Zeitmanagements<br />

angegangen.<br />

Die Anwendung der Methode stellt die<br />

Mitarbeitenden in der Regel vor keine<br />

Probleme. Die Hürde besteht für sie im<br />

Entschluss, mit dem Prozess anzufangen.<br />

Beispiel 1<br />

Zeitmanagement als Ergänzung<br />

zur Prozessoptimierung<br />

In einer Entwicklungsorganisation waren<br />

die Mitarbeitenden stark belastet. Da sich<br />

die Effizienz der Prozesse bereits auf einem<br />

sehr hohen Niveau befand, versprach man<br />

sich von einer weiteren Prozessoptimierung<br />

nicht sehr viel. Deswegen wurde auf eine<br />

Verbesserung des persönlichen Zeitmanagements<br />

der Mitarbeitenden gesetzt, um


Dem Druck standhalten | Zeitmanagement<br />

Da nicht abzusehen ist, dass sich ihre Arbeitsbelastung verringert, lohnt es sich,<br />

wenn sich Organisationen mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft<br />

ihrer Mitarbeitenden auseinandersetzen.<br />

13


Zeitmanagement | Dem Druck standhalten<br />

14<br />

Abbildung 1:<br />

Sechs Schritte<br />

Abbildung 2:<br />

Biozyklus<br />

Die Anwendung der Methode stellt die Mitarbeitenden in der Regel vor keine<br />

Probleme. Die Hürde besteht für sie im Entschluss, mit dem Prozess anzufangen.<br />

+<br />

�<br />

Methodik-Aspekte<br />

Ich-Aspekte<br />

6<br />

3<br />

4<br />

5<br />

sich refl ektieren<br />

Arbeitsablauf optimieren<br />

2<br />

Prioritäten setzen<br />

1<br />

Nein sagen<br />

Ziele defi nieren<br />

sich verstehen<br />

Energie<br />

up prime down up prime<br />

down up<br />

deren Leistungsvermögen dauerhaft zu erhalten.<br />

Bei der Umsetzung spielte ein Mitarbeiter<br />

eine wichtige Rolle, der bereits sehr<br />

positive Erfahrungen mit Zeitmanagement<br />

gemacht hatte. Er wirkte für die anderen<br />

Teammitglieder als glaubwürdiges Vorbild.<br />

Zusätzlich wurden die Mitarbeitenden<br />

durch einen Coach auf den heiklen ersten<br />

beiden Stufen des oben vorgestellten Zeitmanagementprozesses<br />

unterstützt. Dieser<br />

achtete etwa darauf, dass die Betroffenen<br />

Aufträge nicht einfach ablehnten, sondern<br />

gleichzeitig konstruktive Alternativvorschläge<br />

machten. Nachdem erste Mitarbeitende<br />

das Zeitmanagement für sich umgesetzt<br />

hatten und sich bei ihnen tatsächlich<br />

eine Entlastung eingestellt hatte, entwickelte<br />

sich eine Eigendynamik. Zeitmanagement<br />

wurde dadurch für immer mehr<br />

Mitarbeitende eine Selbstverständlichkeit.<br />

Typisch für das Beispiel ist die entscheidende<br />

Rolle der Pioniere. Sie wirken für die<br />

Mitarbeitenden wesentlich überzeugen-<br />

Uhrzeit<br />

der als irgendwelche Buchratgeber. Gibt es<br />

sie in der eigenen Firma nicht, kann man<br />

sie etwa an Bord holen, indem man Berater<br />

mit Zeitmanagementerfahrung in die<br />

Teams integriert, welche dieses Verhalten<br />

sichtbar für alle Beteiligten vorleben.<br />

Selbstverständlich muss das Management<br />

voll hinter der Einführung des persönlichen<br />

Zeitmanagements für die Mitarbeitenden<br />

stehen. Dokumentieren lässt sich dies etwa<br />

durch die Teilnahme an den entsprechenden<br />

Workshops. Hilfreich ist auch die Veranlassung<br />

von begrenzten Massnahmen,<br />

die sich gegen die typischen Zeitfresser richten.<br />

So kann durch einfache Massnahmen,<br />

z.B. indem alle Meetings im Stehen durchgeführt<br />

werden, die zeitgerechte Durchführung<br />

von Meetings sichergestellt werden.<br />

Beispiel 2<br />

Zeitmanagement-Tool<br />

BigTime ist eine einfache Freeware, die<br />

auf einem Bildschirm oder per Beamer


einen gut sichtbaren Countdown erzeugt<br />

(siehe Tipps). Einigen sich die Teilnehmenden<br />

einer Sitzung auf die Dauer des Meetings<br />

oder auch auf die Dauer einer Pause<br />

und stellt man den per Beamer projizierten<br />

Countdown entsprechend ein, ist die<br />

Wirkung verblüffend: Die Pünktlichkeit<br />

wird deutlich erhöht.<br />

Das Beispiel zeigt, dass man im Zeitmanagement<br />

mit bescheidenen Mitteln oft<br />

sehr viel erreichen kann. Die Mitarbeitenden<br />

muss man allerdings vom Nutzen<br />

oft erst überzeugen. Wenn dies aber<br />

geschieht, gewinnen alle. Die Mitarbeitenden<br />

fühlen sich weniger unter Druck<br />

gesetzt. Da sie deswegen besser und motivierter<br />

ihrer Arbeit nachgehen, profitiert<br />

gleichzeitig die Gesamtorganisation.<br />

Tipps:<br />

Verena Steiner: Energy – Energiekompetenz.<br />

Produktiver denken, wirkungsvoller arbeiten,<br />

entspannter leben. ISBN: 978-3-426-77865-4.<br />

Lothar J. Seiwert: 30 Minuten für optimales<br />

Zeitmanagement. ISBN: 978-3-930799-86-2.<br />

Zusätzlich zu seinen Büchern stellt Lothar<br />

Seiwert auf seiner Website eine Reihe von<br />

kostenlosen Zeitmanagement-Tools zur<br />

Verfügung: www.seiwert.de.<br />

Georges Mauch<br />

Kontakt: georges.mauch@erni.ch<br />

Dem Druck standhalten | Zeitmanagement<br />

BigTime stammt von Hahn Technology Inc.<br />

und lässt sich auf der Website der Firma kostenlos<br />

herunterladen: www.hahntech.com.<br />

Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Experte in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Project Management und Process Improvement.<br />

Patrik Lustenberger<br />

Kontakt: patrik.lustenberger@erni.ch<br />

Senior Consultant in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Requirements Engineering und Process Improvement.<br />

15


Projektmanagement | Zwischen Effizienz und Prozessreife<br />

Zwischen Effizienz und Prozessreife<br />

Angemessenes statt bürokratisches Projektmanagement<br />

Operatives Projektmanagement ist eine Gratwanderung zwischen möglichst hoher Effizienz und Agilität auf der einen Seite<br />

sowie Wiederholbarkeit, Steuerbarkeit und Personenunabhängigkeit auf der anderen. Die bekannten Referenzmodelle<br />

wie PMBOK® (des PMI) oder IPMA zeigen einen soliden Prozessrahmen für das Projektmanagement. Leider helfen sie nur<br />

bedingt bei der Frage, wie die Prozesse umgesetzt werden sollen. Denn <strong>zum</strong> angemessenen Projektmanagement gelangt<br />

man nicht durch die umfassende Umsetzung eines Referenzmodells, sondern durch die Definition von Prozessen, die optimal<br />

zur eigenen Organisation passen. Von Winfried Kärtner und Olivier Gut<br />

16


Als vor wenigen Jahren CMMI (Capability<br />

Maturity Model Integration) zu einem Schlagwort<br />

wurde, erlebte das Referenzmodell<br />

eine rasche Karriere. Viele Organisationen<br />

begannen ihre Prozessreife zu bestimmen<br />

und den CMMI-Level zu erhöhen. Dies<br />

schien umso mehr geboten, als asiatische<br />

IT-Dienstleister häufig bereits mit dem<br />

höchsten, fünften Level zertifiziert waren.<br />

Doch schnell setzte auch die Ernüchterung<br />

ein. Die oftmals nicht adäquate<br />

Umsetzung der Prozesse führte zu einem<br />

höheren administrativen Aufwand, was<br />

die ohnehin hohe Arbeitsbelastung in der<br />

Organisation noch zusätzlich vergrösserte.<br />

Gleichzeitig wurde klar, dass sich der<br />

Nutzen von höheren CMMI-Levels nicht<br />

einfach von selbst ergibt. Vielmehr müssen<br />

die optimierten Prozesse in der ganzen<br />

Organisation gelebt werden, wenn<br />

sich die gewünschten Effekte einstellen<br />

sollen. Ein schwieriges Unterfangen.<br />

Aus Sicht des Projektmanagements ist weniger<br />

eine möglichst umfassende Anwendung<br />

einer Projektmanagementmethode<br />

sinnvoll. Es gilt stattdessen ein für eine Organisation<br />

angemessenes Projektmanagement<br />

zu finden und zu implementieren.<br />

Die Lösung muss ein möglichst einfacher<br />

und leicht verständlicher Prozess sein.<br />

Eine Analogie zur Softwareentwicklung<br />

sei hier erlaubt: Ein Projektmanagementprozess<br />

ist nicht dann fertig, wenn man<br />

nichts mehr hinzufügen kann, sondern<br />

wenn man nichts mehr weglassen kann!<br />

Ein leichtgewichtiges Projektmanagement<br />

besitzt gleich mehrere Vorteile. Es ist einfacher<br />

zu implementieren und wird von<br />

Projektleitern und -mitarbeitenden besser<br />

Zwischen Effizienz und Prozessreife | Projektmanagement<br />

akzeptiert. Es bedeutet weniger Aufwand<br />

und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass es in besonders hektischen<br />

Phasen oder Projekten beibehalten und<br />

nicht einfach ausgesetzt wird, um «schneller»<br />

<strong>zum</strong> Ziel zu kommen. Zudem sinkt<br />

die Gefahr, dass die Nutzer den Prozess<br />

als Alibi- oder Pflichtübung behandeln.<br />

Auch mit einem schlankem Projektmanagement<br />

müssen gewisse Mindestanforderungen<br />

eingehalten werden, wie das<br />

folgende Beispiel zeigt:<br />

Beispiel 1<br />

Schlankes Projektmanagement<br />

bei Zeitdruck<br />

Eine IT-Firma entwickelt und vertreibt<br />

ein sehr erfolgreiches Produkt, das in seiner<br />

Nische die Marktführerschaft innehat.<br />

Das Unternehmen ist einem grossen<br />

Marktdruck ausgesetzt. Die zahlreichen<br />

17


Projektmanagement | Zwischen Effizienz und Prozessreife<br />

Kunden äussern vielfältige Wünsche nach<br />

Erweiterungen der Software und drohen,<br />

bei Nichtverfügbarkeit auf Konkurrenzprodukte<br />

auszuweichen. Die Entwicklungsabteilung<br />

steht deswegen permanent<br />

unter Zeitdruck. Sich in dieser Situation an<br />

die defi nierten Projektmanagementprozesse<br />

zu halten, ist nicht selbstverständlich.<br />

Dennoch ist es notwendig, da sonst<br />

Termintreue und Qualität leiden und die<br />

Gefahr besteht, dass die Projekte einem<br />

chaotischen Vorgehen verfallen.<br />

Bei diesem Unternehmen hat sich ein<br />

schlankes Projektmanagement bewährt.<br />

Es wird trotz Zeitdruck gelebt und sorgt<br />

für transparente und damit steuerbare<br />

Projekte. Skizziert wurden die Anforderungen<br />

an das Projektmanagement, zusammen<br />

mit passenden Werkzeugen und<br />

Abläufen. Die Mindestanforderungen<br />

werden im Folgenden vorgestellt.<br />

Zum Startzeitpunkt jeder Iteration:<br />

� Projekthandbuch anlegen und aktualisieren.<br />

In ihm werden <strong>zum</strong>indest<br />

Auftrag, Zielsetzung, Stakeholder, Budgeteckdaten,<br />

aktuelle Risiken und Gegenmassnahmen<br />

sowie Mitarbeitende<br />

erfasst. Das Handbuch kann in kleinen<br />

Projekten aus wenigen Seiten bestehen.<br />

� Projektstrukturplan erarbeiten (siehe<br />

Abb. 1). Die Gesamtaufgabe wird<br />

strukturiert und auf der untersten Ebene<br />

in Arbeitspakete zerlegt, die es ei-<br />

18<br />

Abbildung 1:<br />

Prozessablauf: Projektplan erstellen<br />

Ein Projektmanagementprozess ist nicht dann fertig, wenn man nichts mehr hinzufügen<br />

kann, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann!<br />

�<br />

Projektleiter<br />

Vorlage<br />

Projektstruktur<br />

+ Aufwand<br />

Projekthandbuch<br />

Projektstruktur<br />

defi nieren<br />

Aufwand<br />

schätzen<br />

nem Experten erlauben, den Aufwand<br />

zu schätzen. Die Strukturierung nach<br />

fachlichen Gesichtspunkten, z.B. nach<br />

Use Cases, hat sich bewährt.<br />

� Aufwand schätzen. Die Schätzung basiert<br />

auf dem Strukturplan und ist die<br />

Grundlage für die Planung, Steuerung<br />

und Überwachung des Projekts. In kleinen<br />

Projekten kann der Projektleiter<br />

alleine schätzen, sonst ist es sinnvoll,<br />

weitere Experten zur Qualitätssicherung<br />

hinzuzuziehen. Ein Schätztemplate<br />

mit den typischen Aktivitäten<br />

und Ergebnissen im Projekt unterstützt<br />

diese Arbeit. Ein wichtiger Aspekt ist,<br />

dass der Projektleiter die Schätzung akzeptiert,<br />

da er ja die Verantwortung für<br />

die erfolgreiche Umsetzung innerhalb<br />

dieses Aufwandrahmens übernehmen<br />

muss.<br />

� Abstimmung mit Zulieferern. Selbst<br />

bei kleinen Vorhaben werden Teilaufgaben<br />

vielfach an externe Mitarbeitende<br />

vergeben. Verträge, Liefergegenstände,<br />

Richtlinien, Codierungsstandards, Umfang<br />

und Termine müssen für eine effi ziente<br />

Zusammenarbeit geklärt, schriftlich<br />

festgehalten und überwacht werden.<br />

� Planung. Sie bildet das Herzstück des<br />

Projektmanagements. Wichtig ist insbesondere,<br />

dass sie bewusst geschieht<br />

und gezielt die Besonderheiten des Projekts<br />

– wie die Risiken – berücksichtigt.<br />

Es werden dabei Aufgaben und Personalressourcen<br />

aufeinander abgestimmt,<br />

Vorlage<br />

Mitarbeitende<br />

+ Termine<br />

Projektstruktur<br />

+ Aufwand<br />

Ressourcenplan<br />

Mitarbeitende,<br />

Termine und<br />

Meilensteine<br />

defi nieren<br />

Rahmenterminplan<br />

Projektplan<br />

+ Meilensteine<br />

ein Terminplan erstellt und Iterationen<br />

geplant. Grundsätzlich sollte risikobasiert<br />

in Iterationen geplant werden,<br />

wobei die Detailplanung für die nächste<br />

Iteration meist ausreichend ist.<br />

Während jeder Iteration:<br />

� Kontrolle. Die Kontrolle wichtiger Messwerte<br />

gehört <strong>zum</strong> einem verantwortungsvollem<br />

Projektmanagement wie<br />

die Überwachung der Geschwindigkeit<br />

beim Autofahren (siehe Abb. 2). Hier wie<br />

da sollte man sich nicht auf das «Gefühl»<br />

verlassen, sondern objektive Messwerte<br />

vorziehen. Zur Kontrolle gehören nicht<br />

nur die Feststellung des Ist-, verglichen<br />

mit dem Sollzustand, sondern auch eine<br />

Schätzung des Restaufwands, sowie die<br />

Aktualisierung des Projektplans falls<br />

notwendig. Erfahrene Projektmanager<br />

wissen, dass sie besonders auf die Entwicklung<br />

der Restaufwände in den einzelnen<br />

Aktivitäten achten müssen. Die<br />

Earned-Value-Analyse hilft dabei dem<br />

Projekt, sich auf die Fertigstellung begonnener<br />

Aktivitäten zu konzentrieren.<br />

Und sie liefert dem Projektmanager eine<br />

gute Metrik <strong>zum</strong> erreichten Stand. Die<br />

Kontrolle muss mindestens einmal je<br />

Iteration stattfi nden, vor wichtigen Meilensteinen<br />

auch häufi ger.<br />

� Reporting. Das Management braucht<br />

Transparenz in den Projekten, um diese<br />

steuern zu können. Angaben über<br />

Status, Ist- und Restaufwand, Risiken


Würden Sie ohne Kontrollinstrumente (Tacho, Tank,<br />

Temperaturanzeige) Auto fahren?<br />

Wollen Sie Ihr Projekt ohne Kontrolle laufen lassen?<br />

Abbildung 2: Verantwortungsvolles Handeln erfordert Kontrolle<br />

– beim Autofahren und in der Projektdurchführung.<br />

und Handlungsbedarf in den Projekten<br />

müssen deswegen auf der Basis von Planung<br />

und Kontrolle zuverlässig erfasst<br />

und an das Management weitergegeben<br />

werden. Das sichere und angemessene<br />

Steuern der projektübergreifenden<br />

Abhängigkeiten bezüglich Mitarbeitenden<br />

und sonstiger Ressourcen ist eine<br />

der grossen Herausforderungen im Projektmanagement.<br />

Wie für die Prozesse gilt auch für die<br />

Tools: besser ein einfaches Excel-Sheet<br />

mit aussagekräftigen Kennzahlen als ein<br />

umfassendes Tool, das unzuverlässig genutzt<br />

wird.<br />

Ohne Prozess und passende Werkzeuge<br />

funktioniert das Projektmanagement natürlich<br />

nicht. Dies gilt auch für Projekte,<br />

die nach einer agilen Methode gesteuert<br />

werden. Anders als bei vielen traditionellen<br />

Projektmanagementmethoden sind beim<br />

agilen Vorgehen die Strukturen und der<br />

Stil: Dieser ist eher kooperativ und basisdemokratisch<br />

statt autoritär. Die skizzierten<br />

Minimalanforderungen an das Projektmanagement<br />

gelten aber uneingeschränkt.<br />

Ob ein agiles Vorgehen eine Organisation<br />

bei der Gratwanderung zwischen Effi zienz<br />

auf der einen Seite sowie Wiederholbarkeit,<br />

Personenunabhängigkeit und Steu-<br />

erbarkeit auf der anderen wirklich weiterbringt,<br />

hängt von verschiedenen Faktoren<br />

ab, wie z.B. der Bedeutung des «time to<br />

market» für das zu erstellende Produkt.<br />

Hier zeigt es sich erneut, dass eine Organisation<br />

nicht einfach eines der zahlreichen<br />

Referenzmodelle übernehmen, sondern<br />

ein für ihre Bedürfnisse angemessenes<br />

Projektmanagement entwickeln sollte.<br />

Beispiel 2<br />

Effi zient im Projektmanagement<br />

durch Tailoring<br />

In einem Projekt zur Softwareentwicklung<br />

in der öffentlichen Verwaltung war<br />

für die Projektabwicklung die Projektführungsmethode<br />

HERMES vorgeschrieben.<br />

Diese Methodik ist sehr umfassend<br />

bezüglich Prozessen, Lieferobjekten und<br />

zu besetzenden Rollen. Oft werden in Unternehmen,<br />

die HERMES anwenden, diese<br />

Vorgaben eins zu eins in den Projekten<br />

umgesetzt. Dies führt zu hohem Aufwand<br />

für Dokumentation und Reporting, ein<br />

effi zientes Projektmanagement scheint<br />

kaum möglich.<br />

Eine umfassende Projektführungsmethodik<br />

wie HERMES verfügt aber auch immer<br />

über die Möglichkeit, die Vorgaben situativ<br />

auf das eigene Projekt zuzuschneiden<br />

– man führt ein sogenanntes Tailoring<br />

durch. Folgendes zweistufi ges Tailoring<br />

hat sich in Projekten bewährt.<br />

In einem ersten Schritt werden die notwendigen<br />

Prozesse und Artefakte aufgrund<br />

einer Einschätzung von Projektgrösse<br />

(Aufwand, Projektteamgrösse und<br />

Investitionsvolumen), strategischer Wichtigkeit<br />

und Risiko grob defi niert.<br />

In einem zweiten Schritt werden die vorgesehenen<br />

Prozesse und Artefakte mit den<br />

einzelnen Stakeholdern wie Projektausschuss,<br />

Qualitätssicherungs- und Sicherheitsverantwortlichen<br />

usw. besprochen.<br />

Die Fragestellung lautet: Können sie ihre<br />

Projektrolle mit diesen massgeschneiderten<br />

Prozessen und Artefakten aus ihrer<br />

Sicht erfolgreich wahrnehmen?<br />

Nach Abstimmung mit den Stakeholdern<br />

werden die angepassten Prozesse und Ar-<br />

Zwischen Effizienz und Prozessreife | Projektmanagement<br />

tefakte im Projekthandbuch festgehalten<br />

und vom Projektausschuss abgenommen.<br />

Auf diese Weise werden dem Projekt und<br />

der jeweiligen Situation angepasste, auf das<br />

Minimum beschränkte Vorgaben defi niert<br />

(effi zient), welche den Bedürfnissen aller<br />

Stakeholder gerecht werden (effektiv).<br />

Neben der Anpassung der Projektführungsmethodik<br />

für das eigene Unternehmen ist<br />

es genauso wichtig, für das eigene Projekt<br />

die Projektführungsmethodik zu justieren.<br />

Solange alle Stakeholder ihre Bedürfnisse<br />

mit der gewählten Anpassung abgedeckt<br />

haben, bringt es keinen Mehrnutzen, weitere<br />

Artefakte nur um der Methodik Willen zu<br />

erstellen. Das Festhalten und das Kommunizieren<br />

des Tailorings durch das Projektteam<br />

sind für den Projekterfolg essenziell.<br />

Artikel online:<br />

www.erni.ch/experience<br />

Winfried Kärtner<br />

Kontakt: winfried.kaertner@erni.ch<br />

Senior Consultant und Business Unit Leader<br />

in der Firma ERNI (Deutschland) GmbH.<br />

Beratertätigkeit: Project Management<br />

und Process Improvement.<br />

Olivier Gut<br />

Kontakt: olivier.gut@erni.ch<br />

Senior Consultant<br />

in der Firma ERNI Consulting AG.<br />

Beratertätigkeit: Project Management<br />

und Requirements Engineering.<br />

19


ERNI Consulting AG<br />

Casinoplatz 2 · CH-3011 Bern · Tel. +41 31 381 76 11<br />

Talstrasse 82 · CH-8001 Zürich · Tel. +41 44 215 42 00<br />

Bahnhofstrasse 4 · CH-6340 Baar · Tel. +41 41 227 35 00<br />

ERNI (Deutschland) GmbH<br />

Ganghoferstrasse 31 · D-80339 München · Tel. +49 89 90 40 5907<br />

ERNI (Slovakia) s.r.o.<br />

Sturova 4 · SK-811 02 Bratislava · Tel. +421 2 3255 37 37<br />

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