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25.02.2013 Aufrufe

Der Fürst. Die Daten. Der Dieb. T A T S A C H E N B E R I C H T von HEINRICH KIEBER 1

Der Fürst.<br />

Die Daten.<br />

Der Dieb.<br />

T A T S A C H E N B E R I C H T<br />

von HEINRICH KIEBER<br />

1


INHALT Seite<br />

Vorwort 4<br />

Urheberrechte / Hinweis / Erklärung / Abkürzungen 6<br />

Kapitel:<br />

K1 1997 – ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS 9<br />

K2 Zimmer unter den Alten 97<br />

K3 Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld 101<br />

K4 Ein Kübel voll Schweineblut 124<br />

K5 Die Welt des schmutzigen Geldes 133<br />

K6 Heiligsprechung unter Vollnarkose 152<br />

K7 Dicke Post für Hans-Adam 167<br />

K8 Wenn Herr KIEBER eine Reise tut 196<br />

K9 Chaos-Tage ohne Ende 252<br />

K10 Heinrich! Mir graut's vor Dir! 274<br />

K11 Die Polizei – Dein Freund & Helfer ! 284<br />

K12 Holländischer Käse 296<br />

K13 Ein Essen für Sechs Euros 318<br />

K14 Weisswein und Rotes Blut 323<br />

K15 Heinrich's Tod in Utrecht 335<br />

K16 Vier mal 9 mm 370<br />

K17 Explosives Gutachten und Freies Geleit 384<br />

K18 Ach wie gut das niemand weiss.... 388<br />

K19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe 398<br />

K20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam 408<br />

K21 Blutspur auf dem Rheindamm 425<br />

K22 Es muss sich was ändern, damit... 452<br />

K23 Überraschung! Überraschung! 479<br />

2


K24 Führt die Todesstrafe wieder ein 501<br />

K25 Der Feind hört mit 505<br />

K26 Gnade im Sonderangebot 524<br />

K27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome 543<br />

K28 Listen, Listen - wer hat noch keine? 553<br />

K29 Zürcher Geschnetzeltes 571<br />

K30 Afrikanische Hitze 592<br />

K31 D A V I D 601<br />

K32 My BIG Brother is watching YOU! 613<br />

K33 Skandal! Skandal! Wirklich, der Skandal? 620<br />

K34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins? 623<br />

K35 Gib mir Deine Kohle! 630<br />

K36 Letzter Akt! Vorhang auf für ..... 636<br />

EPILOG 647<br />

INTERNETLISTE 650<br />

3


Vorwort<br />

Geschätzte Leserin,<br />

Geschätzter Leser<br />

Was haben wir in den vergangenen Monaten nicht alles über den<br />

„grössten Steuerskandal Deutschlands - die Liechtenstein-Affäre - die<br />

grösste Sensation 2008‚ weltweit lesen können. Jede und jeder hatte<br />

dazu etwas zu sagen. Die Steuerfahndung, der BND, Finanzminister<br />

Peer Steinbrück, Kanzlerin Angela Merkel, Parteien von rechts bis links,<br />

diverse sonstige Behörden, die Medien, ja selbst ein Bischof und<br />

natürlich Fürst Hans-Adam und sein Clan, plus seine Regierung in<br />

Liechtenstein und die LGT Banken- und Treuhandgruppe.<br />

Pünktlich zum Karneval 2008 brach eine weltweite Fasnachts-<br />

Schnitzeljagd nach tausenden Steuersündern aus. Völlig zu Recht, wie<br />

auch die solide Mehrheit meint.<br />

Zu einer anderen Hetze, ganz nach seinem Geschmack hat Hans-Adam<br />

schnell geblasen: die auf den Dieb, den Bankdaten-Terroristen, wie die<br />

hohen Finanz-Herren aus Vaduz ihn nun nannten.<br />

Der Dieb, ja der war ich.<br />

Der kleine Tropfen Öl, na ja, vielleicht waren es doch ein paar Gallonen,<br />

die ich in das nur scheinbar lupenreine Trinkwasser des<br />

Fürstenhaushaltes sowie der Liechtensteiner Regierung geworfen hatte,<br />

hat unglaubliche Wellen geschlagen. Für viele Menschen ist es schon<br />

erstaunlich, ja geradezu faszinierend beobachten zu können, mit welcher<br />

multimedialer Kraftanstrengung Hans-Adam und seine Marionetten-<br />

Regierung geradezu paranoid und krankhaft ständig damit beschäftigt<br />

sind, die Weltöffentlichkeit und insbesondere auch das eigene Volk zu<br />

täuschen, bzw. einer fortdauernden Gehirnwäsche zu unterziehen. Beim<br />

Volk den Hasspegel auf mich ja extrem hoch zu halten. Damit der Fokus<br />

immer schön auf den ‚bösen, bösen‚ Kieber bleibt. Und niemand<br />

wirklich einmal richtig der Sache auf den Grund geht und in Frage stellt.<br />

ERSTENS über die Art und Weise wie die Hohen-Finanz-Herren in<br />

Liechtenstein ihre oft schmutzigen Bank/Treuhand-Geschäfte tätigen,<br />

bzw. ausgeführt hatten.<br />

4


Und ZWEITENS über die Wahren Gründe seitens des Datendiebs und<br />

die Wahren (illegalen und durchaus kriminellen) Handlungen von<br />

Hans-Adam und seiner Regierung in der ganzen Angelegenheit<br />

‚der Fürst- der Kieber-die Daten‚ .<br />

Zu dem was in den verschiedenen Medien berichtet wurde, kann ich nur<br />

in ganz, ganz wenigen Fällen meine Zustimmung geben. Über vieles<br />

habe ich bloss den Kopf schütteln können. Oft musste ich auch<br />

schmunzeln, denn ganz ohne Humor lässt sich dieses eher traurige<br />

Multi-Akt-Drama nicht durchstehen. Ein paar Seiten in einer Zeitung<br />

oder ein TV-Interview reichen einfach nicht aus, um die wahren<br />

Hintergründe, die zu dieser einmaligen Sensation führten, aufzuzeigen.<br />

Knallharte Hintergründe, deren Veröffentlichung Hans-Adam und seine<br />

Vasallen unbedingt verhindern wollen.<br />

In diesem Buch, meinem Buch, gebe ich euch einen sehr tiefen und<br />

detaillierten Einblick in die Umstände, wie es geschehen konnte, dass<br />

das was 1997 mit meiner Folter tief im südamerikanischen Kontinent<br />

begonnen hatte, elf Jahre später mit der öffentlichen Zündung der<br />

deutschen Datenbombe endete. Wie es soweit kommen konnte, dass z.B.<br />

Leute wie Klaus Zumwinkel live im Frühstücksfernsehen abgeführt<br />

wurden. Es ist eine bewegende Geschichte, bitter für alle Seiten,<br />

obendrein oft peinlich. Ich kann enthüllen wie Hans-Adam seine<br />

heiligste aller heiligen Kühe, die LGT Gruppe, krampfhaft schützte und<br />

seinen mittelalterlichen Herrschaftsanspruch verteidigte. Wie er sein<br />

Geld, seine Macht und Position als Staatsoberhaupt missbrauchte, um<br />

mit Hilfe der Marionetten-Regierung in Vaduz die Veröffentlichung der<br />

Daten zu verhindern und sie alle nicht davor zurückschreckten, dafür<br />

Methoden anzuwenden, die meilenweit entfernt von Gut und Böse<br />

waren. Natürlich kriege auch ich mein Fett im Buch ab. Ehrenwerte<br />

Personen gibt es in dieser Geschichte wenige.<br />

Ich bin zuversichtlich, dass jeder von euch am Ende des Buchs ein<br />

eigenes, komplettes Bild über diesen Skandal machen kann.<br />

Nun denn, ich wünsche euch reichlich Lesevergnügen.<br />

Vielen Dank Heinrich Kieber<br />

Washington, D.C. Valentinstag, 15.Februar 2009<br />

PS Am Ende des Buches findet ihr eine Liste mit interessanten Internetwebseiten.<br />

5


Urheberrechte/ Hinweis / Erklärung / Abkürzungen<br />

Urheberrechte<br />

© Heinrich Kieber 2009<br />

Alle möglichen Rechte (Copyright) zu diesem Buch und den Fotos /<br />

Zeichnungen liegen ausschliesslich bei Heinrich KIEBER. Das Buch<br />

darf nur für den PRIVATEN Gebrauch verwendet werden.<br />

Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung vom Rechteinhaber<br />

darf für KOMMERZIELLE Zwecke aus diesem Buch nichts kopiert,<br />

weitergegeben, veröffentlicht, zitiert oder anderweitig verwendet<br />

werden.<br />

Hinweis<br />

Für dieses Buch habe ich so oft wie möglich Originaltexte verwendet.<br />

Alle Originaltexte haben als Unterscheidung zur restlichen Niederschrift<br />

links und rechts einen b r e i t e r e n Seitenrand, sind<br />

also als Textblock beidseitig nach innen verschoben.<br />

Kurze Originalzitate haben jeweils am Anfang das Zeichen OZA- und<br />

am Ende das Zeichen -OZE.<br />

Bei dem in Buch genannten BANKDIREKTOR handelt es sich um Herrn<br />

Dr. Pius Schlachter der LGT Bank.<br />

Bei dem in Buch genannten PROFESSOR handelt es sich um den<br />

Kriminalpsychologen Herrn Dr. Thomas MUELLER.<br />

Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr oft kurze<br />

Anmerkungen. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer mit<br />

„ Anm.: “ an.<br />

An wenigen Stellen musste ich – von Dritten angeordnet - aus<br />

rechtlichen Gründen und in einigen Fällen aus Sicherheitsüberlegungen<br />

6


diverse Originalnamen und/oder Originalindizien abkürzen oder ganz<br />

umbenennen.<br />

Auch musste ich Textstellen ganz oder teilweise weglassen, was dann<br />

mit dem Zeichen ‚OT Entfernt‚ gekennzeichnet ist. Alle erwähnten<br />

Plätze, Städte, Länder, Sachdetails und Zeitangaben entsprechen den<br />

wahren Örtlichkeiten oder Gegebenheiten.<br />

In meiner nächsten, kommenden Veröfftenlichung werde ich eine<br />

unzensierte Version frei vorlegen können.<br />

Erklärung zu Zeichnungen, Fotos und dem Diagramm<br />

Die drei Bleistiftzeichnung im Buch sind Originalabdrucke von<br />

Handzeichnungen, die ich im September 1997 für das Landgericht<br />

Vaduz habe anfertigen lassen. Alle Fotos in diesem Buch (Ausnahme<br />

Titelseite) sind Originalabzüge von den Fotos die ich im Dezember 1997<br />

(Kette und ich) oder Februar 1998 (Turmnachbau) für das Gericht habe<br />

herstellen lassen. Die abgebildete Person auf den Fotos bin ich selber.<br />

Alle Fotos wurden von meinem Vater Alfons erstellt. Wie tief die<br />

Wunden (zwei runde Verbrennungspunkte und horizontale<br />

Schürfwunde) waren, kann man auf einigen Fotos noch sehr gut sehen,<br />

obwohl die Wunden damals schon neun Monate alt waren und auch<br />

medizinisch behandelt wurden. Das Drei-Seiten-Diagramm wurde an<br />

Ostern 1998 von mir für das Gericht angefertigt. Der Originaltitel:<br />

"Psychogramm vom Opfer - Grafik über den Psychoterror und die<br />

seelische Grausamkeit während der Gefangenschaft".<br />

Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge)<br />

AVOR = Arbeitsvorbereitung (fürs Scannen von<br />

Treuhanddokumente)<br />

BAK = Belegartenkatalog (Index zu jedem Treuhanddokument)<br />

DB = Drittbegünstigter (einer Stiftung)<br />

DL / LF = Durchlaucht / Landesfürst Hans-Adam<br />

7


EB = Erstbegünstigter (z.B. einer Stiftung)<br />

FL = Fürstentum Liechtenstein<br />

IT = EDV / IT Abteilung<br />

KKZ = Kriegskommandozentrale (in Vaduz)<br />

KYC = (Englisch) Know Your Customer („Kenne Deine Kunden‚-<br />

Profile)<br />

LG = Landgericht Vaduz<br />

LR = Landrichter<br />

LTV = LGT Treuhand Vaduz (alte firmeninterne Abkürzung)<br />

NGO’s = Nicht-Regierungs-Organisationen<br />

OG = Obergericht Vaduz<br />

OGH = Oberster Gerichtshof Vaduz<br />

OT = Originaltext<br />

OT Entfernt = Weggelassene Textstellen (siehe unter Hinweis)<br />

OZA- = Start Original-Kurzzitat<br />

-OZE = Ende Original-Kurzzitat<br />

RA = Rechtsanwalt / Rechtsanwälte<br />

SR = Stiftungsrat (einer Liechtensteiner Stiftung)<br />

STA = Staatsanwaltschaft / Staatsanwalt / Staatsanwältin<br />

StGB = Strafprozessgesetzbuch<br />

StPO = Strafprozessordnung<br />

UR = Untersuchungsrichter oder- richterin<br />

VR = Verwaltungsrat (bei Liechtensteiner Anstalten, AG’s)<br />

WB = Wirtschaftlicher Berechtigter (z.B. einer Stiftung)<br />

ZB = Zweitbegünstigter (z.B. einer Stiftung)<br />

8


Kapitel 1 1997 - ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS<br />

SWISSAIR Flug Nr. SR 143, von Buenos Aires nach Zürich, 30 Minuten<br />

seit Take-Off, C-Class, 1. Reihe rechts, Fensterplatz. Ein Mann sitzt<br />

zittern, schwitzend und mit sehr ängstlichen Augen unruhig auf dem<br />

ihm gerade neu zugewiesenen Platz. Nicht nur ist sein Verhalten<br />

äusserst verdächtig (Gott sei Dank waren dies noch die "Vor 9/11"-<br />

Zeiten, sonst hätte er es gar nicht bis in das Flugzeug geschafft), nein, er<br />

hat auch noch seltsame, blutbesudelte, weisslich-gelbe Stofffetzen um<br />

seinen Hals und die beiden Handgelenke gewickelt. Seit dem Abflug hat<br />

er nicht aufgehört zu weinen. Sonst eher eine Plaudertante, konnte er<br />

praktisch fast nicht mehr sprechen. Es reichte aber aus, dem netten<br />

Steward in der Economyklasse, der sich Sorgen um ihn machte, zu<br />

erzählen, dass er vor Jahren selber 5 Jahre lang mal bei der SWISSAIR<br />

gearbeitet hatte und damit ein Flugzeug, diese Flugzeug irgendwie<br />

Heimat für ihn bedeutete. Damit er sich besser, vor allem in Ruhe<br />

erholen konnte offerierte der Steward ihm einen Sitz in der praktisch<br />

leeren Businessklasse bis zum Zwischenstopp in San Paulo. Klar<br />

erkennbar war es, dass der Passagier Furchtbares durchgemacht haben<br />

musste. Dieser Passagier war ich.<br />

Je weiter ich weg von Argentinien war, desto besser ging es mir und<br />

desto weniger glaubte ich, dass mir noch mehr Leid & Terror zugefügt<br />

werden konnte. Ich war sehr abgekämpft, leiblich und vor allem<br />

psychisch. Wie in Trance erlebte ich die Ankunft am Mittwoch, den 9.<br />

April 1997 morgens früh um 06.15 Uhr in einer sauberen, heilen Welt<br />

namens Airport Zürich. Auch der Gang durch die Passkontrolle, die<br />

Gepäckausgabe und der Zoll. Ich versuchte einige Leute telefonisch zu<br />

erreichen, um sie eindringlich zu bitten, mich am Flughafen abzuholen.<br />

Doch waren sie entweder schon bei der Arbeit oder einfach nicht<br />

erreichbar. Mit dem Zug fuhr ich dann via dem Zürcher Hauptbahnhof<br />

nach Sargans im Schweizer Rheintal und von dort mit dem Linienbus<br />

zur Haltestelle des Spital Vaduz, wo ich um 09.10 Uhr eintraf. Mit samt<br />

meinem Koffer und den Taschen schleppte ich mich ins Spital. Der<br />

untersuchende Arzt Dr. M. Moser verfasste folgenden Bericht:<br />

Datum: 10.04.1997 / Zeit 09.20 Uhr<br />

Diagnose / Behandlung<br />

Kieber Heinrich / 30.03.1965 / Meldina 312 / FL-9493 Mauren<br />

9


Angaben des Patienten: Der Pat. ist heute Morgen am Flughafen<br />

Kloten/ZH aus Argentinien angekommen. Laut Bericht hat er<br />

dort einen Freund besucht, den er in Spanien kennen gelernt hat.<br />

Der Freund habe ihm noch Geld geschuldet, deshalb wollt er dies<br />

in Argentinien eintreiben. Dort angekommen sei er jedoch<br />

eingesperrt und am rechten Bein angekettet worden. In<br />

Todesangst habe er mehrmals versucht, sich das Leben zu<br />

nehmen (siehe Bericht). Gegen Bezahlung eines Lösegeldes sei er<br />

schliesslich freigelassen worden. Die Wundversorgung sei durch<br />

einen Laien auf der Hazienda des Freundes vorgenommen<br />

worden. Beschreibung der Verletzungen:<br />

1. Im Bereich des rechten Handgelenkes, volarseitig, in der<br />

mittleren Handgelenklinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die<br />

Wunde verheilt, es liegen drei Nähte in sito. Die Wunde ist zum<br />

Teil mit weisslichem Wundpuder verklebt. Im Bereich der Finger<br />

keinerlei Sensibilitätsstörungen oder motorische Ausfälle.<br />

2. Im Bereich des linken Handgelenks, volarseitig, im Bereich der<br />

mittleren Handgelenkslinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die<br />

Wunde ist leicht entzündet, mit gelblichem Sekret bedeckt, drei<br />

in sito liegende Wundnähte, die aus Zahnseide oder<br />

irgendeinem, bei uns nicht verwendeten Material bestehen. Die<br />

Sensibilität im Bereich der Langfinger unauffällig. Der Daumen<br />

und der Daumenball jedoch deutlich mit herabgesetzter<br />

Sensibilität. Hier ist die Zweipunktdiskriminierung nicht<br />

möglich. Die Motorik der Langfinger ist ebenfalls nicht<br />

beeinträchtigt. Der Daumen kann operiert werden. Die Kraft der<br />

Oppositionsbewegung ist jedoch herabgesetzt (schmerzbedingt?).<br />

Das Spreizen der Finger ist unauffällig. Die Sensibilität im<br />

Bereich des Handrückens und der Handinnenfläche ist<br />

unauffällig.<br />

3. Unterhalb der Fossa interjugularis findet sich eine 7 cm lange<br />

Wunde, rechts lateral davon eine oberflächliche ca. 3 cm lange<br />

Wunde. Die Wunden sind mit weisslichem Puder verklebt, es<br />

liegen einige Nähte in sito. Der Patient gibt an, bei seiner<br />

Verletzung sei die Wunde so tief gewesen, dass aus der Luftröhre<br />

Luft nach aussen entweichen konnte. Derzeit ist jedoch<br />

diesbezüglich keinerlei (Atmungs-) Beeinträchtigung<br />

festzustellen.<br />

10


4. An der linken Halsseite, am Vorderrand des Musculus<br />

dernoclaidum mastoideus im mittleren Drittel, eine ca. 3 cm<br />

klaffende Wunde. Die Wunde ist ebenfalls mit weisslichem Puder<br />

verklebt, eine Naht am Wundrand noch in der Haut vorhanden.<br />

Die Wunde befindet sich direkt oberhalb der Carotis!!<br />

5. Im Bereich des rechten Unterschenkels lateral, dorsalseitig, drei<br />

etwa ein Zentimeter im Durchmesser messende Krusten.<br />

Ansonsten hier nichts zu sehen. Neurostatius: Der Patient ist<br />

grob neurologisch unauffällig. Er ist klar zu sich, seiner Person,<br />

zeitlich und örtlich orientiert. Keine Hinweise auf eine Psychose.<br />

Der Patient ist doch sehr agitiert, was auf den Schlafmangel und<br />

die Erlebnisse der vergangenen Tage zurückzuführen ist.<br />

Diagnose: Schnittwunde im Bereich beider Handgelenke<br />

volarseitig, unterhalb der Incisura interjuguleris, sowie im<br />

Bereich der linken Halsseite. Behandlung: Entfernen der<br />

Wundnähte, reinigen aller Wunden, Beta-isotoner-Verbände. Der<br />

Pat. ist Tetanusgeschützt. Eine Wundkontrolle ist am Samstag,<br />

den 12.04.1997, vorgesehen.<br />

Mit freundlichen Grüssen Dr. M. Moser , Assistenzarzt / rb<br />

(Anhang: 4 Fotos der Verletzungen)<br />

Nach der Arztuntersuchung, wobei auch Fotos von allen Verletzungen<br />

gemacht wurden, kamen die zwei Liechtensteiner Kriminalbeamten Hr.<br />

Büchel und Hr. Kindle zu mir ins Spital. Ich schilderte ihnen aufgeregt<br />

die Erlebnisse der letzten zwei Wochen. Je mehr ich ins Detail ging,<br />

umso so grösser wurden ihre Augen, ebenso wie ihr Entsetzen. Wir<br />

vereinbarten, dass ich am nächsten Tag zu ihnen (Kripo) kommen soll,<br />

um eine umfassende Anzeige auf Tonband zu machen. In einem<br />

Gästezimmer von Freunden in Vaduz konnte ich den bitter nötigen<br />

Schlaf – mit Hilfe von kleinen, ärztlich verordneten Pillen – für fast 24<br />

Stunden lang nachholen.<br />

WAS IN ALLER WELT IST IN ARGENTINIEN PASSIERT?<br />

Am nächsten Morgen wurde ich von den Kripobeamten im<br />

Polizeigebäude empfangen und in ein Sitzungszimmer gesetzt. Dort<br />

wurde ich mit ausreichend leeren Tonbandkassetten versorgt und man<br />

bat mich meine Anzeige auf Band zu sprechen.<br />

11


Beginn Originaltext (OT) meiner Anzeige:<br />

Anm.: Ich bitte die Leser zu Berücksichtigen, dass ich zum Zeitpunkt meiner<br />

Aussage/Anzeige noch sehr stark unter dem Schock des gerade erlebten stand<br />

und meine gesprochenen Worte eins zu eins in die Niederschrift übernommen<br />

wurden. Daher die oftmals sehr langen Sätze, die wenigen unfertigen Sätze,<br />

Wort- oder Satzwiederholungen und verkehrte Satzaufbauten. Weitere Details,<br />

die ich zusätzlich zur Tonbandaussage in schriftlicher oder mündlicher Form bei<br />

der Polizei, der Staatsanwaltschaft (STA) und dem Untersuchungsrichter (UR)<br />

gemacht habe, sind auch integriert im OT wiedergegeben.<br />

Guten Tag<br />

Heute ist der 11. April 1997 und ich bin hier in einem<br />

Sitzungszimmer der Landespolizei Liechtenstein um meine<br />

Aussage auf Band aufzunehmen. Diese Aussage soll gleichzeitig<br />

Dokument für mich und Anzeige gegen die Täter sein und ich<br />

werde in Hochdeutsch sprechen, was die Abschrift meiner<br />

Aussage erleichtern wird, und auch damit ich eine gewisse<br />

Distanz zu dem Geschehenen machen kann. Mein Name ist<br />

Kieber Heinrich, geb. 30.03.1965 in Mauren, Bürger von Mauren,<br />

z. Z. nicht angemeldet im Land, da ich mich Ende November<br />

letztes Jahr (1996) von Mauren wieder nach Australien<br />

abgemeldet hatte, wo ich auch ursprünglich hin wollte, aber noch<br />

ein paar persönliche Sachen und Angelegenheiten in Europa<br />

erledigen wollte, bevor ich wieder zurückgehe. Jetzt mache ich<br />

noch ein paar Angaben zu Namen der Personen, die involviert<br />

waren bei dieser Entführung und Geschehnissen, das wären: Ich<br />

selber natürlich, dann als Organisatoren die zwei Personen, der<br />

Spanier Mariano Marti-Ventosa Roqueta aus Barcelona und Herr<br />

Helmut Roegele und sein Frau Salud Hidalgo, beide aus Sant Pol<br />

de Mar, nördlich von Barcelona, Katalonien, Spanien. Ich werde<br />

später dann die genaue Abschrift und Daten, die ich zu diesen<br />

Personen habe, auf einem Blatt vermerken. Zur Vorgeschichte:<br />

Den besagten Mariano kenne ich seit ursprünglich 1981, weil er<br />

der Freund von einer Deutschen war, die Helga heisst und mit<br />

deren Tochter Ruth besuchte ich damals in die Schweizerschule<br />

in Barcelona. Aber erst 1992/1993, um die Jahreswende, als ich<br />

zufällig das erste Mal aus Australien zurück war, um in Bern auf<br />

der australischen Botschaft meine Niederlassungspapiere zu<br />

12


egeln, erfuhr ich, dass Mariano und seine Freundin Helga in<br />

Zürich waren wegen irgendeinem komischen Geschäft, das sie da<br />

hatten, und da habe ich sie natürlich besucht, weil ich sowieso 2<br />

bis 3 Monate warten musste bis meine Papiere für Australien<br />

geregelt waren, im Zuge dieses Wiedersehens hat mich Mariano<br />

dazu überredet, dass ich ihm einen Kredit von ca. CHF 240'000.-gewähre,<br />

den er mir zu 12 % verzinsen wollte; was ich auch<br />

gemacht habe, weil ich wusste, Mariano hat Gutsbesitz in<br />

Spanien und ein riesiges Boot und das Übliche halt, was man sich<br />

als geistige Absicherung nimmt. Ich habe natürlich auch ein<br />

Dokument über diese Schuld, das er mir gegeben hatte. Ich ging<br />

dann ungefähr im März 1993 nach Australien zurück und wartete<br />

seit damals auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Ich hatte viel<br />

Briefkontakt mit Mariano, hin und zurück von Australien, auch<br />

von Neuseeland aus und er versprach mir immer, dass er zahlen<br />

wird, im Moment aber kein Geld hatte: "Liquiditätsprobleme",<br />

dies und das und jenes und ich habe natürlich nur geduldig<br />

gewartet. Ich habe nie gross gedrückt, denn ich wusste, dass er<br />

fast alle seine Besitztümer im Namen seiner Frau oder Söhne<br />

hatte, wie es in Spanien üblich ist, damit die Steuerbehörden oder<br />

andere Kreditoren nichts wegnehmen können. Also, wenn ich<br />

Druck gemacht hätte, dann hätte ich sicher NIE etwas erhalten.<br />

Ich kam dann Mitte 1995 das erste Mal wieder nach Europa, nach<br />

Spanien zurück, weil ich mich um meine Schuld, also um die<br />

Schuld, die er gegenüber mir hat, kümmern wollte, und ich<br />

wurde dann vertröstet, ja, vielleicht in diesem Jahr (1995) oder<br />

eben im nächsten Jahr bekäme ich mein Guthaben sicher zurück.<br />

Ich blieb dann ein Weilchen in Spanien, habe auf seinem Boot<br />

gewohnt, das ich übrigens zeitweise, das heisst vom September<br />

1995 bis Ende September 1996 sogar als Garantie vollständig<br />

besass, aber nur Ärger mit ihm und dem Boot hatte. Mit der Zeit<br />

merkte ich, dass Mariano nicht fähig war, mir die Schuld<br />

zurückzuzahlen, ohne dass er irgendwo eine Hypothek<br />

aufnimmt oder was immer er herbeizaubert.<br />

Zu Herrn Helmut Roegele ist zu sagen, dass ich den auch schon<br />

länger kenne und dass wir im letzten Jahr ein Immobiliengeschäft<br />

gemacht haben, womit er nachher nicht zufrieden war und eine<br />

erfolglose Anzeige in Spanien gegen mich erstattet hatte, die auch<br />

zu einer Aussage seinerseits führte und dann aber stillgelegt<br />

13


wurde, weil es Aussage gegen Aussage war. Helmut Roegele<br />

(wie auch Mariano Marti-Ventosa Roqueta) hatte akute flüssige<br />

Geldsorgen und Helmut musste dringend eine seiner<br />

Wohnungen um jeden Preis verkaufen. Am Anfang dieses Jahres<br />

als Mariano mir erzählt hat, dass er mir jetzt seine Schuld<br />

zurückbezahlen könnte und zwar hätte er auf seiner Hazienda<br />

(also Farm) in Argentinien einen Hypothekarkredit beantragt,<br />

weil er gewisse Änderungen auf der Farm vornehmen wolle und<br />

die Kreditsumme um seine Schuld gegenüber mir erhöht hatte,<br />

damit er mich bezahlen kann. Ich soll doch bitte rüberkommen<br />

und dort könnte ich es auch kriegen, d.h. am 1. April, das sagte er<br />

mir im Februar so, dass er am 1. April die Unterschrift bei der<br />

Bank in Argentinien tätigen würde und ich doch ganz gerne<br />

rüberkommen könnte, seine Farm besuchen und dann bei<br />

derselben Bank, die den Kredit auszahlt auch ein Konto eröffnen<br />

könnte und er mir die Schuld, die er gegenüber mir hat, mit<br />

Zinseszinsen und Kosten, überweisen würde. Ich hab mich<br />

darüber zwar gefreut, obwohl über 4 Jahre verstrichen sind, seit<br />

ich ihm das Darlehen gegeben habe und ich eigentlich nicht mehr<br />

geglaubt habe, dass es noch was kommen wird; trotzdem aber<br />

wollte ich Argentinien und seine Farm kennen lernen, von der er<br />

mir früher viel erzählt hat. Dort, wo auch seine drei Söhne mit<br />

deren Frauen und Kinder auf der Farm wohnen, wollte ich ihn<br />

besuchen.<br />

So kam es, dass ich in der 3. Woche März tatsächlich ein Ticket<br />

am Flughafen Zürich mit der Lufthansa für ca. CHF 1500.-<br />

gekauft habe. Ein Flug Zürich-Frankfurt-Buenos Aires direkt, für<br />

den Dienstag, 25. März, mit Rückflug Buenos Aires-Frankfurt-<br />

Zürich am 21. April 1997 fest gebucht. Ich hätte aber die<br />

Möglichkeit für eine Gebühr den Rückflug auf ein anderes<br />

Datum zu ändern. Ich habe meinen Freunden oder Familie,<br />

meiner Mutter, nicht viel darüber erzählt, was ich machen würde,<br />

ich ging einfach für einen Monat, so habe ich mir gedacht, in die<br />

Ferien, und wenn er zahlt dann ist gut, wenn er nicht zahlt, dann<br />

kann ich auch nichts machen, das ist halt im Leben, dass man<br />

nicht alles haben kann. Wie ich dann meine Tasche gerichtet habe<br />

mit Kleider dementsprechend für Herbstwetter, es soll dann ja<br />

noch warm sein, so im letzten Fax, den er mir gegeben hat, wo er<br />

mir hoch und heilig schreibt, dass er alles bezahlen werde und<br />

14


ich mir keine Sorgen machen solle und so weiter und so fort. Ich<br />

habe meine Ausweispapiere und dummerweise auch noch mein<br />

Reisegeld, das ich Bar auf mir hatte, (ungefähr CHF 8000. — in<br />

Schweizerfranken und US$ 1‘500. —) mitgenommen. Am<br />

Dienstag war Abflug und am Mittwoch vor Ostern , den 26. März<br />

kam ich um 07.30 Uhr früh Lokalzeit in Buenos Aires an, fuhr in<br />

das Hotel SALLES in Buenos Aires, weil ich wusste, Mariano ist<br />

dort - wie er mir am Telefon vorher gesagt hatte - weil seine<br />

nicht-geschiedene, erste Frau, die Mutter seiner Kinder, Carmen,<br />

angeblich am selben Tag nach Spanien fliegen würde. Ich bin im<br />

Hotel angekommen und mir wurde vom Türsteher mitgeteilt,<br />

dass Mariano und seine Frau gerade zur Tür hinausgegangen<br />

sind. Ich habe dann den ganzen Tag gewartet und schaute mir<br />

Buenos Aires ein wenig an, eigentlich nur vom Hoteleingang aus<br />

und am Abend kam dann Mariano, wie üblich ganz gut gelaunt<br />

und hektisch und erzählte mir von dem Problem mit seinem alten<br />

Mercedes Coupe, das er nach Argentinien mitgebracht hatte, ein<br />

blauer SLC-Type mit Argentinischem KFZ-Nr. daran, der kaputt<br />

war.<br />

Die Zylinderkopfdichtung war angeblich geplatzt und es kam<br />

Wasser heraus. Also sind wir am Abend, bevor es dunkel wurde,<br />

noch in Buenos Aires herumgefahren um eine anständige<br />

Werkstatt zu finden, die nicht zu teuer war für ihn und die<br />

fanden wir auch. Mariano wollte eigentlich, dass ich schon an<br />

jenem Tag, dem Mittwoch, weiterfliege oder weiterfahre nach<br />

Bahia Blanca. Das liegt eine Stunde Flugzeit, so glaube ich, 500<br />

km südlich von Buenos Aires und dort würde sein Sohn Marco,<br />

der mit leicht rötlichen Haaren, ja fast keine Haare mehr, mich<br />

abholen. Mariano sprach auch von einem Empfang für mich wie<br />

für einen "König" und er sagte auch, dass er eine Überraschung<br />

für mich habe, wobei ich darauf tendierte, dass es sich um<br />

meinen Geburtstag handeln sollte, der am kommenden Sonntag<br />

stattfand, mein 32. Geburtstag. Ich aber sagte zu Mariano, ich<br />

fahre gerne mit dir mit dem Auto runter, damit ich die<br />

Landschaft ein wenig sehen kann und er müsste nicht alleine<br />

fahren. Warum sollte ich jetzt mit dem Flugzeug fliegen? Ich<br />

hatte ja Zeit, ich musste ja nicht pressieren um auf die Farm zu<br />

kommen und so kam es, dass ich diese Nacht von Mittwoch auf<br />

Donnerstag doch in Buenos Aires im 2-Bett-Hotelzimmer blieb,<br />

15


welches Marino schon die Tage vorher belegt bzw. gebucht hatte.<br />

Ich musste also kein eigenes Zimmer buchen oder im Hotel<br />

einchecken.<br />

Am Donnerstag assen wir zusammen Frühstück und Mittagessen<br />

und waren damit beschäftigt in die verschiedenen Garagen zu<br />

fahren um sein Auto reparieren zu lassen. Am Nachmittag hat er<br />

wieder gesagt, er würde mir sogar das Ticket für den Flug von<br />

Buenos Aires nach Bahia Blanca bezahlen, was ich ungewöhnlich<br />

fand, weil er sonst nie Leute so einlädt oder nie etwas ausgibt in<br />

diesem Stil. Ich habe dann, da ich ja nichts vermutete, das Ticket<br />

akzeptiert und wir haben nachgeforscht wann ein Flug ist. Er<br />

wollte unbedingt, dass ich am Abend fliege - im Nachhinein<br />

weiss ich jetzt natürlich schon weshalb ich am Abend fliege sollte<br />

- und der Abflug war, so glaube ich, um 19.10 Uhr oder 19.15 ab<br />

dem Inlandsflughafen in Buenos Aires. Er fuhr mich dorthin,<br />

kaufte das Ticket - ohne Name - für ungefähr US$ 68.-, er<br />

bezahlte es mit seiner goldenen Kreditkarte von der Banco<br />

Santander oder Banco Atlantico; beide aus Spanien.. Er hat sich<br />

verabschiedet und hat gesagt sein Sohn, Marco, er ist ungefähr<br />

gleich alt wie ich, er werde mich in allen Ehren empfangen und<br />

ich solle dann warten. Mariano käme dann in den nächsten Tagen<br />

runter, sobald das Auto fertig repariert sei. Ich hatte kurze blaue<br />

Hosen (Jeans-Shorts) und ein T-Shirt mit kurzen Ärmeln an.<br />

Mit meinem mitgenommenen Gepäck kam ich dann abends um<br />

20.30 Uhr oder sogar erst 21.00 Uhr in Bahia Blanca zum ersten<br />

Mal in meinem Leben an. Ich hatte noch einen<br />

Adressenaustausch mit einer Nachbarin, die neben mir im<br />

Flugzeug sass. Während der Gepäckausgabe kam schon der Sohn<br />

von Mariano, Marco, obwohl er sich als Mario ausgab, den<br />

anderen Sohn, den es gibt, aber im nachhinein wusste ich ja, dass<br />

er Marco war, dieser leicht Rothaarige. „Marco‚ fuhr nicht den<br />

Bronco, einen grossen amerikanischen braunen Ford, entgegen<br />

dem was Mariano mir gesagt hatte, sondern einen Fiat 600 oder<br />

Seat 600, sogar mit noch den alten Kennzeichen aus Barcelona.<br />

Das Auto, das sie auch aus Spanien als Haushaltsgut mitgebracht<br />

haben, als die Söhne nach Argentinien ausgewandert sind. Der<br />

kleine Wagen stand draussen auf dem Flughafenparkplatz: wir<br />

haben meine grosse, weiche, blaue Reisetasche hinten hinein<br />

16


gestopft und meine Anzugtasche, wo auch meine Dokumente<br />

und mein Geld und alles drin war, auf den hinteren Sitz<br />

geworfen. Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz und geplant war,<br />

die Strecke, die ca. 90 bis 100 km lang ist, von Bahia Blanca<br />

Richtung Saavedra und dann zur Farm, die ungefähr 15 km von<br />

dem Dorf Saavedra entfernt liegt, gleich in Angriff zu nehmen.<br />

Die Farm heisst "Estanzia San Francisco" und der Haupteingang<br />

der Farm sollte eigentlich über die Strasse "Camino de la Ermita"<br />

erreicht werden. Als wir dann endlich – es war schon<br />

stockdunkel - abfuhren , sagte mir Marco, dass es ein kürzerer<br />

Weg wäre, wenn wir den hinteren Teil der Farm anfahren und<br />

nicht den Umweg über das Dorf Saavedra machen und dann von<br />

dort auf die normale Zufahrtsstrasse Richtung Haupteingang der<br />

Farm fahren würden. Wir fuhren also von dem Parkplatz beim<br />

Flughafen in Bahia Blanca weg. Ich konnte mir natürlich die<br />

Schilder, die ich gesehen habe, nicht alle merken, weil ich auch<br />

nichts dergleichen erwartet habe, was nachher geschehen ist.<br />

Irgendwann fuhren wir rechts von der geteerten Strasse weg auf<br />

einen breiten weissen Sand-, Gesteins- oder Geröllweg, also nicht<br />

geteert, sogar ein Stück über eine Wiese und während dieser gut<br />

dreiviertel bis 1 Stunde Fahrt redeten wir über das Leben auf der<br />

Farm etc. etc. Auf den letzten Metern bevor wir mit dem Auto<br />

anhielten, schon auf dem Farmgrundstück, sagte Marco, dass er<br />

noch eine Türe schliessen müsse, bevor wir zum Haupthaus<br />

fahren. Ich habe mich nicht darüber gewundert, im Nachhinein<br />

ist es natürlich komisch, dass auf einer so grossen Farm, wo<br />

niemand oder fremde Menschen weit und breit sind, irgendeine<br />

Türe geschlossen werden muss, wo doch sonst alles immer offen<br />

gelassen wird. Wir fuhren die letzten 150 Meter auf Gras und im<br />

Wagenscheinwerferlicht konnte ich dann einen runden Turm<br />

erkennen, an dem wir links davor anhielten. Der Motor wurde<br />

abgestellt, Marco sprang aus dem Auto. Das Wagenlicht war aus.<br />

Bevor das Wagenlicht ausging, konnte ich noch weiter vorne<br />

rechts ein anderes Auto parkiert erkennen, ich glaubte es neben<br />

einem Schopf, Baracke zu sehen. Ich bin aber nicht sicher, ob dies<br />

ein Schopf war, also eine kleine Halle oder ein kleines Gebäude.<br />

Die Fahrerwagentür blieb offen, ich sass im Auto, nichts ahnend<br />

und dann ging es los:<br />

17


Auf einmal kam von hinten ein maskierter Mann mit einer Pistole<br />

in der Hand zum Fahrersitz, setzte sich und forderte mich, mit<br />

der Pistole auf mich gerichtet, blutrünstig auf sofort<br />

hinauszugehen. Ich natürlich, wie vermutlich jeder der so was<br />

nicht erwartet hat, habe im Schock reflexartig den Pistolenlauf<br />

mit meiner Hand umschlossen und versucht die Pistole, die auf<br />

mich gerichtet war, wegzudrücken, weil ich dachte, da passiert<br />

noch was, der drückt noch ab und ich bin tot. Aber das hat mir<br />

nicht viel geholfen, weil dann zwei andere Männer mit<br />

Maskierung, eine Art Skimütze, die Beifahrertür aufrissen. Einer<br />

von denen hatte eine deutlich erkennbare Maschinenpistole, eine<br />

alte, wobei das Magazin seitlich, also 90 Grad horizontal<br />

herausragte, und nicht wie normal von unten eingesteckt war. Ich<br />

konnte einem von den Dreien einen Fausthieb verpassen, sie<br />

natürlich schlugen zurück, wobei dann meine Brille über dem<br />

Nasenbein zu Bruch ging und ich die Brille verlor. Dadurch gab<br />

es eine triefe Schramme, wo dann auch das Blut zu fliessen<br />

begann. Sie zerrten mich brutal aus dem Wagen und da ich ja<br />

ziemlich kräftig gebaut bin, war das nicht so einfach. Sie stülpten<br />

mir einen weiss-gelblichen Sack über den Kopf, wobei, wie ich<br />

später sah, es sich um einen Getreidesack oder ähnliches handelt,<br />

worin man Getreide abfüllt. Ich konnte trotzdem noch auf den<br />

Boden runter schauen und wurde zuerst über Gras und dann<br />

über Beton in einen Raum geschleppt und gezogen. Der Raum<br />

war bestückt mit Naturstein in verschiedenartigsten Formen,<br />

eher kleinen Stücken, die in Zement rundherum eingelegt waren,<br />

wobei der Zement ziemlich dick zwischen den Natursteinrillen<br />

aufgetragen wurde. Beim Eintritt in diesen Raum, wo das Licht<br />

brannte, konnte ich auf der linken Seite einen<br />

Elektroschweissapparat erkennen, ich wusste, dass es ein solcher<br />

Apparat ist, weil obendrauf die Gesichtsschutzmaske, die man<br />

bei solcher Apparatur verwendet, lag.<br />

Ich wurde dann bäuchlings auf eine Matte oder Bett geworfen,<br />

die Hände wurden mir hinten mit einer dicken Schnur fest<br />

übereinander zusammengebunden und zwei oder eineinhalb der<br />

drei Personen setzte sich dann auf mich und ich habe gezittert<br />

wie Laub im Herbst und um mein Leben gebeten. Ich habe sie<br />

angefleht, mich nicht umzubringen. Ich wusste nicht, warum das<br />

18


alles geschehen sollte, darum möchte ich hier auch noch<br />

hinzufügen, dass ich eigentlich die ersten Sekunden dachte, dass<br />

wir, d.h. der Sohn von Mariano, „Marco‚, und ich, Opfer anderer<br />

Verbrecher wurden, die die Farm oder wem immer das Gebäude<br />

gehörte, überfielen. Mir wurde dann der rechte Schuh, Marke<br />

Timberland, samt dem Socken, abgezogen. Währenddessen<br />

haben sie mir auch den Knäuel wieder aus dem Mund<br />

genommen. Der weisse Sack über meinem Knopf hatte sich rot<br />

verfärbt und da haben sie sehr wahrscheinlich gedacht, sie<br />

müssten mir dem den Knäuel, den sie mir vor dem Haus in den<br />

Mund gestopft hatten, damit ich vermutlich nicht schreien konnte<br />

oder so, wieder wegnehmen, da ich sonst eventuell nicht atmen<br />

konnte, da die Nase stark blutete. Heute weiss ich, warum sie mir<br />

überhaupt einen Knäuel gegeben haben, weil der Turm nicht weit<br />

weg vom Hauptwohnhaus der Farm liegt und sie vermeiden<br />

wollten, dass ich anfange zu schreien und das es jemand von den<br />

Angestellten oder den Leuten, die dort auf der Farm wohnten,<br />

hören könnten. Während mir Tücher, also Textilstoffteile auf<br />

mein rechtes Bein, das ja frei war, weil ich ja kurze Hosen an<br />

hatte, gelegt wurden, hörte ich wie der Elektroschweissapparat in<br />

Betrieb gesetzt wurde. Ich dachte an grausame Folter oder so und<br />

hab nur um mein Leben gefleht, damit sie mich nicht umbringen.<br />

Es war dann aber so, dass mir ein Eisenstück an mein rechtes<br />

Bein oberhalb der Ferse angeschweisst wurde und obwohl sie mir<br />

schützende Tücher auf mein Ober- und Unterbein gelegt hatten,<br />

die Funken, die so ein Elektroschweissapparat abgibt, hatten<br />

doch zwei Stellen an meinem unteren Schenkel an der Wade<br />

verbrannt, die man heute noch sehr gut erkennen kann. Ich<br />

zitterte und nachdem sie ihre Schweissarbeit erledigt hatten,<br />

wurde mir der Sack vom Kopf weggenommen und sie tupften<br />

das Blut in meinem Gesicht mit einem schmutzigen Lappen weg<br />

und ich glaube, es war nicht Blut aus der Nase, sondern es war<br />

Blut aus einer Wunde ausserhalb des Nasenflügel, die dadurch<br />

entstanden war, als die Brille beim Wegschlagen zerbrochen<br />

wurde und dadurch einen Schnitt in das Fleisch gemacht hatte.<br />

Sie hoben meinen Kopf und unterlegten ihn mit einem Kissen.<br />

Ich spürte auch wie sie eine zusammengefaltete Decke auf meine<br />

Beine legten. Es wurde kein Wort gesprochen während der<br />

19


ganzen Angelegenheit, ich habe nur zwei Mal den Namen Mario,<br />

Mario gerufen, in der Annahme, dass es sich ja um Mario<br />

handelte, obwohl es ja der Marco war und nicht der Mario, der<br />

das alles gemacht hat mit seinen Gehilfen, die ich nicht erkennen<br />

konnte, weil sie ja maskiert waren. Eine braune, schwere<br />

Metalltür wurde zugeschlagen, ein Riesenlärm und das Licht<br />

brannte noch. Ja, bevor sie gegangen sind, habe ich gespürt wie<br />

sie meine Hosentaschen leerten, wo ich ungefähr US$ 180.— in<br />

kleinen Noten hatte, mein Münzportemonnaie - und auch einen<br />

kleinen goldfarbenen Schlüssel, der zum Schloss gehört, das ich<br />

an der Anzugstasche befestigt hatte, wo die Dokumente drin<br />

waren. Obwohl die Verbrecher schon ein Weilchen den Raum<br />

verlassen hatten und ich ja auf dem Bauch lag, mit Gesicht zur<br />

Wand, traute ich mich nicht umzudrehen, weil ich nicht wusste,<br />

ob noch jemand im Raum ist. Ich zitterte noch lange und hatte<br />

Angst und dachte nur warum, warum, warum. Ich drehte mich<br />

nach einer Weile um und habe den Raum liegend angeschaut.<br />

Erst nach weiteren zwei Stunden getraute ich mich aufzustehen<br />

und musste Folgendes feststellen.<br />

Es wurde eine schwere Kette an mein Bein geschweisst und unter<br />

dem Ring, der um mein Bein war, ein Stoffstück unterlegt und<br />

auf meine Haut darunter ein schwarzes Gummistück und dann<br />

die kalte Kette. Es war ein Stück von einem Rohr, ich nehme an,<br />

es war das Endstück eines Rohres mit einem Gewinde daran, also<br />

Rillen für ein Gewinde. Das Eisenstück war nicht rundherum<br />

geschlossen, sondern war 2 bis 3 cm offen, dort wo zwei<br />

Gliedstücke, je eins links und rechts auf den Ring geschweisst<br />

wurden, vermutlich vorher schon, und dann ein weiteres<br />

Gliedstück auf die zwei Gliedstücke darauf geschweisst und an<br />

diesem dritten Gliedstück hängte dann eine zwei bis drei Meter<br />

lange, schwere Stahlkette, die an der Wand eingelassen war.<br />

Anm.: Alle Zeichnungen wurden für das Landgericht Vaduz<br />

angefertigt. In Zeichnung auf der nächsten Seite und der Zeichnung auf<br />

Seite 42 hat die Zeichnerin aus praktischen Gründen den in meiner<br />

Aussage beschriebenen Kasten mit dem Stromzähler und der Steckdose<br />

(für das Elektroschweissgerät) weiter unten an die Wand skizziert,<br />

anstelle weiter oben, wo es an die Turmwand angeschraubt war.<br />

20


Den Raum beschreibe ich wie folgt: Es ist ein runder Raum, es ist<br />

ein Wasserturm, sehr feucht und kalt und wenn man bei der Türe<br />

hinein kommt war links mein Feldbett. Neben meinem Feldbett<br />

an der Wand war ein Fenster in der Grösse eines normalen<br />

Fensters mit zwei Flügelfenstern zum Öffnen. Am Kopfende des<br />

Bettes war ein alter Ofen ohne Türchen für die zwei Stellen, wo<br />

man Holz hinein gibt und es ist ein so genannter Wasserofen,<br />

weil es am Wassersystem angeschlossen ist damit man<br />

Heisswasser produzieren kann und gleichzeitig kochen kann.<br />

Oberhalb des Ofens ist ein ca. 50 Liter grosser, silberner<br />

Wasserbehälter, der das gekochte Wasser, dann auffangen sollte.<br />

Neben dem schmutzigen, schwarzen Ofen stand ein kleines<br />

Möbelstück, wie so ein Mini-Mini-Sekretär mit einem Fach, das<br />

man mit der Tür schliessen konnte und das vierte Bein war<br />

gebrochen, sodass man es entweder an die Wand oder an den<br />

Ofen anlehnen musste, wenn man darauf etwas schreiben oder<br />

essen wollte, weil sonst das Stück umkippen würde. Weiter nach<br />

rechts schwingend im runden Kreis sieht man dann einen<br />

Durchgang ohne Türe, dieser Durchgang führt zu einem kleinen<br />

Gang, wo links ein Waschbecken eingemauert ist mit Sims und<br />

unter dem Sims an der Aussenwand des Waschbecken konnte ich<br />

ein verschobenes, rechteckiges Herstellerkennzeichen erkennen.<br />

Es war alles ziemlich schmutzig.<br />

Vorbei an diesem Waschbecken konnte ich in einen Raum, wo<br />

links ein schmutziges WC mit einem losen, nicht angeschraubten,<br />

schwarzem WC-Deckel war, oberhalb der Wasserbehälter für das<br />

WC, sehen, dass es mit flüssigem Klebstoff schon mehrmals<br />

repariert worden. Vor allem das Abflussrohr, das sich zur Hälfte<br />

im Raum befand und zur anderen Hälfte in der Wand<br />

verschwand und unten wieder heraus kam. Die<br />

Wasserspülbetätigung war eine Schnur, eine schwarze<br />

Plastiknylonschnur, die herunter hing und am Ende 2 bis 3<br />

Knoten hatte. Rechts davon ist eine Dusche in die Wand<br />

eingelassen, d.h. die Duschvorrichtung kam aus der Wand heraus<br />

und dort wo sich der Wasserstrahl verbreiten kann, wurde die<br />

Wand und der Boden im 90 Grad Winkel, also links und rechts,<br />

die Wand und der Boden braun angemalt. Sonst war alles weiss<br />

in diesem runden Raum und in diesen zwei Nebenräumen.<br />

22


Gegenüber der Dusche war ein Spülbecken mit je Kalt- und<br />

Warmwasserhähnen separat angebracht, alles sehr dreckig. Und<br />

darüber, an die Wand geschraubt ein Spiegelschrank mit einem<br />

kleinen Abstellfach darunter. Der Wasserablauf der Dusche ist<br />

ohne Gitter im Boden und rechteckig. Das Wasser funktionierte<br />

nicht, weder für das erste noch das zweite Waschbecken oder die<br />

Dusche oder das WC, es gab kein Wasser. Im WC war nur eine<br />

Füllung im Tank der WC-Spülung vorhanden. Die Eisenkette<br />

wurde so angelegt, dass es genau reichte, damit ich vom Bett bis<br />

zum WC gehen konnte. Es war alles sehr schmutzig und dreckig,<br />

trotzdem waren auf der rechten Seite des Waschbeckens, im so<br />

genannten „Badezimmer‚, ein hellblaues Handtuch und eine<br />

neue Seife in der Seifenschale.<br />

Es gab drei Fenster, ein Fenster, wie schon beschrieben, oberhalb<br />

meines Bettes, ausserhalb dieses Fensters war ein Lattenrost, der<br />

geschlossen war. Es war ein Lattenrost aus braunem Metall und<br />

war zu, nur bei ungefähr die Grösse eines A4-Blattes im<br />

Lattenrost konnte man die Latten verstellen und man konnte<br />

dann etwas hinausschauen. Draussen am Fenster war noch ein<br />

Metallgitter, ein Ausbruchgitter, das aber sicher schon vorher<br />

dort war, als man den Turm baute. Das Fenster im Gang,<br />

zwischen dem Badezimmer und dem Hauptraum war mit zwei<br />

Kippfenstern versehen, viel kleiner als das im Zimmer wo ich<br />

schlief, in meinem Raum, und an dem Fenster vor dem grossen<br />

Waschbecken und dem kleinen Fenster im Badezimmer wurden<br />

von aussen an die Gitterroste Wellbleche, die man zum<br />

Dachbauen nimmt, zugeschnittene Wellbleche mittels Draht<br />

befestigt, damit man nicht herausschauen kann oder andere<br />

Leute nicht hinein schauen konnten. Ich konnte nur schräg hoch<br />

in den Himmel durch einen Schlitz schauen und sonst sah ich<br />

nichts von diesen zwei kleinen Fenstern. Es war also unmöglich<br />

dort auch hinauszugelangen.<br />

Ich hatte riesige Angst und betete und eigentlich war mir nicht<br />

kalt, obwohl ich in kurzen Hosen war und im kurzen Hemd.<br />

Nachdem ich alles inspiziert hatte und feststellen musste, dass<br />

die Kette fest in der Wand eingemauert war, ich vermutete auch,<br />

dass die Kettenvorrichtung, die an der Wand war, erst frisch<br />

23


gemacht wurde, weil es weiss gestrichen war und auch die ersten<br />

Kettenglieder von der Wand mit weisser Farbe überzogen waren.<br />

Ich muss auch sagen, dass man überall im runden Raum, der<br />

übrigens auch auf der gegenüberliegenden Seite meines Bettes<br />

eine Rundtreppe in den oberen Stock hatte, die weiss gemalt war<br />

und das Geländer, wo man die Hand drauflegt, ist braun gemalt,<br />

alles aus Beton. An vielen Stellen konnte man sehen, dass Regale<br />

und Aufhängevorrichtungen, die in diesem Raum offenbar früher<br />

vorhanden waren, weggeschraubt wurden, weil man die alte<br />

Farbe darunter sah und auch die riesengrossen Löcher von<br />

Schrauben mit Dübeln. Vermutlich wollten sie, dass ich nichts<br />

wegnehmen konnte, womit ich einen Wächter oder wen auch<br />

immer erschlagen konnte oder verletzen würde, darum gab es<br />

überall Stellen mit diesen Abzeichnungen mit ehemals<br />

vorhanden Regalen, Schränken und anderem Zeug. Ich legte<br />

mich dann ins Bett auf mein Kissen, das einen riesengrossen<br />

Blutfleck vorwies von den Stunden, die ich regungslos auf dem<br />

Kissen lag, und legte mich schlafen.<br />

24


Freitag vor Ostern.<br />

Den ganzen Tag habe ich kein Essen erhalten, das Zeitgefühl ging<br />

mir auch weg, weil mir meine Uhr auch weggenommen wurde,<br />

jedoch so ca. mittags hörte ich ein Auto, es war ein Diesel. Ich lag<br />

noch auf dem Bett und bekam Herzflattern. Ich lag seitlich<br />

gekauert auf dem Bett und von draussen hörte ich laut Schlösser<br />

öffnen, als würden 50 Schlösser daran sein, und ein Geknalle und<br />

sehr laute Geräusche.<br />

Mit einem Tritt, vermutlich wurde die Türe immer so aufgeknallt,<br />

sodass ich mehr erschrak: ich sah zwei Männer, die leicht gebückt<br />

wie beim Skifahren mit gespreizten Beinen und einer Pistole, die<br />

mir alt erschien und einem Revolver, ein silberner mit einem<br />

langem Lauf, der mir neu erschien, auf mich gerichtet vor der Tür<br />

standen, vermummt. Einer kommt auf mich zu und deutet mit<br />

dem Revolverlauf oder Pistolenlauf, in dem Fall, auf mein Kissen<br />

und zwar auf den Blutfleck auf dem Kissen. Ich vermutete, dass<br />

er den Blutflecken meinte und ich sagte dass es das Blut von<br />

gestern Abend war. Er deutete ohne Worte an, ich solle mein<br />

Kopf unter das Kissen begeben und mit den Oberarmen und<br />

Händen von aussen das Kissen an meinen Kopf drücken damit<br />

ich nicht sehe wer kommt oder was sie tun.<br />

26


Ich tat es und spürte den Revolverlauf auf meinem Kopf. Ich<br />

hatte Angst und zitterte andauernd. Sie kontrollierten die Kette<br />

und hoben mein Bein und rüttelten daran. Ich glaube auch, sie<br />

kontrollierten das andere Ende der Kette um zu schauen, ob ich<br />

nicht was gemacht habe. Es wurde dann von einem der Männer<br />

in Spanisch gesagt, dass ich, falls ich versuchen sollte zu fliehen<br />

oder sonst was machen würde, oder wenn ich ausschlagen<br />

würde, sie mich ohne Skrupel umbringen würden. Die Männer<br />

gingen und dies nicht ohne dass sie die Tür mit einem<br />

Riesenschwung zuknallten, was mich noch mehr ängstlich<br />

machte. Ich weinte und weinte und weinte.<br />

Wenn der Wind ein wenig kam, das spürte ich, weil ich meine<br />

Fenster offen hatte, dann setzte sich die Wasserpumpe in<br />

Bewegung, was für mich bedeutete, dass es eine<br />

Windwassermühle sein musste. Wenn man in einer solchen<br />

Situation ist und lange Zeit zum Denken hat, dann kommt<br />

automatisch der Fluchtgedanke.<br />

Die verfluchte Kette war aber nicht so leicht loszukriegen. Ich<br />

habe dann, als es ein wenig hell wurde, an jenem Freitag, die<br />

Fenster nochmals inspiriert und festgestellt, dass es unmöglich<br />

sein wird durch diese Fenster ohne Werkzeuge oder andere<br />

Hilfsmittel zu entkommen. Beim Laufen, wenn man es so nennen<br />

kann, innerhalb dieser 3 kleinen Raumebenen, hat sich dauernd<br />

die Kette verdreht, was dann zu einem kürzeren Radius meiner<br />

Bewegungsmöglichkeit führte. Ich musste dann immer öfters im<br />

Tag mich nach links um meine eigene Achse drehen damit sich<br />

die Kette wieder entwindet. Ich weinte oft und betete wieder und<br />

fragte mich warum, warum nur? Sie haben mir am Freitag nichts<br />

zu essen gegeben, aber ich hatte sowieso keinen Hunger. Am<br />

selben Tag, ich schätze so um 22.00 Uhr abends, bekam ich<br />

wieder Besuch, der sich wie immer in den folgenden Besuchen so<br />

abspielte. Ich hörte meistens ein Auto heranfahren, meistens ein<br />

Diesel, Riesenlärm, dann die Türschlösser geöffnet, dann ein<br />

Schlag an die Türe, Waffen, Kontrolle der Kette, kein Wort zu mir<br />

und dann gingen sie wieder. Ich konnte mehr oder weniger<br />

schlafen in der Nacht von Freitag auf Samstag. Samstag früh<br />

bekam ich wieder Besuch, sie brachten mir meine Brille, die sie<br />

mit Schnellklebstoff zusammengeflickt hatten und Schreibpapier<br />

27


mit Schreiber und die zwei Nachrichtenmagazine, die ich mir in<br />

Frankfurt am Flughafen gekauft hatte, das eine war der SPIEGEL<br />

Nr. 13 von diesem Jahr und die rosarotfarbene Financial Times.<br />

Es kam wieder zu Morddrohungen von einem der Bewacher auf<br />

spanisch und wieder mit den Angaben, ich soll ja nicht versuchen<br />

zu fliehen, weil ich sonst tot bin. Es kam dann so, dass ich mehr<br />

oder weniger beruhigt war, da ich doch dachte, sie seien ein<br />

wenig human, da sie ja mir was zum Lesen brachten und auch<br />

Früchte und altes Brot bei diesem Besuch am Morgen. Ich<br />

versuchte dann den SPIEGEL Nr. 13 als Abwechslung zu lesen<br />

und musste an die Story der Entführung des Hamburgers<br />

Industriellen Reemtsma denken und es gab auch sonst in diesem<br />

SPIEGEL einige Seiten, die mich sehr traurig stimmten wie z.B.<br />

gab es eine Werbung einer Autofirma mit einem Besenfresserzitat<br />

und der Besen, den dieser Mann in der Hand hielt, den hätte ich<br />

gerne gehabt um den Saustall, wo ich mich befand, aufzuräumen.<br />

Dann gab es noch eine Werbung im SPIEGEL Nr. 13 von einer<br />

Telefongesellschaft, einer Mobiltelefonfirma, mit einem<br />

abgebildeten Mobiltelefon und eine Nummer im Display : die<br />

Nummer, die dort eingegeben war, die fing mit 01 80 an und die<br />

war eigentlich nur 3 bis 4 Nummern anders als die Nummer<br />

meines besten Freundes in Zürich, die auch 01 865 u.s.w. war,<br />

28


was hätte ich bloss gegeben damit ich ihn anrufen könnte. Der<br />

Preis pro Minute war dort in der Anzeige 69 Pfennig; ich habe<br />

mir gedacht, auch wenn die Minute 690 Mark kosten würde, ich<br />

hätte ihn so gerne jetzt angerufen. Ich habe alles über die Tage<br />

verteilt gelesen ausser ein paar Artikel: z.B. einer der über<br />

Selbstverletzungen geschrieben war, wie sich Leute, aus welchen<br />

Gründen auch immer, Selbstverletzungen am eigenen Fleisch<br />

zutun.<br />

Es ist auch zu sagen, dass die Financial Times in solchen<br />

Situationen nicht das geeignete Lesemittel ist über Geld und<br />

Kurse nachzulesen. Die Zeitung habe ich dann nur als Tischdecke<br />

für das schmutzigen kleinen Möbelstücklein verwendet. Ich<br />

öffnete das kleine Look-Out wie man auf Englisch sagt, also<br />

dieser kleine Lattenrost vom Hauptfenster, den ich verschieben<br />

konnte und sah ein paar Bäume vor mir und rechts davor einen<br />

künstlich aufgehäuften Erdhügel in dieser Waldlichtung und<br />

weiter weg sah ich dann die gelbe Wiese mit ein paar Kühen.<br />

Später musste ich auf das WC und spülte das WC. Die Hände<br />

konnte ich ein wenig waschen indem ein paar kl. Tropfen aus der<br />

Wasseranlage kamen.<br />

Am Nachmittag desselben Tages bekam ich wieder Besuch. Wie<br />

befohlen verdeckte ich mein Gesicht damit ich nichts sehen<br />

konnte und wie üblich wurde mir die Pistole auf den Kopf oder<br />

auf die Brust gedrückt, falls ich dummes Zeug vorhatte. Es<br />

wurde mir eine Notiz hinterlegt, die mit Schreibmaschine<br />

geschrieben worden war, aber auf Faxpapier gedruckt war. Ich<br />

nehme an, sie haben es mit dem Faxgerät des Hauses kopiert.<br />

Darauf stand auf Spanisch, dass ich Angaben machen soll über<br />

meine Geschäfte oder vor allem über mein Vermögen, das ich<br />

besass. Es sollte so aussehen, als wäre dieses ein Fax von Übersee<br />

gewesen, von Europa. Zu jenem Zeitpunkt schrieb ich noch<br />

normal mit dem mir verteilten Papier und Kugelschreiber an<br />

Mariano. Ich schrieb warum, wofür, wie viel und was das alles<br />

bedeuten soll. Ich sass auf dem weissen Plastikstuhl, den habe ich<br />

noch vergessen zu beschreiben. Ich hatte einen weissen<br />

Plaststuhl, so wie man sie für Gartenstühle verwendet, auch in<br />

diesem Raum. Ich schrieb ihm, ob er sich nicht schäme mich als<br />

Freund dort so zu haben. Ich bat ihn dringend, mich zu besuchen<br />

damit wir darüber reden könnten, vor allem am nächsten Tag, an<br />

29


meinem Geburtstag am Sonntag, 30.03., zu kommen. Ich war<br />

traurig für mich selber, für meine Familie und für seine Familie<br />

auch. Ich ass einen Apfel und das alte Brot und war ein wenig<br />

beruhigt an jenem Tag, weil ich keine Besuche mehr erwartete<br />

und dadurch für mich selber alleine sein konnte. Ich hoffte auf<br />

eine ruhige Nacht. Den Brief den ich an Mariano geschrieben<br />

habe, habe ich unter der Türe so durchgesteckt, damit ein Ecken<br />

des Briefes noch in meinem Raum lag und ich so sehen konnte,<br />

wann und ob er weggenommen wurde. Müde und mit der<br />

schweren Eisenkette an meinem rechten Bein, schlief ich im Bett<br />

mit den zwei Decken ein.<br />

Sonntag, 30. März, mein 32. Geburtstag.<br />

Ich wachte früh auf und dachte an Flucht, aber wie konnte ich<br />

flüchten, ich kannte die Farm nicht und war in der Nacht<br />

gekommen, also ist es sehr schwierig. Falls ich je aus diesem<br />

Turm raus kommen sollte, wohin ich dann rennen sollte, links<br />

rechts oder wohin, weil ich ja nicht wusste wo Sicherheit für mich<br />

sein könnte. Ich hätte ja in die falsche Richtung rennen können<br />

30


und dann 30 km lang in der Wildnis herumirren, das ging also<br />

nicht, aber wenn man eingesperrt ist, dann denkt man sowieso an<br />

Flucht. Die Kette, wie konnte ich die Kette lösen. Ich erinnerte<br />

mich, dass man, wenn man verheiratet ist oder Leute die<br />

verheiratet sind und sie den Ehering loswerden wollen, es mit<br />

Seife probieren. Da ich ja eine Seife hatte, dachte ich mir, aha, ich<br />

werde warten bis es Abend ist, weil während dem Tag<br />

wegzuspringen, da würden sie mich auf 100 km auf dem freien<br />

wohl Feld sehen, also wollte ich, wenn schon, in der Nacht weg.<br />

Also dachte ich mir gut, ich werde mit dem Versuch, die Kette<br />

mit Wasser und Seife über meinen Fuss zu ziehen, warten. Meine<br />

Nerven lagen frei. Auf einmal bekam ich grössere Angst:<br />

Nach einer halben Stunde hatte ich meine Meinung geändert und<br />

sagte zu mir, wer weiss, was noch passiert, es ist besser, wenn<br />

ich es jetzt versuche. Ich zog so meinen rechten Schuh aus und<br />

auch den Socken und da ich kein fliessend Wasser hatte, benützte<br />

ich ein wenig Wasser von der WC Schlüssel, seifte meinen<br />

nackten Fuss samt dem Eisenring ein und nahm auch das Tuch<br />

und das Gummiband unter dem Eisenring weg und versuchte<br />

mit aller Gewalt den Eisenring über meinen Fersen und<br />

Vorderfuss zu stülpen. Es ging aber nicht, der Verschluss, also<br />

dieser Eisenring war ja nicht ganz geschlossen und die<br />

dementsprechenden Ecken, die dieser Ring hatte, stachen sehr<br />

fest auf meine Ferse, wo ich mich leicht verletzte, ich war<br />

verzweifelt, denn selbst mit Seife ging es einfach nicht. Ich war<br />

traurig und weinte und trocknete meinen eingeseiften Fuss mit<br />

dem Handtuch ab und war sehr bemüht den Stahlring auch von<br />

der Seife zu befreien, was mir nicht ganz gelang, weil sich die<br />

Seife auch in den feinen Rillen des Gewindes festgesetzt hatte. Ich<br />

war traurig, weil ich realisierte, dass die Kette so angemacht<br />

wurde, dass es für ewig war, was mein Tod bedeutete. Ich<br />

weinte, weil ich an meine Familie dachte und dass mich keiner so<br />

schnell vermissen würde, weil ich keine genauen Angaben<br />

gemacht habe, wo ich jetzt noch mal hinging, und zudem hatte<br />

ich auch realisiert, dass es auf einer solch grossen Farm eine<br />

Leiche loszuwerden kein Problem wäre. Wer sollte mich je da<br />

finden? Ich bekam auch Panik, weil ich die Seife nicht vollständig<br />

vom Ring entfernen konnte, und ich befürchtete, dass wenn bei<br />

31


einer Kontrolle die Wächter nicht die Dümmsten sind, und<br />

erkennen, dass es dort Seife daran hat und dann vielleicht<br />

erkennen oder erraten, was ich vorgehabt hatte. Ich hatte Angst,<br />

dass sie mich dafür foltern werden oder anderswie bestrafen<br />

würden. Ich blieb den ganzen Vormittag im Bett. Spät abends am<br />

Sonntag bekam ich wieder Besuch. Es war Lärm mit Autos, Tür<br />

aufgeschlagen, Revolver auf Kopf und kein Wort. Sie nahmen<br />

den Brief, den ich die Nacht zuvor unter die Tür gelegt hatte<br />

dann weg, brachten mir Kaltes zum essen und zum trinken<br />

Wasser. Die Kette wurde kontrolliert. Ich hatte Riesenangst, falls<br />

sie die Seifereste entdecken würden und ich dachte mir, wenn sie<br />

es entdecken würden, dann würde ich sagen, dass ich meine<br />

Füsse gewaschen habe. Aber dann war das Problem, sie würden<br />

mich fragen mit was, mit Urin oder mit was, wenn kein Wasser<br />

vorhanden ist. Sie gingen dann aber wieder.<br />

Anm.: Auf den 2 Fotos (nächste und übernächste Seite) kann man sehr<br />

gut die 2 eingebrannten Stellen an meiner rechten Wade erkennen, die<br />

von Funken beim Anschweissen der Kette herstammen. Auf dem 2. Foto<br />

ist auch die noch nicht verheilte horizontale Schürfwunde wunde der<br />

Kette gut sichtbar (2-3 cm oberhalb meines rechten Daumens). Die für<br />

das Landgericht Vaduz nachgebaute Kette samt „Mauerstueck“ befindet<br />

sich heute im Keller des Landgerichts, im „Argentinien-Akt“.<br />

32


Das WC füllte sich ohne dass ich es spülen konnte und auch<br />

tagsüber war der Raum gefüllt mit dem Lärm von der<br />

Wasserpumpe draussen. Mariano kam doch nicht, wie ich ihn<br />

gebeten habe an meinem Geburtstag. Ich weinte und war traurig,<br />

weil sie mir nicht nur meine Freiheit genommen hatten, sondern<br />

auch meine Fluchtmöglichkeit, aber wohin sollte ich auch<br />

flüchten. In der Nacht hörte ich oft Schüsse und auch Hunde. Das<br />

war kein gutes Zeichen. Ich war mir auch bewusst, falls ich<br />

überhaupt von der Kette wegkommen sollte, ich dann weiterhin<br />

nicht aus dem Raum flüchten konnte, da die Fenster so<br />

zugenagelt waren, also war es aussichtslos.<br />

Der Fluchtgedanke ist dabei gestorben.<br />

Nervös schlief ich ein.<br />

33


Am nächsten Tag, Montag, 31. März.<br />

Es ist der Geburtstag meiner Mutter, sie ist 60 Jahre alt geworden.<br />

Ich weinte wieder, aber weniger, weil ich nicht mehr soviel<br />

weinen konnte. Ich las den SPIEGEL nochmals, denn man muss<br />

ja etwas tun, um die Zeit totzuschlagen, um auf einen anderen<br />

Gedanken zu bekommen. Der Tag ist ja sehr, sehr lang. Ich<br />

schreibe wieder an Mariano. Diesmal etwas unterwürfiger. Bitte<br />

ihn zu kommen, offeriere ihm mein ganzes Geld und schreibe<br />

auch, wie er es sich aneignen kann, hoffte auf baldige<br />

Freilassung, hoffte auf seinen Verstand, etc. etc.<br />

34


An diesem Montag bekam ich Vormittags wieder Besuch. Wie<br />

üblich ein Auto, ein Dieselfahrzeug, das ich nicht sehen konnte<br />

von der kleinen Fensteröffnung aus, die ich hatte. Wieder Waffen,<br />

wieder vermummt und wieder Morddrohungen. Sie brachten<br />

Essen und eine Notiz von Mariano. Die Notiz von Mariano, ich<br />

wusste sie war von ihm, aber sie wurde nie von ihm<br />

unterschrieben. Es war sogar, dass darin stand, dass Mariano<br />

angeblich für wichtige Geschäfte nach Europa zurückkehren<br />

musste. Ich wusste aber und konnte an der Art und Weise wie es<br />

geschrieben war, erkennen, dass es Mariano's Stil war. Auf der<br />

Notiz stand, dass die Zeit auslaufe und es wurde Besuch aus<br />

Europa angekündigt. Sie legten mir Rechnungen vor. Rechnung<br />

in „Anführungszeichen‚, denn es waren Forderungen an mich,<br />

absurde Forderungen an mich, wo sie vermutlich meine späteren<br />

Geldzahlungen rechtfertigen wollten. Ich habe sie im Detail nicht<br />

gelesen, weil wissen Sie, wenn man in Gefangenschaft ist, dann<br />

unterschreibt man alles. Ich hätte auch unterschrieben, wenn sie<br />

mir gesagt hätten, ich soll schreiben, wie ich John F. Kennedy<br />

ermordet hätte. Es ist egal, man unterschreibt einfach alles, es ist<br />

zwecklos, man will nur lebendig aus der Sache wieder<br />

herauskommen.<br />

Es kam auch der Gedanke an Mord. Ich meine den Mord an<br />

Wächtern um hier herauszukommen, aber wie. Wenn man bei<br />

der Türe herein kommt, links oben an der Wand, kam ein<br />

Stromkabel aus der Wand heraus in einen kleinen Kasten mit drei<br />

runden Sicherungsknöpfen und dann in einen grauen Kasten<br />

führt, wo man die elektrische Wasserpumpe ein- und ausschalten<br />

kann. Neben dem Stromkabel war auch ein Stromzähler der<br />

Marke ABB von 1992 mit dem Zählerstand von entweder 2030<br />

oder 3020, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich habe mir überlegt, ob<br />

ich eventuell die Wächter, wenn sie zur Tür hereinkommen, mit<br />

einem Stromschlag erledigen könnte. Bin mir aber nachher<br />

unsicher geworden, weil ich mich mit Strom nicht gut auskenne<br />

und nicht gewusst hätte, welches Kabel wo zu was führte und<br />

zudem dachte ich, mit einer Kette am Bein würde evt. der Strom<br />

wie eine Erdung an mir vorbeigehen. Wenn nicht ein Stromschlag<br />

dann vielleicht die Waffe entnehmen dachte ich mir, was aber<br />

nicht so einfach sein wird, weil ich nicht nahe genug an die Waffe<br />

gekommen wäre, damit ich meine Hand hätte anlegen können<br />

35


und ich kein Tumult riskieren wollte, was sicher mein Tod<br />

bedeutet hätte.<br />

Der Gedanke an eine Schlägerei kam auch, aber einen gegen zwei<br />

oder drei und ich dann noch angekettet; dies ist nicht sehr<br />

hilfreich. Für einen Rest, für andere Möglichkeiten, hatte ich<br />

einfach keine Kraft oder war zu dumm dazu. Ich selber war sehr<br />

schmutzig, weil ich fast eine Woche in derselben Kleidung<br />

gesteckt habe und die Luftfeuchtigkeit in diesem Wasserturm,<br />

Wasserwindmühle, ziemlich hoch war. Auch begann der<br />

Stahlring in der Nacht zu kratzen, wovon man heute noch die<br />

Schürfwunden erkennen kann. Ich bekam wieder Besuch mit<br />

denselben Vorzeichen wie Lärm, das Auto, die Waffen, die Türe<br />

und Morddrohungen. Es gab auch erste Schläge auf meinen<br />

Kopf, wobei ich nicht wusste, womit ich das verdiente oder was<br />

ich getan hatte. Bei jener Visite wurde mir wieder Essen, Brot und<br />

Früchte und sogar meine blaue Jacke gebracht, weil sie<br />

vermutlich vermutet hatten, dass ich während des Tages, wenn<br />

ich nicht im Bett bin, eigentlich frieren sollte, weil die Sonne nur<br />

ganz klein, also der ganze Raum immer im Schatten war.<br />

Zu meiner Überraschung brachten sie auch mein kleines<br />

Necessaire, also meine Badeutensilien, Reinigungsutensilientasche<br />

mit, was wie folgt beinhaltete: Es war eine<br />

Hygienetasche und es war ein Nagelklipser drin, mit einer<br />

Fingernagelreinigungsvorrichtung, ein Rasiermesser von der<br />

Marke Gillette, kein Schaum, ein paar kleine Seifen von Hotels,<br />

sonst gaben sie mir nichts und es gab auch keine Antwort auf<br />

meine Bitten, die ich im Brief davor formuliert hatte. Sie checkten<br />

wieder die Kette, diesmal sehr gründlich und knallten die Türe<br />

beim Hinausgehen zu und verriegelten sie mit massivem Lärm.<br />

Wisst ihr, wenn man selber nicht in einer solchen Lage war, ist es<br />

vermutlich nicht so einfach für Aussenstehende nachvollziehbar:<br />

wie und warum ich das, was ich später tat, machte und wie und<br />

warum ich dazu kam. Wenn man sich in Händen solcher<br />

Verbrecher befindet, dann macht man sich sicherlich Gedanken,<br />

wie stehen die Chancen, dass man lebend aus dieser<br />

Gefangenschaft herauskommt. Jeder der so was miterlebt hat,<br />

wird vermutlich zugestehen, dass es zum ersten Gedanken an<br />

möglichen Selbstmord kommt.<br />

36


Die Gründe warum ich an Selbstmord gedacht habe, waren die<br />

Folgenden: Ich hatte Todesangst auszustehen unter diesem<br />

psychischen und sonstigem Terror, und ich habe nie von den<br />

Entführern gehört, dass, falls ich dies und dies erfülle, ich dann<br />

freikomme. Während der ganzen Zeit sagten sie das nicht. Ich bin<br />

selber kein Feigling und möchte hier sagen, es ist anders, wenn<br />

sich jemand wegen einer verlassenen Freundin oder eines<br />

verlorenen Arbeitsplatzes in Freiheit vor den Zug wirft oder sich<br />

sonst irgendwie umbringt. Dann ist er vielleicht in meinen Augen<br />

ein Feigling oder dumm, weil wegen einer Freundin oder<br />

anderen zerbrochenen Beziehungen oder eines verlorenen<br />

Arbeitsplatzes sollte man sich nicht umbringen. Aber in einer<br />

Gefangenschaft sieht die Sache ganz anders aus. Ich hatte auch<br />

Riesenangst vor Folter, weil sie es auch in zweideutigen<br />

Andeutungen so gemacht hatten, was auch eine sexuelle Folter<br />

beinhaltet hätte. Es ist nämlich so, dass ich dort realisieren<br />

musste, dass sie mir nicht nur meine Freiheit, sondern auch<br />

meine Fluchtmöglichkeiten genommen hatten und das Einzige,<br />

was einem noch übrig blieb war die Macht über Leben und Tod<br />

d.h. die Macht über sein eigenes Leben d.h. ich konnte noch<br />

selber bestimmen, wann ich sterben wollte oder nicht. So<br />

entschied ich mich die zwei kleinen Rasierklingen, die in dem<br />

Wegwerf-Giletterasierapparat darin waren, heraus zu nehmen.<br />

Ich tat es mit der Fingernagelreinigungsvorrichtung am<br />

Nagelknipser. Ich brach die zwei Klingen heraus, lernte mit<br />

verschlossenen Augen wie ich ohne mich zu schneiden erkennen<br />

konnte, welche Seite das Messer und welche Seite nur diese<br />

angehefteten oder angeschweissten kleine Metallstreifen waren.<br />

Ich wickelte sie je in ein Stück Zeitungspapierchen hinein und<br />

steckte eine Klinge in die vordere, rechte kl. Münztasche von<br />

meiner kurzen Jeanshose und die andere habe ich mir in die linke<br />

Po-Hosentasche gesteckt.<br />

Der Grund darin liegt da, ich vermutete, falls sie mich foltern<br />

oder sonst was mit mir machen würden oder nur meine Hände<br />

gefesselt auf den Rücken binden würden, so hätte ich doch noch<br />

eine Möglichkeit mit der rechten Hand auf den Rücken gebunden<br />

in die linke Potasche zu greifen und das Messerchen, das eine<br />

Länge von ca. 2 cm und ca. eine Breite von 0,5 bis 1 mm hatte,<br />

heraus zu nehmen und vielleicht dadurch die Schnur um meine<br />

37


Hand oder sogar meine Blutvenen aufzuschneiden. Den Rest der<br />

Klinge, also den Rest der Vorrichtung zum Rasieren habe ich in<br />

altes Brot rein gesteckt. Die Lage wurde auch sonst unangenehm.<br />

Das WC war verstopft und Mücken und anderes Zeug<br />

verbreiteten sich in meinem Raum. Ich schrieb wieder an<br />

Mariano, wobei ich jedes Mal immer unterwürfiger wurde, und<br />

ich flehte ihn an, mich freizulassen, wobei ich natürlich auch<br />

sagte, dass ich von seiner Geldschuld nichts mehr haben wollte,<br />

da mich diese Geldschuld in diese Lage gebracht hatte.<br />

Komischerweise fühlte ich mich nach den getätigten Dingen mit<br />

der Rasierklinge besser, da ich glaubte, ich alleine entscheide,<br />

wann ich sterben will oder nicht. Das war das Letzte was mir<br />

blieb. Ich bin ein lebensfroher Mensch und sonst nie depressiv<br />

oder sonst was, aber ich hatte nur dies und ich wollte nicht, dass<br />

sie es mir wegnehmen könnten. Natürlich ausser sie kämen mir<br />

zuvor und davor hatte ich natürlich wieder Angst. Ich möchte<br />

hier auch hinzufügen, dass ich gedacht habe, was kann ich mir<br />

selber noch Schönes machen, bevor ich diese Welt verlassen sollte<br />

und das Einzige, was mir in den Sinn kam, wäre eventuell eine<br />

letzte Masturbation an Gedanken an die letzte Frau die ich lieben<br />

durfte.<br />

Ich überlegte mir dann, was dann passieren würde, wenn ich ihre<br />

Bedingungen, die sie mir ja nicht konkret gestellt hatten, erfüllen<br />

würde. Lassen sie mich frei, davon schrieben sie aber nichts. Ich<br />

dachte ich kannte Mariano gut, aber ich kannte ihn zumindest so<br />

gut: er würde nie einen Mord planen, ich glaubte es nicht.<br />

Abgesehen davon ist er ein riesiger Feigling. Aber ich war mir<br />

sicher, er würde im Effekt jemanden umbringen lassen, weil im<br />

späteren Gespräch einem der Bewacher, er war ein Farmknecht,<br />

sagte dieser auch, dass in Argentinien ein Menschenleben nicht<br />

viel wert hat und dass es für die Angestellten nicht möglich war<br />

sich den Befehlen des Gutsherrn, selbst wenn es Mordbefehle<br />

wären, zu widersetzen. Also Mariano müsste sich nicht mal die<br />

Finger selber schmutzig machen. Ich überlegte mir auch, dass es<br />

selbst nach meinen Zahlungen keinen Grund geben würde,<br />

warum mich Mariano freilassen sollte. Sicher gebe es Gründe,<br />

aber auf der anderen Seite war die Leichtigkeit mit der er mich<br />

38


auf der Farm verschwinden hätte lassen können viel grösser und<br />

das beunruhigte mich.<br />

Es wäre anders gewesen, wenn er mich in Spanien oder in Vaduz<br />

entführt hätte und mich gefangen genommen hätte. Da ist die<br />

Lage komplizierter. Auf einer grossen Farm, wo kein Mensch<br />

genau weiss, wo ich bin und da gibt es mögliche Unfälle oder da<br />

ist einfach die Leichtigkeit eines solchen Vorhabens viel grösser<br />

und dadurch auch viel präsenter im Kopf von Mariano, nehme<br />

ich an.<br />

Wir haben immer noch Montag, Geburtstag meiner Mutter und<br />

ich musste ihn in den Briefen immer ständig davon überzeugen,<br />

dass ich kein Rachemensch bin, wie z.B. die Argentinier oder die<br />

Latinos im Generellen. Ich will hier nur heil rauskommen und<br />

werde niemand etwas sagen. Ich schrieb so, dass er gar nicht<br />

darauf eingehen sollte, sondern sagte nur, ich will hier raus und<br />

das Geld ist mir nicht wichtig. Ich will einfach auch Dinge<br />

erfüllen, meine Träume, wie Heirat, Familie, Kinder und ein<br />

ruhiges Leben führen. Ihr müsst verstehen, dass man alles macht,<br />

was sie verlangen, weil man Ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist.<br />

Am Montagnachmittag, spät, bekam ich wieder Besuch. Wieder<br />

der Lärm eines Wagens, der sich ankündigte, und ich bekam<br />

sofort Herzflattern. Die Türe wurde wieder massiv aufgeschlagen<br />

und die Waffe an den Kopf gehalten und die Kette wieder<br />

kontrolliert. Eine Notiz von Mariano mit Schreibmaschine<br />

geschrieben, ohne seine Unterschrift darauf, wurde mir wieder<br />

zugesteckt. Er glaubte mir nicht oder sie glaubten mir nicht in<br />

Bezug auf mein Geld und wie man es transferieren könnte oder<br />

meine einzige geschilderte Möglichkeit wie ich an das Geld<br />

kommen könnte und er sagte auch, dass Morgen der letzte Tag<br />

sei und dass die Zeit zu Ende gehe. Das war alles. Das Essen ist<br />

wieder kalt gewesen. Ich glaubte durchzudrehen, obwohl mein<br />

Geist ganz scharf blieb. Ich versuchte zu schlafen, konnte aber<br />

nicht.<br />

Dienstag, 1. April.<br />

Mein ganzer Körper schmerzte und ich hatte eine unruhige Nacht<br />

hinter mir. Ich war traurig und glaubte, dass ich hier nie<br />

rauskommen werde. Ich überzeugte mich davon selbst, wartete<br />

39


aber ab. Es war mir sehr kalt, ich kontrollierte die Rasierklingen<br />

in meinen Hosen und merkte mir wieder auf welcher Seite die<br />

scharfe Klinge war. Ich liess alles nochmals durch meinen Kopf<br />

gehen und es widersträubte mir, daran zu denken, dass ich bald<br />

soweit kommen könnte, mir selber das Leben zu nehmen. Es<br />

kann ja nicht sein, dass ich gehe, ohne dass ich meiner Familie,<br />

meinen Freunden, meinen besten Freunden und der Welt ADIOS<br />

gesagt hätte. Aber von hier aus konnte ich ja niemanden<br />

erreichen. So geschah es, dass ungefähr am Mittag wieder Besuch<br />

kam. Ich begab mich wieder in die übliche Position, eingekauert<br />

unter meine Bettdecke, das Gesicht unter das Kissen und die<br />

Hände und Oberarme vor meinem Gesicht. Ich hörte mehrere<br />

Personen, Schritte und zu meiner völligen unglaublichen<br />

Überraschung stand da Verdammt noch Mal dieser Verbrecher<br />

Helmut Roegele mit seiner Frau Salud Hidalgo und zwei<br />

Wächtern mit gezogenen Revolvern und Pistole vor mir im<br />

Raum. Ich möchte noch anfügen, dass ich bei einem dieser<br />

Besuche beim Wächter klar erkennen konnte, dass der silberne<br />

Revolver mit Patronen in der Trommel voll geladen war.<br />

Ich begann erst dann zu realisieren, dass wahrhaftig Helmut<br />

Roegele und Mariano das alles ausgeheckt hatten. Die zwei<br />

Wächter waren maskiert und mit Waffen, Helmut und seine Frau<br />

nicht. Sie kamen in sehr gepflegtem Stil daher. Ich zitterte am<br />

ganzen Körper am ganzen Leib. Helmut schrie mich auf<br />

Spanisch an und dann auf deutsch und er sagte: "Ja, jetzt können<br />

wir Dir das antun." Ich kniete auf vom Bett und kniete vor ihm<br />

auf dem kalten Boden mit meinen kurzen Hosen und sagte: „Ich<br />

habe Euch doch nichts getan und ich flehe um mein Leben." Die<br />

Worte von Helmut waren sicher ein grosser Teil des<br />

Auslösungsprozesses, was ich mir dann später angetan habe. Er<br />

sagte: „Wir kriegen dein Geld sowieso. Entweder du machst es<br />

uns als Überweisung oder du wirst hier einen "Unfall" erleiden."<br />

Er sagte es in vollem Ernst. Er sagte wortwörtlich: "Ermordet<br />

wirst du hier sicher nicht, wir sind nicht so blöd und machen uns<br />

die Hände schmutzig, sondern du wirst z.B. einen "Reitunfall"<br />

oder von einem "hohen Baum fallen" und der Arzt wird dies als<br />

Unfall bestätigen und mit den Rechnungen, die du in<br />

Gefangenschaft unterschrieben hast oder mit den<br />

40


Schuldanerkennungen werden wir gegen deine Erben losgehen.‚<br />

Die Erben wären mein Vater Alfons Kieber oder meine Mutter<br />

Maria, da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe.<br />

Er hat es mit einer solchen Deutlichkeit gesagt, dass ich keinen<br />

Anlass dazu hatte, an seinen Worten oder den möglichen Taten<br />

seiner Mittäter zu zweifeln, auf keinen Fall. Er legte mir zwei<br />

Rechnungen vor um die Transaktionen wohl ein wenig legaler,<br />

wenn man so sagen kann, zu gestalten. Ich las nur eine<br />

Forderung von 80 Millionen Peseten von ihm und eine Forderung<br />

von 150 Mio. Peseten von Mariano und ich dachte nur, das ist<br />

mein Ende. Erstens, wieso dachten die ich hätte so viel Geld und<br />

zweitens wie konnten sie mir so was unterschieben, da ich ihnen<br />

doch absolut gar nichts schulde! Im Gegenteil, Mariano schuldet<br />

mir sogar viel und das weiss er und Helmut ganz genau. Ich habe<br />

die Postenaufstellung nicht gelesen, was dann dazu führte, dass<br />

die Frau von Helmut sich aufgeregt hat und geschrienen hat:<br />

"Willst du sie nicht lesen?" Ich habe geantwortet: "Ich kann es<br />

nicht." Sie forderte ihren Mann auf, es mir vorzulesen, aber das<br />

tat er nicht. Ich unterschrieb aber, ich wurde genau beobachtet<br />

und Helmut hat darauf geachtet, dass ich meine genaue<br />

Unterschrift mache und nicht eine schusslige. Ich musste also<br />

zuerst auf der Zeitungen, die ich als Tischdecke benutzte, zuerst 2<br />

bis 3 Mal meine Originalunterschrift üben, weil ich so zitterte<br />

und ich mich erst beruhigen musste. Dann im vierten Anlauf<br />

unterschrieb ich auf das Papier von Helmut, das ich erst gar nicht<br />

gelesen hatte. Die massiven Drohungen, die darauf folgten<br />

möchte ich nicht wörtlich wiederholen, weil ich sie nicht ganz<br />

verstehen konnte, aber es war einfach eine massive Drohung, die<br />

sicherlich jedem eingefahren wäre. Sie machte noch den<br />

Kommentar auf spanisch, seine Frau, dass ich halt noch weiter<br />

leiden muss, weil sie mir nicht glaubten, dass ich nur soviel Geld,<br />

41


wie ich dem Mariano aus dem Kerker geschrieben habe, habe,<br />

was mich gezwungenermassen zu der Annahme brachte, dass ich<br />

noch gefoltert werden sollte, da ja die normale Haft, wenn man es<br />

als normal bezeichnen kann, die ich bis anhin durchgemacht<br />

hatte, ohne grosse Folter, dass das das Wenigste oder das<br />

Einfachste in deren Augen war oder das weniger Schlimmste in<br />

deren Augen, was ich bis anhin erlebt habe. Sie wollten noch<br />

mehr Tortur und er hat es auch so ausgedrückt. Sie sind dann<br />

schon nach 20 Minuten gegangen, nicht ohne einen weiteren<br />

Besuch am Abend anzukündigen und ich setzte, da ich ja leben<br />

möchte, einen ersten, erzwungenen und vordiktierten,<br />

handgeschriebenen Brief an Herrn Bankdirektor Bröll der<br />

BAWAG in Österreich in Feldkirch auf. Ich schrieb ein normaler<br />

Brief an ihn und bat um Überweisung mit dem nötigen<br />

Codewort, obwohl ich ja nicht wusste, wohin das Geld zu<br />

überweisen war, weil sie mir noch keine Angaben dazu gemacht<br />

haben. Da schrieb ich einfach den Überweisungsauftrag und liess<br />

dann den Platz leer damit Helmut oder Mariano dies selber<br />

einfüllen konnten, wohin es überwiesen werden soll.<br />

Da kommt mir wieder in den Sinn, dass ich – als ich die Financial<br />

Times im Kerker gelesen hatte, ich auf einen speziellen Artikel<br />

gestossen bin; in der Aufregung fällt mir jetzt der Inhalt nicht<br />

mehr ein: es hatte aber zu tun mit Angaben über Vermögen oder<br />

so; in meiner Angst, dass Helmut, der auch Englisch kann, den<br />

Artikel sehen würde und mich beschuldigen würde, ich hätte<br />

Aussagen zu meinem Vermögen, auf Grund der Worte, wie im<br />

Artikel verwendet wurde, "verfälscht". Ich bekam wieder eine<br />

Panik und riss den Artikel aus dem Blatt und zerkaute den<br />

ganzen Artikel und ass ihn auf.<br />

Ich spürte, dass meine Situation hoffnungslos war, und dass mein<br />

Ende nah war. Es lag einfach in der Luft. Wiederholt hatten sie ja<br />

nie von Freiheit gesprochen, kein Mensch hat von Freiheit<br />

gesprochen, nach Erfüllung der Bedingungen und sie hätten mich<br />

ohne Probleme Monate so halten können, ohne dass mich je<br />

jemand gefunden hätte. Ich war traurig, weil ich nicht "Good<br />

Bye" und "Auf Wiedersehen" zu meiner Familie, meinen<br />

Freunden und allen Leuten, die ich kenne und die mich geliebt<br />

haben, hätte sagen können. Ich erinnere mich dann an einen<br />

Sonntagsartikel oder einem Samstagartikel in dem Magazin vom<br />

43


Tagesanzeiger in Zürich, wo ein Journalist ein Buch geschrieben<br />

hat "Das war es also" und er Leute interviewt hat, die Dinge im<br />

Leben erlebt haben und die sich dann schon in gewissen<br />

Altersstufen gefragt haben, ob es das schon war. Ich musste mich<br />

dann auch wahrhaftig, als 32-jähriger Mann plus zwei Tage<br />

selber fragen, ob es DAS wirklich schon war. Ob ich nie mehr das<br />

Licht, die Sonne, Vaduz, meine Familie, meine eigene<br />

"zukünftige" Familie, Frau und Kinder erleben werde. Das<br />

machte mich sehr, sehr traurig. Da ich auch vermutete, dass sie<br />

mir nicht glauben werden, wegen der tatsächlichen Höhe meines<br />

Vermögens, musste ich annehmen, dass sie mich töten werden.<br />

Von späterer Freiheit sprach ja niemand. Ich schrieb den<br />

handgefertigten Brief an Herrn Bröll zu Ende, es waren<br />

eineinhalb Seiten, und unterschrieb ihn korrekt. Auf dem Brief<br />

waren auch die genauen Angaben des Kontos und des<br />

Lösungswortes darauf. Ironischerweise hiess das Lösungswort<br />

Teklanika und das ist ungefähr der Name eines Flusses in Alaska,<br />

wo ich 1989 mit meiner damaligen Freundin, die ich sehr geliebt<br />

habe, auf Besuch war. Im Denali-National- Park in Alaska sagten<br />

wir uns, falls wir eines Tages heiraten werden und ein Kind<br />

haben sollten, dann werden wir es, wenn es ein Mädchen werden<br />

sollte, Teklanika nennen, weil uns dieser Name sehr gefallen hat.<br />

Und ich war nun dort in dem Raum und musste Teklanika<br />

schreiben und nachher meinen eigenen Tod bestimmen.<br />

Meine Sinne waren sehr geschärft.<br />

Die Zuhörer mit schwachem Herz sollten jetzt nicht weiterhören<br />

und die anderen bitte ich um Verzeihung, falls ich zu detailliert<br />

vorgehe. Ich war mir sicher, dass beide Verbrecher, Helmut und<br />

Mariano, vor allem Mariano mit seiner 1,5 Mil. CHF-Forderung<br />

"enttäuscht" sein würde und er sicher schon das Geld in<br />

Gedanken ausgegeben hat. So ist er und er wird bestimmt böse,<br />

weil er nicht im Geringsten so nahe an das Geld kommt, an diese<br />

Summe, die er sich erwünscht hat von mir und als Profit aus<br />

dieser Operation schlagen wollte. Nebst dem Verlust und nebst<br />

dem Nichtbezahlen seiner Schuld dazu. Ich dachte mir, ich<br />

könnte mir eigentlich auch am Abend nach dem letzten üblichen<br />

Besuch das Leben nehmen. Damit ich sicher war, wenn ich<br />

verblute, dass ich auch genug Stunden habe, um zu sterben. Mir<br />

44


kam dann die Angst, dass ich vielleicht nachher keine<br />

Gelegenheit dazu hätte über mein Leben selbst zu bestimmen,<br />

weil doch die Worte von Helmut und seiner Frau und die<br />

Andeutungen der Wächter, dass es mir noch schlechter ergehen<br />

sollte und dass ich noch leiden musste, als nur diese in deren<br />

Augen "einfache Gefangennahme", wobei natürlich meine eigene<br />

ANSICHT darüber wichtiger und vor allem die ECHTE ist. Ich<br />

war ja der Gefangene und nicht sie. Meine Gefühle dazu waren<br />

natürlich die Ausschlaggebenden und meine Eindrücke und<br />

nicht deren die draussen frei herumlaufend konnten. Ich hatte<br />

keine Zeit mehr und wollte auch nicht einen Abschiedsbrief<br />

schreiben, weil ein Abschiedsbrief, wenn ich tot bin, da war ich<br />

mir sicher, sie einen Brief an meine Mutter oder meinen Vater<br />

nicht übergeben werden würden, darum hätte es auch keinen<br />

Sinn gemacht einen zu schreiben. Ich stand auf vom weissen<br />

Plastikstuhl mit all meinen Sinnen sehr geschärft und auch die<br />

Augen wie ein Adler geschärft. Ich zog meine Jacke aus, die ich<br />

an hatte und legte mich auf das Bett. Ich hatte natürlich selber nie<br />

Erfahrung mit einem Selbstmordversuch, warum auch, und bin<br />

auch sonst kein Mediziner. Ich dachte einfach, dass es mit<br />

Handgelenken aufschneiden genügen sollte und dann das Blut<br />

fliessen sollte und einfach der Herzstillstand eintritt, weil kein<br />

Blut mehr kommt oder das Gehirn stirbt, weil kein Blut mehr<br />

kommt. Natürlich habe ich mir auch gedacht, dass ich gegen die<br />

Wand rennen könnte, aber mit der Kette am Fuss kann ich nicht<br />

genug Anlauf nehmen und zudem war ich mir nicht sicher, ob<br />

das funktioniert. Auch die Glasscheiben habe ich mir vorgestellt<br />

als Selbsttötungswaffe, aber die Rasierklingen schienen mir schon<br />

sauberer und schärfer als das Glas. Ich legte mich also auf mein<br />

Bett und nahm zuerst mit der rechten Hand die rechte Klinge aus<br />

der vorderen Münztasche meiner kurzen Hose und ohne dass ich<br />

grossen Schmerz empfand, schnitt ich mit der rechten Hand<br />

einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal mit schräg, dem<br />

schräg angesetztem kleinen Messer in das linke Handgelenk.<br />

Beim 5. Mal machte es "SSSSch", wobei ich vermutlich eine Vene<br />

oder einen Nerv angeschnitten hatte. So dachte ich jedenfalls. Das<br />

Blut floss nicht gleich und nicht so wie ich es mir erdacht hatte<br />

und gar nicht so wie es im Film immer ist. Ich wollte mit einer<br />

frischen Klinge, mit der 2. Klinge, die linke Hand aufschneiden,<br />

45


musste aber feststellen, dass ich ja auf dem Bett lag, auf dem<br />

Rücken, so musste ich wieder aufstehen mit der rechten Hand<br />

nach hinten in die linke Po-Tasche greifen, die Klinge aus dem<br />

Papier auswickeln, in die linke Hand geben, die komischerweise<br />

nicht geschmerzt hat, und dann zwei- bis dreimal mit schräg<br />

angesetztem Messer tief in das rechte Handgelenk schnitt.<br />

Wieder machte es "SSSSch". Ich lag wieder auf dem Bett und legte<br />

die Hände auf den Boden damit das Blut auch gut fliessen<br />

konnte. Ich dankte Gott und noch anderen Leuten für das, was<br />

sie für mich getan hatten und ich bat Gott um Verzeihung auch<br />

für das was ich getan hatte und dass er mich bitte in den Himmel<br />

nimmt und mir meine Familie verzeihen werde. Komischerweise<br />

verspürte ich keinen Schmerz, nur vielleicht einen kleinen,<br />

brennenden Stich in meinen Händen. Ich war bereit zu sterben<br />

und auch hatte ich nicht eine Sekunde lang, nachdem ich die<br />

Hände aufgeschnitten hatte, das Bedürfnis es abzubrechen, ich<br />

wollte sterben, weil die Täter mich überzeugt hatten, dass sie<br />

mich umbringen werden und mich dadurch zum Selbstmord<br />

getrieben hatten. Ich will noch jetzt dazu sagen, dass ich all<br />

meinen Mut, den ich je in meinem Leben gehabt hatte,<br />

zusammennehmen musste, damit ich mir solchen Schaden,<br />

solche Verletzungen beifügen konnte. Es ist falsch zu glauben,<br />

dass es einfach war, sondern im Gegenteil, man muss seinen<br />

ganzen Mut aufbringen um sich selber das Leben so zu nehmen.<br />

Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, wäre es einfacher und<br />

schmerzfreier erledigt gewesen und viel schneller, aber das hatte<br />

ich ja nicht. Zudem musste ich leider wiederum feststellen, dass<br />

das Blut nicht so floss, wie ich es vermutet hatte, und ich dadurch<br />

in eine Lage kam, wo ich feststellte, dass ich SO nicht sterben<br />

werde, nicht sterben konnte. Ich musste aber sterben; es gab<br />

keinen Weg zurück. Die zweite Rasierklinge, die noch in meiner<br />

linken Hand, zwischen den zwei Fingern blutverschmiert klebte,<br />

nahm ich mit der rechten Hand weg und setzte mit dieser Hand<br />

zum hoffentlich finalen brutalen Schnitt in die linke<br />

Halsschlagader an; ich wusste, dass wenn diese durchtrennt oder<br />

massiv angeschnitten ist, das Blutfliessen ohne Hilfe von Aussen<br />

nicht gestoppt werden kann. Die kleine Klinge bohrte sich links<br />

ca. unterhalb des Unterkiefers ins Fleisch und beim<br />

Herunterschneiden versuchte ich den Druck auf die Klinge zu<br />

46


erhöhen, so dass ich die tief irgendwo darunter liegende<br />

Haupthalsschlagader zerschneiden kann. So, das sollte genügen,<br />

so war ich überzeugt. Wie sich jetzt (Anm.: später im Spital Vaduz)<br />

herausstellte, habe ich die Hauptschlagader um ca. 0,4 cm<br />

verpasst. Minuten, die mir wie Sekunden erschienen vergingen<br />

und der Tod wollte nicht kommen. Verdammt noch mal....<br />

So stand ich, stand ich wieder vom Bett auf und glauben Sie mir,<br />

es ist möglich wieder aufzustehen, obwohl man beide<br />

Handgelenke zerschnitten hat und wenn man auch ohne grossen<br />

Erfolg versucht hat, seine "eigene Kehle" durchzuschneiden. Ich<br />

nahm eine Decke vom Bett, umwickelte die Decke um meine<br />

rechte Faust und schlug in beide kl. Fenster, die oberhalb von<br />

meinem Bett waren, ein. Es war ein Riesenkrach und die Scheiben<br />

flogen überall herum. Ich suchte mir ein Stück, dass längste Stück<br />

mit dem spitzigsten Spitz aus und legte mich wieder hin. Das<br />

Glas, in einer Form eines Dreiecks, hielt ich in meiner linken<br />

Hand, zwischen Daumen und den anderen Fingern und mit der<br />

rechten Hand suchte ich nach den Pulsadern, bzw. dem heftig<br />

schlagenden Puls in der „Halsgrube‚. Ich konnte links und rechts<br />

von der Halsgrube dort den Puls stark spüren, aber am stärksten<br />

spürte ich ihn an der kleinen Mulde am Halsansatz. Ich legte die<br />

Glasspitze darauf an und hielt mit der linken Hand das Glas fest<br />

und mit der rechten Hand machte ich eine Faust, holte mit dem<br />

Arm aus und schlug mit voller Wucht, was ich noch konnte, auf<br />

das Glasmesser drauf, damit es einen Stich gibt. Es gab einen<br />

starken Schnitt in meinen Hals und ich hörte auch Luft<br />

entweichen. Ich vermute, dass es die Luftröhre war und dachte,<br />

wenn sich Blut in die Lungen füllt, dass ich dann so sterben<br />

konnte. Ich wollte aber ganz sicher gehen und setzte das Glas<br />

nochmals links, ein wenig von mir ausgesehen nach links, die<br />

Spitze versetzte ich nach links und – nach einer Drehung des<br />

Glasstücks - schlug nochmals zu und liess das Glas danach auf<br />

meinen Bauch fallen. Es strömte sehr viel Blut heraus und floss<br />

herunter, links und rechts von meinem Hals und in meine Haare.<br />

Auch hatte ich jetzt tiefe Schnitte am linken Daumen und<br />

Zeigefinger. Ich legte die Arme wieder hinunter auf den Boden<br />

und hoffte, dass Gott mich zu sich nehmen würde. Ich wollte<br />

sterben. Da ich sicher war, dass sie mich umbringen würden oder<br />

47


zuerst foltern würden und davor hatte ich Angst. Ich spürte,<br />

komischer Weise keinen grossen Schmerz, konnte aber noch<br />

durch die Nase und dieses Loch atmen. Ich wartete auf den Tod<br />

und wartete und wartete und betete zu Gott, er solle mir<br />

verzeihen und mich zu ihm aufnehmen, wie wir es in der Schule<br />

gelernt hatten, in unserer Schule. Es war komisch, ich dachte, es<br />

müssten langsam die Sinne nachlassen, die Augen und die Ohren<br />

oder so, aber es war nicht dementsprechend, ich konnte die Vögel<br />

klar hören und die Decke des Zimmers gut beobachten und ich<br />

konnte auch meine Zehen bewegen und ich verstand nicht wie so<br />

was möglich war. Dann auf einmal fing der Körper selber an,<br />

ohne dass ich es wollte, komische Laute von sich zu geben, das<br />

heisst der Unterteil von meinem Kiefer war wie gelähmt und<br />

mein Herz pumpte wild daher und die Lunge oder der Magen<br />

füllte sich mit Luft und die Laute waren so wie eine Kuh schreit.<br />

Ich lag da, vielleicht 15 - 20 Minuten und wartete auf den Tod,<br />

der kam nicht, aber dafür kamen die Wächter, weil sie vielleicht<br />

mein Schreien gehört hatten oder nicht, ich weiss es nicht. Ich<br />

war nicht bewusstlos und ich hörte die Tür aufgehen und sah<br />

zwei vermummte Gestalten dort, mit Waffen in denen Händen<br />

und der eine, das war dann der Sohn Mariano's, Mario, ich habe<br />

ihn dann erkannt, weil sie, als sie mich gesehen haben in dieser<br />

Blutschweinerei, die aussah wie auf einem Schlachthof, sie die<br />

Kapuzen abgenommen haben und die Waffen weggeschmissen,<br />

irgendwo hin, und einer von beiden schrie dann, ich weiss nicht<br />

welcher, "der verdammte Sauhund" hat sich umgebracht. Später<br />

dann kam der Knecht zu meinem Bett, und fragte: "Warum,<br />

warum, hast du das getan?‚ Ich sagte nur, nein ich sagte nichts,<br />

eigentlich, ich wollte nur alleine gelassen werden. Und habe<br />

vielleicht geflucht, dass es mir nicht gelungen ist meinem Leben<br />

ein Ende zu setzen. Sie haben sofort die Handtücher oder das<br />

Handtuch aus dem Badezimmer geholt und der eine Sohn,<br />

Mario, hatte ein Mobiltelefon und hat sofort, weiss Gott wen,<br />

angerufen und einer sagte noch, sie müssten den Papa, also den<br />

Mariano informieren, dass der eine habe sich umgebracht, der<br />

Vollidiot oder versucht sich umzubringen und dann ging das<br />

Gerenne los. Sie haben noch kurz, denn ich lag nochmals ca. 10-<br />

15 Minuten so da, mir mit einem Handtuch meine<br />

Halsverletzung und die Hände eingewickelt. Ich hörte auch, weil<br />

48


sie nicht wussten wie mit der neuen Lage umzugehen, dass sie<br />

darüber referiert haben, ob sie mich sterben lassen sollten, gleich<br />

totschlagen sollen oder ob sie mir helfen sollten. Jetzt hatten sie<br />

natürlich ein Problem. Sie hatten einen halbtoten Gefangen und<br />

kein Geld. Dies war natürlich ein Problem und da ich jetzt weiss,<br />

dass sie nur für das Geld, so geldscharf waren die und mich<br />

natürlich für das Geld "operiert" hatten. Darum hatten sie mir<br />

auch geholfen, sonst hätten sie mich sterben lassen, denn früher<br />

oder später wäre ich mit dem Blutverlust sowieso gestorben, da<br />

bin ich mir ganz sicher, das haben sie auch gemeint. Dann hatten<br />

sie einen Knecht beauftragt, ich kenne seinen Namen nicht, er hat<br />

nur gesagt, ich soll ihn auf Spanisch "den Vogel" nennen. Dann<br />

haben sie mir das Hemd vom Leibe gerissen, die Hose behielt ich<br />

an. Man darf nicht vergessen, dass ich noch die Kette am Bein<br />

hatte. Sie schmierten die Glasscherben weg und hoben auch noch<br />

den vorhandenen Fensterrahmen links und rechts auf der<br />

Fassung und brachten das ganze Fenster mit den zerbrochenen<br />

Scheiben ins Freie. Ich konnte mich selbst nicht mehr bewegen<br />

und war in Ekstase oder so. Sie richteten meinen Körper auf und<br />

die Beine schoben sie von Richtung Bett auf den Boden, sodass<br />

ich dann so eingeknickt auf dem Bett sass und diese Handlung<br />

mit mir geschehen liess. Ich habe dann nichts gesagt und sie<br />

haben eine zweite Matratze eine alte, echte Matratze, das andere<br />

war ja nur ein Schaumstoff mit einem Stoff überzogen, vom<br />

oberen Stock die Treppe hinunter geschleift und sie gegenüber<br />

von der Wand, wo ich jetzt mein Bett hatte, hingelegt, d.h. unter<br />

die Steinwendeltreppe. Sie schleppten mich über den Boden oder<br />

noch besser gesagt schleiften mich über den Boden samt Kette auf<br />

die andere Seite und legten mich hin. Es gab Diskussionen über<br />

was zu tun war, der Knecht kam zu mir und sagte: ‚Enrique, ich<br />

muss dich jetzt‘ nähen. Ich wollte oder stammelte etwas von<br />

Spital oder Arzt, aber sie gingen nicht darauf ein. Er war ja nur<br />

der Handlanger, und ein Knecht hat in Argentinien sowieso<br />

nichts zu sagen, sie sind wie Leibeigene bei diesem Gutsherrn<br />

Mariano.<br />

Ich lag dann dort, und ich weiss heute, dass einer der Söhne dann<br />

wie verrückt ins Dorf gefahren ist und bei der Apotheke<br />

Verbandszeug, Tetanusspritze, Infusion, Nadel und weiss Gott<br />

was, geholt hat und auch Gaze. Dieser Stoff wird da zum<br />

49


Verbinden gebraucht. Der Unfall passierte so ungefähr um 14:00<br />

Uhr / 14:30 Uhr, mein Selbstmordversuch. Ich blieb dann<br />

eingedeckt liegen und der Knecht kniete sich einmal links, einmal<br />

rechts unter der Wendeltreppe in die Ecke und fing an beim Hals,<br />

die Haut, zusammen zunähen. Es gab natürlich keine<br />

Betäubungsmittel und zudem habe ich gar nichts gespürt, ich<br />

vermute, dass ich um die Gegend der Verletzungen sowieso<br />

schon so sehr, ich weiss den medizinischen Ausdruck nicht, aber<br />

sicher schon sehr betäubt war, da es ihn doch Mühe kostete die<br />

Nadel durch meine Haut zu stecken, da heisst ich die Nadel nicht<br />

spürte. Nachdem er den Hals zusammengenäht hatte, nähte er<br />

vier Stiche auf das linke Handgelenk und drei Stiche in die rechte<br />

Hand. Alles wurde mit Gaze verbunden und ich blieb dann unter<br />

der Decke ohne Hemd auf einem Kissen aus Kunststoffwolle<br />

liegen. Die Kette blieb noch daran. Später bekam ich dann Besuch<br />

vom Sohn Marco, weil ich um einen Arzt beim Knecht gebeten<br />

hatte. Marco sagte ganz kalt mit dem kältesten Blick, den ich je in<br />

einem Mann oder Menschen gesehen habe: „Heinrich, du musst<br />

selbst gesund werden hier, wenn nicht, dann müssen wir dich<br />

umbringen, weil wir können auf keinen Fall einen Arzt hierher<br />

kommen lassen oder dich ins Spital bringen, weil du sonst die<br />

Polizei rufen würdest und das ganze Unternehmen samt der<br />

Hazienda in Gefahr bringen würdest.‚ Nämlich selbst in<br />

Argentinien ist die Polizei auch reaktionsfähig und nicht dumm,<br />

wenn ich das so sagen darf. Ich weinte nur, weil ich dachte,<br />

entweder heisst es, als ich wieder zu normalen Gedanken kam<br />

und dort lag, verfluchte ich es, dass ich es nicht geschafft hatte,<br />

meinem Leben ein Ende zu machen, denn ich wollte doch von<br />

dieser Situation rauskommen und jetzt war es noch schlimmer.<br />

Jetzt lag ich zwar halbwegs verpflegt, aber immer noch in diesem<br />

scheiss, verdammten, kühlen, kalten, dreckigen, schmutzigen<br />

Verliess und immer noch die Kette am Bein und es hatte sich<br />

nichts geändert. Der Sohn Marco, der Rothaarige, sagte mir auch,<br />

falls ich nicht, falls es zu Komplikationen kommen könnte, wie zu<br />

einer Infektion oder Lungenentzündung oder so, sie natürlich<br />

keinen Arzt rufen könnten und ich dann im Ofen verbrannt<br />

würde. Sie haben dort einen grossen Ofen, wo sie jeweils die<br />

Reste der Kühe oder der Kuh, die sie pro Monat für den<br />

Eigengebrauch schlachten, verbrennen, damit sie keine<br />

50


Restspuren hinterlassen. Ein Vergraben käme nicht in Frage, da<br />

es früher oder später zu Funden meiner Gebeine kommen<br />

könnte, wobei ein Ofen mit so hoher Temperatur nichts übrig<br />

lassen werde von mir. Ich war natürlich nicht gerade fröhlich<br />

über solche Nachrichten und was mich natürlich anstrengte<br />

selbst gesund zu werden, so gut wie ich es selbst in der Hand<br />

hatte. Mich wundert es heute, dass ich nicht an den Verletzungen<br />

einer Entzündung gestorben bin, denn dem Knecht seine Hände<br />

sahen schwärzer und dreckiger als die eines Kaminfegers aus.<br />

Am Abend spät kamen sie mit einer Infusionslösung, weil ich<br />

soviel Blut verloren hatte. Dummerweise, wie man heute noch an<br />

den Unterarmen links und rechts erkennen kann, konnten sie<br />

keine vernünftige Vene finden, d.h. ich musste soviel Blut<br />

verloren haben, dass sich die Venen im Unterarm links und<br />

rechts nicht deutlich zu erkennen gab, weil sie zuwenig mit Blut<br />

gefüllt war. So kam es, dass ich links sieben Einstiche mit der<br />

blöden Scheissnadel links und zwei oder drei Einstiche rechts im<br />

Unterarm bekam. Sie haben auch die Flasche mit der Infusion so<br />

hoch über mir an die Wand genagelt und aufgehängt, dass der<br />

Flüssigkeitsdruck so stark war, dass die Lösung wie aus einem<br />

voll offenen Wasserhahnen sprudelte. Und nicht wie es sein sollte<br />

mit kleinen Tropfen. Sowieso, die Infusionslösung ging nicht in<br />

eine Vene hinein, sondern in die Haut dazwischen und es<br />

bildeten sich Schwellungen in der Haut. Ich musste ihn darauf<br />

hinweisen, dass die Nadeleinstiche nicht korrekt sind und er<br />

versuchte es dann bis zu 10 Mal oder so und dann haben wir<br />

gesagt, lassen wir es lieber sein. Da lag ich nun wie ein halbtoter<br />

Hund an einer Kette und schmutzig war ich auch noch dazu, weil<br />

ich mich ja nicht waschen und die Wäsche auch nicht wechseln<br />

konnte. Die Unterhosen und Hosen konnte ich nicht wechseln,<br />

weil man sie nicht über die Kette ausziehen konnte.<br />

51


Währenddem ich gepflegt oder behandelt wurde, räumten sie mit<br />

grosser Gründlichkeit die andere Raumseite auf und nahmen die<br />

andere Matratze weg. Das Bettgestell, das auch durchblutet war,<br />

das habe ich gesehen, d.h. dass das Blut durch die<br />

Schaumstoffmatratze floss und dann auf die Federn und auf das<br />

Bettgestell durchtropfte. Auch wurden alle Scherben aufgeräumt<br />

und die Fensterrahmen aus den Angeln genommen und<br />

weggenommen. Von nun an hatte ich einen ständigen Bewacher,<br />

es war der Knecht, der vor mir auf dem Stuhl sass und mich<br />

beobachtete, ich weiss nicht, ob die Angst grösser war, dass ich<br />

mir noch einmal was antun könnte und sie dadurch das Geld<br />

nicht erhalten könnten, oder ob die Bewachung und Beobachtung<br />

wirklich dazu da war, um zu schauen, ob ich nicht doch sterben<br />

würde. Mir tat alles weh, die Öffnung in der Speiseröhre, wie sie<br />

mir jetzt sagten, ich dachte es sei die Luftröhre, aber sie sagten<br />

nein, es sei die Speiseröhre und es wäre die Luft vom Magen<br />

herausgekommen.<br />

Ich habe bis gestern, bis zu meinem Besuch bei Herrn Dr. Moser<br />

im Spital Vaduz selbst geglaubt, dass es die Speiseröhre ist, aber<br />

er hat mir gesagt dass die vordere Röhre die Luftröhre ist, jetzt<br />

52


weiss ich auch nicht, was ich denken soll. Egal, es tat mir alles<br />

weh, ich hatte Angst wegen der Öffnung, wegen dem Loch in der<br />

damals noch Speiseröhre, wie ich noch glaubte, weil mir nur die<br />

Haut zugenäht wurde. Sie sorgten sich um mich. Logischerweise<br />

mussten sie mich ja aufpäppeln damit ich die Kohle organisieren<br />

konnte und wegen meines miserablen Zustandes und ob wirklich<br />

keine Gefahr bestand, dass ich fliehen konnte, ich wollte auch<br />

nicht mehr fliehen, ich wollte entweder nur Tod oder lebendig<br />

aus diesem Haus, aus dieser Geschichte, aus diesem Raum, aus<br />

diesem Land weg. Obwohl ich mich in so schlechtem Zustand<br />

befand, hatten sie mich trotzdem in der Kälte gelassen, ich weiss<br />

nicht wieso. Spät am Abend, ich konnte sowieso nicht schlafen,<br />

weil die Matratze, die sie mir untergelegt haben, hatte ein<br />

Riesenloch in der Mitte, sodass mein Gesäss im Loch lag und ich<br />

dann mit den Rippen auf einer gewissen Kante lag und dazu mir<br />

der ganze Rücken und der ganze Körper schmerzte. Ich wollte<br />

auch nicht schlafen, weil ich mit einem Auge, dem linken,<br />

hinüber zur Tür geschaut habe, die jetzt offen blieb, sie haben die<br />

Tür nicht mehr zugeschlossen und vor mir auf dem Stuhl oder<br />

zeitweise auch neben den Stuhl der Bewacher sass. Im oberen<br />

Stock hat der Knecht im Bett geschlafen oder er beobachtete mich.<br />

Ich hatte immer noch das Gefühl, dass Mariano mit seinen drei<br />

Söhnen, wobei der dritte Sohn, Pedro, den ich nie gesehen hatte,<br />

und ich nicht weiss, ob er auch informiert war, d.h. ich habe ihn<br />

dort nie gesehen, aber ich habe in einmal in Spanien kennen<br />

gelernt. Ob Mariano mit seinen Söhnen, Mario und Marco, doch<br />

nicht zum Schluss gekommen sind, dass sie mich wegen meinen<br />

schweren Verletzungen und der Gefahr, dass ich nicht<br />

durchkommen könnte oder was immer, dass sie doch<br />

entschieden mich gleich zu beseitigen. Ich hatte auch Riesenangst<br />

als der Knecht mein Hals zugenäht hatte und dann, der<br />

anwesende, unmaskierte Mario mit seinem Messer das Ende der<br />

Schnur durchtrennte. Ich lag nur bewegungslos da und schaute<br />

mit meinen Augen unter den Lidern hervor und sah wie Mario<br />

mit seinem grossen, langen Messer an meiner Kehle die Schnüre<br />

vom Nähen abtrennte. Ich hatte solche Angst und ich glaubte<br />

fest, dass er mir im Effekt die Kehle durchschneiden könnte um<br />

diesem Drama und diesem Problem ein Ende zu machen. Sehr,<br />

sehr spät am Abend kamen dann überraschend der Verbrecher<br />

53


Helmut und seine Frau zu meinem Bett. Ich lag ja nicht mehr auf<br />

einem Gestell, sondern nur noch auf der nackten Matratze auf<br />

dem Boden. Ich flehte Helmut Roegele an, da ich<br />

fälschlicherweise dachte, dass er ist der Einzige von dieser Bande<br />

hier, der noch ein wenig menschlich auf mich wirkte und meine<br />

Tränen kamen mir in die Augen und ich flehte sie an, mich nicht<br />

alleine zu lassen und hier wie ein Hund verrecken zu lassen. Sie<br />

schworen mir und sagten auch, dass sie angeblich von dem<br />

Ganzen zuvor nichts gewusst hätten, erst nach dem Nachtessen<br />

wurde es ihnen erzählt und sie hätten sich angeblich sehr<br />

aufgeregt und verstanden nicht, warum Mariano mich nicht in<br />

ein Spital bringen wolle, d.h. sie verstehen es schon, aber sie<br />

wollten es nicht machen. Ich erzählte ihnen von den missglückten<br />

Infusionseinführungen, dass wenn ich nicht an meinen<br />

Verletzungen oder einer Vergiftung oder Entzündung von den<br />

dreckigen Händen des Knechts sterben werde, dass ich sicher<br />

hier in dieser Kälte und bei dieser Luftfeuchtigkeit an einer<br />

Lungenentzündung sterben werde, da ich sonst schon schwach<br />

war. Sie versprachen mir, dass sie sich um mich kümmern<br />

würden und ich solle so schnell wie möglich gesund werden,<br />

damit ich hier herauskomme natürlich nachdem ich Ihre<br />

Bedingungen, d.h. ihre Geldforderungen bezahlt hätte. Denn sie<br />

hatten sich nun auf das eingelassen, diese Herren und Verbrecher<br />

und sie wollten auf keinen Fall jetzt ohne einen Pfennig Verdienst<br />

diese Lage beenden, nur weil ich versuchte, mich umzubringen.<br />

Das Einzige das es wirklich zu jenem Zeitpunkt bewirkt hat, war<br />

dass sie mir geglaubt haben, dass ich nur das habe, was ich habe<br />

und keinen Pfennig mehr.<br />

Mittwoch, 2. April.<br />

Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich mit einem<br />

Auge auf den Bewacher schaute und aufpassen musste, dass er<br />

sich nicht die Hose verbrannte, weil er vor dem Stuhl einen<br />

Gaskocher aufgestellt hatte und vor mir eingenickt war und die<br />

Beine und damit seine Hosen ziemlich nah am Feuer dieser<br />

Gasflamme gestreckt hatte. Zweitens habe ich immer die Tür<br />

beobachtet, die nicht verschlossen wurde, weil ich vermutete und<br />

überzeugt davon war, dass es zu einer Kurzschlussreaktion<br />

kommen könnte von Seiten der Verbrecher und dass sie in der<br />

54


Nacht kommen und mich erschiessen, die Möglichkeit war sehr,<br />

sehr gross, dass es passieren würde, um dieser unvorhergesehen<br />

Wendung, die ihr Verbrechen genommen hatte, ein Ende zu<br />

bereiten. Mir ist dann auch aufgefallen, dass an der Aussenseite<br />

der Stahltüre offenbar extra für diese Gefangenschaft mehrere<br />

zusätzliche Riegel mit Schliessvorrichtung daran angeschweisst<br />

wurden. Nochmals, am Mittwoch morgen kam Marco und sagte<br />

mir, dass ich, wenn ich nicht selber gesund werde, sie mich<br />

erschiessen oder umbringen müssten. Wobei sie es nicht selber<br />

machen würden, weil die ganze Familie Marti-Ventosa Roqueta<br />

Feiglinge sind. Es waren solche Leute, die dir von hinten in den<br />

Rücken fallen und dies vermutlich einfach ihren Angestellten<br />

übertragen würden, mit der Begründung, dass es<br />

lebensnotwendig für den Erhalt der Einheit und den Erhalt dieser<br />

Farm ist, dass man mich beseitigen muss, weil sonst alle im Knast<br />

oder wo immer landen würden, nehme ich an. Auch bat ich um<br />

einen Arzt oder um ein Spital, weil ich nicht glauben konnte, dass<br />

mit diesen kleinen Korrekturen, die der Knecht an mir verübt<br />

hatte, überleben würde. Obwohl sie mir auch noch eine<br />

Tetanusspritze in den Hintern geschossen haben und noch eine<br />

andere Spritze, die sie beim Arzt im Dorf oder sonst wo gekauft<br />

hatten, ich konnte nicht glauben, dass das so heilen würde.<br />

Zudem war ja mein seelischer Zustand auch nicht der Beste und<br />

das heisst es war eigentlich eine sehr verrückte Lage, weil ich ja<br />

noch angekettet war und wieder in der Scheisse des Kerkers drin<br />

war. Der Knecht blieb die ganze Zeit bei mir, Tag und Nacht, und<br />

es gab auch einige, peinliche Situationen, wo ich auf den<br />

Stuhlgang musste und ich mich aber schämte. Für den Urin war<br />

es kein Problem, denn da konnte ich in eine leere<br />

Mineralwasserflasche aus Plastik meine Blase entleeren und auf<br />

die Toilette musste ich im Moment nicht gehen, da ich ja sowieso<br />

nicht viel gegessen hatte. Ich blieb dann den ganzen Tag im Bett<br />

liegen und dauernd kamen Leute und fragten nach meinem<br />

Bewusstsein, nach meinen Gefühlen und ich sagte, ich könne<br />

meine Hände, meine Arme und nichts bewegen. Mein Hals war<br />

ganz starr. Das Herz und das Hirn waren sehr geschärft. Ich<br />

weiss nicht auf wessen Treiben hin entschieden wurde, dass sie<br />

mich verlegen würden und zwar aus diesem Raum heraus und in<br />

einen anderen Keller. Jetzt kommt mir noch in den Sinn, dass ich<br />

55


für mich selber, wenn ich dachte, dass ich mal rauskomme, ich<br />

mir soviel wie möglich merken muss von den Details dieses<br />

Gefängnisses. Ich weiss z.B. als ich dort auf dieser Matratze auf<br />

dem Boden unter der Rundtreppe lag, dort eine Stelle gibt, wo<br />

der weisse Verputz und die Farbe weggebröckelt ist und die<br />

Form, die es hinterlässt auf dem dunklen, grauen Betongrund ist<br />

die Form einer Maus oder einer Ratte, einer ganz Kleinen. Zudem<br />

müssen jetzt beim betonierten Treppengeländer von dieser<br />

Rundtreppe zwei bis drei Löcher in die Betonmauer<br />

eingehämmert sein, wo sie den Nagel eingeschlagen haben damit<br />

man die Infusionsflasche aufhängen kann, die, die sie ja nicht gut<br />

brauchen konnten, die Infusionslasche. Zudem kann jeder ganz<br />

klar erkennen warum, denn falls es zur Anklage kommt, sie<br />

sagen würden, ja das hat der Heinrich sich selber beigebracht,<br />

weil er depressiv war, obwohl mich alle Leute die mich kennen,<br />

sofort verstehen würden oder sofort die Hand ins Feuer legen<br />

würden, dass ich mir nie selber ohne diese zwingenden<br />

Massnahmen oder Umstände unter denen ich mich befunden<br />

hatte, ich mir das Leben nehmen würde und zudem ist dann die<br />

grosse Frage hier, wenn die, die als meine Freunde gelten oder<br />

galten, Mariano und Kompagnon, warum holten sie denn keinen<br />

Arzt oder haben mich ins Spital gebracht, als ich mir solche<br />

Verletzungen zufüge und ich weiss ganz genau, dass es keinen<br />

einzigen Arzt in Argentinien oder sonst wo gibt, der mich vom 1.<br />

April an bis ich zu meiner Abreise aus Argentinien gesehen hat,<br />

weil ich eben in Gefangenschaft war und sie es nicht riskieren<br />

konnten, dass ein Arzt mich aufsucht, weil der Arzt ja vermutlich<br />

dann zur Polizei gegangen wäre und weil er vermutlich auch die<br />

Verletzungen oder die Kette gesehen hätte.<br />

56


Auf jeden Fall haben sie dann entschieden, dass ich aus dem<br />

kalten Keller in das Haupthaus verlegt werden sollte, wo ich<br />

besser genesen kann. Ja, das Problem lag daran, dass die<br />

restlichen Familienangehörigen, vor allem die Frauen, glaube ich,<br />

nicht informiert waren, und sie mussten es also so herdrehen,<br />

dass ich in der Nacht oder im Dunkeln oder ganz geheim in ein<br />

Zimmer in diesem grossen Haus eingeschleust werde. Ich konnte<br />

mich mit meiner letzten Kraft und mit Hilfe von ihnen dann vom<br />

Bett aufstehen und trotzdem musste ich wieder vier bis fünf<br />

Stunden auf dem weissen Stuhl in dem leer geräumten Raum<br />

warten, weil es wieder Komplikationen gab.<br />

Die Komplikationen gab es daraus, dass Helmut und Mariano<br />

sich zugehend uneinig wurden, wie der Weiterverlauf dieser<br />

Angelegenheit sich entfalten sollte, Helmut hatte schlechte<br />

Karten, weil er selber mit seiner Frau auf dieser Farm, dem<br />

Mariano und seinen Söhnen und der ganzen Angelegenheit<br />

ausgeliefert war, wobei ich ihn hier nicht in Schutz nehmen<br />

möchte, weil er ein Hauptinitiator zusammen mit Mariano von<br />

dieser Angelegenheit ist und dann natürlich selber<br />

verantwortlich ist für die Lage, in der er glaubte sich zu befinden.<br />

Ich musste also vier bis fünf Stunden auf diesem Stuhl warten<br />

und das Zimmer wurde ganz, ganz leer geräumt. Alle Spuren<br />

57


wurden soweit wie möglich entfernt. Natürlich, bevor ich gehen<br />

konnte, haben sie eine Eisensäge gebracht, es war, glaube ich,<br />

eine grüne "Black and Decker", auf jeden Fall war es eine grüne,<br />

elektronische Eisensäge, die sie dann nicht benutzen konnten,<br />

weil der Strom ausgefallen war. Ich natürlich, in meiner<br />

Elendsverfassung, glaubte eher an einen Trick, dass sie wieder<br />

versuchen würden etwas mit mir zu machen, und ich war so<br />

geängstigt, dass ich mir vorstellen konnte, dass sie mit dem<br />

Eisenschneider vielleicht mein Bein abhacken könnten. Sie waren<br />

böse, dass ich mir so was zugetan habe und dass ich die ganze<br />

Organisation auf den Kopf gestellt hatte. Den Eisenschneider<br />

konnten sie dann nicht verwenden, weil es keinen Strom gab, so<br />

sprang der Marco weg und brachte eine Handeisensäge und ich<br />

habe mein Fuss nicht gesehen, weil ich ja dafür unbeweglich<br />

liegen bleiben musste und habe nur gehofft, dass sie mir nicht<br />

weh tun. Der Knecht war auch da und hat mich beruhigt und<br />

hielt den Eisenring fest und abwechslungsweise haben sie dann<br />

die Kette oder den Eisenring aufgesägt. Es war für mich eine<br />

grosse Erlösung, dass ich nach einer Woche an dieser Kette, 24<br />

Stunden lang, endlich frei war. Sie zogen mir meinen Socken und<br />

meinen Schuh wieder an, den sie vorher ausgezogen hatten, vor<br />

dem Abtrennen, nein, sie zogen mir beide Schuhe und den<br />

Socken aus und steckten meine Füsse unter die Bettdecke. In<br />

diesem Zwischenraum, der zum Badezimmer geht, haben sie den<br />

Gaskocher aufgestellt und heisses Wasser gekocht. Ich musste<br />

leider wieder Angst haben, weil ich dachte, sie hätten mir meine<br />

Schuhe und meine Socken ausgezogen - um die sie sich eine<br />

ganze Woche nicht gekümmert hatten- weil sie vielleicht meine<br />

Fusssohlen verbrennen wollten, damit ich nicht wegflüchten<br />

könne. Mir sagten sie, dass dies ab und zu bei solchen Situationen<br />

sein muss, dass man die Füsse in kochendes Wasser stellt und<br />

dadurch die Fusssohlen aufschwollen und natürlich keine<br />

Möglichkeit für mich bestehen würde, wegzurennen, da ich nicht<br />

mehr auf den Füssen stehen könnte. Ich hatte solche Angst, so<br />

Angst, wie noch nie in meinem Leben während der ganzen<br />

Geschichte. Sie haben mir dann Tee gemacht und nicht die<br />

Fusssohlen verbrannt und ich trank ihn NICHT, denn mein<br />

Körper war ganz auf Alarm eingestellt, aufpassen was geht und<br />

weil ich eben wusste, dass es ganz feige Leute sind, die mich<br />

58


eigentlich nur von hinten umbringen, d.h. mir gut zulächeln<br />

würden. Dies war ein grosses Problem, denn wenn man schon in<br />

Gefangenschaft ist, dann finde ich, ist es wahrscheinlich besser,<br />

wenn man direkt konfrontiert wird und es wird gesagt,<br />

erschiesst mich oder anstelle man fälschlich schon in solcher Lage<br />

ist, dass man ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist und dass sie wie<br />

sie es mit mir gemacht haben, mich dauernd in der Unwissenheit<br />

liessen, was genau geschehen wird und mich falsch informierten,<br />

bewusst, und ich dadurch mehr Angstzustände bekam, als dass<br />

ich mich hätte beruhigen können. Am Schluss konnte ich keinem<br />

von allen Leuten mehr trauen und war sehr traurig darüber. Jetzt<br />

kommt mir noch in den Sinn, dass an dem Besuch, an dem Tag,<br />

wo mich Herr Helmut und seine Frau und die zwei Bewacher<br />

zum ersten Mal besucht haben, das war kurz vor meinem<br />

Selbstmordversuch, dass ich beim Flehen um mein Leben und wo<br />

ich gemerkt habe, sie glauben mir nicht, dass ich gesagt habe,<br />

dann sollen sie mich, wenn sie mich umbringen, mich bitte mit<br />

der Pistole erschiessen und daraufhin hat Helmut gesagt: "Nein,<br />

so einfach machen wir es dir nicht, wir werden dich einem<br />

grausameren Tod, einen grausamen Unfall erleben lassen, wo du<br />

noch lange halb tot bei Bewusstsein sein bleibst und dann stirbst."<br />

Ja, das ist mir noch in den Sinn gekommen.<br />

Ich sass also, als mir die Kette gelöst wurde, auf dem Stuhl und<br />

wartete nochmals weitere drei Stunden. Meine Nerven wurden<br />

wieder auf das Äusserste gespannt, weil dauernd der Sohn<br />

Marco oder Mario immer rein kamen und raus gingen und<br />

geflüstert haben mit meinem Knecht und ich wusste nicht, was<br />

los ging. Einmal sagten sie, der Deutsche – Helmut - habe einen<br />

Lügendetektorapparat organisieren können und sie werden mich<br />

daran anschliessen und wenn sie mir Fragen stellen würden über<br />

mein Vermögen und es nicht stimme, das was ich habe, dass das<br />

alles ist und wenn dann der Lügendetektor das herausfände, ich<br />

dann gefoltert werde. Ich konnte es nicht glauben, dass ich am<br />

Tag zuvor oder waren es zwei Tage, ich bin mir nicht mehr<br />

sicher, ob es schon Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag war, wo<br />

ich diese drei Stunden auf dem Stuhl auf die Verlegung wartete,<br />

denn ich hatte solche Angst, dass ich vielleicht, bedingt durch<br />

meine Gemütslage und meine Nerven beim Lügendetektor<br />

versagen werde und dass dieser vielleicht falsch reagieren würde,<br />

59


weil ich wusste ja, ich habe ja nicht mehr Geld, aber vielleicht<br />

würde durch meine Situation das Resultat des Lügendetektors<br />

anders herauskommen und ich dadurch gefoltert werde. Ich habe<br />

dann wieder geweint und gesagt, dies ist alles was ich habe, und<br />

ich will hier nur raus. Der Knecht hat mich versucht zu<br />

beruhigen. Er war der Menschlichste von allen, wenn man es so<br />

nennen darf, und ich habe schon mal gehört und ich weiss, dass<br />

wenn gefangene Leute oder so westliche Gefangene über längere<br />

Zeit gefangen sind, versuchen sie halt an jeder Hoffnung, allem<br />

Positiven, wenn man es so nennen kann, jedem positiven<br />

Gedanken eines der Bewacher oder der Verbrecher, man versucht<br />

sich daran anzuhängen und das Menschliche zu sehen und man<br />

wünscht sich, dass es doch so Leute sind, wie Sie und ich<br />

zusammen und dass wir uns nie fähig sehen, so etwas anderen<br />

Menschen anzutun. Zudem wussten sie ganz genau, dass, wenn<br />

sie mir wieder falsche Informationen gaben und mir Angst<br />

machten, dass ich am Ende meiner Nerven war und dadurch<br />

noch mehr Angst hatte. Es kamen sehr oft Momente, wo man<br />

meine ganze Hand und beide Arme stark zitterten und ich<br />

konnte es nicht stoppen, dass sie zitterten. Also ich konnte auch<br />

nicht etwas in meine Hand nehmen oder so, sie zitterten einfach<br />

so stark, dass ich es nicht verstecken konnte und dummerweise<br />

zitterte ich um mein Leben und zitterte, weil ich Angst hatte, sie<br />

würden mir nicht glauben, dass ich die Wahrheit sage. Sie<br />

wiederum nahmen genau das Gegenteil an, nämlich dass wenn<br />

ich zitterte, sie vermuteten, dass ich so Angst hätte, weil ich nicht<br />

die Wahrheit gesagt hätte und nicht deshalb‚ weil sie mit der<br />

Folter gedroht hatten. Das ist die Ironie darin. Ich wartete und<br />

wartete und mir wurde schlecht, weil ich einfach nicht wusste,<br />

warum wir warteten. Auf einmal kam der Täter Helmut herein –<br />

mit etwas, ich habe es zuerst gar nicht gesehen - einem Kuvert,<br />

darin war ein Brief. Er sagte mir heuchlerisch: "Entschuldigung<br />

Heinrich, wir konnten dich nicht früher verlegen wegen den<br />

Söhnen von Mariano." Ich weiss genau, wenn Mariano so was<br />

sagt, ist es immer er selber, er schiebt gerne die Schuld auf andere<br />

Leute, weil "die Söhne von Mariano", die angeblich wirklich<br />

nichts wussten, sie haben nur die Befehle ausgeführt von<br />

Mariano, sie wussten angeblich nicht genau, warum‚ was, wieso,<br />

Geld und so. Die Söhne von Mariano eben, wollten, dass ich das<br />

60


unterschreibe. Ich sagte: "Klar, ich unterschreibe alles, was mir<br />

vorgelegt wird, es ist mir Wurst." Wiederum musste ich mit Hilfe<br />

der zwei Wächter, dem Knecht und dem einen Sohn von<br />

Mariano, Marco, aufstehen. Sie haben mir unter die Arme<br />

gegriffen und mir das kleine Möbelstück gebracht, wo die<br />

rosarote Zeitung schon weg war, alles war eigentlich schon weg<br />

und ich musste dort auf der Rückseite des Kuvert wieder meine<br />

Unterschrift üben, damit es nicht verzittert ausschaute. Ich habe<br />

es gemacht und dann habe ich die Unterschrift auf ein maschinen<br />

geschriebenes Papier gesetzt, das, wie ich erkennen konnte,<br />

ungefähr die Abschrift von meinem handgeschriebenen Brief<br />

war, den Letzten, den ich geschrieben habe an, den an<br />

Bankdirektor Bröll in Feldkirch und die zusätzlichen Angaben,<br />

die darauf waren, waren eben Angaben mit Bankkonten und so,<br />

die ich selber nicht wusste, Kontos wohin das Geld hinkam. Ich<br />

glaube eine Überweisung würde auf ein Konto in Spanien<br />

gemacht, das der Firma gehört, einer Briefkastenfirma von<br />

Panama und es ist dieselbe alte Briefkastenfirma aus Panama, die<br />

heisst "Maritim Compania Naviera S.A." oder so ähnlich; die ist<br />

auch Besitzerin der Hazienda "Estanzia San Francisco", also der<br />

Farm San Francisco und das andere Konto war ein<br />

Geschäftskonto von Helmut Roegele. Ich habe es unterschrieben<br />

und dann musste ich wieder warten und wieder warten und der<br />

Knecht stand immer neben mir und machte einen Kreis um mich<br />

herum und machte mich ganz nervös. Der andere Sohn von<br />

Mariano, jeweils der Marco oder Mario, kamen<br />

abwechslungsweise zur Tür herein und flüsterten und standen<br />

drinnen vor der Tür und öffneten die Tür ganz wenig und<br />

schauten hinaus was vor sich ging und was nicht vor sich ging<br />

und so. Ich habe gedacht, die würden mir nur sagen, dass sie<br />

mich in Sicherheit bringen würden, aber in Wirklichkeit würden<br />

sie mich umbringen. Ich habe den Fax und den Brief<br />

unterschrieben und vielleicht hätten sie ja Glück gehabt und<br />

hätten das Geld so gekriegt, wie es von mir aufgesetzt wurde,<br />

weil wir alle noch nicht wussten, weder ich noch die andere Seite,<br />

dass es in dem spezifischen Fall, wie ich das Geld bei der<br />

BAWAG hatte, das Buch selber erforderlich war, das Sparbuch in<br />

dem das Geld verbucht war.<br />

61


Schlussendlich, als es dunkel wurde, denn ich habe darum<br />

gebeten, mich nicht in der Dunkelheit zu verlegen, weil ich<br />

wusste, dass Dunkelheit der Tod bedeutet. Ich bin bei Dunkelheit<br />

auf die Farm gekommen und bin überfallen worden, und ich<br />

wusste Dunkelheit, das hat kein gutes Omen. Trotzdem wurde es<br />

dann dunkel und endlich kam Helmut wieder und hat gesagt, er<br />

würde mich zum Haupthaus begleiten, das übrigens nicht weit<br />

weg liegt. Dies hat er mir zum ersten Mal gesagt, ich wusste ja<br />

nicht wie weit und wo dieser Wasserturm war oder wie viele<br />

Wassertürme es auf dieser Farm gibt. Sie stülpten mir eine dieser<br />

Skimasken über den Kopf und halfen mir auf die Beine. Es war<br />

das erste Mal, dass ich halbwegs laufen konnte und wäre<br />

eigentlich nach vorne hingefallen, vermutlich aus Blutmangel<br />

oder so, und da mussten sie mich angestrengt auffangen, weil ich<br />

über 100 kg schwer bin. Ich wurde in ein Auto gebracht, ein<br />

grosser Jeep, ein Amerikaner, wie ich später erkennen konnte<br />

und sass in der Mitte. Rechts von mir sass Helmut und links<br />

wurde das Auto von Mario gesteuert. Ich glaube es war auch sein<br />

Dienstwagen, also Arbeitsauto. Meine rechte Hand hat mir so<br />

weh getan und ich habe die Hand von Helmut gehalten. Die<br />

Skimütze war nicht ganz dicht; also mussten sie mir aus einer<br />

Tasche, die sie hatten, worin sich ein Leintuch befand, das weisse<br />

Leintuch um meinen Kopf wickeln, damit ich den Weg vom<br />

Wasserturm zum Haupthaus nicht sah. Ich habe die Hand von<br />

Helmut ganz fest gedrückt und ich bat Helmut auf Deutsch: "Du<br />

kennst den Weg, du bist schon hierher gefahren, pass auf, dass er<br />

nicht einen falschen Weg fährt." Ich habe wieder Angstzustände<br />

bekommen, weil Mario, der den Wagen fuhr, war nicht die<br />

normale Route gefahren, weil ich hörte wie Helmut zu Mario auf<br />

Spanisch sagte: ‚Ja, wohin fährst du? Warum fährst du so? Wo<br />

fährst du hin?" Ich hatte solche Angst, ich dachte, jetzt haben sie<br />

den Helmut auch überrumpelt oder sie spielten mir alle etwas<br />

vor und weil Helmut offensichtlich ohne zu lügen erkannt hat,<br />

dass es nicht derselbe Weg ist und Mario nur sagte, er solle sich<br />

beruhigen, er fahre einen Umweg damit die Angestellten und die<br />

Frauen vom Haupthaus mich nicht erkennen oder sehen würden.<br />

Ich hatte solche Angst, ich dachte, sie würden mich an eine<br />

Waldlichtung fahren und ich hätte eine Kugel im Kopf. Ich sagte<br />

das im Auto zu Helmut. Es war eine Fahrt von, ich weiss nicht, es<br />

62


kam mir länger vor als es war, aber ich schätze so ca. drei bis vier<br />

Minuten, mehr nicht mit seinen Umwegen. Ich habe Helmut<br />

gebeten, dass wenn sie mich erschiessen, bitte eine Kugel in den<br />

Kopf, nur bitte keine Folter. Ich habe aber das Wort Folter nicht<br />

mal in den Mund genommen, weil es dumm ist die Leute auf<br />

Ideen zu bringen, die sie vielleicht im Moment gar nicht hatten<br />

oder an die sie gar nicht dachten im Moment und wenn sie<br />

merkten, dass ich vor irgend etwas sehr viel Angst hatte, dann<br />

würden sie mich extra damit foppen oder mich ängstlich machen,<br />

weil sie wissen würden, dass genau dieses Thema mich sehr<br />

beängstigte. Ich habe darum gebeten: "Nur eine Kugel im Kopf,<br />

falls es soweit ist. Bitte lasst mich als Mensch sterben und nicht<br />

als ein Schwein oder eine Kuh." Wahrhaftig, er hat das Auto<br />

angehalten und dann wurde mir das Leintuch vom Kopf<br />

abgewickelt und die Mütze auch. Ich konnte dann sehen, ich war<br />

beruhigt, denn ich konnte ein kleines drei mal zwei Meter grosses<br />

Kinderschwimmbecken auf der Wiese erkennen, auch<br />

Kinderspielzeug, ein Gartenstuhl mit rundem Tisch aus Metall<br />

und zwei Stühlen. Ich wurde an der Hand unterstützt, weil ich<br />

selber nicht gut laufen konnte und durch eine Tür in das<br />

Hausinnere gebracht. Es war ein Haus aus den 30er Jahren, gross<br />

gebaut und mit sehr viel Holz.<br />

Ich wurde die Treppe hoch und dann in ein Zimmer gebracht. Ich<br />

war sehr beruhigt für den Moment, weil im Zimmer meine blaue<br />

Tasche war und meine Anzugtasche. Das Zimmer war durch eine<br />

Tür zu betreten, hinter der Türe war ein Gang und von diesem<br />

Gang aus ging eine Tür in ein Zimmer, die andere Tür in ein<br />

Badezimmer, die andere Tür in mein Zimmer und noch ein<br />

Badezimmer und ein weiteres Zimmer. Der Knecht, mein<br />

Bewacher, war auch bei mir und für ihn, glaube ich, war es das<br />

erste Mal, dass er in einem solchen Haus gewohnt hat oder solch<br />

ein Badezimmer gesehen hat, weil er sehr arm ist. Er hat eine<br />

Frau und vier Kinder, wie er mir sagte, aber ich wusste nicht, was<br />

ich glauben sollte und was nicht, sie haben mich so viel<br />

irregeführt. Das Zimmer, wo ich war, war mit zwei Einzelbetten<br />

aus schönem Holz belegt. Ein Tisch, vermutlich original eine<br />

andere Farbe, aber dann mit brauner Farbe dick übermalen mit<br />

einem Stuhl und einem weiteren Stuhl ohne Armlehnen oder<br />

beide mit Armlehnen, ich glaube, einer ohne und einer mit. Auf<br />

63


dem Tisch hatte es ein kleines Regal fest montiert, einer zweiten<br />

Tischplatte nach hinten, worauf man Sachen abstellen konnte.<br />

Das Zimmer hatte zwei Fenster. Eines in eine Richtung und das<br />

andere in die andere Richtung. Das Zimmer war ein Eckzimmer<br />

des Hauses. Beide Zimmerfenster waren wie alle Zimmer im<br />

Haus mit Eisengitter zugemacht, gegen Diebe und sonstiges<br />

Zeug, original gebaut. In der Wand vor meinem Bett, wo ich<br />

schlief, waren an der Wand, wo das Fenster in der Mitte ist, links<br />

und rechts Bücherregale eingelassen. Dann gab es einen grossen<br />

Schrank, das Zimmer hat eine Decke von mindestens 2,5 Meter<br />

oder drei Meter Höhe, es war sehr hoch. Der Schrank selber war<br />

mindestens 2,5 Meter mit drei oder vier Türen. Zwischen den<br />

zwei Betten war ein weisser, alter ein Meter mal 1,5 Meter grosser<br />

Teppich, der Rest des Bodens im Zimmer war mit Holz belegt. Es<br />

gab peinliche Situationen, weil der Bewacher immer bei mir<br />

bleiben musste und ich war ja sehr stinkig und dreckig und<br />

meine Haare waren von der Halsverletzung voll vom Blut<br />

verklebt. Ich konnte mich natürlich nicht selber waschen und sie<br />

liessen mich in Bezug auf das Geld einen halben Tag in Ruhe,<br />

dass ich mich erholen konnte. Der Verband wurde gewechselt, es<br />

war Donnerstag, mit Sicherheit. Der Verband wurde gewechselt<br />

und ich wurde ins Badezimmer geführt und dem Knecht wurde<br />

aufgetragen mich zu waschen, was nicht eine peinliche Situation<br />

für mich war. Ich sass nackt in der Badewanne mit halbvollem,<br />

warmen Wasser und rote Farbe floss überall herunter, vom<br />

getrockneten Blut. Er hat dann alles, ausser meinen Händen und<br />

dem Hals, gründlich mit Seife gereinigt und ich konnte aus<br />

meinem eigenen Gepäck frische Unterwäsche und ein Pyjama<br />

anziehen. Mir tat alles weh und im Spiegel sah ich aus


Knecht nicht da war. Er hat nicht mit mir gegessen, er ging nach<br />

unten und hat mit dem Personal gegessen. Wobei natürlich<br />

immer alle Türen, zuerst meine Zimmertüre mit lautem Knalle<br />

und dem Schlüssel abgeschlossen wurde und dann die nächste<br />

Türe vom Gang in die restlichen Räume des Hauses ging, wurde<br />

immer abgeschlossen mit einem Schlüssel, der aussen steckte.<br />

Aber wie gesagt, ich hatte sowieso keine Fluchtgedanken mehr<br />

gehabt. Ich wollte nur heil hier raus und wenn es vielleicht länger<br />

gedauert hätte, hätte ich vielleicht ohne Kette eine bessere<br />

Möglichkeit gehabt, wegzukommen, weil ich doch nachher näher<br />

an den Autos war und näher im Hauptgebäude. Aber trotzdem,<br />

ich hätte ja nicht gewusst wohin ich fahren sollte, und ich will<br />

nicht daran denken, was für Konsequenzen es gehabt hätte, wenn<br />

ich ein Auto geschnappt hätte und sie mich wieder geschnappt<br />

hätten, daran will ich nicht denken. Sie glaubten mir jetzt, sie<br />

wollten bloss feststellen, wenn sie das Fax an die Bank in<br />

Feldkirch schickten, ob es dann so gemacht werden könne, wie es<br />

im Fax stand. Übrigens, alle Anrufe wurden von Marianos<br />

Telefon, seinem Mobiltelefon, dass er in Argentinien hat,<br />

ausgeführt und ich bin sicher, dass wie in den meisten Ländern,<br />

wenn die Telefonrechnung kommt, dass bei den Abrechnung die<br />

ganzen Nummern, die man angewählt hat mit dem Datum, Zeit,<br />

Uhrzeit und Dauer und Gesprächskosten erscheinen wird.<br />

Marianos Mobil-Nummer ist von Europa aus ist 0054 68441800,<br />

das ist die Mobilnummer von Mariano und von diesem Mobil<br />

aus haben wir dann die Gespräche geführt, die sie mich<br />

gezwungen haben zu führen. Es hiess also am Donnerstagabend,<br />

dass wir am Freitag früh aufstehen müssen, weil wir ja 5 Stunden<br />

hinter Europa sind, zeitlich gesehen, sie wollten zuerst den Fax<br />

schicken und ich hatte die Nummer nicht. Ich sollte anrufen und<br />

fragen, ob es so in Ordnung sei. Also am Donnerstagabend ging<br />

ich ins Bett und der Knecht hat im selben Raum über mich<br />

gewacht und mir dauernd gesagt: "Mach keinen Blödsinn, sonst<br />

legen wir dich um." Er ist zwar oft zu mir gekommen und hat<br />

geflüstert, sag es niemandem, sag es niemandem und er hat mir<br />

erzählt, dass ihnen, also den Bewachern, etwas ganz anderes<br />

erzählt wurde, warum ich hier bin und so. Also, er hat es mir so<br />

gesagt, ob es stimmt weiss ich nicht, dass Mariano's Söhne den<br />

Bewachern und einigen Mitbewohners gesagt haben, dass ich ein<br />

65


Terrorist sei und, dass ich zu allem fähig wäre und sehr<br />

kampffähig sei und so weiter und dadurch müsste äusserste<br />

Vorsicht angewendet werden zu dem Zeitpunkt, wo sie mich<br />

festnehmen würden und für die Zeit danach. Er erzählte mir<br />

auch, dass er sich nicht den Befehlen von Mariano widersetzen<br />

kann, weil sie sind wie Leibeigene und er hat vier Kinder und<br />

eine Frau zum Pflegen und das ganze Zeug und ich wusste nicht,<br />

wenn er mir das in angeblicher Vertrautheit erzählte, ob es gut<br />

für mich ist oder nicht, weil ich wollte nichts riskieren. Ich wollte<br />

nichts Persönliches wissen, ich wollte nur meine Sachen erfüllen<br />

und was sie von mir verlangten und bat: "Lasst mich frei, dass ich<br />

noch einmal mein Land Liechtenstein, meine Familie und<br />

Freunde, wieder sehen kann und mein Leben als<br />

wiedergeborener 32-jähriger Mann von vorne anfangen kann."<br />

Ich ging also zu Bett, es war die erste Nacht in diesem Bett. Es<br />

war ein gutes Bett mit weissen Kissen und Laken und ich habe<br />

zwei Decken über mir gehabt und beide Betten waren mit einer<br />

violetten, künstlichen Tagesdecke bedeckt. Die Fenster waren von<br />

aussen grün gestrichen und braun von innen. Das Holz war<br />

abgeschmirgelt und die Fenster hatten Fliegengitter. Ich konnte<br />

ein Fenster für die frische Luft öffnen.<br />

Freitagmorgen.<br />

Der erste Freitag im April, morgens um 03.00 Uhr wurde ich<br />

geweckt und musste humpelnd unterstützend von den Wächtern<br />

mit Helmut zusammen ins Freie gehen, weil sie vermuteten oder<br />

wussten, dass der Empfang vom Mobiltelefon im Freien natürlich<br />

besser sei als im Haus drinnen. Sie haben dann, schon zu diesem<br />

Zeitpunkt, den Fax nach Feldkirch abgeschickt. Ich habe dann,<br />

ich nehme an, es war dort zwischen 09:30 Uhr oder 10:00 Uhr<br />

angerufen und mit einer fröhlichen Miene nach Feldkirch<br />

telefoniert. Ich glaube, die Sekretärin hat das Telefon<br />

abgenommen, und ich habe gesagt: "Ja, Grüss Gott, da ist Kieber<br />

Heinrich aus Argentinien."<br />

Helmut und die mich gefangen genommen haben, befahlen mir,<br />

ich solle einfach sagen, ich sei in Buenos Aires. Sie haben genau<br />

aufgepasst, dass ich keinen Fehler machte und ich solle ja nichts<br />

verraten, sonst sei ich ein toter Mann. Ich habe dann gefragt, ob<br />

Herr Bröll da sei und das wurde verneint. Er käme erst später. Ich<br />

66


fragte, ob sie das Fax erhalten und gelesen haben. Sie hatten ihn<br />

nicht gelesen, weil er an Direktor Bröll gerichtet war. Dann hat<br />

sie gesagt, ich soll in einer Stunde nochmals anrufen. Auch<br />

wurde mir bei allen Telefonaten, die mir aufgezwungen wurden,<br />

eine Pistole an meinen Hinterkopf gedrückt. Es war eine kleine,<br />

teilweise braun, teilweise blanker Stahl. Eher eine Ladypistole.<br />

Diese hatte ich vorher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es muss<br />

die von Helmut oder seiner Frau gewesen sein, denn jedes Mal,<br />

wenn er zu mir ins Zimmer kam, zog er sie aus seiner Tasche.<br />

Aber während jedem Telefongespräch, also Anruf nach Europa,<br />

überreichte er, ja er, die Knarre immer einem der Söhne von<br />

Mariano. Nie dem Knecht, diesen hatte ich nie mit einer Waffe<br />

gesehen, ausser er wäre einer von diesen gewesen, die<br />

vermummt früher in meinen Kerker stürmten. Einer der Söhne<br />

setzte also den kalten Lauf an meine Kopfrückseite. Dies weil es<br />

Helmut ja nicht selber machen konnten, die Pistole halten, weil er<br />

ja immer ständig sein Ohr mit am Mobiltelefon hatte, um<br />

mitzubekommen, was gesprochen wird. Er war also immer Kopf<br />

an Kopf mit mir. Einmal hielt einer der Söhne die Knarre an<br />

meine linke Schläfe, was Helmut aber sofort energisch ablehnte,<br />

aus Angst, der Sohn könnte abdrücken und die Kugel würde ja<br />

durch meinen Kopf aus der meiner anderen, rechten Seite, in<br />

seinen Kopf fliegen. Helmut verlangte dann vom Waffenhalter,<br />

den Lauf gerade, vorne auf meine Stirn zu setzten. Ich bin dann<br />

wieder ins Zimmer gebracht worden und legte mich auf mein<br />

Bett und hoffte, dass jetzt alles ein gutes Ende nehmen würde.<br />

Ich glaube eine Stunde später haben wir angerufen und Herr<br />

Bröll war dort, und ich habe gefragt, ob es so, wie im Fax<br />

gewünscht gehe? Und Herr Bröll hat gesagt, es geht nicht so,<br />

leider nicht. Während dem Telefongespräch mit dem Mobil habe<br />

ich ja immer das Telefon so abgewinkelt von meinem Ohr gehabt<br />

damit es Helmut auch verstehen konnte auf Deutsch, was gesagt<br />

wurde. Ich habe natürlich dem Helmut vorher gesagt, dass es<br />

verdächtigt sein würde, wenn ich jetzt mit Herrn Bröll<br />

Hochdeutsch sprechen würde, da wir ja sonst immer in unserem<br />

Dialekt reden. Herr Bröll hat mir erklärt, man kann nur was<br />

abheben oder verschicken kann, wenn ich mit dem Sparbuch<br />

komme oder jemand anders, und mit dem Codewort. Ich habe<br />

Herrn Bröll, weil ich Angst hatte, Helmut würde mir nicht<br />

67


glauben und so, gebeten: "Bitte erklären Sie DAS meinem<br />

Bekannten hier." Er hat gesagt, das könne er nur mir sagen, dann<br />

habe ich ihn gebeten, erklären sie einfach generell was es auf sich<br />

hat mit solchem Typ von Sparbüchern in Österreich. Er hat dann<br />

mit Helmut am Telefon gesprochen, da wusste natürlich Herr<br />

Bröll nicht, wer es war, und dann haben wir aufgehängt.<br />

Vorher haben wir gesagt, dass wir später nochmals anrufen<br />

würden, nein wir haben gesagt, wir würden es organisieren, dass<br />

das Buch abgeholt werde und falls alles gut gehen würde, würde<br />

am kommenden Montag jemand erscheinen und Herr Bröll sagte,<br />

dass er dort sei, nur nicht zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr, dann<br />

wäre aber seine Sekretärin, Frau Türtscher dort und die wisse<br />

über den Fall auch Bescheid. Ich habe mich bei Herrn Bröll<br />

bedankt und wurde wieder ins Zimmer geführt. Ich glaube, sie<br />

glaubten mir jetzt ein wenig mehr nach meinem<br />

Selbstmordunfall, weil ich ja wirklich sterben wollte. Sie haben<br />

nicht mehr an jedem Wort gezweifelt, das ich gesagt habe.<br />

Abgesehen davon, wenn man in einer solchen Lage ist, kommt<br />

man gar nicht auf die Idee, sie noch reinzulegen. Es wäre ja purer<br />

Selbstmord in einer anderen Form. Die Leute denken natürlich<br />

nicht so und dann habe ich gesagt, wo das Sparbuch ist und das<br />

Sparbuch hatte ich, weil ich es nicht eingeschlossen habe, weil<br />

man braucht ja ein Codewort dazu, also auch wenn jemand das<br />

Buch findet, das an den Überbringer lautet, muss man ein<br />

Codewort haben, sonst kann man kein Geld abheben. Nur ich<br />

und die Bank wissen das Codewort. Mittlerweile natürlich auch<br />

Helmut und Mariano. Ich sagte, ich hätte es in Vaduz bei einem<br />

Bekannten von mir und der heisst Martin OT Entfernt, den<br />

kennen Sie sicher auch vielleicht. Ich habe dann den Verbrechern<br />

gesagt, im Brief, den ich an Mariano am Sonntag oder am 31.03.<br />

oder am 30.03. geschrieben habe, wo ich Mariano das ganze Geld<br />

angeboten habe, schrieb ich dies und es ist auch die Wahrheit,<br />

weil sonst würde ich es in einer solchen Lage nicht schreiben. Ich<br />

habe geschrieben, das Buch ist bei dieser Person und diese Person<br />

ist immer, ich weiss es ganz genau, ist immer am ersten Dienstag<br />

des Monats, ungefähr um Mittagszeit, lokale Zeit in Vaduz, in<br />

der Wohnung zu Hause. Sonst ist er oft unterwegs. Alle 14 Tage<br />

Dienstags, was ich natürlich nicht gesagt habe, ist eben dieser<br />

Tag, wo Martin stempeln gehen muss, weil er seine Arbeit<br />

68


verloren hatte in Liechtenstein. Ich kenne Martin schon seit ewig,<br />

schon aus meiner Jugend. Ab und zu habe ich ihn besucht und<br />

ich kann meine Sachen bei ihm unterstellen. Hier ist die<br />

Geschichte natürlich normal, aber für die da drüben in<br />

Argentinien, sie konnten es nicht begreifen, warum ein<br />

erwachsener Mann, der Martin, denn so wenig zu Hause sei. Ich<br />

habe gesagt, Martin hat noch Kunden oder geht andere Leute in<br />

Österreich besuchen und so. Wir müssten es versuchen und da<br />

der erste Dienstag im Monat schon vorbei war, den 01. April,<br />

hatte ich auch geschrieben in jenem Brief, dass er im schlimmsten<br />

Fall erst wieder am 14. April, der dritten Dienstag in dem Monat,<br />

zu Hause sein musste. Wir haben dann am Freitag morgen, ich<br />

glaube, es war 10.00 Uhr morgens in Argentinien und da war es<br />

ungefähr 03.00 Uhr nachmittags in Europa einen Versuch<br />

gemacht. Zu meiner grössten Freude, ich habe mich noch nie so<br />

darüber gefreut - das weiss Martin natürlich noch nicht, ich habe<br />

ihn noch nicht gesehen oder mit ihm darüber gesprochen - zu<br />

meiner grössten Freude war er zu Hause und hat das Telefon<br />

abgenommen. Ich habe gesagt: "Martin, ja, wie geht es denn so?<br />

Ich bin hier in Argentinien, in Buenos Aires, und ich wollte dich<br />

nur fragen, gehst du die nächsten paar Tage weg?" Helmut hat<br />

immer zugehört. Martin sagte, nein, nein, gerade gestern<br />

Donnerstag, sei sein Bruder aus Deutschland mit deren Kinder<br />

und Frau nach einem längeren Aufenthalt für die Osterferien<br />

abgereist. Er müsse viel Wäsche waschen und er hätte nicht vor,<br />

das kommende Wochenende wegzugehen. Martin sagte noch:<br />

„Am Besten rufst Du mich am Abend an, wenn Du für eine<br />

Übergabe etwas organisieren willst.‚ Vorher habe ich ihm eben<br />

gesagt, dass ich jemanden vorbeischicken werde, wegen einem<br />

Dokument. Somit war Helmut, der nachher Mariano<br />

benachrichtigte, informiert. Interessanterweise versteht natürlich<br />

keiner von Marianos Seite Deutsch. Mariano musste also Helmut<br />

vertrauen. Es war Freitag, 12.00 Uhr mittags, in Argentinien. Sie<br />

haben mir meine Uhr zurückgegeben. Ich konnte die Uhrzeit<br />

ablesen. Das Gespräch mit Martin hat also stattgefunden, das<br />

Erste, die Bank war auch informiert. Sie mussten sich nur noch<br />

einig werden, wen sie schicken wollten. Da ich Mariano gut<br />

kannte, habe ich schon vermutet, dass er keinen Kompromiss<br />

eingehen würde und er jedem misstraut und so hoffte ich, dass<br />

69


sie auf einen gemeinsamen Nenner, auf eine gemeinsame Person<br />

kommen könnten, die dann das Sparbuch abholen musste und es<br />

zur Bank brachte. Dann geschah folgendes, man hätte es nicht<br />

geglaubt. Ich war in meinem Zimmer eingesperrt und lag<br />

meistens auf meinem Bett und war nur froh wenn ich von<br />

meinem Bett aus die Sonne und die Vögel und den blauen<br />

Himmel aus einem ganz geöffneten Fenster sehen konnte und<br />

hoffte, dass sich die Lage jetzt besserte. Ab und zu kam der<br />

Bewacher mit Ach und Krach herein und wollte irgendetwas. Die<br />

Wunden verheilten, weitere Bänder etc., das wollte ich nicht. Ich<br />

wollte nur meinen Frieden. Dann auf einmal klopfte es wieder.<br />

Der Bewacher stand auf, machte die erste Tür im Zimmer auf.<br />

Dann ging er in den Gang hinaus, zum anderen Zimmer und ich<br />

sah Helmut hereinkommen. Ich hatte vorher Schreie unten im<br />

Haus gehört, also lautes Schimpfen. Helmut kam zu mir und<br />

sagte auf Deutsch, er wollte zu mir rüberkommen, aber der<br />

Bewacher, der Knecht, der kein Deutsch versteht, drängte ihn<br />

wieder weg nach aussen. Helmut sagte zu mir: „Heinrich, wir<br />

haben uns gestritten, also ich, Mariano und meine Frau. Lasse<br />

dich nicht einschüchtern." Ich dachte, mein Gott, jetzt haben die<br />

auch noch miteinander gestritten, jetzt werden sich die scheiss<br />

Verbrecher nicht einig, wer wie viel kriegen sollte von meinem<br />

Geld. Denn ursprünglich wollte ja Helmut 80 Mio. Peseten (ca.<br />

CHF 800‘OOO.-) und Mariano wollte 150 Mio. Peseten (ca. CHF<br />

1,5 MIO.-). Also haben sie vermutet, ich hätte vermutlich zwei bis<br />

drei Mio. Franken und mir würde nach dem ganzen Drama, ich<br />

weiss nicht, noch was übrig bleibt, damit ich noch mein Essen<br />

kaufen könne oder sie würden mich umbringen. Ich hatte wieder<br />

mehr Angst bekommen, weil ich dachte, hoffentlich gibt es da<br />

nicht noch mehr Drama. Ich habe zu Helmut gesagt: "Schau, ich<br />

kann nur geben, was ich habe und ihr müsst euch selber einig<br />

werden, wer wie viel bekommt."<br />

Der Streit, wie ich später erfahren habe, ist dadurch zwischen den<br />

Verbrechern ausgebrochen, weil ja von meinem Geld 50 Prozent<br />

an Helmut und 50 Prozent an Mariano zugeteilt war. Aber<br />

Helmuts Seite, vor allem seine Frau Salud hat natürlich gesehen,<br />

oder hat nachgerechnet, und stellte natürlich fest, dass Mariano<br />

mehr bekommen würde, weil er ja nicht nur die Hälfte von dem<br />

erpressten Geld erhalten sollte, sondern auch die CHF 250‘OOO.-<br />

70


is CHF 260'000.- von der Schuld an mich gratis bekommen<br />

sollte. Und dies wusste Helmut. Also erhielt Mariano nicht nur<br />

dieselbe Summe wie Helmut, sondern auch obendrein CHF<br />

250000. - geschenkt, da er mir mein Darlehen von 1993 nicht<br />

mehr zurückbezahlen „musste‚, bzw. Wollte. Dadurch sahen<br />

Helmut und seine Frau ein Ungleichgewicht in der Verteilung<br />

der Fangpraemie und wollten vermutlich mehr. Helmut wurde<br />

also aus meinem Zimmer rausgedrückt und eine halbe Stunde<br />

später kam der Sohn von Mariano herein, Mario, und sagte zu<br />

mir: "Heinrich, schau, es hat Krach gegeben." Er sagte wahrhaftig,<br />

dass Mariano ein so sturer Mensch sei, ein Manipulant, dass er<br />

angeblich kurz davor war Helmut, den Deutschen, mit seiner<br />

Frau, auch in den Turm einzusperren um mit mir einen Deal<br />

einzugehen. Ich habe gesagt, ich habe gefleht: „Bitte, bitte, mache<br />

keinen Streit, bitte werdet einig, sonst gibt es am Schluss noch<br />

mehr Blut." Ich konnte nicht viel tun, ich hatte alles getan, ich<br />

hatte ihnen alles anvertraut, wo das Geld zu holen war, sie<br />

mussten sich nur auf eine Person einigen, wer es holen musste<br />

oder ich könnte auch Martin sagen, er solle mit dem Büchlein<br />

nach Feldkirch gehen und die Banküberweisung machen. Das<br />

wollten sie natürlich nicht, weil sie Angst hatten, das würde nicht<br />

passieren oder Martin würde mit meinem Geld abhauen, wenn er<br />

das Codewort und das Sparbüchlein habe. Auf jeden Fall, hat der<br />

Sohn gesagt und nachher auch Marco, dass falls sie die<br />

Deutschen einsperren müssten, die ja auch hilflos waren und<br />

nichts zu sagen hatten auf der Farm, ja, dann hätten sie mit mir<br />

vermutlich einen Deal gemacht. Aber ich war mir gar nicht so<br />

sicher, weil ich dachte mir, wenn Mariano so weit geht und die<br />

Deutschen auch noch einsperrt und dann müsste er alle drei<br />

beseitigen, weil sonst zu viel gegen ihn in der Hand wäre. Sein<br />

Sohn hat mir vorgeschlagen, wir würden nur drei Viertel<br />

überweisen lassen von dem was ich habe und ich könnte den<br />

Rest behalten. Ich war nicht erfreut über eine solche Wende, weil<br />

ich wusste oder weiss, falls es zu einer Einsperrung kommt von<br />

den anderen, wenn sich die scheiss Verbrecher nicht einigten,<br />

dann würde Mariano noch mehr unter Zugzwang kommen und<br />

müsste vermutlich eine Radikallösung suchen, was den Tod<br />

meines und des Deutschen und seiner Frau beinhalten könnte.<br />

Ich habe gesagt, schau, ich bin in einer Lage, ich verhandle mit<br />

71


dem der Gewalt über mich hat. Gewalt über mich hatte Mariano.<br />

Ich musste also mit ihm um mein Leben, um meine Freilassung<br />

verhandeln. Die Sache hat sich dann beruhigt, weil später, am<br />

Nachmittag, jemand klopfte an der Türe. Der Bewacher, der<br />

Knecht, war nicht im Raum mit mir und ich ging leise zur Türe.<br />

Auf der anderen Seite stand die Frau von Helmut und sagte:<br />

"Heinrich, beruhige dich. Es ist alles wieder OK. Wir haben nur<br />

wegen Geld gestritten und so". Ich sagte: "OK, OK." Ich wollte<br />

auch nicht zu viel diskutieren, ich wollte keine Geheimnistuerei.<br />

Ich wollte nicht in das Spiel eintreten, wo sie mir nachsagten,<br />

wissen Sie, das Spiel, wo wer hat, was hat oder einer kommt zu<br />

mir und fragt, was hat der andere gesagt, dann kommt der<br />

andere zu mir, und so weiter. Ich wollte gar nicht darauf<br />

eingehen, ich wollte nur meine Freiheit. Sie sollten das Geld<br />

haben und mich wieder frei lassen, ich wollte nur das. Durch die<br />

ganze Geschichte haben wir natürlich den Anruf an Martin am<br />

Freitagabend verpasst, da Liechtenstein ja fünf Stunden voraus<br />

ist, aber da wir alle glaubten, er bleibt am Wochenende zu Hause,<br />

so dachten wir, wir rufen einfach am Samstag nochmals an.<br />

Am Freitagabend wurde mir das erste Mal gutes Essen gebracht.<br />

Ich möchte hier noch anfügen, dass mir gerade in den Sinn<br />

kommt, dass am 6. April Mariano's Geburtstag war, da habe ich<br />

dann spüren können, wie er mich "liebt". Auf jeden Fall, Freitag<br />

Nacht gingen wir alle aufgeregt ins Bett und am Samstag,<br />

vergangene Woche, mussten wir wieder früh aufstehen, um 05.00<br />

Uhr oder so und von 05.00 Uhr bis 10.00 Uhr haben wir versucht<br />

Martin anzurufen, hier in Liechtenstein in Vaduz auf seine<br />

Nummer. Aber Martin nahm nicht ab und von diesem Zeitpunkt<br />

an, 10 Uhr morgens europäischer Zeit, haben wir jede halbe<br />

Stunde probiert. Ich habe zu Helmut gesagt, weil ich ja<br />

freikommen wollte: "Helmut, du hast ja das Mobiltelefon in der<br />

Hand, also komme nicht jedes Mal zu mir ins Zimmer mit dem<br />

dazugehörenden Drama. Wenn Martin das Telefon abnimmt,<br />

dann hängst du einfach gleich wieder auf und springst zu mir<br />

und dann kann ich mit ihm reden und ihm sagen, was er machen<br />

muss oder wer kommt.‚ Mittlerweile haben sich die zwei<br />

Parteien, Mariano und Helmut, auf den, ich glaube, den<br />

Schwager von Helmut geeinigt. Er heisst Peter Kroschel, voller<br />

Name Karl-Heinrich Peter Kroschel aus Ochsenhausen in<br />

72


Deutschland, das musste ich dem Bankdirektor später auch<br />

genau buchstabieren. Dieser Kroschel wohnt in Ochsenhausen<br />

oder in Ulm oder irgendwo, ist pensionierter Arzt und mit der<br />

Schwester von Helmut und diese heisst Isolde, glaube ich,<br />

verheiratet, und sie haben auch Kinder. Mir wurde gesagt, wenn<br />

ich mit Martin wieder spreche, solle ich ihm Folgendes sagen:<br />

"Martin, hier ist der Heinrich, ja, wir haben jetzt jemanden<br />

gefunden und zwar kommt ein Herr, ein Deutscher, der gerade<br />

zufällig in der Gegend von Liechtenstein ist.‚ Was natürlich eine<br />

Lüge war. „Dieser Herr kommt also vorbei und ich würde dich<br />

bitten Martin, dass du dem Herrn, er heisst Peter Kroschel, ein<br />

grosser Schlanker - wie mir gesagt wurde - das Bankdokument<br />

gibst." Also ich habe bis anhin noch nicht vom Bankdokument<br />

gesprochen mit Martin, aber ich müsste dann sagen, das<br />

Dokument, er solle es herausholen und es ihm übergeben. Dessen<br />

Sohn Jürgen, Peter Kroschel's Sohn Jürgen aus Ulm, der würde<br />

dann am kommenden Mittwoch, so sollte ich Martin sagen, von<br />

Deutschland aus nach Buenos Aires fliegen und das Dokument<br />

mitbringen und ich selber sei noch im Norden von Argentinien<br />

an der Grenze zu Brasilien und würde dann auch am Mittwoch<br />

in Buenos Aires ankommen. Dort würde mir der Jürgen das<br />

Kuvert, das sein Vater, Peter, bei dir abgeholt hat, überbringen,<br />

weil ich es für gewisse Sachen brauchen würde. Wir haben am<br />

Samstag den ganzen Tag, jede halbe Stunde, angerufen. Es<br />

klingelte, klingelte und er nahm nicht ab. Das durfte doch nicht<br />

wahr sein. Es war dann bei euch in Europa abends, bei uns<br />

Nachmittag, da kam Helmut herein und sagte zu mir: "Wir sind<br />

ganz nervös, Mariano auch und so, weil wir wissen nicht, was<br />

wir von dir glauben sollen. Wir glauben, dass es vielleicht nur ein<br />

Codewort war, als du mit Martin früher telefoniert hast. Und das<br />

Wort "Dokument" ein Stichwort / Codewort zwischen dir und<br />

Martin war.‚ Ich hatte ja Martin am Telefon bis anhin am<br />

einzigen Anruf nicht Bankdokument gesagt, sondern nur<br />

Dokument. Ich flehte Helmut an: „Nein, bitte, bitte nicht!‚ Wie<br />

hätte ich es auch machen sollen in einem Wort? Wenn sie gedacht<br />

haben, es wäre ein Codewort gewesen für meine ganze<br />

Gefangenschaft und der Situation hier, also alles in einem kurzen<br />

Wort zu beschreiben. Zudem habe ich zu Helmut gesagt:<br />

"Überlege doch bitte, was denkst du, der Martin würde jetzt<br />

73


wissen, wo ich bin und würde das Flugzeug besteigen und nach<br />

Argentinien kommen?" Sowieso würde er auch, wenn es so wäre,<br />

- das habe ich dummerweise auch noch gesagt, damit "bestätigte"<br />

ich noch ihre falsche Theorie - und wenn es so wäre, dann würde<br />

er trotzdem das Telefon abnehmen, er würde doch nicht das<br />

Telefon nicht mehr abnehmen. Es war furchtbar. Sie haben mir<br />

nicht mehr geglaubt. Ja, sie glaubten ich plane ein<br />

Befreiungskommando oder so etwas. Sie haben wieder<br />

Morddrohungen gemacht und gesagt: "Wir werden dich am<br />

kommenden Sonntag aufspiessen". Und nicht das Schwein, das<br />

sie vor hatten aufzuspiessen, ein kleines Schweinchen braten,<br />

weil dieses Vorhaben habe ich vom Knecht erfahren, weil ja<br />

Marianos Geburtstag ist, er ist am 06. April geboren und der<br />

kommende Sonntag dann war ja seiner. Ich habe solche Angst<br />

gehabt, nein, bitte, bitte, bitte, ich habe solange gefleht, bis<br />

Helmut es mir geglaubt hat, weil er dann selber denken musste,<br />

dass wenn einer so viel fleht und wieder so um sein Leben auf<br />

den Knien bittet, dass es dann ja stimmen muss. Für die Leute,<br />

die nicht in derselben Situation waren wie ich, war es schwierig;<br />

selbst die Verbrecher konnten das gar nicht begreifen, so scheint<br />

es mir, weil sie ja in Freiheit sind. Sie sind den ganzen Tag frei<br />

herumgelaufen und haben sich auf Millionen von Peseten<br />

gefreut, das Geld von mir, die haben keine Ängste durchgemacht.<br />

Das ist eine ganz andere Sache. Auf jeden Fall wurde es dann<br />

schlimmer, weil den ganzen Samstag wir es versucht haben<br />

Martin zu erreichen. Und wir haben uns gefragt, wieso nimmt er<br />

nicht ab? Es kann doch nicht sein, weil der Martin hat doch<br />

gesagt, er bliebe zu Hause. Meistens blieb er zu Hause oder, dann<br />

habe ich aber zu Mariano und Helmut gesagt, dieser Martin ist<br />

ein Bekannter von mir, er ist nicht von mir abhängig, er ist nicht<br />

ein Sklave von mir, er müsse nicht wegen mir in Vaduz bleiben,<br />

nur weil ich angerufen hätte, es könnte sein, im Gegenteil, wenn<br />

es ihm gefalle, könne er nach Afrika gehen oder nach Australien<br />

übers Wochenende. Und wahrhaftig, Martin war die ganze Nacht<br />

nicht zu Hause. Wir haben die ganze Nacht von Samstag auf<br />

Sonntag, europäische Zeit, da war bei uns ja noch 22.00 Uhr<br />

abends oder so, probiert. Ich habe dann das Leben von Martin<br />

durchgedacht und diskutiert, er ist keiner der abends in Bars<br />

herumhängt, kein Säufer, und wo konnte er bloss sein und er hat<br />

74


doch gesagt, er bleibe dort, es war furchtbar. Auf jeden Fall war<br />

es dann so, dass ich sagte, ich müsse eine Lösung finden. Ich habe<br />

gesagt, ich rufe den besten Freund von Martin an: Sigi<br />

Wohlwend, dies ist ein Lehrer in Balzers, ich habe jedoch die<br />

Nummer nicht bei mir, aber der weiss sicher, ob Martin<br />

weggegangen ist oder was immer. Helmut hat vom Mobil aus<br />

seinen Schwager angerufen, den Peter Kroschel in Deutschland<br />

und der Schwager sollte bei der Schweizer Auskunft abklären,<br />

wie die Nummer des Sigi lautet. Eine halbe Stunde später wurde<br />

Helmut wieder von seinem Schwager angerufen und Helmut<br />

kam dann zu mir und sagte, es gäbe keinen Sigi Wohlwend,<br />

sondern es gäbe nur einen Helmut Wohlwend und der sei noch<br />

Anwalt und da dachten sie, es wäre eine Täuschung, ein Trick<br />

von mir gewesen und ich hätte nur "meinen" Anwalt anrufen<br />

wollen. Also es war furchtbar. Dann haben wir, es war schon<br />

22.30 Uhr oder 23.00 Uhr abends, am Samstag, trotzdem diesen<br />

Helmut Wohlwend angerufen, die Nummer, die wir vom<br />

Schwager bekommen haben und dann sagte ich: "Hier ist Kieber<br />

Heinrich. Ich rufe aus Buenos Aires an, es tut mir leid, wenn ich<br />

sie störe, aber ich habe ein dringendes Bitten. Bitte können Sie<br />

mir die Nummer von Sigi Wohlwend, vielleicht heisst er<br />

Siegfried oder Sigmund, es ist vielleicht eine Abkürzung, geben?"<br />

Er sagte: „Nein, nein, es muss der Sigi Wolfinger sein.‚ Dann<br />

sagte ich: "Ja, ja, ja, das ist der Sigi Wolfinger, entschuldigen Sie<br />

1000 Mal, dass ich störe, aber ich habe von der Auskunft ihre<br />

Nummer erhalten." Ich konnte mich nicht mehr erinnern in den<br />

Ängsten die ich hatte, dass der Lehrer Sigi Wolfinger heisst.<br />

Helmut Wohlwend hat mir dann seine Tochter an das Telefon<br />

gegeben und die Tochter hat mir die Nummer herausgesucht und<br />

ich habe dann gewartet und gewartet und gewartet am Telefon in<br />

meinem Zimmer. Übrigens konnten wir dann schon von meinem<br />

Zimmer aus telefonieren, weil wir festgestellt haben, dass der<br />

Mobilkontakt in meinem Zimmer funktioniert, weil mein Zimmer<br />

ein Eckzimmer war. Die Linie wurde unterbrochen. Ich rief<br />

nochmals an und dieser Helmut Wohlwend von Balzers, Anwalt,<br />

glaube ich, wie Helmut Roegele mir gesagt hatten, der sagte, ich<br />

solle die Nummer 38 so, so, so anrufen und ich solle solche<br />

späten Telefongespräche unterlassen, sonst werde er ganz<br />

"grantig", und ich habe mir gedacht, wenn der wüsste, was hier<br />

75


lief, dann würde er nicht so reden und ich habe mich 1000 Mal<br />

bedankt. Ich habe nachher sofort Sigi angerufen und er hat das<br />

Telefon am Samstagabend abgenommen. Sigi fand es komisch,<br />

weil der Martin hätte ihn am vergangenen Donnerstag oder<br />

Freitag in Balzers besucht und Martin habe zu ihm gesagt, dass er<br />

am Freitagnachmittag kommen würde, aber gekommen sei er<br />

nicht. Ich sagte ihm, dass ich ihn dringend sprechen müsste, dass<br />

ich aus Buenos Aires anrufen werde und Sigi hat gesagt, wenn er<br />

was höre, werde er es ihm sagen, er solle zu Hause bleiben, weil<br />

der Heinrich versucht habe ihn jede halbe Stunde anzurufen. Ihn<br />

wurmte es auch, dass er weggegangen ist, und weil er nichts<br />

darüber gesagt hätte. Ich habe das Telefongespräch mit Sigi<br />

beendet und Helmut und dadurch Mariano waren sehr beruhigt<br />

über die Aussage von Sigi, leider nur vorläufig. Wir dachten, er<br />

wird schon zurückkommen. Sonntag der 06. April kam, der<br />

Geburtstag von Mariano, ich konnte schon ein wenig selbständig<br />

im Zimmer laufen, mich selber mit der rechten Hand ein wenig<br />

waschen im Badezimmer ohne dass ich in der Badewanne in die<br />

Hocke gehen musste, weil ich nirgends aufstützen konnte mit<br />

den schmerzenden Handgelenken. Ich konnte durch das Fenster<br />

nach draussen sehen, wie sie ein Feuer auf dem Erdgrill auf<br />

einem Wellblech, so nennt man das, machten. Sie haben ein<br />

kleines Schwein geschlachtet zu Ehren Mariano's Geburtstag und<br />

zu Ehren der grossen Geldsumme, die bald kommen würde,<br />

nehme ich an, haben sie das gemacht. Es war eine Schweinerei;<br />

mir haben sie nachher den halben Kopf von dem Schwein, nur<br />

mit der Haut und kein Fleisch gebracht. Sie haben es mir auf<br />

einem Tablar serviert und fünf Tonnen Brot dazu und „Einen<br />

Guten‚ gewünscht. So ein verdammter ...‚ er ass das ganze<br />

Fleisch von dieser kleinen, zarten Sau und mir gab er den Kopf<br />

und die Haut. Ich hatte nichts gegessen, ich fand es eine<br />

Beleidigung. Trotzdem habe ich ein wenig herumgestochert, als<br />

hätte ich etwas gegessen und die Haut vom Schwein ein wenig<br />

verschnitten damit es nicht so aussah, als hätte ich nichts<br />

angefasst, damit sie nicht böse wurden. Den Kopf konnte man<br />

sowieso nicht essen, ich weiss nur, dass das Fleisch auf den<br />

Backenknochen, das Beste wäre, aber das war nicht mehr da. Auf<br />

jeden Fall waren sie mir wieder böse und glaubten mir nicht und<br />

sagten wieder, das war nur ein Code von Dir. Es war natürlich<br />

76


keiner, aber aufgrund der allerdings komischen Anrufe, Faxe<br />

konnte ich nicht ausschliessen, dass jemandem in Europa evt. die<br />

Sache verdächtig vorkam. Ich habe zu Gott gebetet, dass mir<br />

keiner irgendein Befreiungskommando schickt. Da Saavedra ein<br />

kleines Dorf ist, welches sicher nicht 500 Polizisten hat, die haben<br />

vielleicht einen, zwei oder drei Dorfpolizisten und wenn die<br />

kommen würden und ich bin heute noch davon überzeugt, wenn<br />

die gekommen wären, wüsste Mariano sofort um was es ginge<br />

und er würde alle umbringen. Bevor er in den Knast gehen<br />

würde, oder seine Farm verlieren, würde das Polizistenauto<br />

verbrennen oder die Polizisten erschiessen und mich dazu! Ich<br />

bin überzeugt davon, also wirklich, da kann ich meine Hand ins<br />

Feuer legen. Ich habe nur gebetet, dass niemand eine solche<br />

Organisation planen würde, denn es wäre sinnlos, es wäre<br />

selbstmörderisch und mörderisch. Mir ging es dann wieder<br />

besser. Sie haben mir später am Abend besseres zum Essen<br />

gegeben: Salat, Suppe, Hähnchen und Brot und wieder das<br />

Wasser mit dem komischen, weissen Pulver unten am Boden.<br />

Das Wasser habe ich nicht getrunken, weil ich nicht wusste, was<br />

es ist. Ich habe nichts getrunken, ach ja, Cola haben sie mir<br />

einmal gebracht. Es waren alle froh, dass es mir besser ging,<br />

immer haben sie mich gefragt, wie es mir geht und so, der<br />

Verband wurde mir mehrmals gewechselt. Ich musste auch<br />

seitlich verlegt werden und sie haben mir 500 ml Tabletten oder<br />

mg, ich weiss nicht mehr, von diesem Antibiotikum "Antinags"<br />

oder so ähnlich heisst es, gegeben. Ich habe 32 Tabletten von<br />

denen geschluckt, alle 6 Stunden eine. Diese Tabletten haben mir<br />

sicher auch gegen irgendeine Erkrankung geholfen. Ich hatte<br />

wieder Gründe gesucht und mir versucht zu bestätigen, dass<br />

Martin sicher am Montag kommt, dass er am Dienstag da ist,<br />

obwohl Dienstag kein "Stempeltag" wäre, nach meinen<br />

Berechnungen. Ich dachte, dass die Putzfrau jeweils Dienstags<br />

kommt und da ja über Ostern bis zum vergangenen Donnerstag,<br />

der erste Donnerstag im April, Martin Besuch von der Familie<br />

mit zwei Kindern hatte, sicher die Putzfrau kommen musste. Ich<br />

versuchte Helmut zu beruhigen. Er hat dann gesagt, sicher, sicher<br />

und Helmut musste dann Mariano beruhigen und mich wundert<br />

es heute noch, dass Mariano darauf eingegangen ist, dass ein<br />

Familienangehöriger von Helmuts Seite das Geld abholte. Es kam<br />

77


zu Situationen, wo ich dem Knecht gesagt habe, bitte rufe nach<br />

dem Sohn von Mariano, dem Mario, weil ich wissen musste, ob<br />

die wussten was hier abläuft, denn sobald der Gesandte von<br />

Helmut, in diesem Falle, Peter Kroschel, sobald er den Code mit<br />

dem Sparbuch in der Hand hatte, er alleiniger Besitzer vom<br />

ganzen Geld war. Ich habe nur gebetet, dass die keinen extra Deal<br />

machen oder Helmut auf die Idee kommen könnte und sagen<br />

könnte, der Heinrich hat uns angelogen, da war nicht genug Geld<br />

darauf und ich hätte das Gegenteil nicht von meinem Zimmer<br />

aus beweisen können. Und Mariano verstand ja kein Deutsch. Ich<br />

habe gedacht, hoffentlich machen sie nicht so was und darum<br />

habe ich nach dem Sohn gefragt. Mariano selber wollte ja nicht<br />

kommen, der feige Hund. Den habe ich seit er mich am<br />

Inlandflughafen in Buenos Aires auf den Flug nach Bahia Blanca<br />

zu seiner Farm abgesetzt hat, seit diesem Abend, nie mehr<br />

gesehen. Ich rief nach dem Sohn und habe Marco gesagt, nein<br />

dem Mario, er ist der Jüngere, der Mario, ist auch der, der die<br />

Farm leitet, als Beauftragter. Ich habe Mario gefragt, ob er wisse<br />

was hier ablaufe, was nun geschehen sollte und ob es Mariano<br />

auch wisse. Er hat mir bestätigt, dass er genau wisse, was ich mit<br />

Helmut vereinbart hätte. Ich wollte ja nicht, dass da noch was<br />

gedreht wurde und der andere den anderen betrügt und ich bin<br />

nachher der Not leidende "Tote". Auf jeden Fall wusste Mariano<br />

um was es ging und ich kann nur annehmen, dass er sich auf eine<br />

Einzelperson, also auf eine Person, die nur dem Helmut vertraut<br />

ist, eingelassen hatte. Der einzige Grund ist, Mariano hätte<br />

natürlich Helmut und seine Frau hier in Gewalt haben können,<br />

bis er seinen Anteil vom Verbrechen erhielt. So kam es dann, dass<br />

am Sonntagabend in Argentinien, ca. 22.30 Uhr oder 00.30 Uhr,<br />

nachdem wir wieder jede halbe Stunde den Versuch gemacht<br />

haben nach Vaduz zu telefonieren, Martin prompt das Telefon<br />

abgenommen. Helmut sprang in mein Zimmer und sagte: "Jetzt<br />

ist er zu Hause, ich rufe gleich nochmal an". Martin erzählte, dass<br />

er zwei Tage im Tirol bei seinen Bekannten war, die eine<br />

Schreinerei haben, ganz unangekündigt. Ich konnte mir natürlich<br />

nichts anmerken lassen, dass wir fast jede halbe Stunde in den<br />

letzten 48 Stunden probiert hatten, ihn anzurufen. Ich habe<br />

gesagt: "Super.‚ Dann habe ich ihm gesagt, wie es mir<br />

aufgetragen wurde, dass ein Peter Kroschel, graue Haare, gross,<br />

78


vorbeikommen werde und ich fragte Martin, wann es ihm passen<br />

würde. Er sagte, am Montag um 01.00 Uhr. Ich habe zu Martin<br />

bei diesem Gespräch – immer mit Helmuts Ohr auch am Telefon<br />

– gesagt: "Gehe in dein Gästezimmer, in dem Zimmer in dem<br />

Schrank hängt eine gelbe Regenjacke, die ich mir letztes Jahr<br />

gekauft habe, aber noch nie getragen habe. Sie hängt in einer<br />

weissen Schutzhülle". Er ging hin, holte die Jacke raus und ich<br />

habe extra nicht gesagt, was drin ist, weil damit der Helmut von<br />

Martin am Telefon mithört, was drin ist. Ich habe zu Martin<br />

gesagt: "Bitte, mache die Brusttasche auf, was findest du? Ja, da<br />

ist ein rotes Büchlein drin. Was steht vorne drauf?" BAWAG, gut,<br />

es ist ein Banksparbuch. Und dann war Helmut sehr erleichtert,<br />

dass alles so gut ging. Ich sagte zu Martin: "Bitte stecke es in ein<br />

Kuvert und am Montag kommt dieser Peter Kroschel und holt es<br />

ab und gibt es seinem Sohn Jürgen und dieser Jürgen kommt<br />

dann per Flug von Deutschland am Mittwoch nach Argentinien<br />

und gibt es mir". Martin sagte: "Gar kein Problem". In dieser<br />

Sonntagnacht haben wir "alle" wieder einmal gut geschlafen. Am<br />

Montagmorgen um 08.00 Uhr war ich bereits wach in<br />

Argentinien, denn 08.00 Uhr plus fünf Stunden gibt 13.00 Uhr in<br />

Europa und ich dachte, dass dies die Stunde ist, wo ich mein<br />

Vermögen verlieren werde, wo ich die Früchte meiner Arbeit,<br />

meines Sparens, meiner Intelligenz verlieren werde und jetzt<br />

wird es übergeben. Ich bin wach geblieben und habe die Stunden<br />

gezählt und habe gedacht, ich nahm an, dass vielleicht um 13.30<br />

Uhr der Typ schon in Feldkirch ist. Wir haben die Bank nach dem<br />

letzten Gespräch von Freitagnachmittag mit Herrn Bröll nicht<br />

mehr angerufen, weil Helmut es nicht wollte, da es zu verdächtig<br />

sei. Ich nehme an, dass es so passierte: Herr Kroschel musste nach<br />

Feldkirch gegangen sein und als Beweis wollte dann Helmut und<br />

Mariano, dass die Überweisung, die er auf die Konten gemacht<br />

hatte, per Fax nach Argentinien sandte. Das wurde Herrn<br />

Kroschel so aufgetragen. Ich bin mir nicht sicher, ob er genau<br />

wusste, was da läuft, er wusste bestimmt nicht, dass ich<br />

eingesperrt war – aber, ich konnte dies nicht definitiv wissen.<br />

Ihm wurde es aufgetragen und er hat es gemacht. Aber trotzdem<br />

war er Mitläufer und er muss für seine Taten die Verantwortung<br />

stehen. Er kann immer noch alles abstreiten, aber ich wäre froh,<br />

wenn man ihn Einvernehmen würde oder so, das muss die<br />

79


Polizei wissen. Ich wusste, dass sie sich geeinigt haben, Helmut<br />

und Mariano und um es nicht offensichtlich Halbe-Halbe zu<br />

machen, machten sie, glaube ich, machten sie 52 Prozent für<br />

Helmut und 48 Prozent für Mariano. Mariano ist eigentlich nur<br />

darauf eingegangen, weil Helmut argumentiert hat, dass ja mein<br />

Reisegeld in Bar, das ich bei mir hatte, ca. CHF 8000.- und ca. US$<br />

1 ‘500.- in US$ Noten, dass er, Mariano dieses Geld behalte<br />

könne. Mir soll er einen Teil davon geben, damit ich überhaupt<br />

noch ...‚ haben sie mir gesagt, ich wusste immer noch nicht, ob sie<br />

mich freilassen würden, ich war mir nicht sicher. Bis anhin, das<br />

muss jeder verstehen, das Wenige, was sie mir positives gesagt<br />

hatten, haben sie natürlich auch nur darum gesagt, weil sie mich<br />

- um ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen - manchmal in gute<br />

Stimmung zurückbringen mussten, sodass ich positive denke.<br />

Denn wenn ich nach massiven Drohungen seitens Mariano und<br />

Helmuts Clique wieder überzeugt war, sie bringen mich um,<br />

hätte ich ja auf stur stellen können, sagen können, ihr kriegt kein<br />

Geld von mir, bringt mich gleich mit einer Kugel um. Sie mussten<br />

ja "freundlicher‘ mit mir umgehen, damit ich alles schön mache,<br />

was sie von mir verlangt haben.<br />

Montagnachmittag in Europa, Peter Kroschel hat, so glaube ich,<br />

alles erledigt und die Bank hat sich dann geweigert, das hat mir<br />

Helmut gesagt. Die Bank hätte sich geweigert, den Fax nach<br />

Argentinien zu schicken und so. Mich würde es nicht<br />

verwundern, wenn er, Bröll etwas vermutet hatte. Dass es ihm<br />

komisch vorkam, da ich ihn persönlich kenne, ich weiss nicht, ob<br />

ich mich am Telefon komisch angehört habe, weil ich weiss<br />

nicht


Zimmer. Er kam ins Zimmer und erzählte, dass dummerweise<br />

nur der obere Teil des Fax angekommen sei, den Herr Kroschel<br />

geschickt habe. Und nur mit genau dem Teil von Helmut<br />

Roegele's Überweisungen und nicht den von Mariano, was<br />

Mariano natürlich wieder sehr misstrauisch stimmte. Er dachte,<br />

er hätte nichts gekriegt, es war wieder ein Drama. Ich war dann<br />

nicht mehr der Wichtigste nachdem das passiert war und sie<br />

haben Herr Kroschel, der wieder auf die Hausnummer angerufen<br />

hat, eine andere Faxnummer gegeben und zwar die Faxnummer<br />

von einem Telefondienst im Dorf von Saavedra. Wir mussten also<br />

noch länger warten, bis Herr Kroschel die Überweisungsbelege<br />

auf die neue Faxnummer in Saavedra geschickt hatte und jemand<br />

musste sie dort holen gehen. Ich habe die Überweisungen nie<br />

gesehen, sie haben mir die Faxüberweisung nie gezeigt. Nur<br />

davon gesprochen. Die Zeit verging an dem Montag und alle<br />

waren sichtlich erleichtert oder „Happy‚, weil sie meine Kohle<br />

gekriegt hatten. Vor allem Mariano, der hat sich einen schönen<br />

Schnitt daraus gemacht. Nicht nur die Hälfte meines Geldes hat<br />

er genommen, sondern auch die Geldschuld, die er mir schuldet,<br />

kann ich vergessen. Auf jeden Fall war ich ganz nervös - alle<br />

anderen waren Happy. Nur ich wurde immer nervöser und<br />

unruhiger und zitterte, weil ich dachte, wenn sie mich jetzt<br />

umbringen oder umlegen wollen, dann müssen sie es schnell<br />

machen. Ich vermutete, dass sie mir jetzt nicht mehr geglaubt<br />

haben, dass ich nicht mehr Geld besitze und dass sie zuerst<br />

vermutlich dachten, wir nehmen das, was wir haben und dann<br />

können wir ja immer noch...... Sie haben genug Andeutungen<br />

gemacht. Sie können mich ja immer noch foltern oder mir Angst<br />

machen oder dann wieder einsperren. Ich hätte mich nicht<br />

gewundert, wenn sie mich nur aufgepäppelt hätten, damit ich<br />

das alles mache und wenn ich dann wieder gesund bin, kann ich<br />

ja wieder in den Kerker gehen, wenn keine Lebensgefahr wegen<br />

den Verletzungen mehr besteht. Helmut hat, um die Bank "zu<br />

beruhigen", mir aufgetragen bzw. mich gezwungen, dass ich die<br />

Bank am Nachmittag, bevor sie geschlossen haben, am<br />

Montagnachmittag wieder anrufe und Herrn Bröll verlange und<br />

mich für die ganze Transaktion bedanke. Ich habe dann<br />

angerufen und Herrn Bröll hat abgenommen und ich habe ihm<br />

gesagt: „Vielen Dank Herr Bröll, ich erzähle es Ihnen dann, wenn<br />

81


ich wieder nach Hause komme.‚ Mariano hat dann zeitweise an<br />

diesen Tagen entweder Helmut alleine oder Helmut samt seiner<br />

Frau oder nur seiner Frau Besucherverbot für mein Zimmer<br />

erteilt. Mariano hatte Angst – keine Ahnung warum - dass ich<br />

etwas mit Helmut aushecken könnte, weil er und sein Clan kein<br />

Deutsch verstanden. Sie haben deshalb verboten, dass ich mit<br />

Helmut auf Deutsch spreche. Ich habe mich dann immer<br />

aufgeregt, weil Helmut immer mit mir Deutsch gesprochen hat<br />

und ich habe dann spanisch geantwortet, damit es mein<br />

Bewacher auch hört und damit sie sahen, dass ich nichts mit ihm<br />

habe, also keinen Deal hinter dem Rücken machen will, sondern<br />

dass ich ihm auf Spanisch antworte und ich nichts dafür kann,<br />

wenn Helmut nicht auf Spanisch mit mir sprach. Dies hat dann<br />

der Bewacher verstehen können. Und er, der Bewacher immer,<br />

nachdem Helmut oder seine Frau - welche nicht gut deutsch<br />

spricht und ich nur spanisch mit ihr rede - mich besucht haben,<br />

weggerannt und zu Mariano gegangen ist und ihm alles erzählt<br />

hatte. Mariano war immer informiert. Ich habe den Sohn von<br />

Mariano, Marco, gefragt, ob Mariano mich besuchen kommt oder<br />

was er vorhat. Darauf sagte er, im Moment wisse er es nicht, sie<br />

müssen da noch schauen. Da habe ich mir gedacht, oh je, jetzt<br />

machen sie wieder so ein Spiel, vielleicht haben sie einen<br />

Kurzschlusseffekt und bringen mich doch um. Auf jeden Fall zu<br />

meiner Verwunderung bin ich dann eingeschlafen und am<br />

Montagabend konnte ich nicht gut schlafen und habe immer zur<br />

Tür geschaut, ob nicht doch noch einer kommt und mir die Kehle<br />

durchschneidet. Am Dienstag haben sie mich dann aus dem<br />

Zimmer gelassen und einen bewachten Rundgang gemacht,<br />

nachdem ich schon fast 1 1/2 Wochen oder über 10 Tage<br />

eingesperrt war - und das 24 Stunden, ohne dass ich viel bzw.<br />

überhaupt nichts gesehen habe, ausser aus dem Fenster raus, vor<br />

allem im zweiten Zimmer. Zu meiner Überraschung haben sie<br />

dann Helmut Fluginformationen einholen lassen, wie er mir<br />

erzählt hatte. Und sie haben mir gesagt, dass es am Besten sei,<br />

wenn ich am Dienstagnachmittag verdufte, sofern ich gehen<br />

könne. Was mich am Meisten verwundert hat ist, dass Mariano<br />

sich mit einer Fotokopie der Überweisung zufrieden gab. Ich<br />

hatte gedacht, er würde sicher warten, bis seine Bank in Spanien -<br />

was sehr lange dauern kann - bestätigt, dass sie das Geld erhalten<br />

82


haben. Ich vermute, dass ich heute hier sitzen kann und mein<br />

Herz normal schlägt und mir nur die Hände und der Hals weh<br />

tun, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mit meinem<br />

Selbstmordversuch denen vor Auge geführt habe, was überhaupt<br />

hier passiere. Ich weiss es nicht - nein, ich kann es nicht sagen. Ich<br />

kann nur sagen, und das müssen Sie mir bitte glauben, es hätte<br />

auch ebenso gut das andere passieren können. Sie hätten nämlich<br />

kein Problem gehabt, mich umzulegen und irgendwo zu<br />

verstecken. Es wäre entweder das Eine, eben Freiheit, welche ich<br />

jetzt habe, oder das Andere passiert. Beides hatte die gleich<br />

grosse Chance, dass es mir passieren könne. Damit will ich sagen,<br />

dass es in den Köpfen von denen war, mich zu beseitigen,<br />

nachdem ich das Geld bezahlt habe, oder vorher, wenn ich nicht<br />

tue was sie wollen. Es war immer ein Kopfproblem. Das haben<br />

sie mir durch die vielen Details, die ich auf diesen sieben<br />

Kassetten darauf gesprochen habe, ständig bewiesen und auch<br />

mir vor Augen geführt, dass sie die Möglichkeit hätten, indem es<br />

notwendig wäre, die Möglichkeit auch ausnützen werden. Wie<br />

z.B. mir gleich nach dem Unfall mit einem kalten Blick gesagt<br />

wurde, dass, wenn ich jetzt nicht selber gesund werde, dass sie<br />

mich umlegen müssen oder verbrennen bzw. vernichten müssen.<br />

Es geht einfach nicht anders, weil ich auf keinen Fall ein Spital<br />

oder einen Arzt aufsuchen darf.<br />

Am Dienstag haben sie mich gebeten meine Sachen zu packen.<br />

Das habe ich dann auch gemacht. Ich wollte immer mit Mariano<br />

sprechen, aber er kam nicht. Wahrscheinlich war er zu feige und<br />

hat immer seine Söhne vorgeschickt. Einmal hat mir der Wächter<br />

gesagt - der Vogel - :Es war vermutlich naiv von mir zu denken,<br />

nachdem was sie mir alles angetan hatten, dass ich noch denke er<br />

würde kommen und mit mir sprechen. Vermutlich hatte er<br />

Angst, ich würde ihm eine kleben oder ihn ermorden oder ich<br />

weiss auch nicht. Aber man denkt halt anders, wenn man in<br />

Gefangenschaft ist, nicht normal und oft nicht logisch. Aber oft<br />

doch sehr logisch. Auf jeden Fall kam es so, dass sie<br />

abgesprochen hatten, dass Helmut mich bis zu meinem Flug<br />

begleitet und ich abhauen soll. Sie wussten ja von meinen<br />

Aussagen, von meiner Angst, die ich hatte. Ich würde nie, wenn<br />

ich auch die Möglichkeit gehabt hätte, zur argentinischen Polizei<br />

gehen, denn das Land ist so korrupt und kompliziert. Ich hatte<br />

83


solche Angst, dass sie mich im Effekt erschiessen würden, bevor<br />

ich überhaupt eine Zeugenaussage machen könnte. Ich war nicht<br />

immer ein guter Mensch, jeder hat seine Fehler, aber ich bin nicht<br />

deprimiert, nachdem was vorgefallen ist. Klar ist das Geld weg,<br />

aber ich verdiene es wieder, aber das ist mir im Moment nicht<br />

wichtig, ich kann ja wieder arbeiten und bin gesund. Aber das<br />

Gefühl der Freude, dass ich noch LEBE - da ich ja wirklich hätte<br />

tot sein sollen - ist viel grösser als die Trauer über das was mir<br />

angetan wurde. Nur Dank der Differenz zwischen den Gefühlen<br />

kann ich jetzt noch als gerader Mann aufstehen und mein Leben<br />

weitermachen. Ich sehe vieles in einem anderen Licht, sehe viele<br />

kleine Freuden und würde auch nicht mehr weggehen. Ich will<br />

nicht mehr reisen, ich hatte so viel Heimweh gekriegt, weil ich ja<br />

noch nicht von dieser Welt gehen konnte, ohne mich von allen zu<br />

verabschieden. Das konnte nicht das Ende sein, in einem Grab<br />

oder Ofen in Argentinien, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.<br />

Selbst wenn ich als Toter nach Mauren gekommen wäre, könnte<br />

es nicht sein, dass ich schon als 32-Jähriger ein Grab mit einem<br />

Kreuz bei der Maurer Kirche habe. Darum ist die Freude noch<br />

viel grösser, dass ich jetzt noch lebe.<br />

Ich weiss, Liechtenstein lässt mich nicht verhungern.<br />

Auf jeden Fall traute ich niemandem mehr dort in Argentinien,<br />

ich wollte nur Helmut sagen, nimm mich mit, wenn Dir noch<br />

etwas an mir liegt. Ihr werdet vielleicht fragen, wo ist der Hass?<br />

Ich hatte damals keinen Hass. Der Hass kommt vielleicht heute<br />

oder jetzt oder seitdem ich frei bin. Klar empfindet man riesigen<br />

Hass und ich würde vielleicht dasselbe denen antun. Aber was<br />

eben den Wandel oder das so nahe am Tod gewesen zu sein, löst<br />

dann doch einen Prozess aus, wo einem doch alles andere, vor<br />

allem die negativen Dinge nicht mehr interessieren. Wenn ich<br />

mich mit Helmut oder Mariano näher befasse, färbt es nur<br />

negativ auf mich ab. Ich will mich gar nicht mehr damit befassen.<br />

Ich vertraue der Liechtensteiner Polizei und der Justiz, die<br />

bestimmt das tut, was ich vielleicht selbst in die Hand genommen<br />

hätte. Vor allem die dummen Leute, da ich weiss, wie sie heissen<br />

und wo sie wohnen. Ich weiss alles. Ich kenne sogar ein wenig<br />

ihre Lebensgewohnheiten. Ich weiss nicht, was sie sich dabei<br />

gedacht haben.<br />

84


Auf jeden Fall habe ich meine Sachen gepackt, hatte frische<br />

Unterwäsche und Hosen an, die Schuhe geputzt und die letzte<br />

Bandage um den Hals und die Hände gemacht und das Zimmer<br />

nochmals angeschaut. Dann hiess es, Mariano würde uns –<br />

Verbrecherehepaar Roegele und mich - zum Flughafen fahren -<br />

ca. 100 km weit weg. Er alleine mit meinem Koffer, Helmut und<br />

seine Frau wollten auch weg von dort, weil sie vermutlich Streit<br />

hatten. Ich weiss aber nicht, ob das alles nur vorgespielt war. Ich<br />

kann nur aus meinen kleinen vier Wänden das beschreiben, was<br />

ich selber erlebt habe. Alles was sich ausserhalb abgespielt hat,<br />

kann ich nicht richtig beurteilen. Nach dem Mittagessen am<br />

Dienstag, ca. 13.00 Uhr, meine Sachen hatte ich gepackt, meine<br />

Ausweise hatte ich nicht gesehen, die müssten noch irgendwo<br />

sein. Dann haben sie mir gnädigerweise, weil ich gesagt habe,<br />

dass ich kein Geld mehr habe, von meinem eigenen Geld Fr. 3000.<br />

- und US 200.- gegeben, damit ich etwas hatte, wenn ich in<br />

Zürich ankomme. Ich wusste noch immer nicht, ob sie mich<br />

wirklich gehen lassen werden. Ich konnte es einfach nicht<br />

glauben. Ich wollte es aber nicht zeigen. Ich habe einfach wie<br />

apathisch das gemacht, was sie von mir verlangt hatten und dann<br />

meine Koffer gepackt. Mariano kam dann eine halbe Stunde<br />

bevor ich das Zimmer verliess zu mir und hat nicht viel gesagt.<br />

Er hat mir meinem Pass hingeschmissen und die Wunde<br />

angeschaut und ist dann wieder gegangen. Er hatte noch zwei<br />

Wächter dabei, da sie wohl Angst hatten ich würde versuchen<br />

Mariano mit meinen Händen zu erwürgen oder so. Auf jeden Fall<br />

habe ich gedacht, das ist ein zu einfacher Abgang, das kann nicht<br />

sein. Aber ich nehme an, dass sich die Sache ein wenig gewendet<br />

hat, dadurch dass Helmut und Mariano sich in die Haare<br />

gekommen sind und Helmut nun auch um sein Leben gebangt<br />

hat oder auch nicht. Dies ist auch nur mein Eindruck. Wir sind<br />

dann alle in den Ford Bronco eingestiegen, das ist ein US-<br />

Fordmodel, ein Riesending mit einem gewaltigen Motor und<br />

zwei Türen vorne und hinten eine Heckklappe und hinten mit<br />

einer kleinen Bank und vorne mit zwei grossen Sitzen. Es hatte<br />

einen braunen Teppich und ein argentinisches Kennzeichen. Er<br />

hatte dieses Fahrzeug zu der Zeit gekauft, als er die Farm gekauft<br />

hatte. Die Farm hat er auch nicht länger als seit 1991, glaube ich.<br />

Dann habe ich noch gehört, wie Mariano seinen Sohn fragte, was<br />

85


der schnellste bzw. einfachste Weg aus der Farm ist und wenn er<br />

das Haupttor verlassen habe, ob er dann links oder rechts fahren<br />

soll. Links ging es dann über das Dorf Saavedra und dann auf die<br />

Nationalstrasse und rechts ging es über Grenzstrassen zwischen<br />

den Farmen auf die Nationalstrasse. Wenn er nach rechts fahre,<br />

spare er ca. 15 oder 18 km. Mich wunderte es, dass Mariano, der<br />

oft auf der Farm war, seinen Sohn nach dem kürzesten Weg<br />

fragen musste. Auf jeden Fall sind wir dann alle eingestiegen und<br />

zu aller Frechheit wollten sie noch ein Foto mit mir machen, die<br />

spinnen ja vollkommen. Vielleicht brauchten sie das zum<br />

Erklären, dass es ein „lustiges Ferienabenteuer‚ für mich war.<br />

Einbandagiert, mit langen Hosen, dasselbe was ich heute hier bei<br />

der Polizei anhabe. Wir sind dann losgefahren. Obwohl der Sohn<br />

sagte, dass man links fahren solle, ist Mariano nach rechts<br />

gefahren. Wieso ist er nach rechts gefahren? Da bekam ich Angst.<br />

Vor uns tauchte ein weisses Auto auf. Vielleicht wollte er mich,<br />

weg von den Hausangestellten und seiner Frau Carmen neu<br />

irgendwohin verschleppen und umbringen. Mit Hilfe vom<br />

Roegele. Auf einmal sah ich ein kl. Weisses Auto. Ich dachte<br />

sofort dies könnte die Söhne von Mariano sein; Roegele machte<br />

dann ein Scheisskommentar und sagte dass jetzt die letzte Stunde<br />

für mich geschlagen hat. Sie mussten den Angstpegel hoch<br />

halten, damit ich nicht auf dumme Ideen komme. Aber das<br />

andere, kleine, weisse Auto ist dann Richtung einer anderen<br />

Farm gefahren. Weit vor uns sah ich eine Strassenblockade und<br />

ich habe wieder gezittert und gedacht das ist das Ende. Dann<br />

lieber eine Kugel, warum wieder das ganze Drama. Aber es hat<br />

sich dann herausgestellt, dass es die Strassenarbeiter mit<br />

Baumaschinen waren, die die Strasse neu planiert haben. Wir<br />

fuhren und fuhren. Ich sagte kein Wort und war froh um jeden<br />

Meter, den ich von dieser Farm hinter mir liess. Es war so heiss<br />

und staubig.<br />

Und nach ca. einer Stunde kamen wir in Bahia Blanca an. Bahia<br />

Blanca ist ein Dorf von ca. 100.000 Einwohnern. Wir gingen gleich<br />

zum Flughafen. Ich hatte kein Ticket von Bahia Blanca nach<br />

Buenos Aires. Ich hatte nur das Bargeld und mein Gepäck. Ich<br />

war erst da ziemlich sicher, dass ich nicht sterben werde oder<br />

sicher, dass mir nichts passieren würde. Weil auf dem Weg von<br />

der Farm bis zum Flughafen hätte noch ein Unfall oder alles<br />

86


Mögliche passieren können. Mariano hat sich dann<br />

verabschiedet, mehr oder weniger freundlich. Ich wollte ihm<br />

natürlich nicht die Hand drücken. Ich wollte aber nicht gehässige<br />

oder aufmüpfig erscheinen, weil ich Angst hatte, er könnte<br />

meinen, ich wolle Rache üben. Ich hinterliess nur den Eindruck,<br />

dass ich auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause wollte.<br />

Wir haben gewartet.<br />

Helmut hat mit seiner Kreditkarte, ich weiss nicht, ob es eine<br />

Goldene war, uns allen drei - mir, seiner Frau und sich - das<br />

Ticket bezahlt. Ich glaube wir flogen mit LAPA oder LACA, eher<br />

LAPA von Bahia Blanca nach Buenos Aires, das kostet pro Person<br />

USD 68. -. Für mich wurde auch ein Lufthansaflug reserviert. Die<br />

Lufthansa fliegt am Montag, Mittwoch und Freitag - so glaube<br />

ich. Wir haben am Dienstag für den nächsten Tag reserviert,<br />

obwohl der Flug ausgebucht war, aber ich war auf der Warteliste.<br />

Mein ursprüngliches Lufthansaticket hätte dann geändert werden<br />

können, da ich am 21. April ja fix den Rückflug original gebucht<br />

hatte. Ich konnte im Flugzeug nach Buenos Aires nur weinen.<br />

Verbrecher Roegele sass auf der anderen Seite des Ganges mit<br />

seiner Frau neben mir, stumm. Ich sagte auch nichts, ich wollte<br />

auch niemanden sehen. Sie haben zwar Polizisten im Flughafen,<br />

aber was sollte ich jetzt tun. Nachdem was geschehen war, hat<br />

man keine Energie mehr. Ich wusste nicht, würden sie mir<br />

glauben oder nicht. Vielleicht halten sie mich für verrückt und<br />

stecken mich in eine psychiatrische Klinik. Ich wollte nur weg<br />

von diesem Land, vom ganzen Kontinent und einfach nach<br />

Hause. Wir sind dann am Abend in Buenos Aires angekommen.<br />

Es war schon ein wenig dunkel. Wir steigen in ein Taxi und<br />

fuhren zum Hotel, das Mariano für uns reserviert hatte. Helmut<br />

und seine Frau hatten ein Doppel- und ich ein Einzelzimmer. Es<br />

war dasselbe Hotel, in welchem ich schon bei meiner Hinreise<br />

war – Salles. Dort habe ich mich eingeschrieben, mit richtigen<br />

Namen und eigener Passnummer und so. Alle gingen aufs<br />

Zimmer und ich musste mir neues Verbandsmaterial kaufen.<br />

Helmut sagte zu mir, dass ich das selbst kaufen gehen solle. Das<br />

überraschte mich sehr. Ich bin dann zum Hotel raus und dachte,<br />

dass sie mir evtl. folgen. Ich ging zum Schein in ein, zwei, drei,<br />

vier Apotheken bis ich das gefunden hatte, was ich brauchte - die<br />

anderen hatten es nicht. Als ich dann sicher war, dass mir keiner<br />

87


folgte, habe ich Leute gefragt, wo ich einen Fax senden könne. Ich<br />

bin dann sofort, es war dann Dienstag um 20.30 Uhr oder 21.00<br />

Uhr, in Europa Mittwoch, 01.00 Uhr oder 02.00 Uhr morgens, zur<br />

Hauptstelle der staatlichen Telefongesellschaft von Argentinien<br />

gegangen. Dort im Erdgeschoss gab es eine Möglichkeit ins<br />

Ausland zu Telefonieren oder zu Faxen. Ich habe mit zitternder<br />

Stimme darum gefleht, dass sie mir zwei Blatt Papiere oder ein<br />

Blatt und einen Kugelschreiber geben sollen und ich musste die<br />

Faxnummer von Feldkirch erfragen. Ich dachte mir, ich kann es<br />

nicht der Polizei in Liechtenstein oder Österreich schreiben, in<br />

nur einer Seite – die würden die Situation nicht auf Anhieb<br />

kapieren; und zudem war Herr Direktor Bröll der Einzige, der<br />

den Zusammenhang erkennen könnte, mit dem Wenigen das ich<br />

ihm geschrieben habe. Also habe ich von der Kabine Nr. 43 aus,<br />

welche sich im untersten Stockwerk vom Hauptgebäude der<br />

Telefongesellschaft von Argentinien, zuerst die argentinische<br />

Auskunft angerufen und darum gebeten, dass sie mir die<br />

Faxnummer von der BAWAG in Feldkirch geben. Die Auskunft<br />

in Wien sei um diese Zeit nur sehr knapp besetzt und sie müssten<br />

deshalb zurückrufen, wurde mir mitgeteilt. Ich hoffte, dass es<br />

schnell geht damit Roegele nichts merkt- das ich so lange weg<br />

bin. Dann kam der Rückruf und sie gaben mir eine Nummer mit<br />

der Vorwahl 512 und ich wusste, dass die Nummer nicht<br />

stimmen konnte. 512 ist nicht Feldkirch. Vielleicht ist es 5522. Ich<br />

hatte der Frau gesagt, die zurückgerufen hat, dass es nicht sein<br />

kann. Und dann hat sie nochmals nachgeschaut und gesagt, dass<br />

es schon stimme und dies eine Faxnummer sei. Es kann schon<br />

sein, dass es evtl. Innsbruck war, dachte ich mir. Der Mann an<br />

der Kasse der Telefongesellschaft hat mir nämlich eine alte Liste<br />

gezeigt, auf der Innsbruck mit 512 aufgeführt war. Und es konnte<br />

schon sein, dass es eine Faxnummer in Innsbruck war, evt. auch<br />

von der BAWAG - aber ich wollte ja Feldkirch haben. Auf jeden<br />

Fall habe ich den Brief fertig geschrieben und darauf vermerkt,<br />

dass ich diese Nummer erhalten habe und wenn es eine falsche<br />

Adresse ist, sollen der Empfänger dieses Fax ihn an die BAWAG-<br />

Zentrale in Wien oder Herrn Bröll in Feldkirch weitersenden. Ich<br />

habe dann nochmals die Auskunft angerufen und habe die<br />

Faxnummer von Wien erhalten, mit einer Eins. Dann habe ich die<br />

Nummer gewählt und die zwei A4-Blätter der dort arbeitenden<br />

88


Frau - in der Telefongesellschaft in B.A. - in die Hand gegeben.<br />

Dann kam aber kein Fax-Ton sondern eine männliche Stimme. Da<br />

sagte ich, das kann doch nicht wahr sein. Die Frau gab mir dann<br />

den Hörer in die Hand und ich habe dann gesprochen. Es war<br />

dann tatsächlich die BAWAG in Wien. Da dachte ich mir, was<br />

macht denn ein Arbeiter der BAWAG um 02:00 Uhr nachts? Es<br />

war soviel ich weiss der Nachtwächter und ich habe ihn nur um<br />

eine Faxnummer gebeten. Er sagte mir, ich solle an die jetzt<br />

gewählte Nummer die Ziffern, ich glaube es waren 2490 oder<br />

2480, anhängen. Es ist mir zwar komisch vorgekommen, dass ich<br />

erst eine normale Telefonnummer anwählen und dann diese<br />

Nummer anhängen musste. Aber ich nahm dann an, dass es sich<br />

vermutlich um einen Telefoncomputer handelte. Also habe ich es<br />

gemacht. Und es war eine Faxnummer und es hatte funktioniert.<br />

Ich hatte den Fax geschickt und bin nachher gleich zurück zum<br />

Hotel gegangen und schon waren Helmut und seine Frau beim<br />

Eingang des Hotels und hatten gefragt wo ich gewesen wäre und<br />

was ich gemacht hätte. Ich hatte Angst, denn ich hatte für das Fax<br />

US$ 27 bezahlt und ich hatte US$ 200 bei mir gehabt. Auch hatte<br />

ich aus dem Geld noch Telefonkarten gekauft, falls ich meine<br />

Mutter oder jemanden anrufen könnte. Denn vom Hotel aus<br />

wollte ich nicht anrufen, da ich befürchtete, dass Helmut evtl. die<br />

Liste von meinen geführten Gesprächen verlangen würde. Ich<br />

hatte Angst, dass Helmut auf die Idee kommen könnte und<br />

meine Geldtasche verlangen würde und ich könnte nicht<br />

erklären, warum ich auf einmal US$ 45 weniger hatte. Die Binde,<br />

die ich kaufte kostete nur US$ 3 also müsste ich ja von diesen US$<br />

200 noch US$ 197 haben. Aber ich hatte ja nur noch US$ 155, weil<br />

ich für die Telefonkarten US$ 18 und Fax US$ 27 bezahlt hatte. Sie<br />

haben dann aber nicht nachgefragt. Sie sagten nur, ich solle zum<br />

Essen mitkommen. Sie wollten mich nicht aus den Augen<br />

verlieren. Ich bin dann mit essen gegangen. Ich habe nicht viel<br />

gemacht und gesagt. Interessant war, dass sie die ganze Schuld<br />

Mariano zuschieben wollten. Es sei seine Idee gewesen. Es sei<br />

seine Sache.<br />

Wir gingen dann ins Hotel und ich konnte in der Nacht nicht<br />

schlafen. Ich war so nah am Ziel und ich wollte nur noch weg. Ich<br />

wusste, dass es einen Swissairflug am Mittwoch morgen gibt,<br />

und zwar der um 9.40 Uhr. Die Lufthansa würde erst am<br />

89


Nachmittag fliegen. Ich wollte nicht noch warten. Also habe ich<br />

meine Sachen gepackt, habe mich rasiert und ich habe meine<br />

letzte Binde selber gemacht, dieselbe, mit welcher ich später im<br />

Vaduzer Spital aufgekreuzt bin. Ich bin dann schon um 05.00 Uhr<br />

aufgestanden oder 04.00 Uhr oder 03.00 Uhr, ich weiss es nicht<br />

mehr genau und bin aus dem Hotel raus gegangen. Es hatte ein<br />

Nachtportier. Ich bin weit weggelaufen und habe eine<br />

Telefonzelle gefunden und habe dann eine Nummer gewählt und<br />

prompt hat jemand abgenommen und ich wurde mit Herrn Bröll<br />

verbunden. Ich habe ihn gefragt, ob er meinem Fax erhalten habe.<br />

Er bejahte. Er sagte, er bringe mich in Sicherheit und ich sagte,<br />

dass ich schon halb in Sicherheit bin. Aber ich spürte von ihm<br />

Vertrauen. Ich wollte nur weg.<br />

Man kann niemandem mehr trauen im Land, es ist so korrupt.<br />

Die Telefonkarten waren sehr schnell aufgebraucht und ich<br />

konnte nicht mehr mit Herrn Bröll sprechen. Ich bin dann sofort<br />

ins Hotel zurück, habe ausgecheckt und für mein Hotelzimmer<br />

bar bezahlt (US$ 70). Ich habe den Sammelbus genommen, der<br />

vor dem Hotel stand. Ich war schon früh am Flughafen und habe<br />

nach dem Swissairflug gefragt. Es hatte noch Platz und kostete<br />

US$ 1'600, nur Hinflug. Das sind fast CHF 2'500. Dann hat der<br />

Swissairangestellte mir einen besseren Deal vorgeschlagen und<br />

zwar, ich solle ein Rückflugticket, obwohl ich gar nicht mehr<br />

zurückkehren wollte, kaufen: das kostete nur US$ 1'118. Ich habe<br />

also genügend CHF für diesen US$-Betrag umgetauscht und das<br />

Ticket bezahlt. Ich bin ohne Probleme durch die Passkontrolle<br />

gegangen und habe einen Stempel bekommen. Und habe das<br />

Flugzeug bestiegen. Ich habe nur geweint, geweint und geweint,<br />

alles zusammen! Ich war nur froh, dass ich überlebt habe. In<br />

Vaduz bin ich mit dem Reisegepäck direkt ins Spital gegangen.<br />

Herr Dr. Moser hat mich angeschaut. Jetzt ist die Geschichte zu<br />

Ende und was weiter geschehen wird, wird sich zeigen. Ich hoffe,<br />

dass für das menschliche Verbrechen, das mir angetan wurde,<br />

vor allem Mariano Marti-Ventosa Roqueta und auch Helmut<br />

Roegele und Bande ihre Strafe erhalten werden. So wie es Gott<br />

oder die Justiz vorgesehen hat. Ich danke allen für ihre Hilfe, die<br />

sie mir entgegengebracht haben und ich möchte auch bitten, dass<br />

Sie in vollem Bewusstsein sind, dass es ein schwerer Schlag für<br />

mein Leben war, und dass ich jetzt nicht weiss, ob ich doch noch<br />

90


irgendwie Depressionen erhalten werde. Im Moment sehe ich das<br />

zwar nicht so, aber vielleicht kommt es später, wenn ich ein<br />

normales Leben führe, dass mich dann die Gedanken oder die<br />

Erinnerung an die Geschichte sich wieder aufwärmen.<br />

Vielen Dank für alles. H.K. 11. und 21. April 1997.<br />

Ende Originaltext (OT) meiner Anzeige.<br />

Nach der erforderlichen Anzeige (auf Tonband) und der weiteren<br />

Detailangaben zum Verbrechen war ich sehr befreit. Wie um<br />

tonnenschwere Felsen erleichtert schritt ich aus dem Polizeigebäude<br />

Vaduz hinaus, in den schönen, warmen und sonnigen Aprilnachmittag.<br />

Am 17.4. habe ich der Polizei weitere Angaben über die Gefangenschaft<br />

in einem Schreiben überbracht:<br />

A) Glühbirne, Notiz, Zahnfleisch<br />

Ein anderes Detail des Kellers (Wasserturm), wo ich gefangen<br />

gehalten wurde, sind die 3 Glühbirnen. Im runden Raum ist ein<br />

Licht links oben, gleich beim Eintritt durch die Türe (so hoch,<br />

dass ich es mit angespannter Kette gerade noch berühren<br />

konnte). Ursprünglich, d.h. während meinen ersten Tagen, war<br />

eine 60 Wattbirne aus klarem Glas in der einfachen Fassung drin.<br />

Sie ging zu Bruch und ich musste sie mit einer der 2 anderen<br />

Birnen tauschen, wollte ich nicht 24 Std. im Dunkeln sitzen. Im<br />

Durchgangsraum (vom rundem Raum zum WC-Raum), dort wo<br />

das grössere Waschbecken installiert ist, ist ein Licht links oben<br />

montiert, quasi auf der gerundeten Aussenwand des Turms. Ich<br />

schraubte die Birne raus, es war eine 40 Watt aus mattem Glas<br />

(evt. auch eine 60 Watt; aber auf jeden Fall eine schwächere Birne,<br />

als die‚ die ich dann im WC-Raum abgeschraubt habe). Jene vom<br />

WC-Raum - auch aus klarem Glas - brachte ich in den runden<br />

Turmraum weil sie die Stärkste war und jene vom<br />

Durchgangsraum schraubte ich in den WC-Raum - oberhalb des<br />

kleinen hölzernen Spiegelkästchens.<br />

Ich habe mir während der Gefangenschaft auch Gedanken<br />

darüber gemacht, wie ich ein Hinweis meines "dortgewesenseins"<br />

91


hinterlassen kann. Ich kam auf die Idee eine kleine Notiz auf<br />

Spanisch irgendwo zu verstecken - Möglichkeiten gab es dazu<br />

sehr viele. Ich schrieb sogar auf einen kleinen Zettel (Papier und<br />

Schreibzeug hatte ich ja) ein Text mit folgendem Inhalt : HIER<br />

WAR ICH, HEINRICH KIEBER aus Liechtenstein seit dem<br />

Donnerstag vor Ostern 1997 gefangen gehalten bis zum Tag<br />

meiner Freilassung oder Todes. Ich hätte auch eine gute Stelle<br />

gefunden, und zwar war das grosse Waschbecken im<br />

Durchgangsraum unten auf zwei aus der Wand herausragenden<br />

ca. 4 cm langen Eisenstützen gestellt. Zwischen dem<br />

Beckenboden und dem Eisenstück hätte die Notiz gut rein<br />

gesteckt werden können. Ich tat es nicht, weil ich auf einmal<br />

Angst bekam, dass wenn die Verbrecher vielleicht auch darauf<br />

kommen könnten, dass ich so was tue, und es dann finden<br />

würden, dann möchte ich nicht an die daraus resultierende Strafe<br />

denken. Somit verschwand meine kleine Notiz in tausend Stücke<br />

Ein anderes Erlebnis hatte ich mit meinem Zahnfleisch: Die Täter<br />

geben mir sehr wenig zu Essen, von dem ich noch weniger ass. Es<br />

kam vor, dass ich im Turm über 24 Stunden nichts zu mir nahm<br />

(ausser eventuell ein Schluck Wasser aus der Flasche). Als ich<br />

dann später einen Apfel (grüner) essen wollte und natürlich<br />

beissen musste, tat mir mein Zahnfleisch so weh, dass ich dachte,<br />

die Zähne bleiben im Apfel stecken. Ich vermute, dass es damit<br />

zusammenhängt, dass ich über eine so ungewöhnlich lange Zeit<br />

nichts gebissen habe. Mit ein Grund kann auch die hohe<br />

Luftfeuchtigkeit und die dauernde Kälte sein. Dies müsste ein<br />

Arzt oder Zahnarzt bestätigen.<br />

B) Genauer Tag<br />

In meiner Tonbandaussage habe ich, so mag ich mich erinnern,<br />

den Dienstag 01. April als den Tag genannt, wo ich die grösste<br />

Todesangst empfand und mir (auf Grund der aussichtslosen<br />

Situation in der ich mich befand) das Leben nehmen wollte.<br />

Ich rechne die Tage hin und her und bemühe meine Erinnerung<br />

so stark es geht: ich kann aber heute nicht ganz genau sagen, ob<br />

es der 01. April oder der 02. April war. Ich weiss nur ganz genau,<br />

dass es nicht am Sonntag 30.3. war (weil mein Geburtstag) und<br />

nicht am Montag 31.3. war (weil der Geburtstag meiner Mutter)<br />

92


und ich die Tage bis zum 31.3. mittels Strichlein gezählt habe.<br />

Durch den Schock des getriebenen Selbstmordes entstand wie<br />

eine Lücke in meinem Gehirn, was den genauen Monatstag<br />

betrifft. Wieder sicher bin ich mir aber ganz, dass ich die Nacht<br />

vom -Donnerstag nach Ostern (1. Donnerstag im April) im neuen<br />

Gefangenenzimmer im Haupthaus verbracht habe, weil ich sehr<br />

früh am Freitagmorgen (ca. 3.00 Uhr / 4.00 Uhr morgens)<br />

gezwungen wurde, den Hr. Bröll zum Ersten mal anzurufen,<br />

nachdem die Verbrecher den Fax nach Feldkirch gesendet hatten.<br />

Am 21.4. ging ich wieder zur Polizei. Dort wurde mir eine Abschrift der<br />

Tonbandaussage vorgelegt, so dass ich eventuelle Fehler oder<br />

Missdeutungen korrigieren konnte. Es gab nur ganz wenige Stellen, wo<br />

ich etwas berichtigen musste. Dann wurde die Abschrift als Anzeige<br />

angenommen. Eine Kopie wurde mir gegeben. Selbstverständlich habe<br />

ich in den in Folge der Polizei und den Untersuchungsbehörden alle<br />

Dokumente und Beweise im Original überlassen: wie zum Beispiel dem<br />

beglaubigten Darlehensvertrag zwischen Mariano Marti-Ventosa<br />

Roqueta und mir vom 6.3.1993, den notariell beglaubigten<br />

Immobilienverkauf- bzw. Kaufvertrag zwischen Helmut Roegele und<br />

mir vom Oktober 1996 (worin er richtigerweise schriftlich bestätigt hatte,<br />

dass er die ganze Kaufvertragssumme für die Wohnung in BAR und vor<br />

der Unterzeichnung erhalten hatte), die Faxe von Mariano, datiert vom<br />

31.1., 9.2. + 12.2. (alle 1997), womit er mich nach Argentinien lockte. Die<br />

Behörden machten für sich Kopien von allem und die Originale bekam<br />

ich später wieder zurück.<br />

Was wurde aus meinem Sparbuch? Ich hatte Glück, riesengrosses Glück.<br />

Auf Grund meines Fax an die BAWAG wurde die Bank sofort aktiv und<br />

versuchte fieberhaft die schon eingeleiteten Banküberweisungen an die<br />

Verbrecher Helmut und Mariano zu stoppen. Das Geld war schon von<br />

der BAWAG weg und sogar schon ausserhalb Österreichs. Wie ein<br />

Wunder, wirklich wie ein Wunder konnte die BAWAG die Gelder in<br />

allerletzter Sekunde zurückholen. Dies nur darum, weil es bei noch auf<br />

einem Konto bei ihrer Korrespondenzbank im Ausland lag, und noch<br />

nicht auf die Bankkonten der zwei Verbrecher weitergeleitet wurde,<br />

welche bei anderen Banken eingerichtet waren. Es war also pures Glück,<br />

dass weder Helmut noch Mariano zufällig ihre Bankkonten nicht auch<br />

bei der Korrespondenzbank der BAWAG in Spanien hatten. Dann wäre<br />

93


er zu spät gewesen, weil nur ein Gericht in Spanien die definitive<br />

Gutschrift auf die Konten der Beiden verhindern hätte können, bzw.<br />

rückgängig machen können. Ich konnte es nicht glauben, als mir Dir.<br />

Bröll die Gute Nachricht brachte. Man kann sich die langen Gesichter der<br />

Verbrecher gar nicht vorstellen, als sie erfolglos bei ihren Banken<br />

nachgefragt haben mussten, warum die dicke Kohle noch nicht<br />

angekommen war. Beide hatten sicher einen 99-prozentigen Herzinfarkt,<br />

als ihnen ihre Bank mitteilte, dass nix eingetroffen war. Nachdem was<br />

sie alles an operativer Logistik, an Brutalität und Waffengewalt ausüben<br />

mussten, um meine Entführung, meine Gefangennahme, Erpressung<br />

und Folter erfolgreich zu machen. Beide haben sicher vor Wut gekocht.<br />

Hätten sie mich in Argentinien nur 24 Stunden länger gefangen gehalten,<br />

wäre das Geld auf ihren Konten gelandet. Ich konnte es immer noch<br />

nicht glauben. Es war wie in einem Traum. Da Helmut ja Deutsch<br />

konnte, hatte er mehrere Male bei der BAWAG in Feldkirch angerufen<br />

und wurde dort auf die Rechtsabteilung der Bank in Wien verwiesen.<br />

Die Telefongespräche mit ihm wurden aufgezeichnet. Es war dann, als er<br />

erfahren konnte, dass der Bankkontobesitzer (ich) eine Anzeige gegen<br />

ihn und andere bei der Polizei erstattet hatte. Dem Helmut wurde hörbar<br />

schlecht und er leierte etwas von dem Wohnungsverkauf und<br />

behauptete, dass ich der Verbrecher wäre, nicht er. Er hatte natürlich<br />

sofort gemerkt, dass er nun in der tiefen Scheisse steckte. Er bekam Panik<br />

und belästigte zuerst meine Mutter und meine Tante in Spanien per<br />

Telefon. Nicht nur bedrohte er sie beide mit schweren Konsequenzen,<br />

sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen. Seine Frau und Mariano<br />

riefen auch bei ihnen an. Die Telefonnummern hatte sie ja von mir schon<br />

in der Gefangenschaft abverlangt. Mariano wusste, dass meine Mutter<br />

(und Tante) aus Spanien kommen, so konnte er mit ihnen auf Spanisch<br />

reden. Meine Mutter und meine Tante sollten mir ausrichten, dass sie<br />

mich umbringen würden, sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen.<br />

Meine Familie stand wegen den Telefonaten unter einem grossen Schock<br />

und es dauerte lange, bis sie sich davon erholen konnten. Ich hatte die<br />

Polizei in Vaduz immer über jede Bedrohung und Belästigung<br />

informiert. Es war schon eine verrückte neue Situation für die beiden<br />

Folterer. Zuerst hatte Mariano die volle Kontrolle über alles (in<br />

Argentinien), da es ja seine Farm, sein Kerker, sein Gebiet war. Und nun<br />

war er auf Helmut (in Europa) angewiesen, um seinen Anteil der Beute<br />

doch noch zu bekommen. Helmut musste schnell handeln. Mariano hatte<br />

wegen der Anzeige weniger Angst. Er war ja weit weg. Helmut war<br />

94


aber mit seiner Frau wieder zurück in Spanien und konnte sich klar<br />

vorstellen, was für eine schwere Gefängnisstrafe sie zu erwarten hätten.<br />

Wie detailliert ich die Anzeige erstattet hatte, wusste er noch nicht. Er<br />

hatte aber sofort richtig kombiniert, dass er ein massives Problem damit<br />

hatte, zu erklären, warum er rund CHF 400'000.-- von mir bekommen<br />

hatte, bzw. - dank der BAWAG - nun bekommen hätte sollen. Man<br />

erinnere sich, dass man mir während der Gefangenschaft zwar diverse<br />

Pseudorechnungen, bzw. Anerkennungen für beide Überweisungen zur<br />

Unterschrift vorgelegt hatte. Sie wollte damit - für alle Fälle - eine<br />

"berechtigte" Grundlage auf Papier haben. Denn sollte ich nach meiner<br />

Freilassung, ungeachtet ihrer Drohungen es trotzdem wagen die<br />

Zahlungen bekämpfen, würden sie die Schriftstücke aus Argentinien<br />

"vorlegen" und hoffen, dass sie damit durchkommen. Dasselbe würde<br />

passieren, wenn ich tot wäre und dann irgendjemand – z.B. meine<br />

Familie oder die Bank - die extrem verdächtige Auflösung meines<br />

Sparbuches hinterfragen würde. Die Banküberweisungen sind ja für<br />

immer dokumentiert. Mit einer Anzeige war die Situation für Helmut &<br />

Co. hochgefährlich. Er musste also in erster Linie das Motiv (die Beute)<br />

bekämpfen. Das heisst, er musste auf Teufel komm raus versuchen, die<br />

Zahlung an ihn als rechtmässig erscheinen lassen. Im Moment konnte er<br />

keinen Gedanken darin verlieren, dass er - was die abgepressten<br />

Zahlungen betraf - eigentlich 3 Probleme hatte: a) Die Zahlung an ihn. b)<br />

Die ungefähr gleichgrosse Zahlung an Mariano und c) die "Zahlung" an<br />

seinen Schwager! Kroschel hatten sich nämlich den übrig gebliebenen<br />

Restbetrag meines Sparbuches, um die CHF 10'000.-- einfach in den<br />

eigenen Sack gesteckt, indem er den Betrag auf seinem eigenen, neuen<br />

Konto bei der BAWAG gutschreiben liess. Helmut wollte seinen<br />

Schwager damit für seine "Umstände" belohnen. Ich war richtigerweise<br />

in der Position, wo ich nebst dem Helmut und dem Mariano auch dem<br />

Kroschel die absolut berechtigte Frage stellen konnte, welches Recht alle<br />

Drei hatten, auch nur einen einzigen Franken von meinem Geld zu<br />

nehmen. Helmut hatte keinen einzigen Franken aus dem Wohnungskauf<br />

zu Gute - was ich mit dem Notarvertrag beweisen konnte. Mariano<br />

schuldete mir seit 1993 CHF 245'000.- plus Zinsen, was ich mit den<br />

dazugehörigen Quittungen, Vertrag, Banküberweisungen und<br />

bankenseitigen Bestätigungen locker beweisen konnte. Kroschel war ein<br />

Mann, den ich nie in meinem Leben je getroffen hatte, mit dem ich nie in<br />

meinem Leben je etwas zu tun hatte; bis er als Mittäter in den Kreis der<br />

Verbrecher aufgenommen wurde.<br />

95


Ich bin ja selber kein Jurist; aber die knallharten Fakten lagen im meinem<br />

Fall "sternenklar" vor. Abgesehen davon, dass die Verbrecher überhaupt<br />

kein Geld oder sonstiges von mir zu erhalten hatten, im Gegenteil,<br />

Mariano mir seit März 1993 (und dies heute immer noch) über CHF<br />

245'000. — plus 12 Prozent p.a. Zinsen schuldet, war die ganze<br />

Konstellation, wie die Verbrecher an mein Sparbuch, das Codewort des<br />

Kontos bei der BAWAG kamen, die Beute fast 50-50 aufteilten, eine<br />

Analogie des klassischen Deliktes von schwerer Entführung, schwerer<br />

Freiheitsberaubung und schwerer Erpressung und Nötigung etc.<br />

Es gab überhaupt keine ökonomische Grundlage dafür, warum ich in<br />

Argentinien jeweils mehr als CHF 400'000.— den Tätern Helmut Roegele<br />

und Mariano Marti-Ventosa Roqueta hätten überlassen sollen. Daher<br />

war ich und bin heute noch zu 1000 Prozent überzeugt, dass die<br />

Verbrecher vor einem Kriminalgericht absolut keine Chance haben, sich<br />

aus der Sache herauszureden.<br />

Niemals, niemals, niemals, niemals, nie und nimmer und nochmals<br />

N I E M A L S ! ! ! !<br />

96


Kapitel 2 Zimmer unter den Alten<br />

Am nächsten Tag, dem 12. April, fuhr ich mit dem Zug zurück nach<br />

Zürich, um meine wenigen Sachen zu holen. Ich war immer noch müde<br />

und zutiefst traurig, obwohl ich doch gerade der Hölle entkommen war.<br />

Dennoch, selbst der Fussmarsch in der Abenddämmerung vom<br />

Hauptbahnhof via Hechtplatz zum Haus Schiffländi Nr. 4 war mir nicht<br />

ganz geheuer. Dort, im Dachstuhl des Gourmets Restaurant "Blockhus"<br />

hatte ich vom Wirt Pierre seit ein paar Monaten ein möbliertes Zimmer<br />

im Dachstuhl angemietet.<br />

Ich wollte unbedingt mit einem meiner damaligen Freunde reden. All<br />

meine Träume waren zerstört. Mein bisheriges Leben wurde durch<br />

gewalttätiges Drücken der "RESET-Taste" aus den Fugen geworfen. Es<br />

war schon spät am Abend, als ich einen Freund, der in der Nähe des<br />

Flughafens wohnte, endlich erreichen konnte. Ich hatte immer noch die<br />

frischen Vaduzer Bandagen an den verletzten Körperstellen und das<br />

Bild, das ich in einer der verglasten Telefonkabinen auf dem<br />

Bellevueplatz in Zürich abgab, konnte nicht surrealer sein. Die Passanten<br />

begannen schon mich anzustarren. Leider hatte mein Freund gerade<br />

seine Eltern zu Besuch. Die kommen nur alle drei oder vier Jahre zu ihm<br />

und ausgerechnet an diesen Tagen war es wieder soweit. Ein Treffen mit<br />

ihm war deshalb nicht möglich. Ich habe ihm nur sagen können, dass ich<br />

zurück aus Argentinien sei und es mir nicht gut gehe. Ein Anruf bei<br />

meiner Exfreundin, die weit weg von Zürich wohnte, brachte etwas<br />

emotionale Erleichterung. Als ich mich später vom Wirt des „Blockhus‚<br />

verabschiedete, traf ich per Zufall im Restaurant unten eine Frau wieder,<br />

die ich vor zwei Monaten kennen gelernt hatte. Die nette,<br />

alleinerziehende Deutsche Mutter arbeitete im Schauspielhaus oben am<br />

Heimplatz. Unter anderen Umständen wäre vielleicht was aus uns<br />

geworden. Als sie mich dann so sah, konnte sie erst ihre Verwunderung,<br />

dann ihren Schock und später ihre Abneigung nicht verbergen. Schade!<br />

Wir hatten uns sehr gut verstanden.<br />

Nach meiner letzten Nacht im Zimmer in Zürich, ging die Reise<br />

abermals nach Vaduz. Aus Schamgefühl wollte ich nicht bei meinem<br />

Vater und meiner Stiefmutter in deren Haus leben. Da ich aber auch<br />

nicht alleine irgendwo hausen wollte und ein Aufenthalt im Spital nicht<br />

notwendig und angebracht war, blieb mir nur die Möglichkeit, ein<br />

97


kleines Zimmer im Altenheim übrig. Das heisst, der Staat bot es mir an.<br />

Zumindest für die erste Zeit. Dort wurde für warmes Essen und reine<br />

Wäsche gesorgt. Mit Sack und Pack zog ich also nach Eschen im<br />

Liechtensteiner Unterland, in das Betreuungszentrum St. Martin in der<br />

Dr. A. Schädler-Strasse ein. Mein Zimmer war im unteren Stock, schön<br />

möbliert und mit eigener Dusche ausgestattet. Aussicht auf blühende<br />

Wiesen, die ab und zu von gefrässigen Huftieren abgegrast wurden.<br />

Frühstück und Mittag- sowie Abendessen wurden in zwei Schichten<br />

serviert. Ich durfte aber kommen und gehen wann ich wollte und war<br />

auch vom obligaten Meldesystem in Bezug auf die Menueauswahl<br />

befreit.<br />

Meine beiden Nachbarn, links und rechts, waren auch keine echten<br />

Rentner. Etwas älter als ich und mit grossen zwischenmenschlichen<br />

Problemen überladen. Drei Zimmer weiter war eine freundliche und<br />

liebenswerte italienische Dame für kurze Zeit auch Gast im Altersheim.<br />

Ich kannte sie aus meiner Kindheit in Schaan, wo ihre beiden Söhne mit<br />

mir in die Schule gegangen waren. Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr<br />

gesehen. Sie wurde hier in Sicherheit vor ihrem gewalttätigen Ehemann<br />

untergebracht. Ich habe sie anschliessend nie wieder getroffen. Ihre<br />

liebenswerte Eigenart kam unter tragischen Umständen wieder in mein<br />

Bewusstsein. Sechs Jahre später, im Juli 2003, zog ich ausgerechnet in<br />

jene frisch gestrichene 1-Zimmerwohnung im Mehrfamilienhaus am<br />

Buchenweg 1 in Vaduz ein, wo sie sich kurz davor das Leben genommen<br />

hatte. Angemietet und neu möbliert wurde diese Wohnung für mich<br />

durch die Bank des Fürst von Liechtenstein – Hans-Adams LGT Bank.<br />

Das Leben im Altersheim war voller Überraschungen. Ich fügte mich in<br />

den geordneten Rhythmus des Altersheims stillschweigen ein, trotz<br />

meines verzigfache Energieüberschusses im Vergleich zu den<br />

Mitbewohnern. Stundenlange Diskussionen mit den 70-80-Jährigen<br />

waren sehr aufschlussreich und spannend. Mit der Zeit lernte ich sie alle<br />

persönlich kennen, wobei ich meine Erlebnisse in Argentinien nicht mit<br />

ihnen teilte, nicht teilen wollte. Das Essen war erstklassig und die<br />

sprichwörtliche Friedhofsruhe war schon wieder wohltuend. Toll war,<br />

dass ich jeweils am Abend dank der frühen Gute-Nacht-Stunde meiner<br />

Mitbewohner, eigener Herr über die TV-Fernbedienung und somit den<br />

Fernseher war. Ich kann nur jedem empfehlen, wenigstens einmal sich<br />

das Leben in einem Altersheim genau anzuschauen; ich versichere Euch,<br />

98


ihr werdet ganz anders über alte Menschen und speziell euer eigenes<br />

"älter werden" nachdenken. Nicht das es an Geld je mangelt, aber auch<br />

in einem so reichen Land wie Liechtenstein ist das Seniorenheim ein<br />

(geistiges) Abstellgleis für viele alte Bürger. Vor allem für jene, die keine<br />

eigenen Familienmitglieder mehr haben oder deren eigenes Fleisch und<br />

Blut den "Wir-besuchen-die-Alten-NIE" – Bazillus pflegen. Es war<br />

traurig mit anzusehen, wie viele der Bewohner tagein, tagaus<br />

anspruchslos auf den unvermeidbaren Sensenmann warteten.<br />

Ich hatte immer noch Schmerzen im Hals und an beiden Handgelenken.<br />

Mein vorher sehr gutes Gedächtnis und meine Konzentrationsfähigkeit<br />

haben unter der Tortur und dem Stress der letzten Wochen stark<br />

gelitten. Ich verbrachte die Tage damit, viel nachzudenken, mich wieder<br />

aufzufangen und mein Kampf gegen die Täter zu organisieren und<br />

aufzunehmen. Schon wenige Tage nach meiner Anzeige bei der Polizei<br />

in Vaduz begann ich, umfassende Schriftstücke mit mehr Details und<br />

Erklärungen zu den Tätern zu verfassen und sie den Behörden zu<br />

übergeben.<br />

Erstaunlicherweise hatte ich überhaupt keine Mühe, mit mir vorher<br />

unbekannten Menschen ausführlich über das Ertragene zu reden,<br />

insbesondere mit den Untersuchungsbehörden. Ganz anders war dies<br />

mit jenen, die mir nahe standen. Da hatte ich oft Angst vor deren<br />

Reaktion. Weil mein Schmerz ja fast unfassbar war. Ganz zu schweigen<br />

von dem Stigma einen Selbstmordversuch gemacht zu haben. Nach und<br />

nach traten also immer mehr neue Leute in mein Leben, die sich<br />

beruflich mit dem "Ausgang meiner Argentinienvisite" befassen<br />

mussten. Viele von ihnen würden Jahre später noch eine wichtige Rolle<br />

in dieser Geschichte spielen.<br />

Da war die Ärztin Dr. Silvia Rheinberger aus Vaduz. Meine Hausärztin.<br />

Eine äusserst kompetente und mitfühlende Person. Nach solch<br />

messerscharfen Schnitten am Handgelenk wie ich sie hatte, wird oft<br />

untersucht, ob die Nervenstränge wieder zusammenwachsen und keine<br />

Schwächung der Empfindsamkeit zurückbleibt. Gott sei Dank hatte ich<br />

im Kerker in Argentinien auch keine medizinische Kenntnisse darüber,<br />

wie man "erfolgreich" die Hauptblutader am Handgelenk durchtrennt:<br />

nämlich tief und parallel zum Arm und nicht quer, wie ich es tat. Nach<br />

gründlicher medizinischer Prüfung aller Verletzungen überwies sie mich<br />

an einen Spezialisten beim Spital St. Gallen. Zum Glück war keine<br />

99


neurologische Operation nötig. Heute noch empfinde ich nur beim<br />

Fingernagelschneiden an der linken Hand ein kleines Kribbeln in den<br />

Fingern und im Handgelenk. Dadurch dass ich Rechtshänder bin, war<br />

der Schnitt an meinem linken Handgelenk etwas tiefer, da ich motorisch<br />

automatisch mehr Druck und Kraft mit der rechten Hand ausübte. Es<br />

wurden somit die durchlaufenden Nervenstränge mehr in<br />

Mitleidenschaft gezogen.<br />

Erst zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Argentinien war ich<br />

innerlich so weit, auch meinen Vater und die Stiefmutter persönlich für<br />

etwas längere Zeit zu treffen. Sie waren sehr mitgenommen von der<br />

ganzen Geschichte und versicherten mir – falls erforderlich – mir<br />

finanziellen und sonstigen Beistand für den juristischen Kampf um die<br />

Gerechtigkeit zu leisten.<br />

Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Opfern: jene die nach grausamen<br />

Erlebnissen nur schweigen können und oft einsam und depressiv<br />

werden. Und die anderen, zu denen glücklicherweise ich gehöre, die sich<br />

LAUT und STARK äussern können.<br />

100


Kapitel 3 Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld<br />

Eine weitere Dame, die Staatsanwältin Alma Willi aus Balzers, sollte für<br />

die ersten paar Jahre meine ganze Hoffnungsträgerin sein. Als erste<br />

Amtshandlung hatte sie gerichtlich feststellen lassen, dass Liechtenstein<br />

in diesem Fall (Aktennummer 10 Vr 101/97, Landgericht Vaduz- kurz<br />

der „101er‚) eine juristische Zuständigkeit besass. Dies war deshalb der<br />

Fall, weil das Verbrechen als geschlossene Tat angesehen werden<br />

konnte, also die Entführung, Freiheitsberaubung, schwere Erpressung<br />

und schwere Nötigung zusammen mit der unberechtigten Annahme<br />

oder Übernahme meines Sparbuchs in VADUZ durch den Mittäter<br />

Kroschel. Über diesen Bescheid war ich sehr erfreut. Das weitere<br />

Verhalten der Staatsanwaltschaft (STA) in Vaduz spielte eine<br />

massgebliche Rolle, warum sich ein anderes Unheil ab dem Jahr 2002<br />

zusammenbrauen würde.<br />

Der meinem Fall zugewiesene Untersuchungsrichter (UR) war der<br />

Landrichter Dr. Paul Meier. Als ich ihn zum 1. Mal treffen konnte, war<br />

meine Akte schon mit vielen Schriftstücken seitens der Polizei, der STA<br />

und von mir gefüllt. Ich war heilfroh, dass er ein offenes Ohr hatte. Ich<br />

erkannte sofort, dass er äusserst qualifiziert war. Nie sollte ich mich in<br />

ihm täuschen. Ich hatte mich sogleich als so genannter Privatbeteiligter,<br />

was mir als Opfer einige Rechte gibt, am Strafverfahren (101er) gegen die<br />

diversen Täter beteiligt. Ferner unterstütze mich auch der geachtete<br />

Rechtsanwalt (RA) Dr. B. Hirn (mit solchem Nachnamen muss man ja<br />

ein RA werden), ein Österreicher, der eine Kanzlei in Feldkirch und in<br />

Vaduz hatte.<br />

Bei der ersten Vernehmung durch den UR Dr. Meier war ich etwas<br />

nervös, da ich Angst hatte, irgendein der vielen wichtigen Details, die<br />

ich auf Tonband bei der Polizei Wochen zuvor ausgesagt hatte, zu<br />

vergessen oder zu verwechseln. Alles lief aber gut. Aufgrund der<br />

massiven Schwere der Taten (schwere Erpressung, schwere Nötigung,<br />

Körperverletzung, Freiheitsberaubung u.s.w.), die nach Strafgesetzbuch<br />

jeweils pro Delikt eine Maximalstrafe zwischen fünf und zehn Jahren<br />

Gefängnis vorsehen, war es für den UR Dr. Meier sehr wichtig, ein<br />

rechtsmedizinisches Gutachten bezüglich aller Körperverletzungen<br />

erstellen zu lassen, zusätzlich zu meiner ausführlichen, an Details nicht<br />

zu überbietenden Wiedergabe des brutalen Verbrechens, sowie der<br />

101


Faktenlage zu der versuchten Erpressung. Seine Wahl fiel auf den<br />

ausgewiesenen Univ. Dr. Paul Umach, Facharzt der Gerichtlichen<br />

Medizin in Innsbruck, Österreich. Dr. Umach hat mich dann im<br />

Altersheim in Eschen am 25. Juni 1997 besucht, befragt und untersucht.<br />

Sein Gutachten gebe ich im OT hier wieder:<br />

Anm.: Das Kapitel Eins (I.) bis zur erste Hälfte von Kapitel Drei (III.). seines<br />

Gutachtens beinhalten eine Zusammenfassung des Auftrages des UR, meine<br />

Schilderungen aus der Anzeige und die Angaben des Spital Vaduz. Da all dies<br />

schon in diesem Buch erwähnt ist, beginnt der Originaltext ab der Mitte des III.<br />

Kapitels.<br />

(III.)


ausstrahlenden Schmerz in die beugeseitigen Langfinger<br />

gegeben. Die Beweglichkeit der Langfinger ungestört, die<br />

Beweglichkeit des Daumens insofern eingeschränkt, als das<br />

Abspreizen nur unzureichend möglich ist im Vergleich zu rechts.<br />

Die Sensibilität im Bereich der Finger und der linken Hand<br />

ungestört. An der Beugeseite des rechten Handgelenkes, quer<br />

verlaufend, eine 5 cm lange, rote, etwas verbreiterte<br />

Narbenbildung mit den Spuren nach drei Wundnähten.<br />

Sensibilität und Motorik im Bereich der rechten Hand und der<br />

Finger rechts nicht gestört. An der hinten Aussenseite der rechten<br />

Wade, zwischen 30 und 31 cm über der Fusssohle gelegen, war<br />

eine rundliche, im Durchmesser 1 cm haltende bräunliche<br />

Narbenbildung mit strahlig-narbiger Oberfläche gegeben.<br />

Unterhalb dieser Narbe in einer mittleren Höhe von 26,5 cm über<br />

der Fersensohle, war eine etwa 8 mm messende, oval gestaltete<br />

bräunliche Narbenbildung mit strahliger Oberfläche gegeben,<br />

etwas innerhalb davon eine gleichartige reiskorngrosse Narbe.<br />

An der hinteren Aussenseite des rechten Beines, 20 cm über der<br />

Fersensohle lokalisiert, war eine praktisch horizontal<br />

verlaufende, 1,3 cm lange und bis 3 mm breite rötlich-braune<br />

Verfärbung der Haut ohne Veränderung der Hautstruktur wie<br />

nach abgeheilter Hautabschürfung gegeben.<br />

IV. Nach den Unterlagen ist festzustellen, dass bei Heinrich<br />

Kieber Narbenbilder vorliegen, welche als Folge angeblich<br />

verschiedener Tathandlungen und Ereignisse eingetreten sein<br />

sollen. Die Verletzungen sind im Ambulanzbericht des<br />

Krankenhauses Vaduz beschrieben und auch lichtbildmässig<br />

dokumentiert. Sowohl nach dem dortigen Befund als auch dem<br />

jetzigen Narbenbefund ist davon auszugehen, dass die<br />

Verletzungen des Heinrich Kieber tatsächlich in jenem Zeitraum<br />

zustande kamen, welcher von ihm angegeben wird. Es ist<br />

natürlich nicht möglich, eine Zuordnung auf Tage genau zu<br />

treffen, jedoch ist es auszuschliessen, dass von den bei Heinrich<br />

Kieber befundenen Verletzungen bzw. jetzigen Narbenbildern<br />

eine oder mehrere wesentlich früher zustande gekommen wären<br />

als in der letzten Märzwoche 1997, wie von Kieber berichtet.<br />

Folgt man den Angaben des Heinrich Kieber, so sollen die<br />

Verletzungen am rechten Unterschenkel mit der Tathandlung<br />

103


durch Dritte in Zusammenhang stehen. Nach dem Narbenbild ist<br />

festzustellen, dass die beschriebenen Narben im knienahen<br />

Bereich des rechten Unterschenkels eindeutig auf<br />

Hitzeinwirkung zurückzuführen sind und es sich um sog.<br />

Verbrennungsnarben handelt, während die unterste quer<br />

verlaufende Narbe ihrer Struktur nach für eine oberflächliche<br />

Hautverletzung im Sinne einer Hautabschürfung spricht und<br />

durchaus mit jener Kanteneinwirkung der angebrachten<br />

Metallmanschette in Zusammenhang gebracht werden kann in<br />

der Form, wie dies von Kieber auch berichtet wird. Somit können<br />

diese Verletzungen am rechten Unterschenkel zum einen auf<br />

Verbrennungseinwirkung durch möglichen Funkenflug beim<br />

Schweissen, zum anderen durch Einwirkung der beschriebenen<br />

Metallmanschette zur Kettenanlage am rechten Bein<br />

zurückgeführt werden. Diese Verletzungen sind in ihrer<br />

Gesamtheit wohl noch als solche medizinisch an sich leichten<br />

Grades anzusprechen mit einer Gesundheitsschädigung oder<br />

Berufsunfähigkeit, welche an die 24-Tage-Grenze wohl<br />

heranreichte, diese aber nicht überschritt.<br />

Die zurückgebliebenen Narbenbildungen an der Beugeseite des<br />

linken und rechten Handgelenkes sind typisch für die Zufügung<br />

sog. Pulsaderschnitte im Rahmen von Suizidversuchen, wobei<br />

am linken Handgelenk offenbar auch der Mittelnerv etwas in<br />

Mitleidenschaft gezogen wurde mit den vorübergehenden<br />

Sensibilitätsstörungen im Bereich des Daumens und der Finger<br />

und der minimalen Bewegungseinschränkung. Aus derart<br />

angelegten Pulsaderschnitten kommt es nicht zu schweren<br />

Blutungen und insbesondere nicht zu solchen, welche<br />

lebensbedrohlich wären, da bei dieser Schnittführung grosse<br />

arterielle Gefässe nicht getroffen werden und somit der<br />

Blutverlust in engen Grenzen bleibt. Die Narben sind jung, die<br />

zurückgebliebenen Narbenspuren zeigen, dass eher unkundige<br />

Wundversorgung primär stattgefunden hat, was auch aus dem<br />

Arztbericht des Krankenhauses Vaduz unschwer abzuleiten ist.<br />

Die Verletzungen am Hals können von verschiedenen<br />

Tathandlungen herstammen. Die an der linken Halsvorderseite<br />

gelegenen etwa quer bzw. schräg von hinten oben nach vorne<br />

unten verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel, beide<br />

etwa 6 cm lang, sind als Narben nach Schnittverletzungen<br />

104


anzusprechen, wobei der Schnitt von hinten oben nach vorne<br />

unten geführt wurde. Diese Schnittführung ist für einen<br />

Rechtshänder, welcher sich durch Halsschnitte vom Leben zum<br />

Tod befördern will, typisch. Natürlich sind die von Heinrich<br />

Kieber verwendeten Klingen eines Einwegrasierers diesbezüglich<br />

nur ein bedingt taugliches Mittel, mit welchem nicht so weit in<br />

die Tiefe geschnitten werden kann, dass es auch zu einer<br />

entscheidenden Verletzung eines arteriellen Gefässes kommt. Der<br />

Schnitt war aber über der Halsschlagader lokalisiert, allerdings<br />

zu oberflächlich. Eine mehrläufige Narbe befindet sich bei<br />

Heinrich Kieber direkt über der Drosselgrube mit<br />

unregelmässiger Gestaltung, etwa an jener Stelle, wo auch bei<br />

einem therapeutischen Luftröhrenschnitt durch die Weichteile<br />

eingegangen wird, um einen direkten Zugang zur Luftröhre zu<br />

erreichen. Die über der Luftröhre hier liegenden Weichteile sind<br />

dünn, sodass durch eine Sticheinwirkung hier sehr leicht eine<br />

Eröffnung der Luftröhre möglich ist ohne relevante Verletzung<br />

benachbarter Organstrukturen. Wenn Heinrich Kieber nun<br />

angibt, hier ein dreieckiges Stück eines Glassplitters eines<br />

Fensterglases angesetzt und hinein- gedrückt bzw.<br />

hineingeschlagen zu haben, den Splitter wieder etwas<br />

herausgezogen und gedreht und nochmals hineingestossen zu<br />

haben, so würde sich daraus nicht nur das unregelmässige<br />

Narbenbild über der Drosselgrube erklären, sondern auch die<br />

Angabe des Verletzten erklärbar sein, dass er Luft heraus pfeifen<br />

gehört habe und auch eine Art Schleim gespürt habe, bei dem es<br />

sich offensichtlich um Bronchialschleim gehandelt hat. Auch die<br />

v-förmige Verletzung etwas rechts der genannten Narbengruppe<br />

oberhalb des rechten Schlüsselbeins wäre als<br />

Glassplitterverletzung durchaus möglich. Auch hier wurden<br />

offensichtlich entscheidende tiefer liegende Strukturen nicht<br />

erwischt.<br />

V. Zusammenfassend sind die gegenständlichen Verletzungen<br />

des Heinrich Kieber nach dem eigenen Untersuchungsbefund<br />

und in Beachtung der Unterlagen des Krankenhauses Vaduz<br />

junge Verletzungen, welche durchaus in dem in Rede stehenden<br />

Zeitraum 26. 3. 97 bis 2. 4. 1997 entstanden sein konnten.<br />

Auszuschliessen ist, dass diese Verletzungen oder ein Teil<br />

105


derselben wesentlich früher als in diesem bezeichneten Zeitraum<br />

entstanden wären. Jene Verletzungen, welche Heinrich Kieber<br />

von fremder Hand zugefügt wurden, sind diese am rechten<br />

Unterschenkel lokalisierten. Es handelt sich dabei um drei<br />

Verletzungsmerkmale, wie sie typischerweise nach<br />

Verbrennungen auftreten, die am weitesten am Unterschenkel<br />

unten gelegene Verletzungsmarke ist eine solche, wie sie nach<br />

primär etwas tiefer reichender Hautabschürfung zurückbleibt<br />

und ist der Lokalisation und Form nach durchaus möglich als<br />

Einwirkung des oberen Randes der behaupteten<br />

Metallmanschette, wie sie von Kieber beschrieben wurde. Diese<br />

Verletzungen sind insgesamt noch als medizinisch an sich<br />

leichte Körperverletzungen anzusprechen mit einer<br />

Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, welche an die<br />

24-Tage—Grenze wohl heranreichte, diese aber nicht überschritt.<br />

Die Verletzungen an der Beugeseite des linken und rechten<br />

Handgelenkes sind Schnittverletzungen, welcher ihrer Art und<br />

Lokalisation nach typisch für Suizidversuche sind mit<br />

anschliessender eher laienhafter Wundversorgung. Bei jenen<br />

zwei an der linken Halsseite mehr oben gelegenen, schräg<br />

verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel handelt es<br />

sich um Zustände nach Schnittverletzungen eher oberflächlicher<br />

Art, wobei die Schnittrichtung von hinten oben nach vorne unten<br />

anzugeben ist. Diese Verletzungen konnten durchaus durch<br />

eigene Hand mit einer Rasierklinge zugefügt worden sein. Die im<br />

Bereich der Drosselgrube zurückgebliebene unregelmässige,<br />

mehrfach geschenkelte Narbenbildung wäre zwanglos erklärbar<br />

durch ein Vorgehen, wie von Heinrich Kieber geschildert, dass<br />

nämlich die Spitze einer Glasscherbe hier eingestossen wurde,<br />

wobei von einem mehrfachen Einstechen mit verschiedener<br />

Richtung der Glasscherbe ausgegangen werden kann, ohne dass<br />

die Glasscherbe jeweils aus der Wunde ganz herausgezogen<br />

wurde. Bei einem solchen Vorgehen ist auch eine Anspiessung<br />

der Luftröhre, welche hier sehr oberflächlich unter den<br />

Weichteilen liegt, zwanglos möglich. Eine Selbstheilung der<br />

Luftröhrenverletzung ohne weitere operative Massnahmen ist<br />

möglich und nicht ungewöhnlich, zumal offensichtlich ja die<br />

Weichteilwunden selbst mit Nähten, wenn auch nicht sehr<br />

kundig, versorgt wurden. Die weitere Narbe an der Halsseite<br />

106


echts oberhalb des Schlüsselbeins wäre ebenfalls durch<br />

Einwirkung einer Glasscherbe erklärbar, ohne dass hier relevante<br />

bzw. tiefer reichende und schwerwiegendere Verletzungen<br />

entstehen. Insgesamt ist festzustellen, dass das befundene<br />

Narben- und Verletzungsbild aus gerichtsmedizinischer Sicht<br />

durchaus mit den Schilderungen des Heinrich Kieber in Einklang<br />

gebracht werden kann.<br />

Innsbruck, 16. 7. 1997, (gez.) Dr. Paul Umach.<br />

Als ich dann eine Kopie des gerichtsmedizinischen Gutachtens erhalten<br />

hatte, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Als Opfer hat man immer<br />

Angst, die Leute würden einem nicht oder nur teilweise glauben. Ich<br />

hatte eigentlich soweit Glück, da es an der Glaubhaftigkeit meiner<br />

Anzeige und all meiner Aussagen seitens der Polizei und dem Gericht in<br />

Vaduz absolut nie Zweifel gab.<br />

In den verbleibenden Monaten des Jahres 1997 war ich praktisch ein<br />

Dauerbesucher beim Landgericht Vaduz gewesen. Drei bis vier Mal pro<br />

Monat habe ich, oft ohne Termin, beim UR angeklopft und höflich<br />

gefragt, wie der Stand der Dinge sei. Alles ging sehr langsam voran. Er<br />

sagte mir, dass seine Hände gebunden seien, er könne faktisch nur auf<br />

Antrag oder Anweisung der STA handeln, so will es die<br />

Strafprozessordnung (StPO). Es ist die dienstliche Pflicht der STA, den<br />

schweren Beschuldigungen juristisch auf den Grund zu gehen und<br />

mittels der gesetzlichen Macht und den weitreichenden Hilfsmitteln hat<br />

die STA die Möglichkeit dazu. Ich nahm meine Rolle als Privatbeteiligter<br />

sehr ernst und nutzte 100fach die Gelegenheit, um der so genannten<br />

Wahrheitsfindung zu dienen.<br />

Leider nutzte die STA ihre Macht zur Nachforschung nicht aus.<br />

Unglaubliches passierte. STA Alma Willi, als die anklagende Behörde,<br />

hatte es nie für notwendig angesehen, mit mir persönlich zu reden. Im<br />

Gegensatz zum UR Dr. P. Meier, dessen Bürotüre immer für mich offen<br />

stand, habe ich mit ihr in der Zeit nur einmal kurz zwischen Tür und<br />

Angel reden können und dies auch nur per Zufall, da sich ihr Büro<br />

damals noch in demselben Gebäude wie das Landgericht befand.<br />

Dialoge mit dem Opfer waren nicht ihre Stärke. Sie war sehr kurz<br />

angebunden, bestätigte mir aber, dass die STA an der Anklage arbeiten<br />

würde. Ich hatte immer Respekt und Anstand vor den Behörden gezeigt<br />

107


und mit dieser für mich wichtigen Aussage seitens der STA war ich<br />

mehr als zufrieden.<br />

Dazu muss man folgendes wissen:<br />

Gerade ab dem Jahr 1997 kam das Land Liechtenstein immer stärker<br />

unter Beschuss von diversen Europäischen Staaten und den USA, direkt<br />

oder über die OECD (Organisation for Economic Cooperation and<br />

Development) oder der FATF (Financial Action Task Force). Wegen<br />

Geldwäschereivorwürfe, Billigung und Förderung von Steuerbetrug und<br />

–hinterziehung, Unterstützung der organisierten Kriminalität und<br />

generell als Steuerparadies.<br />

Der Druck stieg auch mit dem exklusiv für die damalige deutsche<br />

Regierung eigentlich als vertraulich klassifizierten BND-Bericht von 1999<br />

über die kriminellen Netzwerke der Liechtensteiner Finanzwelt. Diese<br />

schimpfte öffentlich über den BND und Deutschland sowieso, schickte<br />

den Liechtensteiner Regierungschef samt Gefolge nach Berlin, um die<br />

alle (wieder) Milde zu stimmen. Zu Hause aber lachten sie hinter<br />

vorgehaltener Hand: "Fast hätte es uns erwischt!". Die hohen Finanz-<br />

Herren hatten das Glück, dass der Hauptzuträger des BNDs (aus<br />

Quellen von 1997 und 1998) selber kein "vorbildlicher Treuhänder" war,<br />

da er in verdächtige Geldverschiebungen und Aktionen im Ländle<br />

verwickelt war. Wir in Liechtenstein wussten, was dem BND 1997 nicht<br />

gelang, und ihm daher für das vollständige Bild fehlte: einen tiefen<br />

Einblick in die "Dunkelkammer" der betroffenen Banken und<br />

Treuhänder, wo die ultimativen, beweiskräftigen Dokumente lagern!<br />

Diese "Unvollständigkeit" sollte dem BND Jahre später nicht mehr<br />

passieren.<br />

Auch der Inhalt der berühmten CD vom Treuhandbüro "Dr. Dr. Batliner"<br />

aus Vaduz sorgte für reichlich Aufsehen. 1996 hatte ein Mitarbeiter<br />

Batliners die CD mit nach Hause genommen, später gelangte sie in die<br />

Hände der Medien und der deutschen Behörden. Es folgten massenhafte<br />

Steuer-Strafuntersuchungen und seitenweise negative Berichte in den<br />

deutschen Medien. Auf einmal war das kleine Liechtenstein nicht nur in<br />

aller Munde sondern auch in Verruf geraten. Selbst Hans-Adam war<br />

gezwungen öffentlich seinen "sauberen Finanzplatz" zu verteidigen. Er<br />

erkannte an, dass die Ausstattung der Untersuchungsbehörden (STA,<br />

Justiz und die Kripo) in seinem Land in personeller als auch technischer<br />

108


Hinsicht schon lange nicht mehr den damaligen Anforderungen<br />

entsprach.<br />

In aller Eile wurde Anfang 2000 ein Sonderstaatsanwalt, Dr. Kurt Spitzer<br />

aus Österreich sowie mehrere ausländische Spezialisten mit grossem<br />

multimedialem Pomp von Hans-Adam persönlich angestellt und<br />

dirigiert, um das Böse im Ländle auszurotten. Wie in einem<br />

Fasnachtsumzug wurden diverse Persönlichkeiten aus Liechtenstein<br />

(z.B. die Herren Marxer & Ritter etc.) abgeführt, gar (kurzzeitig)<br />

verhaftet und später auch angeklagt. Es wurden Büroräume durchsucht,<br />

Treuhand- und Bankendokumente beschlagnahmt, grosse<br />

Untersuchungsberichte angefertigt und noch grössere Prozesse<br />

angekündigt.<br />

"Dr. SPITZER hat aufgeräumt" jubelte Hans-Adam. Was das Ausland<br />

nicht mehr mitbekommen hatte, war die Realität. Denn schlussendlich<br />

wurde niemand aus der Gruppe der Beschuldigten Banker und<br />

Treuhänder je rechtsgültig verurteilt (abgesehen von kleineren<br />

Vergehen). Im Gegenteil, die Regierung in Vaduz musste Jahre später<br />

nach praktisch geheimen Verhandlungen sehr hohe<br />

Entschädigungssummen an sie auszahlen. Wir in Liechtenstein<br />

verurteilen prinzipiell keine Banker oder Treuhänder nur weil sie<br />

Geldwäscherei fördern oder billigen oder Steuerbetrug und -<br />

hinterziehung aktiv unterstützen.<br />

Erst Jahre später wurden neue – angeblich von den Finanzmachthabern<br />

unabhängige – Aufsichtsbehörden geschaffen, um dem ständigen Druck<br />

vom Ausland entgegenzuwirken: zum Beispiel die FIU (Financial<br />

Intelligence Unit) im März 2002 oder im Mai 2004 die FMA (Finanz<br />

Marktaufsicht). Auch wurden neue Sorgfaltspflicht- und andere<br />

Finanzgesetze erlassen. All dies hauptsächlich zum Gefallen der<br />

ausländischen Behörden, staatlichen Organisationen und den lästigen<br />

Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s).<br />

All diese hektischen Aktivitäten über Jahre hinweg seitens der Justiz, der<br />

STA und der Regierung hatten zur Folge, dass praktisch keine Zeit da<br />

war für die Arbeit an den anderen bei Gericht oder STA liegenden Fällen<br />

wie der meine. "Das (verfluchte) GELD" hatte eben IMMER Vorrang!!<br />

Ohne Übertreibung kann ich fest behaupten, dass ich als Opfer<br />

(nicht nur in der Rolle als Privatbeteiligter am Prozess) alles nur<br />

denkbare und Menschenmögliche gemacht habe, um der STA und dem<br />

UR bei ihrer Arbeit zu helfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich die<br />

Arbeit der STA getan. Ich habe im Jahr 1997 (bis Ende 2002) Hunderte<br />

109


von Seiten niedergeschrieben, Akten angefertigt, Fotos gemacht und<br />

Modelle bauen lassen. Alles jeweils in dreifacher Form; 1x für UR, 1 x für<br />

STA und 1 x für meinen RA Dr. Hirn.<br />

Da ich nicht verlangen kann, dass die Justiz sich zum Tatort nach<br />

Argentinien begibt, habe ich bildlich, fotografisch und im Modell den<br />

Tatort nach Vaduz gebracht. Am Anfang war ich sogar naiv genug in<br />

einem Schreiben an den UR Dr. Meier die Möglichkeit nach einer Reise<br />

zum Tatort zu erfragen. Nur unter höchstem Polizeischutz natürlich.<br />

Nicht das ich nochmals im Kerker auf der Farm lande. Ich war im<br />

Glauben, dass eine solche Reise, unter Aufsicht von Interpol<br />

Argentinien, durchführbar wäre. Selbst wenn die Täter den<br />

Gefängnisturm mit einem Hochdruckreiniger gereinigt hätten,<br />

Kriminalspezialisten sollten in der Lage sein, immer noch Blutspuren<br />

von mir zu finden. Abgesehen davon müssten noch die Spuren der Kette<br />

(an der Wand), an dem wohl ausgetauschten neuen Fenster u.s.w. zu<br />

finden sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass ausländische<br />

Strafverfolgungsbehörden in ein anderes Land reisten, um einen Tatort<br />

anzusehen. Dies habe ich alles dem UR geschrieben. Leider war eine<br />

solche Reise (mit mir oder ohne mich) nicht machbar. Die STA hätte es<br />

nicht bewilligt. Ich war sehr enttäuscht. Zudem verstand ich es auch<br />

nicht, warum die STA nicht einmal via Interpol die Argentinier<br />

zumindest bitten konnte, den Turm und die Farm wenigstens zu<br />

besuchen und zu inspizieren.<br />

Genau nach dem Spruch "ein Bild sagt mehr als Tausend Worte" hatte<br />

ich schon im August 1997 den Auftrag für 3 Kohle-Zeichnungen gegeben<br />

und sie am 01.09.1997 zusammen mit einem Begleitschreiben dem UR<br />

übergeben. Kurz vor Weihnachten 1997 hatte ich auch das 1:1 Modell des<br />

Eisenfussrings und Eisenkette samt Mauerstück fertig und am 21.12.1997<br />

mit Fotomappe und Begleitschreiben dem UR überreichen. In der<br />

Fotomappe waren Fotos mit mir in diversen Situationen während der<br />

Gefangenschaft nachgestellt. Da niemand in Argentinien nachschauen<br />

gehen wollte, entschloss ich mich einen professionellen Nachbau in<br />

Auftrag zu geben. Im Februar 1998 war Nachbau des Kerkers (mit jedem<br />

kleinsten Detail) als dreidimensionales Modell fertig. Über 1000 Franken<br />

habe ich dafür bezahlt. Das Modell war auf einer ca. 0,5 cm dicken<br />

Holzplatte, 1,5 x 1 Meter gross, geklebt. Ich habe eine Serie von<br />

verschiedenen Fotos davon gemacht um die in meiner Anzeige bei der<br />

Polizei gemachten Angaben bildlich zu unterstützen. Diese Foto-Mappe<br />

110


mit exakten schriftlichen Hinweisen und Querverweisen auf die<br />

jeweilige Zeile aus der Anzeige, hatte ich am 17.2.1998 fertiggestellt und<br />

dem UR gebracht.<br />

Das 3D-Modell musste ein trauriges Ende nehmen - mehr dazu später<br />

im Buch.<br />

Mein Leben drehte sich nur um den 101er Akt! Alles andere war<br />

nebensächlich; zum Glück hatte ich aber meinen Humor nach meiner<br />

Rückkehr aus Argentinien nicht ganz verloren. Ich war natürlich auch<br />

jeden Tag froh, dass ich noch lebe und noch nicht in Depressionen<br />

verfallen war. Die tiefen seelischen Narben verursachten aber einiges an<br />

Nebeneffekten. So zum Beispiel als ich mit einem Freund einen Kinofilm<br />

der US-Regiebrüder Ethan und Joel Coen mit dem Titel FARGO im<br />

Freiluftkino in Vaduz ansehen wollte (es war im Sommer 1997 oder<br />

vielleicht auch 1998). Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Als<br />

jene Szene gezeigt wurde, wo die zwei Amateurkidnapper die Frau des<br />

Autoverkäufers aus ihrem Haus entführen wollten, wurde mir Kotzübel<br />

und ich musste von der Sitztribüne fliehen. Selbst Jahre später, als die<br />

(seelischen) Narben etwas verwachsen waren und ich den Film bei<br />

einem Freund per Zufall auf DVD sehen konnte, schaffte ich es zwar<br />

etwas länger sitzen zu bleiben, die Gewaltszenen sind einfach noch<br />

immer zu viel für mich. Obwohl ich weiss, dass es Schauspieler waren.<br />

Ich habe mir seit dieser Zeit nie wieder einen Gewaltfilm angesehen.<br />

Gerade als ich dachte, das Horrorjahr 1997 wäre bald vorüber, da wurde<br />

ich eines besseren belehrt. Auf einer meiner Gänge zum UR Dr. Meier,<br />

und dem obligatorischen Blick auf die ON-Liste<br />

(Akteninhaltsverzeichnis) des 101er, blieb mein Herz stehen und der<br />

Atem stocken: gemäss Eintrag gab es eine Beschuldigteneinvernahme<br />

von Helmut Roegele hier in Vaduz am 11.08.1997. Der nächste Eintrag<br />

auf der darunter liegenden Zeile war: (Eingang) "Schreiben von H.<br />

Kieber v. 11.08.1997". Ich konnte mich nicht gleich entscheiden, worüber<br />

ich mich am meisten massiv ärgern sollte:<br />

A) Dass der Haupttäter vernommen wurde – ohne dass das LG mich<br />

oder meinen RA informierte hatte und mir daher die Möglichkeit<br />

genommen hatte, als Opfer einen Input zur (geplanten Vernehmung)<br />

111


von Helmut Roegele zu machen (was ich als Privatbeteiligter am Prozess<br />

hätte machen dürfen)<br />

oder<br />

B) Dass ich offenbar einem "explosivem Schock" knapp entgangen bin,<br />

weil ich ja am selben Tag (08.11.1997) im Büro des UR Dr. Meier war, um<br />

ein Schreiben von mir in den Akt einfügen zu lassen. (All die Jahre habe<br />

ich immer jedes Schreibstück etc. persönlich bei Gericht abgegeben und<br />

nie per Post versandt).<br />

Es läuft mir heute noch – bald 12 Jahre später - eiskalt den Rücken<br />

runter, wenn ich nur daran denke, was es wohl in mir ausgelöst hätte,<br />

wäre ich wahrhaftig dem Helmut Roegele samt seiner Frau, meinen<br />

Peinigern & Folterern, in den Gängen des LG im August 1997 (ohne<br />

Vorwarnung oder Betreuung) begegnet. Ohne zu Übertreiben, ich hätte<br />

ihn und seine Frau vermutlich glatt platt gemacht. Zumindest<br />

symbolisch. Ich bin zwar absolut kein Mensch der Gewalt, ich ziehe das<br />

geschriebene Wort vor. Aber selbst als gut erzogener und intelligenter<br />

Mensch wäre mein Verlangen einfach nicht Unterdrückbar gewesen, den<br />

Tätern das selbe zu wünschen, was sie mir angetan hatten.<br />

Das sich Helmut & Co. überhaupt auf den Weg nach Vaduz trauten, war<br />

für mich rückblickend keine Überraschung. Sie konnten ja sehen und<br />

selbst erleben, dass die Behörden in Liechtenstein offenbar nicht gross<br />

handelten und die Sache sich lange, lange hinziehen würde.<br />

Sofort verlangte ich eine Kopie der Vernehmung. Ich kann es nicht in<br />

Worte fassen, was ich beim Lesen dieses Schriftstücks durchgemacht<br />

hatte. Ich verfluchte alle im Land. Zuerst war mir aufgefallen, dass die<br />

Frau von Helmut Roegele, die mit ihm in Vaduz gegenwärtig war,<br />

NICHT als Beschuldigte einvernommen wurde, sondern als Zeugin!?!?<br />

Völlig unverständlich für jeden Juristen. Obwohl ich ihre Taten im Detail<br />

aufgezeigt hatte und sie einen grossen Teil der Verantwortung der Taten<br />

übernehmen müsste. Ich bin ja kein Jurist, aber zum minimalen<br />

Verständnis einer Strafuntersuchung gehört die Vernehmung aller<br />

Beschuldigten. Der UR Dr. Meier sagte mir, dass die STA nur die<br />

Vernehmung von Helmut verlangt hatte und da seine Frau, Salud<br />

"praktischerweise" anwesend war, sie selber gerne eine Zeugenaussage<br />

machen wollte. Wie praktisch


Als ich die an den Haaren herbeigezogenen Antworten von Helmut auf<br />

die Fragen des UR gelesen hatte, bin ich emotional in ein tiefes Loch<br />

gefallen. Er bejahte, dass er zwar in Argentinien gewesen sei, die Sache<br />

mit dem Geld sei aber "freiwillig" geschehen, die Verletzungen seinen<br />

ein "Unfall" gewesen, ich hätte z.B. meine runden Verbrennungen auf<br />

der Rückseite (!) meiner rechten Wade dadurch geholt, indem ich<br />

angeblich zu nahe stand als ich einem Farmknecht beim Schweissen<br />

"zugeschaut" hätte. Völliger Mist. Wie soll dies gehen? Physikalisch gar<br />

nicht möglich: Wie kann ein Schweissfunke über mehrere Meter hinweg<br />

horizontal fliegen, zwischen meinen Beinen hindurch sausen und dann<br />

eine 180 Grad-Drehung machen, um hinten in der Mitte meiner Wade zu<br />

landen und sich dort einzubrennen? Verdammt noch mal – völliger Mist.<br />

In seiner Aussage bestätigte Helmut sogar, dass er (mit anderen) "ein<br />

wenig Druck" auf mich hätten ausüben müssen. Und spätestens hier<br />

hätte die STA massiv nachhacken sollen. Man kann es fast nicht glauben:<br />

Niemand hatte von Helmut gefordert, er solle im Detail erklären, was er<br />

mit "ein wenig Druck ausüben" gemeint hatte. Niemand! Er erklärte<br />

weiter, dass er keine Erklärung dafür hatte, warum ich, sobald ich (in<br />

Buenos Aires) alleine war, verzweifelt versuchte hatte, die ganze vorher<br />

angeblich von mir "genehmigte" Geldtransaktion zu stoppen obwohl<br />

doch alles so makellos "freiwillig" gewesen sein soll. In einer<br />

schriftlichen Eingabe an das LG Feldkirch hat Helmut behauptet, ich sei<br />

ja medizinisch bestätigt geistesgestört, hätte eine langjährige<br />

psychiatrische Betreuung abgebrochen und vor der Psychiatrie „auf der<br />

Flucht‚. Alles kompletter Unsinn. Nie im Leben war ich je in oder runter<br />

einer Psychiatrischen Behandlung. Aber Helmut war ja gezwungen<br />

Phantasie-Antworten zu geben, er musste ja seinen angeblichen<br />

Anspruch auf die Hälfte der Ausbeute der schweren Erpressung<br />

irgendwie untermauern und auch irgendwie die noch schweren<br />

Anschuldigungen (die schwere Nötigung, die Freiheitsberaubung, die<br />

schwere Körperverletzung etc) abwehren.<br />

Es dauerte einige Wochen, bis ich mich von diesem Schock erholt hatte.<br />

Es war wie eine zweite Folter.<br />

In der Zwischenzeit waren die Täter auch nicht untätig. Sehr erbost über<br />

seine misslungene Erpressung, insbesondere aus monetärer Sicht, ging<br />

Mariano in kellertiefe Deckung. Wenn ich heute so zurück denke, dann<br />

113


wünsche ich mir, ich hätte die Yacht (Holzboot) ANALIA verkauft.<br />

Kaufangebote hate ich einige. Ich bin 1995 extra wegen seiner<br />

Geldschuld mir gegenüber (bzw. Das NICHT-Bezahlen der Schuld) nach<br />

Barcelona gezogen. Um dort zu sein, wo er lebte. Auf meinen ständigen<br />

Druck hin hat er mir dann im September 1995 alle Aktien der spanischen<br />

Einzelf irma, die das Boot seit Jahren besass als Sicherheit für das<br />

Darlehen überschrieben. Ich wurde auch als einziger Direktor der Firma<br />

nominiert und registriert. Ein ganzes Jahr lang (von September 1995 –<br />

September 1996) gehörte das Boot mir. Zeitweise lebte ich auf dem Boot<br />

im Hafen. Der Grund warum ich es nicht verkaufte, war, weil er mir<br />

ständig in den Ohren lag und behauptetet, die ‚nächste Woche‚, im<br />

nächsten Monat‚.... werde er mir sicher das Darlehen samt Zins<br />

zurückbezahlen. Er wollte das Boot unbedingt wieder haben. Mit dem<br />

Boot hatte ich mehrheitlich nur Ärger. Wie er mein Boot ohne die<br />

Firmenaktie und ohne meine Unterschrift als Direktor Jahre (nach dem<br />

Argentiniendrama) später verkaufen konnte, ist sein kriminelles<br />

Glanzstück. Heute noch, im Jahr 2009, ‚warte‚ ich – wohl vergebens –<br />

auf seine Rückzahlung des Darlehens.<br />

Helmut und seine Frau aber wurden sich der zu Recht schweren<br />

Beschuldigungen sehr rasch bewusst (u.a. auf Grund diverser<br />

polizeilicher Vernehmungen in Deutschland, Österreich, Spanien und<br />

Liechtenstein) und musste daher rasch handeln. Er und seine Frau<br />

suchten dringend und verzweifelt nach einem Mittel, meine Position im<br />

Strafverfahren gegen sie in Liechtenstein zu "schwächen". Zu meiner<br />

grossen Bestürzung wirkten sie massiv auf die Behörden in Spanien ein<br />

(die natürlich vorher nichts von deren Verbrechen in Argentinien<br />

wussten) und erwirkten am 25. Mai 1997 (also knapp sechs Wochen nach<br />

Argentinien), und dies völlig zu unrecht, dass die spanischen Behörden<br />

einen internationalen Haftbefehl gegen mich ausstellten. Sobald ich<br />

durch meinen eigenen Rechtsanwalt in Spanien von dem internationalen<br />

Haftbefehl via LG Vaduz erfahren hatte, habe ich den zuständigen<br />

Richter in Barcelona ausfindig gemacht und ihm auf Spanisch einen 3seitigen<br />

Fax gesendet, worin ich zusammengefasst die Verbrechen der<br />

Täter schilderte und den Grund erklärte, warum ich derzeit nicht nach<br />

Spanien kommen konnte. Erst einige Jahre später habe ich erfahren<br />

können, dass in Barcelona Helmut vehement, schlussendlich ohne<br />

Erfolg, versucht hatte, den Eingang dieses Schreibens in den dortigen<br />

Akt zu verhindern.<br />

114


Ja, der Internationale Haftbefehl, was für ein "Segen" für die Täter. Damit<br />

versuchten sie, zumindest symbolisch immer darauf hinzuweisen, dass<br />

ich ja der Luzifer sei. Um es eindeutig richtig zustellen: Der Haftbefehl<br />

war nur deshalb ausgestellt worden, weil ich selber NICHT mehr nach<br />

Spanien gehen wollte und konnte. Und ich glaube alle meine Leser und<br />

Leserinnen können nachvollziehen, dass ich nach diesen abscheulichen<br />

Erlebnissen sicherlich KEINE Lust hatte, ins Land des Folterers Helmut<br />

zu gehen. Natürlich war es mir absolut nicht angenehm, einen<br />

internationalen Haftbefehl zu haben, aber ich rannte vor niemanden<br />

weg. Ich engagierte einen Rechtsanwalt in Spanien, der sich darum<br />

kümmerte. Die taktisch agierenden Täter hatten immer darauf gehofft,<br />

dass ich nach Spanien komme, um mich persönlich zu verteidigen und<br />

somit die Verfolgung ihrer schweren Verbrechen beim LG Vaduz für<br />

Jahre hinaus ins Stocken geraten würden oder gar eingestellt würden.<br />

Aber die absolute Priorität Nr. 1 (eigentlich die Einzige) für viele, viele<br />

Jahre seit dem 9. April 1997 war für mich die Verfolgung und Bestrafung<br />

aller Täter. Ich habe all mein Denken, meine Energie, meine Kraft und<br />

Zeit auf dieses Ziel konzentriert. Ich war sehr erfreut, dass die BAWAG<br />

Bank in Österreich den Diebstahl meines Gelds durch Rückabwicklung<br />

der Transaktion in sprichwörtlich allerletzter Minute, eigentlich Sekunde<br />

gelungen ist. Wahrhaftig unglaublich, dass dies der Bank gelang, da die<br />

Gelder (mit Ausnahme dessen, was sich der "Bote" Peter Kroschel<br />

einsteckte) schon bei der spanischen Korrespondenzbank der BAWAG in<br />

Madrid lagen. Die Gelder blieben bei der BAWAG Bank, bis ein Gericht<br />

entscheiden würde, was damit geschehen sollte. Die Täter kamen<br />

dadurch in radikalen (juristischen) Zugzwang. Um zu verhindern, dass<br />

ihre Verbrechen durch sie selber "bestätigt" werden würden, mussten sie<br />

ihren angeblichen echten Anspruch auf die nun blockierten Gelder<br />

schnell anmelden. Und schon konnten sich die Täter nicht mehr mit<br />

ihren Lügengeschichten zusammenhalten: Mariano hat erst gar nicht<br />

versucht, einen angeblichen Rechtsanspruch auf seine "Hälfte der Beute"<br />

beim LG in Feldkirch, Österreich oder irgendwo sonst anzumelden.<br />

Helmut Roegele und seine Frau waren sich um die Konsequenz eines<br />

"Nicht-Handelns" sehr bewusst und engagierten einen RA in Feldkirch.<br />

Wiederum erhofften sie sich einen Vorteil, da ein möglicher Zivilprozess<br />

um das Geld voraussichtlich beim LG in Feldkirch stattfinden würde<br />

und der internationale Haftbefehl mich daran hindern könnte, dort<br />

selber aufzutreten. Mein in Liechtenstein beauftragter RA Dr. Hirn hatte<br />

115


auch eine Kanzlei in Feldkirch und konnte somit für mich in der<br />

Zivilsache dort auch tätig werden.<br />

Was man so alles bedenken muss, wenn man einen internationalen<br />

Haftbefehl am Hals hat: Im Sommer 1997 hatte ich einen<br />

Mountainbikesturz auf der Essanestrasse in Eschen. Die dicke Schraube,<br />

die den Sitz an der Sitzstange festhält war urplötzlich während der Fahrt<br />

abgebrochen, der Sitz brach weg und ich war für Sekunden in der Luft<br />

gehangen, während das Velo alleine weiterrollte. Ich landete – mit dem<br />

Hintern zuerst – in der Mitte der stark befahrenden Hauptstrasse. Der<br />

Lastwagen hinter mir konnte gerade noch ausweichen, aber ein<br />

Personenwagen aus der Gegenrichtung machte kurzen Prozess mit dem<br />

Velovorderrad. (Nein, Hans-Adam hatte nicht an der Schraube gesägt,<br />

das Schicksal würde uns erst Jahre später enger zusammen führen). Ein<br />

Krankenwagen musste her und sie wollten mich ins nahe liegende Spital<br />

nach Feldkirch fahren. "NEIN, NEIN" rief ich. Ich gehe nur ins Spital<br />

Grabs, in der Schweiz auf der anderen Rheinseite. Wer weiss, wie lange<br />

ich im Spital liegen muss. Wäre ich in Feldkirch gelandet, hätten evt. die<br />

Täter davon erfahren und nach meiner Auslieferung von Österreich nach<br />

Spanien geschrien. Da war mir die Schweiz schon lieber!<br />

Ich hatte Glück, es war nur ein kleiner Bruch am Ende des Steissbeins<br />

und eine Verstauchung der unteren Wirbelsäule. Keine Operation<br />

notwendig. Ich musste aber für 9 Wochen tagsüber ein massgefertigtes<br />

Spannkorsett tragen. Gut für die Haltung. Mein RA Dr. Hirn hatte die<br />

Gelegenheit für Schadenersatz beim österreichischen Hersteller der<br />

Schraube gesehen und prompt zahlten sie ohne grossen Streit ca. 22'000.-<br />

Schweizer Franken: ging alles in meine Kriegskasse.<br />

Aus den ursprünglichen geplanten "paar Monaten" im Altersheim<br />

wurden es schlussendlich über acht Monate. Zu Beginn des neuen Jahres<br />

1998 zog ich in eine möblierte 1-Zimmer-Anliegerwohnung ins das<br />

schöne Balzers, im Liechtensteiner Oberland ein. Ich traute mich wieder<br />

etwas mehr unter die normalen Menschen, ich suchte und fand Kontakt<br />

ausserhalb meines üblichen Kreises von:<br />

"UR – (STA) – RA – UR – (STA) – RA -UR


Nicht das ich meinen Fokus änderte. Um vor allem den grossen<br />

psychologischen Stress und die durchgemachte Todesangst während der<br />

Gefangenschaft aufzuzeigen, erstelle ich zum ersten Jahrestag meiner<br />

Folter eine schematische Darstellung (Psychogramm/Diagramm) und<br />

hatte es am 10.04.1998 dem UR für den Akt gebracht. Eine Originalkopie<br />

des Schemas findet ihr auf den nächsten drei Seiten.<br />

(Bitte Buch nach links drehen)<br />

117


118


119


120


Ich verfiel in eine noch grösser Schreibwut und nahm jede einzelne<br />

Aussage, die ich von den Tätern hatte, unter die Lupe und stellte eine<br />

ausführliche schriftliche Mappe zusammen, die über 1,6 Kilogramm (!)<br />

wog. Darin zeigte ich dem UR und der STA die unzähligen<br />

Widersprüche auf. Widersprüchlichkeiten nicht nur zwischen den<br />

Aussagen der diversen Täter, sondern auch jene Widersprüche in den zu<br />

verschiedenen Zeiten gemachten Aussagen derselben Person. Mit der<br />

Zeit war ich eher froh, dass ich überhaupt einige Aussagen der Täter<br />

hatte, schlimmer wäre es gewesen, wenn sie nichts gesagt hätten.<br />

Dadurch, dass sie sich immer und immer wieder widersprochen hatten,<br />

konnte ich deren Lügengeschichten einfach und klar den Behörden<br />

aufzeigen.<br />

Neuen Optimismus in Bezug auf die Arbeit der STA in meinem Fall<br />

hatte ich erlebt, als der frische und neue Leitende Staatsanwalt, der<br />

Österreicher Dr. Robert Wallner seine Arbeit in Vaduz aufnahm.<br />

Während der LIGA (Liechtensteinische Industrie & Gewerbe<br />

Ausstellung) im Jahr 2000, sah ich ihn per Zufall am Messestand des<br />

Radio L (Radio Liechtenstein), wo er anlässlich seiner Anstellung ein<br />

Interview gab. Ich sprach ihn an und erklärte ihm wer ich sei und<br />

referierte kurz über meinen Fall. Er zeigte sich sehr interessiert und<br />

versprach mir, in den nächsten Tagen der Sache nachzugehen und mir<br />

zu berichten. In der Folge wurde die STA Willi vom Fall abgezogen und<br />

dem ebenfalls neu angestellten Staatsanwalt, Herrn Frank HAUN<br />

zugeteilt. Einerseits war ich froh, dass mein Fall weg von der Willi war,<br />

die nichts als kostbare Zeit ungenutzt verstreichen liess. Andererseits<br />

hatte ich auch die Befürchtung, dass Herr Haun, ein junger, eher<br />

unerfahrener Jurist aus Österreich mit meinem Fall überfordert sein<br />

könnte.<br />

Meine ursprüngliche Befürchtung verflüchtigte sich, als ich ihn<br />

mehrmals zufällig entweder in den Gängen des Gerichtsgebäudes oder<br />

auf dem Platz davor in den Jahren 2000 bis 2002 traf. Wie sie so sind, die<br />

Juristen und Staatsanwälte: immer hektisch erscheinend und<br />

kurzgebunden. Schon am 18.10.2000 habe ich ihm einen zehnseitigen<br />

Brief mit einer wirklich kurzen Zusammenfassung aller Ereignisse<br />

zukommen lassen. Er bestätigte mir, dass er meinen Fall sehr gut kennen<br />

würde und sich damit stark befassen würde. Später, und dies zum<br />

letzten Mal im Januar 2002, versicherte er mir, dass er an der<br />

121


Anklageschrift gegen die Täter arbeite und diese in drei bis vier Monaten<br />

fertig sein sollte. Ich erinnere mich sehr genau an seine, diese für mich<br />

sehr wichtigen Worte! Es war ein schöner Wintertag, und ich fuhr mit<br />

dem Mountainbike an den Rhein und war voller Zuversicht, dass bald<br />

ein Kriminalgericht in Vaduz über die Täter (falls sie denn zur<br />

Verhandlung erscheinen sollten) zu Gericht sitzen würden. Ich wusste<br />

immer und es ist heute noch so, dass bei einer Gerichtsverhandlung über<br />

die Taten in Argentinien die Täter sich NIE, NIE, NIE aus der<br />

Verantwortung herausreden können!<br />

Zu jener Zeit hatte der UR Meier in seinem zweiten Versuch wieder<br />

keinen Erfolg. Er wollte auf Grund internationaler Vereinbarungen<br />

bezüglich der Übernahme von Strafverfahren (via Eurojust oder so<br />

ähnlich), zum zweiten Mal Spanien dazu bewegen (übrigens mit meiner<br />

vollen Unterstützung), meinen Fall dort an das LG Vaduz abzutreten.<br />

Warum Spanien den Fall nicht abgeben wollte, erfuhr niemand. Und<br />

weshalb sie auch nie ein Rechtshilfegesuch oder einen<br />

"Auslieferungsantrag" an Liechtenstein stellten, ist unerklärlich. Dem<br />

Gericht in Spanien war seit dem Spätsommer 1997 mein Aufenthaltsort<br />

bekannt und sie hatten auch eine Adresse von mir in Liechtenstein.<br />

Nichts geschah von Seiten der spanischen Justiz. Somit blieb der<br />

Haftbefehl aus Spanien aufrecht. Ganz wie sich dies der Verbrecher<br />

Roegele wünschte.<br />

In meinem Privatleben ging es auch wieder bergauf. Ich lernte meinen<br />

neuen Wohnort Balzers besser kennen und erlebte dort sowie im<br />

Nachbarort Triesen neue, wunderbare Freundschaften. Auf diesem Weg<br />

hier grüsse ich sie alle ganz herzlich. Von meinem Drama in Argentinien<br />

sowie dem juristischen Kampf wussten sie alle nichts.<br />

Im Mai 1998 zog ich in eine 3-Zimmer-Wohnung in einem<br />

Mehrfamilienhaus (MFH) in der Neue Churerstrasse 27 in Balzers um.<br />

Der Neubau mit sieben Wohnungen wurde von einer Liechtensteiner<br />

Aktiengesellschaft (AG), der REAL INVEST AG gebaut, die<br />

pikanterweise wiederum die finanziellen Mittel dafür aus<br />

Schwarzgeldkonten einer Stiftung aus Liechtenstein erhielt, die einem<br />

Deutschen aus der Nähe von Hamburg gehörte. Ich kannte den Direktor<br />

der AG gut und er machte mir ein super Angebot. Für einen sehr<br />

niedrigen Mietzins von CHF 700.- pro Monat konnte ich einziehen, wenn<br />

122


ich "ein Auge" auf das seit Fertigstellung fast leer stehende MFH halten<br />

würde. Die noch freien Wohnungen sollten an Kunden verkauft werden.<br />

Meine Aufgabe bestand darin, die Anlage im Schuss zu halten und<br />

Kaufinteressenten durch die schönen, leeren Wohnungen zu führen. Ich<br />

richtete meine Wohnung mit meinen eigenen, neu gekauften IKEA<br />

Möbeln ein. Darin hatte ich auch ein kleines Büro eingerichtet und dort<br />

fast täglich für meinen Kampf recherchiert, geschrieben und gedruckt.<br />

Mein Einzug in dieses MFH-Haus an der Neue Churerstrasse würde –<br />

rückblickend – eine schicksalhafte Rolle spielen. Unter mir war einige<br />

Monate vor mir eine junge Person eingezogen, die wiederum persönlich<br />

mit dem Direktor der besagten AG seit langem befreundet war. Die<br />

Person arbeitete seit Jahren bei der Treuhand der LGT Gruppe in Vaduz.<br />

Mehr dazu etwas später.<br />

123


Kapitel 4 Ein Kübel voll Schweineblut<br />

Ich war natürlich auch sehr aktiv an der Front um meine, in Österreich<br />

liegenden Gelder. Um seine angebliche Unschuld in Argentinien (vor<br />

allem aus taktischer Sicht) zu untermauern, war es für Helmut sehr<br />

wichtig, den Kampf um das Geld erbittert weiterzuführen. Sehr<br />

unangenehm für ihn und seine Truppe (Frau und Schwager) war, dass<br />

die anderen Täter (Farmbesitzer Mariano und Söhne) sich seit der<br />

missglückten Erpressung nicht mehr ans Tageslicht getraut hatten. Für<br />

sie darum sehr unerfreulich, weil diese Tatsache auch indirekt beweist,<br />

dass ihre ganze Version eine Lüge war. Den heuchlerischen Antrag von<br />

Helmut, die im Sommer 1999 definitiv gerichtlich gesperrten Gelder<br />

seien ihm sofort auszuzahlen, wurde – mangels Rechtsanspruch - vom<br />

LG Feldkirch sowie dem Oberlandesgericht Innsbruck<br />

niedergeschmettert. Dennoch blieb die Sperre aktiv und Helmut wurde<br />

auferlegt, eine Zivilklage im Wohnsitzland der anderen Partei (ich)<br />

einzureichen. Also beim LG in Vaduz. Das wird ja interessant, hatte<br />

mein RA zu mir gesagt. Und ich war eigentlich hoch erfreut über die<br />

Forderung des Gerichts in Österreich, dass erst dann das gesperrte Geld<br />

freigegeben wird, wenn ein rechtsgültiges Zivilurteil in Bezug auf die<br />

Gelder aus Vaduz vorliegt, denn fast wäre es dem Täter Helmut etwas<br />

später auf Grund eines Formfehlers gelungen, unrechtmässig an meine<br />

gesperrten Gelder zu kommen. Erfreut deswegen, weil er nie und<br />

nimmer einen solchen Prozess gewinnen konnte.<br />

In der Folge wurde eine Zivilklage um das Geld beim LG Vaduz im<br />

Januar 2000 eingereicht. Mein RA hatte dann sofort umfassend eine<br />

Klagebeantwortung abgefasst und beantragt, dass die Akten aus dem<br />

Strafprozess gegen Helmut Roegele & Co. (101er) zugezogen werden.<br />

Über meine Vorstellungskraft hinaus sollte sich dieser Zivilprozess auch<br />

massgeblich an meiner steigenden Wut über die Aktionslosigkeit der<br />

Justiz im Argentinienfall entwickeln.<br />

Nicht vergessen, es war ein Zivilprozess, kein Strafprozess! Trotzdem<br />

stand für Helmut & Co. alles auf dem Spiel. All die massiven Beweise<br />

gegen sie, die schreiende Logik daraus, mussten sie mit allen möglichen<br />

Mitteln bekämpfen. Der RA von Helmut in Vaduz entpuppte sich als<br />

sehr skrupellos (Er vertrat ihn auch im Strafprozess). Ich, auf meiner<br />

Seite mit RA Hirn, sah der Sache sehr zuversichtlich entgegen.<br />

Vermutlich haben auch einige meiner Leser, die schon mal zum Gericht<br />

"springen" mussten, selber – wie ich – entrüstet erleben müssen, dass<br />

124


Recht haben und Recht bekommen zwei fundamental verschiedene<br />

Dinge sind.<br />

Wie im Delirium schwankte ich einerseits zwischen der nackten Furcht,<br />

meine Folterer persönlich und leibhaftig wieder zu sehen und den<br />

daraus unbeschreiblichen Konsequenzen für mich und andererseits der<br />

euphorischen Freude darüber, dass dies die Gelegenheit sein würde, bei<br />

der die STA endlich Helmut und seine Frau in die Mangel nehmen<br />

konnte. Nach zwei Tagessatzungen (nur in Anwesenheit der<br />

Rechtsanwälte) im Februar und Mai 2000 wurde die Hauptverhandlung<br />

der Zivilsache auf den 20. Juni 2000 festgesetzt. Der RA von Helmut<br />

hatte die Information über das mögliche Erscheinen des Ehepaares bis<br />

zur allerletzten Minute zurückbehalten. Ein Erscheinen von Helmut<br />

(oder auch mir selber) war von Gesetztes wegen nicht zwingend<br />

erforderlich, ich aber wollte unbedingt persönlich dort anwesend sein<br />

und mich nicht nur durch meinen RA vertreten lassen.<br />

Je näher der Termin kam, umso aufgewühlter wurde ich. Nicht wegen<br />

dem Inhalt des Zivilprozesses, da waren wir, mein RA und ich, uns zu<br />

1000 Prozent bombensicher, dass Helmut (als Kläger) diesen Prozess<br />

hochgradig verlieren würde.<br />

Man muss es sich vorstellen: Es würde das ERSTE Aufeinandertreffen<br />

von uns beiden seit Argentinien sein. Mein monumental aufgestauter<br />

Hass auf meine Peiniger, mit dem ich seit April 1997 alleine leben<br />

musste, würde auf seine Quelle treffen. Eben die Beiden. Nicht dass ich<br />

die Mittäterschaft von Mariano & Co. vergessen hatte. Ich habe der STA<br />

und dem UR über die Möglichkeit von Helmuts Erscheinen geschrieben<br />

und verlangt, dass sie eine Neuvernehmung von Helmut wegen seiner<br />

unzähligen Widersprüche durchführten und ausserdem eine<br />

Erstvernehmung seiner Frau, der Täterin Salud. Auch habe ich gebeten,<br />

dass die STA bitte eine Verhaftung der beiden wegen "Fluchtgefahr<br />

und/oder Verdunkelung" wirklich, wirklich in Betracht ziehen sollte.<br />

Der Zivilprozess wurde dem Landrichter Dr. Uwe Oehri zugewiesen. Ich<br />

kannte ihn nicht persönlich. Mein RA aber schon. LR Oehri ist ungefähr<br />

in meinem Alter. ER war im Land "berühmt", leider nicht dank<br />

"gerechter Urteile" – eher wegen des Gegenteils: Es lagen schon damals<br />

einige Beschwerden bei der Justiz über ihn vor. Es sei sehr parteiisch und<br />

seine richterliche Würdigung vorgebrachter Beweise oft abstrus. Dies<br />

kümmerte mich nicht gross, denn ich hatte da keine Bedenken.<br />

Ich hatte viele unruhige Nächte vor dem wichtigen Termin. Ich hatte<br />

solche Angst. Angst vor mir selber! Angst, ich könnte mich nicht<br />

125


eherrschen und würde etwas Dummes tun, wenn ich die Folterer sehen<br />

würde. Man konnte ja nicht feststellen, ich konnte ja nicht feststellen,<br />

dass ich das ganze Thema "Folter in Argentinien" mit der Zeit hätte<br />

verarbeiten können. Nein, jeden Tag seit April 1997, jedes mal wenn ich<br />

aufstehe, sehe ich die vielen Narben und denke an das furchtbar<br />

Erlittene. Ich entschied mich dem Gericht einen Brief zu schreiben, um<br />

auf diese ausserordentlichen Umstände hinzuweisen. Zuerst wollte ich<br />

dem LR Oehri, als Einzelrichter in dieser Sache, schreiben. Nach<br />

Absprache mit meinem RA, kam ich zum Schluss, dass es nicht<br />

angebracht wäre, wenn ich als Beklagter dem zugeteilten Richter direkt<br />

anschreiben würde. So richtete ich den Brief an Dr. B. Marxer, den<br />

Landesgerichtspräsidenten. Er war mit dem 101er Fall vertraut, da sich<br />

dieser aussergewöhnliche Fall im kleinen Liechtenstein, vor allem in<br />

Justizkreisen schon lange herumgesprochen hatte. Ich schilderte meine<br />

Ängste vor einem Zusammentreffen und dass ich einfach ausserstande<br />

sei, zu garantieren, dass ich nicht ausflippe. Daher hatte ich ihn um die<br />

Anordnung von Vorsichtsmassnahmen (z.B. Polizei oder<br />

Schutzpersonal) gebeten. Er bedankte sich für mein Schreiben per<br />

Telefon und sagte, dass er alles tun werde, um eine mögliche<br />

Konfrontation zu entschärfen, bzw. meinen Stress zu mildern.<br />

Was habe ich mir in den Tagen vor dem grossen Tag alles ausgedacht.<br />

Ich wusste, ich musste mich beherrschen. Ich wollte keine<br />

Gesetzwidrigkeit machen und auch nichts, was den Bemühungen der<br />

STA oder UR im 101er zuwiderlaufen würde. Ich wusste, ich durfte<br />

unter keinen Umständen "Hand an Helmut oder seiner Frau legen".<br />

Zuerst dachte ich mir eine raffinierte Falle für Helmut aus. Nein, keine<br />

fliegenden Kugeln. Mit Hilfe des katholischen Pfarrers von Vaduz wollte<br />

ich ihn während einer Sitzung mit dem Pfarrer in ein heimlich<br />

aufgezeichnetes Schuldgeständnis locken. Wobei ich zum Schein auf ein<br />

fiktives "Versöhnungsangebot" eingehen würde. So verzweifelt war ich,<br />

ihn zur Strecke zu bringen. Ich verwarf diesen Plan, weil mir bewusst<br />

wurde, dass ich aus Zorn mich nicht hätte beherrschen können. Und<br />

zudem Helmut ein ganz gerissener Delinquent ist. Dann hatte ich die<br />

Idee mit dem Blut. Blut, das ich ohne Probleme vom "Onkel Herbert"<br />

(der Besitzer der Malbuner Spezialitäten) hätte organisieren könnte. Ich<br />

ging sogar so weit, dass ich bei einer Jurastudentin, die beim LG Vaduz<br />

das Praktikum absolvierte, nachfragte, ob ein Kübel davon, gemäss StGB<br />

eine grobe Tat wäre. Sie konnte mir keine klärende Antwort geben. Ich<br />

126


malte mir das Bild aus, wo ich vor dem Gerichtsgebäude auf die Folterer<br />

lauerte und ihnen dort einen Kübel voll warmem Schweineblut ins<br />

Gesicht schleuderte. Oder ein anderer Traum: Ich stopfe die stark<br />

blutverschmierten kurzen blauen Jeanshosen den Zwei in den Hals, bis<br />

nichts mehr davon ersichtlich ist. Ein Traum! Es ist jene Hose, die ich im<br />

Kerker anhatte und seit dem Umzug ins Eckzimmer auf der Farm in<br />

meiner Tasche ausgetrocknet aufbewahrte. Nach Ankunft in<br />

Liechtenstein habe ich sie in einen Plastiksack der COOP Ladenkette<br />

ungewaschen umgepackt und mit Klebeband luftdicht verschlossen. Es<br />

ist, wie meine Narben, ein Symbol für meine Gefangenschaft und das<br />

Erlittene. Ja, und ich habe sie heute noch, fast 12 Jahre später, bei mir,<br />

verstaut tief unten in einer Box. Nie mehr geöffnet seit April 1997. Wer<br />

weiss, eines Tages kann ich sie doch noch den Tätern "zum Frass<br />

vorlegen".<br />

Also, zurück zum Showdown beim LG Vaduz. Ich war überpünktlich<br />

vor Ort und wartete draussen auf meinen RA. Helmuts RA kam kurz<br />

darauf und dann< er und sie, arm in arm. Mein Herz drohte zu<br />

explodieren und ich konnte nicht mehr atmen. Mein RA versuchte so gut<br />

es ihm gelang, mich abzulenken. Wie noch nie im Leben beherrschte ich<br />

mich. Ständig dachte und sagte ich zu mir: "Warte ab Heinrich, die STA<br />

wird bald in Aktion treten, du wirst deine Gerechtigkeit erhalten". Das<br />

ging gut, bis Frau Salut einen bissigen Spruch losliess, aber erst dann, als<br />

sie sicher war, dass es niemand ausser uns hören würde und zudem<br />

sprach sie natürlich auf Spanisch: "Wir hätten dich gleich im Kerker<br />

umlegen sollen". Ich antwortete auf Spanisch: "Du Hure". Und sie<br />

spuckte mich 3 Mal an, wobei sie kein einziges Mal traf, da ich mit<br />

raschen Kopfbewegungen der Spucke ausweichen konnte.<br />

Die Sicherheitslösung des Gerichtspräsidenten bestand aus zwei<br />

Landespolizisten, uniformiert und normal bewaffnet. Ich sah sie vor dem<br />

Gerichtssaal im Gang stehen. Ich kannte sie flüchtig, wir sind ja ein<br />

kleines Land. Ich war felsenfest überzeugt, dass nun endlich die STA die<br />

Hände aus dem Sack genommen hatte und eine Verhaftung der Beiden<br />

nach der Verhandlung angeordnet hatte. Ich und mein RA sassen am<br />

grossen U-förmigen Tisch gegenüber von Helmut und seinem RA. Der<br />

Richter mit Sekretärin zwischen uns allen, rechts von mir. Die Beiden<br />

Polizisten hinter Helmut. Zu unserem Erstaunen, erlaubte es der LR<br />

Oehri der Frau von Helmut in den Saal zu kommen und ca. drei Meter<br />

127


von mir, an der Wand, mit Gesicht zum Richter, Platz zunehmen.<br />

Warum? Sie war ja nicht die Klägerin sondern eine Zeugin von Helmut.<br />

Zeugen werden nur dann in den Saal gerufen, wenn deren Aussage dran<br />

ist. Aber nein, der LR Oehri, obwohl er ja über diese ausserordentlichen ,<br />

vermutlich ganz seltene Konstellation, in der ich mich mit den "Klägern"<br />

befand, Bescheid wusste, erlaubt es ihr, die ganze Zeit im Saal präsent zu<br />

sein. LR Oehri, trotz Proteste seitens meines RA, erlaubte es sogar, dass<br />

Helmut, wenn er sich in seiner Aussage gerade widersprochen hatte, auf<br />

Spanisch bei seiner Frau nachfragen konnte, wie es "denn genau"<br />

gewesen war und er dann – auf Deutsch – die "korrigierte" Antwort dem<br />

LR gab.<br />

Es war grausam! Dir Frau von Helmut versuchte mich aus der Fassung<br />

zu bringen, indem sie mich wie eine Irre ständig anstarrte. Der LR Oehri<br />

hat meinen Antrag auf Zuziehung der Gerichtsunterlagen des<br />

Argentinienfall (101er) nur sehr widerwillig, und mit massiver<br />

Verzögerung beantwortet. Er war an einer Vollzulassung nicht<br />

interessiert. Obwohl ja der Zivilprozess nur daraus resultierte, dass die<br />

Erpressung von Helmut (zumindest) finanziell keinen Erfolg hatte. Der<br />

LR war zum Schrecken von mir und meinem Rechtsanwalts seit<br />

Prozessbeginn sehr auf Seiten von Helmut; er wollte meine Beweise und<br />

Argumentation in der Verhandlung nie fertig anhören und unterbrach<br />

ständig meinen RA und auch mich, als ich meine Antworten auf seine<br />

Fragen und die des RA von Helmut gab. Auch wurden praktisch alle<br />

meine Anträge auf Beweisaufnahme von ihm abgelehnt. In einem<br />

Liechtensteiner Zivilprozess ist ein Einzelrichter wie Oehri praktisch<br />

narrenfrei, was er als Beweise "würdigen" möchte oder eben nicht. Für<br />

mich war die Anwesenheit der Folterer unerträglich.<br />

Mir wurde sehr heiss und ich bekam von dem Gesprochenen schnell<br />

nicht mehr viel mit. Mein Anwalt machte sich grosse Sorgen. Den LR<br />

Oehri interessierte das einen feuchten Scheissdreck. Er genoss es<br />

augenscheinlich die ganze Tragödie, die sich vor seinen Augen abspielte.<br />

Ich brachte fast kein Wort aus mir heraus – und das will was heissen!<br />

Nach mehreren Stunden war die Tortur vorüber. Ich musste mich so<br />

brutal unter Kontrolle halten. Ich wartete auf das, was jetzt geschehen<br />

wird. Ich merkte schon, dass das Verbrecherehepaar wegen der zwei<br />

Polizisten stark irritiert war. Sie fragten sich auf Spanisch, warum die<br />

Polizisten hier seien. Ich hoffte so sehr, dass jetzt die STA im<br />

Gerichtskorridor auftauchen würde und den beiden, oder zumindest<br />

Helmut, einen Haftbefehl unter die Nase reiben würde, um ihn<br />

128


anschliessend abzuführen. Aber nichts geschah, auch mein Anwalt<br />

staunte darüber, dass beide einfach so aus dem Gebäude laufen konnten,<br />

ohne dass irgendjemand sie anhielt, geschweige denn ansprach. Ich<br />

steigerte mich in einen Wutanfall hinein und mein RA hatte wirklich<br />

Mühe mich zu beruhigen. Wir werden ja später im Akt lesen können, ob<br />

die STA sie zur Einvernahme vorgeladen hat, sagte er mir. Am selben<br />

Tag habe ich herausgefunden, dass sie nicht in Liechtenstein, ja nicht<br />

einmal in der nahen Schweiz übernachtet hatten. Sie hatten Angst (vor<br />

einer Verhaftung oder Ähnlichem) und hatten sich ein Hotel in<br />

Feldkirch, in Österreich gebucht.<br />

Bevor ich selber abklären konnte, ob die STA nun endlich die<br />

erforderliche Neu- bzw. Ersteinvernahmen der Täter vollbracht hatte,<br />

kontaktierte mich die STA via Telefon. Man konnte keine Einvernahme<br />

"organisieren", aber sie würden dies zuverlässig nachholen. Ich verstand<br />

nichts mehr. Auf meinen Verweis hin, dass, wenn Helmut von der ihm ja<br />

bald zu präsentierenden Anklage der STA wegen Argentinien erfahren<br />

würde, er nie wieder in Liechtenstein auftauchen würde, sagte man mir,<br />

dass die STA dann eben einen internationalen Haftbefehle gegen ihn<br />

ausstellen würde und die Auslieferung beantragen würde. Das ergibt<br />

doch keinen Sinn, widersprach ich. Deren Antwort: Lassen Sie uns<br />

unsere Arbeit so machen, wie wir es für richtig halten.<br />

Es kam zur zweiten Verhandlung am 19.10.2000 und später auch einer<br />

Streitverhandlung im April 2001, immer noch vor dem LR Oehri. Und<br />

jedes Mal haben Helmut und seine Frau mich mit bissigen<br />

Randbemerkungen zur Weissglut gebracht. Ich habe nach aussen hin<br />

nicht mehr darauf reagiert. Ich musste still sitzen, obwohl ich auf<br />

glühenden Kohlen sass.<br />

Vor jeder Verhandlung informierte ich wiederum schriftlich die STA<br />

und den UR und hatte abermals gebeten, die Gelegenheit zu nutzten,<br />

endlich aktiv zu werden und eine Überführung der Täter in<br />

Untersuchungshaft anordnen. Da ansonsten beide wieder ins Ausland<br />

verschwinden würden und deren Auslieferung langwierig und komplex<br />

sein würde. Alle Beteiligten merkten sofort, dass die persönliche<br />

Anwesenheit meiner Foltere während der Gerichtsverhandlungen mich<br />

absolut starr und aktionslos machte. LR Oehri brachte es ausserdem<br />

fertig, dass eine der längsten Verhandlungen sogar ohne meinen RA<br />

stattfinden konnte. Er hatte seine Amtsgewalt geschickt genutzt, um<br />

129


mittels Paragraphenreiterei und Ausnutzung von Fristen, buchstäblich<br />

eine Minute vor Verhandlungsbeginn zu verhindern, dass mein RA<br />

teilhaben konnte (der Grund dafür war, weil ich bei Gericht um<br />

Verfahrenshilfe - Uebernahme der Anwaltskosten - gebeten hatte, da<br />

meine eigenen Mitteln zu Ende gingen). Bei dieser Verhandlung brachte<br />

Helmut sogar einen (gekauften) Zeugen aus Spanien mit. Dieser<br />

bestätigte übereifrig alle Angaben des Klägers. Diese waren komplett<br />

diametral zu dem was im öffentlich-rechtlichen (!) Notarvertrag über<br />

den Wohnungskauf stand. LR Oehri nickte nur eifrig in Richtung Kläger.<br />

Ich, ohne Rechtsbeistand, war ausserstande den Zeugen richtig zu<br />

befragen. Man muss sich das mal vorstellen: Ohne Übertreibung kann<br />

ich wirklich sagen, dass es ganz, ganz ausserordentliche Umstände bei<br />

diesem Zivilprozess waren und LR Oehri, der mich schon bisher im<br />

Verfahren ständig genötigt bzw. gedemütigt hatte, jedes Mal die Sache<br />

noch ein Stück schlimmer machen konnte. Ich konnte meine Gedanken<br />

nicht auf das Wichtige konzentrieren. Eigentlich konnte ich mich auf<br />

nichts konzentrieren, weil ich fortwährend an Argentinien denken<br />

musste, weil ständig die zwei verdammten Folterer zwei, drei vor<br />

meiner Nase sassen. Und dann war ich noch alleine, ohne mein Anwalt<br />

im Saal. Verflucht noch mal, wieder hatte der LR Oehri es zugelassen,<br />

dass die Frau von Helmut, eine "Zeugin", ständig im Gerichtsaal präsent<br />

sein konnte. Warum hat er dies erlaubt? Eine Zeugin im Verfahren hat<br />

absolut nichts im Saal zu suchen, solange sie nicht selber dran ist mit der<br />

Aussage. Das ist doch fundamentalstes Zeug jeder Gerichtsverhandlung.<br />

Ich bin mir ganz sicher, dass der LR Oehri dies zugelassen hatte, nicht<br />

nur um dem Kläger einen Vorteil zu geben, weil seine Zeugin ja den<br />

ganzen Prozess hautnah mitbekommen hatte und dadurch ihre eigenen<br />

Aussagen dementsprechend hätte modellieren können. Er hatte dies<br />

bewusst so gewollt, sodass ich deswegen noch mehr in Wut gerate. Um<br />

mich zu plagen! Was hatte ich dem Oehri angetan? Nichts! Ich habe mich<br />

so, so stark zusammengerissen, eine Minute länger und ich hätte mir alle<br />

Knochen meiner eigenen Hand gebrochen, so fest hatte ich meine Hände<br />

zusammengepresst.<br />

Des Weiteren wurde von Helmuts RA angekündigt, dass eine Schweizer<br />

Treuhänderin, Frau Rita Hauser aus Rorschach am Bodensee, als Zeugin<br />

für Helmut zur Verfügung stehen würde. Wie bitte? Die Erwähnung<br />

ihres Namens dürfte bei vielen ihrer ehemaligen über 1000 deutschen<br />

Kunden, vor allem jenen aus dem süddeutschen Raum, noch heute einen<br />

Wutausbruch und Nervenzusammenbruch auslösen und die Haare<br />

130


(sofern sie noch welche haben) "wie elektrisch geladen" zu Berge stehen<br />

lassen. Ausgerechnet sie! Frau Rita Hauser war seit Mitte der 90er in<br />

einen grossen Anlage-Betrugsskandal verwickelt und von der Schweizer<br />

Justiz seit 1994 strafrechtlich verfolgt. Sie soll ihre Kunden um über 70<br />

Millionen CHF betrogen haben. Die Print- und Internetmedien<br />

berichteten ausführlich darüber. Ich kannte sie nicht. Helmut erzählte<br />

mir aber im Jahre 1996 (dem Jahr des Wohnungskaufs), dass er eine Art<br />

langjähriger Geschäftspartner der Treuhänderin Hauser ist, oder<br />

gewesen war. Die beiden hatten sich zwar zerstritten, machten nun aber<br />

wieder Geschäfte zusammen. Er wollte ursprünglich, dass ich einen Teil<br />

des Kaufpreises für die Wohnung an sie ausbezahle, da sie ihm als<br />

Gegenleistung für frisches Geld (für ihren angeblichen juristischen<br />

Kampf gegen eine US-Bank in Lugano) eine hohe, fette Geldsumme<br />

versprochen hatte. Nach einem Telefongespräch mit ihr im Jahr 1996,<br />

kam mir ihre Geschichte sehr, sehr anrüchig vor. Nach weiteren<br />

Abklärungen in Schweizer Bankenkreisen, annullierte ich, fast zu spät,<br />

eine mögliche Zahlung an sie. Als ich erfuhr, dass sie Helmut als Zeugin<br />

für Vaduz "helfen" sollte, habe ich für das LG Vaduz ein Schreiben<br />

aufgesetzt und öffentlich bekannte Dokumente beigelegt. Darin warnte<br />

ich LR Oehri vor der äusserst zweifelhaften Zuverlässigkeit einer<br />

möglichen Aussage seitens der Treuhänderin Hauser. Offenbar hatte<br />

Helmut sie "in der Hand", er musste etwas aus ihren vergangenen<br />

gemeinsamen Geschäften wissen, dass ihr – wenn es publik gemacht<br />

würde – sehr schaden würde.<br />

Interessanterweise traute sie sich selber nicht nach Vaduz zur<br />

Zeugenaussage. Obwohl es nur ein paar KM zwischen Rorschach und<br />

Vaduz sind. Sie liess sich nur schriftlich per Rechtshilfegesuch aus<br />

Liechtenstein an die Schweiz mit Hilfe eines Richters in Rorschach zur<br />

protokollierten Aussage bewegen. Der Grund dafür lag darin, dass sie<br />

befürchtete, in Liechtenstein, verhaftet und nach Deutschland<br />

ausgeliefert zu werden.<br />

Ihre Zeugenaussage wurde vom LR Oehri mit Jubel in den Zivilprozess<br />

assimiliert und er merkte nicht einmal, dass sie eindeutig über Dinge<br />

berichte, die sie gar nicht wissen konnte. Erst im erzürnten Streit um ihre<br />

Person als Zeugin, hatte sich Helmut verplappert und bestätigt, dass er<br />

ein oder mehrere Tage vor ihrer terminierten Aussage beim Gericht in<br />

der Schweiz extra von Spanien zu ihr nach Hause gereist sei und sie<br />

genau instruiert habe. Dies hatte den LR Oehri aber gar nicht gestört. Er<br />

verletzte meine Rechte im Verfahren mehrmals. Meine Einwände gegen<br />

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die Glaubwürdigkeit dieser Treuhänderin wurden erst gar nicht vom LR<br />

Oehri zu Kenntnis genommen. Wie Recht ich aber hatte, zeigte sich<br />

später, als Frau Hauser in der Schweiz angeklagt wurde und die STA 10<br />

Jahre (!) Haft verlangte. Im Januar 2006 wurde sie mit medialer<br />

Begleitung dann wegen gewerbemässigen Betrugs und Geldwäscherei<br />

zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Punkt.<br />

Wieder schlief die STA. Keine Verhaftung! Keine Einvernahme!<br />

Nichts. Aber dennoch die Aussage mir gegenüber, dass sie hart an der<br />

Arbeit sind. Wieder, wieder und wieder


Kapitel 5 Die Welt des schmutzigen Geldes<br />

Nun zurück in meine andere Weltordnung. Trotz der sich Jahr für Jahr<br />

anhäufenden starken psychologischen Schläge für mich und den einigen<br />

nur mit dem Kampf für die Gerechtigkeit ausgefüllten Jahren, wurde es<br />

Zeit, dass ich mich langsam aber sicher wieder in die normale Welt<br />

begebe, eine Welt bestehend aus guter Arbeit, liebe Freunde und<br />

sinnvolle Freizeit !<br />

Der Zufall wollte es, dass im Herbst 2000 die LGT Treuhand (die<br />

Treuhandfirma des Fürstenhauses), der Arbeitgeber derjenigen Person,<br />

die im selben Haus in Balzers wohnte wie ich, aus Vaduz dringend<br />

geschultes Personal für ein kurz zuvor fertig geplantes Projekt brauchte.<br />

Ich erinnere mich noch genau, wie die Person mir in der Tiefgarage<br />

sagte: "Du solltest mal wieder was Sinnreiches tun und nicht nur hier zu<br />

Hause herumhängen". Die Person wusste ja nichts von Argentinien und<br />

meinem Kampf. Die Person meinte auch, dass ich mit meiner<br />

diversifizierten Ausbildung und Beherrschung mehrerer Fremdsprachen<br />

ideal für das Projekt bei der LGT Treuhand wäre.<br />

Die LGT Treuhand residierte im Städtle 18 und wenn ich mich nicht irre,<br />

war es das ehemalige alte Postgebäude in Vaduz, gegenüber dem<br />

traditionellen Feinschmecker Restaurant der Familie REAL. Die LGT<br />

Treuhand plante für den Frühling 2001 einen Umzug in ein super<br />

modernes Bürogebäude, gleich neben dem Kunstmuseum Vaduz. Das<br />

neue Gebäude – im Städtle 28 - gehört der Gemeinde Vaduz. Mit<br />

Ausnahme des Erdgeschosses, wo diverse Läden einziehen sollten,<br />

waren alle oberen drei Stockwerke exklusive für die Treuhand reserviert.<br />

Die LGT zahlte den fast 10 Millionen CHF teuren Innenausbau selber<br />

und hatte einen langjährigen Mietvertrag in der Tasche. Der Ausbau<br />

beinhaltete sogar einen begehbaren Panzerschrank im dritten Stock<br />

sowie eine spezielle, von aussen nicht erkennbare Panzergarage, deren<br />

Zufahrt sich in der öffentlichen Parkebene des ersten Untergeschoss<br />

(UG) befindet. Die Parkebene zweites UG ist öffentlich und hat eine<br />

befahrbare Verbindung unter dem Kunstmuseum hindurch zur<br />

Parkgarage der Vaduzer Post. Auf dem unterirdischen Weg dorthin<br />

kann man praktischerweise auch in die Gebäude und Büros der<br />

Staatsanwaltschaft, (später auch zu) der FMA und FIU gelangen; die<br />

Wege in Vaduz sind eben auch "Strassen-Parkmässig" sehr kurz. Die<br />

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Verbindung zwischen den Parkgaragen der Post und der LGT ist auf<br />

Betreiben der LGT bautechnisch geöffnet, bzw. angeordnet worden.<br />

Dadurch können jene Kunden, die sich noch mit dem eigenen Auto nach<br />

Vaduz trauen, via Tiefgarageneinfahrt bei der Post ungesehen bis zur<br />

LGT heranfahren. Eine weitere Besonderheit: die diversen verdeckten<br />

Eingänge zur Treuhand. Kein Kunde setzt seinen Fuss via den<br />

Haupteingang auf Ebene Grundgeschoss (Schlossseitig) in die Treuhand,<br />

dort wo das grosse Schild "LGT Treuhand" hängt. Man will damit nicht<br />

in Verbindung gebracht oder davor gesehen werden. Die Kunden<br />

kennen die diversen Türen, z.B. die Türe fast noch in der Kurve der<br />

Tiefgarageneinfahrt zwischen dem 1. UG und dem 2. UG. Verrückt und<br />

Genial! Wer plant und baut schon eine Türe in der Kurve einer<br />

Tiefgarageneinfahrt. Ich persönlich fand die Panzergarage im James-<br />

Bond-Stiel sehr aufregend. Was braucht eine Treuhand eine<br />

Panzergarage? Eine Bank: ja, logisch! Man darf aber diejenigen<br />

Treuhandkunden nicht vergessen, die ihre dicke Kohle in BAR im<br />

eigenen Auto oder im Mietwagen nach Vaduz kutschieren. Kurz vor der<br />

Ankunft beim LGT Treuhand Gebäude nehmen sie Kontakt mit ihrem<br />

Kundenbetreuer auf, dann fahren sie in die normale, öffentliche<br />

Tiefgarage (1. UG.), um dann rechts vom öffentlichen Lift/Treppe durch<br />

das von Geisterhand automatisch geöffnete Panzertor hinein auf den<br />

Abstellplatz zu fahren. Der Kunde sollte im Wagen eingeschlossen sitzen<br />

bleiben, bis das Tor, mittels einer verstecken Kamera immer kontrollier-<br />

und steuerbar, hinter ihm wieder vollständig geschlossen war. Erst dann<br />

konnte man intern die andere kleinere Panzertüre, die in das<br />

Bürogebäude der Treuhand führt, elektronisch entriegeln.<br />

Der neue Chef der Treuhand, Dr. Nicola Feuerstein hatte eine<br />

fortschrittliche Vision "vom Papierlosen Büro", dem so genannten "e-<br />

Doc"-Projekt. Er wollte ein modernes Arbeitsumfeld für alle damals ca.<br />

80 ständigen MitarbeiterInnen schaffen. Die beinhaltete wegen der<br />

begrenzten Aufbewahrungskapazität im neuen Gebäude (im Städtle 28)<br />

in der Zukunft so wenig Akten und Dokumente wie möglich in den<br />

Schränken der Kundenbetreuern oder SachbearbeiterInnen liegen zu<br />

haben. Das Angebot von XEROX Schweiz AG bekam den Zuschlag.<br />

Diese wiederum engagierte einen Subunternehmer aus Chur im<br />

Bündnerland, die Firma CONNEX AG. Die Connex AG hatte sich gute<br />

Fertigkeiten mit der Digitalisierung von Bankkundendaten (u.a. der CS<br />

oder UBS in Zürich, so erinnere ich mich) angeeignet und war für den<br />

134


Auftrag bestens gerüstet, alle Dokumente der aktiven und passiven<br />

Mandate der LGT Treuhand einzuscannen und einem neu zu<br />

schaffenden Treuhand spezifischen Index (dem benannten<br />

Belegartenkatalog = BAK) zuzuordnen. Die XEROX lieferte die<br />

Maschinen und die Connex AG war für das Personal zuständig. Die zu<br />

verwendende Software und Plattform war die DOCUWARE. Eine<br />

Dokumenten-Verwaltungs-Datenbank, die speziell für die<br />

Unterschiedlichkeit von Treuhandunterlagen (um-)programmiert<br />

wurde. Da das normale Kundentreuhandgeschäft weiterlaufen musste,<br />

konnte die LGT Treuhand nicht auf den bestehenden Mitarbeiterpool für<br />

das Projekt zurückgreifen. Es mussten eigens rund 30 neue, fachkundige<br />

Mitarbeiter angeheuert werden. Alle potentiellen zukünftigen<br />

Teammitglieder mussten sich einer strengen Sicherheitsprüfung seitens<br />

der LGT Gruppe unterziehen: schliesslich ging es um hochgeheime und<br />

ultimative Kundenunterlagen tausender Stiftungen, Anstalten und<br />

anderer Gesellschaftsformen Liechtensteiner Briefkastenfirmen.<br />

Nach ein paar kurzen Telefonaten und Abklärungen sah ich eine<br />

hypothetische Möglichkeit mich bei der LGT via der CONNEX AG zu<br />

bewerben. Ich hatte noch nie eine Arbeitsstelle im Banken- oder<br />

Treuhandsektor gehabt. Als ein aufgeweckter, immer mit offen Augen<br />

(und ich kann auch sagen "langen Ohren" – nicht zu verwechseln mit<br />

„langen Fingern‚) durchs Leben fliegender Liechtensteiner, waren mir<br />

aber die "Finessen" des heimischen Finanzsektors absolut bekannt. Da<br />

meine 100-prozentige Konzentrationsfähigkeit in Argentinien gelitten<br />

hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich die Erwartungen für einen solchen<br />

Job erfüllen konnte. Der Reiz für mich bei diesem Job lag daran,<br />

abgesehen vom einem "Bombenlohn", dass es die Möglichkeit zur<br />

Teilzeitarbeit (zwischen ca. 60-80 %) gab und es eine auf ca. drei bis vier<br />

Monate befristete Stelle war. Natürlich war da auch mein internationaler<br />

Haftbefehl aus Spanien, der mir immer noch zu denken gab. Obwohl ich<br />

es bis anhin in meinem Privatleben in Liechtenstein gut "verstecken"<br />

konnte, war mir ganz klar, dass wenn ich nicht offen mit der LGT bin, sie<br />

es kurz nach meiner Anstellung sowie erfahren würde. In Juristen- und<br />

Gerichtskreisen war mein Fall sehr präsent und oft diskutiert worden;<br />

auch kennt im kleinen Vaduz jeder jeden....<br />

Ich kannte flüchtig mehrere Mitarbeiter, die bei der LGT Treuhand<br />

arbeiten. Auch solche, die in der treuhandeigenen Rechtsabteilung tätig<br />

waren. In der zweiten Woche im Oktober 2000 habe ich einen Mitarbeiter<br />

135


jener Abteilung angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich erwähnte,<br />

dass ich mich evt. für die Mitarbeit im laufenden Projekt e-Doc /<br />

DOCUWARE bewerben möchte. Ich wurde gebeten doch am nächsten<br />

Tag in die Treuhand zu kommen.<br />

In einem Kundensitzungszimmer zeigte ich alle Unterlagen zu Spanien<br />

und Argentinien und erläuterte ohne Ausnahme den Stand der Dinge.<br />

Ich musste diese Unterlagen für drei Tage in den Händen der<br />

Rechtsabteilung lassen. Am vierten Tag wurde ich angerufen und<br />

gebeten wiederum ins Büro zu kommen. Nach Prüfung und Durchsicht<br />

der Faktenlage durch die Leitung der Rechtsabteilung stelle der<br />

internationale Haftbefehl kein Problem für sie dar, so wurde mir<br />

mitgeteilt. Sie erkannten - im Rahmen des Möglichen - auch, dass die<br />

Anschuldigungen seitens der Täter weder Hand noch Fuss hatten. Sie<br />

baten mich nur, niemanden in der Firma davon zu erzählen. Und sie<br />

mündlich auf dem Laufenden zu halten, was ich dann stets tat.<br />

Ich erinnerte mich damals auch, dass seit dem Jahr 1999 in den Medien<br />

(sporadisch in Liechtenstein und mehr in Deutschland) immer wieder<br />

Berichte auftauchten, über die zwei (Schweizer?) Treuhänder, die<br />

mitsamt Familien in Liechtenstein lebten und je einen internationalen<br />

Haftbefehl eines Berliner Gerichts (ich glaube es war vom Gericht<br />

Tiergarten oder Tempelhof) am Hals hatten und Deutschland deren<br />

Auslieferung von Liechtenstein verlangte. Die vorgeworfenen Taten<br />

lagen u.a. im Bereich des (Steuer-)Betrugs und anderer schwerer Delikte.<br />

Die Liechtensteiner Justiz entschied sich schlussendlich gegen eine<br />

Auslieferung der beiden nach Deutschland. Hauptsächlich, und dies war<br />

für Deutschland empörend, aus humanitären Gründen. Der Oberste<br />

Gerichtshof in Vaduz konnte eine Trennung (im Falle einer<br />

Auslieferung) von ihren Familien (mit Schulpflichtigen Kindern) den<br />

zwei gut in Liechtenstein integrierten Treuhändern NICHT zumuten.<br />

Während jener Zeit, und auch heute noch, sind die zwei bekannten<br />

Treuhänder im Treuhandgeschäft in Liechtenstein tätig. Daher bedeutete<br />

es für die Liechtensteiner Finanzwelt (incl. der LGT) keine Aufregung,<br />

wenn gegen "Mitarbeiter" internationale Haftbefehle bestehen.<br />

Die LGT Treuhand hatte also eine Woche bevor ich dann am 16. Oktober<br />

2000 via Connex AG die Arbeitsstelle antrat, im Detail Kenntnis über<br />

meine "juristischen Angelegenheit". Die nun von Seiten Hans-Adams im<br />

Frühling 2008 geäusserte Behauptung, die LGT wusste "von nichts" –<br />

136


entspricht NICHT der Wahrheit. Aber ich verstehe ihn, da er unbedingt<br />

die Realität verheimlichen möchte, nämlich, dass die LGT Leute in ihrer<br />

heiligsten aller heiligen Abteilungen einstellt, die einen Haftbefehl<br />

ausstehen haben.<br />

Wie alle neuen Mitarbeiter musste auch ich einen aktuellen<br />

Strafregisterauszug (ausgestellt vom LG Vaduz) vorlegen. Dieser war<br />

natürlich "Ohne Eintrag", da ich keine Vorstrafen hatte. Weder dort noch<br />

anderswo!<br />

Schon mein erster Arbeitstag war sehr spannend und ich lernte den<br />

Vertreter der XEROX (Schweiz) AG und den Boss der Connex AG<br />

persönlich kennen. Der ursprüngliche Plan der LGT Treuhand war, drei<br />

bis fünf grosse Schiffscontainer oder dergleichen teils auf dem<br />

firmeneigenen, teils auf dem Gemeindeparkplatz hinter dem (alten)<br />

Bürogebäude aufzustellen und jeweils mit Sicherheitspersonal zu<br />

bestücken. Die neuen Mitarbeiter, alle von ausserhalb, würden dann<br />

unter strenger Aufsicht die nötige und zeitraubende Vorarbeit zum<br />

Scannen erledigen und dann die ganze Kundenmappe jeweils in den<br />

Container, wo die grossen Scanner stehen würden, tragen. Dass man<br />

überhaupt auf die Container kam, lag daran, dass alle Büros im alten<br />

Gebäude ja schon vom bestehenden Mitarbeiterstab belegt waren und<br />

einfach kein Platz für die bis zu 30 Personen, die für das e-Doc-Projekt<br />

nötig waren, vorhanden war. Das heisst, es gab schon Platz, aber nur im<br />

verwinkelten Keller zweier (nur oberirdisch) miteinander verbundener<br />

Gebäude.<br />

Die Idee der Container wurde schnell verworfen, hauptsächlich aus<br />

Sicherheitsgründen. Im Übrigen war die ganze Idee des papierlosen<br />

Büros von Dr. Feuerstein nicht ganz unumstritten. Viele Kundenberater<br />

waren zwar der beabsichtigten neuen, moderneren Arbeitsweise nicht<br />

abgeneigt, vertraten aber die Meinung, man müsse die jeweiligen<br />

Kunden (also die Begünstigten der Stiftungen, Anstalten etc.) anfragen,<br />

ob sie einer Digitalisierung ihrer Kundendaten zustimmten. Rechtlich<br />

gesehen, gehören alle Dokumente (mit wenigen Ausnahmen wie z.B.<br />

interne Aktenvermerke) dem Kunden: die LGT Treuhand bewahrt sie<br />

nur für ihre Kunden auf.<br />

Natürlich steht es der LGT Treuhand frei, wie sie die internen<br />

Geschäftsabläufe organisiert. Vor allem unter den älteren, langjährigen<br />

Kundenbetreuern, wie z.B. bei Peter Meier herrschte die Meinung vor,<br />

dass die grosse Mehrheit ihrer Kunden, würde man sie den fragen, einer<br />

137


Digitalisierung NICHT zustimmen würde. Dies vor allem aus Angst.<br />

Man erinnerte sich noch sehr gut an die Katastrophe resultierend aus<br />

dem CD-Diebstahl im Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner, welches nebenbei<br />

das erste Treuhandbüro in Liechtenstein war, dass die Kundendaten<br />

elektronisch, zentral auf CDs oder DVDs speicherte.<br />

Die Leitung der LGT Treuhand entschied sich, die Kunden erst gar nicht<br />

zu fragen und teilte dem Rest der noch besorgten Kundenberater mit,<br />

dass sie entweder die neuen Methoden akzeptieren oder sich halt<br />

anderweitig (nach Arbeit) umschauen müssten. Dazu muss man auch<br />

wissen, dass Dr. Feuerstein damals erst kürzlich zum Chef der LGT<br />

Treuhand ernannt wurde und er von ausserhalb der LGT Gruppe kam.<br />

Seine "neuen Wege" waren nicht nach jedermanns Gusto.<br />

Der eigentliche Start war durch das Projektteam, bestehend aus der<br />

Leitung der Treuhand und externen Beratern, etwas zu hastig geplant<br />

und daher mit einigen Denkfehlern behaftet. Der Zeitfaktor spielte auch<br />

eine Rolle, da das ganze Projekt fertig sein musste, bevor die Treuhand<br />

im Frühling 2001 in das neue Gebäude einziehen würde. Darum blieb<br />

uns, dem e-Doc-TEAM, nichts anders übrig: wir richteten es uns in den<br />

circa acht Kellerräumen, verteilt auf die zwei Gebäude, so gut wie es<br />

eben ging ein.<br />

Wir waren eine bunt gemischte Truppe: Liechtensteiner, Schweizer und<br />

Österreicher deren Unterschied in Ausbildungen, Alter, Engagement<br />

und Moralverstellung nicht grösser hätte sein können. Jeweils in einem<br />

eigenen Raum standen die zwei Monster-Scanner von XEROX. Immer<br />

zwei bis vier Mitarbeiter teilten sich einen Raum, der extra dafür mit<br />

alten LGT Büromöbeln ausgestattet wurde.<br />

Schon kurz nach dem Start unserer Arbeit sollte sich der Aufenthalt in<br />

den Kellern (ich schätze mal gebaut in den 60er Jahren oder gar früher)<br />

für einige von uns gesundheitlich negativ auswirken. Die Wände waren<br />

sehr feucht und der über die Jahre angesetzte Staub in den Akten war<br />

auch nicht gerade ein Segen für unsere Lungen, ganz zu schweigen von<br />

der Luftqualität. Einige Damen verlangten nach Tests, um zu klären, ob<br />

der gut sichtbare Pilz an gewissen Wänden mit nördlicher Ausrichtung<br />

gefährlich sein könnte. War er nicht, aber der jungen Mitarbeiterin, die<br />

schwanger war, wurde empfohlen, sich von diesen Räumen<br />

fernzuhalten.<br />

Die meisten arbeiteten in Teilzeit, da die zu erledigenden Aufgaben<br />

höchste Konzentration abverlangte. Länger als drei bis vier Stunden am<br />

138


Stück mit voller Achtsamkeit war nicht drin. Stapelweise holten wir die<br />

Kundenakten in den kleinen Büros der Kundenberater ab und führten<br />

strenges Protokoll über was, von wem, wann und warum weggetragen<br />

wurde. Jeder Akt gelangte in die so genannte AVOR, die<br />

Arbeitsvorbereitung. Dort wurde der Akt von allen Büro-, Heft- und<br />

sonstigen Klammern befreit um dann stapelweise – wenn es geht ohne<br />

ein Blatt zu verlieren – in den Scanner gefüttert zu werden.<br />

Das Problem bestand darin, und dies war auch ein Hauptfaktor der sich<br />

anbahnenden massiven Zeitverzögerung, dass sich im Leben einer<br />

Stiftung unzählige verschiedene Arten von Belegen, Briefen und auch<br />

Grusskarten (der Kunden) oder sonstiges ansammeln. Der moderne<br />

Scanner hasst alles was nicht die Norm ist. Viele Dokumente waren sehr<br />

alt oder für die AVOR äusserst knifflig. Aber mit ausreichend<br />

Gründlichkeit und Frohsinn schafften wir es tagein, tagaus.<br />

Wir sassen "da unten" im Keller und die Creme de la Creme der<br />

Kundenberater plus deren Sachbearbeiterinnen "oben". Über den ganzen<br />

Zeitraum des Projekts wurde an den Personaleingängen der Treuhand<br />

externes Sicherheitspersonal postiert, das uns jeweils beim Eintreten<br />

oder Verlassen des Gebäudes kontrollierte; d.h. in unseren Taschen<br />

nachschauten ob wir evt. Kundendossiers mitlaufen lassen. Wir konnten<br />

darüber nur lachen. Das letzte was wir nach stundenlangem<br />

Aktenwälzen noch machen wollten, war sicher nicht die Arbeit auch<br />

noch nach Hause zu nehmen.<br />

Die Arbeit war für mich an und für sich sehr interessant. Der Hauptteil<br />

meiner Verantwortung lag darin sicherzustellen, dass die nun<br />

eingescannten Dokumente 1. im Computersystem "zusammen blieben",<br />

also nicht geteilt wurden oder in den Weiten der "Bits und Bytes"<br />

verloren gingen, 2. der richtigen (original) Mandatsnummer zugeteilt<br />

wurden und 3. – das Wichtigste – gemäss dem BAK vollständig indexiert<br />

wurden.<br />

Um diese dritte Stufe überhaupt fachgemäss auszuführen, musste ich<br />

und meine dafür geschulten Teammitglieder ALLE einzelnen<br />

Dokumente durchlesen und dann entsprechend dem BAK-Index<br />

abschliessend unter der Mandatsnummer elektronisch speichern.<br />

Die LGT Treuhand hatte Kunden aus aller Welt. Deutsch, Englisch,<br />

Französisch, Spanisch und Italienisch waren die üblichen Sprachen, in<br />

der die LGT Treuhand mit ihren Kunden kommunizierte. Daher war es<br />

ideal wenn wir diese Sprachen mehr oder weniger beherrschten. Es gab<br />

139


solche Akten, die nur 80 – 100 Einzeldokumente (mit jeweils einer oder<br />

mehr Seiten) hatten, oder solche, die bis zu 300 hatten.<br />

Für diejenigen unter den Lesern, die keine Stiftung, Anstalt oder AG in<br />

Liechtenstein besitzen oder wenig Wissen darüber haben, hier ein paar<br />

kurze, vereinfachte Erläuterungen:<br />

Der Treuhandkunde ist im Vergleich zum reinen Bankkunden ein sehr<br />

komplexes Wesen. Der reine Bankkunde in Liechtenstein hat ein oder<br />

mehrere Konten direkt bei der Bank selbe; erhält Auszüge, Belege oder<br />

sonstige Bankkorrespondenz, die zu 100% bei der Bank zurückbehalten<br />

und dort gelagert wird. Nicht das der eine Bankauszug versehentlich<br />

beim Kunden oder schlimmer beim Nachbarn in Deutschland im<br />

Briefkasten landet. Oder – oh Schreck - beim Finanzamt. Beim<br />

Bankkunden ist alles Schwarzgeld ist im Namen des Kunden auf seinem<br />

eigenen Konto gelagert.<br />

Der Treuhandkunde, eben der eher Superreiche und/oder<br />

Übervorsichtige wählt z.B. eine rechtlich eigenständige Liechtensteiner<br />

Stiftung aus, indem er diese durch die Treuhand gründen lässt. Der<br />

Stiftungsrat eröffnet im Namen der Stiftung dann die Bankkonten. Der<br />

Treuhandkunde transferiert sein Schwarzgeld auf die Konten der<br />

Stiftung. Dies natürlich auf hoch komplizierten und raffinierten<br />

Umwegen, sodass ein direkter (offener) Bezug zwischen ihm und der<br />

Stiftung (z.B. von offizieller deutscher Seite aus) nicht nachvollzogen<br />

werden kann. Also der berühmte "Paper-Trail" (nahtlose<br />

Nachvollziehbarkeit jeder Transaktion) geköpft wird. Prinzipiell bleibt er<br />

(und andere die er benennen kann) Kraft dem so genannten Beistatut<br />

Begünstigter der Stiftung und somit aller Gelder und sonstigen Aktiven,<br />

die der Stiftung gehören. Das Beistatut einer Stiftung hält fest, wer,<br />

wann, wieso und wie hoch als Begünstigter von dem Vermögen<br />

profitieren kann.<br />

Oft ist es so, dass die Stiftung direkt oder mittels unterliegenden<br />

Offshorefirmen (andere rechtlich eigenständige Gesellschaften aus<br />

Liechtenstein oder anderen Steuerparadiesen wie z.B. Panama oder den<br />

Britischen Jungfrau Inseln), neben den meist beträchtlichen Bankkonten<br />

auch Immobilien, Patente, Bilder, Yachten und dergleichen besitzt und<br />

kontrolliert. All diese "Besitztümer" einer Stiftung produzieren eine Flut<br />

an Papier, das wiederum im Akt landet. Generell kann gesagt werden,<br />

dass ein Treuhandkunde eine grössere und intensivere Beziehung zu<br />

seinem Kundenberater hat, als ein „normaler, einfacher‚ direkter<br />

140


Bankkunde. Daher hat jede Treuhandfirma (speziell wenn es eine<br />

Treuhandabteilung einer Liechtensteiner Bank ist) die höchste<br />

Sicherheitsstufe im Umgang mit den Kundendaten, d.h. sie sollte es<br />

haben. Mit der Zeit wurden wir in unserem Team beim Indexieren der<br />

Dokumente immer besser und schneller. Der BAK war in 12<br />

Hauptgruppen und diese in rund 120 Untergruppen eingeteilt.<br />

Das bedeutet, dass jedes Dokument zumindest ein Mal genau einer der<br />

Untergruppen zugeordnet werden musste.<br />

Und was wir da alles zu lesen hatten!<br />

Die geschäftsbedingte Korrespondenz (z.B. zwischen der Stiftung und<br />

der Bank wo die Konten sind oder der Stiftung und einer<br />

Immobilienfirma, die die Villa in Sardinien betreut etc.) hatte schon an<br />

und für sich grosses Volumen im Akt. Mit der Zeit war diese Art von<br />

Schreiben eher langweilig zu lesen. Am Anfang war es noch ein<br />

Wettrennen: Wer hat den Akt mit dem dicksten Fisch, das grösste<br />

Konto? "Oh< hier ist einer mit 8 Mio. Euro", "Aha< hier ist einer mit 28<br />

Mio. Dollars", "Und dieser mit 150 Mio.",


Da war z.B. ein rassistischer Kunde, dessen Tochter als Zweitbegünstigte<br />

im Beistatut nominiert war (d.h. im Normalfall wird sie dann<br />

Erstbegünstigte, wenn der Aktuelle, eben ihr Vater, stirbt). Diese hatte<br />

aber einen Schwarzafrikaner als Geliebten. Der Vater gab dem<br />

Stiftungsrat den Auftrag, seine Tochter im Beistatut zu streichen, solange<br />

sie diesen Freund hat. Der Stiftungsrat tat was ihm "befohlen" wurde.<br />

Jahre später findet sich ein Vermerk, dass die Tochter nun einen<br />

"Weissen" als Freund hat und wieder in die Begünstigtenliste<br />

eingetragen werden soll.<br />

Oder<br />

Ein heissblütiger Kunde, der eine geheime Zweitehefrau samt Kind im<br />

Ausland hat und im Falle seines Todes will, dass das gesamte Vermögen<br />

dieser Frau im Ausland zufallen soll und nicht an die „heimische‚<br />

Ehefrau.<br />

Oder<br />

Der überängstliche Kunde, der aufgeschreckt durch Medienberichte, in<br />

Vaduz sollen sich deutsche Steuerfahnder herumtreiben und Autos mit<br />

deutschen Kennzeichen in den Tiefgaragen der diversen<br />

Geschäftsgebäude fotografieren, folgende Vereinbarung mit der LGT<br />

Treuhand getroffen hatte: Er parkiert sein Fahrzeug in der Schweiz, auf<br />

der anderen Seite des Rheins, nimmt den Linienbus nach Vaduz und<br />

trifft sich mit seinem Kundenberater für eine Geldübergabe oder –<br />

auszahlung jeweils vor der Toilettentüre im unteren Stockwerk des<br />

Restaurants Amman, gleich neben der Apotheke Hasler. Und sich dann<br />

sofort danach die Wege trennen sollen.<br />

Oder<br />

Der angriffslustige Kunde, der noch nach seinem Tod "Die Rache ist<br />

MEIN" inszeniert haben möchte. Auf den ersten Blick erschien seine<br />

Stiftung ganz normal. Sie hatte ein Bankvermögen von mehreren<br />

Millionen Euro. Zu Lebzeiten hat er den Stiftungsrat instruiert, seine<br />

Frau und Kinder als Zweit-, Dritt- und Viertbegünstigte zu führen. Seine<br />

Familie wusste nichts von dem Geld in Vaduz. Er hatte auch ein<br />

versiegeltes B5 -Kuvert seinem Kundenberater übergeben, worauf stand:<br />

142


"Nur im Todesfall von Hr. XY zu öffnen – siehe Aktenvermerk vom<br />

xx.xx.1998". Also nach seinem Tode. In dem dazu gehörenden Vermerk<br />

stand, dass sobald die LGT gesicherte Kenntnis über sein Ableben hatte,<br />

diese unverzüglich die Witwe und Kinder gemäss üblicher Prozedur<br />

kontaktieren und nach Vaduz oder Zürich einladen sollte.<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Erstbegünstigte wünschen, dass<br />

Ehefrauen und Kinder erst nach Ableben des Stifters von der Existenz<br />

einer Stiftung in Vaduz erfahren sollen. Was gewöhnlich viel<br />

Begeisterung bei der ahnungslosen Familie auslöst. In diesem Fall soll<br />

dann das versiegelte Kuvert in Anwesenheit der Familie geöffnet und<br />

vorgelesen werden.<br />

Ein Mitglied meines Teams in der AVOR öffnete aus Versehen dieses<br />

Kuvert und bereitete es zusammen mit dem Umschlag zum Scannen vor.<br />

Ich hatte dann den Akt auf dem Bildschirm. Im Schreiben aus dem<br />

Kuvert stand, dass er, der nun verstorbene, als letzte rechtsverbindliche<br />

Instruktion an den Stiftungsrat hiermit anordnet, dass das ganze<br />

Vermögen der Stiftung unverzüglich an die "so-und-so" ausbezahlt<br />

werden soll und die Stiftung dann gelöscht werden soll.<br />

Die erwähnte Person, die das ganze Geld bekommen soll, stammte nicht<br />

aus seinem Familienkreis. Als Grund gab der Kunde in hässlichen<br />

Worten an, seine Frau hätte mit dem Herrn XY und mit dem Herren XZ<br />

ein jahrelanges Verhältnis gehabt. Seine Kinder seien auch nicht ehrlich<br />

gewesen. Was für ein Schock dies wohl für seine Frau und Kinder<br />

auslösen wird, speziell wenn sie Minuten zuvor noch erhofften, gerade<br />

Millionäre geworden zu sein. Die schriftliche Instruktion im versiegelten<br />

Kuvert (na ja, jetzt war es nicht mehr versiegelt) ist rechtsgültig, da sie<br />

vom Erstbegünstigten (dem Mann) zu seinen Lebzeiten<br />

niedergeschrieben wurde und dem Stiftungsrat vor seinem Ableben zur<br />

Aufbewahrung übergeben wurde.<br />

Zudem zählt das Vermögen in der Stiftung rechtlich gesehen nicht zum<br />

Erbe des Verstorben. Nach Absprache mit dem Kundenberater musste<br />

ich diese Instruktion aus der Computerdatei löschen und das Original<br />

vernichten. Dies darum, weil das Stiftungsvermögen gemäss seinen<br />

letzten Instruktionen gleichzeitig auch weg von der LGT Bank hätten<br />

gehen sollten, zu einer Bank in der Schweiz. Die LGT hat es aber immer<br />

lieber, wenn nachrückende Begünstigte als Kunden von der Treuhand<br />

betreut werden und auch die Gelder bei der LGT Bank bleiben. So kann<br />

auch "Kundenpflege" betrieben werden. Der einzige (ausserhalb der LGT<br />

143


Treuhand), der vom ursprünglichen Plan wusste, war - um es grausig<br />

auszudrücken - der Kunde selber. Der würde ja aber dann schon tot sein.<br />

Nach dem "Aktenstudium" tausender deutscher Kundendossiers fühlten<br />

wir uns in meinem Team wie abgeklärte Psychologen, weil wir einen<br />

sehr tiefen Einblick in die Seele und "Sorgen" des Reichen Deutschen<br />

erhalten hatten. Die vier oben kurz veranschaulichten Beispiele waren<br />

für uns damals eher Anlass für riesiges Gelächter.<br />

Worauf wir alle aber vor Seiten der LGT nicht vorbereitet wurden,<br />

waren jene Kundenmandate, die eindeutig über das "normale Mass"<br />

(wenn ich mal so sagen kann) der reinen Beihilfe zur Steuerhinterziehen<br />

hinausgehen. Es ist ja allgemein bekannt, dass Steuerhinterziehung im<br />

Heimatland des (ausländischen) Bank- oder Treuhandkunden in<br />

Liechtenstein absolut kein Strafbestand oder Vergehen ist.<br />

Was mich besonders überrascht hat, war die Tatsache, dass die LGT (!)<br />

so viele "Leichen im Keller hatte", sprich Mandate über Jahre betreute,<br />

wo buchstäblich sofort erkennbar war, dass sehr unsaubere Geschäfte<br />

getätigt wurden und werden. Was kann es dümmeres geben, als wenn<br />

die Kundenberater in ihren selbst angefertigten oder angeordneten<br />

internen Aktenvermerken schwarz auf weiss, manchmal ganz klar, oft<br />

etwas in der speziellen Treuhandsprache verschleiert, Hinweise,<br />

Bemerkungen und Erklärungen protokollieren, die über illegale<br />

Aktionen Auskunft geben.<br />

Da wir in unserem Team den gesamten Akt nach dem Scannen vor uns<br />

auf dem Bildschirm abrufen konnten, war es uns möglich, alle Abläufe,<br />

Transaktionen und damit deren Zusammenhänge schnell zu erkennen<br />

(wir mussten ja jedes Blatt lesen, um es einem Index zuordnen zu<br />

können). Nicht dass ich die Personen, die als Begünstige hinter einer<br />

solchen Briefkastenfirma stehen, persönlich kannte. Nein. Natürlich<br />

tauchte ab und zu ein Name in den Unterlagen als Begünstigter auf, der<br />

uns allen aus den Medien bekannt war; sei es z.B. aus der Politik,<br />

Wirtschaft oder aus aktuellen oder vergangenen Gerichtskriminalfällen.<br />

Zum Beispiel hatte ich einen Akt vor mir, deren Begünstigte ungefähr<br />

zur selben Zeit im Zusammenhang mit einer grossen europäischen<br />

Firmenpleite standen. "Aha!", sagten wir uns – die Kohle hier in Vaduz<br />

hatte man mal wieder nicht entdeckt". Schade für die Gläubiger, dachten<br />

wir uns. Wir im Team wären dank unserer Erkenntnisse jede Wette<br />

eingegangen, dass es bei mindestens der Hälfte aller Mandate – würden<br />

144


sie öffentlich bekannt gemacht - "böse, böse Überraschungen" geben<br />

würde.<br />

Mein Gott, es war und ist ja Allgemeinwissen im Ländle, wer immer<br />

schon, damals und heute die Schwarzen Schafe im Treuhand- und<br />

Bankenbusiness sind. Sie ändern zwar oft ihren Firmennamen, aber man<br />

findet sie dennoch alljährlich in irgendwelchen Untersuchungsberichten<br />

diverser ausländischer Strafverfolgungsbehörden vom "around the<br />

Globe" wieder.<br />

Aber die LGT ? ? ? !!!!<br />

Nie hätte ich und andere im meinem Team, die mit der Liechtensteiner<br />

Finanzlandschaft vertraut waren, gedacht, dass Hans-Adam, als<br />

ultimativer Besitzer der LGT Gruppe, ein solches Reputations-Risiko<br />

eingehen würde, indem er Kunden in seinen Büchern stehen hat, die<br />

illegale Geschäfte tätigen und dies auch unter Mithilfe oder Tolerierung<br />

der LGT Treuhand und der LGT Bank.<br />

Dies bewusst und unbewusst, auf Grund der sehr lahmen Anwendung<br />

der eigentlich guten Sorgfaltspflicht und anderer bestehender Gesetze.<br />

Wir wussten alle, dass z.B. die Russen nicht gerne bei der LGT als<br />

Kunden gesehen werden. Um diese Kundschaft kümmert sich speziell in<br />

Vaduz zum Beispiel die Sinitus Treuhand, die Serica Bank oder First<br />

Advisory (ehem. Dr. Dr. Batliner), u.s.w. . Nach den immer wieder<br />

aufkommenden Skandalen, deren Enthüllung zu 99,99 Prozent NICHT<br />

in Liechtenstein beginnen, weiss man doch:<br />

"Irgendwann fliegt andauernd etwas auf!".<br />

Was soll jetzt als Entschuldigung für die LGT herhalten?<br />

° Dass viele dieser Mandate vor dem Inkrafttreten der strengeren<br />

Sorgfaltspflichtgesetze angenommen wurden?<br />

Diese lumpige Ausrede wurde in den vergangenen Jahren immer und<br />

immer wieder von Liechtenstein verwendet, das Letzte mal im Februar<br />

2009.<br />

Etwas Besseres fällt denen nie ein. Weil sie natürlich wissen, dass, sollte<br />

eine Leiche unerwartet an die Oberfläche gelangen, die Öffentlichkeit<br />

(Medien etc) nie die vollständigen Unterlagen zu einem solchen Fall<br />

145


haben wird. Deswegen kann die betroffene Bank oder Treuhandfirma<br />

behaupten, dass die schmutzigen Geschäfte der Stiftung oder Anstalt etc.<br />

angeblich aus einer Zeit stammen, wo noch die schwachen<br />

Sorgfaltspflichtgesetze galten, also Liechtenstein den Vorfall oder<br />

Skandal für die Medien "zurückdatiert".<br />

Quasi sei eine Strafverfolgung (wegen der Geldwäscherei) aus<br />

Liechtensteiner Sicht leider nicht mehr möglich, da die Fristen in<br />

Liechtenstein dafür abgelaufen wären. Egal ob das Mandat noch aktiv<br />

ist, also der Kunde weiterhin illegale Geschäfte mit oder ohne Wissen<br />

der LGT getätigt hatte oder noch tätigt. Streng genommen macht dies<br />

keinen Unterschied. Abgesehen davon, dass die meisten Straftaten (der<br />

LGT Kundschaft) im Zeitraum der neuen, strengeren<br />

Sorgfaltspflichtgesetzte vollbracht wurden, wäre nach dem Wortlaut des<br />

Gesetztes auch dann eine Strafverfolgung, oder zumindest eine<br />

Strafuntersuchung zu beginnen, wenn die Tat in der Zeit davor<br />

passierte.<br />

Dies darum, weil die den Bankvermögen zugrunde liegenden (Erst-<br />

)Straftaten (z.B. Korruption, Betrug), ausnahmslos im Ausland begangen<br />

wurden und dort die Fristen praktisch in allen bekannten Fällen noch<br />

nicht abgelaufen waren. Und da in Liechtenstein eine Einzelstraftat wie<br />

z.B. Korruption oder Betrug auch geahndet werden, müsste man in<br />

Vaduz der Sache auch nachgehen. Hätte bloss das Ausland mehr Glück<br />

und könnte viel öfter selber auf Unterlagen über eine Verbindung<br />

zwischen einer Straftat in ihrem Land und einem Vermögen in Vaduz<br />

stossen, dann könnte es mit diesem Material die Liechtensteiner um<br />

Hilfe bitten. Eben, hätten sie bloss! Liechtenstein agiert praktisch nie von<br />

sich aus, auch wenn es detaillierte Kenntnisse über die übelsten<br />

Straftaten erlangt, wie ich in den folgenden Kapiteln beweisen kann.<br />

° Das auf Grund der Auffassungsgabe der LGT über das was "kriminell"<br />

ist und was nicht, keine "Leichen" erkennbar waren oder sind?<br />

Haben die in Vaduz mit der ersten Ausrede keinen Erfolg, dann muss<br />

diese Formel herhalten: "Was bei denen im Ausland als kriminell gilt,<br />

muss nicht unbedingt bei uns so sein". Die einfache Steuerhinterziehung<br />

meine ich damit gar nicht. Auch wenn es um andere Vorwürfe aus dem<br />

Ausland geht, ist Liechtenstein in der Interpretation was eine Straftat ist<br />

und was nicht, sehr, sehr flexibel.<br />

146


° Das intern eine Art Dogma gilt: "Reden ist der schnelle Tod",<br />

"Schweigen ist pures Gold", einschliesslich "die blinde Kuh dazu" und<br />

man ist vollkommen?<br />

Dies war leider die Wahrheit. Die LGT Führung hatte nicht nur mir<br />

gesagt, dass man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen soll, wenn man<br />

auf die "Räume mit den Leichen" stossen sollte.<br />

Ich war nicht der Einzige aus dem Team der die Leitung der Treuhand<br />

bei der wöchentlichen Sitzung - naiv genug waren wir ja – mit Fragen<br />

über solche Kunden bedrängte. Uns wurde schnell klar gemacht, dass es<br />

nicht unsere Aufgebe sei, "dumme Fragen" zu stellen. Im Befehlston<br />

wurde uns gesagt: Dokument lesen – Dokument indexieren – und die<br />

Klappe halten! Basta.<br />

Schon nach einem Monat hatten zwei junge Mitarbeiter keine Lust mehr,<br />

solches mitzumachen. Sie kündigten und mussten sofort gehen. Einer<br />

von ihnen, es war ein Jurastudent, hatte sogar ein heisses Streitgespräch<br />

mit dem Dir. Feuerstein über die falsche Moral der LGT im Allgemeinen<br />

und der Liechtensteiner Finanzwelt im Bezug auf die schmutzigen<br />

Mandate.<br />

Beide Teammitarbeiter wurden durch Neue ersetzt. Man darf aber die<br />

einfachen Mitarbeiter bei der LGT Treuhand, der LGT Bank oder jeder<br />

anderen Treuhand oder Bank jetzt nicht verdammen. Für sie ist es ein<br />

Job wie jeder andere auch. Schlussendlich trägt die Leitung die<br />

Verantwortung, zusammen mit den Besitzern der Gruppe, eben Hans-<br />

Adam und seine Familie. Sein Bruder, Prinz Philipp Erasmus war bis im<br />

Sommer 2006 der CEO der LGT Gruppe, wurde dann auf den Stuhl des<br />

Vorstandsvorsitzenden beordert und der neue CEO wurde der<br />

zweitälteste Sohn von Hans-Adam, Prinz Maximilian N.M. Man kann<br />

also festhalten, dass sich Hans-Adam nicht damit herausreden kann,<br />

dass er "von nichts" wusste. Ausdrücklich nicht mehr seit dem 7. Januar<br />

2003 – siehe Kapitel 7.<br />

Das Arbeitsklima bei der Treuhand war sehr gut, wie bei vielen anderen<br />

Betrieben wurden Mitarbeiterausflüge in die Schweiz oder nach<br />

Österreich durchgeführt. Sobald ein Betriebsausflug ins Ausland<br />

bevorstand, wurde ich von der Rechtsabteilung gefragt, ob ich mitgehen<br />

wolle. Wegen dem Haftbefehl. Ein Ausflug in die Schweiz, egal ob mit<br />

147


Firma oder Privat, war kein Problem. Die Grenze ist von Balzers bis nach<br />

Ruggell offen. Ich bin in meiner Freizeit oft mit dem Mountainbike oder<br />

dem Auto in die Schweiz gefahren. Schon kurz nach Argentinien<br />

verdrängte ich die eigentlich kleine Gefahr wegen des Haftbefehls dort<br />

Ärger zu bekommen. Manchmal bin ich auch in die Kanzlei meines RA<br />

nach Feldkirch gefahren. Es wurden mir auch nie irgendwelche<br />

Verordnungen oder Reiserestriktionen von Seiten Liechtenstein<br />

auferlegt. Bei einem Betriebsausflug meines Teams nach Feldkirch bin<br />

ich einfach mit dem eigenen Auto via meiner Heimatgemeinde Mauren<br />

über die kleine Grenze dort nach Österreich gefahren. Sind die<br />

Grenzbeamten überhaupt präsent, dann winken sie einen oft durch.<br />

Wird man aber angehalten, wollen sie die Identitätskarte sehen. Hat man<br />

darin, wie ich, den Heimatort Mauren eingetragen, wird man gleich<br />

weiter gelassen, da die Benutzung dieses abgelegenen Grenzübergangs<br />

"als einer aus Mauren" den Beamten logisch erschien. Auch fuhr ich oft<br />

mit dem Linienbus über die grosse Grenze Schellenberg / Feldkirch nach<br />

Österreich. Ein Grenzbeamter steigt zwar in den Bus ein, wirft einen<br />

Blick auf die ID-Karten oder Pässe und das war’s auch schon.<br />

Mein gleichzeitiger Kampf gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co.<br />

auf allen Bühnen verbrauchte viel meiner Energie, trotzdem habe ich bei<br />

der LTG immer volle Leistung gebracht und meine Vorgesetzten lobten<br />

mich sehr. Einen emotionalen Dämpfer war der unerwartete Tod meines<br />

Vaters Anfang 2001. Ein Jahr zuvor erhielt er die Diagnose Krebs. Ich<br />

hatte nie eine sehr innige Beziehung zu ihm, aber seit meiner Rückkehr<br />

aus Südamerika sahen wir uns regelmässig. Jeden Monat drei oder vier<br />

Mal. Wir gingen essen oder einfach einen Kaffee trinken. Er war sehr<br />

bekannt und beliebt in Liechtenstein. Ich bin auch heilfroh, dass er all<br />

dies was in 2003 und später passiert ist, nicht miterleben musste.<br />

Mit Mühe und Not schafften wir es im Keller, fristgerecht die aktiven<br />

Mandate einzuscannen und die Papierakten von Unnötigem zu befreien<br />

(z.B. Ferienansichtskarten der Kunden). Es war keine Zeitreserve mehr<br />

vorhanden, um auch die inaktiven, alten Mandate via AVOR zum<br />

Scannen zu bringen und zu indexieren. Der Umzug stand vor der Türe.<br />

Das alte Bürogebäude, im Städtle 18, gehörte nicht der Treuhand und<br />

wurde von den Besitzern schon weitervermietet. Das Projekt e-Doc,<br />

sofern es die extern angeheuerten Mitarbeiter betraf, war am 31. März<br />

2001 offiziell zu Ende.<br />

148


Drei aus meinem Team, eine Jurastudentin, ein Fachmann und ich<br />

wurden per 29. März 2001 von der LGT direkt übernommen und wir alle<br />

bekamen unbefristete Arbeitsverträge. Schon seit Anfang des Jahres 2001<br />

wurden systematisch alle Treuhandmitarbeiter, einschliesslich der<br />

Direktion sowie jene Vorstandsmitglieder der Treuhand, die intern<br />

Zugriff auf die elektronischen Kundendateien wünschten, im Umgang<br />

mit dem neuen System geschult. Die Schulung wurde mir aufgetragen.<br />

Ich war sehr stolz darauf. Ich durfte die dafür notwendigen Unterlagen<br />

in Eigenregie herstellen und auch jeweils die neuste Version des BAKs,<br />

dem Belegartenkatalogs. Meine Kurse waren sehr beliebt, oft heiter und<br />

äusserst abwechslungsreich.<br />

Der Kern des Problems lag darin, ALLE Mitarbeiter auf eine LINIE zu<br />

bringen, da jeder und jede seine/ihre eigene Vorstellung davon hatte, in<br />

welchem Index ein Dokument abzuspeichern sei. Es dauerte über 12<br />

Monate bis alle der fast 100 Mitarbeiter aus Vaduz, Zürich und Lugano<br />

die zwei- bis dreitägigen Lehrgänge mit jeweils einer bis drei Personen<br />

pro Gruppe bei mir in Vaduz absolvierten. Sicherheitstechnisch waren<br />

wir auf den neusten Stand. Zugriffsmässig wurde das neue System<br />

analog dem Alten ausgelegt. Das heisst, die Kundenberater hatten nur<br />

Computerzugriff auf jene Mandate, die sie selber betreuten. Die<br />

Sachbearbeiterin auf diejenigen, die sie betreuten. Die Direktion hatte<br />

logischerweise Zugriff auf alle Mandate. Dies galt auch für die<br />

Mitarbeiter der IT-Abteilung. Und ich, mittendrin als Allrounder und<br />

Problemlöser für alle, hatte ständig den vollen Zugriff.<br />

Interessanterweise hatten wir drei, die verbliebenen aus dem e-Doc-<br />

Team, ein unglaubliches mentales Lexikon über mehr Mandate in uns<br />

gespeichert, als die eigentlichen Kundenbetreuer, die sich seit Jahren mit<br />

dem Kunden austauschten. Natürlich hatten wir den Inhalt der fast 4000<br />

Mandate nicht auswendig im Kopf abrufen können. Trotzdem waren die<br />

Treuhandmitarbeiter fortwährend erstaunt, als wir auf Anhieb Details<br />

aus Stiftungen erzählen konnten.<br />

Heute noch, obwohl ich die Firma seit mehr als sieben Jahren verlassen<br />

habe, erinnere ich mich bildlich noch immer seitenweise an Hunderte<br />

von Stiftungen und deren wahnsinnige Geschichten. Die von Klaus<br />

Zumwinkel fällt mir da gerade ein. Oder die heiklen Mandate, die<br />

auffällig noch nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind.<br />

Bei den aktiven Mandaten wurden alle Papierdokumente, von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen, in gefrässigen Papiervernichtungsmaschinen<br />

149


zum Verschwinden gebracht. In Plastiksäcke abgefüllt, wurden sie von<br />

eigenen Mitarbeitern per Firmenwagen in die Müllverbrennungsanlage<br />

Buchs, Schweiz gefahren. Dort gibt es einen speziellen Dienst, der vor<br />

allem von Banken und den Treuhändern gerne in Anspruch genommen<br />

wird. Nach Voranmeldung kann man, zusammen mit einem Mitarbeiter<br />

der Anlage, eine kleine Seitenöffnung im Ofen benutzten und dort die<br />

Papierschnitzel direkt in die, so glaube ich, ca. 1000 Grad heisse Flamme<br />

werfen. In "Null Komma Nix" sind verfängliche Dokumente in Rauch<br />

aufgegangen.<br />

Das Set jener Dokumente, die nicht verbrannt werden sollten, haben wir<br />

im begehbaren Panzerschrank im 3. Stockwerk des neuen Büros pingelig<br />

genau und sauber eingelagert. Der Zugang dazu wurde elektronisch<br />

gesichert. Der Zugang zu allen internen und externen Türen im ganzen<br />

neuen Gebäude war mittels elektronischen Schlüssels geregelt. Mein<br />

Schlüssel öffnete mir fast alle Türen.<br />

Die dicken Mappen der inaktiven Mandate, die ja aus Zeitmangel nicht<br />

eingescannt worden waren, wurden im alten Gebäude (mit Zugang von<br />

Aussen durch eine Stahltüre) auf drei Kellerräume verteilt aufbewahrt.<br />

Die LGT mietete diese Räume weiterhin. Die Schlüssel dafür hatte ich<br />

auch. Manchmal wurde ich von Kundenberatern oder gar vom Direktor<br />

gebeten, einen bestimmten alten Akt in jenen Kellerräumen heraus zu<br />

graben. Das jemand danach fragte, lag daran, dass ab und zu aus<br />

juristischen Gründen alte Geschichten exhumiert werden mussten. Die<br />

Kundenberater, natürlich mit Ausnahme des Chefs, hätten auch selber<br />

dorthin gehen können. Aber sie wussten, dass ich 100 Mal schneller den<br />

Akt im dort vorherrschenden, chaotischen alten Archivierungszustand<br />

finden würde. Wir hatten keine Zeit mehr, diese Akten auch<br />

auszusortieren.<br />

Es gab Tage, wo ich Stunden im Keller Akten von links nach rechts, von<br />

oben nach unten und von hinten nach vorne bewegen musste, um<br />

endlich an eine gesuchte Stiftung zu kommen. Ich gestehe, dass es häufig<br />

berauschend war, sich bündelweise die verrücktesten Mandate<br />

durchzulesen. Insbesondere passierte dies dann, wenn mein Auftrag<br />

darin bestand, eine bestimmte Seite oder einen Sonderfall aus einem<br />

alten Akt herauszusuchen. Die Stiftungen lebten ja oft weiter, nicht bei<br />

uns, aber bei anderen Treuhändern. Bei Wechsel des Treuhänders wird<br />

nicht immer die ganze Mappe dem neuen Treuhänder übergeben.<br />

150


Zum Glück waren solche Anstrengungen und Trips in alte, dunkle<br />

Kellerräume bei den aktiven Mandaten dank des neuen Systems nicht<br />

mehr notwendig.<br />

Bei der LGT zu arbeiten, war auch wie ein Statussymbol. Man arbeitete<br />

nicht bei einer x-beliebigen Treuhandbude, nein! Bei der Fürstlichen<br />

Treuhand. Hans-Adam, als verschwiegener und äusserst auf Diskretion<br />

bedachter Führer, vertraute den Leute seiner LGT Treuhand so sehr,<br />

dass die meisten der persönlichen Stiftungen der Mitglieder der<br />

Fürstenfamilie auch bei der Treuhand verwaltet wurden. Dies war für<br />

ihn nicht zwingend oder logisch notwendig. Er hätte die Mandatsleitung<br />

auch an jenes, eher geheime Büro mit Sitz an der Herrengasse in Vaduz,<br />

delegieren können, das auch die Mutter aller Stiftungen, die "Fürst von<br />

Liechtenstein Stiftung" verwaltet.<br />

Dieser Stiftung gehört alles was Hans-Adam und sein Clan besitzt. Die<br />

über 29 bei uns verwalteten Gesellschaften, die klar der Familie<br />

zuzuordnen sind, beinhalteten im Vergleich zu anderen superreichen<br />

Kunden nichts Aussergewöhnliches oder Spektakuläres. Berufsbedingt<br />

hatte ich alle Akten dieser Stiftungen durchgelesen und indexiert. Es<br />

sind Menschen wie du und ich. Mal streiten sie, Mal geizen sie und<br />

manchmal sind sie generös. Na ja, etwas Leichengeruch hatte die eine<br />

oder andere Stiftung schon.<br />

Die Welt der Treuhandmitarbeiter in Liechtenstein ist klein. Man kennt<br />

sich. Beim Feierabendbier oder Cola wurde zwanglos über die neusten<br />

Mandate oder Skandale geredet. Ab und zu versuchte einer<br />

aufzutrumpfen, indem er erzählt, dass diese Persönlichkeiten bei seiner<br />

Firma Kunden sind oder jene Millionen bei seiner Firma verwaltet<br />

werden. Unterhaltsam wurde es dann, wenn man auf ehemalige<br />

Arbeitskollegen traf, die jetzt bei anderen Treuhändern oder einer<br />

anderen Bank arbeiteten. Gegenseitig wurde man ausgequetscht um in<br />

Erfahrung zu bringen, wo es nur besser sei, wo mehr Leichen verwaltet<br />

werden. Je länger ich bei der Treuhand arbeitete, umso weniger regte ich<br />

mich über einzelne, heisse Mandate auf.<br />

151


KAPITEL 6 Heiligsprechung unter Vollnarkose<br />

Das Jahr 2002 begann eigentlich wie jedes der fünf vorhergehenden<br />

Jahre, genährt von meinem unerschöpflichem Optimismus und dem<br />

Glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird und dies das Jahr sein wird,<br />

in dem die Verbrecher vor ein Kriminalgericht gestellt werden.<br />

Beharrlich hielt ich den UR Dr. Paul Meier und die STA über die<br />

allerdings immer weniger werdenden Neuigkeiten in Sachen<br />

Argentinien oder Spanien auf dem Laufenden. Meine Arbeit bei der LGT<br />

Treuhand erfüllte mich sehr und ich hatte, wie schon lange nicht mehr,<br />

das Gefühl ein normales, wenn auch nicht optimales Leben zu führen.<br />

Sogar in Sachen Herzblatt hatte ich Glück und wunderschönen Zeiten<br />

erleben können. Ein dicker Kuss nach Zürich ;-).<br />

Obwohl es für mich absolut keine Anzeichen gab, dass sich irgendetwas<br />

drastisch an den über die Jahre hinweg vorgezeichneten Pfaden ändern<br />

würde, muss sich mein Unterbewusstsein vorerst unbemerkt<br />

schleichend in eine andere Richtung orientiert haben. Dies war wohl der<br />

Anfang vom Ende meines ehrlichen Kampfes um die Gerechtigkeit.<br />

Damit meine ich nicht eine Richtungsänderung wonach ich die STA und<br />

das LG Vaduz links liegen lassen würde und selber Hand an die<br />

Verbrecher legen würde, eben rücksichtslose Rache ausüben würde.<br />

Natürlich, nachdem was ich in Argentinien durchstehen musste, kann<br />

jeder wirklich nachvollziehen, dass ich mich zumindest gedanklich mit<br />

"ebenbürtiger" Rache – auch als Teil meiner eigenen Therapie –<br />

auseinandersetzten musste. Nie habe ich aber Anlass dazu gegeben, dass<br />

dies mein ausgewählter Weg zur Gerechtigkeit sein oder werden sollte.<br />

Ganz im Gegenteil, ich war so felsenfest davon überzeugt, ja eigentlich<br />

von Seiten der STA überzeugt worden, dass in diesem Jahr 2002 die<br />

anspruchsvolle Anklage wegen schwerer Entführung, schwerer<br />

Freiheitsberaubung, schwerer Erpressung, Nötigung und<br />

Körperverletzung stehen und ein Kriminalgericht einberufen würde.<br />

Deswegen hatte ich mich entschlossen, die Arbeitsstelle bei Treuhand zu<br />

kündigen, um mich zu 1000-prozentig darauf zu konzentrieren.<br />

Dem Rechtsdienst der LTV erzählte ich dann voller Zuversicht, was sich<br />

im Oktober 2002 abspielen werde. Dass Gerechtigkeit geschehen werde<br />

und ich meine ganze Energie auf diese kommenden wichtigen Wochen<br />

152


und Monate konzentrieren wollte. Meine Hauptaufgabe bei der<br />

Treuhand war erfüllt: alle Mitarbeiter waren auf dem neusten Stand der<br />

internen Schulung und auch alle dazu notwendigen Unterlagen waren<br />

up-to-date. Ich sagte ihnen, dass ich unter Einhaltung der dreimonatigen<br />

Kündigungsfrist zum Ende November 2002 die Firma verlassen wollte.<br />

Sie waren enttäuscht, dass ich gehen wollte und versuchten mich zum<br />

Bleiben zu überreden. Da ich natürlich nichts im Kündigungsschreiben<br />

über meinen juristischen Kampf erwähnen konnte und wollte,<br />

empfahlen sie mir, einfach hineinzuschreiben, dass ich mich ausserhalb<br />

der Firma weiterbilden möchte. Denn rein gar nichts schreiben, quasi<br />

nur einen Einzeiler, das wollte ich auch nicht. Nach Absprache mit<br />

ihnen, setzte ich folgendes Schreiben auf und sendete diese am<br />

29.08.2002 dem Personaldienst der LGT.<br />

An die Geschäftsleitung der LGT Treuhand AG,<br />

Vaduz, den 29. August 2002<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Nicola Feuerstein, Sehr geehrter VR<br />

Werner Orvati, Sehr geehrte Herren der Geschäftsleitung.<br />

Es ist mir nicht leicht gefallen!<br />

Auflösung des Dienstverhältnisses.<br />

In den letzten Wochen habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich<br />

meine Freizeit sinnvoll mit persönlicher und beruflicher<br />

Weiterbildung ausfüllen kann. Mit meinen jungen 37 Jahren sehe<br />

ich noch die Kraft und Möglichkeit meinen Wissens-Horizont im<br />

grösseren Stil zu erweitern. Z.B. neue, schwierigere Sprachen zu<br />

erlernen und auch Kurse/Schulen zu besuchen, die neues Wissen<br />

vermitteln und die Persönlichkeit formen. Der diesbezügliche<br />

Markt ist sehr gross und die Auswahl keine leichte Aufgabe. Der<br />

errechnete Zeitaufwand für die in Frage kommende<br />

Neuorientierung ist beachtlich. Nach reifer Überlegung bin ich<br />

zum Schluss gekommen, dass dafür meine ganze Energie<br />

gebraucht wird und ich darum die Arbeitsstelle fristgerecht,<br />

unter Einhaltung der 3-monatigen Kündigungsfrist auf den 30.<br />

November 2002 kündige. Niemand ist unersetzbar - das gilt auch<br />

für mich....... Man kann heute feststellen, dass mein<br />

Aufgabengebiet (e-doc) eine gute Eigendynamik entwickelt hat:<br />

° das e-doc-Organisation steht.<br />

° Der neue BAK ist in Kraft.<br />

° alle MitarbeiterInnen sind bis ins Detail geschult.<br />

153


° Die Bereinigung der MAN ist voll im Gang<br />

° Die e-doc-Unterlagen sind up-to-date.<br />

Ob Sie nun die Stelle neu besetzten oder die Aufgaben auf<br />

bestehende MA verteilen; selbstverständlich werde ich bis zu<br />

meinem letzten Arbeitstag zu 100 % mithelfen, dass die Übergabe<br />

nach Ihren Wünschen und Vorstellungen über die Bühne geht.<br />

Hiermit möchte ich auch meinen Dank speziell an Dr. Pius<br />

Schlachter, VR Werner Orvati, Dr. Nicola Feuerstein, Wolfgang<br />

Bösch aussprechen, dass ich für fast 2 Jahre Teil dieser LGT<br />

Familie sein durfte. Auch allen Anderen danke ich für das<br />

Vertrauen und für den gezeigten Führungsstil. Ich wünsche allen<br />

gute Geschäfte und vor allem Gesundheit, Glück und<br />

Zufriedenheit. (gez.) Heinrich (HENRY) Kieber<br />

Die nun von Hans-Adam und anderer diversen Liechtensteiner Seiten im<br />

Februar, März 2008 gemachten Behauptung, die LGT Treuhand hätte mir<br />

gekündigt, oder ich wäre (ohne Kündigung) ins "Ausland abgetaucht" ist<br />

falsch und eine Lüge. Natürlich kann ich deren Entstellung der Wahrheit<br />

nachvollziehen. Es sieht einfach für sie besser aus, nach dem Ausbruch<br />

des Skandals Mitte Februar 2008.<br />

Alle Mitarbeiter der LGT Treuhand waren über meine Kündigung<br />

erstaunt und viele fanden es schade. Ich war, wie mein Ex-Chef einmal<br />

sagte, ein aufgeweckter "bunter Hund". Ich arbeitete noch die vollen<br />

DREI Monate der Kündigungsfrist, bis Ende November 2002 durch. Und<br />

war abermals zusätzlich im Dezember 2002, berufsbedingt viermal<br />

zurück ins Büro zur Unterstützung in Sachen e-Doc gerufen worden.<br />

Auch im Sommer 2002 wurden alle Bewohnern des Hauses Neue<br />

Churerstrasse 27 in Balzers von der neuen Hausverwaltung informiert,<br />

dass für die noch nicht verkauften Wohnungen (also auch diejenige, in<br />

der ich seit Jahren wohnte) endlich Käufer gefunden worden waren.<br />

Meine Wohnung wurde von einem netten italienischen Ehepaar mit<br />

zwei Kindern, das schon lange in Liechtenstein wohnte, für den<br />

Eigengebrauch gekauft. Sie kündigten mir deshalb und wir vereinbarten,<br />

dass ich spätestens bis Ende Dezember 2002 ausziehen werde. Sie sagten,<br />

sie könnten in ihrer jetzigen Mietwohnung noch bis Ende Februar 2003<br />

154


leiben und dass sie einen Umzug in ihre neu gekaufte Wohnung im<br />

Januar/Februar 2003 planten.<br />

Als im August 2002 der Termin für die Obergerichtsverhandlung in der<br />

Zivilsache bekannt gegeben wurde, habe ich sofort den Staatsanwalt<br />

Haun angerufen. Ich teilte ihm mit, dass es im Oktober 2002 wohl die<br />

letzte Möglichkeit wäre, Helmut und seine Frau wegen Argentinien<br />

festzunehmen und endlich richtig einzuvernehmen, da beide vermutlich<br />

zur Verhandlung nach Vaduz kommen würden. Ich dankte dem<br />

Staatsanwalt wie immer für seine Mühe und er hat mir wortwörtlich<br />

zugesagt, Helmut Roegele nochmals und seine Frau erstmals als<br />

Beschuldigte wegen Argentinien durch den UR befragen zu lassen. Über<br />

eine mögliche angeordnete Inhaftnahme konnte er mir aus beruflichen<br />

Gründen leider nichts verraten. Die Anklage würde dem Paar dann<br />

ausgehändigt. Er sagte sogar, er könne das für mich tun, gar kein<br />

Problem. Ich war sehr erleichtert und dankte ihm tausendmal dafür,<br />

dass es jetzt endlich, endlich vorwärts ginge.<br />

Das Ehepaar war im Oktober zur nächsten Runde im Zivilprozess<br />

angereist. Ich machte mir wiederum keine Sorgen, denn ich wusste ja,<br />

dass sie jetzt definitiv wegen Argentinien einvernommen werden sollten<br />

und dass die Anklage druckfrisch kommen würde.<br />

Die Obergerichtssitzung am 03. Oktober war nicht-öffentlich. Und auch<br />

ohne Beisein der Parteien. Circa zehn bis 14 Tage später wollte ich bei<br />

der Sekretärin des UR Dr. Meier die Kopien der Einvernahme des<br />

Ehepaars Roegele holen. Sie gab mir eine Kopie in die Hand. In der<br />

Hektik und da emotional zu aufgewühlt hatte ich das Deckblatt nicht<br />

gleich gelesen. Im Gang traf mich der Schlag!<br />

Es war eine Aussage von Helmut und seiner Frau im 140er, dem<br />

(Spanien-) Fall in Vaduz gegen mich und nicht eine Einvernahme im<br />

101er, dem (Argentinien-) Fall gegen Helmut & Co.<br />

Sie wurden deswegen überhaupt nicht einvernommen. Ich war ausser<br />

mir! Mein Zorn war nicht zu bändigen! Ich rannte sofort quer durch<br />

Vaduz zum Haus der STA rüber und klingelte. Es war ein oder zwei<br />

Minuten vor 12 Uhr Mittags. Eine Männerstimme sagte mir über die<br />

Gegensprechanlage, dass Haun schon zu Mittagessen gegangen sei. Dies<br />

war besser so – für mich. Ich musste mich beruhigen. Ich musste mich<br />

beruhigen! Ich musste mich verdammt noch mal beruhigen! Mir wurde<br />

ganz schlecht! Aber warum hat er mich angelogen? Warum hat er<br />

155


gesagt, er würde Helmut & Co. mit der Anklage in die Mangel nehmen,<br />

er könne das für mich tun, es ginge vorwärts, wenn er in Wahrheit nichts<br />

getan hat? Er hätte es nicht sagen müssen, er ist nicht dazu verpflichtet<br />

mir Auskunft darüber zu geben, was läuft und was nicht. Ich rief dann<br />

sicher 30 Mal die Büronummer von STA Haun an. Jedes Mal wurde ich<br />

von einer Sekretärin dort vertröstet und aufgefordert am nächsten Tag<br />

anzurufen. Immer ohne Erfolg.<br />

Einige Tage später kam das Urteil des Obergerichtes vom 3.10.02 per<br />

Post zu mir nach Hause: Verloren.<br />

Ein weiterer Tiefschlag. Ich ging mit meinem RA sofort wieder in die<br />

Berufung, dieses mal an den Obersten Gerichtshof in Vaduz.<br />

Im November 2002, am 8. oder 9. bekam ich eine Abholaufforderung der<br />

Post in Balzers. Ich musste zwei dicke Kuverts (per Einschreiben) vom<br />

Gericht aus Vaduz abholen. Obwohl ich einen RA hatte, konnte ich es so<br />

organisieren, dass das Gericht mir die Post direkt schickte. Der eine<br />

Umschlag enthielt eine fixfertige Anklage (140er) gegen mich<br />

(Wohnungskauf in Spanien 1996). Ich war sprachlos.<br />

Die Anklage war mit 7.11.02 datiert und von STA Haun unterschrieben.<br />

Er war der Staatsankläger. Mir wurde übel und ich konnte die Zeilen in<br />

der Anklage nicht klar lesen. Meine Augen begingen zu schimmern und<br />

der Kopf wurde schwer.<br />

Das andere Kuvert enthielt einen zwei Seiten langen Brief vom UR Dr.<br />

Meier, datiert auch vom 7.11.02. Darin musste er mir auf Anordnung des<br />

STA Haun mitteilen, dass die STA das Strafverfahren (101er) gegen alle<br />

Beteiligten im Argentinienfall eingestellt hatte. Ohne Angabe von<br />

Gründen. Die STA muss gemäss Gesetzt niemandem den Grund<br />

angeben, warum sie einen Fall einstellt. Es genügt, wenn die STA in<br />

ihrem eigenen, nicht-öffentlichem "Fallbuch" die Gründe einträgt. Dieses<br />

Buch wird bei der STA verwahrt.<br />

Für mich war die Welt am Ende! Die Scheiss STA! Warum keine Anklage<br />

im 101er? Warum der 101er eingestellt? Was heisst ohne Grund? Warum<br />

ich angeklagt? Wie konnten sie nur? Diese Lügner.<br />

Nur Gott weiss genau, warum STA Haun, vom Teufel geritten, mich<br />

verbissen wegen Barcelona verurteilt sehen möchte.<br />

Einiges deutet auf ein falsches Spiel der STA hin: Fakt ist, dass die<br />

spanische Justiz zwei mal die Bitte (offizielle Anträge) des UR Dr. Meier<br />

156


um die Abtretung des Falls an das Gericht des ständigen Wohnsitz des<br />

Beklagten, nämlich das LG Vaduz in Liechtenstein, abgelehnt hatte. Eine<br />

solche Möglichkeit würde das entsprechende europäische Abkommen<br />

ausdrücklich vorsehen. Ein weiteres Faktum ist: Der Kläger in Spanien,<br />

der Verbrecher Helmut Roegele, hat nie ein Gesuch gestellt oder den<br />

Wunsch gegenüber der Justiz in Liechtenstein oder in Spanien<br />

geäussert, dass er eine Strafverfolgung meinerseits wegen des<br />

Wohnungskaufs 1996 in Barcelona hier beim LG Vaduz haben möchte.<br />

Das wäre das "Logischte" gewesen. Er und sein RA in Vaduz kannten<br />

seit Sommer 1997 mein offizielle Adresse.<br />

Ja, es wäre logisch gewesen, hätte sich die ganze Sache in Barcelona<br />

(Wohnungskauf) und in Argentinien nach der Version von Helmut<br />

ereignet. Da dies nicht der Fall war, hatte Helmut das ureigenste<br />

Interesse daran, dass die Spanier nicht auf die Idee kommen würden,<br />

ihren Fall nach Vaduz abzugeben. Für ihn war es lebensnotwendig, dass<br />

der Haftbefehl gegen mich aufrechterhalten blieb. Denn nur wenn ich<br />

weiterhin in meiner juristischen Verteidigung geschwächt und<br />

persönlich in meiner Mobilität eingeschränkt bliebe, könnte mein Kampf<br />

um eine Strafanklage gegen die Täter aus Argentinien beeinträchtigt<br />

werden.<br />

Es bestand also nie ein Antrag von irgendwelcher Seite an die STA in<br />

Vaduz, ein Strafverfahren wegen des Wohnungskaufs in Vaduz<br />

durchzuführen. Trotzdem war Herr Haun scharf auf eine Anklage gegen<br />

mich. Erst dann wurde mir langsam bewusst, dass sich der LR Oehri mit<br />

dem STA Haun ständig abgesprochen haben musste und dass sie auch<br />

die Entwicklungen in beiden hängigen Gerichtsfällen (Zivil und Straf) in<br />

Vaduz gemeinsam orchestrierten. Rückblickend weiss ich ganz genau<br />

warum man dies so wollte: Ich wurde der Liechtensteiner Justiz immer<br />

lästiger. Obwohl ich mich (bis zur "dicken Post" an Hans-Adam im<br />

Januar 2003 - siehe nächstes Kapitel) gegenüber der ganzen Justiz<br />

gegenüber immer korrekt und anständig verhalten hatte. Weder hatte<br />

ich die Fassung verloren noch mich beschwert, wenn sich der LR und<br />

vor allem die STA von Anfang an etliche offenkundige Fehler leisteten,<br />

die schwerwiegende juristische Konsequenzen für mich bedeuteten<br />

(ganz zu schweigen von den Demütigungen). Obwohl dies so war,<br />

wurde ich von Seiten des LR Oehri und speziell seitens der STA wie der<br />

letzte Dreck behandelt. Meine Unterlagen, die zum Himmel schreienden<br />

Beweise werden einfach nicht gelesen! Und wenn dann nur<br />

oberflächlich. Nie wurden sie aber gewürdigt!<br />

157


Was die Einstellung des 101er Strafverfahrens betrifft, möchte ich auch<br />

noch Folgendes schreiben (was ich übrigens auch Hans-Adam auf eine<br />

Tonkassette als Beilage zum "Brief vom 7.1.03" mitgeteilt habe, siehe<br />

nächstes Kapitel): Wenn man den Akteninhalt des 101er ansieht, so hat<br />

eigentlich der STA Haun nichts gemacht. Nichts was der<br />

Wahrheitsfindung dienlich war. Wo sind seine Bemühungen vermerkt?<br />

Nichts hat er gemacht, rein gar nichts! Er hat nur all seine Kraft auf das<br />

Ziel gesetzt, das Verfahren gegen die Verbrecher ohne Grund einstellen<br />

zu können. Es ist halt billiger für das Land und besser für seine<br />

Reputation. Eine Spurensicherung am Tatort in Argentinien hätte ohne<br />

Probleme durch Interpol Argentinien bewerkstelligt werden können. Es<br />

wäre sicher kein Problem für deren Spezialisten gewesen, Blutproben<br />

von meinem Blut im Turm festzustellen, obwohl die Verbrecher<br />

vermutlich schon alles gereinigt hatten. Und warum hat man meine<br />

anderen Angaben zum Inneren des Turm, in dem ich gefangen gehalten<br />

wurde, nicht überprüft? Es hätte auch Liechtenstein nichts gekostet.<br />

Abgesehen von den im Detail nicht zu überbietenden Schilderungen zur<br />

Entführung, Freiheitsberaubung und Gefangenschaft in Argentinien, die<br />

"niemand sich einfach nur ausdenken kann" und abgesehen vom<br />

Gutachten des Gerichtsmediziners, springt ein weiterer Beweis jedem,<br />

vor allem einem Staatsanwalt, geradezu ins Auge: Wo ist die<br />

wirtschaftliche Grundlage für die Behauptung des Verbrechers Helmut,<br />

ich hätte f r e i w i l l i g, "quasi aus Spass am Geldverteilen" ihm ca. CHF<br />

400'000,-, dem Komplizen Mariano ca. CHF 400'000,- und dem Schwager<br />

von Helmut ca. CHF 10'000,- überweisen bzw. überlassen wollen??? Das<br />

ist eine völlig absurde Behauptung seitens der Täter. Weder Mariano<br />

noch der Schwager hatten seit Argentinien nie auch nur eine Sekunde<br />

lang einen Anspruch auf "ihren Teil" der bei der BAWAG liegenden<br />

Gelder gemacht und beide sind um Untergrund verschwunden. Vorher<br />

hatte der Schwager, Herr Kroschel nach meiner Anzeige eiligst auf seinen<br />

Anteil "verzichtet". Helmut war mit der verlogenen "Wohnungskauf"-<br />

Geschichte ja bekanntlich erfolgreich. Wenn da ein halbwegs normal<br />

funktionierender Staatsanwalt keine starken Gründe für eine<br />

Anklageerhebung sieht, hat er den falschen Beruf ausgewählt. In<br />

meinem Fall waren die involvierten Staatsanwälte nicht dumm. Die<br />

Hürde für eine Anklageerhebung durch die STA ist laut<br />

Strafprozessordnung gar nicht hoch. Gemäss StPO muss die STA sogar<br />

Anklage erheben. Ob dann ein Kriminalgericht die Täter verurteilen<br />

würde, ist eine ganz andere Sache. Und wenn in meinem Fall die<br />

158


Beweise für eine Anklage nicht ausreichen, dann weiss ich nicht was der<br />

Gesetzgeber verlangt.<br />

Haun wusste ganz genau, dass ich nie die finanziellen oder<br />

kräftemässigen Möglichkeiten hatte, eine Anklage in Argentinien<br />

voranzutreiben. Abgesehen davon, dass ich nochmals zehn Jahre auf die<br />

Gerechtigkeit hätte waren müssen. So hat er mir meine letzte<br />

Möglichkeit geraubt, die Leute zur Rechenschaft zu ziehen. In Wahrheit<br />

wollte er mir nie helfen, ich war ihm ein zu lästiger Fall. Was mein Blut<br />

zum kochen brachte, war – der nun rückblickend klar ersichtliche,<br />

unehrliche Umgang der STA mit meiner Folter.<br />

STA Haun sagte mir einmal am Telefon, ja er verstehe was ich<br />

durchgemacht habe, ja er verstehe das, er kann es nachvollziehen, er<br />

helfe mir! Ich verlangte nie, dass die Justiz alles im Detail nachlebt.<br />

Erstens geht das nicht und zweitens fehlt der Justiz naturgemäss die<br />

eigene, persönliche Erfahrung dafür. Ich habe auch nicht um Mitleid<br />

gebeten. Ich habe nur wieder und wieder und wieder schriftlich und<br />

mündlich gebeten, die Verbrecher der gerechten Strafe, sprich einem<br />

Kriminalgericht zuzuführen. Ich war so naiv zu glauben, dass die STA<br />

und Justiz den Fall zum Kriminalgericht bringen würde. Nicht mal eine<br />

ordentliche Einvernahme der Beschuldigten und Vorenthaltung derer<br />

Widersprüche hatte man bewerkstelligen können.<br />

Ich finde es auch eine absolute heuchlerische Berufsauffassung wenn<br />

derselbe Staatsanwalt mir seit mehreren Jahren in der Causa Argentinien<br />

vorgibt die Anklage sei bald fertig geschrieben, diese aber nie<br />

produziert. Anschliessend erhebt derselbe Staatsanwalt Anklage gegen<br />

mich (was man doch wirklich einem anderen Staatsanwalt hätte<br />

überlassen können). Auch der hinterlistige, exakt gleichzeitig terminierte<br />

Versand der zwei Umschläge (Anklage 140er & Einstellung 101er), der<br />

mich emotional hart treffen sollte, zeigt die deutlich zynische<br />

Geistesrichtung der STA. Gegen die Anklage habe ich postwendend<br />

und fristgerecht schriftlich Einspruch erhoben.<br />

Ich fuhr sofort zum UR Dr. Meier in sein Büro. Er war auch betrübt über<br />

die Einstellung. Er hat mir aber Mut gemacht und gesagt, dass ich als<br />

Privatbeteiligter an diesem Verfahren unbedingt einen Antrag auf<br />

Fortsetzung des Strafverfahrens bei Gericht innerhalb der 14-Tage-Frist<br />

stellen sollte. Das Obergericht würde dann entscheiden, ob das<br />

Strafverfahren wieder fortgesetzt würde und wenn ja, dann ohne die<br />

STA. Die Chance auf Weiterführung des Strafverfahrens sei sehr gut,<br />

meinte er. Der Privatbeteiligte (also ich) könnte dann Anträge an den UR<br />

159


machen oder gar selber eine Anklage, als benannter Subsidiarankläger<br />

einbringen und erheben. Die STA ist aus dem Spiel. Also hatte ich am 22.<br />

November 2002 einen siebenseitigen Antrag auf Fortsetzung der<br />

Strafuntersuchung für den Fall 101 gestellt und am gleichen Tag für<br />

beide Fälle (101er &140er) einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.<br />

Damit ich weiterhin professionellen Beistand durch meinen RA erhalten<br />

konnte und bezahlen konnte.<br />

Es waren die letzten Wochen meiner Arbeitszeit bei der LGT Treuhand.<br />

Einem Vertrauten aus der Rechtsabteilung hatte ich von den<br />

Horrornachrichten erzählt. Da ich schon gekündigt hatte, wünschte man<br />

mir Alles Gute und viel Zuversicht. Ende November 2002 gab es dann<br />

eine kleine Abschiedsparty im grossen Pausenraum der Treuhand und<br />

es wurde mir eine schöne Abschiedskarte mit kleinen Geschenken<br />

überreicht. Somit fand meine Arbeit in der Welt der dicken Koffer voller<br />

Geld, der schmutzigen Geschäfte, der Leichen, der Machtkämpfe und<br />

der offener Gier ein Ende.<br />

Was mich aber mehr und mehr erstaunte, war mit welchem<br />

Selbstbewusstsein, ja fast schon Leichtigkeit Hans-Adam, die Regierung<br />

und die hohen Finanz-Herren über all die Jahre hinweg immer wieder<br />

dem Ausland versichern konnten, dass hier alles lupenrein war. Dass sie<br />

die Besten sind, dass sie die Schwarzen Schafe im Rhein ersäuft hätten.<br />

Obwohl wir doch alle in Vaduz wussten, dass dies fette Lügen waren. Es<br />

waren glattzüngige Behauptung zu sagen, dass die Justiz und praktisch<br />

der ganze Finanzsektor ständig im Abwehrkampf gegen die bösen,<br />

kriminellen Kunden gewesen wären. Nimmt man die wenigen<br />

Gerichtsurteile unter die Lupe, die im Zusammenhang mit<br />

Briefkastenfirmen, Geldwäscherei, Korruption, Betrug etc. in<br />

Liechtenstein gefällt worden waren, kann man klar erkennen, dass die<br />

hohen Finanz-Herren, die einheimischen Banken und Treuhänder immer<br />

verschont und geschützt haben. Oder vergleicht man die Jahresstatistik<br />

der gesetzlich vorgeschriebenen Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen<br />

von Seiten der Banken, Treuhänder und anderer Organe mit dem Total<br />

der verwalteten Vermögen aller Liechtensteiner Banken zum jeweiligen<br />

Zeitpunkt, dann war die Anzahl der Meldungen geradezu lächerlich.<br />

Bei so vielen Milliarden Schweizer Franken und den damit<br />

einhergehenden Banktransaktionen müssten in Wahrheit schon aus<br />

vergleichbaren Erfahrungswerten (z.B. aus der Schweiz) viel mehr<br />

160


Verdachtsmomente vorhanden sein und gemeldet werden. Jeder<br />

Finanzanalytiker wusste dies. Verwundert hatte es aber keinen der<br />

einheimischen Analytiker. Die Liechtensteiner Finanzwelt hat ausgefeilte<br />

Tricks entwickelt, sodass die Pflicht zur Meldung umgangen bzw.<br />

verhindert werden kann.<br />

Als ehemaligen LGT Treuhandmitarbeiter konnte ich solche Tricks<br />

schwarz auf weiss in den Akten nachlesen. Mit der Statistik wollte<br />

Liechtenstein natürlich dem Ausland weiss machen, dass der<br />

Finanzplatz sauber sei und die Kontrolle funktionierte. Hans-Adam,<br />

stellvertretend für die Finanzwelt von Liechtenstein, ist ein Meister der<br />

verschiedenen Masken. Je nach dem ob er entweder ausländische<br />

Regierungsvertreter, Behörden oder die Medien vor sich hat oder<br />

wichtigen Kunden eine Privataudienz gewährt, er stülpt sich immer die<br />

passende Maske über. Mehr darüber in den folgenden Kapiteln.<br />

Wenn ich in meine andere Welt wechselte, in der Folter, Erpressung und<br />

mir geraubtes Geld regierten, eine Welt, der ich nie entkommen konnte,<br />

dann verformte sich dieses Erstaunen in eine steigende<br />

Desillusionierung. Schnell wurde ich der andauernden,<br />

gebetsmühlenartigen, selbst erfundenen "Heiligsprechung" der hohen<br />

Finanz-Herren aus Liechtenstein überdrüssig.<br />

Wegen des enormen emotionalen Stresses bekam ich im November auch<br />

zusätzlich gesundheitliche Probleme: Schmerzen im oberen<br />

Bauchbereich. Ein Besuch bei meiner Hausärztin Dr. Rheinberger in<br />

Vaduz brachte keine grosse Linderung. Sie empfahl mir, eine Operation<br />

durchführen zu lassen. Die Entfernung der Galle. Gallensteine hatte ich<br />

zwar keine, aber der Schmerz kam mitten in der Nacht und dies schnell<br />

und heftig. Eine Operation wäre nur unter Vollnarkose machbar.<br />

Es wäre meine erste Vollnarkose in diesem Leben. Ich hatte Angst davor.<br />

Ob man da wieder aufwacht? OK, Hans-Adam, die Regierung in Vaduz<br />

und einige der Leser, die Kunden der LGT Treuhand waren oder sind,<br />

wünschen sich jetzt vermutlich, dass ich nie wieder aus der Narkose<br />

aufgewacht wäre. Meine Operation war für den 20. oder 21.12.02<br />

geplant. Alle meine Freunde und Bekannten und die im Spital<br />

wunderten sich, warum ich so kurz vor Weihnachten unters Messer,<br />

überhaupt ins Spital wollte. Mir war das egal, für mich waren dieses Jahr<br />

wahrhaftig keine Weihnachtsfeiern geplant.<br />

161


Mein Antrag auf Verfahrenshilfe wurde am 04.12.02 für beide Fälle vom<br />

UR bewilligt. Das war immerhin somit geregelt. Aber dann wieder die<br />

STA. Verflucht noch mal. Obwohl sie nichts mehr mit dem 101er zu tun<br />

hatte und ihre Bücher geschlossen hatte, konnte sie es nicht lassen, mich<br />

weiterhin zu ärgern. Sie legte am 12.12.02 Beschwerde gegen den<br />

Beschluss des UR Dr. Meier ein, mir Verfahrenshilfe im Argentinienfall<br />

zu gewähren.<br />

Unglaubliche Frechheit! Ich bat den UR um Rat. Er sagte, obwohl die<br />

STA aus dem Spiel sei, habe sie trotzdem die rechtliche Möglichkeit<br />

ihren "Senf" weiterhin dazuzugeben. Deren zynische Logik, warum ich<br />

keine Verfahrenshilfe bekommen sollte, möchte ich meinen Lesern nicht<br />

vorenthalten: Die STA argumentierte auf vollen fünf Seiten, dass ich<br />

keine Verfahrenshilfe brauchen würde und erhalten sollte, da ich ja den<br />

Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung (101er) vom 22.11.02 auch<br />

selber geschrieben hätte, und daher als Subsidiarankläger "selbst zur<br />

zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Lage sei".<br />

Was für Quatsch. Wie soll ich, als Laie, fähig sein, einen kommenden<br />

denkbaren Kriminalgerichtsfall ohne einen Profirechtsanwalt an meiner<br />

Seite als "Kläger" durchzuführen. Was für Schwachsinn. Man erkennt,<br />

dass die STA alles versucht hat, um mir – der nun ohne die STA, alleine<br />

weiterkämpfen musste – das Leben schwer zu machen. Wo solches und<br />

anderes Verhalten seitens der Staatsanwaltschaft bei gepeinigten Opfern<br />

hinführt, konnte mal bald sehen. Ich hatte dann 14 Tage Zeit, um gegen<br />

diese Beschwerde eine Gegenäusserung zu machen, was ich dann auch<br />

später am 26.12.02 erledigt hatte.<br />

Je mehr ich über die Einstellung des 101er nachdachte, um so grösser<br />

wurden meine Enttäuschung, meine Trauer, meine Wut und mein Hass.<br />

Leider hatte ich niemanden ausser dem UR, den ich um Rat oder Hilfe<br />

bitten konnte. Aber meine Wege zu ihm waren auch schon ausgelatscht.<br />

Mir wurde immer klarer, dass all meine Schreiben an die Justiz und die<br />

STA, all meine Arbeit nichts genützt hatte. Und all ihre Fehler und<br />

Unzulänglichkeiten. Ich war und bin sicher auch nicht vollkommen<br />

fehlerfrei.<br />

Ich hatte keine Kraft mehr dafür, keine Kraft mehr Briefe aufzusetzen,<br />

Briefe, die eh keiner liest! Und das war auch Teil des Problem: keiner<br />

liest es, keinen kümmerte es, aber wenn es ums dicke Kohle geht, dann<br />

war und ist man in Vaduz schnell bei der Sache. Irgendwann hat alles<br />

ein Ende, dachte ich mir. Was mich noch am leben hielt, war das Ziel alle<br />

162


am Verbrechen Beteiligten zur gerechten Strafe zu führen. Koste es was<br />

es wolle! Koste es was es wolle!<br />

So fasste und formulierte ich einen Plan und entschied mich als letzten<br />

Strohhalm bei Hans-Adam um Hilfe zu bitten. Mit den Daten, so war<br />

mir voll bewusst, hatte ich ein Machtinstrument in den Händen, womit<br />

ich sie alle zwingen konnte, mir endlich zuzuhören.<br />

Es waren äusserst schwierige und verrückte Wochen für mich. Ich<br />

musste viele Entscheidungen treffen: Was soll mit dem Datenband<br />

geschehen? Was mit den kiloschweren Originaldokumente? Wohin<br />

damit ? Soll ich es nutzten? Wie? Wann?<br />

Gesundheit: Wird die Operation gut verlaufen? Neue Wohnung: Noch<br />

nichts gefunden. Wohin umziehen?<br />

Daten? Welche Daten? Ach ja, bis anhin habe ich Euch noch nicht<br />

geschildert, dass ich in den Besitz aller Kundendaten der LGT Treuhand<br />

gelangt war. Wie bei so vielem in meinem Leben spielte der Zufall<br />

wieder eine grosse Rolle. Die nächsten paar Kapiteln in meinem Buch<br />

werden für Klarheit schaffen.<br />

Zufällig las ich zu jener Zeit auch irgendwo einen Spruch von KANT:<br />

"Er fordert den Einzelnen auf, sich immer wieder zu fragen, wie weit die<br />

eigene Freiheit – auch die zum Bösen – gehen darf, ohne die Freiheit der<br />

Anderen zu beschädigen". Wie greifbar ich dies auf meine Situation<br />

beziehen konnte, war schon "beängstigend und faszinierend".<br />

Bezeichnenderweise dachte ich dabei nicht nur an meine ehemaligen<br />

Arbeitskollegen, die ja nichts dafür konnten. Nein, ich dachte auch an<br />

die tausenden Kunden, deren Leben ich aus den Aktenvermerken<br />

kannte. Ich konnte mir gut vorstellen, was die über die finanziellen<br />

Konsequenzen hinausgehenden Auswirkungen sein könnten.<br />

Trotz der inneren Hektik ging ich ins Spital Vaduz und wurde<br />

erfolgreich operiert und am 22.12.02 entlassen. Die Vollnarkose war eine<br />

neue Erfahrung und meine grösste Angst dabei war, dass ich im<br />

Aufwachzimmer meinen "Plan" ausplappern würde. Mit den neuen<br />

Eigentümern der Wohnung konnte ich vereinbaren, dass ich alles sauber<br />

gereinigt erst am 06. Januar 2003 übergeben musste. Ich verkaufte mein<br />

Auto, verschenkte meine Möbel, löste den ganzen Haushalt auf, löschte<br />

163


meine Bankkonten, mit Ausnahme des Kontos bei der auch nun<br />

berühmten LLB (Liechtensteinische Landesbank), wo ich noch am<br />

03.01.2003 am Schalter einen Kontoauszug abholte.<br />

Weihnachten 2002 und die Neujahrstage verbrachte ich damit, die<br />

Wohnung zu reinigen und übergabebereit zu machen. Ich schlief viel<br />

und ging alles im Kopf noch mal durch. Natürlich war ich sehr traurig,<br />

dass alles soweit kommen musste. Ich erzählte meinen Freunden, dass<br />

ich ab dem 7. Januar 2003 für drei Monate oder so Ferien im Ausland<br />

machen würde.<br />

Der Stichtag für mich war der 7. Januar 2003. Der Brief und die Kassette<br />

waren fein säuberlich abgepackt. Als Beilage zum Brief habe ich noch<br />

einige Kopien der Gerichtsakten beigelegt. Das 3-D-Modell des Kerkers,<br />

dass ich 1998 für das Gericht habe bauen lassen, hatte ich bis anhin bei<br />

mir zu Hause aufbewahrt. Der UR war mit den Fotos davon und dem<br />

damaligen Begleitschreiben vorerst zufrieden und fügte er sie in den Akt<br />

ein. Ich erinnerte mich, wie der UR. Dr. Meier und ich uns 1998 bildlich<br />

vorstellten, wie man das 3-D-Modell in einem Kriminalprozess<br />

verwenden könnte. Das Modell verpackte ich zusammen mit einer<br />

Schuhschachtel (die ich auf die Holzplatte festklebte), gefüllt mit<br />

weiteren Akten und gab es am 04.01.2003 dem Taxiunternehmen Gabor<br />

mit dem Auftrag ab, es spätestens bis zum 08.01.2003, Punkt 11 Uhr<br />

hinauf zum Schloss an Hans-Adam zu überbringen. Gerne hätte ich auch<br />

Hans-Adam den originalgetreuen Nachbau der Eisenkette, samt Ring<br />

und Mauerstück zukommen lassen. Aber dieses Beweisstück lagerte<br />

(und lagert heute noch) im Keller beim LG Vaduz.<br />

Am Dienstagmorgen, den 7. Januar 2003, war ich um 09:35 in der LGT<br />

Bank in Vaduz, um mein letztes Konto dort aufzulösen. Dann ging es mit<br />

dem Linienbus weiter in meine Heimatgemeinde Mauren, im<br />

Liechtensteiner Unterland. Mit dabei hatte ich einen grossen Koffer (mit<br />

wenigen Kleidern und viel Originaldokumente drin), einen kleinen<br />

Koffer und meine Computertasche (mit dem Tape, der externen<br />

Harddrives und den DVD’s).<br />

Ehrlich gesagt war ich nicht ganz sicher, ob ich den Brief an Hans-Adam<br />

(siehe nächstes Kapitel) schlussendlich bei der Post aufgeben würde. Ich<br />

hatte grosse Skrupel. Ich kannte seine Familie sehr gut. Seine Mutter,<br />

Fürstin Gina hatte eine spezielle Beziehung zu mir. Sie kannte mich seit<br />

meiner Kindheit im Gamander in Schaan. All die Jahre über, bis zu<br />

164


Ihrem Tod Ende der 80er hielt ich schriftlich Kontakt mit ihr. Ich<br />

vergesse nie die grosse Freude die sie hatte, als ich ihr in meinen<br />

Teenagerjahren selbst gemachten Apfelstrudel im Winter im Schnee zu<br />

Fuss über den Fürstenweg von Schaan ins Schloss brachte. Sie hatte so<br />

ein grosses Herz. Als ich einmal Anfang 1983 in Zürich strandete, rief ich<br />

sie an. Sie sagte, sie sei in zwei Tagen in Zürich und ich solle auf der<br />

Rückseite des HB Zürichs, beim (heutigen) Landesmuseum am<br />

Nachmittag auf sie warten. Und wahrhaftig, Fürstin Gina kam<br />

angefahren. Mit ihrem VW Jetta und wie immer voller Freunde am<br />

Leben. Ich konnte bei Bekannten von ihr in Schaan eine Weile bleiben,<br />

bis ich dann eine kaufmännische Ausbildung anfing und eine eigene<br />

Wohnung hatte. Hans-Adam kannte ich auch aus jener Zeit persönlich.<br />

Unbestritten war ich ein starker Anhänger der Monarchie. Das machte<br />

das alles nicht einfacher.<br />

Bis anhin ging alles gut. Niemand bei der LGT Treuhand hatte den<br />

Diebstahl des Datenbandes bemerkt. Während der Vorweihnachtszeit<br />

habe ich auch einige meiner ehemaligen Arbeitskollegen der LTV im<br />

Dorf getroffen oder sie kamen mich im Spital besuchen. Erst mit der<br />

unwiderrufbaren Aufgabe des dicken Briefes am Schalter bei der Post in<br />

Mauren würde das Unheil seinen Lauf nehmen. Jede Sekunde bis zu<br />

diesem Zeitpunkt hätte ich den Lauf der Dinge anhalten können.<br />

Der Transport des Kerkermodells zum Schloss hatte ich zwar schon<br />

organisiert und bezahlt. Aber selbst wenn ich dies nicht hätte stoppen<br />

können, wäre in jenem Paket nichts was mir hätte Ärger einbringen<br />

können. Langsam und schleppend war ich an der Bushaltestelle<br />

"Gemeindeverwaltung" in Mauren ausgestiegen. Ich zog die Koffer<br />

hinter mir her hoch zum Friedhof. Am Grab meines Vater hielt in inne<br />

und nahm Abschied von ihm. Ich war mir relativ sicher, dass ich nie<br />

wieder nach Liechtenstein oder an sein Grab zurückkommen könnte.<br />

Zumindest für einige Jahre nicht mehr. Vom Friedhof aus, hinten bei den<br />

Gräbern, kann man eine Steintreppe hinunter Richtung Post laufen. Dort<br />

angekommen, ich glaube es war zwischen 11 und 12 Uhr, bezahlte ich<br />

die Gebühr von ca. CHF 25,- für die eingeschriebene Express-Lieferung<br />

zu Hans-Adam auf sein Schloss Vaduz.<br />

Er würde den dicken Umschlag noch am selben Tag erhalten.<br />

Es war schon seltsam: Ich fühlte gleichzeitig eine ungeheuere Traurigkeit<br />

und auch Erleichterung darüber, dass der Argentinienfall wieder oben<br />

auf dem Stapel landen würde. Ich hatte noch einen zweiten Brief<br />

165


abgeschickt. An UR Dr. Meier. Darin schrieb ich ihm kurz, dass ich unter<br />

allen Umständen an meinem Antrag zur Weiterführung der<br />

Strafuntersuchung gegen Helmut & Co. festhalten wollte und würde,<br />

komme was wolle. Im Brief waren auch neue Beweise, die ich aus<br />

Spanien per Post erhalten hatte und selber ins Deutsche übersetzt hatte.<br />

Ich bat ihn höflich, diese Unterlagen zu kopieren und im 101er, 140er<br />

und im Akt des Zivilverfahrens abzulegen.<br />

Ich wartete auf den Linienbus nach Feldkirch, der mich zum Bahnhof<br />

bringen sollte. Da angekommen, lief alles genau nach Plan. Ich kaufte<br />

mir für die kommende Zeit genug Euros und nahm den Zug nach<br />

München. Dort, in einem alten, staubigen aber gemütlichen<br />

Imbissrestaurant gegenüber dem Hauptbahnhof sass ich in einer Ecke,<br />

all meine Koffer festhaltend und ass etwas kleines, um die Zeit bis zur<br />

Zugabfahrt nach Berlin totzuschlagen.<br />

Berlin, Hauptstadt Deutschlands.<br />

166


Kapitel 7 Dicke Post für Hans-Adam<br />

Es war wirklich kein einfacher Entschluss, mich an Hans-Adam zu<br />

wenden, ihm einen Brief zu schreiben. Ich war aber in höchster Wut über<br />

all das, was ich in den vorhergegangenen Jahren erleiden musste. Mein<br />

restliches Blut hatte den Siedepunkt erreicht. Es hat sich alles aufgestaut<br />

und nun war es Zeit, den Dampf gehörig abzulassen. Während des<br />

ganzen Monats Dezember 2002 feilte ich am Text des Briefes und an den<br />

Worten für die Kassette. Gewiss, ich habe meine Hausaufgaben gut<br />

gemacht. Ich hatte alles bis ins kleinste Detail nachgeforscht, überlegt<br />

und ausgearbeitet. Es war mir klar, dass ich mit dem Absenden des<br />

Briefes eine Sprengladung scharf machen würde, deren explosive<br />

Legierung die hohen Finanz-Herren mit ihrer gigantischen,<br />

ausgeprägten Liechtensteiner Geldgier, Arroganz, Ignoranz und<br />

Machtbesessenheit vor Schreck erstarren lassen würde.<br />

Sozusagen eine Art Fürstentum Liechtenstein-Neutronenbombe.<br />

Ich musste auf alle möglichen Gegenschläge seitens Hans-Adams<br />

vorbereitet sein. Ich war ja, wie immer, nur eine Ein-Mann-Truppe. Er<br />

hingegen hatte alle nur vorstellbaren staatlichen sowie privaten Mittel<br />

zur Verfügung, um Krieg gegen mich zu führen. Er hat nicht nur<br />

unbegrenzte Geldmittel in Milliarden Höhe und viel Macht, sondern<br />

auch die Macht, „die Macht zu missbrauchen‚! Der Originalbrief an ihn<br />

hatte über 38 Seiten. Ausserdem hatte ich zusätzlich eine persönliche<br />

Tonbandkassette besprochen und dem Brief beigelegt, weil es mir<br />

wichtig und richtig erschien, nebst dem gedruckten Wort auch in<br />

akustischer Form meinen Standpunkt, insbesondere die grosse<br />

Frustration zu darzulegen. Die gesprochenen Worte auf der Kassette<br />

beinhalteten praktisch identisch das Thema unter Punkt I. aus dem Brief.<br />

Für ganz wenige Stellen im Brief wurde mir aus verschiedenen<br />

rechtlichen Gründen und vereinzelt auch wegen Sicherheitsbedenken<br />

aufgetragen Originaltext/-Worte mit dem nachstehenden Ausdruck zu<br />

ersetzt: OT Entfernt. Ich bin sicher, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt<br />

die unverdeckte Version dieses Briefes veröffentlichen kann.<br />

Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr kleine<br />

Anmerkungen im Brief. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer<br />

mit „ Anm.: “ an.<br />

167


kieber heinrich – liechtensteiner staatsbürger - im Januar 2003<br />

An unseren regierenden Fürsten S.D. Hans-Adam der II. von und<br />

zu Liechtenstein und Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein.<br />

Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit und wäre Ihnen sehr dankbar,<br />

wenn Sie wirklich die Zeit aufbringen würden, alles selber bis<br />

zum Schluss zu lesen.<br />

So wie man Ihre direkte Sprache kennt, will auch ich versuchen,<br />

ohne Umschweife kurz und bündig aufzuschreiben, was ich<br />

mitteilen möchte. Dieses Schreiben hat zehn Themenpunkte.<br />

Vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich habe Ihnen einen<br />

Grussbrief im Januar 2002 auf das Schloss gebracht und auch ein<br />

Glas einer Ihrer Lieblingskonfitüre – schwarze Kirschen. Ich<br />

bedanke mich für Ihre Antwort. Aber, ich bin es nicht mehr<br />

würdig Antwort- oder Grussbriefe von der Fürstenfamilie<br />

aufzubewahren; ich lege daher alle Briefe der letzten 15 Jahre<br />

gebündelt bei. Beiliegend zu diesem Brief hier finden Sie alle<br />

Unterlagen über ein brutales Verbrechen, dass mir im März/April<br />

1997 in Argentinien angetan wurde und mein Handeln und<br />

Denken massiv geändert hat. Ein zweites Paket mit weiteren<br />

Dokumenten kommt Morgen, den 08.01.03 um ca. 11 Uhr per<br />

Kurier für Sie im Schloss an.<br />

Was immer jetzt in der Folge geschieht, niemand – auch Sie Fürst<br />

Hans-Adam – wird mich verstehen können, wenn man nicht die<br />

umfassenden Unterlagen, die SIE jetzt nun und morgen haben<br />

werden, studieren. Und um einen Weg aus diesem schwarzen<br />

Loch zu finden – muss man mich verstehen! Ich habe ein<br />

Gewissen und in diesem Fall ein sehr Schlechtes. Es tut es mir<br />

sehr, sehr Leid, dass es alle sehr hart trifft und noch härter treffen<br />

kann. Denn innerhalb der kommenden 2 Stunden werden Sie<br />

erschrecken; in den darauf folgenden 12 Stunden wird eine Wut<br />

aufkommen. Am nächsten Tag wird diese Wut sich immens<br />

steigern; innerhalb weniger Tage werden Sie mich hassen. So sehr<br />

hassen, dass selbst bei Ihnen - einem visionären Staatsmann und<br />

sehr guten Fürsten - das heimliche Verlangen aufkommen wird,<br />

mir den Tod zu wünschen: die Macht und das Geld dazu haben<br />

Sie ja – fehlt nur noch der Wille.<br />

168


Nein, ich bin nicht verrückt! Trotz Ihrem Hass auf mich bitte ich<br />

Sie um Vergebung. Ich bin ein intelligenter Mensch und mein<br />

Handeln ist mir sehr bewusst.<br />

Meine Antriebskraft zu tun was ich getan habe, liegt in der<br />

Erniedrigung, der Demütigung, der Todesangst und in dem<br />

Schmerz der Folterung, die ich in Argentinien erleiden musste.<br />

Zusammengefasst erkennt man meine Motive in der<br />

Tonbandaussage* von meiner Anzeige bei der FL-Polizei vom<br />

April ’97 und in meinem Schreiben* an den Hauptverbrecher<br />

vom 24.02.2000. * = Kopie Beiliegend.<br />

Meine Antriebskraft zu tun, was ich tun werde, liegt in der<br />

Unfähigkeit / Weigerung der FL-Staatsanwaltschaft Anklage<br />

gegen die bekannten Täter zu erheben.<br />

Dass SIE Durchlaucht diesen Brief samt den Unterlagen in den<br />

Händen halten, liegt daran, dass ich von der FL-Justiz,<br />

insbesondere von der Staatsanwaltschaft trotz der erdrückenden<br />

Beweise und massiver Widersprüche seitens der Beschuldigten<br />

billig im Stich gelassen worden bin. Da meine Aufführungen<br />

diesbezüglich über 400 Seiten füllen würden und ich schon in den<br />

letzten sechs Jahren hunderte Seiten voll von Anträgen, Analysen<br />

und Aussagen etc. an die Justiz geschrieben habe, habe ich für Sie<br />

Vollmachten (vermutlich bräuchten Sie gar keine) für die volle<br />

Aktensicht beigelegt. Eine kurze Zusammenfassung mit meinen<br />

konkreten Klagen habe ich mittels meines Rechts auf freie<br />

Meinungsäusserung auf beiliegende Kassette (Seite A)<br />

gesprochen. Ich bitte Sie, die Kassette abzuspielen und mehrmals<br />

abzuspielen und zuzuhören! Danke.<br />

Ich habe von allen Unterlagen, die ich zu selber zu Hause hatte,<br />

elektronische Kopien erstellt und übergebe Ihnen als Beilage (zu<br />

diesem Brief und im Paket) alle meine Papierkopien.<br />

(gez.) h. kieber beilagen: erwähnt<br />

Die Zeichnungen auf den jeweiligen Rückseiten der zehn Themen<br />

sind Fotokopien der drei Kohle-Bilder aus dem 101er Akt, die ich<br />

extra dafür zeichnen lies.<br />

169


I. Gerechtigkeit<br />

Einschliesslich an meine Ausführungen auf der beiliegenden<br />

Kassette bitte ich Sie, Durchlaucht, als Oberste Instanz unseres<br />

Staates mir Gerechtigkeit zu ermöglichen. Ich will nicht das Recht<br />

beugen oder gar etwas zu meinen Gunsten erzwingen. Fast sechs<br />

Jahre habe ich jeden Tag gewartet, dass die Staatsanwaltschaft<br />

endlich etwas macht. Aber nichts geschah. Rückblickend bin ich<br />

überzeugt, dass man mich einfach im Glauben lassen wollte, es<br />

würde etwas geschehen.<br />

In den vergangenen sechs Jahren hatte die FL-Justiz viele<br />

aufgestaute Strukturprobleme zu bereinigen. So mussten Sie ja<br />

u.a. den Sonderstaatsanwalt Dr. Spitzer einsetzen. Mein Fall ist<br />

komplizierter als jene Fälle, die mit dem Finanzplatz<br />

Liechtenstein zu tun hatten/haben. Die Justiz musste wohl<br />

Prioritäten setzten. Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass<br />

wenn es um materielle Dinge (sprich GELD) geht oder wenn das<br />

Ansehen unseres Landes gefährdet ist, dann ist man fix und<br />

schnell.<br />

Wenn es ums Blut geht, wenn das Opfer ein niemand ist, dann, ja<br />

dann muss man warten, warten, warten. Mein Fall wurde einfach<br />

immer wieder nach hinten geschoben. Ein lästiger Fall; mit Tätern<br />

aus Spanien, Deutschland und Argentinien, mit Tatorten in<br />

Argentinien, Vaduz & Feldkirch.<br />

Es ist traurig und geradezu ironisch, dass ich mit nun solchen<br />

Mitteln meinen Fall in der ‚Prioritätenliste‚ nach vorne<br />

katapultieren musste. Mit der Zeit kam auch mir die Einsicht,<br />

dass mir wohl niemand im FL helfen will. Nach Argentinien zu<br />

gehen, dort wo die Haupttat geschah, um Anzeige/Anklage zu<br />

erheben, ist absurd, da sich dort die Gesellschaftsstrukturen im<br />

Stadium der Auflösung befinden.<br />

Seit langem frage ich mich, wer mir helfen kann. Ich, ein kleiner<br />

Mann, mit einem Schmerz und Hass so gross wie der Ozean.<br />

Obwohl ich nicht will, dass der Hass auf die Verbrecher mich in<br />

meinem Tun leitet, kann ich es nicht abbauen. Nach der grössten<br />

Demütigung, die ich im Kerker in Argentinien erfahren musste,<br />

hat mich vor allem die gemeine Demütigung, der mich im<br />

grossen Stil der Richter Uwe Oehri bewusst ausgesetzt hat, indem<br />

er meine Folterer (Herr und Frau R.) wie Sieger über meinen<br />

170


Geist und Körper hat auftreten lassen, zu Mitteln greifen lassen,<br />

derer ich mich schäme.<br />

DREI mal musste ich diese zusätzliche Demütigung ertragen. Ein<br />

Mal sogar, ohne meinen Anwalt, weil dies der LR U. Oehri so<br />

wollte. Der Einzige, der zu mir stand (nebst meinem Anwalt Dr.<br />

Burkart HIRN) war der Landrichter Dr. Paul MEIER. Aber ihm<br />

waren ja die Hände gebunden; so wie er mir sagte. Die STA ist ja<br />

die, die dem UR zu beauftragen hat. Alle Beteiligten wissen, dass<br />

ich nie und nimmer beweisen kann, warum die Richter oder die<br />

STA dies oder jenes unterlassen haben zu tun. Ich bin ein<br />

niemand. Die betroffenen Richter werden sagen, ich sei nur<br />

beleidigt, dass ich nicht gewonnen habe. Aber so einfach ist das<br />

nicht. Hätten sich die Richter die Mühe gemacht, die Beweise und<br />

vielen, vielen Widersprüche der Kläger samt deren ‚Zeugen‚<br />

wirklich zu lesen und zu analysieren, dann wären sie zu einem<br />

anderen Urteil gekommen.<br />

Es würde mich nicht wundern, wenn durch den ständigen<br />

Informationsaustausch zwischen den Richtern im Zivilverfahren<br />

und der STA eine Art Absprache, sprich Vorverurteilung,<br />

stattfand. Die STA wusste immer vor mir wie wann, wo, was, das<br />

Zivilgericht entschieden hatte, obwohl sie mit dem Zivilprozess<br />

gar nichts zu tun hatte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass<br />

durch das Urteil in der Zivilsache die STA „praktischerweise‚<br />

den Fall 10 Vr 101/97 elegant killen konnte. Und damit ist<br />

Liechtenstein ein teurer, komplizierter, langwieriger Fall erspart<br />

geblieben. Insbesondere hat sich der Staatsanwalt F. Haun einen<br />

Haufen Arbeit erspart. In früheren Telefongesprächen und<br />

einmal persönlich im Gerichtsgebäude sagte mir Haun ständig,<br />

dass er mich verstehe und er an der Anklage arbeite. Viel früher,<br />

kurz nachdem er den Fall vom Oberstaatsanwalt Dr. R. Wallner<br />

zugeteilt bekam, sagte er mir am Telefon, dass er in ca. zwei<br />

Monaten die Anklage erheben kann. Seitdem sind über zwei<br />

Jahre vergangen.<br />

Mir geht es nicht um das Geld! Das gesperrte Geld in Feldkirch<br />

ist und bleibt mein Eigenes. Daran ändert auch ein erstes Urteil<br />

zugunsten der Verbrechers Helmut R. nicht. Durchlaucht, Sie<br />

sind ein bekennender Anhänger der Selbstbestimmung. Ich habe<br />

diese Selbstbestimmung in mich aufgenommen und erkannt, dass<br />

ich selber für eine gerechte Verurteilung der Verbrecher sorgen<br />

171


muss. Ich bitte Sie daher, analog zu anderen Fällen, einen<br />

Sonderstaatsanwalt zu ernennen, der sich intensiv mit dem<br />

ganzen Fall befasst und die Befugnis erhält, gemäss dem Gesetz<br />

zu agieren und ein ausserordentliches, unabhängiges<br />

Richtergremium zu ernennen, das sich dem Zivilfall annimmt.<br />

Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich will nicht, dass ein<br />

Unglück über die LGT und FL-Finanzwelt hereinbricht, aber<br />

eines ist für mich klar: Wenn Akt 10 Vr 101 /97 so enden und 10<br />

Vr 140 /97 so starten soll, wie es sich Haun jetzt erdacht hat und<br />

wenn die schlimmsten Verbrecher R. + Co. auch nur einen EURO<br />

von meinem gesperrten Geld in Feldkirch ausbezahlt (offiziell<br />

oder im geheimen) erhalten sollten, ohne dass ein<br />

Sonderstaatsanwalt und/oder ein ausserordentliches<br />

Richtergremium in den Fällen nach neuer Untersuchung ein<br />

neues abschliessendes Urteil fällen konnten, dann werde ich mich<br />

für Hilfe an die USA und Deutschland wenden.<br />

Warum ich der festen Überzeugung bin, dass mir die USA sowie<br />

Deutschland helfen werden, zeige ich Ihnen in den folgenden<br />

Kapiteln im Brief auf. Ich habe in Liechtenstein all meine<br />

Strukturen aufgelöst: meine Arbeitstelle hatte ich gekündigt, aus<br />

der Mietwohnung bin ich ausgezogen und meinen Hausrat<br />

aufgelöst. Mit all meinen sozialen Kontakten habe ich gebrochen<br />

u.s.w.<br />

Ich bin jetzt in Deutschland.<br />

Wenn ich etwas nicht habe, dann ewige Zeit! Verdammte lange<br />

sechs Jahre habe ich gewartet, gehofft und meine ganze Energie<br />

in die Verfolgung der Verbrecher gesteckt – es soll jetzt keiner<br />

kommen und sagen;<br />

... wir brauchen Monate.......<br />

Auf Grund der besonderen Umstände kann und werde ich nur<br />

bis Ende Januar 2003 warten, um zu erfahren, ob überhaupt was<br />

gemacht wird.<br />

Sie und Ihre LGT können ja gar nichts dafür. Das Schicksal will<br />

es, dass Sie nun doch involviert werden. Dass der Zeitpunkt auch<br />

noch mit Ihrem erbittertem Abstimmungskampf über die neue<br />

Verfassung im FL und der Neuorientierung Ihrer LGT Gruppe in<br />

172


Deutschland zusammen fällt, tut mir leid. Es gibt aber keinen<br />

‚passenden‚ Zeitpunkt.<br />

Ich bin fest entschlossen alles, alles, alles in meiner Macht und<br />

Unmacht stehende zu tun, um meine Folterer zur Strecke zu<br />

bringen. Wenn der Staat Liechtenstein mir wirklich hilft, dann<br />

gut. Wenn der Staat aber nicht fähig ist, seinen Bürgern gemäss<br />

dem Gesetz und den Auslegungsmöglichkeiten des Gesetztes zu<br />

Gerechtigkeit zu verhelfen, dann bleibt dem Bürger nichts<br />

anderes übrig, als das Selbstbestimmungsrecht in die Hand<br />

zunehmen und sich an Andere (in diesem Fall andere Länder) zu<br />

wenden, von denen er glaubt, dass Sie ihm helfen können.<br />

Ich bin mir bewusst, dass eine Katastrophe über die LGT, seine<br />

Kunden und Liechtenstein hereinbrechen kann. Ich weiss auch,<br />

dass ich am Ende die Zukunft für mein Leben verloren habe.<br />

Diesen Preis bin ich gewillt zu bezahlen, wenn ich meine Folterer<br />

der verdienten Strafe zuführen kann.<br />

II. LGT Treuhand<br />

Anm.: Es folgt eine Beschreibung der Umstände, wie es dazu kam, dass ich bei<br />

seiner LGT Treuhand arbeitete und später selber kündigte: OT Entfernt.<br />

Dann…..<br />

Ich bitte Sie, keine personellen Konsequenzen bei der LTV zu<br />

ziehen. Meine ehemaligen Chefs und MitarbeiterInnen können<br />

nichts dafür. Es liegt natürlich in Ihrem Ermessen, wer alles von<br />

diesem Drama in der LGT-Gruppe erfahren soll. Bitte<br />

beschränken Sie den Personenkreis bei der LTV und LGT auf das<br />

absolute Minimum. So kann keine Unruhe entstehen und mit<br />

Gottes Hilfe wird das Unglück abgewendet. Vielen Dank.<br />

III. DLT- Backup-Tape (Anm.: Das vollständige<br />

Kunden-Datenspeicherband)<br />

Im vergangenen Jahr erschienen immer wieder neue Artikel über<br />

die Probleme von Dr. Dr. Herbert Batliner in den Medien. Dort<br />

hatte ein ehemaliger Mitarbeiter vor Jahren eine CD-Rom mit<br />

173


Angaben über sein Kunden sowie deren Vermögenswerte von ca.<br />

400 Gesellschaften entwendet und dem SPIEGEL zugesandt. Die<br />

deutschen Steuerbehörden haben in der Folge mehrere hundert<br />

Steuerstrafprozesse eröffnet und nach eigenen Angaben bis heute<br />

ca. 300 Mio. (DM) an Nach- und Strafsteuern einkassiert.<br />

Auch unter uns Mitarbeitern bei der LTV wurde darüber<br />

diskutiert. Was wären die Konsequenzen, wenn es in der LTV<br />

passieren würde? Jemand hat gesagt, welch ein Instrument dies<br />

wohl wäre, wenn man solche Daten in den Händen hält.<br />

Irgendwann im letzten Jahr habe ich zufällig mitbekommen und<br />

erkannt, wie relativ leicht es wäre an eines der zwei täglichen<br />

Tages-Backup DLT-Tape der LTV zu kommen. Jede Nacht wird<br />

bei der LTV im Serverraum (2.OG) via CP360-62 das komplette<br />

System, alle Programme und alle Daten (MASTER +<br />

DOCUWARE), auf Raid5-Bereich 2 (f:SQL_Backup) gesichert,<br />

sprich gespeichert. Das Tape (aus CP TL891) wird dann jeweils<br />

von der IT Abteilung beschriftet und im kleinen Datentresor<br />

aufbewahrt. Die Bänder werden üblicherweise mehr als 1 x für<br />

diese Aufgabe verwendet. OT Entfernt.<br />

Aus den Gründen, die ich im Punkt I. (Gerechtigkeit) erklärt<br />

habe, habe ich ein solches DLT-Tape an mich genommen. Zum<br />

Zeitpunkt der Entnahme, sprich Diebstahl des Bandes wusste ich<br />

aber noch nicht ob ich die Daten je missbrauchen würde. Ich<br />

wusste auch nicht, ob die Daten verschlüsselt sind. Vermutlich<br />

schon, so dachte ich mir. Ich habe dann ein gebrauchtes, externes<br />

DLT-Laufwerk gekauft um die Daten überhaupt lesen zu können.<br />

Zu meiner völligen Überraschung stellte sich heraus, dass die<br />

Backup-Daten nicht verschlüsselt auf dem Tape gespeichert<br />

wurden. Nicht ganz einfach, aber mit der verwendeten Backup-<br />

Software OT Entfernt kann man die Daten lesbar machen. Aus<br />

dem Inventory DOCUWARE sind alle Dateien im TIFF-Format<br />

mit MS-Software lesbar, da DocuWare ein so genanntes<br />

selbsttragendes Archiv ist und daher keine spezifische Docu-<br />

Ware-Software (Zugang) zum Lesen der Daten erforderlich ist.<br />

Im DocuWare auf dem Tape sind über 1'159'000<br />

Mandatsspezifische (Kunden-) Dateien gespeichert. Da alle DLT-<br />

Tapes der LTV eine fortlaufende Serienproduktionsnummer des<br />

174


Herstellers auf der Rückseite haben, können Sie feststellen, dass<br />

Ihnen das TAPE mit folgender Serie-Nummer fehlt: 122054<br />

SH207F822 86.<br />

Anm.: Ich habe dem Brief Fotos des DLT-Tapes beigelegt, worauf klar die<br />

Seriennummer und andere Details ersichtlich waren, wie z.B. die interne IT-<br />

Markierungen. Der Datums-Kleber, der angibt, von welchem Tag das Back-Up-<br />

Tape stammt, habe ich aber vorher entfernt, sodass man nicht genau feststellen<br />

konnte, bis zu welchem Tag ich alle Daten hatte. Dies aus strategischen<br />

Gründen (siehe auch am Ende dieses Buchkapitels).<br />

ORIGINAL-DOKUMENTE:<br />

Wenn es zu der Notwendigkeit kommt, wo ich die Hilfe der USA<br />

oder Deutschland oder anderer betroffener Länder erbeten muss,<br />

um die Verbrecher zu bestrafen, wird vielleicht die LGT zu<br />

Behaupten versuchen, ich hätte nie dort gearbeitet; obwohl ich<br />

mit Arbeitsvertrag und Lohnzahlungen (ganz abgesehen vom<br />

DLT-Tape selber) es widerlegen kann, habe ich zum Beweis, dass<br />

ich sehr wohl dort gearbeitet habe, gezielt Originaldokumente<br />

‚ausgeliehen‚. Sie stammen aus dem Städtle 28: div. Archive<br />

(Raum G1346, 3. OG // Raum G1851, 1. UG). Zum Raum G1346<br />

wurde ich jeweils auf Grund meiner Arbeit hineingelassen. Und<br />

Städtle 18: Raum 704/705 A + B.<br />

s sind drei Arten von Originalen:<br />

A) AUS- oder EINzahlungsbelege (BX= Belegexemplar) vom<br />

Kassenschalter der LGT (vereinzelt von Fremdbanken) mit<br />

zusätzlicher Empfangsunterschrift (und Fingerabdrücke) des<br />

wirklichen Wirtschaftlichen Berechtigten. Aufgeteilt in Total in<br />

CHF: Auszahlungen CHF 334'203'000. - //<br />

Einzahlungen CHF 212'331'000.-.<br />

Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend aufgerundet.<br />

OT Entfernt<br />

B) Unterlagen über EIN- oder AUSzahlungsausführungen des<br />

UFF- und IBEX-Trust an 26 externe Stiftungen zwischen<br />

Dezember 1988 und Dezember 2000. Total in CHF 6'784'183'000.-<br />

OT Entfernt.<br />

175


C) Diverse Originale mit Kundenunterschrift. Über den Inhalt<br />

dieser Originale möchte ich vorerst nichts sagen.<br />

Alle Originale (A,B + C) dienen nur zur Beweiskraft. Es sind<br />

keine Wertdokumente (wie z.B. Aktienzertifikate oder Zessionen)<br />

darunter. Nach erfolgreichem Abschluss werde ich Ihnen alle<br />

Originaldokumente vollumfänglich retournieren.<br />

Anm.: Auch hier habe ich Fotos (von ausgewählten Einzeldokumenten) im Brief<br />

beigelegt. Es waren ca. 2’150 Einzeldokumente: 85 % davon im Format DIN<br />

A5, der Rest A4. Bei den Dokumenten unter „B)“ handelt es sich um einen<br />

grossen Europäischen Konzern, der für die Gewinnausschüttung von über 6,7<br />

Milliarden(!) CHF zwischen Dez. 1988 und Dez. 2000 faktisch eine geheime<br />

Doppelbuchhaltung führte, um diese kolossale Summe an diverse Personen via<br />

26 verschiedene Stiftungen über komplizierte Umwege steuerfrei zukommen<br />

lassen zu können. Jene Stiftungen wurden aber nicht von der LTV verwaltet,<br />

sondern von anderen Liechtensteinischen Treuhandfirmen. Die LGT Bank<br />

fungierte als Gelddrehscheibe und die LGT Treuhand stellte ihr Fachwissen für<br />

die Abwicklung über die 2 genannten Trusts zur Verfügung.<br />

IV. Übersicht Kunden und deren Vermögen<br />

Nach Auswertung aller Daten aus dem DLT Tape, besitze ich alle<br />

Unterlagen über Gründungen, Auftraggeber, Wirtschaftliche<br />

Berechtigte [WB oder BO], Beistatuten, LTV- u. LGT-<br />

Sorgfaltspflichtdokumente, Bank- und andere Vermögenswerte<br />

(Immobilien, Schiffe, Patente, Bilder etc.), Barein- u.<br />

Auszahlungen, Transfers, Aktenvermerke u.s.w. von Total 3929<br />

verschiedene Gesellschaften (Stiftungen, Anstalten, AG, Trust<br />

etc.), die in Vaduz registriert sind. Inklusive die mehreren<br />

hundert Mandate der LGT Treuhandbüros in Zürich & Lugano<br />

(sowie der OT Entfernt). Sowie Kopien von über 105 (Leichen-)<br />

Mandate aus dem alten Vaduzer Archiv.<br />

Alle diese oben genannten 3929 (Schwarzgeld)-Briefkastenfirmen<br />

haben / hatten genau 8655 verschiedenen Einzelbankkonten.<br />

Davon 7834 Bankkonten bei der LGT Bank und 821 Bankkonten<br />

bei Fremdbanken (z.B. OT Entfernt etc.).<br />

176


Aktueller Stand der Bankvermögenswerte aller obigen Konten<br />

(2001/02): CHF 7'160'844'000.- (davon liegen 5'682'296'000.- auf<br />

Konten bei der LGT Bank und CHF 1'478'548'000.- bei<br />

Fremdbanken). Höchststand gemäss Unterlagen: CHF<br />

9'866'237'000.-(davon 8'023'504'000.- bei LGT Bank und CHF<br />

1'842'733'000.-- bei Fremdbanken). Hier nicht eingerechnet sind<br />

die CHF 6'784'183'000.-- Ein/Auszahlungen, die für den UFF- und<br />

IBEX-Trust über die LGT Gruppe zwischen Dez. 1988 bis Dez.<br />

2000 gelaufen sind. (Siehe "Original-Dokumente" unter Punkt<br />

IV.). Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend CHF<br />

aufgerundet.<br />

Genau 5828, mehrheitlich natürliche Personen sind / waren für<br />

diese 8655 Einzelbankkonten der 3929 Gesellschaften als<br />

Erstbegünstigte / Wirtschaftlichen Berechtigten registriert.<br />

In 46 Fällen sind Politisch Exponierte Personen (PEP) involviert.<br />

Zusätzlich habe ich in verschiedenen Listen genaue<br />

Personenangaben (Aktenvermerke) über weitere total 207<br />

Interessenten gefunden, die aber nach dem 1. oder 2.<br />

Besuch/Gespräch nicht eine Kundenbeziehung mit der LGT<br />

eingegangen sind. Davon waren 68 aus OT Entfernt, 41 aus den<br />

OT Entfernt, 56 aus der OT Entfernt, 18 aus OT Entfernt und der<br />

Rest aus diversen Ländern. 1 x ging es um eine Umgehung des<br />

US-Embargos gegen den IRAK. Gemäss internen Angaben<br />

wollten diese 207 Interessenten Total CHF 517’000’000.-<br />

‚Schwarzgeld‚ als Neukunden bei der LGT deponieren.<br />

Anm.: Es folgte eine vollständige Länderliste (Total 82 verschiedene Ländern)<br />

mit der jeweiligen Anzahl von Stiftungen, Anstalten u.s.w. (nicht die Anzahl<br />

involvierten Personen, die immer höher ist). Eine Auswahl: Deutschland über<br />

ca. 1400 Stiftungen/Anstalten etc., Österreich über 350, Schweiz über 700,<br />

U.K. über 450, USA über 600 , Kanada über 280, Italien über 390, Frankreich<br />

über 195, Spanien über 220, Beneluxländer über 230, Skandinavischen Länder<br />

über 195, Osteuropa (incl. Russland) über 150, Südamerika über 135.<br />

Das Total aller Stiftungen u.s.w. aller Länder ist grösser als die Zahl „Total<br />

Gesellschaften“ (3929), weil es einige Gesellschaften gibt, die eine Verbindung<br />

z.B. nach Deutschland und nach Österreich haben, und daher einmal in der<br />

Zählung Deutschland und einmal in der Zählung Österreich erschienen.<br />

177


V. USA<br />

Wenn mir Liechtenstein nicht helfen kann, meine Folterer zu<br />

gerechten Strafen zu verurteilen, werde ich mich zuerst an die<br />

USA wenden. Warum glaube ich, dass die Amerikaner mir helfen<br />

werden? In den USA gibt es spezielle Gesetzte, die einer<br />

Verurteilung von Tätern selbst dann ermöglicht, wenn die Tat im<br />

Ausland geschah und keine der Involvierten Personen US-Bürger<br />

ist. Zudem gibt es den US Patriot Act of 2001 (26.OCT).<br />

Ich behaupte nicht, dass die LGT (bewusst) irgendetwas mit<br />

Terrorismusfinanzierung oder dergleichen zu tun hat. Ich bin mir<br />

aber sicher, dass bei denjenigen Kunden der LTV, die selber<br />

Iraner, Iraker sind oder aus anderen arabischen Ländern<br />

kommen, oder andere Nationalitäten besitzen und mit Iran, Irak<br />

oder anderen terrorismushelfenden Staaten Geschäfte machen,<br />

werden sie genauer unter die Lupe (d.h. amerikanische Lupe)<br />

genommen, US-Gesetzes-Verletzungen zum Vorschein kommen<br />

werden.<br />

In den über 645 Gesellschaften der LTV hat es Verbindungen mit<br />

den USA; sei es weil der Settlor, WB/BO, Protektor, Beirat etc.,<br />

US-Bürger oder Greencardholder ist, oder grössere Zahlungen an<br />

US-Personen im Ausland getätigt wurden oder Transfers über die<br />

USA liefen. Bei drei Gesellschaften sind nach meinen Daten PEP-<br />

Indikatoren da, obwohl keine PEP-Formulare ausgefüllt wurden.<br />

Bei allen involvierten Gesellschaften ist eine Verletzung u.a. des<br />

IRS-Code 1957 und im geringeren Masse Code 1956 festzustellen.<br />

Zudem kann man feststellen, dass fast alle Gesellschaften gegen<br />

die US-Gesetzesvorlagen (IRS-Codes etc.) verstossen haben, die<br />

im Gutachten von OT Entfernt., alle N.Y., vom 30.08.2002 erwähnt<br />

sind. Zusätzlich sind weitere 41 Personen aus den USA als<br />

Interessenten bei der LTV registriert, ohne dass es zu einem<br />

Mandat kam. Zwei Personen sind Doppelbürger und als PEP zu<br />

deklarieren. Auch habe ich auf dem Tape interne Schriftsätze<br />

gefunden, die ganz deutlich die Wege aufzeigen, wie die<br />

Kundenberater der LTV die Kunden (alle Nationalitäten) beraten<br />

können, die sich gegenüber den US-Behörden (IRS) nicht<br />

Offenlegen wollen und dennoch US-Aktien und/oder<br />

insbesondere US-Immobilien weiterhin halten oder neue<br />

erwerben wollen, um so US-(Steuer)-Gesetze umgehen zu<br />

178


können. Hauptsächlich wird empfohlen, dies mit einer Panama<br />

Gesellschaft zu tun. Solches Vorgehen der involvierten Stiftungs<br />

(SR)- oder Verwaltungsräte(VR) könnten die US-Behörden u.a.<br />

mit dem LAJOFP (Long Arm Jurisdiction Over Foreign Persons)<br />

verfolgen.<br />

Diverse Beratungen bei einigen Kunden stehen eigentlich auch<br />

im Gegensatz zu der heiligen Devise der LTV: ‚Keine Geschäfte<br />

mit dem oder im Steuerdomizil des Kunden‚. Also die<br />

eingesetzten SR/VR Geschäfte im Namen der Stiftung im<br />

Heimatland des Wirtschaftlichen Berechtigten tätigen: wo wir<br />

doch alle wissen, dass solche Aktivitäten wegen der<br />

Aufdeckungsgefahr hoch riskant sind.<br />

Verletzungen des (QUALIFIED Intermediary Status) QI-Status:<br />

Die US Steuerbehörde IRS hat die Liechtensteinischen „Kenne-<br />

Deine-Kunden‚- Regeln (KYC-Rules) am 28.02.01 bewilligt und<br />

zugestimmt und dem Land rückwirkend auf den 01.01.01 den QI<br />

Status erteilt. Die LGT hat am 07.03.01 das Gesuch für den<br />

Banken-QI-Status eingereicht und konnte ab diesem Datum<br />

provisorisch als QI handeln. Nach den ersten 2 Jahren wurde der<br />

QI-Status nochmals um 2 Jahre – bis Ende 2004 verlängert.<br />

Nun, nach Durchsicht aller Mandate mit QI-Angelegenheit die<br />

ich gefunden habe, kann man Verstösse feststellen und es wird<br />

die IRS interessieren, dass z.B.:<br />

° bei 38 Stiftungen/ Anstalten noch nach der Ablauffrist vom<br />

31.12.2001 der Kauf von US Aktien erfolgte, obwohl die<br />

erforderliche Dokumentationspflicht (W-9, W-8IMY oder W-<br />

8BEN incl. beglaubigter Passkopie pro WB) nicht erfüllt waren.<br />

° Bei einigen neuen Stiftungen/Anstalten der LTV im<br />

Kundenauftrag nach dem 01.01.2001 durch die LGT oder<br />

Fremdbank US-Aktientitel gekauft wurden, obwohl der Kunde<br />

OT Entfernt hat oder die LGT gemäss QI-Vertrag zwischen LGT<br />

& IRS ‚vergessen‚ hat, dies zu tun.<br />

° Es eine kleine Anzahl Stiftungen/Anstalten (Simple/Grantor)<br />

gibt, wo der Wirtschaftliche Berechtigte US Steuerbürger ist. Es<br />

gibt/gab also Kundenbeziehungen mit Status ‚US-Persons‚ mit<br />

US-Aktientiteln im Depot, die gemäss QI-Vereinbarung hätten<br />

registriert sein müssen – es aber nicht sind. Dadurch<br />

unterläuft/verhindert die LGT automatisch die erforderliche,<br />

sporadisch, externe US-Buchprüfung für den QI Status, weil die<br />

179


Prüfung nur für solche Konten gemacht werden kann, wo US-<br />

Personen als WB/BO registriert sind. D.h. Keine Registrierung =<br />

Keine Prüfung! Das würde den USA sehr sauer aufstossen!<br />

US-Verbrechen:<br />

Eine Auswahl von 6 Stiftungen der LTV zeigen gemäss AV, dass<br />

die/der WB selber in US-Crimes verwickelt waren oder es<br />

wurden Zahlungen getätigt, die US-Strafprozessen<br />

zuwiderlaufen. Beispiele:<br />

° hat die LGT eine Struktur angeboten (damit sie nicht selber in<br />

die Schusslinie gerät aber dennoch mitverdienen kann), wo der<br />

WB als ehemaliger Firmenbesitzer, die er in den Konkurs<br />

getrieben hat, eine Benachteiligung der Gläubiger durchsetzen<br />

konnte.<br />

° oder es werden Kundenbeziehungen aufrechterhalten, obwohl<br />

der Kunde wegen einem 50 MIO US$-Betrugs-Scam auf der<br />

Internationalen Watchliste steht.<br />

° Die Amerikaner wird auch interessieren....<br />

~ wie ehemalige und tätige ausländischer Hohe Beamte so solch<br />

grosse Vermögen kommen.<br />

~ oder das Mitglieder aus dem Familienkreis des früheren<br />

Diktators OT Entfernt Gelder bei der LGT liegen haben.<br />

~ welche ausländische, diktatorische Herrscherfamilien wo, wie<br />

viel Geld und andere Werte bei der LGT Treuhand verwalten<br />

lassen.<br />

Diese hier auflisteten Beispiele sind nur eine Auswahl von vielen<br />

mehr, wo man verschiedenste Gesetzesverstösse feststellen kann,<br />

die weit über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=<br />

Steuerhinterziehung) hinausgehen. Insbesondere kommt auch die<br />

die Organhaftung (seitens SR & VR) bei vielen Mandaten ins<br />

Spiel.<br />

VI. Deutschland<br />

Will mir Liechtenstein nicht helfen, meine Foltere hinter Gittern<br />

zu bringen, so wende ich mich nach den USA an die Deutschen<br />

um Hilfe. Warum sollte mir Deutschland helfen? Ich bin sicher,<br />

eine Deutsche Zuständigkeit ergibt sich auch dadurch, da der<br />

180


Haupttäter im Argentinienfall, der Verbrecher Roegele ein<br />

Deutscher ist und der Lösegeldabholer Kroschel auch!<br />

Die 1409 Briefkastenfirmen, mit den Total über 2800<br />

Erstbegünstigten (mit Deutschem PASS oder Nicht-Deutsche, die<br />

in Deutschland ihr Steuerdomizil haben) und die zusammen über<br />

3 Milliarden CHF Bankvermögen haben, bilden die grösste<br />

Gruppe der LTV-Mandate (Aktive, Abgänge oder Löschungen).<br />

Abgesehen von den wenigen deutschen PEP’s, die als solche<br />

deklariert sind, hat ein Check von Kunden, die von ihrem Umfeld<br />

her (gemäss Gründungsaktenvermerk [z.B. Beruf, Vermögen,<br />

Ehepartner] oder späteren AV’s) etwas mit der Politik oder<br />

Wirtschaftspolitik zu tun haben könnten, in diversen<br />

Internetdatenbanken (z.B. bei politikus.de, spiegel.de u.s.w)<br />

erstaunliches hervorgebracht (24 Treffer).<br />

Fünf Beispiele:<br />

~ ein Familienmitglied eines Anwaltes der OT Entfernt hat eine<br />

Stiftung der der LTV (Adresse des Anwalts stimmt mit der<br />

Adresse des EB im Formular überein)<br />

~ eine ehemaliger Kommunal OT Entfernt, der der Korruption<br />

beschuldigt wird, hatte eine Stiftung bei der LTV.<br />

~ Ein höherer OT Entfernt aus OT Entfernt hatte eine Stiftung bei<br />

der LTV.<br />

~ Ein Mitglied der deutschen OT Entfernt-Stiftung ist Kunde bei<br />

der LTV.<br />

~ Ein Kunde der LTV ist Mitglied der OT Entfernt OT Entfernt<br />

Alle hatten bzw. haben mal kleine, mal grosse Summen auf den<br />

Konten! Sind dies etwa OT Entfernt gelder?<br />

Einige aus Deutschland politisch wie wirtschaftlich heikle<br />

Mandate, die der LTV klar bekannt sind. Beispiele:<br />

~ eine Gesellschaft, die als Off-Shore-Company für die mit<br />

politischem Klagelied in Konkurs gegangene PHILLIP<br />

HOLZMANN AG galt und US-Geschäfte tätigte, die sich als<br />

illegale Preisabsprachen bzw. Bestechung herausstellten (Gemäss<br />

AV)<br />

181


~ Eine eigene LTV-Gesellschaft tätigte eine Zahlung von etwas<br />

über DEM 5,6 MIO via Deutschland. Im AV schrieb der KB, dass<br />

die Zahlung eindeutig als Bestechungsgeld zu werten sei.<br />

~ Der OT Entfernt Mann OT Entfernt hat seine Stiftung (die OT<br />

Entfernt Stiftung) bei der LTV via der im OT Entferntskandal<br />

federführenden OT Entfernt -Stiftung (bei OT Entfernt) über ein<br />

Konto bei der Fremdbank OT Entfernt gefüllt.<br />

Sind diese Gelder auch OT Entfernt gelder?<br />

~ Des weiteren gibt es ein OT Entfernt Schwarzgeldkonto der OT<br />

Entfernt, die als Eigentum OT Entfernt identifiziert wurde. Der in<br />

mehreren AV’s offen geschilderten Hintergrund der<br />

Einzahlungen und Verwendungszweck der Auszahlungen<br />

werden OT Entfernt als massiv rechtswidrig eingestuft. Eine<br />

ähnliche Einrichtung, die ‚ OT Entfernt -Stiftung‚, wurde vor<br />

Jahren bei OT Entfernt ‚gefunden‚.<br />

~ Über eine BVI-Company der LTV wurde eine Zahlung von US$<br />

10 MIO im Zusammenhang mit der ABB (Asea Brown Boveri)<br />

getätigt. Diese Zahlung ist als Bestechung leicht zu erkennen (da<br />

im AV schlecht verschleiert vermerkt).<br />

~ den (politischen wie wirtschaftlichen) Chef einer der grössten<br />

Deutschen Staatsfirmen und Arbeitgeber und Inhaber einer sehr<br />

vermögenden LTV-Stiftung will ich hier erst gar nicht namentlich<br />

erwähnen.<br />

~ Selbst der Französische Ölkonzern ELF, dessen OT Entfernt der<br />

OT Entfernt in Deutschland seit Jahren ein Skandal ist und<br />

neuerdings gemäss dem OT Entferntartikel in OT Entfernt auch<br />

die FL-Justiz beschäftigt, indem sie mehrere Rechtshilfegesuch<br />

nach Deutschland versandt hat, hat in den 90er bei der LTV eine<br />

Holding einrichten lassen, die ganz offensichtlich dazu diente<br />

Korruptionsgelder zu verteilen und zu waschen, die im<br />

Zusammenhang mit der Ölexploration stehen.<br />

~ Auch im SPIEGEL Nr. 47 vom 18.11.2002 las ich ein Artikel<br />

(Seite 124+126) über div. dubiose Zahlungen rund um das Kirch-<br />

182


Imperium in Deutschland. Ich habe mich an ein Dokument<br />

(‚Checkliste aussergewöhnlichen Transaktionen‚) mit Hinweis<br />

auf den Kirch Komplex eines Mandats auf dem Tape erinnert: der<br />

Name des WB steht zwar nicht im Artikel des Magazins. Aber die<br />

hastig gewünschte und dann ausgeführte Banküberweisung von<br />

über 2 MIO CHF (ausgerechnet in das Steuerdomizilland des WB<br />

- die USA), passt genau in das Schema der im Artikel<br />

aufgeführten Verschleierungstaktik.<br />

~ Der extremste wirtschaftlich kriminelle (deutsche) Fall, den die<br />

LTV betreut(e) bzw. half abzuwickeln, ist jenes Mandat wo<br />

massive OT Entfernt sgelder auf ganz präzis ausgefeilten Wegen<br />

über mehrere Gesellschaften hier in Vaduz und in OT Entfernt an<br />

OT Entfernt OT Entfernt (und anderen Personen in dessen<br />

Umkreis) des grossen Deutschen OT Entfernt OT Entfernt gezahlt<br />

wurden. Mit dieser OT Entfernt wurde OT Entfernt.<br />

Auch viele andere Mandate zeigen offen Kriminelle Handlungen:<br />

z.B. Gläubigerbetrug (Mandats-Nummern: OT Entfernt),<br />

Kreditbetrug (OT Entfernt ), Subventionsbetrug (OT Entfernt),<br />

Geldwäscherei (OT Entfernt), Korruption (OT Entfernt)<br />

Schmiergeldzahlungen und Bestechungen (OT Entfernt).<br />

Es gibt hunderter weitere Deutscher Mandate, deren richtige &<br />

korrekte Interpretation der Aktenvermerke (Avs) und Zahlungsabläufe<br />

verschiedenste Gesetzesverstösse aufzeigen, die weit<br />

über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=<br />

Steuerhinterziehung) hinausgehen. Z.B. solche LTV-Stiftungen,<br />

deren einzige Aktiva verschieden grosse Aktienpakete von an der<br />

Börse in Deutschland kotierten Gesellschaften sind. Manche der<br />

durch die LTV im Namen der Stiftung ausgeführten<br />

Transaktionen sind gelinde gesagt nicht gerade Kleinaktionärsfreundlich<br />

und verstossen eindeutig gegen diverse Gesetze. Oft<br />

dienten solche Transaktionen zur Vertuschung und<br />

Verschleierung der vom (Börsen-)Gesetz vorgeschriebenen<br />

Offenlegungspflicht bei Überschreitung eines definierten<br />

Prozentsatzes bezüglich Besitz von Aktien oder Börsenkapital<br />

oder bei vorgenommenen Aktienkkapitalschnitten.<br />

183


Des weiteren haben sich namentlich 68 Personen aus<br />

Deutschland als Interessenten bei der LTV gemeldet, ohne dass es<br />

zu einem Mandatsvertrag kam (gemäss AV). Die Problematik<br />

einer FL-Stiftung im (deutschen) Steuer- und Strafrecht zeigen die<br />

Ausführungen von Dr. Rainer Spatscheck aus München, die auch<br />

auf dem DLT-Tape gespeichert sind. Auf dem Band findet man<br />

auch Aktenvermerke und Schulungsunterlagen für die<br />

Kundenberater, was dem vom Deutschen Fiskus festgestellten<br />

„Durchgriffsrecht‚ des WB/Stifters bei einer Stiftung mit<br />

Mandatsvertrag (STMM) entgegengesetzt werden kann: nämlich<br />

die STOM (Stiftung OHNE Mandatsvertrag). Wie die LTV in<br />

Zukunft mit Deutschland Kunden Geschäfte machen will, zeigt<br />

auch das NSL-Gutachten vom Sommer 2002.<br />

VII. Schutz-Identität<br />

Durchlaucht Fürst und Erbprinz, wenn Sie nun diesen Brief in<br />

den Händen halten, bin ich, hoffentlich sicher, schon in<br />

Deutschland angekommen. Selbstverständlich werden Sie<br />

verstehen, dass ich unter den nun vorliegenden Umständen nicht<br />

in Liechtenstein oder in der Schweiz auf eine Lösung warten<br />

kann. Obwohl gerade Deutschland als EU–Land eine „Gefahr‚<br />

für mich darstellt, habe ich den Schritt gemacht, denn wäre ich<br />

nicht nach Deutschland gegangen, so würde gar nichts mehr<br />

gegen die Verbrecher geschehen.<br />

Dank dem Hauptverbrecher Helmut R. habe ich ja die Probleme<br />

mit Spanien. Ich bin mir der grossen Gefahr bewusst, dass ich evt.<br />

in Deutschland in eine Polizeikontrolle geraten kann. Ich<br />

versuche es zu vermeiden. Ich kann mich aber nicht 24 Stunden<br />

verstecken. Falls ich in eine Kontrolle gerate, wobei bei<br />

Ausländern meist ein Computercheck durchgeführt wird und die<br />

Deutschen versuchen würden mich festzuhalten, werde ich<br />

versuchen in eine US-Einrichtung (Botschaft oder Konsulat) zu<br />

gelangen. Gelingt mir das nicht, so habe ich keine andere Wahl,<br />

als die Deutschen über meinen wirklichen Grund des Aufenthalts<br />

aufzuklären, alle Daten auszuhändigen und um deren Hilfe zu<br />

bitten.<br />

184


Um diesem Desaster zu entgehen gibt es nur eine Möglichkeit! Es<br />

tut mir Leid, dies zu verlangen, aber nur mit einer neuen<br />

temporären Schutz-ID werde und kann ich zum Schutz von<br />

Liechtenstein, der LGT und der tausenden Kunden aus aller Welt<br />

so lange in Deutschland warten, bis ich erfahre, zu welchem<br />

Urteil bzw. Bericht ein unabhängiger Staatsanwalt und<br />

unabhängiges Richtergremium gekommen sind. Bedingungslos<br />

vom Urteil oder Bericht bin ich dann bereit mich mit einer<br />

Vertrauensperson von Ihnen in Deutschland zu treffen, um einen<br />

Weg aus der drohenden Katastrophe zu finden. Ich bitte Sie<br />

daher mit beiliegenden Fotos von mir zwei gleichnamige FL<br />

Pässe auszustellen. Da der Name und das Geburtsdatum zufällig<br />

gewählt wurden, gibt es keine Verwechslung mit einer echten<br />

Person. Vor Ihnen verstecken kann und will ich mich ja mit<br />

diesem neuen Pass nicht, Sie kennen ja die Passdaten. Bitte<br />

beachten Sie aber, dass Sie es in der Hand haben, wer davon<br />

erfährt. Man wird Ihnen sicher raten, sofort die Polizei<br />

einzuschalten. Abgesehen davon, dass ich alle meine<br />

Verbindungen nach FL aufgelöst habe und weder dort noch<br />

arbeite noch wohne, möchte aber darauf hinweisen, dass der<br />

Chef der FL-Wirtschaftspolizei (EWOK) in Vaduz – die in diesem<br />

Fall sicherlich die Führung der Untersuchung haben möchte - ein<br />

DEUTSCHER ist. Er hätte sicherlich Interesse zumindest an den<br />

Deutschen Datenmenge. Selbst wenn alle Vorsicht geboten wird –<br />

irgendjemand (Sachbearbeiter, Sekretärin, Archivar oder Bote<br />

etc.) in der Justiz oder bei der Polizei in Liechtenstein oder sonst<br />

wo würde es ausplaudern.<br />

Zudem kann ich mit der Zusendung der neuen Pässe erkennen,<br />

dass Ihnen an der Lösung etwas liegt. Das ich um 2 Pässe bitte,<br />

liegt daran, dass ich einen Reserve-Pass brauche, wenn einer<br />

unbrauchbar wird oder verloren geht. Nach Ende, welches auch<br />

immer, werde ich Ihnen beide Pässe zurückgeben. Ich bitte Sie<br />

beide Pässe in einer Hülle in das beigelegte beschriftete Kuvert<br />

einzupacken und fest zuzukleben. Dieses Kuvert bitte wiederum<br />

in ein neutrales grosses A4 Kuvert geben. Auf diesem A4-Kuvert<br />

vorne bitte folgende Aufschrift anbringen: ‚Wird von Hr. Kieber<br />

abgeholt oder er lässt es abholen oder gibt telefonisch an wohin<br />

es weitergeleitet werden soll‚.<br />

185


Ich bitte Sie das Kuvert einer Vertrauensperson zu übergeben.<br />

Diese soll damit entweder nach Feldkirch fahren und dort bei<br />

UPS Austria (Freecall Austria 0810-xxxxxx) abgeben, (Bitte nicht<br />

mit der UPS Schweiz senden, da dann der Zoll Einblick nehmen<br />

könnte) oder die Vertrauensperson soll das Kuvert persönlich in<br />

Frankfurt abgeben, damit es spätestens am Montag, den<br />

13.01.2003, 14 Uhr dort ist. Empfänger ist die LGT Niederlassung<br />

Frankfurt*, Bockenheimer Landstrasse 107, z.Hd. Geschäftsführer<br />

oder Sekretariat, D- 60325 Frankfurt. Inhalt: Dokumente.<br />

* = ab dem 07.01.03 ist das Büro wieder besetzt.<br />

Die LGT Frankfurt sollte natürlich NICHT eingeweiht werden.<br />

Man soll nur telefonisch (0049 69 xxxxxxxx) mitteilen, das ein<br />

Kuvert für einen Kunden per UPS oder Kurier ankommen wird;<br />

man braucht auch keinen Ausweis vom Abholer einzusehen.<br />

Wenn evt. jemand kommt und nach dem Kuvert für Herrn<br />

Kieber fragt, soll man es einfach ohne UPS-Umschlag, aber im<br />

grossen A4-Umschlag, übergeben.<br />

Falls evt. Herr Kieber anrufen sollte, soll man bitte das Kuvert<br />

gemäss seinen Angaben weiterleiten. Kosten zu Lasten der LGT<br />

Deutschland.<br />

Sollten die Pässe nicht bis am Montag, den 13. Januar 2003 in<br />

Frankfurt sein, oder ein Kuvert zwar ankommen, aber kein oder<br />

nur ein Pass drin ist, so nehme ich an, dass Sie andere Pläne zur<br />

Lösung dieser Situation verfolgen. Dann muss ich keine<br />

Rücksicht mehr nehmen und werde sofort Hilfe bei den<br />

Amerikanern erbeten.<br />

Anm.: Ursprünglich wollte ich in diesem Punkt zwei einfache, sogenannte<br />

Identitätskarten von Hans-Adam verlangen, da sie eigentlich für meine Zwecke<br />

(eine andere, sichere Identität während meines Aufenthaltes in Deutschland)<br />

auch ausgereicht hätten. Nachforschungen meinerseits ergaben aber, dass die<br />

ID-Karten für Liechtensteiner Bürger von einer Spezialfirma in der Schweiz<br />

hergestellt werden und das Liechtensteiner Passamt sie von dort per Post<br />

bestellt. Dies kann bis zu 14 Tage dauern. Ich wusste aber, dass Hans-Adam<br />

selber (!) schnell Liechtensteiner Pässe drucken kann, unabhängig von der<br />

Regierung. Hans-Adam hat nämlich das absolute Recht, Ausländern jederzeit<br />

per Dekret die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft zu verleihen. Oder nach seiner<br />

Wahl (wovon er auch rege Gebrauch macht) Liechtensteiner Diplomatenpässe<br />

(zu 95 % exklusiv an seine eigene, grosse Familie) zu verteilen. Ich bat ihn um<br />

186


zwei normale Pässe. Den Termin „13.01.03“ habe ich bewusst gesetzt, da ich<br />

Hans-Adam nicht zu viel Zeit geben wollte, diesen ersten Schritt zu machen.<br />

Mit zu viel Zeit, wer weiss auf welche „dummen“ Gedanken er und seine<br />

Truppe hätte kommen können.<br />

VIII. Datensicherheit<br />

Meine erste Idee war, alle brauchbaren kundenspezifische<br />

Dokumente komplett und verschlüsselt ins Internet zu stellen.<br />

Die grosse Datenmenge wäre technische kein Problem gewesen.<br />

Internetfirmen wie z.B. ‚xdrive.com‚ bieten solche Dienste an.<br />

OT Entfernt. Von dieser Version habe ich aber abgesehen, da ich<br />

nicht zu 100 Prozent ausschliessen kann, dass die involvierten IT-<br />

Spezialisten evt. beim Installieren dennoch Einsicht in die Daten<br />

nehmen könnten.<br />

Einfacher und sicherer ist eine externe Harddisk (Festplatte). Sie<br />

kostet nicht viel, ist klein, handlich und einfach zu bedienen, da<br />

es als zusätzliches Laufwerk erscheint. Eine 20 GB Festplatte<br />

reicht mehr als nötig aus, um von allen Gesellschaften jene<br />

Kunden-, Vermögens- und Geschichtsdaten zu speichern, die<br />

notwendig sind, um eine Identifizierung und History zu<br />

ermöglichen. Ich habe mir 2 solcher ‚PocketDrives‚ gekauft. Die<br />

Daten auf diesen 2 externen Festplatten* sind mittels eines<br />

Verschlüsselungsprogramms (ähnlich dem Crypto-Suite von<br />

BHV, also 256 Bits nach AES-Standard) vor fremdem Zugriff<br />

absolut sicher. Zusätzlich habe ich mir dieselben Daten auf vier<br />

DVD-Rom’s* (je 4,7 GB) gebrannt. Den Computer, den ich für<br />

diese Vorgänge verwendet habe, war zu keiner Zeit am Internet<br />

angeschlossen; somit ist ausgeschlossen, dass je etwas ins Netz<br />

gelangen konnte oder Viren oder Spione sich eingenistet haben<br />

könnten. Das Original-LTV-DLT-Tape habe ich so belassen wie es<br />

ist (keine Verschlüsselung). Das Tape und all die<br />

Originaldokumente habe ich nach Deutschland trotz des hohen<br />

Risikos mitgenommen. Sie werden getrennt und werden sicher<br />

verwahrt.<br />

Die 4 DVD’s* habe ich auch mitgenommen und sie werden sicher<br />

aufbewahrt. Die 2 Externen Harddisks* habe ich auch<br />

187


mitgenommen. Sie werden auch getrennt und an einem sicheren<br />

Ort aufbewahrt werden.<br />

Niemand kann jetzt ohne mein Dazutun weder an das Tape, die<br />

Originaldokumente, die DVD’s* oder 2 Externen Harddisks*<br />

kommen, noch ohne mein Dazutun die Daten lesen. Es sind VIER<br />

voneinander unabhängige Hürden zu nehmen: es braucht VIER<br />

unterschiedliche Komponenten, die - in der richtigen Reihenfolge<br />

- es ermöglichen, schlussendlich wirklich zu lesbaren Daten zu<br />

kommen.<br />

Wobei DREI der 4 Komponenten nichts mit Software oder<br />

hochtechnischem Zeug zu tun haben. Die VIERTE Komponente<br />

ist natürlich der 256 Bits-Verschlüsselungs-Schlüssel. Die DREI<br />

ersten Komponenten sind einfacher Natur. Sie haben nichts<br />

miteinander gemein. Damit kann ich zu 100 Prozent<br />

ausschliessen, dass wenn jemand – was eigentlich unmöglich ist -<br />

durch widrige Umstände Kenntnis von einer der 3 ersten<br />

Komponenten erhält, falls er/sie überhaupt es als solche erkennt,<br />

zu den Daten gelangen kann. Das jemand nur schon 2<br />

Komponenten ohne meine Angaben in den Händen halten kann,<br />

ist unmöglich. * = Auf diese Datenträger habe ich jene Mandate,<br />

die zu Ihrer fürstlichen Familie gehören (Schwester, Kinder etc.)<br />

sowie jene Mandate, die Prinz Philipp sowie seinen<br />

Schwiegereltern zugeordnet werden, nicht aus dem DLT-Tape<br />

rüberkopiert.<br />

Anm.: Irgendwie dachte ich mir, dass das Hans-Adam etwas besser schlafen<br />

könnte, wenn er weiss, dass ich all jene privaten Mandate der Treuhand, wo er<br />

und Mitglieder seiner grossen Familie persönlich Wirtschaftlich Berechtigte<br />

sind, nicht auf dem im Brief beschriebenen Datenträgern gespeichert hatte.<br />

IX. Meine Sicherheit<br />

Grundsätzlich möchte ich bekräftigen, dass ich kein Interesse<br />

habe, der LGT als Gruppe, den tausenden einzelnen Kunden und<br />

dem Finanzland Liechtenstein Schaden zuzuführen. Denn der<br />

Auswirkungen einer möglichen ultimativen Katastrophe bin ich<br />

mir bewusst: Immense Imageschädigung der LGT Gruppe<br />

weltweit - Eröffnung tausender Strafsteuerverfahren gegen die<br />

188


Kunden - Rufschädigung des Finanzplatzes Liechtenstein -<br />

Verlust von Kundengeldern in Milliardenhöhe -<br />

Schadensersatzklagen gegen die LGT (analog wie bei Batliner) -<br />

Einleitung verschiedener Strafverfahren, da ohne Zweifel viele<br />

der grossen Vermögen unrechtmässig erworben wurden<br />

(Korruption, Verbrechen, Betrug, Insiderhandel etc.) -<br />

Gravierende Konsequenzen für viele einzelne Kunden (Job,<br />

politische Karriere) - politische Konsequenzen einiger OT<br />

Entfernt-Parteien - Die vielen Möglichkeiten der Amerikaner will<br />

ich erst gar nicht erwähnen u.s.w. ...<br />

Und das alles wegen einer handvoll Verbrecher aus Deutschland,<br />

Spanien und Argentinien. Sicherlich, der Auslöser werde ich sein,<br />

aber die Verantwortung trägt die FL-Staatsanwaltschaft, LR U.<br />

Oehri, zusammen mit den Verbrechern. Ein kleiner Teil des<br />

Schutzes der LGT (Daten) und Liechtensteins ist auch mein<br />

Schutz (sollte mir diese Schutz-ID verweigert werden, dann muss<br />

ich keine Rücksicht nehmen und werde selber mit den Daten<br />

samt den Originaldokumenten mich bei den Amerikanern<br />

melden).<br />

1. Sollte man mir während meiner Entgegennahme des Kuverts<br />

mit der Schutz-ID oder bei einem späteren Treffen eine Falle<br />

stellen, so müssen Sie wissen, dass ich jeweils für diese und<br />

andere Zeiten die zweite externe Harddisk bei mir tragen werde.<br />

Dann übergebe ich eine Harddisk sofort und führe die deutschen<br />

Steuerbeamten zu den Originaldokumenten.<br />

2. Oder sollte man mir bei diesen zwei Gelegenheiten (Schutz-ID-<br />

Abholung) oder bei einem späteren Treffen eine Falle ‚privater<br />

Natur‚ stellen, also Sie mich z.B. Privat schnappen wollen, so<br />

teile ich Ihnen mit, dass ich mich sehr gut zu wehren weiss.<br />

Sollte dies alles nichts bringen und mich nicht schützten, so nützt<br />

es Ihnen auch nichts, denn ich habe es so eingerichtet, dass ich<br />

ohne meine physische Präsenz Dritten den Zugriff wahlweise,<br />

obwohl räumlich / geographisch getrennt, auf Alles (DLT-Tape,<br />

Originaldokumente, Externe Harddisk und die DVD’s) oder auf<br />

einzelne Datenträger gewähren kann. Ich aktiviere einen<br />

vorbereiteten zeitlich programmierbaren E-Mail-Versand. In<br />

189


einer ersten E-Mail (Text in Englisch und Deutsch) beschreibe ich<br />

wer ich bin, was ich habe und meine Gründe warum es tue.<br />

Die Liste der Empfänger sind:<br />

askDOJ@usdoj.gov (for the US-Ambassador in Berlin MR Daniel<br />

R. Coats or 2 nd in charge MR Terry.R.Snell),<br />

zentrale@bundesnachrichtendienst.de (für Dr. August Hauning),<br />

info@bka.de, poststelle@bmf.bund.de (für Finanzminister Hans<br />

Eichel), spiegel@spiegel.de (für Stefan Aust),<br />

aizenmann@washpost.com (for Nurit Aizenmann, Washington<br />

Post, US) redaktion@nzz.ch (für Hugo Bütler, CH),<br />

editor@sundayherald.com (UK), business@ thetimesco.uk (UK),<br />

synd.admin@ft.com (Financial Times UK),<br />

money.editor@guardianunlimited.co.uk (The Observer,UK),<br />

cmeier@gujba.com (Gruner+Jahr, D), wirtschaft@myfaz.net (FAZ,<br />

D), info@bild.t-online.de (D), mm_redaktion@managermagazin.de<br />

(für Dr. Wolfgang Kaden, D), radaktion@profil.at (für<br />

Dr. Robert Buchacher, OES.) patrikdaniel@sph.com.sg (The<br />

Business Times, SIN), stworld@cyberway.com.sg (The Straits<br />

Times, SIN), info@scmp.com (to the editor of the South China<br />

Morning Post, HK) marcello.sorgi@lastampa.it, info@lemonde.fr<br />

(to Boris Razon, Fr), Philippe.Reclus@ lefigaro.fr (Fr),<br />

letters@iht.com (Intern. Harald Tribune).<br />

Die Behörden in den USA und Deutschland sowie Der SPIEGEL =<br />

die ersten 5 Adressen in obiger Liste - erhalten auch eine zweite<br />

E-Mail, dessen Versand-Zeitpunkt auch programmierbar ist.<br />

Darin teile ihnen zusätzlich mit, wie sie über die 4 Komponenten<br />

direkt an die (lesbaren) Tapes und die Originaldokumente<br />

kommen: die USA an die erste externe Harddisk und<br />

Originaldokumente, die Deutschen Behörden an die zweite<br />

externe Harddisk und der Spiegel an die 4 DVD’s.<br />

Der Zeitpunkt des Abschickens beider E-Mails habe ich so<br />

gewählt, dass ich bis zu „xy‚- Minuten nach dem kritischen<br />

Zeitpunkt die Möglichkeit habe, die E-Mails zu stoppen. Zudem<br />

habe ich noch eine Sicherheitsstufe (Schlüssel der verschlüsselten<br />

zweiten E-Mail) eingebaut, um versehentliches Senden zu<br />

190


unterbinden. Der verwendete Provider ist aus Taiwan und ist<br />

daher (frei von fremdstaatlicher Kontrolle) völlig unabhängig.<br />

Die Formel ist einfach: Werde ich während ich auf einen<br />

Schlussbericht eines Sonderstaatsanwaltes und eines<br />

Richtergremiums warte und das Resultat bei einem Treffen in<br />

Deutschland vorgelegt bekomme, nicht in Ruhe gelassen,<br />

dann werde ich zum Bluthund von Liechtenstein.<br />

Wenn ich schon keine faire und rechtsstaatliche Gerechtigkeit<br />

bekomme, dann sollen wenigstens all die verschiedenen Länder<br />

(gemäss Liste unter Punkt IV.) ihre (Steuer-) Gerechtigkeit<br />

bekommen!! Amen und Ende.<br />

Es widerstrebt mir sehr, und die Vorstellung der Kettenreaktion<br />

ist grausam; aber was habe ich zu verlieren? Habe ich nicht heute<br />

schon alles verloren? Muss eine solche Katastrophe passieren, bis<br />

man in Liechtenstein zum Minimum von Grundrechten kommt?<br />

Offensichtlich JA.<br />

X. WIE WEITER & Kontaktmöglichkeit<br />

Ich bitte Sie und Ihren Erbprinzen die Angelegenheit nicht<br />

einfach wieder den alten Behörden zu delegieren – das führt zu<br />

nichts! Ich bin aber auch nicht in einer Position, Ihnen<br />

mitzuteilen, an wenn Sie sich wenden sollen, aber mit Ihnen sind<br />

es jetzt zwei Personen (Sie und ich) die von diesen Unterlagen<br />

erfahren haben. Mein Anwalt ist nicht informiert. Auf der einen<br />

Seite verstehe ich ganz klar, wenn Sie sofort den Henker rufen.<br />

Das Bedeutet, Sie alleine haben es ab jetzt in der Hand, wer wie<br />

viel von diesen Unterlagen, die Sie in den Händen halten<br />

erfahren soll. Sie müssen es selber abwägen, wer involviert<br />

werden soll. Jede zusätzliche Person ist eine Person mehr, die<br />

meine Wandlung zum Rächer auslösen kann.<br />

Ich habe eine sichere und einfache Kommunikationsmöglichkeit<br />

übers Internet eingerichtet. Das nötige LOGIN Wort der E-Mail-<br />

Adresse ist ganz in Ihrer Nähe: Ich bitte Sie in die Schatzkammer<br />

in Ihrem Rundturm im Schloss zu gehen. Dort wo all Ihre<br />

191


kostbaren Bilder hängen. Im Blickwinkel eines ideellen<br />

Selbstbildnisses (wo er sich als Musiker darstellt) des Maler<br />

Gerard DOU ist im Innenrahmen des gegenüberliegenden<br />

Metallgitters (an welche die verschiedenen anderen Bilder<br />

aufgehängt sind) habe ich selber das LOGIN Wort angebracht.<br />

(Falls das Selbstbildnis im Lager umgehängt worden ist; der<br />

hängende, fahrbare Metallrahmen trägt die Nummer 49/51).<br />

Sie werden es sofort erkennen: das Wort (mit 2 Zahlen) hat nichts<br />

mit den Bildern oder dem Rahmen zu tun. Somit haben Sie das<br />

LOG-IN Wort. Das dazugehörende PASSWORT ist jenes Wort,<br />

das Ihnen persönlich, Durchlaucht Fürst Hans-Adam, als erstes<br />

einfällt, wenn Sie dann das LOG-IN Wort in der Schatzkammer<br />

lesen.<br />

Ich habe dies alles so gemacht, da ich sicher gehen will, dass Sie<br />

wirklich mich versuchen zu verstehen. Später werde ich Ihnen<br />

sofort mitteilen, beim welchem Provider (Homepage) die E-Mail-<br />

Adresse eingerichtet ist. Dann haben Sie das LOGIN Wort, das<br />

PASSWORT und den PROVIDER (alles in Kleinbuchstaben<br />

eingeben). Auf der Homepage des Providers finden Sie auf der 1.<br />

Linie das Kästchen ‚E-Mail‚; dort 1x klicken. Bei der nächsten<br />

Seite das LOGIN Wort und das PASSWORT eingeben. Im E-Mail-<br />

Account auf der linken Seite bitte auf *Draft* (rot) 1x klicken. Im<br />

Draft ist eine Mail mit Header „Documents‚ gespeichert; darauf<br />

klicken und Sie finden meine Meldung.<br />

Ein Treffen kann nur in Deutschland stattfinden; entweder mit<br />

Dr. Pius Schlachter oder, wenn Sie es wünschen, mit dem<br />

Erbprinzen Alois. Es tut mir ausserordentlich Leid, dass Sie mit<br />

hinein gezogen werde. Ich hatte keine andere Wahl.<br />

Sehr geehrter Fürst und Erbprinz, ich weiss, unberechtigterweise<br />

verlange ich von Ihnen die Schutz-ID. Aber es ist zum Schutz<br />

IHRER Daten. Auch dass ich Sie zu einer Kommunikation bitte,<br />

die Ihnen nicht würdig ist; aber auf Grund der speziellen<br />

Umstände gibt es keine andere Lösung. Ich will nicht zum<br />

Mörder werden. Liechtenstein hat eine letzte Möglichkeit, die<br />

Inkompetenz und Selbstherrlichkeit gewisser Staatsanwälte und<br />

Richter ein und für allemal zu korrigieren. Im Grunde bin ich mir<br />

aber auch bewusst, dass Sie und Ihre Berater, im Gegenteil,<br />

192


höchstwahrscheinlich alles daran setzten werden, mich zu<br />

vernichten. Mit meiner Abreise aus Liechtenstein gibt es für mich<br />

keinen Weg zurück. Sie selber können erkennen, dass ich durch<br />

meinen jetzigen Aufenthalt in Deutschland alles riskiere: die<br />

LGT, Liechtenstein, mich selber. Ich verstecke mich nicht einfach<br />

irgendwo und warte gemütlich bis was geschieht – NEIN!<br />

Da der Staat mit seiner Staatsanwaltschaft nicht Handeln wollte,<br />

habe ich selber den Startknopf für das ‚letzte Kapitel‚ gedrückt.<br />

Entschuldigen Sie meine Fehler und vergeben Sie mir, dass ich<br />

solche Methoden anwende. Hochachtungsvoll H.K.<br />

Anm.: Mir war klar, dass es psychologisch hoch riskant war, ausgerechnet in<br />

Hans-Adams persönlicher Schatzkammer den Hinweis für das Passwort für die<br />

vorher eingerichtete Internetkommunikation zu hinterlassen. Dieser Rundturm<br />

(vom Dorf unten aus gesehen, der dicke, runde linke Teil der Schlossmauer)<br />

wurde in den 90er Jahren mit Tonnen von Beton ausgegossen und beinhaltet<br />

mehrere Stockwerke, in der seine monströse Kunstsammlung fachgerecht und<br />

absolut sicher verwahrt wird. Ich wählte dieses eher abnorme Art einen Hinweis<br />

anzubringen aus, weil dies der einzige für mich logische Weg war, wo ich mit<br />

absoluter Sicherheit vorauserahnen konnte, der Hans-Adam selber nachsehen<br />

würde. Dies alleine schon deshalb, weil es für ihn einen Schreckschuss sein<br />

würde, dass „ ein Fremder“ ausgerechnet in jenem Bunker, wo seine kostbarsten<br />

Bilder hängen, etwas gemacht hatte.<br />

Auch der ausgewählte Platz, wo ich den Kleber anbrachte, nämlich im eigenen<br />

Blickwinkel des Selbstbildnisse des Malers Gerard DOU, hatte für die ganze<br />

Sache eine ausdrückliche Bedeutung. Aber eben, in der Hektik des Dramas ist<br />

meine Metamorphose Zweideutung dem Hans-Adam und all jenen, die mit ihm<br />

später im Raum vor dem Bild standen, nicht aufgefallen. Dieser Hinweis in der<br />

„Schatztruhe“ Hans-Adams soll nach meiner Rückkehr noch zu wilden<br />

Diskussionen führen. Der Brief an Hans-Adam ist hier zu Ende.<br />

So, das war also DER BRIEF, der eine ungesunde Kettenreaktion und<br />

äusserst stürmische Zeiten für Hans-Adam, Liechtenstein und mich 2003<br />

bringen sollte. Natürlich schäme ich mich (auch als Liechtensteiner)<br />

heute noch, ein DLT-Tape geklaut zu haben auch wenn es nur eine<br />

„Kopie‚ der Kundendaten darstellt. Auch schäme ich mich obigen Brief<br />

an Hans-Adam geschrieben zu haben.<br />

193


Was ich aber im berühmten Brief an Hans-Adam vom 07. Januar 2003<br />

nicht geschrieben hatte und auch später im 2003 weder ihm, der LGT<br />

noch "dem Professor" und ‚den Bankdirektor‚ (Dr. Thomas Müller & Dr.<br />

Pius Schlachter - mehr über die Beiden in den folgenden Kapiteln),<br />

verraten hatte, war der Zeitpunkt, jener genaue Tag wann ich mir das<br />

Back-Up-Tape angeeignet hatte. Der Hauptgrund dafür, es nicht<br />

mitzuteilen, war – damals wie heute - rein strategischer Natur. Wüssten<br />

sie das genaue Datum, dann könnten sie exakt feststellen, welche<br />

Daten/Dokumente nicht auf dem Band sind. Exklusive kann ich erstmal<br />

in dieser "Tragödie ohne Ende" hier, im Buch aufklären, dass ich das<br />

Back-Up-Tape zeitlich NACH meiner Kündigung (vom 29. August 2002)<br />

entwendet hatte. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich die reine<br />

Möglichkeit ein Tages-Back-Up-Tape zu entwenden, schon einige Zeit<br />

vor diesem Datum entdeckt hatte. Ich konnte auch feststellen, dass es<br />

eine ständige wiederkehrende Chance war. Wie ich vermutete hatte,<br />

wurde der Diebstahl von der LGT Treuhand nicht bemerkt.<br />

Ich möchte hier und heute die Gelegenheit auch nutzten und folgendes<br />

klarstellen: Alle im Brief an Hans-Adam genannten Zahlen, sei es<br />

bezüglich der Briefkastenfirmen (Stiftungen, Anstalten, etc.), der<br />

Aufteilung der Begünstigten (Erst- oder Zweitbegünstigte), in Bezug auf<br />

verwaltete Geldsummen und so weiter, egal ob als Totalzahl oder pro<br />

erwähntem Land, sind die faktischen, richtigen Zahlen! Ich erwähne dies<br />

deshalb, da man seit Februar 2008 nun unzählige Varianten dieser<br />

Zahlen in den Medien nachlesen kann. Die ausländischen staatlichen<br />

Behörden wollen u.a. aus taktischen Gründen die genaue Zahl nicht<br />

bekannt geben. Das Hans-Adam und seine LGT natürlich vehement<br />

versuchen vor allem die Zahl betroffener Kunden (insbesondere der<br />

Deutschen) „kleinzureden‚, liegt in der Natur ihres versuchten,<br />

kläglichen „Desaster Management‚.<br />

Oh, wie passte es Liechtenstein schön ins Bild. Was konnten sie nicht<br />

alles den Medien seit Februar 2008 „erzählen‚? Der hochintelligente,<br />

böse und kriminelle Kieber hat die Daten gestohlen, sei mal aus<br />

Liechtenstein „abgehauen‚, mal „untergetaucht‚, mal „aufgetaucht‚,<br />

mal „quergetaucht‚, hätte angeblich mal die LGT Bank, mal die LGT<br />

Treuhand, mal den Gärtner, mal den Teufel, mal den Hans-Adam<br />

erpresst und hätte von Hans-Adam zwei Pässe für die „Flucht‚ verlangt,<br />

194


hat ihm lange Briefe geschrieben, u.s.w.. Der wahre Inhalt dieses Briefes<br />

und die ganze Vorgeschichte dazu wurden auf Befehl von Hans-Adam<br />

im Februar 2008 von Seiten Liechtensteins bewusst vollständig<br />

unterdrückt. Selbst der leitende Staatsanwalt Dr. Robert Wallner durfte<br />

nur genau die Worte wiedergeben, die zuvor unter allen betroffenen in<br />

nächtlichen Krisensitzungen in Vaduz abgestimmt wurden.<br />

Einige Journalisten, die der Sache etwas tiefer nachgingen, erschien die<br />

ganze Geschichte unlogisch: Wäre der Kieber kriminell wie die hohen<br />

Finanz-Herren aus Liechtenstein behaupteten, dann hätte er doch den<br />

Hans-Adam, die Regierung oder zumindest die LGT um massenhafte<br />

Millionen erpresst. Und er wäre samt der Pässe für die angebliche<br />

„Flucht‚ untergetaucht. Das Datenmaterial in seinen Händen war ja im<br />

Januar 2003 viel aktueller und brisanter, als es sich dann über fünf (!)<br />

Jahre später, im Februar 2008, explosiv uns allen offenbarte.<br />

In der Tat habe ich nie weder Hans-Adam, die Regierung noch die LGT<br />

erpresst. Ich habe nie Geld oder andere Vorteile (Fluchthilfe etc.)<br />

erpresst, verlangt oder erhalten. Dass diese meine Aussage 100% der<br />

Wahrheit entspricht, wird auch klar von denen in Vaduz bestaetigt:<br />

nie wurde solches behauptet. Was nicht heisst, dass sie es evt. eines<br />

Tages behaupten werden, je nach dem wie es ihnen in ihrem Krieg gegen<br />

mich passt.<br />

Meine Leser können nun die Fortsetzung der wahren Geschichte weiter<br />

schwarz auf weiss lesen. Meine Beweggründe (die Daten zu entwenden,<br />

den Brief an Hans-Adam zu schreiben und dann nach Deutschland zu<br />

reisen) waren genau so, wie ich sie in den bisherigen Kapiteln im Buch<br />

Wort für Wort niedergeschrieben habe. Ich habe weder von Hans-Adam<br />

noch von anderen je Geld, „Fluchthilfe‚ oder ähnliches verlangt.<br />

Definitiv habe ich verschiedene Gesetze mit meinem Handeln<br />

gebrochen. Ich will mein Verhalten nicht schönreden. Die Reaktion auf<br />

meinen Brief von Hans-Adam und der von ihm befehligten Regierung<br />

und der von ihm indirekt kontrollierten Justiz und Polizei kann ich Euch<br />

Lesern in den nun folgenden Kapiteln in messerscharfem Detail<br />

berichten.<br />

195


KAPITEL 8 Wenn Herr Kieber eine Reise tut.<br />

In diesem Kapitel bis und mit Kapitel 16 schildere ich unter den drei<br />

abwechselnden Zwischentiteln BERLIN / VADUZ / AMSTERDAM die<br />

turbulenten, oft gefahrvollen und sehr stressigen Zeiten während meiner<br />

Reise quer durch Deutschland, Holland und zurück ins Rheintal.<br />

Unter BERLIN und AMSTERDAM könnt ihr nachlesen was meine<br />

eigenen Aktivitäten waren und was ich während den vielen heimlichen<br />

und komplizierten Treffen mit den zwei Gesandten von Hans-Adam<br />

erlebt hatte. Auch Angaben zu all dem was ich im Ausland (also<br />

Deutschland & Holland) über die zeitgleichen Aktivitäten deren in Vaduz<br />

in Erfahrung bringen konnte (entweder durch den Professor/den<br />

Bankdirektor oder durch meine eigenen Nachforschungen).<br />

Unter VADUZ ist umschreiben was weit weg in Vaduz Hans-Adam und<br />

sein Liechtenstein an legalen und insbesondere illegalen Anstrengungen<br />

an den Tag gelegt hatten, beim Versuch die sich anbahnende<br />

Katastrophe abzuwenden. Diese Details hatte ich nach meiner Heimkehr<br />

nach Liechtenstein direkt oder auf Umwegen erfahren können. Aus<br />

verschiedenen Quellen: Z.B. von Hans-Adam selber, als er mir eine<br />

Privataudienz auf Schloss Vaduz gewährte und wir intensive über die<br />

Affäre diskutiert hatten. Und wiederum vom Bankdirektor Dr.<br />

Schlachter oder dem Professor Dr. Thomas Müller. Oder aus<br />

Gerichtsakten und auch aus mir anonym zugespielten* internen, geheim<br />

geführten Aktenvermerke der von den Hohen-Finanz-Herren im Januar<br />

2003 eingerichteten „Kriegs-Kommando-Zentrale‚, die KKZ.<br />

* = es gab immer wieder mutige, kleine Beamte oder Leute in<br />

verschiedenen Stellen bei der Landesverwaltung oder Justiz, die über die<br />

Jahre hinweg meinen Kampf mit ansehen mussten und die anhaltende<br />

Ungerechtigkeit nicht auch mit unterstützen wollten. Daher hatte ich das<br />

Glück, tröpfchenweise ab und zu einen richtigen Tipp und Originale<br />

oder Kopien von Dokumenten zu bekommen.<br />

Alle Episoden sind für den besten Überblick chronologisch<br />

niedergeschrieben. Dort wo es mir für meine LeserInnen hilfreich<br />

erscheint, habe ich bei wiederum erklärende Anmerkungen angebracht,<br />

diese sind kursive geschrieben und fangen wie immer mit „Anm.:“ an.<br />

196


Um auf idealer Weise nebst der geographischen auch die innerliche<br />

Distanz und fundamentale Diskrepanz zwischen mir und denen in<br />

Vaduz hervorzuheben, habe ich alles unter dem<br />

Titel BERLIN und Amsterdam wie bisher in der Ersten Person und alles<br />

unter dem<br />

Titel VADUZ in der Dritten Person geschrieben (mit Ausnahme von<br />

etwaigen Anmerkungen).<br />

Man kann sich gar nicht vorstellen wie hochgradig und hektisch die<br />

Aktivitäten von Hans-Adam und seiner Truppe in Vaduz und meine<br />

eigenen, erst in Deutschland dann in Holland waren. Was es so<br />

aufklärend spannend macht, ist die einmalige Situation, wo ich euch vor<br />

allem diese Episoden nicht nur im Rückblick sondern auch mit äusserst<br />

vielen Detailangaben schildern kann.<br />

Rückblickend war es nicht nur für mich sehr interessant und allgemein<br />

aufschlussreich zu erkennen, wie der offenbar deutliche automatische<br />

Trieb von den Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein in Aktion<br />

getreten war, sobald sie merkten, dass ihre geheiligten Kühe wirklich in<br />

Gefahr gekommen waren. Und sie dann, um die für sie so wichtigen<br />

Geldgeschäfte zu schützen, Handlungen vorgenommen hatten, die nicht<br />

nur viele Gesetzte aus Liechtenstein schwer verletzten, sondern auch<br />

zahlreiche Deutsche, Holländische & Internationale Gesetzte und<br />

Vereinbarungen.<br />

Viel Spass beim Lesen !<br />

BERLIN 7. Januar 2003<br />

Ankunft im Hauptbahnhof Berlin. Es war kalt und die Menschen dort<br />

waren nicht gerade Gesprächsfreudig. Ich war schon einmal hier – 1987.<br />

Diese Mal hatte ich aber keine grossen Erinnerungen an die Stadt.<br />

Nunmehr war es das Berlin im Jahr 13 nach der Wiedervereinigung. Ich<br />

nahm mir ein Taxi zu meiner neuen Unterkunft in Berlin Mitte. Das<br />

kleine möblierte Zimmer in Berlin hatte ich schon im Dezember 2002 via<br />

dem Internet gefunden. Meine Vermieterin war die Daniela. Ich nannte<br />

mich nicht mehr Heinrich. Dieser Name war ab jetzt tabu. Na ja, meine<br />

197


diversen Ausweise (Pass, ID-Karte und Führerschein) - alles was<br />

natürlich auf Heinrich Kieber lautete – hatte ich für die Reise von<br />

Feldkirch nach Berlin umsichtig tief in meinen Taschen vergraben.<br />

Am späteren Nachmittag war ich also dann bei Daniela mit Sack und<br />

Pack eingezogen. Sie wohnte in einer klassischen Altbauwohnung an der<br />

Ansbacherstrasse (um die Hausnummer 60/62/64 rum), Ecke<br />

Geisbergstrasse, im 2. oder 3. Stock. In einem alten, aber gut erhaltenem<br />

typischem Berliner Mehrfamilienhaus mit kleinen Balkonen nach vorne,<br />

sowie noch kleineren nach hinten raus und einem grünen, etwas<br />

verwildertem Innenhof. Vom Wittenbergplatz, in der Nähe des<br />

berühmten KaDeWe Kaufhaus, her kommend war das Haus auf der<br />

rechten Strassenseite.<br />

Daniela war eine etwas verrückte Henne, wie sich rasch herausstellte. Ich<br />

hatte ja schon einmal davon gehört, wie sich Langzeitarbeitslose in<br />

Deutschland den Lebensinhalt speziell danach ausgerichtet hatten. Sie<br />

war schon fast 10 Jahre in dieser Endlosschleife. Sie war eine derjenigen<br />

Glücklichen in Berlin, die eine relative günstige Mietwohnung ihr<br />

"eigen" nennen konnte. Jeweils in den Wintermonaten, wenn es bitter<br />

kalt in Berlin wird und die Kosten wegen der Heizung steigen,<br />

vermietete sie das zweite, kleinere Schlafzimmer.<br />

In all den Jahren „auf Arbeitssuche‚ hatte sie sich aus Kostengründen<br />

eine extreme Art von Knauserigkeit angeeignet. So zählte sie wahrhaftig<br />

die Cornflakes fürs Frühstück ab. Oder sie wog den offenen Tee aufs<br />

Gramm genau ab. Mein Zimmer war sehr sauber und kostete mich 300<br />

Euro pro Monat. Was ich auch gleich am 1. Tag, wie abgemacht, bar<br />

bezahlt hatte. Wir hatten ja zuvor nur 2, 3 Mal per Email und mittels<br />

eines einzigen Telefonanruf Kontakt. Sie stellte viele Fragen über die<br />

Schweiz, woher ich komme, was ich tue, warum Berlin, warum im<br />

Winter? Berlin, das schöne Berlin. Nun gut, es hiess, es sei sehr schön<br />

dort im Sommer. Im Winter, vor allem in diesem Winter war Berlin<br />

grausig anzusehen. Nervös über alles was jetzt passieren würde, schlief<br />

ich in meiner ersten Nacht in Berlin in einem grossen Bett mit fein<br />

duftender Wäsche ein. Es war eine bedeutende Nacht: meine erste Nacht<br />

seit 5 Jahren und 261 Tagen ausserhalb Liechtensteins.<br />

198


VADUZ 7. Januar 2003<br />

Kiebers dicker Brief war auf Schloss Vaduz am Nachmittag<br />

angekommen. Eine der zwei Sekretärinnen von Hans-Adam öffnete den<br />

Brief und konnte sich keinen Reim daraus machen. Hans-Adam,<br />

zusammen mit seinem Erstgeborenen, Alois war nicht nur sehr stark mit<br />

dem Endkampf der im März 2003 bevorstehenden Volksabstimmung um<br />

die neue Verfassung beschäftigt, sondern auch mit den Vorbereitungen<br />

für die in den nächsten Tagen alljährlichen stattfindenden Empfang des<br />

ausländischen Diplomatischen Korps auf Schloss Vaduz. Da der Brief<br />

ausgiebige Schriftstücke enthielt, waren dies für Hans-Adam und seinen<br />

Sohn mehr verwirrend als aufklärend. Sie beiden kannten Kieber ja<br />

persönlich und wussten daher wer der Absender war. Dass er ihnen<br />

einen wilden Brandbrief schreiben würde, erschien als total undenkbar.<br />

Die ganze Nacht hindurch wurde über dem Brief gebrütet und sie<br />

versuchten sich einzureden, dass dies alles entweder ein Dummer<br />

Streich oder ein Irrtum von Kieber sein musste.<br />

VADUZ 8. Januar 2003<br />

Wie von Kieber beauftragt, fuhr das Taxiunternehmen Gabor mit dem<br />

rissen Paket um 11:35 beim Schlosstor vor. Der Diener nahm das Paket<br />

an und übergab es Hans-Adam: obwohl dieser lesen konnte, dass das 3-<br />

D-Modell für das Gericht hergestellt worden war, riss er die angeklebte<br />

Schuhschachtel voll mit Gerichtspapieren weg und lies das 3-D-Modell<br />

ohne Hemmungen im Schlossabfall-Container entsorgen. Für die<br />

nächsten 24 Stunden wurde das Kuriosum „Heinrich Kieber‚ wiederum<br />

unter den ranghöchsten Mitgliedern des Hauses Liechtenstein im Schloss<br />

diskutiert. Da im Brief erwähnt war, dass nun nur zwei Personen, Hans-<br />

Adam und Kieber von der Sache wussten, entschied sich der Schlossherr<br />

vorerst niemanden ausserhalb der Familie zu informieren.<br />

VADUZ 9. Januar 2003<br />

Mangels steigender Unklarheit was Kieber mit all dem meinte und da<br />

Hans-Adam als Staatsoberhaupt ja immer auf seine eigene Polizei<br />

zurückgreifen konnte, entschloss er sich doch die Landespolizei zu<br />

199


ufen. Um 11:30 rief Frau Schädler vom Schloss dort an. Bevor aber die<br />

von Kieber dem Hans-Adam zugesandten Schriftstücke der Polizei<br />

übergeben wurden, veranlasste der Schlossherr die Unterlagen zu<br />

zensieren: Alle jene Seiten, die im Detail über die schmutzigen Geschäfte<br />

und Leichen (u.a. Punkte V. + VI.) der LGT Treuhand berichteten,<br />

wurden bei ihm streng unter Verschluss zurückbehalten. Der Rest des<br />

Originalbriefes samt Beilagen (ohne das Kerkermodell, dass im<br />

Abfallcontainer des Schloss auf das Ende in der ca. 1000 Grad heissen<br />

Flamme des Müllverbrennungsanlage im schweizerischen Buchs/SG<br />

über dem Rhein wartete) wurden dann von der Polizei abgeholt und ein<br />

Register angelegt. Auf Befehl von Hans-Adams wurden danach von<br />

ausgewählten Einzelstücken Kopien angefertigt. Davon überbrachte die<br />

Polizei persönlich jeweils ein Set Kopien auf Papier der STA, dem<br />

Gericht und dem Schloss (damit Hans-Adam den Überblick behielt, wer<br />

welche Dokumente erhalten hatte), sowie auf seinen ausdrücklichen<br />

Wunsch hin eine auf CD gebrannte Kopie dem Generaldirektor der LGT<br />

Gruppe, Hr. Piske.<br />

Bei einem Treffen um 18 Uhr im Schloss zwischen Hans-Adam, seinem<br />

Bruder Philipp (CEO der LGT Gruppe), seinem Erstgeborenem Alois, die<br />

Herren Piske und Dr. Schlachter von der LGT Bank und dem Chef der<br />

Treuhand Nicola Feuerstein (der Exboss von Kieber), zeigte der<br />

Hausherr allen anwesenden die vollen Unterlagen von Kieber. Alle vier<br />

Herren bestätigten ihm, dass es sich bei den von Kieber beschriebenen<br />

Vorgängen und exakt aufgelisteten Mandatsdetails tatsächlich um LGT<br />

Treuhand- oder -Bankgeschäfte handelt.<br />

Feuerstein versuchte die anwesenden damit zu beruhigen, indem er<br />

behauptete, dass niemand die Daten der Treuhand mitnehmen kann und<br />

Kieber ja keinen Beweis (z.B. als Beilage im Brief) dafür geliefert hat,<br />

dass er also die eigentlichen Daten wirklich hatte. Worauf hin Hans-<br />

Adam heftig unterbrach und fragte, wie den Kieber an solch massive<br />

Detailkenntnis gelangen könnte, ohne die Daten zu haben. Feuerstein<br />

erwiderte, dass Kieber lange genug bei der Treuhand gearbeitet hatte,<br />

nicht dumm sei und bekanntlich ein Elefantengedächtnis besitze.<br />

Es war nicht nur die Ungewissheit darüber, ob nun Kieber die Daten<br />

hatte oder nicht hatte und wenn überhaupt, in welchem Umfang. Schon<br />

alleine die Vorstellung, dass Kieber – mit seinen offenbar tiefen<br />

Kenntnissen aller Daten und Leichen im Keller – angeblich in<br />

Deutschland herum irre, führte zur allmählich Dämmerung bei den<br />

Herren, dass sich grosses Unheil über sie zusammenbraute.<br />

200


Wegen der akuten Brisanz der Lage wurde am selben Abend, um 20:30<br />

die Regierung in einer Sondersitzung im Regierungsgebäude informiert.<br />

Diese Sitzung verlief sehr chaotisch. Angeblich soll sich die STA Alma<br />

Willi sehr betroffen gezeigt haben. Sie machte sich angeblich Sorgen um<br />

Kieber. Anm.: Was immer das heissen mag.<br />

Es wurde dort sofort eine Kriegskommandozentrale, kurz die „KKZ‚<br />

installiert und mit allen nur erdenklichen Mitteln und Vollmachten von<br />

Seiten Hans-Adam ausgestattet.<br />

Im KKZ hatten federführend Hans-Adam und Erbprinz Alois das<br />

Oberkommando. Regierungschef Herr Otmar Hasler, die Aussen- und<br />

Justizministerin Frau Rita Kieber-Beck (Anm.: Nicht mit mir verwandt), der<br />

Kripochef Herr Jules Hoch, die Truppe der STA (Dr. Robert Wallner,<br />

Haun und Willi) sowie die Führung der LGT Bank und der LGT<br />

Treuhand, sowie später dann „der Professor‚ (Dr. Thomas Müller aus<br />

Wien) waren der weitere Personenkreis im KKZ. Als allererste<br />

Vorsichtsmassnahme hatte Hans-Adam beschlossen, die öffentliche<br />

Dienstpflicht der mit staatlichen Aufgaben betreuten Teilnehmer<br />

(Regierungschef, Justiz- und Aussenministerin, STA und Polizei) zu<br />

beschneiden. Unter dem Vorwand der Sicherheit für seine LGT Gruppe,<br />

für ihn als Staatsoberhaupt und für das ganze Land, hatte er ihnen<br />

untersagt, jegliche unter dem Schirm der KKZ möglicherweise<br />

gewonnene Erkenntnis über die Geschäfte seiner LGT Gruppe im Sinne<br />

der rechtsstaatlichen Aufgaben zu verwenden. Gegen eine solche<br />

einschneidende, im Prinzip rechtswidrige und beispiellose Massnahme<br />

hatten die Betroffenen nichts einzuwenden, da allein Kiebers<br />

Andeutung, Kundendaten aus Liechtenstein mit ins Ausland genommen<br />

zu haben, einer Kriegserklärung gegenüber dem "ganzen" Land<br />

Liechtenstein gleich kam.<br />

VADUZ 10. Januar 2003<br />

Die KKS, unter dem Vorsitz von Hans-Adam, in Anwesenheit vom<br />

Erbprinz Alois, dem Regierungschef Hasler und weiteren Teilnehmern<br />

(Anm.: Namen mir nicht bekannt, ich vermute aber Piske, Schlachter und<br />

Feuerstein) hatte entschlossen, einen TOP Psychologen hinzuzuziehen –<br />

Den besten Psychologen Europas . Dieser sollte sich einen Reim aus der<br />

Schriftenflut von Kieber machen und hauptsächlich die KKZ beraten,<br />

201


wie am Besten an Kieber und vor allem an die Daten gekommen werden<br />

kann.<br />

Dieser „Professor‚ wurde sofort im Ausland kontaktiert und man hatte<br />

Glück, er konnte den Auftrag annehmen. Er versprach, am nächsten Tag<br />

nach Vaduz zu reisen. Er schlug Hans-Adams Angebot dankend aus,<br />

sich per Privatflugzeug nach Altenrhein in die Schweiz fliegen zu lassen<br />

und dort von einem Fahrer der Regierung am Flughafen abgeholt und<br />

sofort auf Schloss Vaduz chauffiert zu werden. Er wollte lieber mit dem<br />

eigenen Auto anreisen.<br />

Die KKZ hatte keine Zeit und Lust auf die im Gesetzt vorgeschriebenen<br />

Richterbeschlüsse zu warten und es wurde von oberster Stelle befohlen,<br />

die Mobiltelefonanschlüsse von Kieber und seiner Stiefmutter sofort<br />

abhören zu lassen, das Postfach in Mauren, wo seine Post seit Anfang<br />

Januar ’03 umgeleitet wurde, zu leeren und dann zu überwachen. Es<br />

wurde auch eine zeitlich unbefristete Rund-um-die-Uhr<br />

Objektüberwachung seines Elternhauses im Mauren ab 16 Uhr<br />

angeordnet. Es wurde vermutet, Kieber würde sich dort im Haus<br />

versteckten. Man glaubte ihm nicht, dass er wirklich nach Deutschland<br />

abgereist war.<br />

Anm.: Alle drei Massnahmen brachten nichts, da ich mein Mobiltelefon nach<br />

meinem letzten Anruf (am 7.1.03 um 10:06 an meine Hausärztin) abgeschaltet<br />

hatte und die SIM-Karte vernichtet hatte, zudem nicht in Mauren, sondern in<br />

Berlin war und meine Stiefmutter für mehrere Wochen nach Asien abgereist<br />

war.<br />

Des Weiteren hatten die Handlanger von Hans-Adams in Erfahrung<br />

bringen können, dass Kieber eine Art Freundin hatte. In deren<br />

paranoiden Besessenheit herauszufinden, wo er sich versteckt hielt,<br />

ordnete Hans-Adam an, die besagte Dame überwachen zu lassen. Da<br />

gab es aber ein grosses Problem. Eine juristische Hürde sozusagen, da sie<br />

in Zürich wohnte und auch noch Schweizerin war. Dies war dem Hans-<br />

Adam egal! Es wurden zwei Liechtensteiner Polizeibeamten, plus eine<br />

weitere, dritte Person ruckzuck mit einem unmarkierten Liechtensteiner<br />

Polizeiwagen (VW Bora) ins 110 Km entfernte Zürich geschickt und die<br />

Strasse/Wohnung wo die besagte Dame wohnte, bis Montag Mittag, den<br />

13.1.03 - im Grunde illegal – überwacht. Illegal daher, da eine solche<br />

verdeckte Polizeioperation der Liechtensteiner in Zürich sicher nicht<br />

durch den Polizeikooperationsvertrag vom 9. Juli 2001 zwischen der<br />

202


Schweiz und Liechtenstein gedeckt war. Die Schweiz mag es auch gar<br />

nicht gerne, wenn ausländische Polizei ihre Bürger in der Schweiz<br />

überwacht.<br />

Anm.: Herkunft und Funktion der „dritten Person“ wurde mir nie ganz<br />

verraten. Aber es hat mit der Tatsache zu tun, dass, falls ich dort anzutreffen<br />

gewesen wäre, die zwei Vaduzer Polizisten aus juristischen Gründen NICHT<br />

hätten auf mich zugehen können, daher eine dritte, „neutrale“ Person<br />

vermutlich versucht hätte mich bis zum Eintreffen der vermutlich<br />

herbeizurufenden Schweizer Polizei irgendwie „festzuhalten".<br />

Zwischen 16 und 18 Uhr wurde unter Mithilfe des Leiters der IT-<br />

Abteilung ein Inspektion des alten Arbeitsplatz von Kieber bei der LTV<br />

durchgeführt. Fazit und Kommentare der IT-Spezialisten: Kein Material<br />

von Kieber gefunden. Kieber hatte lediglich im DOCUWARE (e-Doc)<br />

Projekt gearbeitet. Er hatte aber Zugang zu allen Daten, elektronisch wie<br />

auf Papier. Kieber hätte kein Fachwissen.<br />

Anm.: Wie man sich später täuschen würde.<br />

VADUZ 11. Januar 2003<br />

Der Professor Dr. Thomas Müller erreichte Vaduz schon in aller Frühe.<br />

Nachdem er von Hans-Adam auf Schloss Vaduz empfangen wurde und<br />

mehr oder weniger aufgeklärt wurde, war ein Termin mit dem<br />

Regierungschef Hasler unten im Regierungsgebäude der nächste Stopp.<br />

Der Professor erkannte sofort, dass Hans-Adam als auch die Regierung<br />

äusserst angespannt waren und nicht aufhören wollten, zu jammern; als<br />

würde die Welt untergehen können. Ihm wurde insbesondere<br />

eingehämmert, nichts und niemanden je etwas zu sagen. Die Sache wäre<br />

höchst delikat, da man unter den normalen Kunden auch sehr viele<br />

exponierte habe. Wer diese waren, wurde dem Professor natürlich nicht<br />

gesagt: das liebe Bankengeheimnis. Er verstand und versprach sein Beste<br />

zu tun. Dann wurde er buchstäblich in eine Art Abstellkammer gesetzt,<br />

wo er alle Unterlagen über und von Kieber (zensierter Brief, alle<br />

Beilagen, den 101er & 140er Akt) praktisch ohne Unterbruch für die<br />

nächsten 48 Stunden studierte.<br />

Hans-Adam und sein Erstgeborener fühlten sich nun etwas entlastet, da<br />

sie überzeugt waren, die Besten der Besten zum Lösung des Problems<br />

verpflichten konnten. Unten im Dorf war aber das Gefühl einer<br />

203


Erleichterung bei der Regierung noch nicht angekommen. Hans-Adam<br />

hatte hauptsächlich Angst um seine sprudelnde Geldquelle, seinem<br />

goldenen Esel, die LGT Gruppe. Die Regierung dagegen war in Panik,<br />

weil sie wussten, dass es mit dem „guten Ruf‚ Liechtensteins vorbei sei<br />

werde, da Kieber den Deutschen aufzeigen und beweisen könnte, wie<br />

man in Liechtenstein wirklich die heissen Finanzgeschäfte abwickelte.<br />

Zwischen 18:15 und 20:30 wurde wiederum eine KKZ Sitzung bezüglich<br />

der Daten einberufen. Anwesend war Herr Feuerstein und der Leiter der<br />

IT-Abteilung der LGT Treuhand. Fazit, Kommentare & Vermutungen<br />

am Ende der Sitzung: Es fehle der Datumskleber auf dem fotografierten<br />

DTL-Band (Tape). Kieber habe wohl leeres Band mitgenommen. Kieber<br />

habe gar keinen DVD-Brenner. Das Herauslassen der privaten Stiftungen<br />

der Mitglieder der Familie von Hans-Adam auf den Extra-Daten-<br />

Speicher sei gar nicht möglich.<br />

Anm.: Der IT-Abteilung war es äusserst peinlich, dass offenbar ein Tages-Back-<br />

Up-Tape (das Datensicherungsband) ihnen irgendwann im 2002 „abhanden“<br />

gekommen war und sie all die Monate nichts davon gemerkt hatten. Hans-<br />

Adam und die Regierung mussten sich auf die Aussagen seitens der IT-<br />

Abteilung irgendwie verlassen können. Ich hatte ja KEINEN Beweis, wie zum<br />

Beispiel eine Kopie der Daten, im Brief an Hans-Adam beigelegt, da ich der<br />

Überzeugung war, dass dies nicht notwendig wäre. Meine Angaben im Brief<br />

waren ja deutlich genug. Die IT-Abteilung, blind davon „Kalt erwischt“<br />

worden zu sein, driftete eher zur Meinung, dass ich die Daten nicht hätte. Sie<br />

versuchten fälschlicherweise mein Computerwissen klein zu reden und auch<br />

sonst unlogische Kommentare abzugeben: wie die mit dem DVD-Brenner. Sie<br />

konnten doch gar nicht wissen, ob ich einen habe oder nicht. Zudem war es in<br />

der Tat kein Problem einzelne Mandate für eine Kopie des DLT-Tapes<br />

wegzulassen. All dieses Verhalten seitens der IT-Abteilung (was ich menschlich<br />

nachvollziehen kann) würde aber folgenschwere Konsequenzen für alle an<br />

diesem nun sich entfaltenden Drama haben: Das Vertrauen von Hans-Adam<br />

und der Regierung in die IT-Abteilung der LGT Treuhand wurde in der Folge<br />

sehr stark strapaziert. Hans-Adam und seine Regierung mussten sich ja auf die<br />

den Aussagen der IT-Leute zu 100 % verlassen können.<br />

BERLIN 8. - 12. Januar 2003<br />

Die Kälte und Berlin. Brrrrrr. Berlin, Berlin ! Ich weiss jetzt nicht mehr ob<br />

der Spruch des regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit „Berlin ist<br />

204


pleite, aber sexy‚ schon damals galt. Dass die Deutsche Hauptstadt<br />

pleite war, konnte ich an allen Ecken sehen. Überall musste gespart<br />

werden. Die Stadtbusse sehen aus, als wären sie gerade von Hindukusch<br />

her angereist, so dreckig waren sie. Um gegen den Stress anzukämpfen<br />

wollte ich einmal schwimmen gehen; von der Handvoll öffentlicher<br />

Hallenschwimmbäder waren mehr als die Hälfte aus Kostengründen<br />

oder mangels Unterhalt geschlossen, der Rest hatte irreale<br />

Öffnungszeiten von 1-2 Stunden am Morgen und evt. 2 Stunden am<br />

Nachmittag. Und der Hundekot! Meine lieben Berliner, ich kenne keine<br />

Stadt der Welt, die – zumindest im Winter – soviel Hundekot auf den<br />

Bürgersteigen liegen hat wie Berlin. Da sind die Schweizer<br />

Hundebesitzer erstklassig.<br />

Die Berliner Leute selber, die sind wirklich nett. Der Berliner<br />

Menschenschlag ist sehr erfrischend. Ich habe mich im kleinen Zimmer<br />

eingerichtet und versuchte so wenig wie möglich mit der Daniela zu<br />

kommunizieren. Dies muss ihr wohl etwas suspekt vorgekommen sein.<br />

Als hätte ich nicht schon genug Action im Leben konnte sie mich<br />

überreden, mit ihr im nahen Park des Zoologischen Gartens spazieren zu<br />

gehen. Sie würde mir gerne die Sehenswürdigkeiten Berlins zeigen,<br />

sagte sie mir.<br />

Warm verpackt waren wir um die die Mittagszeit aufgebrochen. Daniela<br />

fragte mich „dicke‚ aus und naturgemäss konnte ich ihr nichts von<br />

meinem wirklichen Leben erzählen. Was immer ich ihr erzählt hatte, sie<br />

glaubte mir. So hatte ich jedenfalls gedacht. Sie hatte ursprünglich keine<br />

Skepsis mehr. Aber plötzlich, und da wurde ich hellhörig, erklärte sie<br />

mir, dass sie halt ein paar eher private Fragen stellen müsse. Sie hätte vor<br />

2 Jahren einen Libanesen als Untermieter wie ich gehabt und sie schöpfte<br />

den Verdacht, dass er ihr über sein Leben eine Lügengeschichte<br />

auftische. Sie war sich sicher, dass er etwas mit Terrorismus zu tun hatte.<br />

Ich hörte ihr geduldig zu und hackte nach: Ja, und was dann? Sie<br />

schilderte mir, dass sie mit dem Berliner Verfassungsschutz in Kontakt<br />

getreten war und diese ihr zuerst nicht glaubten. Konnte ich<br />

nachvollziehen: etwas paranoid erschien sie mir ja auch.<br />

Auf jeden Fall hatte sie die Beamten solange bearbeitet, bis zwei davon<br />

zu ihr nach Hause kamen und den Libanesen besuchten, wobei sie sich<br />

als Mitarbeiter der Ausländerbehörde ausgegeben hatten. Der Libanese<br />

war kein Terrorist. Gut für ihn, dachte ich. Mist für mich! Was würde<br />

sein wenn die Daniela irgendwas über mich zusammen spinnt und das<br />

letzte was mir jetzt noch fehlen würde, war ein Besuch vom<br />

205


Verfassungsschutz! Je länger wir da in der Kälte spazierten, umso heisser<br />

wurde es mir; sodass ich sogar schwitze.<br />

Wie bei meinen Erkundungsausflügen kreuz und quer durch Berlin in<br />

den letzten Tagen, hatte ich auch jetzt meine elektronischen<br />

Datenspeicher auf mir, in den Taschen. Die kiloweise Papierdaten waren<br />

aber im blauen Handkoffer im Schrank im Zimmer verschlossen. All die<br />

Daten bei ihr zu Hause. Scheisse und Merde zusammen. Als wir dann<br />

nach Hause zurückgekommen waren, bat sie mich mit ihr ein Stockwerk<br />

tiefer zu gehen, wo wir Tee bei einem langjährigen Nachbar (wenn ich<br />

mich nicht täusche, war es ein Lehrer oder ein Pädagoge) trinken<br />

würden. Es stellte sich heraus, dass sie ihn vorher beauftragt hatte, mich<br />

beim Besuch zu begutachten, um herauszufinden, ob ich eventuell eine<br />

Gefahr für sie und/oder Deutschland sei. Ich erfuhr dies, weil er mich in<br />

der Küche an die Seite genommen hatte und mir es erzählte und zum<br />

Schluss bemerkte, dass die Daniela ab und zu spinnt. Er bescheinigte ihr,<br />

dass ich OK sei. Mich beruhigte dies ganz und gar nicht; nun hatte ich<br />

ein weiteres Problem. Mein Plan war, zumindest 4-6 Wochen bei dieser<br />

Adresse zu bleiben. Nun wusste ich, dass ich mich jetzt schon auf eine<br />

Suche nach einer anderen Unterkunft machen musste und auch einen<br />

guten Grund finden musste, um meinen raschen „Abschied‚ vor ihr<br />

nicht verdächtig erschienen zu lassen.<br />

Vorher musste ich aber ein anderes, akuteres Problem lösen: Da ich ja<br />

meinen Laptop, das DLT-Tape, die Kopien davon sowie die 2 kleinen<br />

Externen Harddisk nicht ständig auf mir tragen konnte und auch nicht<br />

mehr im Zimmer aufbewahren wollte, musste ich eine passende Bank<br />

mit passendem Tresorfach dafür suchen.<br />

Am Freitag war ich in aller Früh schon losgefahren um bei diversen<br />

Banken nachzufragen, ob sie freie Tresorfächer zu vermieten hätten.<br />

Ideal wäre die Filiale der Berliner Volksbank AG an der Budapester<br />

Strasse gewesen, in der Nähe des Eingangs des Zoos. Nicht weit weg<br />

von Danielas Wohnung. Leider war deren Tresorraum eine der neueren<br />

Bauweise: d.h. die Kundenfächer selber wurden von der Bankseite aus<br />

elektronisch geöffnet und nur von Kundenseite aus mit einem<br />

Schlüssel. Ein Test ergab, dass ich meinen ganzen Laptop etwas quer<br />

gestellt hinein schieben könnte, und noch Platz für den Rest da wäre.<br />

Aber die elektronische Verriegelung und damit die elektromagnetische<br />

Strahlung machten mir Sorgen: ich habe gehört, das solche Strahlung<br />

206


den Daten auf dem DLT-Tape, den CDs oder auf den externen<br />

Harddisks eventuell schaden könnten. Diese Bank kam also nicht in<br />

Frage. Meine Erhebungen ergaben, dass die Berliner Sparkasse noch<br />

ältere Filialen hatte, wo noch altehrwürdige Tresorräume verwendet<br />

würden. Bei der 7. Filiale wurde ich fündig. Die 6. gefundene Filiale<br />

wäre auch ideal gewesen, aber um ein Konto zu eröffnen, musste ich<br />

meine Liechtensteiner Identitätskarte vorlegen, worin meine alte Adresse<br />

aus Liechtenstein notiert stand. Ich hatte keine Angst, den Namen<br />

Heinrich Kieber zu verwenden. Die Berliner Sparkasse hätte ja keinen<br />

Grund gehabt, ausgerechnet mich bei den irgendwelchen Behörden, z.B.<br />

der Polizei „zu melden‚. Ein Rest von Bankgeheimnis war doch wohl in<br />

Deutschland noch vorhanden. Oder? Die Bank aber forderte von mir<br />

eine Wohnsitzbestätigung aus Berlin, da ich denen ja geschildert hatte,<br />

dass ich gerade aus der Schweiz hierher gezogen wäre. Vorher könne<br />

man mir kein Konto und Schliessfach anbieten, sagten sie mir. Ich<br />

verabschiedete mich mit der Lüge, dass ich mir eine solche<br />

Wohnsitzbestätigung holen würde und morgen wieder kommen würde.<br />

Freundlich begleitete man mich bis zur Türe. Ich musste unbedingt eine<br />

Lösung für eine Berliner Adresse finden.<br />

Eine Internetsuche ergab, dass es eine kleine Firma in Berlin Wedding<br />

gab, die eine Art ‚Postfächer‚ an Private vermietete. Ich fuhr per Taxi an<br />

die angegebene Adresse. Ein älteres Ehepaar führte das Geschäft in<br />

einem kleinen, ehemaligen Quartierladen. Sie hatten ca. 50<br />

Postschliessfächer, die man von Aussen her Tag und Nacht erreichen<br />

konnte. Ich mietet mir ein Fach und bezahlte die Gebühr bis Ende März<br />

'03 im Voraus in Bar. Eine halbe Stunde später stand ich vor der<br />

ausgewählten Filiale Nr. 7. Dieses Mal klappte es mit meinem Reisepass.<br />

Im Gegensatz zum Deutschen Pass, stand im Liechtensteinischen Pass<br />

KEINE Wohnadresse. Ich erklärte dies dem braven Bankangestellten und<br />

gab die Geschäftsadresse der privaten Postfachfirma als meine<br />

Wohnhausadresse und die zweistellige Zahl meines neuen Postfachs als<br />

meine Wohnungsnummer aus. Es bedurfte geschickter<br />

Überredungskunst um ihn von meiner neuen, unechten Wohnadresse zu<br />

überzeugen. Ich konnte ja schlecht die Adresse von Daniela verwenden.<br />

Da ich ja nur ein einfaches Sparkonto, von wo nur die Miete für das<br />

Tresorfach abgebucht würde, also keine Karte für die Geldautomaten<br />

oder ähnlichem haben wollte, klappte es mit dem Kontoeröffnung.<br />

Zudem wusste ich, dass diese Art von Konto keinen Postversand<br />

generierte. D.h. zumindest nicht bis Jahresende. Und mein Plan sah nicht<br />

207


vor, dass ich dann noch in Berlin wäre. Ich zahlte ca. 250 Euro auf das<br />

Konto ein.<br />

Ich bekam zwei Schlüssel. Einen legte ich wie immer in solchen Fällen<br />

direkt in das Tresorfach hinein (nicht empfehlenswert, denn wenn man<br />

den 2. Schlüssel verliert, dann muss man der Bank ein neues Schloss<br />

bezahlen). Ich wickelte den Laptop in ein Küchenhandtuch und<br />

verstaute es zusammen mit den anderen Datenträgern (mit Ausnahme<br />

einer der zwei externen Harddisks), zusammen mit allen meinen<br />

persönlichen Papieren, wo Heinrich Kieber drauf stand (mit Ausnahme<br />

des Passes) im Tresorfach. Den Pass brauchte ich ja um mich beim<br />

nächsten Bankbesuch ausweisen zu können. Erleichtert legte ich die<br />

lange Strecke von der Bank zurück zur Wohnung von Daniela zu Fuss<br />

ab. Jetzt war ich sicher, dass mir zumindest keine „elektronische<br />

Datenpanne‚ bei der Daniela passieren könne. Die paar Kilos an<br />

Treuhand- und Bankdaten, die ich mitgenommen habe, waren im<br />

Handkoffer mit einem kleinen Bügelschloss abgesichert.<br />

Am Wochenende unternahm ich eine Monstertour kreuz und quer durch<br />

Berlin. Ich notierte mir wichtige Punkte, wie die genaue Adresse der US-<br />

Botschaft oder des Deutschen Finanzministerium; denn schnellsten Weg<br />

dorthin via Ringbahn, U-Bahn oder Linienbus, ja nach dem, von wo ich<br />

aus starten müsste. Im Notfall auch per Taxi. Ich kaufte mir eine<br />

Monatsfahrkarte (evt. war es eine Wochenfahrkarte, ich weiss es nicht<br />

mehr genau). In meiner Situation war es besser immer einen gültigen<br />

Fahrschein zu haben. Nicht auszudenken: ich gerate in eine Kontrolle<br />

mit keinem oder ungültigen Fahrschein und würde mangels Ausweis bei<br />

der Polizei landen. Ungern entschloss ich mich deshalb, auch für<br />

unterwegs immer einen Ausweis, meinen Reisepass auf mir zu tragen.<br />

Besser irgendein Ausweis, als keiner. Ich suchte das Gebäude wo die<br />

LGT in Berlin eingemietet war auf, um sicherzugehen, dass ich während<br />

deren Öffnungszeiten immer Meilenweit davon weg war. Um nicht evt.<br />

von irgendjemand vom Hauptsitz aus Vaduz auf Besuch in Berlin<br />

erkannt zu werden. Man wusste ja nie. Daniela liess mich zum Glück<br />

alleine, obwohl sie – dank ihrer vielen freien Zeit – ständig Vorschläge<br />

für den Besuch von Berliner Sehenswürdigkeiten machte.<br />

Ich war sehr müde, als ich Sonntagabend heimkehrte. Von den vielen<br />

hektischen Fussmärschen durch Berlin hatte ich mir rund um die<br />

Fussfessel, dort wo die Winterstiefel sich oben an der Haut schürften,<br />

einen ringformähnlichen Ausschlag geholt. Daniela empfahl mir in einer<br />

der massenhaften vorhandenen Apotheken (kein Land hat so viele wie<br />

208


Deutschland; sicher mehr als Kirchen, vermutlich schon bald mehr als<br />

Gläubige) Essigsaure Tonerde in Flüssigform zu kaufen und die roten<br />

Schrammen damit einzureiben. Hastig ging ich also raus aus der<br />

Wohnung, rein in die nächstgelegene Apotheke. Zurück daheim, als ich<br />

mich spontan entschied ein heisses Bad zu nehmen, rief Daniela mir aus<br />

der Diele zu, dass sie nur schnell Tabak und Zigarettenpapier (kam<br />

günstiger) kaufen gehe und fragte, ob sie auch Kondome mitbringen soll.<br />

Mann oh Mann, auch das noch. „Nein Danke‚, schrie ich höflich zurück,<br />

„Es ginge mir nicht so gut‚.<br />

Jetzt war es wirklich Zeit für mich eine andere Unterkunft zu finden,<br />

sagte ich zu meinem Spiegelbild. Der Warmwasserboiler im Badezimmer<br />

wurde vermutlich noch zu Hitler’s Zeiten gebaut. Nicht das das Wasser<br />

daraus zu kalt war, nööö – es war so kochend heiss, dass man die<br />

Badewanne zu 4/5 mit eiskaltem Wasser füllen musste, um nicht<br />

verbrüht zu werden. Sicher ist sicher, dachte ich mir, schwang ein<br />

Badetuch um meine Hüfte und holte noch schnell meinen blauen<br />

Handkoffer aus dem Zimmer und schleppte ihn mit ins Badezimmer.<br />

Man weiss ja nie. Frisch gewaschen und durchweicht, schlüpfte ich in<br />

mein Pyjama und Daniela hatte mir eine Tasse Tee angeboten. Wir<br />

schauten gemeinsam noch etwas TV und dann ging ich zu Bett. Die<br />

kommende Woche würde ja streng werden.<br />

VADUZ 12. Januar 2003<br />

Der Professor kam nach 2 Tagen Studium am Sonntag mit schwerem<br />

Kopf für eine kurze Mittagspause aus der Kammer gekrochen; raus aus<br />

dem Raum, wo das KKZ alle relevanten Unterlagen zu Thema „Heinrich<br />

Kieber‚ aufgeschichtet hatte. Natürlich hatte ihm niemand weder einen<br />

Einblick in die echten Treuhand/Bank-Daten (diese Daten hatte die<br />

Regierung logischerweise selber auch nicht), noch eine Kopie von deren<br />

Schilderungen, wie Kieber sie beschrieben habe, gewährt. Ebenso würde<br />

er später auch NIE auch nur ein einziges Mandat je zu Gesicht<br />

bekommen. Jene „schmutzigen‚ Mandate, die sein eigenes Land<br />

(Österreich) betrafen, hätten ihn schon brennend interessiert. Aber Hallo,<br />

wo kämmen die da hin, wenn Liechtenstein einem ausländischem und<br />

auswärtigen Professor auch noch den Beweis von Kiebers<br />

Anschuldigungen in Bezug Geldwäscherei, Korruption etc. unter die<br />

Nase reiben würde.<br />

209


Hans-Adam rief mehr als 4 Mal in der Kammer an, um von Professor zu<br />

erfahren, ob er sich schon einen Bild machen konnte, Schlussfolgerungen<br />

ziehen konnte und jetzt Empfehlungen abgeben könnte. Der Professor<br />

erwiderte, dass das Problem sehr tief liegen würde. Der Vorteil für<br />

Kieber war, dass er sich seit Monaten für dieses Bühnenstück vorbereiten<br />

konnte, erklärte er Hans-Adam am Telefon. Den „Fahrplan‚, wie es in<br />

den nächsten Tagen und Wochen weitergehen sollte, wurde von Kieber<br />

sehr präzises im seinem Schreiben festgehalten. Der Professor empfahl,<br />

zum Schein auf Kiebers Angebot einzugehen und zwei neue Pässe<br />

herzustellen und in einem Umschlag am Montag zur LGT in Frankfurt<br />

zu bringen. Auf Anordnung von Hans-Adams wurde das KKZ<br />

beauftragt, zwei Pässe mit den gewünschten falschen Namen und mit 2<br />

der 4 Passfotos von Kieber, die er dem Brief beigelegt hatte, herstellen zu<br />

lassen. Da es Sonntag war, versuchte man es zuerst mit eigenem,<br />

eingeweihtem Personal aus dem KKZ. Dies misslang auf Grund<br />

technischer Unkenntnis in Bezug auf Bedienung der Passmaschine. Man<br />

holte eine Passamtperson um 10 Uhr aus der verdienten Sonntagsruhe<br />

und bewerkstelligte die Herstellung der zwei Pässe rasch und<br />

problemlos. Als Fahrer soll die rechte Hand von Hans-Adam, Herr<br />

Gilbert Kaiser fungieren. Ein Bankdirektor der LGT Vaduz soll mit ihm<br />

am 13.01.03 nach Frankfurt fahren. Beide wurden über die ganze<br />

Angelegenheit ausführlich informiert.<br />

Anm.: Ich lag richtig in meiner Planung, nur ganz wenige Tage zwischen der<br />

Briefankunft auf dem Schloss (7.1.) und dem „1. Termin“ (14.1.) zuzulassen.<br />

Somit hatten sie keine Zeit viel nachzudenken, ob sie die Pässe überhaupt<br />

erstellen sollen. Aus reinem - nachvollziehbarem - Selbstschutz wird von Hans-<br />

Adam und Liechtenstein seit Feb. 2008 inkorrekt behauptet, dass sie angeblich<br />

keine Pässe ausgestellt hatten.<br />

BERLIN 13. Januar 2003 (vormittags)<br />

Wieder hatte ich eine Nacht in Berlin überlebt. Ohne Frühstück, aber<br />

immerhin nach einem selbst gemachten Tee, verabschiedete ich mich bei<br />

Daniela mit der Bemerkung, ich würde eines der vielen Museen<br />

besuchen gehen. Stattdessen begab ich mich auf schnellstem Weg zu<br />

einem Internetcafé, wo ich fieberhaft im Netz nach Angebote für ein<br />

möbliertes Zimmer suchte. Ich musste eine Unterkunft für spätestens<br />

210


Morgen Abend finden. Ich tippte in die Suchmaschine ein: „Untermieter<br />

gesucht‚, „Zimmer zu vermieten‚ oder „Mitwohnzentrale‚ etc.<br />

Ich fand ein Angebot, wo ab sofort ein kleines möbliertes Zimmer<br />

offeriert wurde. Ich notierte die Nummer und rief auch gleich von einer<br />

Telefonzelle aus an. Eine nette junge Stimme nahm den Hörer ab. Petra<br />

suchte eigentlich eine Untermieterin, also eine Frau, kein Mann. Ihre<br />

bisherige Mitbewohnerin habe sich letzte Woche klammheimlich aus<br />

dem Staub gemacht und sei ihr aber noch 2 Wochen Miete schuldig. Ich<br />

erzählte ihr, ich sei auf Besuch aus der Schweiz hier und Berlin sooo<br />

schön finde, dass ich gerne noch 4-8 Wochen hier bleiben möchte und<br />

daher ein Zimmer suche. Es sei ja billiger als im Hotel zu wohnen,<br />

rechnete ich ihr vor. Ich würde meine Miete pro Monat im Voraus<br />

bezahlen. Dies gefiel ihr. Und da sie viele charmante Schweizer kenne,<br />

offerierte sie mir, das Zimmer doch morgen, Dienstag in der Früh<br />

anschauen zu kommen. Heute ging es ihr nicht mehr, da sie gleich zur<br />

Arbeit müsse und erst sehr spät abends heimkehren würde. Auch sie<br />

musste Untervermieten, sodass sie ihre eigenen Mietkosten reduzieren<br />

konnte. Die Monatsmiete für mein Zimmer war 380 Euros. Sie wohne in<br />

der Nähe der Kirche zum Heiligen Kreuz. Ich notierte mir die Strasse<br />

und entschied für mich, jetzt schon mal die Strasse aufzusuchen, sodass<br />

ich am nächsten Tag keine Zeit verlieren würde. In ca. 40 Minuten war<br />

ich dort angelangt. Etwas Schnee lag auf dem Fussweg, im Garten und<br />

auf der Strasse. Es war eine ruhiges Quartier und das Mehrfamilienhaus<br />

am Ende, in der Ecke. Gemäss Klingel musste es die Wohnung im<br />

Erdgeschoss, Treppe runter und Rechts sein. Es hatte grosse Fenster und<br />

alte Bäume im Garten - sehr schön.<br />

Ich nahm den Bus zurück ins Zentrum von Berlin und setzte mich in ein<br />

Café, von wo ich die Berliner Welt zwischen 10 Uhr und 12 Uhr vor<br />

meinen Augen vorbeiziehen lies. Es war schon komisch, das ganze. Ich<br />

versuchte mir vorzustellen, was die in Vaduz jetzt wohl alles machen.<br />

Aus heiterem Himmel entschloss ich mich einfach mal beim Schloss<br />

Vaduz auf die Zentrale anzurufen. Da ich solches im Brief nicht<br />

angekündigt hatte, dachte ich mir, dass der Überraschungseffekt mir<br />

dienlich sein könnte. Etwas Mut dazu brauchte ich schon. Ich begriff, ein<br />

Anruf kann nicht Schaden und bis jetzt gab es ja noch keine Tote in<br />

diesem Drama. Ich wusste, dass Hans-Adam, wenn er im Schloss war,<br />

ungefähr immer zur selben Zeit das Mittagessen von der Küche bestellt.<br />

211


Er legt grossen Wert darauf, dies mit seiner Grossfamilie pünktlich und<br />

gemeinsam einzunehmen. Ich rief also vor dem Mittagessen an, nannte<br />

meinen Namen und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte. Ich<br />

hörte, wie die Sekretärin auffallend perplex über meinen Anruf war.<br />

Nach kurzer Wartezeit stellte sie mich zu Hans-Adam durch. Er war<br />

erstaunlicher Weise nicht all zu böse; d.h. er war sehr besorgt über die<br />

Geschichte. Ich sagte ihm schnell, dass ich nicht allzu lange telefonieren<br />

möchte, da ich nicht wusste, ob vielleicht eine Fangschaltung installiert<br />

wurde. Ich erwähnte, dass ich in Deutschland war. Darauf hin konnte<br />

ich nur ein starkes Seufzen hören. Er sagte mir, dass keine Fangschaltung<br />

da sei und wir aber vorsichtig sein müssten, was wir am Telefon hier<br />

besprechen: Man wisse ja nie, wer mithöre. Ich war eher erstaunt, solches<br />

von ihm zu hören. Er sagte mir, dass ich gemäss den Angaben in meinem<br />

Brief vorgehen sollte und er die Pässe ausgestellt hatte.<br />

Er fragte mich 3 mal ob ich die Daten gut versteckt hätte, was ich<br />

postwendend 3 mal bejahte. Er sagte auch, dass ich nicht mehr aufs<br />

Schloss anrufen solle. Mir würde später eine andere Möglichkeit zum<br />

Telefonieren mitgeteilt werden. Dann könne ich mit ihm sicher reden. Ich<br />

solle aber vorsichtig sein und nicht über die Daten reden, vielleicht<br />

würde ja jemand mithören. Er sagte weiters, dass letztmöglich jemand<br />

mithören würde; eine Person, die ich im Brief erwähnt hätte. Man kann<br />

sich heute nicht auf alle Verlassen, sagte er zum Schluss. Ich begriff diese<br />

Gerede über „Mithören‚ nicht ganz; aber eben: Ich war froh, dass er<br />

überhaupt mit mir sprach und ich glaubte, dies sei der Anfang einer<br />

Lösung und nicht der Anfang vom Ende. Das ganze Gespräch dauerte<br />

nur 2-3 Minuten. Ich fuhr auf Umwegen mit Bus und Bahn wieder nach<br />

Hause. Daniela war nicht da, was mir sehr gelegen kam. Ich packte<br />

meine sieben Sachen zusammen, um schneller bereit zu sein, sollte ich<br />

am nächsten Tag ausziehen.<br />

Ungeduldig stampfte ich zwischen den Telefonkabinen auf dem<br />

Wittenbergerplatz hin und her, um die Zeit bis 14 Uhr totzuschlagen.<br />

Dann würde ich nämlich die LGT in Frankfurt anrufen, um zu erfahren,<br />

ob ein Kuvert für mich da wäre. Wenn ja, dann würde ich den Auftrag<br />

geben, das Kuvert an meine neue, private Postfachadresse in Berlin zu<br />

senden. Sollte dies klappen, würde ich zuerst das Gebäude, wo mein<br />

Berliner Postfach im Erdgeschoss liegt, für ein paar Tage ausgiebig<br />

beobachten und dann zu einer Zeit, wo ich sicher sein könnte, dass<br />

eigentlich niemand unterwegs war, also zwischen 3 und 4 Uhr in der<br />

Nacht, mein Fach leeren kommen.<br />

212


VADUZ 13. Januar 2003 (vormittags)<br />

In aller Herrgottsfrühe fuhren Hr. Kaiser und der Bankdirektor von<br />

Vaduz aus mit dem Diplomatenstaatswagen des Hans-Adams (dunkler<br />

Audi A8 mit Wechselkennzeichen FL 6333, bei Staatsanlässen wird das<br />

anderen Kennzeichen, FL 1 angebracht) Richtung Frankfurt los. Mit<br />

dabei hatten sie ein dickes Kuvert mit Handschriftlichem Schreiben von<br />

Hans-Adam für Kieber und den zwei Pässen. Noch viel früher in der<br />

Nacht, um 03 Uhr morgens erst, war der Professor mit dem<br />

Aktenstudium endlich fertig. Ausgiebigen Schlaf konnte er aber nicht<br />

erleben. Um 07 Uhr war er schon wieder in der KKZ, wo er zusammen<br />

mit dem eintrudelnden Regierungschef Hasler die erste von vielen<br />

Tassen Kaffee oder Tee tranken. Der Bankdirektor und die rechte Hand<br />

Hans-Adams trafen in Frankfurt ein und nahmen sich zwei Zimmer im<br />

Hotel Palmenhof in der Bockenheimer Landstrasse. Um auf alle Seiten<br />

abgedeckt zu sein, orderte das KKZ das Landgericht Vaduz an, einen<br />

neuen Akt gegen Kieber anzulegen. Die Untersuchungsrichterin, Frau<br />

Netzer wurde beauftragt, „pro forma‚ einen Internationalen Haftbefehl<br />

zu beschliessen. Der Haftbefehl sollte aber noch nicht im Polizeisystem<br />

aktiviert werden. Die Grundlage für einen Haftbefehl wäre eben die<br />

versuchte Datenunterdrückung & der Datendiebstahl, die Nötigung des<br />

Staatsoberhauptes Hans-Adams und – was aus Liechtensteiner Sicht am<br />

Schlimmsten war - das Verbrechen der Auskundschaftung eines<br />

Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zu Gunsten des Auslandes. Es wäre<br />

A) die Fluchtgefahr gegeben, da Kieber die Wohnung im FL aufgelöst<br />

hatte. B) eine Verdunkelungsgefahr gegeben, die damit zu erklären sei,<br />

dass er – auf freiem Fuss gelassen – die Ermittlung der Wahrheit<br />

erschweren werde (Anm.: Welch Ironie dieses Gesetzeswortlauts: Im<br />

Gegenteil, ich war auf einer Mission ins Ausland gegangen, um die Wahrheit<br />

der „schmutzigen Geld-Geschäfte“ in Liechtenstein zu offenbaren.) und C)<br />

insbesondere die Ausführungsgefahr, da er dies detailliert im Brief an<br />

Hans-Adam angedroht hatte.<br />

Anm.: Wie die UR richtigerweise festgestellt hatte, war mein Brief eine<br />

versuchte Nötigung und KEINE Erpressung! Eine Erpressung wäre es dann,<br />

wenn ich z.B. Geld im Austausch für die Daten verlangt hätte. Das Gesetzt<br />

macht da ganz klar einen Unterschied. Ich wurde in der Folge später auch nie<br />

wegen Erpressung angeklagt und logischerweise auch nie dafür verurteilt.<br />

213


Das Liechtenstein (über die KKZ) immer dann alle gesetzlichen Richtlinien und<br />

Vorschriften einfach zum Fenster raus schmeisst, wenn es ums eigene Geld<br />

(Bank- oder Treuhanddaten) geht, zeigte sich auch in diesem Fall wieder. Der<br />

Vorwurf des Datendiebstahls hätte gar nicht als Grundlage für den Haftbefehl<br />

herhalten dürfen, da der Diebstahl von Daten in Liechtenstein kein<br />

Offizialdelikt sondern ein Antragsdelikt ist und das bedeutet, nur wenn die<br />

Bank oder die Treuhand es selber wollen und sie einen Datendiebstahl bei der<br />

Polizei anzeigen, dann die Behörden aktive werden können. Der Hintergrund<br />

des Gesetzgebers, einen Datendiebstahl nur als Antragsdelikt zu klassifizieren,<br />

lag darin, da man es der Bank oder Treuhand überlassen wollte, sich mit dem<br />

Dieb einigen zu können und somit ein Aufsehen mit einem Strafprozess und<br />

auch Schädigung des Rufes verhindern zu können. Das hat oft gut geklappt.<br />

Es ist in Liechtenstein kein Geheimnis, dass in den Jahren 1994 bis 2004 (die<br />

Batliner CDs und meine LGT Daten ausgenommen) es 4 weitere, wenn auch<br />

kleinere Fälle von Datendiebstahl gegeben hatte, wo es nie zu einer Anzeige<br />

kam, da die betroffenen Firmen (3 Treuhandfirmen und 1 ausländische Bank)<br />

mit „Zahlungen“ die Sache selber, offenbar erfolgreich, bereinigen konnten. Eine<br />

Datendiebstahlanzeige in meinem Fall lag aber nicht vor.<br />

Im KKZ wurde weiters folgendes entschieden: Um der Person des<br />

Kieber aufzuspüren, der sich höchstwahrscheinlich im Ausland aufhielt,<br />

wurde angeregt, diverse Handynummern sowie zwei Festnetzanschlüsse<br />

von Personen zu überwachen, auf die er vielleicht anrufen würde.<br />

Zudem wurde beschlossen, dass man sich für eine oder mehrere Razzien<br />

in Liechtenstein allzeit bereithalten sollte. Nur für den Fall, dass die<br />

Bewohner der Gebäude anwesend wären, instruierte das KKZ das<br />

Landgericht ein paar Hausdurchsuchungsbeschlüsse, auch „pro forma‚<br />

anzufertigen. Die Razzien sollten aber - wenn möglich - so ausgeführt<br />

werden, dass niemand davon etwas erfährt und keine nötigen<br />

Gerichtsbeschlüsse gezeigt werden müssen.<br />

BERLIN 13. Januar 2003 (nachmittags bis in die Nacht)<br />

Endlich, die Uhr zeigte Punkt 14 Uhr. Ich rief die Nummer der LGT<br />

Frankfurt an. Ich sagte meinen Namen und fragte, ob ein Kuvert für<br />

mich da sei. Die Angestellte dort sagte mir, dass jemand hier sei, der<br />

mich sprechen möchte. Der Bankdirektor Schlachter nahm den Hörer in<br />

die Hand. Er habe einen Umschlag von Hans-Adam für mich dabei. Ich<br />

214


müsse ihn aber selber abholen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht in<br />

Frankfurt war, sondern in Berlin! Er glaubte mir es nicht. Er sagte, dass<br />

er vom Hans-Adam persönlich beauftragt worden sei, das Kuvert mir<br />

persönlich zu übergeben.<br />

Zu meinem Erstaunen erläuterte er mir, dass er angeblich absolut KEINE<br />

Ahnung habe, um was es sich handle. Ich war schon etwas sehr verwirrt<br />

über diese Aussage. Nein, nein – versicherte er mir. Er wüsste nicht um<br />

was es gehe. Er sei am Sonntag aufs Schloss gerufen worden und ihm sei<br />

aufgetragen worden, einen Gefallen für den Hans-Adam zu tun. Das sei<br />

alles gewesen, was man ihn gesagt hätte. Mir kam dies sehr suspekt vor.<br />

Ich musste ihm aber diesbezüglich glauben. Ich fragte ihn, ob er wüsste<br />

was in dem Kuvert sei. Er erwiderte, NEIN, er wüsste es nicht und<br />

möchte und musste es nicht wissen.<br />

Er wiederholte zudem mehrmals, dass wir am Telefon sehr vorsichtig<br />

sein müssten, da ich ja von einer öffentlichen Telefonzelle anrief (was er<br />

als erstes von mir erfahren hatte). Wir dürften keine Details oder Worte<br />

wie „LGT‚, oder „Daten‚ u.s.w. erwähnen. Ich sagte ihm, ja das wäre<br />

logisch, aber dass es auch keinen Sinn machen würde, mit ihm weiter zu<br />

telefoniere, wenn er ja nicht im Bilde war. Ich äusserte den Wunsch,<br />

Hans-Adam am Abend selber anrufen zu können. Ich schlug dem<br />

Bankdirektor auch vor, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen. Er<br />

verlangte den Beweis, dass ich wirklich in Berlin sei.<br />

Ich dachte nur: Mist, wieder einmal haben sie es nicht fertig gebracht,<br />

meine Schreiben, in diesem Fall den Brief vom 7.1.03, vollständig und<br />

richtig zu lesen. Da stand kein Wort darin, das ich in Frankfurt sein<br />

würde! Ich fragte den Bankdirektor, ob er den keine Telefonnummer auf<br />

dem Display sehe würde; er verneinte dies. Ich regte mich auf, dass man<br />

hier wohl alles selber machen musste. Da hatte ich eine Idee, wie ich<br />

beweisen konnte, dass ich in Berlin war. Etwas riskant, aber in diesem<br />

Stadium des ganzen Dramas war für mich die Gefahr, sprich von Hans-<br />

Adam schnell „geschnappt‚ zu werden, kalkulierbar, sprich nicht akut.<br />

Ich sagte, ich würde in 10 Minuten wieder anrufen.<br />

Ich rannte so schnell es ging zur neuen Niederlassung der LGT in Berlin<br />

am Kurfürstendamm Nr. 36. Noch nach Luft ringend, erzählte ich der<br />

Empfangsdame, dass ich einen Telefontermin mit einem hohen<br />

Bankdirektor der LGT Vaduz, der jetzt in der LGT Frankfurt sei, hätte.<br />

Die Dame dachte, ich sei wohl ein etwas wirrer Kunde und rief die LGT<br />

Frankfurt an. Ich wurde dann mit dem Bankdirektor verbunden und<br />

damit gab es dann absolut keinen Zweifel mehr: ich war in Berlin!<br />

215


Der Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Hans-Adam in der<br />

Zwischenzeit telefoniert hätte und dieser ihm nun aufgetragen hatte, mir<br />

zu sagen, dass ich ihn, den Bankdirektor über den Sinn und Zweck<br />

seiner Reise aufklären sollte. Ich lehnte dies ab, da es utopisch war, ihm<br />

in einem Ferngespräch gerade heraus über das Drama zu berichten. Mir<br />

wurde gesagt, dass Hans-Adam mich sprechen möchte und ich ihn aufs<br />

Schloss anrufen sollte. In derselben Minute widerrief der Bankdirektor<br />

die Aussicht, dass ich aufs Schloss anrufen könnte.<br />

Ich lag mit einer meiner Vermutungen wieder richtig: Hans-Adam hatte<br />

seine „Soldaten‚ nie ganz aufklärt und niemand gesagt, dass ich ihn<br />

gestern aufs Schloss angerufen hatte: typisch Hans-Adam – immerzu<br />

bestrebt, einen strategischen Vorteil zu behalten, erinnerte ich mich. Ich<br />

hatte nochmals vorgeschlagen, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen.<br />

In einem späteren Telefonat wurde mir gesagt, dass nun Hans-Adam<br />

mich persönlich sehen möchte und wir alle uns am Abend noch in<br />

Hannover treffen sollten. Ich konnte diesem Plan nicht zustimmen, da<br />

meine abgeschätzte Ankunft in Hannover erst spät in der Nacht erfolgen<br />

würde und ich mich dort sowieso nicht sicher fühlen würde. Wer<br />

garantierte mir, dass es keine Falle sei, fragte ich. Der Bankdirektor<br />

schwieg dazu und hatte stattdessen vorgeschlagen, mir aus Frankfurt<br />

entgegenzufahren; er hätte ja auch das Kuvert, mit dem von mir<br />

gewünschten Inhalt. Ich erwiderte: Wenn Hans-Adam mit mir sprechen<br />

wollte, so könnte er doch die LGT in Berlin anrufen. Der Bankdirektor<br />

sagte mir dann, dies würde nicht gehen, da die Leitung dorthin nicht<br />

gesichert war, sprich nicht abhörsicher war und die Gefahr bestand, dass<br />

der Feinde, die Deutschen mithören könnten.<br />

Je mehr ich mit dem Bankdirektor kommuniziert hatte, um so weniger<br />

erschienen mir seine Verschläge einleuchtend. Ich hatte um Bedenkzeit<br />

gebeten und sowieso musste ich das Telefonat oft unterbrechen und die<br />

Nummer neu anwählen, da ich Telefonkarten mit einem Wert von 5 oder<br />

10 Euros gekauft hatte, die schnell verbraucht waren. Die angebliche<br />

Unkenntnis seitens des Bankdirektors darüber, was wirklich los war,<br />

machte mir schon zu schaffen.<br />

Ich suchte ein Internetcafé auf und schickte von meinem alten<br />

Emailkonto aus dem Hans-Adam und seinem Sohn Alois eine Email aufs<br />

Schloss Vaduz. Ich hatte darin mein Unverständnis darüber dargelegt,<br />

dass er offenbar frustriert war, dass ich nicht in Frankfurt war und<br />

entschuldigte mich für die "Missverständnisse". Ich schlug vor und bat<br />

ihn auch, dass man sich in Berlin treffe würde. Das Email hatte ich 3 Mal<br />

216


an die öffentlich bekannten Emailadressen (a.liechtenstein@sfl.li,<br />

office@fuerstenhaus.li, sfl@sfl.li, post@sfl.li oder mail@sfl.li) gesandt. Dies trotz<br />

der Gefahr, dass über die IP-Adresse meiner versandet Email der<br />

Standort des Internetcomputers herausgefunden werden könnte. Aber<br />

ich wusste, dass wenn jemand die wirklich Strassenadresse ausforschen<br />

würde, ich schon lange wieder weg über alle Berge sei.<br />

Danach rief ich wieder den Bankdirektor an und erzählte ihm vom<br />

Email. Er sagte mir, dass er in der Zwischenzeit wieder mit Hans-Adam<br />

gesprochen hatte und dieser ihn nun über die Lage informiert hätte. So,<br />

so, dachte ich mir. Des Weiteren wurde mir erklärt, dass Hans-Adam<br />

grossen Wert darauf lege, dass ich mich mit dem Bankdirektor noch<br />

heute treffen würde. Bis spät in die Nacht hatte ich mehrere Anrufe an<br />

die LGT Frankfurt gemacht und mit dem Bankdirektor gesprochen.<br />

Dabei wechselte ich immer den Standort und rannte dafür wie ein<br />

geköpfter Hahn kreuz und quer im Zentrum von Berlin herum, auf der<br />

Suche nach neuen, „frischen‚ Telefonzelle. Dies um zu verhindern, dass<br />

sie mich elektronisch lokalisieren konnten. Er wiederum, so wie er mir<br />

erläuterte, muss jeweils telefonische Rücksprache mit Hans-Adam<br />

führen und sich sein „OK‚ zu holen. Ein paar Mal wurde heiss diskutiert<br />

und der Frust von Seiten des Bankdirektors war nicht zu überhören:<br />

„Enttäuschung‚ in Vaduz darüber, dass ich nicht in Frankfurt war, wie<br />

ich es geschrieben hätte.<br />

Mir wurde auch eine Liechtensteiner Handynummer mitgeteilt, die ich<br />

mir notierte. Es war die Nummer eines Handys worauf ich Hans-Adam<br />

persönlich anrufen könnte. Ich war erleichtert, dass offenbar Hans-Adam<br />

den Bankdirektor aufgeklärt hatte. Ich sollte nun den Zug um 19:56 von<br />

Berlin nach Köln nehmen: dort würde er, der Bankdirektor auf mich<br />

warten und ich würde nur so mit dem Hans-Adam telefonieren können.<br />

Dies von der LGT Köln aus über eine abhörsichere Leitung.<br />

Ob ich die Unterlagen auf mir oder mit mir hätte, hatte der Bankdirektor<br />

mich höflich gefragt. Na klar, lachte ich laut: Ich würde sicherlich<br />

kiloweise Unterlagen und Datenträger jetzt mit mir in Berlin<br />

herumschleppen, auch noch zu dieser dunklen Stunde. Natürlich nicht!<br />

Sie wären gut versorgt, erwiderte ich. Es wäre ein komplexes Thema, die<br />

Datensicherung hier in Berlin, erklärte ich ihm. Ich sagte ihm auch, dass<br />

ich es ihm persönlich unter vier Augen in Berlin erklären könnte. Der<br />

Bankdirektor versuchte mehrmals auf verschiedene Art und Weise in<br />

Erfahrung zu bringen, wo ich die Unterlagen aufbewahrt hatte. Er<br />

217


schilderte mir, dass Hans-Adam in den Telefonaten mit ihm sehr besorgt<br />

über die Daten geäussert hatte.<br />

Um meiner ausgefeilten Sicherheit in Bezug auf die Daten etwas mehr<br />

Betonung zu geben, hatte ich dem Bankdirektor in Erinnerung gerufen,<br />

dass seine LGT den Verlust des DLT-Bandes sowie der<br />

Originaldokumente ja nicht einmal gemerkt hatten. Als ich dann weiters<br />

erwähnte, dass sie sicher in einem Schliessfach waren, dass in der Nacht<br />

nicht zugänglich sei, versuchte er mir weiszumachen, dass Hans-Adam<br />

die Pässe heute Nacht übergeben würde und im Gegenzug heute Nacht<br />

gerne die Daten zurück hätte. So einen Blödsinn dachte ich mir. Da ich<br />

die offensichtliche Dummheit dieser Idee dem Bankdirektor nicht<br />

schnurgerade ins Gesicht schleudern konnte, fragte ich ihn künstlich<br />

erstaunt, aber höflich, wie dies den geschehen sollte? Es sei jetzt<br />

Montagabend, alle Geschäfte sind zu, sagte ich.<br />

Obwohl ich nie erwähnt hatte, dass es sich um ein Schliessfach bei einer<br />

Bank handeln würde, nahm der Bankdirektor dies als gesicherte<br />

Information an und behauptete weiters, dass wenn Hans-Adam wisse<br />

würde, um welche Bank es sich handelte, er die Mittel und Wege hätte,<br />

die Filiale noch heute Abend öffnen zu lassen. Ich konnte mein Gelächter<br />

nicht mehr unterdrücken. Ich entgegnete, es ist jetzt fast 20 Uhr und es<br />

ist mir durchaus ganz klar, dass Hans-Adam Macht und Milliarden hat,<br />

aber bitte – dass er die Autorität hat – rein hypothetisch - einen<br />

Vorstandsvorsitzenden eines Deutschen Bankkonzerns aus dem Bett zu<br />

holen und zum Öffnen einer seiner Filialen zu bewegen, damit dort<br />

Mitten in der Nacht ein Safe geleert werden konnte - ist absolut<br />

unmöglich und reine Phantasie. Zudem fragte ich den Bankdirektor ob<br />

er und die in Vaduz wohl verrückt geworden seien: a) wie sollte –<br />

wiederum rein hypothetisch – eine solche Aktion über die Bühne gehen,<br />

ohne das von Deutscher Seite (Bankvorsitzender, Filialleiter Mitarbeiter,<br />

Sicherheitspersonal etc.) irgendjemand die Sache sehr höchst suspekt<br />

vorkommen würde. Oder b) sie allen Ernsten wünschten, dass ich das<br />

Fach leeren sollte und mit all den Daten und Papieren quer durch<br />

Deutschland per Zug zu ihm reisen musste. Sowieso würde eine<br />

Datenübergabe für mich gar nicht zu Frage stehen.<br />

Man hatte ja noch gar nichts in Sachen Argentinienfall gemacht. Wie<br />

kommt ihr da auf die Idee, ich würde euch die Daten jetzt schon<br />

zurückgeben, fragte ich den Bankdirektor. Er stammelte nur ständig,<br />

dass er die Daten zurück haben muss, muss, muss.... Was ich nicht<br />

wusste war, dass er nur darum ständig nach den Daten fragte, weil er<br />

218


herausfinden wollte, ob ich sie überhaupt hatte. Um dem Unsinn ein<br />

Ende zu machen, erklärte ich ihm, dass es kein Banktresorfach sei und<br />

ich unmöglich heute Nacht an die Daten kommen könnte. Ende. Punkt.<br />

Amen. Schluss. Aus. Ich sagte auch, dass ich hundskaputt war und keine<br />

Reise mehr irgendwohin machen würde. Ich bat ihn, Hans-Adam<br />

mitzuteilen, dass ich am Ende meines Lateins sei, mich aber für seine<br />

Geduld und angebotene Lösungshilfen bedanken würde, was immer das<br />

war.<br />

Der Bankdirektor bat mich, ihn in 20 bis 25 Minuten wieder anzurufen.<br />

Was ich dann auch tat. Er sagte mir, dass Hans-Adam mir für meine<br />

Loyalität gegenüber seiner Familie, der LGT und Liechtenstein bedankt<br />

hätte und nun keine nächtliche Reise von mir irgendwohin verlangen<br />

würde. Ich musste das Gespräch kurz halten, da ich nur noch wenig<br />

Guthaben auf der Telefonkarte hatte. Ich hatte den Bankdirektor<br />

gewarnt, dass ich unter Umständen nicht mehr anrufen könnte, da ich<br />

nicht wüsste, wo ich zu dieser späten Stunde noch Telefonkarten kaufen<br />

könnte. Dann ein Klick, Null Euro Guthaben und die Verbindung war<br />

tot. Ich suchte verzweifelt nach einem Kiosk, der noch um diese Zeit<br />

geöffnet hatte. Es war nichts zu finden. Halt. Weit weg brannte noch<br />

Licht in einem Geschäft. Zum Glück hatte ein Internetcafé noch offen: ich<br />

konnte günstige Telefonkarten kaufen. Ich hatte eine neue Telefonzelle<br />

erspäht und wählte die Nummer in Frankfurt. Es war jetzt 20.35 Uhr.<br />

Ich erklärte nochmals, dass ich jetzt NICHT an das Schliessfach konnte.<br />

Einen Tag später könnte ich aber an die Daten kommen. Ich schlug<br />

nochmals vor, dass er am nächsten Tag nach Berlin kommen sollte. Wir<br />

könnten uns um 10 oder 11 Uhr treffen. Er sagte, dass er dies nicht<br />

alleine entscheiden könne, er sei auf Anordnungen von Hans-Adam<br />

angewiesen. Nur sein Wort gelte für ihn. Der Bankdirektor fragte mich<br />

ob ich ihm nicht mehr über die ganzen Umstände, die zu diesem Drama<br />

geführt hatten, erzählen könne. Ich dachte zuerst, ich hatte mich verhört.<br />

Jetzt, nach zehn oder mehr Telefonaten, so spät, wo alle müde und<br />

gleichzeitig angespannt waren, jetzt wollte er, dass ich ihm am Telefon in<br />

20 bis 30 Minuten wohl als Schlecht-Nacht-Geschichte die Ereignisse der<br />

letzten sechs Jahre erzählte. Ich wollte nun auflegen, aber der<br />

Bankdirektor bat mich nochmals in einem Augenblick anzurufen. Er<br />

müsste wieder Meldung nach Vaduz machen. Ich wartete. Dann<br />

erkannte ich, dass ich nun nicht genau wusste wo ich war und wie weit<br />

die nächste U-Bahn- oder Bussstation entfernt war. Auch das noch,<br />

donnerte ich – ein langer Fussweg nach Hause stand mir bevor.<br />

219


Ich telefonierte, diesmal von derselben öffentlichen Telefonkabine aus,<br />

zum letzten Mal mit dem Bankdirektor in Frankfurt. Der Ton hatte sich<br />

beachtlich verschlechtert. Der Bankdirektor schimpfte mit mir. Er sagte,<br />

dass es in Vaduz heftig zuginge. Man glaubte mir nicht (ohne mir zu<br />

sagen, was man mir den nicht glaubte), man sei erbost, dass ich nicht in<br />

Frankfurt sei, man sei mir böse, dass ich angeblich nicht jetzt an die<br />

Daten kommen könnte u.s.w. Ich solle einen Beweis liefern, dass ich ein<br />

Schliessfach hatte. Ich fasste es nicht. Fuck! Das war wieder so ein Trick,<br />

um mich auf die Palme zu treiben. Warum wollten die einen Beweis,<br />

dass ich ein Schliessfach hatte? Ich mag zwar ab und zu verrückt sein,<br />

aber nicht genug, um deren Psychospiele nicht zu durchschauen. Ich<br />

erklärte nun, dass ich sicher war, dass sie eine Falle planten. Sie wollten,<br />

dass ich mit dem Schliessfachschlüssel sofort nach Frankfurt, Hannover<br />

oder Köln komme.<br />

Ich war mit den Nerven am Ende und wiederholte meine Bitte, er solle<br />

einfach nach Berlin kommen. Ich müsse jetzt auflegen, da die<br />

Telefonkarte nur noch zehn Sekunden Gesprächsguthaben anzeigen<br />

würde, sagte ich mit immer schwächer werdender Stimme. Für „Gute<br />

Nacht‚ reichte die Zeit noch aus und ich ersuchte ihn auch bis 10 Uhr<br />

morgens eine Nachricht bei der LGT in Berlin für mich zu hinterlassen.<br />

Klack – die Linie war tot. Ich rannte nochmals zum Internetcafé und<br />

kaufte eine weitere Telefonkarte für den nächsten Tag. Eine U-<br />

Bahnstation war auch schnell gefunden der Zug war aber schon weg. So<br />

blieb nur ein Fussmarsch um nach Hause zu kommen. Nach zehn<br />

Minuten war ich an einer einsamen Telefonzelle vorbei gekommen. Nun<br />

gut, dachte ich, besser den Bankdirektor nochmals anrufen. Er war noch<br />

wach und in der Frankfurter Niederlassung. Die Uhr zeigte 22.15 Uhr.<br />

Ich herrschte ihn an nach Berlin zu kommen. Er sagte, er würde es<br />

versuchen. Könnte aber nichts garantieren. Höflich hatten wir uns dann<br />

verabschiedet. Man vereinbarte, dass ich ihn am nächsten Tag um 07.30<br />

Uhr in der Früh wieder telefonisch kontaktieren würde.<br />

„Gute Nacht Herr Bankdirektor.‚ „Gute Nacht Herr Kieber.‚<br />

220


VADUZ 13. Januar 2003 (nachmittags bis spät abends)<br />

Seit dem Mittagessen rief der Bankdirektor mehrmals Hans-Adam und<br />

die KKZ an, um über den aktuellen Stand der Dinge zu berichten und<br />

weitere Befehle vom Fürst zu erhalten. Der Professor sagte ihm, dass sie<br />

alle auf Zeit spielen sollten. Die Lage sei jetzt anders und komplizierter,<br />

da man nicht erwartet hatte, dass Kieber wahrhaftig in Deutschland und<br />

zudem auch schon in Berlin war. Dort, wo alle Behörden und die US-<br />

Botschaft waren. Sie glaubten dem Schreiben von Kieber ja nicht.<br />

Hans-Adam erhielt ein Handy der Polizei, deren Liechtensteiner<br />

Nummer Kieber heute mitgeteilt werden sollte. Ausserdem sollte ihm<br />

gesagt werden, dass es die Nummer war, auf der er Hans-Adam<br />

persönlich anrufen könne. Die Liechtensteiner Telekom erhielt von der<br />

KKZ den Befehl, alle Anrufe auf diesem Handy aufzuzeichnen. Es<br />

wurde sehr fieberhaft zwischen dem Schloss, der Regierung und den<br />

anderen Mitgliedern des KKZ kommuniziert. Hans-Adam hatte den<br />

Auftrag gegeben, herauszufinden, wie Kieber sich bei der LGT in Berlin<br />

verhalten hatte und was er dort den Mitarbeitern sonst noch gesagt<br />

hatte. Er sagte dem KKZ, man solle Kieber mitteilen, dass er ihn direkt<br />

im Schloss anrufen könne, da der Fürs die Sache mit ihm besprechen<br />

müsse. Hans-Adam wurde aber von Seite des KKZ empfohlen, sich<br />

vorerst keine Anrufe von Kieber auf sein Schloss durchstellen zu lassen,<br />

falls dieser es versuchen sollte. Die Sache war sehr delikat. Denn alleine<br />

die Tatsache, dass ein ehemaliger Mitarbeiter der LGT, der weit<br />

reichende Kenntnissen über das Geschäft „im Kopf‚ gespeichert hatte, in<br />

der Hauptstadt des „Feindesland" herumirrte, war in den Augen von<br />

Hans-Adam Sprengkraft genug, um eine eigene Reise nach Deutschland<br />

ins Auge zu fassen. Ihm wurde aber im Verlauf des Abends gesagt, dass<br />

Kieber nicht nach Hannover kommen könne oder wolle. Er erhielt dann<br />

von seiner Sekretärin auch das Email von Kieber aus Berlin.<br />

Hans-Adam erklärte, dass er persönlich grossen Wert auf ein<br />

Zustandekommen eines Treffens zwischen dem Bankdirektor und<br />

Kieber legte. Dann würde er mit dem Kieber reden und zwar nur über<br />

eine gesicherte Leitung nach Vaduz. Das KKZ hielt fest, dass das Ziel<br />

nun war, den Bankdirektor mit dem Kieber zusammenzubringen, um<br />

den Wünschen und der Autorität des Hans-Adams entsprechen zu<br />

können. Er hätte dem Bankdirektor auch gesagt, dass er nicht über das<br />

221


Telefon über die Daten sprechen möchte, da dies Hans-Adam offenbar<br />

nicht wollte.<br />

Hans-Adam sagte dem KKZ, dass er abwarten wollte, ob Kieber nicht<br />

doch noch nach Frankfurt, Hannover oder Köln reisen würde und er,<br />

Hans-Adam dann weitere Anweisungen, wie und was nun geschehen<br />

soll, geben würde. Der Liechtensteiner Fürst wurde sehr ungeduldig.<br />

Der Bankdirektor meldete zurück, dass Kieber ihm gesagt hätte, dass die<br />

Daten sicher in einem Schliessfach versorgt wären. Hans-Adam regte an,<br />

dem Kieber zu fragen, bei welcher Bank dies wäre. Er, Hans-Adam hätte<br />

dann die Macht den Vorsitzenden jener deutschen Bank anzurufen und<br />

zu arrangieren, dass sein Bankdirektor mit Kieber später das Fach<br />

gemeinsam leeren sollte.<br />

Hans-Adam wurde noch ungeduldiger. Es solle dem Kieber gesagt<br />

werden, dass der Bankdirektor ein dickes A4 Kuvert mit dem von ihm<br />

gewünschten Inhalt und einem handschriftlichem Vermerk des Hans-<br />

Adam für ihn hätte. Hans-Adam wollte wissen, warum ein Treffen nicht<br />

möglich war und wo die verdammten Daten waren. Nach Beratung gab<br />

Hans-Adam die Order, dass der Bankdirektor sich für eine Reise nach<br />

Berlin am nächsten Tag vorbereiten sollte. Hans-Adam wurde<br />

informiert, dass Kieber dankbar für seine Unterstützung sei und er<br />

nichts Böses wolle. Kieber hätte gesagt, dass er sich nicht vorstellen<br />

könnte, dass Hans-Adam in Deutschland nun mit den vorgeschlagenen<br />

Treffen oder dem Mitten-In-Der-Nacht-Tresor-Öffnen Aufsehen erregen<br />

wollte. Er wäre Hundskaputt und müsste nun ins Heim ins Bett.<br />

Das KZZ entschied sich, für heute kein Treffen mehr zu verlangen. Man<br />

kam zu dem Schluss, dass Kieber eben Kieber sei, verrückt aber hoch<br />

intelligent. Man konnte davon ausgehen, dass er die Daten gut und vor<br />

allem sicher versteckt hatte, falls er sie denn hätte. Es wurde darüber<br />

gegrübelt, ob die Daten evt. in einem Postfach oder in einem Schliessfach<br />

bei einem Bahnhof oder Flughafen versteckt waren. Sicherheitshalber<br />

wurde entschlossen, eine Vollmacht zu Gunsten des Bankdirektors in<br />

Vaduz erstellen zu lassen und ihm per Fax ins Hotel Palmenhof zu<br />

senden.<br />

Anm.: Um was für welche Art von Vollmacht es sich dabei handelte, konnte ich<br />

leider nie ganz in Erfahrung bringen. Wohl eine Art gefälschte General-<br />

Vollmacht von mir für den Bankdirektor für alle Schliessfächer in Deutschland.<br />

Wäre ich nach Frankfurt, Hannover oder Köln gereist und sie hätten mich dort<br />

in Empfang genommen und irgendwie festgehalten, hätten sie versucht, mithilfe<br />

der Vollmacht, an das Schliessfach zu kommen.<br />

222


Der Bankdirektor wurde gefragt, ob er im Hintergrund vielleicht<br />

Zuggeräusche oder Flughafengeräusche gehört hatte. Er verneint dies.<br />

Der Bankdirektor bestätigte, dass es ein weiteres Telefonat zwischen<br />

20.35 Uhr und 20.50 Uhr mit Kieber gab. Darin habe ihm Kieber zuerst<br />

offeriert, morgen mit den Daten nach Köln zu kommen, dann aber<br />

korrigiert und gesagt, nein besser sei es, wenn man zu ihm nach Berlin<br />

komme. Kieber verstehe die Aufregung von Hans-Adam nicht, weil er<br />

nicht in Frankfurt sei. Kieber fordere, dass man seinen Brief vom 7.1.2003<br />

nochmals genau lesen solle. Darin stehe nichts davon, dass er am<br />

13.01.03 in Frankfurt sein würde. Es müsse alles ein Missverständnis<br />

sein. Er habe nie vorgehabt, nach Frankfurt zu kommen, sondern sich die<br />

Schutz-Identität irgendwo in Deutschland nachsenden zu lassen. Dass er<br />

irgendwelche Daten im Austausch gegen die Schutzidentität<br />

aushändigen würde, habe er nie zugesagt oder geplant. Es ginge ja auch<br />

nicht um Millionen (für ihn), es ginge um was ganz anderes. Er brauche<br />

ja die Schutz-ID nicht um unterzutauchen, im Gegenteil, er würde sogar<br />

so lange in Deutschland bleiben, bis Gerechtigkeit geschehen sei.<br />

Nach erneuter Beratung zur späten Stunde, entschloss man sich im KKZ<br />

Druck auf Kieber zu machen. Der Bankdirektor sollte ihm sagen, dass<br />

der Hans-Adam enttäuscht war, dass Kieber die Daten nicht in der<br />

Nacht holen konnte, dass Kieber nicht in Frankfurt war, dass Kieber in<br />

Berlin war u.s.w. Nach erfülltem Auftrag meldete sich der Bankdirektor<br />

wieder beim Hans-Adam. Zum persönlichen Eindruck über Kieber<br />

befragt, sagte der Bankdirektor, dass Kieber wohl weinend in Berlin<br />

stehen würde, er sicherlich Angst hätte und verzweifelt sei. Kieber sei<br />

sich auch nicht sicher, ob er dem Bankdirektor vertrauen könne.<br />

Der Professor empfahl Hans-Adam Kieber weiterhin Hilfe anzubieten.<br />

Alle waren nun der Überzeugung, dass es das Schliessfach wirklich gab.<br />

Man war sich nur nicht ganz im Klaren, was darin aufbewahrt wurde.<br />

Später erteilte Hans-Adam den Auftrag, sich mit Kieber in Berlin zu<br />

treffen. Aber nicht so, wie Kieber sich das vorstellte. Der Bankdirektor<br />

würde am Dienstagmorgen einen Flug von Frankfurt zurück nach<br />

Zürich nehmen und nach Hause kommen. Das A4 Kuvert würde bei<br />

Herrn Gilbert Kaiser im Diplomatenwagen bleiben. Dieser würde von<br />

Frankfurt nach Berlin fahren. Der persönliche Fahrer von Hans-Adam,<br />

Herr B. würde am Dienstag früh um 07.25 Uhr das Flugzeug von Zürich<br />

nach Berlin nehmen und den Wagen von Kaiser übernehmen. Kaiser<br />

müsste dann per Flugzeug von Berlin nach Zürich heim fliegen. Dem<br />

223


Kieber sollte dieses erst am nächsten Tag in der Früh mitgeteilt werden.<br />

Würde Kieber diese Variante nicht annehmen, müsste er mit dem Hans-<br />

Adam verhandeln.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (in aller Herrgottsfrüh)<br />

Schon vor sechs Uhr war ich aus dem Bett raus. Daniela war leider auch<br />

schon aufgestanden. Während eines schnellen Frühstücks hatte sie mich<br />

wieder darüber ausgefragt, was ich den in den letzten Tagen in Berlin so<br />

gemacht hätte. Und was ich heute vorhätte. Ich hatte nicht viel Zeit und<br />

sagte, dass ich leider evt. heute schon wieder heim in die Schweiz fahren<br />

müsste – „dringende Geschäfte‚. Ich hatte gleich nachgeschoben, dass<br />

sie die nicht voll genutzte, schon bezahlte Monatsmiete natürlich<br />

behalten könne.<br />

Pünktlich um 07.30 Uhr rief ich, wie zuletzt abgemacht, den<br />

Bankdirektor an. Die Nachricht, dass er von Hans-Adam zurückbeordert<br />

worden war, beunruhigte mich sehr. Ich entschuldigte mich für all die<br />

Hektik vom Vortag. Der Bankdirektor erzählte, dass sich Hans-Adam<br />

die ganze Sache mehrmals überlegt hätte und mir anbieten würde, dass<br />

sein eigener Chauffeur mit dem dunklen Audi A8 heute in Berlin um 12<br />

Uhr oder 12.15 Uhr vor der LGT am Kurfürstendamm auf mich warten<br />

würde und ich einsteigen solle, mit den Daten natürlich. Der<br />

Diplomatenwagen werde dann auf schnellstem Weg nach Vaduz fahren,<br />

wo mich Hans-Adam auf seinem Schloss empfangen werde und das<br />

weitere Vorgehen besprochen und Lösungen gefunden werden könnten.<br />

Was sollte das ganze nun wieder, dachte ich mir. Warum um Himmels<br />

Willen glaubte Vaduz, dass ich JETZT wieder nach Hause fahren würde.<br />

Irrsinnig! Und unter welchem Namen sollte ich die hunderte von<br />

Kilometer im Wagen mitreisen, fragte ich ihn. Und wer garantiere mir,<br />

dass ich in Vaduz nicht im Gefängnis landen würde? Alles sei geregelt,<br />

versuchte er mich zu beruhigen. Die Schutzidentität (die 2 Pässe) würde<br />

der Fahrer ja dann haben. Es wäre zudem ein Diplomatenwagen, eine<br />

Kontrolle unmöglich. Und es wäre keine Falle. Er instruierte mich auch,<br />

ihn ab jetzt auf seiner Handynummer anzurufen. Ich notierte sie. Ich<br />

sagte ihm, dass es wohl dass Beste wäre, wenn er wie befohlen nach<br />

Hause zurückkehrte. Offenbar wäre dies der Wunsch Hans-Adams.<br />

Um Zeit zu gewinnen, behauptete ich, dass ich mindestens zweieinhalb<br />

Stunden brauchte, bis ich alle Daten und Papiere eingesammelt hatte, da<br />

224


sie sich in drei separaten Schliessfächern befänden. Was der<br />

Bankdirektor nicht wusste war, dass ich unter enormem Zeitdruck stand,<br />

da ich noch vor 10 Uhr bei der neuen Vermieterin Petra aufkreuzten<br />

musste.<br />

Ich musste schnell nachdenken. Ich unterbrach den Bankdirektor in<br />

seiner langen Rede und sagte, dass ich in zehn Minuten wieder anrufen<br />

würde. Als ich ihn wieder in der Leitung hatte, erzählte er mir, dass er<br />

inzwischen wieder mit dem Hans-Adam telefoniert hätte und ich Hans-<br />

Adam um 10 Uhr oder 10.15 Uhr anrufen sollte. Zum Schluss flehte mich<br />

der Bankdirektor nachdrücklich an, in den fürstlichen Wagen<br />

einzusteigen. Ich könne diesbezüglich nichts versprechen, erwiderte ich.<br />

Ich würde aber dort sein, beteuerte ich. Er bat mich ihn um 09:00 Uhr<br />

wieder anzurufen. Was ich nicht tat. Weil keine Zeit dazu vorhanden<br />

war.<br />

Ich ging zur Wohnung von Petra. Sie war eine sehr hübsche Frau, so um<br />

die Mitte Zwanzig. Sie zeigte mir das Zimmer und ich tat so, als ob ich<br />

alles genau inspizieren würde, obwohl es für mich sowieso schon vor<br />

Eintritt klar war, dass ich es nehmen würde, ja nehmen musste. Sie gab<br />

mir auch schon gleich die Schlüssel, nachdem ich die Miete für 4 Wochen<br />

bezahlt hatte.<br />

Sie arbeitete als Innendekorateurin beim französischen Edelkaufhaus<br />

Lafayette in der Friedrichstrasse. Mein Zimmer war klein im Ausmass,<br />

aber mit hoher Decke. Eine nackte Matratze ohne Bettgestell lag auf dem<br />

Boden. Daneben eine Kommode und einen Stuhl. Frische Bettwäsche<br />

hatte Petra säuberlich gefaltet aufs Bett gelegt. Badezimmer und Küche<br />

würden gemeinsam benutzt werden. Sie erwähnte aber noch, dass ihr<br />

Freund, ein Elsässer (der irgendwo anders in Deutschland lebte und an<br />

einer Uni studierte) sehr eifersüchtig sein könne. Sie habe ihm nicht<br />

gesagt, dass sie evt. einen Mann als Untermieter nehmen würde. Es<br />

könnte also sein, dass ihr Freund dies gar nicht mochte. Ist schon OK,<br />

erwiderte ich ihr, erst mal einziehen und dann werden wir schon sehen.<br />

Sie solle ihn täuschen und einfach behaupten, dass ich wäre eine Frau,<br />

scherzte ich. Dann hätte ihr Freund sicherlich keine Bedenken mehr. Sie<br />

verabschiedete sich und ich war wie ein Wirbelwind zurück in die<br />

Ansbacherstrasse gedüst, die paar Stockwerke in Riesenschritten hinauf<br />

gesprungen.<br />

Daniela war zu Hause. Ich hatte etwas von „Flugzeug geht in 90<br />

Minuten‚ gemurmelt, mir meine zwei Koffer geschnappt, ihr die<br />

Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, sie auf die Wange geküsst<br />

225


und ihr Alles Gute gewünscht. Ich habe sie nie wieder gesehen. Mit dem<br />

Taxi war ich zurück in Petras leere Wohnung gefahren. Die Koffer hatte<br />

ich in das Zimmer geschleudert, die Türe zugeknallt und war mit<br />

demselben Taxi wieder zurück nach Berlin-Mitte gehetzt.<br />

Es war jetzt schon nach 09:30 Uhr. Ich musste mich auf den Anruf an<br />

Hans-Adam geistig vorbereiten. Für alle Fälle setzte ich ein Schreiben in<br />

einem Internetcafé ein Schreiben am Computer auf, in dem ich die<br />

Ereignisse der letzten 48 Stunden aufgeschrieben hatte und kundtat was<br />

ich davon hielt. Das Resultat druckte ich mir aus und steckte es in ein<br />

neues Kuvert. Ich suchte eine noch nie von mir verwendete Telefonzelle<br />

gegenüber einer Kneipe. An der Theke wartete ich und beobachtete die<br />

Telefonzelle.<br />

VADUZ 14. Januar 2003 (vormittags)<br />

Der persönliche Fahrer von Hans-Adam, Herr B. flog mit dem 07.25 Uhr<br />

Flug von Zürich nach Berlin. Der Bankdirektor und Herr Kaiser checkten<br />

aus dem Hotel in Frankfurt aus und der Bankdirektor lies sich bei der<br />

LGT Frankfurt absetzten. Seine Rückreise nach Zürich per Flugzeug und<br />

Vaduz per Limousine hatte er sich für den Nachmittag organisiert.<br />

Kaiser fuhr mit dem Audi nach Berlin. Der Bankdirektor meldete sich<br />

um 7.50 Uhr beim KKZ und berichtete, dass Kieber ihn um 07.30 Uhr<br />

angerufen hatte.<br />

Er sei enttäuscht, dass der Bankdirektor nun nach Hause beordert<br />

worden sei. Kieber habe bewiesen, dass ihm der Schutz der Daten<br />

wichtig sei und daher auch die Schutz-Identität dringend notwendig sei.<br />

Es täte im Leid, dass er nicht in Frankfurt sei, er sei halt in Berlin, weil<br />

sich dort alle Ministerien und auch die US-Botschaft befinden. Er hätte<br />

dies ja alles im Brief geschrieben. Eine Reise mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln von Berlin nach Frankfurt sei Kieber einfach zu riskant,<br />

ganz abgesehen davon, dass er denke, dass ihn in Frankfurt eine Falle<br />

erwarte. Man muss Kieber zugute halten, dass er Loyalität wahre, mit<br />

Diskretion agiere und die Daten schützen kann und dies auch tut. Im<br />

KKZ wurde beraten, wie weiter vorzugehen sei. Es müsste auf Teufel<br />

komm raus versucht werden, Kieber nach Vaduz zu bringen. Die Daten<br />

sollten dann vom Bankdirektor, der dann schon wieder nach Vaduz<br />

zurückgekehrt sein würde, geprüft werden.<br />

226


Der Bankdirektor wurde unterwiesen, beim nächsten Anruf von Kieber<br />

ganz klar zu machen, dass es das letzte Angebot von Hans-Adam sei,<br />

seinen Chauffeur samt eigenem Wagen nach Berlin zu schicken. Hans-<br />

Adam müsse gegenüber Kieber auf ein „hohes Podest‚ gehoben werden.<br />

Es müsse eindringlich stärker an die Loyalität, Sicherheit und Diskretion<br />

von Kieber appelliert werden. Der Bankdirektor verdeutlichte, dass er in<br />

diesem Sinne schon mit Kieber gesprochen habe. Er würde es ihm aber<br />

nochmals mitteilen. Nach reiflicher Überlegung entschloss man sich,<br />

dass es das Beste wäre, wenn Kieber mit Hans-Adam direkt reden<br />

könnte.<br />

Von Experten liess sich Hans-Adam nur ungern instruieren. Er war<br />

schon immer sehr „Beratungs-Resistent‚. Man teilte ihm mit, dass es<br />

taktisch gelungen sei, Kieber klar zu machen, dass dies die letzte<br />

Möglichkeit sei. Hans-Adam wurde empfohlen, sich auf keinen Fall auf<br />

längere Diskussionen mit Kieber einzulassen. Er sollte klar zum<br />

Ausdruck bringen, dass dieser am sichersten im Diplomatenwagen sei<br />

und der Chauffeur ihn wohlbehalten nach Vaduz bringen würde.<br />

Einwände von Kieber sollten übergangen werden. Kieber müsste den<br />

Eindruck erhalten, dass es sich um einen „wichtigen Auftrag‚ von Hans-<br />

Adam handele. Aus psychologischen Beweggründen könnte Hans-<br />

Adam auch erwägen, Kieber zu sagen, dass er es nicht nötig habe mit<br />

ihm zu diskutieren. Es wurde ihm auch empfohlen, das Telefon nicht<br />

gleich abzunehmen und Kieber ein zweites Mal anrufen zu lassen,<br />

sodass „psychologisch‚ Zeit gewonnen werden könne. Inzwischen hatte<br />

sich der Bankdirektor wieder bei Hans-Adam gemeldet und berichtet,<br />

dass Kieber ihn nicht mehr angerufen hatte. Der Bankdirektor versuchte<br />

Hans-Adam zu beruhigen, indem er berichtete, dass er ganz sicher wäre,<br />

dass Kieber die Daten sicherlich aus den Schliessfächern in Berlin<br />

rausholen und auch Hans-Adam anrufen würde.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (vormittags)<br />

Ich schlürfte sicher mindestens fünf Kaffeetassen leer und hielt die<br />

Telefonzelle immer unter Beobachtung. Ich war nervös und auf einmal<br />

dachte ich, was ist, wenn das Telefon nicht funktioniert. Besser war es,<br />

das Telefon zu testen. Gesagt, getan. Das Telefon war OK, die Karten<br />

227


auch. Gerade als 10 Uhr immer näher rückte, tauchte ein Passant auf und<br />

nahm Kurs auf die Kabine. Scheisse, dachte ich, wer weiss wie lange der<br />

Telefonieren will. Ich rannte auf ihn zu, schrie, fluchte und schob ihn<br />

einfach weg, wie ein Bauer das Schwein. Verärgert ging dieser seiner<br />

Wege. Ich beruhigte mich wieder und kehrte zurück zu meiner nächsten<br />

Kaffeetasse.<br />

Die Uhr über der Theke zeigte 09.58 Uhr: Zeit zu gehen. Ohne Hektik<br />

ging ich auf die Telefonzelle zu. Mit zitternden Fingern wählte ich die<br />

Liechtensteiner Handynummer. Es klingelte. Niemand nahm ab. Was<br />

nun wieder, schimpfte ich. Hatte ich die richtige Nummer? Ich wartete<br />

und versuchte den Herzschlag runter zu bringen. Ich wählte ein zweites<br />

Mal. Diesmal klappte es. Ich erkannte seine Stimme sofort. Wiederum<br />

kann ich meinen Lesern hier ein Originaldokument vorlegen. Das KKZ<br />

hat dieses Gespräch aufzeichnen lassen und eine Abschrift angefertigt.<br />

Protokoll des Gespräches zwischen S.D. Fürst Hans-Adam von<br />

und zu Liechtenstein (LF) mit Heinrich KIEBER (K) am Dienstag<br />

den 14. Januar 2003, 10:22:29 bis 10:33:22 Uhr:<br />

Begrüssung.<br />

KIEBER entschuldigt sich, dass alles schief gelaufen ist. Es tue<br />

ihm sehr leid. Es tue ihm leid. Er habe nicht erwartet, dass<br />

jemand nach Frankfurt komme. Es tue ihm leid. Er habe nicht<br />

verstanden, dass (keine Fortsetzung dieses Satzes)<br />

Es wurde dann immer länger und (kein Fortsetzung dieses<br />

Satzes)<br />

K: Ich habe nicht verstanden, dass Dr. S. nicht informiert wurde.<br />

LF: Das war mir zu heikel. Ich wollte nicht.<br />

K: Ja, das verstehe ich schon. Der Nachteil war halt, dass er bös<br />

war, weil ich nicht da war und ich verstehe das schon. Es tut mir<br />

wirklich leid. Ich habe ja geschrieben, dass ich ihn entweder<br />

anrufe oder selber hole. Aber Sie müssen mich verstehen. Ich<br />

habe natürlich Angst gehabt, dass da .... Darum bin ich nicht<br />

selber hingegangen und habe angerufen. Leider verspätet, und<br />

dann war Dr. S. da. Ich habe das nicht verstanden. Später hiess es<br />

dann, ich solle einen Beweis bringen und so<br />

Ich dachte mir, das kann doch nicht im Interesse von unseren<br />

Landesfürsten sein, dass ich mitten in der Nacht einen Safe<br />

228


öffnen soll. Ich hab‘ das nicht begriffen, Ich habe auch nicht<br />

begriffen, Durchlaucht, dass, äh, äh .... (keine Fortsetzung des<br />

Satzes).<br />

Ich solle den Dr. S. aufklären, ich, ich, kann doch nicht ‚ äh über<br />

das Telefon, das kann ich mir nicht vorstellen. Und das wurde<br />

dann fallengelassen. Das ist ein Drama, das ist ein Drama.<br />

LF: Also wir haben jetzt, wie Sie wissen umgestellt.<br />

K: Ja, ich weiss, Ja, ich weiss.<br />

LF: Sie müssen sich ganz genau an die Instruktionen halten. Das<br />

ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen, dass das eine sehr heikle<br />

Sache ist.<br />

K: Ich weiss, ja, ja, ich weiss.<br />

LF: Man weiss nie, wer da alles mithört. Gut, der Fahrer steht<br />

bereit.<br />

K: Ja, ich werde auf jeden Fall dort sein, Ich weiss aber nicht, ob<br />

ich einsteigen kann. Sie wissen ja, Warum soll man mich<br />

verschonen? Wenn Sie sich jetzt, nur rein hypothetisch in meine<br />

Lage versetzen. Was ich alles gemacht habe. Warum soll ich<br />

zurückkommen? Das verstehe ich nicht.<br />

LF: Das ist die einzige Möglichkeit, dass wir das lösen. Das sage<br />

ich ihnen.<br />

K: Ja, ja. Er hat es ja aber bei sich gehabt. Ich verstehe nun nicht,<br />

weshalb es wegen der 500 km gescheitert hat. Ich habe Ihnen<br />

doch geschrieben, ich .... kann doch nicht mit meiner Person<br />

meiner ID in der Nacht durch Deutschland fahren. Darum habe<br />

ich nicht begriffen, darum habe ich (keine Fortsetzung des Satzes)<br />

LF: Darum habe ich auch das Auto geschickt, mein Auto mit<br />

meinem Fahrer. Damit wir dieses Problem gelöst haben. Das<br />

kann ich Ihnen jetzt nicht genauer erklären. Es gibt keine andere<br />

Möglichkeit. Ich kann es Ihnen im Einzelnen nicht erklären. Ich<br />

habe mir Ihre Unterlagen durchgelesen. Das ist ja wirklich ein<br />

grosser Aktenstoss, den Sie mir da geschickt haben.<br />

K: Ja, ja, das tut mir leid.<br />

LF: Ich habe das genau studiert. Es gibt keine andere Möglichkeit.<br />

Sie können Ihr Ziel nur erreichen, wenn Sie sich in das Auto<br />

setzen und hier her kommen. Der Chauffeur ist auch nicht<br />

instruiert. Er hat die Instruktion, Sie sicher hierher nach<br />

Liechtenstein zu bringen. Das sollte problemlos passieren.<br />

K: Ja, sicher. Über die österreichische Grenze. Kein Problem.<br />

229


LF: Ja, kein Problem.<br />

K: Ja, kein Problem. Ich bin auch über die österreichische Grenze<br />

hierher gefahren.<br />

LF: Sie können nur so ihr Ziel erreichen. Sie kommen zu mir her.<br />

Er fährt Sie zu mir aufs Schloss und dann besprechen wir im<br />

Einzelnen die nächsten Schritte.<br />

K: Ja, ja. Was wird mich erwarten. Warum, warum,... warum<br />

sollten Sie mit mir Gnade walten lassen. Warum... Sie haben ja<br />

keinen Grund Sie wissen ja ganz genau, warum sollten Sie<br />

warum Sie wissen ja warum sollten Sie?<br />

LF: Schauen Sie. Ich möchte und Sie möchten es auch, dass Ihnen<br />

in Ihrer Sache Gerechtigkeit widerfährt. Sie haben da vieles<br />

mitgemacht und jetzt müssen wir schauen, dass alles gerecht<br />

abläuft. Ich habe mich im Rahmen des Möglichen und der<br />

Beschränkungen hier erkundigt und was für Möglichkeiten es<br />

hier gibt. In Ihrem eigenen Interesse, im Interesse des Landes,<br />

natürlich auch in meinem eigenen Interesse. Wir haben jetzt im<br />

Rahmen des Möglichen, auch im Rahmen der von Ihnen<br />

gestreckten Grenzen... haben wir versucht, uns daran zu halten,<br />

um auch Sie nicht zu exponieren und um mich nicht zu<br />

exponieren.<br />

K: Haben Sie das E-Mail gelesen? Das wo ich Ihnen geschickt<br />

habe. Ich habe ja unverbindlich geschrieben. Ich wusste nicht, ich<br />

wusste nicht, er war ein Vertrauensmann, er war informiert - er<br />

war nicht informiert. Es war verwirrend.<br />

LF: Das E-Mail konnte ich noch nicht (Satz nicht beendet) Es ist<br />

nicht mein Büro. Ich konnte noch nicht — Sie kennen die<br />

Probleme.<br />

K: Ja, ja. Ich kenne die Probleme.<br />

LF: Schauen Sie, es gibt wirklich nur eine Möglichkeit. Setzen Sie<br />

sich dort ins Auto und kommen Sie zu mir. Das ist wirklich der<br />

einzig sichere Ort, wo Sie sich sicher fühlen können.<br />

K: Ja, ja ich weiss. Hier ist nur eine relative Sicherheit. Darum<br />

habe ich mich ja in die Höhle des Löwen begeben. Ich weiss nicht,<br />

ob ich es schaffe, dort ins Auto zu steigen. Ich werde sicherlich<br />

dort sein, wenn er kommt. Was ist es für ein Auto?<br />

LF: Ja, wissen Sie, es ist der schwarze Audi. (Kurzes Gespräch<br />

über die Farbe). Wissen Sie, es ist das Auto, welches ich immer<br />

nehme für eine offizielle Sache. Sonst habe ich immer den roten<br />

230


Pkw, den kleinen. Jetzt haben wir diesen Audi gekauft und nicht<br />

mit FL 1 sondern mit der Nummer FL 6333. Bequem und hat alles<br />

was Sie haben wollen.<br />

K: Was wird mich erwarten? Was wird mich erwarten? Das ist<br />

die Frage.<br />

LF: Ein Gespräch mit mir. Dann werden wir die Einzelheiten<br />

auch von der juristischen Seite ganz genau Punkt für Punkt<br />

durchgehen, wie man das macht.<br />

K: Ja, man hat 6 Jahre gemacht. Man hat 6 Jahre lang nichts<br />

gemacht. Wenn es um kompetente Leute... wenn‘s ums Geld geht<br />

ist man schnell und wenn‘s ums Blut geht, dann hilft man<br />

keinem. Drum kommst so weit.<br />

LF: Ich gebe ihnen Recht, das ist ein Problem. Es gibt auch andere<br />

Fälle, wo man einfach geschaut hat, wo die Sachen hier liegen.<br />

Wir haben nicht genügend Leute hier.<br />

K: Ja, zumindest nicht genügend fähige. Ja, ich hab geschrieben<br />

und geschrieben und Arbeit gehabt. Ich hab ein Modell gebaut<br />

und ausser Paul MEIER und mein Anwalt.... es hat keinen Sinn,<br />

was soll ich Sie belästigen


LF: Es ist ja kein Haftbefehl gegen Sie da.<br />

K: Ich habe ja immerhin gegen Sie, habe ja immerhin gegen Sie<br />

Sie wissen ja, was ich gemacht habe.<br />

LF: Das ist dann ein Problem, das können wir dann auch im<br />

Einzelnen besprechen. Sie müssen ja erkennen, dass das für Sie<br />

selber der beste Weg ist. Ich möchte jetzt nicht auf Einzelheiten<br />

eingehen. Sie wissen, was für Probleme Sie jetzt haben.<br />

K: Ja, ich bin in Zugzwang. Ich habe die ganze Nacht nicht<br />

geschlafen. Aber da können Sie nichts dafür, Ich bin in<br />

Zugzwang. Ich bin nicht sicher hier will ja keine 30 Millionen. Ich<br />

will ja keinen Euro. Ich will nur Gerechtigkeit.<br />

LF: Richtig. Sie sollen Sie ja auch bekommen. Setzen Sie sich ins<br />

Auto, entspannen Sie sich und ... (Unterbrechung des<br />

Gespräches, da die Wertkarte des KIEBER aufgebraucht ist)<br />

Fortsetzung des Gespräches:<br />

K: Entschuldigen Sie, die Karte ist so schnell fertig. Sehen Sie die<br />

Nummer auf dem Display, 886 Nein, nein? Ich werde auf jeden<br />

Fall dort sein, wenn der Wagen dort ist. Ich entschuldige mich für<br />

die Umstände.<br />

LF: Ich sage Ihnen, das ist die einzige Möglichkeit die Sie haben.<br />

Vertrauen Sie mir, kommen Sie her. Hier können wir die<br />

Probleme lösen. Dann haben Sie ja immer noch die Möglichkeit<br />

sich zu entscheiden. Kommen Sie her, dann können wir das<br />

durch besprechen. Dann kann ich Ihnen auch das Drumherum<br />

erklären. Dann können wir wirklich das in Ruhe überlegen. Dann<br />

haben wir Zeit. Sie haben ja sonst keinen Ausweg. Sonst können<br />

Sie ja nichts erreichen. Ich kann jetzt nicht mehr. Steigen Sie jetzt<br />

ein-. Ich gebe Ihnen den Befehl, Instruktion<br />

K: Ich danke Ihnen 1OOO-maI.<br />

Anmerkung:<br />

KIEBER war während des gesamten Telefongesprächs sehr<br />

nervös, hektisch und emotional bzw. psychisch sehr angespannt.<br />

Auf Grund dieses Zustandes sprach er undeutlich und vollendete<br />

oftmals nicht seine angefangenen Sätze. Er wiederholte sich<br />

fortwährend und fand nur schwer zu einem Gesprächskonzept.<br />

Anm.: Die obige Anmerkung stammt von der KKZ, die das abgehörte Gespräch<br />

niedergeschrieben hat.<br />

232


Also GUT! Das zweite Telefonat mit Hans-Adam war überstanden. Ich<br />

stand sicher noch 20 Minuten in der Telefonzelle und wusste weder ein<br />

noch aus. Wie konnten die in Vaduz nur glauben, dass ich, nachdem was<br />

ich alles in den letzten fünf Jahren durchgemacht und erlebt hatte,<br />

wieder nach Hause zurückkehren würde? Vor allem, nachdem ich einen<br />

solchen Brief an Hans-Adam geschickt hatte. Offenbar hatten sie den<br />

vollen Ernst der Lage nicht begriffen. Oder doch? Oder nicht? Ich werde<br />

nicht, ich KANN nicht, ich darf nicht, NEIN, NEIN, NEIN. Wenn ich<br />

jetzt nach Hause gehen würde, dann hätte sich nichts geändert. Und<br />

niemand gab mir eine Garantie, dass mir nichts angetan werden würde.<br />

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass alles was sie mir gesagt hatten,<br />

nicht wahr sein könnte und sie nur mit mir „freundlich‚ reden mussten,<br />

damit sie mich nach Hause locken konnten.<br />

Offenbar hatte Hans-Adam erkannt, dass es keine Sinn hatte, mir mit<br />

Drohungen zu kommen. Obwohl, der Ausdruck von Hans-Adam am<br />

Telefon „Ich befehle Ihnen, in den Wagen zu steigen‚ hatte schon ein<br />

seltsames Gefühl in mir hinterlassen. So hatte ich Hans-Adam noch nie<br />

reden hören. Er „befiehlt‚ mir nach Hause zu kommen? So oder so, ich<br />

kam zu dem Schluss, dass Hans-Adam und der Bankdirektor mich nicht<br />

verstanden hatten oder verstehen wollten.<br />

Hans-Adam hatte ja am Telefon bestätigt, dass ich in der Sache<br />

(Argentinien) Gerechtigkeit bekommen würde. Gerechtigkeit im Fall<br />

Argentinien. Ich war erleichtert. Er hatte sich also der Sache<br />

angenommen und erkannt, dass da vieles falsch gelaufen war in<br />

Liechtenstein.<br />

Anm.: Man darf nicht vergessen, dass ich nichts über ein KKZ und deren<br />

Aktivitäten wusste. Ich dachte, dass zu diesem Zeitpunkt nur Hans-Adam in<br />

vollem Umfang und der Bankdirektor im limitierten Umfang im Bilde waren.<br />

Mit schnellen Schritten machte ich mich auf und davon. Für die nächsten<br />

30 Minuten lief ich ziellos in Berlin-Mitte herum und versuchte mir einen<br />

Reim auf das Gespräch mit Hans-Adam zu machen. Ich war wie<br />

gespalten: Einerseits dachte ich, gut, steige ich in den Wagen, dann<br />

wieder: Nein – niemals. Nur ein Dummkopf würde jetzt zurück nach<br />

Hause fahren. Solange ich nicht heimkehren würde, solange würden sie<br />

mit mir reden müssen. Sie hatten keine andere Wahl. Oder? Mal sehen.<br />

233


VADUZ 14. Januar 2003 (nach dem Telefongespräch mit Hans-Adam)<br />

Hans-Adam war sich nach dem Telefongespräch mit Kieber sicher, dass<br />

in wenigen Stunden der ganze Spuk vorbei sein würde. Kieber würde in<br />

den Wagen steigen und mit den Daten nach Hause kommen. Die<br />

Experten im KKZ zeichneten nun ein Bild von Kieber, worin sie zum<br />

Schluss kamen, dass er leicht zu knacken sei. Er wäre emotional am<br />

Ende. Nicht nur wegen dem Erlittenem in Argentinien, nein –<br />

insbesondere darum, weil er Gutes von Bösem unterscheiden konnte<br />

und schon jetzt starke Symptome von Reue, über das was er dem Hans-<br />

Adam angetan hatte, zeigte.<br />

Es wurde im KKZ beschlossen, dem Hans-Adam zu empfehlen, keinen<br />

Anruf mehr auf dem Handy entgegenzunehmen und für Kieber nicht<br />

mehr erreichbar zu sein. Aber Hans-Adam war damit nicht<br />

einverstanden. Warum sollte er die „gut funktionierende‚<br />

Kontaktmöglichkeit zwischen ihm und Kieber unterbinden? Dann kam<br />

ihm in den Sinn, dass er ja ein fest eingebautes, abhörsicheres Telefon im<br />

Staatswagen hatte. Wenn Kieber im Wagen sei, solle man ihm die<br />

Chance geben, mit diesem Telefon nochmals Hans-Adam anzurufen.<br />

Diesbezüglich gab es dann vor allem aber Bedenken von Seiten der<br />

Regierung. Es wäre besser keinen „offiziellen‚ Kontakt mehr zwischen<br />

dem Dienstwagen auf deutschem Gebiet und Vaduz herzustellen,<br />

nachdem Kieber in den Wagen eingestiegen sei, und der Fahrer Richtung<br />

Vaduz abgefahren sei. Nur wenn Kieber die Rückreise nicht antreten<br />

würde, sollte der Fahrer sich telefonisch in Vaduz melden.<br />

Der Audi A8 kam in Berlin an. Kaiser parkte den Wagen vor dem<br />

Ankunftsterminal am Flughafen. Hr. B. war schon mit einer Maschine<br />

aus Zürich gelandet und wartete auf ihn. Die beiden tauschten kurz ein<br />

paar Worte aus und Kaiser übergab ihm das dicke Kuvert und die<br />

Wagenschlüssel. Kaiser buchte sich einen Flug nach Zürich. Hr. B. fuhr<br />

mit dem Wagen in die Stadt und rief über das Autotelefon auf dem<br />

Schloss an. Er wurde nochmals instruiert, sich gegenüber Kieber nur auf<br />

den Auftrag des Hans-Adam zu beziehen und ansonsten sich auf keine<br />

Gespräche mit ihm einzulassen. Er sollte insbesondere auf den Inhalt des<br />

Kuverts achten und müsste verhindern - wie besprochen - dass Kieber<br />

direkten Zugriff darauf hatte. Er sollte sich uninteressiert zeigen und<br />

sehr diskret verhalten. Er soll pünktlich laut Auftrag abfahren. Herr B.<br />

erreichte das Zentrum Berlins und parkte den Wagen genau vor der LGT<br />

234


Niederlassung am Kurfürstendamm. Er ging den ihm aufgetragenen<br />

Plan nochmals im Kopf durch und wartete darauf, was jetzt geschehen<br />

soll.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (11:30 – 13:00 Uhr)<br />

Ich fuhr in meine neue Unterkunft, wo ich die externe Harddisk mit all<br />

den Daten der ganzen Treuhand aus dem Koffer holte und in meiner<br />

Manteltasche verstaute. Ich setzte meine eigenen Schutzmassnahmen in<br />

Gang. Also die im dicken Brief vom 7.1. an Hans-Adam geschilderte<br />

Massnahme unter Punkt IX. Es ist immer besser, früher als abgemacht<br />

aufzukreuzen. Ich schlich mich an jenen Strassenabschnitt des<br />

Kurfürstendamm heran, wo die LGT das Büro hatte. Schon von Weitem<br />

konnte ich den Audi A8 mit Liechtensteiner Kennzeichen erkennen. Es<br />

sass jemand im Wagen. Aha, es ist Herr B. Ich kannte ihn persönlich, da<br />

er oft nach der Arbeit im Schloss runter ins Vaduzer Städtle kam und ein<br />

Feierabenddrink im Geschäft meines Onkels Guntram (der Hermann<br />

meiner Tante) zu sich nahm. Herr B. ist ein feiner (Jung-)Geselle, der mit<br />

seiner lieben Mutter im Vorarlberg lebt.<br />

Anm.: Die meisten Angestellten auf dem Schloss sind Ausländer. Viele aus<br />

Österreich, einige aus der Schweiz und sogar aus Brasilien. Aus zwei Gründen:<br />

Hans-Adam ist sehr, na sagen wir es mal so: „kostenbewusst“. Ausländisches<br />

Personal kommt ihn nur halb so teuer wie Einheimisches. Dies ist aber nicht der<br />

Hauptgrund. Im Gegensatz zu seinen Eltern, ist dem Hans-Adam in Bezug auf<br />

Diskretion das einheimisches Personal immer etwas suspekt geblieben. Er ist<br />

noch misstrauischer als ich. Auch die Aussen- und Innenrenovation des<br />

Schlosses hat er zu 90 Prozent an ausländische Firmen gegeben. Das ist dem<br />

einheimischen Baugewerbe sehr sauer aufgestossen – obwohl sich öffentlich<br />

niemand traut, es zu beklagen.<br />

Aber halt, einen Moment mal, sagte ich zu mir. Wenn Hr. B. im Wagen<br />

sitzt, wo ist dann der Herr Kaiser? Ich wusste von den vielen Telefonaten<br />

mit dem Bankdirektor, dass Kaiser mit ihm in Frankfurt war. Es wurde<br />

mir nicht gesagt, dass Kaiser nicht der Fahrer sein würde. Vielleicht<br />

versteckte sich Kaiser im Wagen oder in den Büros der LGT.<br />

Ich schritt mehrmals im grossen Rechteck um den Audi herum, um<br />

heraus zu finden, ob es eine Falle sein könnte. Irgendwelche Berliner<br />

235


Polizei? Oder gar Privatschnüffler? Andere Autos mit ausländischem<br />

Kennzeichen? Ich vermutete, dass ein mobiles Überwachungsteam sich<br />

so positionieren würde, dass es freie Sicht auf den Audi hätte. Alle<br />

parkierten Wagen, die diese Bedingung erfüllten, waren aber<br />

menschenleer. Dann blieben nur die Wohnungen und Büros auf beiden<br />

Seiten des Kurfürstendamm. Da hatte ich keine Chance herauszufinden,<br />

ob man mich beobachtete. Ich lief auf der gegenüberliegenden<br />

Strassenseite zwischen den Schaukästen und Bäumen in Richtung LGT.<br />

Blieb stehen und sah, dass Hr. B. am Telefon war. Er beendete das<br />

Gespräch. Ich wartete weiter ab. Er bewegte den Kopf nicht und starrte<br />

nur nach vorne. Mein Puls stieg und trotz der Kälte begann ich zu<br />

schwitzen. Ich sagte zu mir, OK – ich riskiere es. Wenn sie zuschlagen,<br />

dann jetzt. In meiner linken Manteltasche hielt ich die externe Harddisk<br />

mit meiner Hand fest umklammert. Ich setzte zum Sprint an und blieb<br />

hinter dem Audi abrupt stehen, schaute rechts und links, dann nach<br />

oben, zur Türe und den Fenstern des Treppenhauses des Gebäudes wo<br />

die LGT drin war, keine Seele war zu sehen. Nichts bewegte sich, kein<br />

Mensch weit und breit. Selbst auf dem Gehsteig niemand. Der Motor<br />

des Audi war im Leerlauf. Ich ging zur Beifahrertür und klopfte an die<br />

Scheibe. Ohne auf die Einladung von Hr. B. zu warten, riss ich die Türe<br />

auf und sprang auf den Sitz. Ich knallte die Türe sogleich zu und bat ihn<br />

sofort die Zentralverriegelung zu betätigen, damit alle Türen<br />

abgeschlossen sind. Er war etwas erstaunt und drückte aber ohne<br />

Diskussion die entsprechende Taste. Er erkannte mich sofort. Ich<br />

bedankte mich, dass er gekommen war. Aber wo ist Kaiser, fragte ich. Er<br />

sagte, dieser sei mit dem Flugzeug nach Zürich zurückgeflogen. Und wo<br />

ist der Bankdirektor? Von einem Bankdirektor wüsste er nichts. Wie ein<br />

Marktschreier röhrte ich mehrfach schnell nacheinander, dass ich meine<br />

Schutzvorkehrungen aktiviert hatte und daher keine Überraschungen<br />

haben möchte. Totenstille im Wagen. Herr B. war sehr erschrocken und<br />

mehr als etwas verlegen. Ich fragte ihn, ob er genau wisse, warum ich<br />

hier sei. Er erwiderte überzeugend er habe „Keine Ahnung‚. Hans-<br />

Adam habe ihn gestern spät am Abend beauftragt, heute früh mit dem<br />

Flugzeug nach Berlin zu fliegen und einen Kunden der LGT per Auto<br />

wieder nach Vaduz zu fahren. So, so einen Kunden murmelte ich,<br />

während ich die Aussenwelt beäugte. Aha, ein LGT Kunde, wiederholte<br />

ich. Dafür hätte die LGT ihre eigene Wagenflotte und Fahrer, bemerkte<br />

ich. Blödes Gespräch, fuhr es mir gleich durch den Kopf. Er was aber<br />

eher nicht erstaunt, dass er keinen Kunden vor sich hatte.<br />

236


Ich erkannte sofort, dass Hr. B. keine Gefahr für mich darstellte. Er sagte<br />

dann zu mir, dass er den Auftrag habe, mir etwas zu zeigen. Ich aber<br />

dafür aus dem Wagen steigen müsste und bitte vorne rum um den<br />

Wagen vor die Fahrertüre kommen soll. Dies erschien mir dann etwas<br />

suspekt. Er drückte wieder die Zentralverrieglungstaste und ich stieg<br />

aus und nahm den Weg hinten, um das Heck des Wagens herum, da mir<br />

fix der Gedanke kam, er könnte mich auf Befehl seines Herrn mit Vollgas<br />

vor dem Wagen überfahren und es dann als „Unfall‚ verkaufen. Der<br />

starke V8 Motor lief ja ständig.<br />

Der Gedanke an solche Pläne von Hans-Adam mag nur auf den ersten<br />

Blick weltfremd sein. Aber hier ging es um ein Milliardengeschäft, da<br />

kann auch ein Hans-Adam ganz neue Wege gehen (wie sich fünf Jahre<br />

später zeigen sollte). Ich stieg aus und hörte ein „Klack‚ und alle Türen<br />

waren verschlossen. Dann hörte ich das Geräusch eines automatischen<br />

Fensters. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, da ich selber vor wenigen<br />

Minuten verlangt hatte, dass die Türen geschlossen wurden. Trotzdem,<br />

Hallo! Ich war ja nicht mehr im Wagen. Spinnt er jetzt? Scheisse, dachte<br />

ich mir, es war eine Falle. Er hatte sich eingeschlossen, sodass ich ihn aus<br />

Zorn keine runterknallen könnte, wenn Hans-Adams Schläger<br />

zuschlagen. Nein, kein Ansturm weit und breit. Kommen die Bullen<br />

etwa? Ruhe, nichts.<br />

Herr B. hielt etwas in der Hand und presste es an die Scheibe. Sofort<br />

konnte ich erkennen, dass es ein Liechtensteiner Reisepass war. Mit<br />

einem Foto von mir. Der Pass lautete auf den Namen Ulrich Meier,<br />

geboren am 18.06.1963. Ich konnte noch die letzten drei Zahlen der<br />

Passnummer erkennen: 212. Herr B. lies das Fenster noch ein Stück<br />

runter und sagte, dass er von Hans-Adam beauftragt worden sei, mir<br />

diesen Pass „auszuleihen‚. Allerdings nur, wenn ich mit ihm im Wagen<br />

zurück nach Hause fahre. Mit dem Pass sei ich Herr Ulrich Meier aus<br />

Liechtenstein und sollte keine Angst haben, falls wir auf der langen<br />

Strecke von Berlin bis an die Grenze Österreich / Liechtenstein<br />

aufgehalten, bzw. kontrolliert würden. Die ca. 750 Kilometer würden wir<br />

leicht in sechseinhalb Stunden abspulen.<br />

Da war er! Der Pass, die Schutz-ID. Ich wusste, sie würden es tun. Ich<br />

wusste es, sie würden den Pass wegen den Daten ausstellen. Sie hatten<br />

damit Zeit und Sicherheit erzielt, Zeit um die wahren Probleme zu lösen.<br />

Herr B. sagte aber gleich, dass ich den Pass nicht in die Hand nehmen<br />

dürfte. Er würde den Pass während der Fahrt in einem abschliessbaren<br />

Koffer verwahren. Dort hinein müsste er auch alle Unterlagen und<br />

237


Datenträger, die ich von der LGT mitgenommen habe, legen. Ohne<br />

Unterlagen keinen Pass, so die Order von Hans-Adam. Ohne Pass keine<br />

Heimreise.<br />

Ich schüttelte nur den Kopf.<br />

Aha, Herr B. wusste also mehr als er zugeben wollte. Herr B. fragte mich<br />

dann besorgt, ob ich denn die Daten nicht mitgebracht hätte? Ich deutete<br />

ihm an, dass ich wieder in den Wagen steigen möchte. Er nickte mit dem<br />

Kopf und machte ein Handzeichen, ich solle vorne um den Wagen zur<br />

Beifahrerseite kommen. Der Motor war noch an. Ich lief natürlich hinten<br />

rum. Im Wagen sagte ich zu ihm, dass die Daten sicher seien, ich einen<br />

Brief für Hans-Adam geschrieben habe und leider NICHT mitkommen<br />

könne.<br />

Herr B. war konsterniert und meinte nur, ob ich sicher nicht mitkommen<br />

wollte. Ich drückte ihm den Brief in die Hand und bat ihn diesen Hans-<br />

Adam persönlich zu übergeben, sobald er in Vaduz angekommen sei.<br />

Ich rannte wie vom Teufel verfolgt davon, in die erste Seitenstrasse die<br />

ich finden konnte. Dann immer gerade aus. Immer nur gerade aus. Erst<br />

nach zwei, drei Kilometern musste ich atemlos anhalten. Wo gab es eine<br />

Telefonzelle? Dort war eine!<br />

Ich rief den Bankdirektor auf seinem Handy an. Es klingelte, also war er<br />

entweder schon gelandet oder noch gar nicht abgeflogen, dachte ich mir.<br />

Ich schilderte ihm kurz was geschah und schimpfte mit ihm, dass er<br />

nicht in Berlin war und vor allem darüber, dass mir die Schutz-ID nicht<br />

ausgehändigt wurde, sondern nur für eine Heimreise unter ihrer<br />

Beaufsichtigung ausgestellt wurde. Ich liess ihn fast gar nicht zu Wort<br />

kommen.<br />

Ich schrie ihn an, dass alles gemäss den Anordnungen von Hans-Adam<br />

geschehen sei. Er erwiderte, es gebe keine weitere Gelegenheit und ich<br />

würde den guten Willen von Hans-Adam sehr strapazieren. Worauf ich<br />

noch wütender wurde und schrie: Welch guter Wille? Mir gegenüber?<br />

Scheiss guter Wille! Alles was ihr macht ist nur deswegen, damit<br />

Deutschland, die USA und all die anderen Länder Eure schmutzigen<br />

Geschäfte nicht erfahren.‚ Du kennst die Leichen im Keller, tobte ich am<br />

Hörer. Nachdem ich mich wieder besonnen hatte, entschuldigte ich mich<br />

sogleich für den Ausraster und sagte, dass ich an einer Lösung arbeiten<br />

würde und ich mich bei Hans-Adam und allen bedankte. Ich<br />

verabschiedete mich mit dem Versprechen, ihn bald wieder anzurufen.<br />

Ich müsste zuerst wieder nachdenken.<br />

238


VADUZ 14. Januar 2003 (11:30 – 14:00 Uhr)<br />

Alle Mitglieder der KKZ trafen sich im Regierungsgebäude und waren<br />

nervös. Man erhoffte sich endlich ein Ende des Dramas. Niemand ausser<br />

Hans-Adam mochte laut aussprechen, was mit Kieber geschehen sollte,<br />

sobald dieser heimischen, Liechtensteiner Boden unter seien Füssen<br />

hätte. Vertreter der LGT verlangten aber das Kieber sofort nach<br />

Grenzübertritt von einem Polizeikommando überwältigt werden sollte,<br />

ihm alles abgenommen werden und er in das Gefängnis nach Vaduz<br />

überstellt werden sollte.<br />

Der Professor meinte aber, dass dafür später noch Zeit sei. Man sollte<br />

Kieber seinen Mut und die Entscheidung nach Hause zurückzukehren,<br />

hoch anrechnen. Zudem warnte der Professor, dass Kieber sehr, sehr<br />

misstrauisch sei und bewiesen habe, dass er zu hoch komplizierten<br />

Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf die Daten fähig war. Sollte er die<br />

Daten den haben !<br />

Eines sei ganz sicher, führte der Professor weiter aus. Wenn Kieber sich<br />

dazu entscheiden sollte, in den Wagen einzusteigen, um sich nach Hause<br />

chauffieren zu lassen, dann würde er auch jede nur erdenkliche<br />

Möglichkeit, die wir auf unsere Seite im Kampf gegen ihn besitzen,<br />

antizipiert und ergründet haben. Auch die Möglichkeit, dass wir ihn ins<br />

Gefängnis werfen könnten.<br />

Falls im Falle einer Falle Kieber keine sofortigen Reaktionen/Aktionen<br />

geplant haben sollte, hiesse dies noch lange nicht, dass er nicht später<br />

noch Aktionen umsetzten würde. Wir könnten ihn ja nicht auf ewig<br />

hinter Gitter sperren. Mit dem Hinweis, dass in diesem Fall Kiebers<br />

Rache das Vorstellungsvermögen der KKZ übersteigen würde, schloss<br />

der Professor seinen Ausführungen. Die Vertreter der LGT beeindruckte<br />

dies nicht gross, da sie eher der Meinung waren, dass Kieber die Daten<br />

gar nicht hatte.<br />

Aufruhr in der KKZ! Herr B. hatte gerade via Autotelefon mitgeteilt,<br />

dass Kieber zwar gekommen sei, kurz mit ihm gesprochen und ein<br />

Schreiben für Hans-Adam abgegeben hatte. Und er hatte gesagt, dass er<br />

nicht mitfahren wolle oder könne. Herr B. hatte ihm den Pass durch die<br />

Scheibe gezeigt. Herr B. würde Kieber jetzt nicht mehr sehen. Er werde<br />

um 12.15 Uhr abfahren.<br />

Um 12.10 Uhr rief der Bankdirektor in Vaduz an. Kieber habe ihn gerade<br />

angerufen und gesagt, er verstehe nicht, warum er nicht in Berlin sei,<br />

239


warum ihm die gezeigte Schutz-ID nicht ausgehändigt wurde. Was sollte<br />

das alles, fragte sich der Bankdirektor. Wie konnten sie nur glauben,<br />

dass Kieber jetzt nach Hause kommen würde.<br />

Herr B. fuhr um 12.22 Uhr von Berlin ohne Kieber und vor allem ohne<br />

Daten Richtung Vaduz ab. Enttäuschung machte sich breit. Vielleicht um<br />

ihr eigenes Versagen zu schmälern, warfen die Vertreter der LGT die<br />

Schlussfolgerung in die Runde, dass Kieber darum nicht in den Wagen<br />

gestiegen sei, weil er in Wahrheit die Daten gar nicht hatte!<br />

Aha, interessante Hypothese, bemerkte der Professor.<br />

Hans-Adam jedoch war sehr fuchsteufelswild, dass ihm bis heute<br />

niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob nun Kieber die Daten hat oder<br />

nicht. Selten hatte man ihn so fluchen hören. Offen wurde über<br />

unorthodoxe Massnahmen diskutiert. Weniger von Seiten der Justiz und<br />

der Polizei. Entschlossen aber von Seiten Hans-Adams, seiner<br />

Marionettenregierung und der LGT, insbesondere der Treuhand.<br />

Es sollte doch möglich sein, Kieber in Berlin aufzuspüren und<br />

überwachen zu lassen. Sobald er zu den Daten gehen würde, oder man<br />

in Erfahrung gebracht hätte, wo sie sich befinden finden, könnte man ihn<br />

samt den Daten „nach Hause befördern‚.<br />

Der Professor hakte nach: Wie denn? Mit Hilfe der Deutschen? Ein<br />

Amts- oder Rechtshilfegesuch? Interpol? Nein, nein – natürlich nicht,<br />

erwiderten alle anderen im Raum. Deutschland darf nichts, rein gar nichts<br />

erfahren, verdeutlichte Regierungschef Hasler. Kein Staat darf etwas<br />

davon erfahren. Nichts offizielles. Es gibt ja schliesslich private Firmen,<br />

die dann aushelfen, wenn der Staat nicht kann. Es müsste doch sicher<br />

etwas in dieser Richtung in Berlin geben. Der Professor, die Justiz und<br />

die Polizei rieten von solchen Massnahmen dringend ab. Nicht<br />

vorzustellen, wenn dies dann an die Öffentlichkeit gelangen würde. Der<br />

Liechtensteiner Staat lässt einen eigenen Bürger in Berlin kidnappen und<br />

illegal „nach Hause bringen‚.<br />

Es zeigten sich die ersten Risse in der durchs Schicksal<br />

zusammengewürfelten Gruppe in der KKZ. Der Professor, die Justiz und<br />

die Polizei lehnten jede Gewaltanwendung kategorisch ab. Hans-Adam,<br />

die LGT und die Regierung konnten dies zwar nachvollziehen,<br />

jammerten aber, dass es hier um die Grundexistenz gehe. Nicht nur sie<br />

sondern auch viele tausend Kunden würden Probleme bekommen.<br />

Wenn die Daten und die Art und Weise, wie wir hier Geschäfte tätigen<br />

ausländischen Behörden im Detail bekannt gemacht würden, dann<br />

müssten wir hier dicht machen! Die Zukunft des Landes stehe auf dem<br />

240


Spiel, waren sich alle einig. Man beschloss sich von nun an jeden Tag<br />

mindestens einmal zu treffen. Zudem wurde auch entschieden, aus den<br />

früheren Fehlern zu lernen und eine Liste anzufertigen, mit all jenen<br />

Personen, die von der Angelegenheit wussten. Die Führungspersonen<br />

jeder Einheit der Justiz, Polizei, Regierung, LGT (das Schloss<br />

ausgenommen) sollten unter Androhung schwerer Konsequenzen (z.B.<br />

sofortige Kündigung) die mitwissenden Angestellten zu äusserster<br />

Verschwiegenheit verpflichten.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (nach Abfahrt des Diplomatenwagens)<br />

Was nun? Ich wusste es nicht. Am besten ginge ich schlafen, dachte ich<br />

mir, heim in Petras Wohnung. Dort angelangt, nahm ich eine heisse<br />

Dusche und legte mich flach. Obwohl ich todmüde war, konnte ich nicht<br />

einschlafen. Jetzt kam mir in den Sinn, welche Person Hans-Adam<br />

gemeint hatte, als er mich im Telefongespräch am Montag kurz vor<br />

Mittag warnte, es könnte sein, dass eine Person, die ich im Brief erwähnt<br />

hatte, mithören würde. Klar, da die Gespräche über das Handy von den<br />

Bullen abgehört würden und dies Hans-Adam im voraus wusste, musste<br />

er einen deutschen Staatsbürger gemeint haben, der dort als Experte für<br />

die FL-Polizei arbeite. Hans-Adam konnte sich nur von den eigenen –<br />

wenn auch nicht von allen - Staatsbürgern 100 Prozent Loyalität<br />

erwarten. Selten von den Ausländischen. Zudem wären die Daten für<br />

Deutschland ja hochinteressant. Hans-Adam befürchtete anscheinend,<br />

dass dieser Deutsche, der auch noch Polizist war, geneigt sein könnte, an<br />

die Daten ran zu kommen.<br />

VADUZ 14. Januar 2003 (nachmittags)<br />

Die Polizei verfasste einen weiteren schriftlichen Bericht über die<br />

ausgedehnten Überwachungs- oder Nachforschungsmassnahmen für<br />

Hans-Adam. Es wurde bei der Landesbibliothek Vaduz in Erfahrung<br />

gebracht, dass Kieber einen Mitgliederausweis besass und 1999 zwei<br />

Bücher, nämlich das Strafgesetzbuch(!) und die Strafprozessordnung(!)<br />

ausgeliehen und erst nach langer Zeit wieder zurückgebracht hatte.<br />

Auch wurde fieberhaft versucht, alle Internetseiten, die er in der<br />

Bibliothek angeschaut hatte, herauszufinden, was aus technischen<br />

241


Gründen nicht gelang. Auch wurden all seine alten Bankkonten bis ins<br />

kleinste Detail auf Jahre zurück ausgeforscht und dokumentiert.<br />

Anm.: Dazu kann ich nur sagen: hätte die Liechtensteiner Justiz nur halb soviel<br />

Energie für die Entdeckung der Bankdaten von schlimmen Kunden verwendet<br />

wie für die „Ausgrabung“ meiner wenigen Bankunterlagen, dann müsste sie<br />

seit 2008 nicht hilflos zusehen, wie Woche um Woche, rund um den Globus<br />

diese Art Kunden entlarvt werden.<br />

Damit die Angelegenheit im Ländle selber nicht so bekannt wurde,<br />

beschloss das KKZ weiter, die am 13.01.03 befehligte Razzia von zwei<br />

Wohnungen und dem Haus von Kiebers Stiefmutter erst gegen Ende<br />

Januar oder Anfang Februar 2003 durchzuführen.<br />

Anm.: Unglaublich aber wahr: Das KKZ ordnete die Durchsuchung von zwei<br />

bewohnten Wohnungen in Balzers an, obwohl ich nie dort gewohnt habe und es<br />

überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den Wohnungen oder der LGT gab.<br />

Die später dann erfolgte illegale Durchsuchung wurde sogar so orchestriert,<br />

dass die Bewohner nichts davon merkten, weil sie nicht anwesend waren.<br />

Natürlich war die Durchsuchung ohne brauchbares Ergebnis.<br />

Gegen späten Abend traf der Chauffeur Herr B. mit dem Audi auf<br />

Schloss Vaduz ein. Hans-Adam wurde sofort aufgesucht. Er erhielt den<br />

Brief von Kieber. Hans-Adam war nach der Lektüre erleichtert, da er<br />

erkannte, dass eine von Kiebers Prioritäten vorerst die Sicherheit der<br />

Daten und damit die der Liechtensteiner Finanzwelt war. Dann war er<br />

wieder besorgt, da Kieber ihm weiter schrieb, dass er unter Zugzwang<br />

stehe. Kieber könne nicht einfach sagen: „Schwamm drüber – hat halt<br />

nicht geklappt‚. Nein, Kieber müsse etwas machen, nur was, das wusste<br />

Kieber selbst noch nicht.<br />

BERLIN 15. Januar 2003<br />

Immer noch müde stand ich trotzdem schon um 06.00 Uhr morgens auf.<br />

So konnte es nicht weiter gehen. Der Wagen war weg und nichts hatte<br />

sich geändert. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, dass es<br />

besser war, Abstand zu nehmen und Zeit zu gewinnen. Eine Woche<br />

sollte reichen. Dafür musste ich die nächste Stufe der vorbereiteten<br />

Kommunikationsmöglichkeit aktivieren. Die Art von Verbindung wie<br />

ich es im Brief vom 07.01.03 unter Punkt "X." beschrieben hatte. Obwohl<br />

242


ich es darin präzise geschilderte hatte, hatte ich bedenken, ob die in<br />

Vaduz diesen Punkt auch richtig lesen und interpretieren könnten.<br />

Mit dem Thema „Frankfurt‚ hatte es ja nun gar nicht geklappt. Der<br />

Grund warum ich ein „codiertes‚ Kennwort ausgerechnet im sichersten<br />

Raum im Schloss Vaduz angebracht hatte, war ja, dass ich unbedingt<br />

erreichen wollte, dass sich Hans-Adam persönlich mit dem Fall befasste.<br />

Obwohl ich den direkten Kontakt nicht scheute, absolut nicht, fand ich,<br />

dass es besser sei, wenn auf schriftlichen Weg kommuniziert würde und<br />

zwar so lange bis wieder ohne Drohungen und Schimpfen miteinander<br />

geredet werden konnte.<br />

Selbst bei der Auswahl des Internetproviders für das gemeinsam zu<br />

benutzende Emailkonto hatte ich mir vor der Abreise aus Liechtenstein<br />

den Kopf zerbrochen. Die drei Säulen von Hans-Adam bestehen aus<br />

Geld, Macht & Kirche (Glaube). Die ersten zwei Säulen hatte ich ja schon<br />

in starke Vibrationen gesetzt. Für die letzte Säule erschien mir die<br />

Webseite einer katholischen Organisation mit Sitz und Server in den<br />

USA als ideal. Das Konto hatte ich schon im Dezember 2002 eingerichtet.<br />

Instruktionen wie das Konto von mir und Hans-Adam verwendet<br />

werden sollte, hatte ich in einer ersten Email im Ordner „Entwurf‚<br />

gespeichert. Da ja beide Seiten dasselbe Emailkonto verwenden würden,<br />

würde kein Email versandt werden, sondern nur jeweils der neue Text<br />

im Ordner „Entwurf‚ abgespeichert werden. Auf die Idee kam ich, weil<br />

meine Recherchen ergeben hatten, dass es ohne den klassischen<br />

Emailversand praktisch unmöglich oder zumindest sehr, sehr schwierig<br />

sein würde, die IP-Adresse (und damit den genauen Computerstandort)<br />

herauszufinden. Mit der Auswahl von „www.catholic.org‚ wollte ich<br />

auch im Unterbewusstsein an das starke Dogma von Hans-Adam<br />

appellieren.<br />

Klare Hinweise auf das LOGIN-Wort und damit auf das Passwort hatte<br />

ich ja schon im Brief vom 07.01.03 geschrieben. Es war nicht einfach, eine<br />

Wortkombination zu finden, die praktisch jedes Missverständnis<br />

ausschliessen würde. Ich musste ihm nur noch den Namen der Webseite<br />

mitteilen.<br />

Bevor ich dies aber tun konnte, formulierte ich eine neue Nachricht für<br />

ihn und speicherte sie im Entwurf-Ordner. Mit einem Trick deponierte<br />

ich den fertigen Text mit Datum 15.01.03, obwohl er am 14.01.03<br />

geschrieben wurde. Dies aus taktischen Gründen. Im Text wiederholte<br />

ich die Begebenheiten der letzten 48 Stunden und meine Gründe, warum<br />

243


ich nicht in den Wagen eingestiegen war. Ich erklärte, dass ich ab<br />

nächsten Dienstag, den 21.01.03 ein Mal pro Tag bei der LGT in Berlin<br />

anrufen würde, um in Erfahrung zu bringen, ob ein Umschlag für mich<br />

angekommen sei.<br />

Um jede Unklarheit auszuschliessen, schrieb ich ganz deutlich, dass ich,<br />

falls Post da sein würde, diese nicht selber abholen würde, sondern eine<br />

andere Lösung (z.B. Kurier oder Weiterversand) im Sinne hätte. Sollte es<br />

nur die kleinste Andeutung einer Falle geben, so würde ich mich<br />

zurückziehen. Ausserdem schrieb ich, dass ich akzeptiere würde, wenn<br />

Hans-Adam nun die Schutz-ID nicht mehr hergeben will. Dann sollte er<br />

im Gegenzug aber auch akzeptieren, dass ich andere Wege gehen<br />

müsste. Um nicht ewig hier in Berlin herumhängen zu müssen, musste<br />

ich ein Datum festlegen. Ich schrieb, dass ich nur bis Ende Januar, also<br />

Freitag, den 31.01.03 warten könnte. Sollte bis dahin nichts gehen, so<br />

würde ich mich simultan an die Deutschen und die Amerikaner wenden.<br />

So weit – so gut. Ich schloss das gemeinsam zu nutzende Emailkonto<br />

und loggte mich in mein eigenes, altes ein. Von diesem Emailkonto<br />

schrieb ich an die drei bekannten Emailadressen von Hans-Adam eine<br />

höfliche Mail mit einem Einzeiler, worin ich den Namen der gesuchten<br />

Homepage (Webseite) preisgab: www.catholic.org.<br />

VADUZ 15. Januar 2003<br />

Die KKZ kam zusammen und diskutierte das weitere Vorgehen. Der<br />

Professor distanzierte sich nochmals von jeglicher Anwendung von<br />

Gewalt. Er als Psychologe war naturgemäss dagegen. Die LGT Treuhand<br />

konnte immer noch keine felsenfesten Beweise vorlegen, ob nun Kieber<br />

die Daten hatte oder nicht. Da die KKZ ja genügend Anhaltspunkte über<br />

den Aufenthalt von Kieber besass, wurde beschlossen, eine private<br />

Firma, die sich auf das Aufspüren von Personen und Güter spezialisiert<br />

hatte, anzuheuern.<br />

Der Auftrag sollte aber sehr vorsichtig erteilt werden, man dürfte der<br />

Spezialfirma auf keinen Fall mitteilen, dass Kieber Liechtensteiner sei, er<br />

bei der LGT gearbeitet hatte und er eventuell alle Daten der LGT<br />

Treuhand hatte. Es soll nur gefordert werden, dass man Kieber ausfindig<br />

machen sollte, ihn beschatten müsste und ein Verhaltens- und<br />

Bewegungsmuster erstellt werden sollte. Auf keinen Fall dürfe er<br />

angesprochen werden. Nach erfolgreicher Identifikation sollte die Firma<br />

244


sofort Rückmeldung an den Auftraggeber machen. Damit keine<br />

Rückschlüsse möglich waren, dass Liechtenstein der Auftraggeber war,<br />

wäre es zweckdienlich, wenn die LGT über einen Firmenanwalt aus<br />

Belgien, genauer aus Brüssel den Auftrag erteilen würde. Auch sollten<br />

dafür keine Anrufe oder Emails aus Liechtenstein gesendet werden.<br />

Kontakt mit den Zwischenmännern wäre nur über das Schweizer<br />

Telefon- oder Emailnetz erlaubt. Da keine Massnahmen mit<br />

Gewaltanwendung erteilt worden waren, war der Professor mit diesem<br />

Plan einverstanden.<br />

Die Email Kieber's mit dem Namen der Webseite kam drei Mal auf<br />

Schloss Vaduz an. Weder die Sekretärin von Hans-Adam noch Alois<br />

selber nahmen sie vorerst ernst. Kieber könnte unmöglich im sichersten<br />

und wertvollsten Raum des Schlosses ein Hinweis angebracht haben,<br />

dachten sie sich. Deswegen hatte Hans-Adam auch nicht nachgeschaut,<br />

als er davon im Brief vom 07.01.03 zum ersten Mal gelesen hatte. Das<br />

Sekretariat des Schlosses sendete um 14.32 Uhr eine Kopie der Email zur<br />

Polizei und eine an das KKZ.<br />

VADUZ 16. Januar 2003<br />

Im Protokollzimmer der KKZ wurde die Email ausgedruckt und fein<br />

säuberlich protokolliert. Die Kernmitglieder der KKZ, ohne Hans-Adam<br />

und seinen Sohn, kamen zu einer weiteren Sitzung zusammen. Man<br />

erinnerte sich an irgendwelches Zeug, dass Kieber in diesem<br />

Zusammenhang im Schreiben vom 07.01.03 erwähnt hatte. Es wurde<br />

gerätselt ob Kieber vielleicht doch in den Bilderbunker gelangt war und<br />

ob er etwas hinterlassen oder platziert haben könnte. Und ob es<br />

gefährlich sein könnte.<br />

Das KKZ rief Hans-Adam auf dem Schloss an und bat ihn doch<br />

nachschauen zu gehen. Er und sein Sohn Alois wollten aber nicht alleine<br />

in ihren eigenen Bilderbunker gehen. Hans-Adam telefonierte mit dem<br />

Regierungschef Hasler und dem Kripochef Hoch. Er bat sie sofort aufs<br />

Schloss zu kommen. Der Kripochef nahm sich einen bewaffneten<br />

Beamten mit und holte dann Hasler mit einem unmarkiertem<br />

Polizeiwagen wieder vom Regierungssitz ab. Gemeinsam fuhren sie zum<br />

Schloss. Herr Kaiser öffnete die schwere Türe zur betonierten<br />

245


Schatzkammer im Rundturm im Beisein von Hans-Adam, Alois, Hasler,<br />

Hoch und dem Beamten. Zuerst inspizierten sie die elektrische Anlage<br />

gleich rechts neben dem Eingang. Alles schien normal zu sein. Gemäss<br />

den Angaben von Kieber sollte sich im Blickwinkel eines ideellen<br />

Selbstbildnisses des Malers Gerard DOU ein Hinweis verstecken, woraus<br />

Hans-Adam das LOGIN-Wort und auch das Passwort erraten könnte.<br />

Das Bild wurde schnell gefunden. Der Metallrahmen Nr. 49/50 auch.<br />

Hans-Adam und Alois waren schockiert: ein 4 cm x 1 cm langer Kleber<br />

war dort angebracht, worauf „Mexico 67‚ stand. Hans-Adam, brachte<br />

kein Wort mehr heraus.<br />

So war es sein Sohn Alois, dem sofort das Wort „Hochzeitsreise‚ einfiel.<br />

Ja genau, erwiderte Hans-Adam, im Jahre 1967 waren er und seine Frau<br />

Marie auf ihrer Hochzeitsreise in Mexiko. Somit hatten sie nun das<br />

LOGIN-Wort „mexico67‚ und das Passwort „hochzeitsreise‚.<br />

Langsam begriffen alle im Raum, dass Kieber sehr wohl alles äusserst<br />

penibel geplant haben musste.<br />

Anm.: Auch der Hinweis auf den Maler Gerard DOU war speziell von mir<br />

ausgesucht worden. Die Verbindung zwischen dem Leben des Maler Gerard<br />

Dou, diesem Bild und des sich abspielenden Dramas erkannten weder Hans-<br />

Adam noch seine Truppe nicht. Sicherlich, es war nicht von soooo grosser<br />

Bedeutung. Dou gilt als Begründer der Leidenden Feinmalerei – Leiden mussten<br />

hier in dem aktuellen Drama alle. Aber das besondere für mich im Bild von Dou<br />

im Besitzt von Hans-Adam war, dass Dou sich selber als Musiker zeichnete und<br />

damit seinen wahren Beruf (Maler) verschleierte. Diese Kunst der<br />

“Verschleierung, der „Täuschung“ gefiel mir sehr als Metamorphose.<br />

Sie alle liefen die Treppe hoch ins Freie und runter zum kleinen<br />

„Bürokomplex‚, die an die Schlossaussenmauer grenzenden<br />

Räumlichkeiten, die Hans-Adam als seine Geschäftszimmer benutzt. Die<br />

Sekretärin loggte sich auf www.catholic.org ein. Mit Hilfe des Punkt "X."<br />

aus dem Brief von Kieber fanden sie seine erste Mitteilung, gespeichert<br />

im Entwurf-Ordner. Die im Raum nicht anwesenden Mitglieder des KKZ<br />

wurden später über den Stand der Dinge informiert. Grundsätzlich<br />

waren alle etwas erleichtert, da sie jetzt schon mal eine Woche Zeit<br />

gewinnen konnten und der Professor kam auch zu dem analytischen<br />

Schluss, dass Kieber vor Ende Januar 2003 nichts unternehmen würde.<br />

246


BERLIN 16. – 20. Januar 2003<br />

Ich hatte mir eine Verschnaufpause gegönnt, die ich dringend benötigte.<br />

Obwohl ich eigentlich im totalen Stresszustand war, fühlte ich mich<br />

sicherer hier in Berlin als in Liechtenstein. Was mich antrieb war der<br />

„beruhigende‚ Gedanke, dass im Unterschied zu den vorhergegangenen<br />

sechs Jahren Liechtenstein nun gezwungen war, etwas zu tun. Diese<br />

Tatsache alleine war schon eine Tröstung für mich. Obwohl ich wusste,<br />

dass sie mir auch Böses antun konnten, war dies mir „scheiss egal‚.<br />

Hauptsache war - sie machten irgendwas.<br />

Meine Vermieterin Petra war sehr angenehm. Ich stellte sehr schnell fest,<br />

dass meine Sachen bei ihr nicht in Gefahr waren. Jeweils fürs<br />

Wochenende fuhr sie ins Elsass zu ihrem Freund und ich hatte die ganze<br />

Wohnung für mich allein. Ich durfte sie sogar einmal bei ihrer Arbeit im<br />

Luxuskaufhaus Lafayette besuchen. Meine Situation war schon paradox.<br />

Ich war, wie immer, freundlich und lächelnd. Niemand hätte im Traum<br />

erraten, dass sich fürchterliches mit mir, um mich und wegen mir<br />

abspielte.<br />

Ich vermied in die Nähe der LGT Berlin oder in die Ansbacherstrasse zu<br />

gehen. Man wusste ja nie, ob die von der LGT oder andere Ausschau<br />

nach mir hielten. Und meiner früheren Vermieterin Daniela wollte ich<br />

auch nicht wieder über den Weg laufen. Mit dem Bus, der Bahn oder zu<br />

Fuss entdeckte ich andere schöne Teile der Grossstadt.<br />

Mit der Zeit lernte ich die Berliner Strassen und Besonderheiten gut<br />

kennen. Den Kiez, die grossen geschichtsträchtigen Plätze, die Museen,<br />

das Brandenburger Tor, der Berliner Schlag. Ab und zu besuchte ich ein<br />

Internetcafé, um mich abzulenken. Ich durchforschte die Schweizer<br />

Medienlandschaft, um zu beobachten, ob irgendwas bis zur Presse<br />

durchgesickert war.<br />

Nur ein Mal die Woche besuchte ich meine Bank. Dort wo ich die Daten<br />

im Safe hatte. Ich notierte mir den ausgewählten Weg dorthin jedes Mal<br />

genau, um später denselben Weg nie mehr zu nehmen. Um eventuelle<br />

Verfolger zu verwirren, begab ich mich täglich in eine andere<br />

Bank(Filiale) irgendwo in Berlin, wartete in der Schlange vor dem<br />

Schalter bis ich an der Reihe war, stellte dann triviale Fragen und<br />

versuchte nachher, wann immer es die Räumlichkeiten erlaubten, mich<br />

in eine Ecke zu stellen, die man von aussen nicht einsehen konnte. So<br />

247


würden eventuelle Beobachter denken, ich sei in den Tresorraum der<br />

Bank gegangen. Verwirrung war, ist und bleibt immer Trumpf.<br />

Ich war stets übervorsichtig und beobachtete was um mich herum<br />

geschah. Ich beobachtete vor allem die parkierten oder langsam<br />

fahrenden Wagen. Nie war etwas Besonderes zu bemerken. Dann aber<br />

löste ein Auto einen Blitzgedanken bei mir aus. Ein alter VW LT<br />

Transporter in orange-gelber Farbe. Viele Schweizer Dörfer und<br />

Gemeinden fuhren genau so einen als Kommunalwagen<br />

(Werkshofwagen). Der Wagen hatte ein Berliner Kennzeichen. Was mich<br />

nun sehr stutzig machte, war die Tatsache, dass ich genau diesen<br />

Wagentyp mit der ungewöhnlichen Farbe schon früher am selben Tag<br />

gesehen und anscheinend im Unterbewusststein registriert hatte. Und<br />

zwar in Wedding. Nun befand ich mich aber in Dahlem. Nicht das ich<br />

behaupte übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen oder „James Bond‚ zu<br />

sein, definitiv nicht. Aber der Zufall, dass in der Millionenstadt Berlin<br />

innerhalb von wenigen Stunden derselbe auffällige Wagen genau dort<br />

war, wo ich mich befand, kann keiner sein.<br />

Dahlem und Wedding sind ein gutes Stück voneinander entfernt. Ich<br />

liess mir nichts anmerken und anstelle in die nächste zufällig<br />

ausgewählte Bank zu gehen, begab ich mich auf die andere Strassenseite.<br />

Der VW war in einer Seitenstrasse geparkt. Niemand war im Wagen.<br />

Sofern ich dies erkennen konnte. Ich stellte mich vor einen Laden und<br />

drehte mein Gesicht zum Schaufenster. In der Glasspiegelung konnte ich<br />

einen fetten Mann sehen, der die Beifahrertüre öffnete, einstieg und<br />

dann in meine Richtung schaute.<br />

Unerwartet rannte ein kreuzdumm gekleideter Jogger sehr nahe an<br />

meinem Körper vorbei. Er drehte sich um und schaute mich an. Ich<br />

dachte, was für ein Idiot, bei bald Minustemperaturen hier mitten in<br />

Berlin so gekleidet joggen zu gehen. Als der Jogger nicht aufhören<br />

wollte, mich anzugucken und ich halt „zurückstarrte‚, wusste ich, dass<br />

hier etwas faul war. Spontan, ohne gross vorher nachzudenken, rannte<br />

ich einfach los, auf ihn zu. Er erschrak und blieb wie versteinert stehen.<br />

Ich fragte ihn, ob er wisse wie spät es sei und er erwiderte, dass er keine<br />

Uhr habe. OK, sagte ich. Schönen Tag noch. Der Jogger lief schnurgerade<br />

auf den VW Transporter zu und stieg hinten ein.<br />

Dem Dialekt nach zu beurteilen, war es ein Berliner. Mit weit geöffnetem<br />

Mund beobachtete ich dann wie ein weiterer, etwas älterer Mann aus<br />

einem Hauseingang trat und auch im Wagen verschwand. Verdammt<br />

noch mal – fluchte ich. Hans-Adam lässt mich beschatten und man hatte<br />

248


mich gefunden. Die Tatsache, dass sie mich gefunden hatten, verwirrte<br />

mich nicht so sehr. Es war ja ein Kampf zwischen meiner Wenigkeit und<br />

der geballten Geldmacht aus Liechtenstein. Da konnte ich nur den<br />

Kürzeren ziehen. Aber was wussten sie? Wo ich wohnte, wo die Daten<br />

waren?<br />

Ich rekapitulierte meine Aktivitäten der letzten Tage und versuchte<br />

fieberhaft mich zu erinnern, ob ich den Wagen schon mal anderswo<br />

früher gesehen hatte – erfolglos. Ich konnte mich natürlich nicht<br />

erinnern. Mir wurde schlecht und ich brach alle geplanten Aktivitäten<br />

für diesen Tag ab. Ich fuhr mit der Ringbahn sicher mindestens<br />

eineinhalb Stunden im Kreis herum. Stets mit erneuertem Fahrschein,<br />

wo nötig. Ich traute mich erst im Dunkeln wieder nach Hause. Keiner<br />

war mir gefolgt. Gott sei Dank. Ich entschloss mich, vorerst meinem<br />

Feind in Vaduz nichts darüber zu berichten, dass ich die Verfolger<br />

entdeckt hatte.<br />

VADUZ 17. – 21. Januar 2003<br />

Das KKZ beschloss, die engsten Freunde von Kieber in Liechtenstein<br />

sorgfältig anzugehen und unter Anwendung von Tricks aus der<br />

Psychologiekiste herauszufinden, ob sie etwas wussten, oder ob sie gar<br />

mit ihm im Januar Kontakt hatten. Einer der Tricks war, es wurde<br />

verbreitet, dass Kieber in Gefahr sei und man ihn dringend warnen<br />

müsste. Dazu bräuchte man aber seine Adresse oder Kontaktnummer im<br />

Ausland.<br />

Eine meiner besten Freundinnen wurde von der Polizei zur Seite<br />

genommen und ausgefragt. Erstaunlicherweise wurde ihr mehr oder<br />

weniger reiner Wein eingeschenkt, sozusagen einen ‚Vaduzer Riesling‚.<br />

Man hatte ihr zwar nicht gesagt, dass Kieber behaupten würde, dass er<br />

die Daten hätte, es wurde ihr aber gesagt, dass Kieber Hans-Adam einen<br />

bösen Brief geschrieben hatte. Sie wurde aufgefordert, sich bei der<br />

Polizei sofort zu melden, falls Kieber sie kontaktieren würde. Aus all den<br />

Observationen und weiteren Befragungen (auch von anderen Personen)<br />

waren dann schlussendlich keine brauchbaren Ergebnisse zu vermelden.<br />

Gute Nachricht aus Deutschland: die KKZ meldete Hans-Adam, dass die<br />

beauftragte Schnüfflerfirma aus Belgien Erfolg hatte. Sie konnten Kieber<br />

auf Grund der ihnen per Email zugesandten Fotos identifizieren. Die<br />

249


grossen (finanziellen) Auslagen, um an 23 Internetcafés rund um das<br />

Zentrum von Berlin strategisch nach Kieber Ausschau zu halten, hatten<br />

sich gelohnt.<br />

Schon am dritten Tag war man erfolgreich. Wie so oft in dieser Affäre,<br />

versicherte Hans-Adam, dass er von den Kosten nichts hören wollte, da<br />

Geld absolut keine Rolle spielte. Leider musste die KKZ des Weiteren<br />

berichten, dass man noch nicht herausgefunden habe, wo Kieber die<br />

Daten aufbewahren und wo er wohnen würde. Es hätte auch einen<br />

Zwischenfall gegeben, bei dem Kieber einer der Verfolger persönlich<br />

angesprochen und nach der Uhrzeit gefragt hatte. Die beauftragte<br />

belgische Firma bestätigte, dass deren Deutsche Partner aber ausgesagt<br />

hatten, dass Kieber nichts gemerkt hätte. Auf Grund des<br />

„Feindkontakts‚ musste sich die Verfolgertruppe zurückziehen und<br />

hatte deshalb Kieber aus den Augen verloren. Man sei sich aber ganz<br />

sicher, ihn wiederzufinden.<br />

Hans-Adam war mit diesem Zwischenbericht sehr zufrieden und wollte<br />

nochmals versichert haben, dass weder die Belgier noch deren Deutsche<br />

Partner wissen, um was es in Wirklichkeit ginge. Diese Zusicherung<br />

wurde ihm vom Regierungschef Hasler erteilt. Die Stimmung innerhalb<br />

des KKZ stieg merklich. Alle dachten nun, dass sie einen grossen<br />

taktischen Vorteil hatten. Was so beruhigend in den Hinterköpfen der<br />

meisten Mitglieder des KKZ war, war die Vorstellung, dass wenn alles<br />

Verhandeln mit Kieber schief gehen würde, man ihn auch mit harten<br />

Methoden habhaft werden könnte. Dank der Verfolger.<br />

Je länger der Professor mit den anderen aus der KKZ über diesen Fall<br />

diskutiere und sich beriet, um so mehr wurde er stutzig und erkannte als<br />

Psychologe, dass vor allem der Exboss von Kieber, Dr. Feuerstein, und<br />

die anderen Herren der LGT, sich mit moralischer Unterstützung von<br />

der Regierung, auf einen gefährlichen Weg einschwenkten.<br />

In den vergangenen Tagen musste Feuerstein mehrfach zur<br />

Besonnenheit aufgerufen werden, als er lautstark nach, wörtlich,<br />

„Anwendung von Stasimethoden verlangte‚, um Kieber in Deutschland<br />

mit Hilfe von Privatfirmen festzuhalten und nach Liechtenstein zu<br />

verschleppen.<br />

In der Hitze der Debatte fielen auch symbolische Worte wie: „Wir<br />

müssen Kieber umlegen‚, „Er muss Mundtod gemacht werden‚. Hans-<br />

Adam, als „Oberkommandierender‚ hatte Mühe seine Truppe auf eine<br />

250


Linie zu bringen. Er begriff, dass Kieber gute Gründe hatte, als dieser ihn<br />

im Brief gebeten hatte, auf keinen Fall seinen Exboss als Mediator oder<br />

Schlichter für dieses Drama zu ernennen.<br />

Hans-Adam entschied, dass neue Ideen für eine Lösung nur vom<br />

Professor als Spezialisten kommen sollten. Der Professor wurde<br />

beauftragt, einen Text vorzubereiten, der dann als Mitteilung am<br />

nächsten Tag, den 21.01.03 in das Emailkonto gestellt werden sollte.<br />

251


KAPITEL 9 Chaos-Tage ohne Ende<br />

BERLIN 21. Januar 2003<br />

Dienstag! Ein Tag der Wahrheit, dachte ich mir schon die ganze Nacht<br />

hindurch. Ich war schon um fünf Uhr auf den Beinen und im<br />

winterlichen Berlin unterwegs. Zum Glück gab es einige Bäcker, die<br />

schon früh ihre Ware an die Kundschaft verkauften. Bevor ich die LGT<br />

am späteren Nachmittag anrufen würde, kam mir ein altes Sprichwort in<br />

den Sinn: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.<br />

Ich war neugierig, was sich in Liechtenstein so zutragen würde. Ich<br />

konnte der Sache nur auf den Grund gehen, indem ich zufällig ein paar<br />

Bekannte und Freunde dort anrief.<br />

Himmel und Hölle noch mal. Nicht zu fassen! Schon beim zweiten Anruf<br />

brach die schöne Scheinwelt zusammen (siehe auch „Vaduz 22. Januar<br />

2003‚). Mir lief es kalt den Rücken runter. Diese Mistkerle, dachten wohl,<br />

sie könnten mich übertölpeln. Nicht nur, dass sie in Berlin Verfolger auf<br />

mich angesetzt hatten, Nein, sie mussten auch noch das halbe<br />

Liechtenstein umgraben, um herauszufinden, wer dort wo, was, warum<br />

und eventuell etwas wusste.<br />

Wartet nur, fluchte ich schon wieder. Es wurde mir noch kälter als es<br />

sowieso schon war. Das bedeutete, dass ich auf keinen Fall in die Nähe<br />

der LGT, ja nicht einmal ins Zentrum von Berlin gehen durfte, es war<br />

eine Falle!<br />

Was nun, grübelte ich. Wenn ich etwas in den letzten fünf Jahren gelernt<br />

hatte, dann dass man in einer solchen Situation zuerst immer den Kopf<br />

klar bekommen muss und nicht gleich gegen die nächste Wand rennen<br />

darf. Ein Anruf bei der LGT Berlin kam also nicht mehr in Frage. Ich fuhr<br />

mit der Bahn an die südliche Stadtgrenze von Berlin und suchte ein<br />

Internetcafé auf. Ich öffnete das gemeinsame Emailkonto und fand<br />

nachstehende Nachricht für mich im Entwurfs-Ordner:<br />

Ich wurde beauftragt, mit Ihnen eine Transaktion durchzuführen,<br />

welche von gegenseitigem Interesse getragen ist. In diesem<br />

Zusammenhang wurde ich sowohl über die Hintergründe als<br />

auch über die bisherigen Versuche informiert, diese Transaktion<br />

abzuwickeln. Diesbezüglich enthalte ich mich jeglichen<br />

Kommentars. Mein Auftrag besteht lediglich darin, die von Ihnen<br />

252


gewünschte Transaktion vorzubereiten und in beiderseitigem<br />

Interesse sauber durchzuführen. An weiteren<br />

Hintergrundinformationen (Namen, Details, Schuldzuweisungen<br />

etc.) habe ich kein Interesse, sind nicht Teil meines Auftrages und<br />

deshalb unerheblich. Geben Sie mir die weitere Vorgehensweise<br />

für die Transaktion bekannt.<br />

Anm.: Ich wusste natürlich zu jenem Zeitpunkt nicht, dass dies vom Professor<br />

Dr. Thomas Müller geschrieben wurde. Ich wusste ja auch nicht, dass<br />

überhaupt ein Professor angeheuert wurde.<br />

Aha, verspottete ich sie: Sie spielten auf Kooperation. „Wir helfen dir‚,<br />

„Wir suchen eine gemeinsame Lösung‚ u.s.w. – alles Quatsch und fauler<br />

Käse. Schnell loggte ich mich wieder aus dem Emailkonto aus. Noch<br />

schneller verliess ich das Internetcafé. Ich verschwand in der Masse von<br />

Fussgängern in Richtung Bahnhaltestelle. Dies alles ergab keinen Sinn.<br />

Im Gegensatz zum Gegner hatte ich nur mich selber. Meine Hirnmasse<br />

gegen alle anderen, die da offenbar Böses erwogen. Na ja, ehrlich gesagt,<br />

mein eigenes Drehbuch war ja auch nicht gerade des Himmels würdig.<br />

Ich überlegte lange, was die Vor- und die Nachteile wären, wenn ich<br />

denen in Liechtenstein mitteilen würde, dass ich die Verfolger erkannt<br />

hatte und auch wusste, was im Ländle so vor sich ging. Ich entschloss<br />

mich, dem Hans-Adam eine diesbezügliche Nachricht im Emailkonto zu<br />

hinterlassen.<br />

Diesmal ging ich dafür in einen Buchladen. Ich versuchte mich ins<br />

Emailkonto einzuloggen. Klappte nicht. Ich zweifelte an meinem<br />

Geisteszustand. Warum konnte ich nicht ins Emailkonto rein? Das<br />

LOGIN und das Passwort stimmten. War ich nun wahnsinnig geworden,<br />

fragte ich mich. Fast drei Stunden lang versuchte ich es. Die Angestellten<br />

vom Buchladen wunderten sich schon, da ich immer nervöser wurde.<br />

Aus Höflichkeit kaufte ich am Ende ein Kochbuch (ich habe es heute<br />

noch).<br />

Aber, aber – die Superschlaumeier in Vaduz! Auf einmal wusste ich, was<br />

der Grund für das Problem sein könnte. Garantiert hatte Hans-Adam<br />

angeordnet, im gemeinsamen Emailkonto ständig eingeloggt zu bleiben,<br />

um die Kontrolle zu haben. Klar, das musste es sein. Ich wusste, dass es<br />

wenige Emailprovider gibt, die technisch so ausgerüstet waren, dass<br />

gleichzeitig von zwei verschiedenen Terminals aus dasselbe Emailkonto<br />

benutzt werden konnte. Die Katholiken von www.catholic.org gehörten<br />

253


nicht dazu. Um 14.37 Uhr schickte ich deshalb, wiederum von meinem<br />

eigenen, alten Emailkonto aus zwei Mal die folgende Meldung an Hans-<br />

Adam eigene Büro-Emailadresse.<br />

Durchlaucht<br />

Ich habe die Nachricht im anderen E-mailaccount heute Morgen<br />

gelesen. Seit ca. 4 Stunden versuche ich eine neue Mitteilung<br />

einzugeben. Ich kann zwar das E-mailaccount aufrufen, aber die<br />

Anzeige bleibt BLANK: d.h. die Ordner sehe ich nicht. Am<br />

Terminal liegt es nicht, da ich schon an 4 verschiedenen es<br />

versucht habe. Kann es sein, dass Sie oder der andere Herr das Emailaccount<br />

ständig offen haben? Bitte jeweils immer ausloggen,<br />

ansonsten kann ich nichts hineinschreiben. Vielen Dank und mfg<br />

h.k.<br />

Offenbar hatte man in Vaduz diese Email gleich begriffen, denn ab 16<br />

Uhr war das Login von meiner Seite aus wieder erfolgreich. Es war kein<br />

neuer Text für mich gespeichert. So sah ich es für angebracht, klares<br />

Wasser einzuschenken und dem Hans-Adam ein paar Dinge zu<br />

erzählen, von denen er fest glaubte, dass ich nichts davon wusste. Erst<br />

spät in der Nacht hatte ich den formulierten Text fertig und stelle ihn in<br />

den Entwurfsordner. Mit der erhofften Sicherheit, dass mir niemand bis<br />

zur Wohnung gefolgt war, konnte ich den Tag endlich vergessen und<br />

war froh, als Petra mich zu einem gemeinsamen gekochten Nachtessen<br />

einlud.<br />

VADUZ 22. Januar 2003<br />

Das KKZ war pünktlich ab 07.30 Uhr wieder aktiv. Um 07.48 Uhr wurde<br />

sich schon in das Emailkonto eingeloggt und ein drei Seiten langer Text<br />

von Kieber vom Vortag gefunden. Darin schrieb Kieber, wie immer<br />

höflich aber bestimmt, dass er sich zuerst für die Nachricht bedankte,<br />

dann über zwei Vorkommnisse reden möchte, die ihn offenbar sehr<br />

beunruhigten. Kieber schrieb, dass er wisse, dass Privatdetektive in<br />

Berlin auf ihn angesetzt worden waren. Er hatte sie erkannt. Er warnte<br />

sie, sollte er wieder Verfolger sehen, würde er eine Konfrontation mit<br />

katastrophalen Folgen provozieren. Er verlangte, dass man diese<br />

Schnüffler sofort abziehen sollte.<br />

254


Obwohl er im Brief vom 07.01.03 ausdrücklich darum gebeten hatte – im<br />

Interesse von allen wenigen Beteiligten und Informierten - alles zu<br />

unterlassen, was einer Bekanntmachung des sich anbahnenden Dramas<br />

gleich kommen würde, habe er in Erfahrung bringen könnten, dass das<br />

Gegenteil geschehen war.<br />

Er wisse nun, dass es mehrere Krisensitzungen der Regierung mit Hans-<br />

Adam und Co. gegeben hatte, dass die Polizei mehrfach diskret aber<br />

abnötigend bei Bekannten und Verwandten nach ihm geforscht hatten,<br />

dass dabei ständig nach seiner Adresse im Ausland gefragt würde.<br />

Kieber wisse auch, dass es offenbar zu einer Anzeige gekommen sei und<br />

eine Art Krieg gegen ihn geführt würde. Er schrieb sogar, dass dies ihn<br />

nicht überraschte, da ja jeder seine eigenen Ziele verfolgen würde.<br />

Trotzdem sei er zu triefst geschockt. Kieber bat auch um ein Treffen am<br />

Freitag, den 24.01.03.<br />

Rund um blasse Gesichter im der KKZ. Niemand traute sich vor und<br />

wollte derjenige oder diejenige sein, die die Bad News dem Hans-Adam<br />

überbringen würde. Jemand musste es aber tun. Der Professor war da<br />

wohl am Besten geeignet. Hans-Adam wurde aufgeklärt und er bekam<br />

einen seiner seltenen öffentlichen Wutanfälle. Er fragte, was für eine<br />

Tölpelfirma man da in Berlin angeheuert hätte, wenn Kieber schon beim<br />

ersten und offenbar einzigen Kontakt deren Mission entdeckt hatte. Er<br />

schrie, wie konnte Kieber, der "1000 Km" weit weg in Berlin war,<br />

herausfinden, was wir hier in Vaduz unternommen hatten. Er ging sogar<br />

soweit, dass er die Anwesenden beschuldigte, einer von ihnen sei ein<br />

Maulwurf.<br />

Grrrrrrrrr. Harte Worte. Dann Stille wie auf einer Beerdigung. Er befahl<br />

diejenigen in Liechtenstein zu finden, die mit Kieber Kontakt hatten.<br />

Man fand die Personen nicht. Alle meine Freunde hielten dicht. Der<br />

Professor war beauftragt worden, die Situation neu zu beurteilen. Dieser<br />

kam zum Ergebnis, dass Kieber nun noch misstrauischer geworden wäre<br />

und es schwieriger sein würde, ihm ihre Position glaubhaft verkaufen zu<br />

können. Aber Zuckerbrot und Peitsche wären erstklassig in der jetzigen<br />

Situation.<br />

Zuerst sollte man Kieber etwas Angst einjagen, indem man ihm androht,<br />

dass Liechtenstein ihn an die Deutschen „verraten‚ würde, ja verkaufen<br />

würde, wenn er nicht das tue, was verlangt wird. Damit sich Kieber<br />

dann wieder beruhigen würde und als Zeichen, dass man es „gut‚ mit<br />

ihm meine, sollte man ihm die Hand ausstrecken und nochmals eine<br />

letzte Chance geben. Hans-Adam entschloss sich daher, seinen<br />

255


Chauffeur mit dem Staatswagen am nächsten Tag in der Früh schon<br />

wieder nach Berlin zu schicken. Dem Kieber sollte man aber nichts<br />

davon im Netz schreiben, sondern nur eine kurze Botschaft hinterlassen.<br />

Um 18.10 Uhr ersetzte man Kiebers Drei-Seitentext mit einem Einzeiler<br />

von Hans-Adam.<br />

BERLIN 22. Januar 2003<br />

Seit meinem Erlebnis mit den "Schnüfflern" war ich noch achtsamer<br />

geworden und wählte meine Wege von und zu Petras Wohnung immer<br />

neu aus. Während meiner Wanderschaften durch Berlin fand ich mehr<br />

und mehr ausgezeichnete Internetstationen, die von aussen nicht als<br />

solche zu Erkennen waren. Meist handelte es sich dabei um von<br />

Immigranten geführte Call-Center in einem alten Berliner Laden oder<br />

Schuppen. Sobald ich ein solches Geschäft fand, notierte ich mir die<br />

Adresse in einem kleinen Buch, um es später wieder finden zu können.<br />

Um 16.55 Uhr schaute ich wieder ins Emailkonto. Mein Text vom Vortag<br />

war immer noch da, keine Reaktion oder Antwort von Hans-Adam. Um<br />

17.01 Uhr ergänzte ich meinen alten Text mit folgender Mitteilung:<br />

22.01.03 17 Uhr 01 - - wie ich sehe, haben sie meinen obigen text<br />

noch nicht gelesen, bzw. mir eine antwort gegeben. ich bitte sie,<br />

ein treffen für kommenden freitag, 24.01. hier vorzumerken. ich<br />

danke für baldige antwort. ich werde morgen - um 10 uhr -<br />

wieder hier hinein schauen. danke H.K. Zur Info: bitte markieren<br />

und drucken Sie jeweils meine texte und behalten sie sie auf - um<br />

keine missverständnisse aufkommen zu lassen.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (A)<br />

Es war noch dunkel und die meisten schliefen noch, als der Herr Kaiser<br />

den Staatswagen in Bewegung setzte. Er hatte das Kuvert mit dem<br />

„falschen‚ Pass bei sich und auch sonst war alles so wie sein Boss es<br />

gewünscht hatte. Kaiser hatte den Auftrag um ca. 18 Uhr vor der LGT in<br />

Berlin zu parken, auf Kieber zu warten und ähnlich wie es der andere<br />

Fahrer, Herr B. gemacht hatte, ihn mit einem Pass zu einer Heimreise zu<br />

ködern. Kaiser soll aber Kieber nur dann mitnehmen, wenn dieser ihm<br />

256


zumindest ansatzweise die Daten zeigen würde. Der Audi A8 kam gut<br />

voran. Wenn alles klappte, dann würde Kaiser am Nachmittag in Berlin<br />

eintreffen.<br />

BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 1)<br />

Ich hatte verschlafen und war erst um 09.30 Uhr aufgestanden. Ich fuhr<br />

direkt zu einem der Internetanbieter von meiner langen Liste und loggte<br />

mich um 10.15 Uhr ins Emailkonto ein. Meine Mitteilung war noch<br />

gestern Abend gelöscht und mit folgendem Einzeiler ersetzt worden:<br />

F. erwartet ihren Anruf unter 00423 xxx xxx, Donnerstag,<br />

23.01.2003, 09:00 Uhr.<br />

Anm.: F. steht für Fürst. Man beachte den von Hans-Adam geforderten<br />

Zeitpunkt, wann ich ihn Anrufen sollte: 09.00 Uhr. Dies obwohl ich in meiner<br />

Mitteilung vor seiner Nachricht im Emailkonto klar geschrieben hatte, dass ich<br />

erst um 10.00 Uhr wieder reinschauen würde. Wie so oft in der Vergangenheit<br />

und in den kommenden Monaten, brachten sie es nicht fertig, Geschriebenes<br />

wirklich zu lesen!<br />

Oh mein Gott, dachte ich mir, der Hans-Adam wird ja fuchsteufelwild,<br />

wenn man seine Termine nicht einhält. Aber, es war ja nicht meine<br />

Schuld, wenn er nicht lesen konnte. Ich schrieb ihm zurück:<br />

Sorry, ich bin erst jetzt ins internet gekommen, es ist jetzt 10:25.<br />

ich schrieb doch gestern, dass ich erst ca. nach 10 uhr wieder hier<br />

hinein sehen kann. ich rufe jetzt trotzdem an. wenn es nicht<br />

klappt, bitte schreiben sie, ob sie grundsätzlich kommen oder<br />

nicht, danke 23.01.03 10:25<br />

Ich war froh, dass Hans-Adam wieder mit mir reden wollte. Dies war ein<br />

gutes Zeichen. Ich rannte aus dem Internetladen raus und kaufte mir für<br />

40 Euro genug Telefonkarten, sodass ich lange mit ihm reden konnte,<br />

sofern dies notwendig und erwünscht war.<br />

Insgesamt telefonierte ich drei Mal mit ihm an diesem Tag: um 10.36<br />

Uhr, 14.00 Uhr und 14.12 Uhr. Nervös wählte ich jeweils die Nummer.<br />

257


Es war ja dieselbe Nummer, die ich schon am 14.01.03 angerufen hatte<br />

und daher nahm ich mir vor, darauf zu achten, dass ich weder<br />

Liechtenstein, Bank, Treuhand oder andere "verräterische" Worte im<br />

Gespräche nennen würde, so wie es Hans-Adam wollte.<br />

Jeden einzelnen Anruf nahm er schon nach dem ersten Klingeln ab. Er<br />

war merklich künstlich angestrengt höflich. Er sagte, dass er<br />

nachvollziehen könnte, dass ich letzte Woche nicht in seinen Wagen<br />

eingestiegen war. Er palaverte etwas darüber, warum es die Anzeige<br />

gab. Es sei eben nicht gerade förderlich von mir gewesen, die STA und<br />

andere der Inkompetenz und Lüge zu bezichtigen. Er könne mich aber<br />

verstehen. Er versicherte mir aber, dass es keinen Haftbefehl gegen mich<br />

gäbe.<br />

In Regierungs-, Banken- und Treuhandkreisen wäre man sehr besorgt<br />

über die ‚Daten‚ und mich natürlich auch. Die Staatsanwaltschaft wäre<br />

sehr verärgert. Ich erwiderte, dass mich dies nicht im Geringsten<br />

verwundern würde. Hans-Adam sagte, dass die Zeit für eine gute<br />

Lösung ablaufen würde. Hans-Adam verdeutlichte mir, dass es nur zwei<br />

Varianten gäbe. Entweder ich würde mit den ‚Unterlagen‚ heute Abend<br />

um 18:00 in den Wagen einsteigen oder er und die Liechtensteiner<br />

Regierung müssten den Deutschen sagen, wo ich sei.<br />

Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Leider aber nicht! Hans-Adam<br />

wiederholte seine zwei Varianten. Und die Daten, fragte ich. Ist es Euch<br />

egal, wenn sie in die Hände der Deutschen und Amis kommen? Uppps,<br />

ich vergass, dass ich keine solchen Wörter in den Mund nehmen sollte.<br />

Merkwürdigerweise ging Hans-Adam darauf gar nicht ein. Er bemerkte<br />

hochmütig, dass er selber, als Multimilliardär eine solche Katastrophe<br />

locker überstehen würde und seine Familie schon ganz andere Krisen<br />

überlebt hätte. Er behauptete auch zu wissen, dass weder die Deutschen<br />

noch die Amis oder ein anderes Land Interesse an den Daten hätten. Er<br />

meinte abschliessend, dass es besser für mich wäre, wenn ich die Daten<br />

jetzt vernichten würde. Denn sollte nach einer Verhaftung durch die<br />

Deutschen seine reiche Kundschaft massiven Ärger bekommen, würde<br />

er höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich auch nach Absitzen einer<br />

jahrelangen Haftstrafe in Deutschland, oder wo auch immer, auch noch<br />

in Vaduz für lange Zeit ins Gefängnis müsste. Mann oh Mann, dachte ich<br />

mir – der Hans drehte jetzt völlig durch.<br />

Er erklärte mir nochmals, dass es nur die zwei Varianten gäbe. Ich<br />

versuchte ihm nicht zu versprechen, dass ich beim Auto sein würde,<br />

indem ich sagte, dass ich mehr Zeit für das Sammeln der Unterlagen<br />

258


äuchte. Er ging auch darauf nicht ein. Ich merkte, dass Hans-Adam<br />

offenbar von irgendjemand angeleitet worden war. Es klang gar nicht<br />

nach ihm. Vor allem wie er es ausdrückte, kam mir komisch vor.<br />

OK, dachte ich mir, vielleicht redete er so, weil es ja auch eine rundweg<br />

neue Lage für ihn war. Bis anhin war sein Imperium nie in eine solche<br />

Situation geraten. Als ich merkte, dass weder er noch ich im Gespräch<br />

weiterkamen, verabschiedete ich mich und sagte noch, dass ich mich via<br />

Internet in wenigen Minuten melden würde.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (B)<br />

Das KKZ wurde über den Inhalt der drei Telefonate von Hans-Adam<br />

selber informiert. Obwohl die Gespräche zwar aufgezeichnet worden<br />

waren, war der Inhalt erst einige Stunden nach dem eigentlichen Anruf<br />

fürs KKZ abspielbar. Der Professor bekräftigte seine Analyse, dass<br />

Kieber nun gebrochen sei, die Drohung hätte gewirkt. Alle waren mit<br />

ihm einverstanden. Natürlich war allen in Vaduz klar, dass auf keinen<br />

Fall irgendjemand irgendetwas den Deutschen sagen würde. Sonst<br />

könne man sich ja gleich selber erschiessen, scherzten sie. Der Fahrer<br />

Kaiser meldete sich über das Autotelefon. Er würde gut vorankommen<br />

und würde sich wieder melden, wenn er in Berlin angekommen sei.<br />

Nach dem letzten Telefonat lies Hans-Adam um 14.40 Uhr folgenden<br />

Text ins Emailkonto schreiben:<br />

Vorgaben des F. sind klar: Erscheinen bis 18.00 Uhr mit<br />

Unterlagen am vereinbarten Ort. Fahrzeug und Fahrer stehen<br />

bereit. Bei Nichtbefolgen tritt unverzüglich die zweite Option in<br />

Kraft.<br />

BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 2)<br />

Ich fand die Mitteilung von Hans-Adam und schrieb um 16.22 Uhr<br />

zurück:<br />

ich habe ihre mitteilung gelesen. alle unterlagen bringe ich bis<br />

zum vereinbarten zeitpunkt nicht zusammen. bitte warten sie<br />

wenigstens bis morgen nachmittag. danke für das verständnis<br />

259


itte informieren sie die dame ihres büros (LGT) hier. ich werde<br />

morgen 13 uhr (dreizehn uhr) hier wieder mich melden. danke<br />

Worauf er mit folgender Mitteilung um 16.41 Uhr antwortete:<br />

Vorgabe des F. bleibt bestehen: Treffpunkt 18.00 Uhr, notfalls nur<br />

mit Teilunterlagen! Rufen sie F. unverzüglich an!<br />

Mir war von Anfang an klar, dass ich auch jetzt auf keinen Fall in den<br />

Wagen steigen würde. Ich hatte die dunkle Befürchtung, obwohl Hans-<br />

Adam das Gegenteil behauptete, dass ein Haftbefehl auf mich zu Hause<br />

wartete. Ich hatte Angst. Mir war das Risiko zu gross, um 18 Uhr zur<br />

LGT in Berlin zu gehen. Ich überlegte lange, was ich machen sollte.<br />

Unter Druck konnte ich erstaunlicher Weise gut funktionieren. Ich<br />

entschloss ihn nicht mehr anzurufen. Trotzdem wollte ich mit eigenen<br />

Augen sehen, ob überhaupt Hans-Adams Staatskarosse wieder in Berlin<br />

aufkreuzte.<br />

Ich studierte den Busfahrplan von Berlin und stieg in jenen Linienbus<br />

ein, der schnurgerade vor der LGT vorbeifuhr. Wahrhaftig, der dunkle<br />

Audi A8 war fast an derselben Stelle wie letzte Woche parkiert.<br />

Niemand war im Wagen. Ich duckte mich fest in den Bussitz und stieg<br />

erst an der allerletzten Haltestelle aus. Ich schlich mich nach Hause und<br />

setzte mich im Dunkeln ins Zimmer. Was nun, dachte ich.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (C)<br />

Spät am Nachmittag erreichte Hans-Adam auf Schloss Vaduz ein<br />

wichtiger Anruf der LGT Bank. Gerade hätte die IT-Abteilung von der<br />

Treuhand berichtet, dass sie den in den letzten Tagen geäusserten<br />

Verdacht als Tatsache bestätigen könnte: Kieber hätte die Daten NICHT!<br />

Kieber konnte sie nicht haben. Hans-Adam war ausser sich vor Freude<br />

und Hass zugleich.<br />

Ja, Ja nickten sie alle in der KKZ. Kieber hatte ja auch kein einziges<br />

Dokument als Beweis geliefert, wie es sonst so üblich ist, meinten alle.<br />

Jetzt zeigen wir dem Kieber mal so richtig, wer hier der Herr im Ländle<br />

ist, schwelgten sie im süssen Sieg. Sofort wurden die Regierung und die<br />

Justiz auf den neusten Stand gebracht. Alle Beteiligten ausser dem<br />

Professor waren in einem Rausch nach Rache. Ihre Brummschädel waren<br />

260


verschwunden. Es wurde beschlossen, den Kieber zum Abschuss<br />

freizugeben. Auge und Auge, Zahn um Zahn.<br />

Und hier, liebe Leserinnen und Leser wird es wieder sehr interessant!<br />

Hans-Adam ordnete das Interpolbüro in Vaduz, dass in die<br />

Liechtensteiner Polizei integriert ist, an, eine Meldung an Interpol<br />

Wiesbaden und Madrid zu senden. Um 19.55 Uhr kam in Wiesbaden<br />

(BKA) und in Madrid eine offizielle Meldung / Warnung aus Vaduz an.<br />

Im Schreiben (in Englisch) wurden zuerst die allgemeinen<br />

Personendaten von Kieber genannt, dann folgende Punkte (mit allen<br />

Ausrufezeichen und Unterstreichungen) aufgelistet:<br />

SEHR DRINGEND !<br />

° Warnung: Kieber könnte bewaffnet sein! Er könnte<br />

geistesgestört sein!<br />

° Kieber hat schon einen Haftbefehl im Schengen-<br />

System.<br />

° Interpol Vaduz hat Hinweise, dass er sich in Berlin<br />

aufhalte. Sein genauer Aufenthaltsort ist nicht<br />

bekannt. Er kommuniziere über öffentliche Telefonzellen<br />

und Internetcafés.<br />

° Gemäss Information ist ein hohe Gewaltbereitschaft<br />

vorhanden.<br />

° Kieber ist vermutlich bewaffnet!<br />

° Kieber kann Flugzeuge und Helikopter fliegen.<br />

° Foto von Kieber liegt bei. Fingerabdrücke folgen.<br />

Im Falle einer Verhaftung von Kieber, bitte Interpol Vaduz sofort<br />

verständigen. Vielen Dank für Ihre Kooperation.<br />

Anm.: Als ich das Original und andere damit zusammenhängende Dokumente<br />

ab dem Spätsommer 2003 zum ersten Mal lesen konnte oder als Kopie inoffiziell<br />

erhalten hatte, traf mich der berühmte Schlag. Was für ein Scheiss, dachte ich<br />

mir. Nie im Leben besass ich eine wirkliche Waffe. Geistesgestört war ich auch<br />

nicht. Und Gewalt ist nun wirklich nicht mein Ding.<br />

Richtig gemeldet war, dass ich einen Berufspilotenschein für Flugzeuge und<br />

einen Schein für Helikopter besass. Man bedachte, dass Vaduz sehr bewusst<br />

vermied, irgendeinen Zusammenhang mit Bankdaten oder der LGT zu<br />

erwähnen. Aber erst Jahre später, als ich diese Meldung diversen Polizei- und<br />

Justizbehörden im Ausland zeigen konnte, wurde mir klar, warum Liechtenstein<br />

261


schwarz auf weiss gelogen hatte. Die ausländischen Experten fanden den<br />

Hintergedanken für solche massive Falschinformationen (bewaffnet,<br />

geistesgestört und gewaltbereit), kombiniert mit dem Hinweis, dass ich fliegen<br />

kann, sehr schnell: Mit den Worten „bewaffnet, geistesgestört, hohe<br />

Gewaltbereitschaft“ sollte der Eindruck beim BKA und in Madrid erweckt<br />

werden, dass es sich hier um einen sehr gefährlichen Mann, ja fast um einen<br />

„Terroristen“ („kann Flugzeuge fliegen“) handeln würde.<br />

Man bestätigte mir, dass dieses offizielle Schreiben von Interpol Vaduz sehr<br />

unprofessionell und entgegen den Vorschriften war. Für die Profis war schnell<br />

ersichtlich, dass man sich in Liechtenstein offenbar erhoffte, dass man quasi<br />

Kieber zuerst an- oder besser erschiessen würde und erst dann Fragen stellen<br />

würde. Auch wurde deutlich, dass Hans-Adam und seine Regierung das<br />

Interpolbüro in Vaduz für ihre individuellen, privaten Zwecke missbrauchten.<br />

Hans-Adam beschloss zusammen mit der Regierung, dass man sich die<br />

günstige Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, den Deutschen etwas<br />

mehr „unter die Arme‚ zu greifen. Man rief Kaiser, der irgendwo im<br />

Grossraum Berlin im Auto sitzend auf weitere Instruktionen wartete, auf<br />

dem Autotelefon an. Die Lage hätte sich drastisch verändert. Er sollte<br />

sich kundig machen, wie die Telefonnummer einer dem LGT Büro nahe<br />

liegenden Polizeistelle ist. Dann sollte er wie geplant um ca. 17.30 Uhr<br />

den Wagen vor der LGT Berlin parken und kurz vor 18.00 Uhr<br />

aussteigen, aber die Türen nicht abschliessen. Er sollte sich in ein<br />

Restaurant oder Café setzen von wo aus er den Wagen und die<br />

unmittelbare Umgebung gut beobachten könnte. Sollte er Kieber<br />

kommen sehen, so müsste er die Berliner Polizei unverzüglich anrufen<br />

und mitteilen, wo genau am Kurfürstendamm sich die international<br />

gesuchte Person mit Namen Kieber Heinrich aufhalte.<br />

Kaiser rief dann zehn Minuten später in Vaduz zurück und meldete,<br />

dass er die nächstgelegene Polizeidienststelle gefunden hätte, sie wäre<br />

sogar in derselben Strasse. Am Kurfürstendamm Nr. 142. Also dann, er<br />

solle die Augen offen halten, wurde ihm zum Abschied gesagt. Aber<br />

Kieber war dann weit und breit nicht zu sehen. Kaiser wartete noch bis<br />

ca. 18.45 Uhr, immer den Wagen beobachtend und die Nummer der<br />

Polizei griffbereit.<br />

Um 19.00 Uhr rief er via Autotelefon auf dem Schloss an und vermeldete<br />

das Misslingen dieser Massnahme. Er durfte sich ein Hotel in Berlin<br />

suchen und sollte am nächsten Morgen in der Früh wieder nach Hause<br />

fahren.<br />

262


VADUZ 24. Januar 2003 (vormittags)<br />

Um 08.40 Uhr schreibt Hans-Adam die ultimativen Worte:<br />

Die gesetzte Frist ist abgelaufen. Variante zwei läuft.<br />

BERLIN 24. Januar 2003<br />

Im Hinterkopf störte mich irgendetwas am Gespräch mit Hans-Adam.<br />

Ich hatte so ein komisches Gefühl. Es war nicht einfach für mich, einen<br />

klaren Kopf zu behalten. Tief durchatmen, tief durchatmen. Es war ein<br />

besondere Satz von ihm: „Die Daten, die sie glauben zu haben‚.<br />

Was meinte er wohl damit? Oh – NEIN, jetzt dämmerte es mir:<br />

„Die Daten die sie glauben zu haben‚.<br />

Die in Vaduz glaubten mir also nicht! Natürlich, dass musste es sein.<br />

Sonst würden sie doch nicht so cool daherreden. Oh mein Gott. Ein<br />

Desaster. Darum lief die 2. Variante nun?! Ich befürchtete, die Berliner<br />

Bullen würden gleich vor meiner Haustür stehen.<br />

Um 12.40 Uhr schrieb ich Hans-Adam folgenden Text:<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Obwohl ich gestern um die Frist bis heute Nachmittag bat —<br />

haben sie die 2. Variante aktiviert. dann kann man jetzt nichts<br />

mehr machen. ich möchte zum Schluss noch folgendes sagen: ich<br />

bin mir sicher, dass beim gestrigen Telefongespräch mit mir in<br />

diesem detail und Klarheit geredet wurde, um sich später<br />

abzusichern, sicherlich wurde das Gespräch aufgezeichnet und<br />

dient für evt. spätere Erklärungen. ich wurde vorverurteilt wie<br />

ich es schon kannte. wie ich jetzt sehe‚ ist mit einer Hilfe aus<br />

meinem Heimatland nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil. ich<br />

war dumm dies zu glauben — aber eben unser F... war meine<br />

letzte Hoffnung diese stirbt zuletzt. das ich das Tape zu mir<br />

genommen habe — war ein Fehler. der F. sagte im gestrigen<br />

Gespräch (sinngemäss) "die Daten, die ich angeblich habe", sollte<br />

ich besser vernichten; damit es‚ wenn es zu Verhaftung kommt,<br />

keine weiteren Probleme für mich gibt. dazu möchte ich wie folgt<br />

sagen: A) wenn auch nur der kleinste Zweifel vorhanden war,<br />

dass ich die Daten vom Tape lesbar machen konnte, dann hätten<br />

263


sie mir aus der bandbreite der Mandats-Nummern (wie ich sie im<br />

Brief beschreiben habe) 1, 5 10 ‚ 20 oder 30 willkürlich<br />

ausgewählte MAN-Nummern nennen können und ich hätte<br />

ihnen die dazugehörigen Daten der MAN auf CD gebrannt und<br />

zukommen lassen. soweit zu den Daten. ich besitze genau die<br />

Daten darüber, die ich im Brief geschildert habe. B) wieso soll ich<br />

die Daten jetzt vernichten, da wo mein eigenes land mich bei den<br />

Behörden hier preisgibt??? Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht<br />

im kopf hatte, die Daten zu verwerten, ich glaubte —<br />

fälschlicherweise — dass mir mein F. helfen kann. nun bin ich<br />

aber soweit: gehe ich unter — geht teilweise Liechtenstein mit<br />

mir. alles kann man überleben — so wie es der F. gestern sagte.<br />

ich glaube ihm aber nicht (vermutlich haben ihn seine Berater<br />

dazu bewogen sich so zu äussern), dass er wirklich es so meinte,<br />

als er sagte, dass die Bekanntgabe der Daten der tausender von<br />

Kunden ihm nichts aus macht. er ist sich wie ich und alle<br />

Mitwisser des Flächenbrands voll bewusst. ich bin nur ein kleiner<br />

fisch mit einem dicken „Datenbuch‚. ich bin kein Mörder...<br />

vermutlich haben auch seine Berater ihm geraten mir einzureden,<br />

dass weder das eine noch das andere land wirklich Interesse an<br />

den Daten haben könnte. diese Auffassung entspricht nicht der<br />

Wirklichkeit. ich bin aus Berlin jetzt raus und werde meinen weg<br />

suchen‚ um das schlimmste zu verhindern. ich werde nicht mehr<br />

mit ihnen kommunizieren, da sie sich ja gegen mich entschieden<br />

haben. falls sie ein Schlusswort eingeben möchten, steht dies<br />

ihnen frei. ich werde in den nächsten tagen noch 1 mal hier<br />

hineinschauen. ich danke denen‚ die mir glaubten und<br />

verwünsche jene, die gegen mich waren.<br />

Natürlich war ich aus Berlin noch nicht raus. Wohin sollte ich auch<br />

gehen. Ich kam mir sehr verlassen vor und meine letzte Hoffnung war,<br />

dass die in Vaduz endlich den Durchblick erlangen würden und sich<br />

wieder melden würden. Dass die Behauptung von Hans-Adam, kein<br />

Land hätte Interesse an den Daten, ein schwachköpfiger Witz war,<br />

musste sowohl mir als auch ihm von Anfang an klar sein. Langsam aber<br />

sicher begriff ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich aus Berlin<br />

wegginge.<br />

264


VADUZ 24. Januar 2003 (nachmittags)<br />

Das KKZ war den ganzen Tag berauscht anlässlich des Siegs über<br />

Kieber. Einige Stimmen wurden zwar laut, da sie befürchteten, dass<br />

Kieber in den Händen der Deutschen dennoch Schaden anrichten<br />

könnte, da er zu viel wusste – auch ohne das Datenmaterial zu besitzen.<br />

Hans-Adam äusserte sich dazu später am Tag, wobei er versicherte, dass<br />

er und auch die ganze heimische Bankenwelt dies schon überleben<br />

würden.<br />

So viel konnte Kieber gar nicht wissen, beruhigte man sich gegenseitig.<br />

Und ohne Material, wer sollte da dem Kieber ein einziges Wort glauben.<br />

Die Freude war unmessbar. Die Daten sind sicher, jubelten sie. Niemand<br />

knackt unsere Tresore. Die Truppe war lediglich enttäuscht darüber,<br />

dass man Kieber am Vortag den Deutschen nicht bei der ersten<br />

Gelegenheit auf dem Tablett hatte servieren können.<br />

Man loggte sich zwar noch einmal ins Emailkonto ein, druckte die<br />

Mitteilung von Kieber von 12.40 Uhr auf Papier und löschte den Text<br />

ohne eine Antwort zu hinterlassen. Nach kurzer Beratung mit dem<br />

Professor entschloss man sich, Hans-Adam, das grosse Staatsoberhaupt,<br />

nicht mehr mit der Causa Kieber zu belästigen und ihm daher das letzte<br />

Schreiben vorerst nicht vorzulegen. Bei der STA, speziell in Hauns Büro,<br />

rieb man sich schon mal die Hände und hoffte, dass Kieber bald in Berlin<br />

oder sonst wo gefasst würde.<br />

Mehr als das! „Wenn schon – denn schon‚, sagte mach sich im KKZ und<br />

befand, dass es wieder einmal an der Zeit wäre, für die „armen<br />

Verbrecher" Helmut Roegele, seine Frau Hidalgo und seinen Schwager<br />

Karl-Heinrich K. sowie den Spanier Mariano M.-V. etwas zu tun.<br />

Interpol Vaduz wurde um 15.15 Uhr und 16.00 Uhr befohlen, nochmals<br />

eine dringende Meldung nach Wiesbaden und Madrid zu senden. Darin<br />

bat Liechtenstein die zwei Länder,<br />

OZA- doch bitte die Roegele’s & Co. zu warnen, denn es könnte sein,<br />

dass Kieber auf dem Weg zu ihnen sei und ihnen schlimmes antun<br />

würde. Er sei sehr gefährlich. Er habe zwar bis heute noch nie jemanden<br />

bedroht und auch sonst nie Gewalt angewendet, aber Interpol Vaduz<br />

gehe davon aus, dass er es tut -OZE.<br />

265


Gewisse Mitglieder des KKZ, im Delirium vom hohen Ross nicht mehr<br />

runterzukriegen, verschärften den Ton und schwadronierten darüber,<br />

dass sie doch einen Versuch unternehmen sollten, Kieber selber dingfest<br />

zu machen. Sie hätten doch alles Recht der Erde dafür.<br />

So wie man Kieber kenne, hätte der wieder unbegreifliches Glück und<br />

könnte auf nimmer Wiedersehen abtauchen. Vertreter der Polizei, der<br />

Justiz und der Professor distanzierten sich sofort von solchen Gedanken.<br />

Der Professor, als Topfachmann und einzige Psychologe, versicherte den<br />

Anwesenden, dass Kieber sicher nicht untertauchen würde. Er könnte<br />

nun allerdings nicht ausschliessen, dass Kieber, von dem Handeln des<br />

KKZ in die Enge gedrängt, eine Kurzschlusshandlung beschliesst und<br />

sich den Amis oder Deutschen anvertraut.<br />

Daten oder keine Daten – das spielte keine Rolle.<br />

BERLIN 25. – 30. Januar 2003<br />

Am Samstag wachte ich schweissgebadet und mit Kopfweh auf, als hätte<br />

Godzilla mir eine runtergeknallt. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Ich<br />

war sicher, dass meine sehr präzisen Angaben bezüglich der Daten im<br />

Brief vom 07.01. an Hans-Adam reichen würden. Nie kam mir in den<br />

Sinn, eine Kopie der Daten als Beweis dem Hans aufs Schloss zu<br />

schicken. Warum auch?<br />

Wenn er Zweifel an meinen Angaben gehabt hätte, dann könnte er ja<br />

runter ins Tal gehen und selber nachschauen; es war ja seine eigene<br />

Firma, die LGT Treuhand. Und wenn er wirklich Skepsis gehabt hätte,<br />

warum hatte er mich dann am Telefon nicht direkt gefragt? Vielleicht<br />

war dies wieder so ein Psychospiel von denen in Vaduz, mutmasste ich.<br />

Sie mussten doch wissen, dass ich die Daten hatte. Eventuell wollten sie<br />

mich nur unter Druck setzten, sodass ich Angst bekam und schnell nach<br />

Hause kommen würde. Ein hochriskantes Manöver, meiner Meinung<br />

nach.<br />

Angst? Ich? Jetzt? Mein Begriff „von wirklich Angst haben‚ war im März<br />

und April 1997 neu definiert worden. Aber dennoch, vermutlich hatte<br />

Hans-Adam so gute Berater, dass man schon in den zwei Wochen, seit<br />

ich Liechtenstein verlassen hatte, entdeckt hatte, dass ich den drastischen<br />

Schritt, die Daten auszuhändigen, einfach NICHT machen konnte. Der<br />

Grund: Ich war ja selber ein Bürger Liechtensteins, mit Heimatgefühlen,<br />

266


ein Monarchist durch und durch, konnte Gutes von Bösem auseinander<br />

halten. Nach dem Frühstück änderte sich meine Meinung schlagartig:<br />

nicht aus Berlin raus, nein weglaufen bringt nichts. Wenn sie mit dem<br />

Feuer spielen wollten, Bitte Schön!<br />

Ich setzte mich an meine kleine Kommode im Zimmer und bereitete<br />

einen vier Seiten langen, handgeschriebenen Brief auf Englisch vor.<br />

Darin schilderte ich dem US-Botschafter in Berlin, Hr. D.R. Coasts und<br />

seinem Vize T.R. Suell meine Lage und bat um Hilfe.<br />

Ich verabschiedete mich von Petra, die sich gerade aufmachte, ihren<br />

Freund besuchen zu gehen. Ich nahm die externe Harddisk, packte sie<br />

zusammen mit meinem Pass in die Manteltasche und fuhr mit den<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln so nahe wie möglich an die US-Botschaft in<br />

die Neustädtische Kirchstrasse Nr. 4-5.<br />

War schwer Bewacht die Bude. „9/11‚ war ja noch sehr frisch in den<br />

Köpfen. Ich schlenderte an der Botschaft vorbei und versuchte so gut es<br />

geht keine Aufmerksamkeit bei den Polizisten zu erwecken. Auf einmal<br />

war ich mir meiner Mission nicht mehr sicher. Würden die Amis ohne<br />

vorherigen Kontakt (Telefon, Emails), meine Geschichte verstehen,<br />

verstehen wollen? Hätten sie genügend Zeit für mich? I didn’t know!<br />

Ich könnte ja später wieder kommen. Ich notierte mir die Öffnungszeiten<br />

für Besucher/Antragsteller und nahm den Bus zum Zoologischen Garten.<br />

Dann kam mir in den Sinn, dass ich den nahe liegenden Wittenberg Platz<br />

ja vermeiden musste, wegen meiner früheren Vermieterin Daniela. Ich<br />

spazierte den ganzen Tag herum. Auf einmal stand ich in der Strasse, in<br />

der auch das Finanzministerium ist, in der Wilhelmstrasse. Ob dies ein<br />

Zeichen war, fragte ich mich. Es musste etwas her, was mich ablenken<br />

würde. Sport war immer gut dafür. Ein Schwimmbad hatte offen und ich<br />

schwamm mindestens 60 Minuten und konnte meine Gedanken dabei<br />

wieder reinwaschen und ordnen. Hungrig wie ein Bär nach dem<br />

Winterschlaf würgte ich nach dem Schwimmen einen feinen Kebab<br />

runter. Da neben der Fastfoodbude praktischerweise ein türkischer<br />

Coiffeur & Barbier war, machte ich mich 35 Minuten später frisch<br />

geschnitten und sauber rasiert auf den Heimweg.<br />

Der Sonntag war einer der einsamsten, den ich je erlebt hatte. Was mir<br />

etwas Tröstung gab, war die Gewissheit, dass einige in Vaduz derzeit<br />

267


auch kein leichtes Leben hatten. Nach langem Grübeln entschloss ich<br />

mich am Montag, einen Beweis nach Vaduz zu liefern.<br />

Der 27. Januar kam und ich stand schon als erster Kunde vor der Berliner<br />

Sparkassenfiliale, wo ich meinen Laptop im Safe verstaut hatte. Ich<br />

entnahm ihn und fuhr mit dem Taxi in Richtung Wohnung, wobei ich<br />

mich ca. 800m Meter davon entfernt absetzten liess. Sicher ist Sicher.<br />

Für eine gute Weile musste ich die Software für die Entschlüsselung<br />

laufen lassen. Erst dann konnte ich die Daten lesen. Die Frage war nun,<br />

wie viel von den hunderttausende Dokumenten ich als Beweis auf<br />

externe Datenträger, die ich irgendwie nach Vaduz befördern musste,<br />

brennen sollte. Ich hätte nach Mandatsnummer oder dem Alter des<br />

Mandats gehen können, oder nach der Grösse der Vermögen, oder nach<br />

einer eigenen Liste der dicksten Leichen im Keller oder PEPs (Politisch<br />

exponierte Persönlichkeiten oder Parteien).<br />

Da ich reichlich Zeit hatte, fand ich es genüge, wenn ich ca. 10 Prozent<br />

der Gesamtmenge aller Kundendaten auf die CDs brannte. Das sollte<br />

genügen, um die in Vaduz zu überzeugen. Ich schloss die externe<br />

Master-Harddisk, eine eins zu eins Kopie des DLT-Tapes, an den Laptop<br />

an. Dann wählte ich Daten aus fast allen Kundendossiers aus und<br />

brannte diese unverschlüsselt und unkomprimiert auf vier neue CDs mit<br />

jeweils 700 MB Speicherplatz.<br />

Ich inkludierte alle PEP-Mandate sowie auch ca. 25 Prozent aller Leichen<br />

(Mandate mit erkennbarem kriminellen Hintergrund, mit oder ohne<br />

Mitwirkung der LGT Gruppe). Darin waren auch alle jene Mandate (von<br />

US- und Deutschen Kunden), die ich im Brief vom 7.1.03 an Hans-Adam<br />

unter Punkt V. + VI. geschildert hatte.<br />

Anm.: Mit Absicht hatte ich keine der massenhaften INTERNEN, nicht<br />

mandatspezifischen Dokumente auf die CDs kopiert, da ich nicht preisgeben<br />

wollte, an welchem Datum ich 2002 das Back-Up-Tape entwendet hatte und sie<br />

anhand solcher Dokumente den Tag sehr genau hätten errechnen können.<br />

Bis heute weiss niemand in Vaduz, welche und wie viel interne Dokumente in<br />

meinem und nun im Besitz der ausländischen Strafverfolgungsbehörden sind.<br />

Was den Letzteren immer noch zum strategischen Vorteil dient.<br />

268


Das Total der Daten auf den vier CDs erreichte dann genau 1,590<br />

Gigabyte. Ich hätte diese vier CDs auch aus Sicherheitsgründen<br />

verschlüsseln können, entschied mich aber dagegen, da ich vermeiden<br />

wollte, dass noch mehr Zeit verloren ging und unvorhergesehene<br />

Störungen erst gar nicht aufkommen konnten.<br />

Nicht, dass ich an der Fähigkeit der IT-Abteilung der LGT gezweifelt<br />

hätte, verschlüsselte Daten mittels mitgelieferter<br />

Entschlüsselungssoftware lesbar zu machen. Aber die Tatsache, dass sie<br />

meine Entwendung des DLT-Tapes und somit den Besitz der Daten<br />

offenbar kategorisch abgelehnt hatten, musste ich in meinem Denken<br />

und Handeln berücksichtigen. Zudem hatte ich ja vor, die Daten auf den<br />

CDs zusammen mit Instruktionen Hans-Adam zukommen zu lassen,<br />

sodass er mittels einem seiner Computer im Schloss die Dateien ohne<br />

Probleme öffnen könnte.<br />

Das grösste Problem für mich war, die CDs sicher bei Hans-Adam<br />

abzuliefern, ohne die Daten und natürlich mich selbst in Gefahr zu<br />

bringen. Am Besten wäre es, wenn ich von meinem Plan überhaupt<br />

nichts im Voraus erzählte. Viele Möglichkeiten hatte ich ja nicht. Nach<br />

Vaduz zu reisen? Logischerweise NIE. Jemand von dort nach Berlin zu<br />

beordern? Keine gesunde Idee. Hatte sich ja gezeigt. Per Einschreiben die<br />

Ware versenden? Zu grosses Risiko, da das Paket verloren gehen könnte.<br />

Zudem würde eine solche Sendung über den Schweizer Zoll gehen, was<br />

auch nicht wünschenswert war.<br />

Schliesslich fand ich eine Lösung. Das kleine Liechtenstein hatte ja eine<br />

eigene Botschaft in Berlin. Und zwar eingegliedert in eine<br />

Rechtsanwaltskanzlei oder ähnlichem. In der Mohrenstrasse 42, in Berlin<br />

– 10117. Ich war mir ganz sicher, dass die von der Botschaft nichts von<br />

dem Drama der vergangenen 14 Tage wussten. Ich erinnerte mich, wer<br />

der nicht residierende Botschafter von Liechtenstein in Deutschland war.<br />

Er wohnte noch im Ländle. Erst viele Monate später, als Liechtenstein<br />

eine Villa in bester Lage in Berlin kaufte, siedelte er um. Ich rief die<br />

Botschaft an und meldete mich unter dem Namen Sebastian. Eine Frau<br />

Namens Frenkel gab mir die Öffnungszeiten bekannt und ich bedankte<br />

mich brav. Bevor ich dort aufkreuzen wollte, musste ich die Umgebung<br />

genau inspizieren. Es war ein nicht gerade schönes Bürogebäude,<br />

obwohl relative neu. Eine kleine Tafel informierte die Passanten, dass<br />

hier die Botschaft Liechtensteins angesiedelt war. Ich fuhr mit dem Lift<br />

269


in die angegebene Etage und schaute mich um. Alles OK. Ich entschloss<br />

mich, die CDs spätestens am Mittwoch, den 29.01. ohne Ankündigung<br />

bei der Botschaft abzugeben.<br />

Am Dienstag, den 28.01. fertigte ich zwei Briefe an, einen von Hand,<br />

einen brannte ich auf CD.<br />

H. Kieber, 28.01.2003 - An die Liechtensteinische Botschaft z. Hd.<br />

Frau Frenkel, Mohrenstrasse 42 - 10117 Berlin - Sehr geehrte Frau<br />

Frenkel. In der Beilage erhalten Sie einen Umschlag, der für<br />

unseren Fürsten, S.D. Hans-Adam der II. bestimmt ist. Es sind<br />

Datenträger im Umschlag. Ich bitte Sie, das Schloss in Vaduz<br />

oder die persönliche Handynummer S.D. 00423 xxx xx xx gleich<br />

anzurufen und mitzuteilen, dass ein Umschlag mit Daten S.D.<br />

abgegeben worden ist. Ich bitte Sie, die Weiterleitung an S.D.<br />

gemäss seinen Wünschen auszuführen. Wenn S.D. eine<br />

Abholung per Gesandten nicht wünscht, bitte ich auf jeden Fall<br />

den Umschlag mit Diplomatenpost nach EL zu versenden, da die<br />

Daten unverschlüsselt sind. Ich danke viel Ihnen vielmals und<br />

verbleibe mit freundlichen Grüssen H.K.<br />

Anschliessend brachte ich den Laptop zurück in den Banksafe.<br />

Am Mittwochmorgen packte ich die CDs in ein Kuvert und schrieb mit<br />

dickem Filzstift drauf: Bitte Aushändigen - Persönlich/Vertraulich. An<br />

S.D. Fürst Hans-Adam, Schloss Vaduz, 9490 Vaduz, F. Liechtenstein. Auf<br />

der Rückseite: H.Kieber. Dieses Kuvert verklebte ich mit breitem<br />

Paketklebeband und steckte es in ein grösseres Kuvert. Darauf notierte<br />

ich: FL-Botschaft, Frau Frenkel, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin.<br />

Ich begab mich zu dieser Adresse und fuhr mit dem Lift hoch. Ich betrat<br />

das Büro und fragte nach Frau Frenkel. Sie kam und ich sagte ihr in<br />

wenigen Worten, dass ich den Auftrag hätte, dieses Paket hier<br />

abzugeben und sie zu bitten, das Fürstenhaus gleich anzurufen. Die<br />

würden auf ihren Anruf warten, täuschte ich vor. Vielen Dank und auf<br />

Wiedersehen. Sie wollte noch was fragen, aber ich war schon auf dem<br />

Sprung hinaus. Rauf, rein, runter, raus - alles innerhalb von 2 Minuten.<br />

Ich entfernte mich so schnell es ging von der Botschaft. Um ganz sicher<br />

zu gehen, dass Hans-Adam die Ware bekommen würde, ging ich in ein<br />

Internetcafé und schrieb von meinem eigenen Emailkonto aus aufs<br />

Schloss. Keine vielen Sätze. Ich vermerkte lediglich, dass gerade<br />

270


Datenmaterial für Hans-Adam bei der FL-Botschaft in Berlin abgegeben<br />

worden war.<br />

Bitte, er solle sich gleich darum kümmern, da die Daten unverschlüsselt<br />

wären. Es hatte natürlich einen Grund, warum ich für diese Mitteilung<br />

nicht das gemeinsame Emailkonto auf catholic.org verwendet hatte. Ich<br />

wollte dieses mal Hans-Adam die technische Möglichkeit geben,<br />

nachzuprüfen, ob meine Email wirklich aus Berlin kam.<br />

Dank der IP-Adresse könnte er dies herausfinden. Mit der Zuversicht,<br />

dass der Ball wieder bei Hans-Adam lag, begab ich mich erleichtert auf<br />

den Heimweg.<br />

Unangenehme Nachrichten gab es aber dann bei Ankunft. Petra hatte<br />

ihrem eifersüchtigen Schatz erzählt, dass ich bei ihr in Untermiete war.<br />

Er sei sehr beunruhigt darüber und Petra bat mich darum, etwas anderes<br />

zu suchen. Was konnte ich da noch erwidern? Ich erreichte, dass ich<br />

noch bis zum Montag, den 03. Februar bleiben konnte. Ich war mir<br />

sicher, dass ich etwas anderes finden würde.<br />

VADUZ 25. – 30. Januar 2003<br />

Mit einer Mischung aus Angespanntheit und Verdrängung ging man in<br />

Vaduz mangels neuer Nachrichten in der Causa Kieber dem gewohnten<br />

Gang der Dinge nach. The Show must go on! Hans-Adam und seine<br />

Familie waren in der Endphase des erbitterten Abstimmungskampfs<br />

über die neue Verfassung für Liechtenstein. Die Abstimmung war für<br />

März 2003 geplant. Eine neue Verfassung, die einseitig von ihm<br />

erwünscht wurde und von seinen eigenen Experten formuliert wurde,<br />

würde dem Hans-Adam noch nie da gewesene Macht verleihen.<br />

Insbesondere in Sachen Richterernennung, und -bestätigung, der<br />

Auflösung des Parlaments, dem Notrecht und anderen grundstaatlichen<br />

Pfeiler wurde heftig im Land gestritten.<br />

Hans-Adam hatte mehrfach damit gedroht, dass – falls er nicht die<br />

Mehrheit der Stimmen bekommen würde, er OZA- mit Sack und Pack<br />

(Familie und Bilder) nach Wien auswandern würde -OZE. Er sagte auch,<br />

OZA- dass sich das Ländle seiner Meinung nach, dann Microsoft nennen<br />

könnte -OZE. Den Namen „Liechtenstein‚ nehme er ja mit (nach Wien).<br />

271


Die Befürworter und Gegner waren in ungefähr zwei gleichgrosse Lager<br />

geteilt. Trotzdem erlebte die Mehrheit der Liechtensteiner wie<br />

anmassend und verletzend Hans-Adam mit einigen Bürgern und<br />

demokratisch gewählten Politikern umging. Insbesondere die, die sich<br />

offen gegen die neue Verfassung stellten, erlebten blanken Horror.<br />

Hans-Adam hatte immer schon eine hinterlistige, sehr perfektionierte<br />

Strategie, um seine (politischen) Gegner mit Worten zu verletzen.<br />

Wirkliche Gegner waren es aus seiner Sicht ja eh nicht. Hans-Adam<br />

kalkulierte sehr clever. Er wusste, solange er die Fiktion der<br />

aufziehenden, bösen Wolken am Himmel über Liechtenstein, die wie ein<br />

Hurrikan über die Menschen herabstürzen würden sobald das Blaue<br />

Blut abzieht, in den Köpfen vor allem der älteren Bevölkerung frisch<br />

hielt, solange konnte er sich einem Sieg sicher sein. Ich selber war ja ein<br />

Monarchist. Ich verbinde vor allem wunderschöne und persönliche<br />

Erinnerungen mit den 1989 verstorbenen Eltern von Hans-Adam, Fürst<br />

Franz-Josef und Fürstin Gina. Beide waren ein ganz anderer<br />

Menschenschlag.<br />

Am Montag, den 27.01. exekutierte man eine Razzia in zwei Wohnungen<br />

in Balzers. Man wartete, bis die Bewohner nicht anwesend waren. Es<br />

wurde nichts gefunden. Dann aber am Mittwoch, den 29.01., keine zehn<br />

Minuten nachdem auf Schloss Vaduz eine neue Email von Kieber<br />

geöffnet und gelesen wurde, rief der Liechtensteiner Botschafter aus<br />

Berlin an. Er fragte, ob Hans-Adam anwesend sei. Man verneinte dies. Er<br />

habe ein versiegeltes Kuvert für Hans-Adam in den Händen. Auf der<br />

Rückseite stehe „H.Kieber‚. Und dazu einen handgeschriebener Brief.<br />

Man bat ihn diesen am Telefon vorzulesen, die Leitung sei relativ sicher.<br />

Er las ihn vor. Auf Grund der ihr bekannten Sachlage, stellte die<br />

Sekretärin im Schloss den Anruf zum Bürotisch von Erbprinz Alois<br />

durch. Dieser fragte den Botschafter, ob er Kieber gesehen hätte, was<br />

dieser verneinte. Man kenne die Person, die den Umschlag abgegeben<br />

habe, nicht. Gemäss Frau Frenkel soll es sich um einen "Kurier"<br />

gehandelt haben. Alois ordnete an, den Umschlag NICHT zu öffnen und<br />

bat den Botschafter so schnell wie möglich die Ware persönlich nach<br />

Vaduz zubringen. Um eine mögliche Kontrolle zu vermeiden, solle der<br />

Botschafter den Diplomatenkoffer als Transportmittel für die Daten<br />

verwenden. Ein Diplomatenkoffer kann von Deutscher Seite aus nicht<br />

inspiziert werden.<br />

272


Bei nächster Gelegenheit wurde Hans-Adam von seinem Sohn<br />

informiert, anschliessend die Mitglieder des KKZ. Es wurde eine Sitzung<br />

des KKZ für Donnerstagmittag, 13 Uhr anberaumt. Bis dahin sollte der<br />

Botschafter angekommen sein. Nach Ankunft in Zürich am Donnerstag,<br />

den 30.01. wurde der Botschafter von Chauffeur Kaiser abgeholt und<br />

direkt aufs Schloss gefahren. Er wunderte sich etwas über die grosse<br />

Aufmerksamkeit, die er da erleben durfte. Er wurde weder von Hans-<br />

Adam noch vom KKZ je aufgeklärt. Als gebildeter Mann konnte er sich<br />

schon einiges nahe der Wahrheit selber vorstellen. Die CDs wurden im<br />

Schloss vom Botschafter abgegeben und vom Sekretariat bis auf den<br />

nächsten Tag in einem Safe eingeschlossen, weil Hans-Adam selber beim<br />

Öffnen der Datei anwesend sein wollte.<br />

Einige Mitglieder des KKZ gerieten kurzzeitig in Panik, da sie in der<br />

Hektik etwas missverstanden hatten. Irgendjemand hatte gesagt, dass<br />

Kieber angeblich CDs mit LGT-Kundendaten der US-Botschaft gegeben<br />

hätte und die Amis sich nun gemeldet hätte. Weiterhin wurde gesagt,<br />

dass man davon ausgehen müsste, dass die Daten echt seien. Es folgten<br />

ein paar klärende Telefonate zwischen dem KKZ, dem Büro des<br />

Regierungschefs und dem Schloss. Erleichtert, dass es sich um die eigene<br />

Botschaft und nicht die der Amis handelte, warteten alle gespannt auf<br />

den nächsten Tag und was ihnen Hans-Adam berichten würde.<br />

273


KAPITEL 10 Heinrich! Mir graut’s vor Dir.<br />

VADUZ 31. Januar 2003<br />

Zu ungewöhnlich früher Stunde waren Hans-Adam und sein Sohn in<br />

ihren Büros schon sehr aktiv. Der Bankdirektor konnte nicht anwesend<br />

sein, da er ausser Lande war. Im Hinterkopf der Hochwohlgeborenen<br />

muss es wohl immer noch das Hirngespinst gegeben haben, Kieber habe<br />

die Daten nicht. Hans-Adam kam auf die übergeschnappte Idee, dass<br />

Kieber ihm anstelle der behaupteten Daten einen Computervirus, oder<br />

noch schlimmer, eine Briefbombe geschickt haben könnte.<br />

Da weder er noch sonst jemand aus seiner Familie sich die Finger<br />

verbrennen wollten, rief man die Kriminalpolizei zu sich. Diese brachte<br />

das Paket in ihre Spezialabteilung unten im Polizeigebäude. Während<br />

eines Telefongesprächs mit dem Schloss öffnete man unter strengen<br />

Sicherheitsvorkehrungen das kleine braune Paket. Nein, kein Sprengstoff<br />

drin, nur vier brandneue CDs. Ein Virencheck wurde durchgeführt: alles<br />

clean. Kein Virus.<br />

Hans-Adam verlangte dann sofort, dass man die CDs aufs Schloss<br />

bringen sollte. Er untersagte er seiner Polizei, sich die Dokumente auf<br />

der CD anzusehen. Er wollte von den Original-CDs eine Kopie erstellen<br />

und diese der LGT zur Prüfung geben.<br />

Doch es gab ein Missverständnis zwischen der Sekretärin vom Schloss<br />

und dem ranghohen Beamten. Er verstand es so, dass er eine<br />

originalgetreue Kopie der CDs brennen und diese zum Schloss bringen<br />

sollte. Die Originale würde er dann (ungesehen) bei der Kripo im Safe<br />

lassen. Er stelle also die Kopien her und fuhr sie hoch zum Schloss.<br />

Anm.: Hans-Adam wusste bis zum Spätsommer 2003 nicht einmal, dass seine<br />

Polizei Ende Januar 2003 irrtümlicherweise die Original-CDs behielt und diese<br />

seit damals in ihrem Safe aufbewahrte und er nur eine Kopie erhalten hatte. Ich<br />

erfuhr davon per Zufall, als ich im Spätsommer 2003 einen diesbezüglichen<br />

kleinen Vermerk der Polizei in einer anderen Aufzeichnung gefunden hatte. Ich<br />

kopierte diesen Vermerk und schickte es mit einer Kurznotiz Anfang September<br />

2003 Hans-Adam zur Kenntnisnahme ins Schloss.<br />

Oben im Schloss hatte niemand bemerkt, dass die gelieferten CDs gerade<br />

erst frisch von der Kripo gebrannt worden waren. Es wurde die erste CD<br />

in das Laufwerk gelegt. Mit jedem Klick, mit jedem Öffnen einer Datei<br />

274


wurden die Gesichter länger, die Augen grösser, der Druck im Kopf<br />

stärker. Die genauen ersten Worte sind nicht überliefert, aber Hans-<br />

Adam wünschte sich in die Zeiten Napoleons zurück (übrigens erst dank<br />

diesem Kaiser ging es mit den „von Liechtensteins‚ steil bergauf), wo<br />

Blaublut machen konnte, was es wollte. Besonders mit Leuten wie<br />

Kieber.<br />

ER HATTE DIE DATEN! ER HATTE DIE DATEN!<br />

Der Mistkerl hatte die Scheissdaten! TONNENWEISE! Augenblicklich<br />

wurde Hans-Adam bewusst, dass er von seinen Untergebenen im Land<br />

und der Führung der LGT komplett falsch informiert worden war.<br />

Die Magensäure musste sich hoch gefressen haben, als ihm und seinem<br />

Sohn klar wurde, dass sie seit sie Kieber in Deutschland via Interpol<br />

„zum Abschuss‚ freigegeben hatten, an ihrem Grabstein meisselten. Es<br />

muss eine sehr absurde Situation für sie gewesen sein.<br />

Es dauerte einige Stunden, bis man sich auf dem Schloss wieder beruhigt<br />

hatte. Der Professor war der Erste, den Hans-Adam zu sich rief.<br />

Psychologischer Beistand war jetzt gefragt. Der Professor, der die Daten<br />

selber nie einsehen durfte (und auch in dieser Situation nicht zu Gesicht<br />

bekam), konnte sein Kopfschütteln nicht verbergen. Es war aber kein<br />

Schütteln, weil Kieber die Daten hatte, nein, er wagte zu bemerken, dass<br />

er sie doch gewarnt hatte, nichts in Sachen inoffizielle oder offizielle Jagd<br />

und Hetzte auf Kieber zu unternehmen, solange man mit ihm reden<br />

könnte und solange man nicht zu 100 Prozent sicher war, dass er keine<br />

Daten habe.<br />

Von diesem Zeitpunkt an hörte Hans-Adam ein wenig mehr auf den<br />

Professor. Die anderen Mitglieder des KKZ wollten nicht glauben, dass<br />

Kieber die Daten hatte. Sie baten einen Blick darauf werfen zu dürfen.<br />

Insbesondere die LGT musste natürlich mit eignen Augen sehen, was<br />

ihnen abhanden gekommen war. Man schlug dem Hans-Adam vor, die<br />

vier CDs gemeinsam bei der LGT Bank, nicht bei der LGT Treuhand,<br />

anzuschauen. Hans-Adam war zuerst dagegen. Drei Stunden später<br />

beschloss er, nur eine auf dem Schloss neuerstellte Kopie der CDs auf<br />

einem Computer des KKZ öffnen zu lassen, da er Angst hatte, die LGT<br />

sei nicht in der Lage, die Daten ohne grosses Aufsehen auf ihren eigenen<br />

PCs zu laden. Nicht unbedingt ganz nachvollziehbar, jedoch hatte er,<br />

wie immer, das letzte Wort. Aber nur eine Person aus dem KKZ, die<br />

dorthin von der LGT gesandt worden war, durfte die CDs im Detail<br />

inspizieren. Die anderen Anwesenden durften aus gutem Grund nur<br />

275


flüchtig einen Blick auf die heisse Ware werfen. Die LGT Person<br />

errechnete das Total der gesamten gespeicherten Datenmenge auf 1,287<br />

Gigabyte.<br />

Anm.: Achtung! Man rechne: In Berlin abgegeben: 1,590 GB, beim KKZ<br />

angelangt: 1,287 GB. Hoppla, da fehlen ja 0,303 GB, also über 300 MB. Wo<br />

sind die denn hin? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Hans-Adam muss<br />

angeordnet haben, die seiner Meinung nach schlimmsten Mandate für die neue<br />

Kopie wegzulassen.<br />

Er wollte Verhindern, dass fremden Augen, namentlich die der Justiz, Polizei<br />

und Regierung - obwohl auf jeden Fall alle auf seiner Seite waren - Dinge sehen,<br />

die sie prinzipiell nichts angehen.<br />

Er wusste ja nicht, dass die Polizei eine eigene Kopie im Safe schlummern hatte.<br />

Ich kann auch berichten, dass einzelne Personen aus der Kripo später die Daten<br />

in der Tat gemustert hatten. Warum sollten sie auch nicht?<br />

Man kann ruhig sagen, dass allen Anwesenden kotzübel wurde, wobei<br />

auf einer Skala unten die Polizei, in der Mitte die Justiz und an der<br />

Spitze die Regierung zusammen mit der LGT einzugliedern waren. Man<br />

holte sich die Verantwortlichen der IT-Abteilung. Diese waren verblüfft<br />

und geschockt. Es machte keinen Sinn, übermässig auf die IT-Leute<br />

einzudreschen.<br />

Die KKZ beriet was man tun könnte, um zu verhindern, dass die<br />

deutschen Behörden Kieber finden würden. Die Wahrscheinlichkeit das<br />

Deutschland Kieber aktiv suchen würde, hatte Liechtenstein selber<br />

massiv gesteigert, indem es Kieber als bewaffnet, geistesgestört und mit<br />

hoher Gewaltbereitschaft gebrandmarkt hatten. Und darüber noch<br />

nachschoben, dass deutsche Bürger (Helmut R. und sein Schwager)<br />

angeblich in "Lebensgefahr" seien.<br />

Man war sich in Vaduz sicher, dass die deutsche Polizei eine in deren<br />

Augen sicher „seriöse‚ Meldung mit solchem Inhalt nicht einfach links<br />

liegen lassen würde. Etliche Varianten wurden diskutiert. Z.B. könnte<br />

man nach Deutschland eine neue Interpolmeldung senden, worin man<br />

die erste und zweite Meldung korrigierte, indem man schreiben würde<br />

dass Kieber nicht in Berlin sondern in Basel sei.<br />

Die Hinweise, die Interpol Vaduz erhalten hatte, wären falsch gewesen.<br />

Man hätte die Städte verwechselt. Oder ein anderer Vorschlag war, dass<br />

man meldete, man hätte Kieber verhaften können und es daher keine<br />

Anhaltspunkte mehr gäbe, ihn in Berlin zu vermuten oder gar zu<br />

suchen. Am Ende wurde beschlossen, keine neue Meldung in Sachen<br />

276


Kieber an Interpol Wiesbaden oder sonst jemanden in der EU zu senden.<br />

Dies darum, weil man befürchtete, dass eine erneute Meldung nur die<br />

Aufmerksamkeit auf den Fall lenken würde. Ein anderes, Hirn<br />

verbrennendes Gefühl machte sich innerhalb des KKZ breit. Vor ein paar<br />

Tagen noch wollten viele den Kopf von Kieber rollen sehen, nun war es<br />

so, dass sie ihm „zu Hilfe‚ eilen mussten.<br />

Man entschloss sich, wieder mit Kieber zu reden, ihm aber nichts über<br />

Interpol u.s.w. zu sagen, damit er nicht noch aufgewühlter würde.<br />

Langsam aber sicher sank die Erkenntnis in den Köpfen, selbst bei Hans-<br />

Adam, ein, dass Kieber mit seiner Argumentation zu Gunsten einer<br />

Schutz-ID eigentlich Recht hatte.<br />

Man kam zum Schluss, dass Kieber im Moment sicherlich sehr gut auf<br />

sich selber aufpassen konnte und einem Zugriff der deutschen Behörden<br />

zu entgehen wusste. Der Professor wurde beauftragt, eine Strategie zu<br />

entwickeln, die der neuen Lage entsprach. Das ursprüngliche Ziel aber<br />

bleibe weiterhin bestehen: die Daten und den Kieber sicher nach Vaduz<br />

bringen, koste es was es wolle.<br />

Nach einem sehr langen und harten Tag ordnete Hans-Adam an, den<br />

folgenden Text um 20.04 Uhr in das Emailkonto zu stellen.<br />

Material ist angekommen. Weitere Infos hier am Montag,<br />

03.02.2003, ca. 11:30<br />

BERLIN 31. Januar 2003<br />

Den ganzen Tag zerbrach ich mir meinen Kopf darüber, was<br />

Liechtenstein wohl alles mit der „Variante 2‚ ausgelöst hatte. Ich<br />

vermutete, dass die Schnüffler nicht zurückgepfiffen worden waren,<br />

sondern im Gegenteil, weiter im Solde Hans-Adams stehen würden, um<br />

mich zu finden und mich dann den deutschen Behörden zu übergeben.<br />

Alles abgewogen, entschloss ich, Berlin zu verlassen. Aber wohin nur,<br />

mit all den Daten und Papierdokumenten?<br />

Ich konnte keinen internationalen Flug buchen, da ich wusste, dass die<br />

Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein würde, dass ausgerechnet mein Pass<br />

oder die ID am Flughafen durch das Lesegerät gezogen würden und<br />

dann das Chrom der Handschellen blitzen würde. Ich ging die Liste der<br />

Länder durch, die ich auf dem Landweg erreichen könnte: Österreich?<br />

Nein, zu nah an Liechtenstein. Schweiz? Nein, Grenzüberschritt zu<br />

277


iskant. Frankreich? Nein, nicht mein Favorit. Polen oder sonst wo in den<br />

Osten? Nein, auch keine Alternative. Nordwärts, nach Schweden? Nein,<br />

zu lange Fahrt (und mir war schon kalt genug in Berlin). Holland? Ja.<br />

Holland. Warum nicht? In Amsterdam war ich noch nie.<br />

Ich recherchierte im Internet nach den Transportmöglichkeiten dort hin.<br />

Günstig und schnell könnte ich mit den Busgesellschaften fahren, die<br />

regelmässige Touren von Berlin nach Amsterdam anboten. Leider war es<br />

Vorschrift, dass alle Firmen vor der Abfahrt genaue Angaben zum<br />

Passagier einsammeln und speichern mussten. Dazu zählten auch die<br />

Nationalität und die Nummer des Reiseausweises.<br />

Ich fand keinen Anbieter, der diese Regel nicht auf der Firmenwebseite<br />

hatte. Eine Möglichkeit wäre, kurze Teilstrecken mit so genannten<br />

Kaffeefahrten innerhalb Deutschlands zu buchen, am Ziel auszusteigen<br />

und einfach die Rückfahrt nicht mehr anzutreten. Oder mit dem Zug bis<br />

an die Grenze zu fahren und dann weiter schauen. Per Zufall stiess ich<br />

auf Webseiten, wo private Kfz-Besitzer Mitfahrer für bestimme Strecken<br />

und Tage suchten (Mitfahrzentrale oder Mitfahrgelegenheit). Das schien<br />

mir die beste Lösung zu sein. Da keine aktuellen Angebote für eine Fahrt<br />

von Berlin nach Amsterdam vorhanden waren, trug ich mich unter<br />

einem Pseudonym als suchender, zahlender Mitfahrer ein. Gepäck: ein<br />

grosser und ein kleiner Koffer. Für eine Fahrt von Berlin nach<br />

Amsterdam ab der ersten Februarwoche 2003.<br />

Eine eigens dafür neu eröffnete Emailadresse sollte als<br />

Kontaktmöglichkeit zu mir dienen. Ich entschloss mich, heute am späten<br />

Abend nochmals ein Internetcafé aufzusuchen und nachzuschauen, ob<br />

ich Erfolg hatte.<br />

Ich lud Petra zum Abendessen ein und wir gingen in ein vor ihr<br />

gewähltes Restaurant. Ich sagte ihr, dass ich ein anderes Zimmer in<br />

Süden Berlins gefunden hätte und am kommenden Montag ausziehen<br />

würde. Sie freute sich für mich und fragte nach, ob es mir den soooo gut<br />

in Berlin gefallen würde, jetzt im hässlichen Winter? Nach dem Essen<br />

suchte ich eine Internetbude aus meiner Liste aus. Leider kein Angebot<br />

für eine Mitfahrgelegenheit nach Holland. Haufenweise in andere<br />

deutsche Städte, vor allem Münster. Aha, klar – ist ja eine grosse Uni-<br />

Stadt. Ein kurzer Blick auf die Landkarte und Münster sollte es sein. Lag<br />

nahe an der Grenze. Ich schrieb an drei Angebote und suchte dann nach<br />

einer Wohngelegenheit im Netz. Schnell fand ich eine passende<br />

Unterkunft.<br />

278


Eine Iris aus Münster suchte jemanden, der ihr kleines möbliertes<br />

Zimmer in einer WG für den ganzen Februar 2003 für 170 Euro mieten<br />

möchte. Sie sei dann in München, bei ihrer Familie. Ich notierte mir ihre<br />

Telefonnummer und rief gleich an. Sie war froh, dass sich jemand so<br />

schnell meldete, da sie das Angebot erst vor ein paar Stunden ins Netz<br />

gestellt hatte. Sie musste nach München gehen und in den harten Zeiten<br />

einer Uni-Studentin, ist jeder Euro nicht ausgegeben, einer gespart.<br />

Ich musste einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen haben, da sie<br />

sogleich zusagte aber erwähnte, dass sie morgen, Samstag schon<br />

abreisen würde. Sie vertraue mir. Die 170 Euro müsste ich auf ihr Konto<br />

bei einer Sparkasse in München einbezahlen. Bei Ankunft in Münster<br />

sollte ich an der Haustüre klingeln und man würde mir die Schlüssel<br />

geben. Super, sagte ich. Tausend Dank! Ein Problem weniger. Jetzt nur<br />

noch die Fahrt dorthin.<br />

Um ca. 23.00 Uhr las ich die Mitteilung von Hans-Adam. Mann, war ich<br />

dann wieder erleichtert. Meine Hoffnung stieg, dass ich meinem Ziel, die<br />

verdammten Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen, wieder<br />

etwas näher gekommen war. Wenn auch nur in mikroskopischen<br />

Schritten. Ich schrieb Hans-Adam nichts zurück, liess seinen Text stehen.<br />

Ich hatte ja Zeit bis Montagmittag. Ich schlief beruhigter wenn auch zu<br />

später Stunde ein.<br />

BERLIN 1.- 3. Februar 2003<br />

Moralisch gefestigt, dass ich das Richtige getan hatte, schaute ich schon<br />

morgens früh am Samstag, den 01.02. im Internet nach, ob ich Erfolg mit<br />

der Mitfahrgelegenheit hatte. Zwei der drei Kontaktierten hatten<br />

geantwortet. Der Eine würde schon am Sonntagabend von Berlin<br />

losfahren und der Andere am Montag um die Mittagszeit. Ich rief beide<br />

an. Der Fahrkostenanteil war so um die 30-40 Euros. Der Erste wollte die<br />

Kohle jetzt gleich, noch vor der Abfahrt haben, damit er sicher gehen<br />

konnte, dass ich auch zum Treffpunkt kommen würde und er nicht<br />

verarscht würde. Ich wandte ein, wie kann ich den sicher sein, dass er<br />

zum Treffpunkt kommen würde, wenn er dann das Fahrgeld schon tags<br />

zuvor erhalten hätte. Er hängte das Telefon einfach auf. Der Zweite war<br />

sehr freundlich und sagte mir zu, mich am Montag pünktlich um 12 Uhr<br />

vor dem Beate Uhse Sexladen, nähe Bahnhof Zoo abzuholen. Auf meine<br />

279


Frage hin, ob sein Auto gross genug für meine 2 Koffer wäre, sagte er<br />

„Null Problemo‚. Es würden nur er und ich im Wagen fahren.<br />

Der Abschied von Berlin war nicht einfach. Gerne wäre ich hier<br />

geblieben. Ich konnte mich mittlerweile gut in der Stadt bewegen und<br />

dass die Amis und die deutsche Regierung hier waren, empfand ich stets<br />

als eine Art Sicherheit. Nebst der geistigen Fitness, wollte ich auch<br />

körperlich am Ball bleiben. Ich hatte irgendwo gelesen, dass heute die<br />

Eröffnung eines neuen Fitnesstempel sein würde. An der Hasenheide am<br />

Herrmannplatz. Ich suchte ihn auf und konnte für ca. 20 Euro eine<br />

Tageskarte kaufen, und dann alles auf den zwei Stockwerken benutzten.<br />

Da meine Abreise und die neue Bleibe geregelt waren, hatte ich wieder<br />

Zeit, mich dem Thema Hans-Adam zuzuwenden. Um zu vermeiden,<br />

dass er wieder vorschlägt, dass ich nach Vaduz kommen sollte, und auch<br />

auf Grund der Möglichkeit, dass ich reisebedingt in den kommenden<br />

Tagen nicht ins Netz kann, dachte ich, es wäre besser, ihm eine<br />

Nachricht zu schreiben. Genau um 14.11 Uhr drückte ich die<br />

Entwurfsspeichertaste im Emailkonto.<br />

Sehr geehrte Herren, ich habe ihre Nachricht erhalten. auf Grund<br />

der nun vorliegenden Lage möchte ich folgendes mitteilen: wir<br />

haben 2 Möglichkeiten.<br />

A) wir lassen die Situation wie sie jetzt ist:<br />

° sie helfen aktiv mich zu fassen.<br />

° ich versuche das - so lange es geht - zu verhindern.<br />

° alle Beteiligten suchen nach dem besten Weg, um den Schaden<br />

für sich selber so klein wie möglich zu halten. Wobei jeder seine<br />

diesbezüglichen Möglichkeiten nutzt.<br />

B) wir finden einen Weg aus dem Drama:<br />

° das ich nicht zurückkehren kann - nachdem nun alles offiziell<br />

und amtlich ist - verstehen sie sicher.<br />

° ich bin nun in der Situation, wo ich - wie so oft in meinem<br />

Leben - alleine grundsätzliche Entscheide fällen muss. nicht das<br />

ich mich davon scheue - nein - nur die Zeit wird knapp.<br />

° abgesehen von den unrechtmässig entwendeten Daten bin ich<br />

als unschuldig anzusehen‚ solange bis das Gegenteil bewiesen ist.<br />

280


° ich habe nichts mehr zu verlieren! es klingt zwar wie ein Spruch<br />

aus einem billigen Film; aber - wenn ich meine Situation<br />

anschaue - trifft dies genau zu.<br />

° in diesen Tagen schwanke ich zwischen einer Art flucht nach<br />

vorne (was nicht beinhaltet, nach Hause zu kommen) oder einer<br />

Flucht nach hinten.<br />

Bei Variante A) bitte ich Sie nichts mehr hier hineinzuschreiben;<br />

nicht mal das Sie die „Variante A)‚ wählen oder wünschen.<br />

Löschen sie dann bitte einfach diesen ganzen Text.<br />

Bei Variante B) kommt es drauf an, was ihr und mein Ziel ist. Da<br />

u.a. meine Anwesenheit in diesem Land (Deutschland) hier<br />

offensichtlich IHR grösstes Problem darstellt, versuche ich samt<br />

den Unterlagen (die Originaldokumente machen mir zu schaffen)<br />

dies zu ändern.<br />

Es kann also sein, dass ich mich erst in der 2. Februar-<br />

Monatshälfte hier wieder melden kann. meine Hoffnung ist es<br />

zurzeit, dass man dann ein Treffen mit einem wirklich<br />

Informierten organisieren kann, um unter 4 Augen zu sprechen.<br />

natürlich bin ich mir bewusst, dass sie einen solchen Anlass als<br />

Gelegenheit für das Ziel von Variante A) missbrauchen könnten.<br />

aber ich möchte nicht mehr über das Telefon oder hier Tagelang<br />

kommunizieren.<br />

Ich hoffe Sie können dies alles nachvollziehen und ich verspreche<br />

Ihnen, dass ich mit den Daten unter keinen Umständen (mit einer<br />

Ausnahme) etwas unternehmen werde, bevor es zu einem 4-<br />

Augengespräch gekommen ist. H. K.. N.B. bitte Text markieren<br />

und für sie ausdrucken. Auch hoffe ich, dass nur ein sehr, sehr<br />

begrenzter Kreis von Menschen dieses Emailaccount samt<br />

Passwort kennen; oder?<br />

Mit diesem Text, so glaubte ich, sollte für alle wieder grösstmögliche<br />

Klarheit herrschen.<br />

Am Sonntag, den 02.02. gab es noch das letzte gemeinsame Frühstück<br />

mit Petra. Sie war an diesem Wochenende nicht weggefahren. Danach<br />

281


suchte ich den Sexladen auf, sodass ich am Montag ohne Verzögerung<br />

den Treffpunkt finden würde. Auch rief ich den Fahrer nochmals an, um<br />

ganz sicher zu gehen, dass er morgen auch fährt. Alles beim Alten. Es<br />

war der einzige Tag, an dem ich Berlin etwas entspannter geniessen<br />

konnte. Man hätte mich von einem der wenigen Touristen, die um diese<br />

Jahreszeit in Berlin herumspazierten, nicht unterscheiden können.<br />

Am Montag, den 03.02. präzise als die Glastüre der Sparkasse sich für<br />

Publikum öffnete, stand ich schon davor. Ich löste mein Konto auf, leerte<br />

den Safe und gab die zwei Safeschlüssel zurück. Den Laptop und die<br />

anderen Sachen verstaute ich in einen roten Baumwollsack einer<br />

Bäckereikette aus Berlin.<br />

Wieder zu Hause, Petra war schon arbeiten gegangen, verstaute ich alles<br />

tief unten in den Taschen. Der Computer verschwand in einer<br />

gepolsterten, schwarzen Laptoptasche aus Leder. Ich räumte mein<br />

Zimmer auf, spülte das Geschirr in der Küche ab, schrieb ein<br />

Abschiedsgruss an Petra und liess die Haustüre hinter mir zufallen. Ich<br />

schleppte die Koffer um die Ecke zu einer kleinen Berliner Kneipe. Von<br />

dort bestelle ich mir ein Taxi, das mich zum Treffpunkt bringen sollte.<br />

Dort angekommen, musste ich nicht lange warten, bis mein Fahrer an<br />

der Strassenseite vor dem Beate Uhse Laden anhielt. Er half mir beim<br />

Einladen und ich bezahlte den gewünschten Anteil an den Fahrkosten in<br />

bar.<br />

Die Fahrt ging sehr zügig voran und mir lag nicht viel an tiefen<br />

Gesprächen. Small Talk war OK. Er setzte mich in Münster vor dem<br />

Haus mit der Adresse von Iris ab. Ich bedankte mich und er verschwand<br />

im Verkehr. Vorbei an Mülltonnen zog ich mein Gepäck hinter mir her<br />

zum Hauseingang. Klar, die Wohnung lag im dritten oder vierten Stock<br />

und kein Lift.<br />

Einer der Mitbewohner war zu Hause und fragte mich, ob ich „Gerhard‚<br />

sei. Ich nickte und er zeigte mir das Zimmer von Iris. Sie hatte einen<br />

Zettel mit der Bankverbindung und einen Wohnungs- sowie<br />

Zimmerschlüssel für mich hinterlegt. Ich sah mich im Zimmer um. Das<br />

Fenster war genau auf der Höhe der Bahnlinie, die hinter dem Haus, auf<br />

der Dammhöhe verlegt war. Der Bahnhof war ca. 500 Meter entfernt. Ein<br />

Bett, grösser als in Berlin aber wiederum ohne Beine, ein Tisch, ein<br />

kleiner Fernseher sowie ein Bücherregal, das aus alten Holzteilen<br />

282


zusammengehämmert war. Holz aus einer Kiste, die im früheren Leben<br />

einer Explosion zum Opfer gefallen worden sein musste. Immerhin alles<br />

schön sauber. Ich packte meine Kleider aus und versicherte mich, dass<br />

alles LGT Datenmaterial gut verstaut war. Ich hatte Hunger. Das<br />

Türschloss war eher primitiv. Dennoch, besser als gar kein Schloss. Ich<br />

drehte den dazugehörenden, antiken Schlüssel zwei Mal um und<br />

inspizierte das Bad (dreckig), die Küche (noch schlimmer) und schimpfte<br />

über mich, dass ich in eine solche Lage geraten war.<br />

Nicht dass mein üblicher Ärger, sprich die Auseinandersetzung mit<br />

Hans-Adam, Anlass genug sein sollte, kräftig über mich selber zu<br />

fluchen. Aber in solch Situationen sind es oft ganz triviale Dinge, die<br />

einem anstrengender erscheinen. Ein Spaziergang durch die<br />

Einkaufsmeile von Münster brachte etwas Erlösung. Aber nur<br />

hinsichtlich meines grossen Hungers. Eine Pizza und Cola fühlte den<br />

Magen schnell auf. Im Winter sehen alle deutschen Städte nicht sehr<br />

einladend aus. Dank der hohen Konzentration junger Studenten in der<br />

Stadt war die Anzahl von Internetmöglichkeiten blendend. Es war schon<br />

nach 17 Uhr als ich dann diese Nachricht aus Vaduz lesen konnte:<br />

Erwarte Anruf unter bekannter Nummer heute um 17:00 Uhr.<br />

Nun gut.<br />

Diesen Termin hatte ich verpasst, hätte aber sowieso nicht angerufen. Ich<br />

hatte ja dem Hans-Adam berichtet, dass ich – reisebedingt - mich<br />

eventuell erst in der zweiten Februarhälfte wieder melden würde.<br />

283


KAPITEL 11 Die Polizei, dein Freund und Helfer<br />

Diese schöne, geschichtsträchtige Stadt mit einer sehr alten Universität,<br />

war für mich nur ein Streckenposten auf dem Weg nach Amsterdam und<br />

eine kleine Oase der Ruhe, da ich hier sicher sein konnte, dass keine<br />

Staatskarossen aus Vaduz auf mich lauerten. Da Münster eine kleine und<br />

somit überschaubare Stadt war, wollte ich von hier aus keine Email<br />

schreiben, vor allem aber keinen Anruf machen. Mein Plan war es ja, hier<br />

in Münster keine Ferien zu machen. Keine Wurzeln zu schlagen. Dass es<br />

trotzdem zehn lange Tage hier werden würden, hätte ich mir am ersten<br />

Tag auch nicht erträumt.<br />

Am nächsten Tag musste ich der Iris die Miete bezahlen. Sie hatte ein<br />

Konto bei einer Sparkasse in München aufgeschrieben. Ich rief sie von<br />

einer Telefonzelle an und sagte ihr, dass ich angekommen und alles OK<br />

sei. Sie bedankte sich, dass ich mein Wort gehalten hatte und auch für<br />

die Einzahlung der Miete. Ich fragte sie, ob ich nicht einfach die 170 Euro<br />

ihrem Mitbewohner übergeben könnte. Bloss nicht, jammerte sie hurtig.<br />

Sie kenne die anderen auch nicht so gut, da die Leute kommen und<br />

gehen. Jeden Monat entdeckte sie auf dem Weg zum Bad oder in die<br />

Küche neue Gesichter. Die einzige langjährige Mitbewohnerin sei auch<br />

verreist.<br />

Ich machte mich auf den Weg zur Sparkasse in Münster. Bis anhin waren<br />

es für mich nur Gerüchte. Meine diesbezüglich eigenen Erfahrungen in<br />

Berlin waren eigentlich gut. Horrorgeschichten, Schreckenszenarios die<br />

offenbar jeder Deutsche zu erzählen wusste. Wie diffizil und<br />

unfreundlich einige Banken in Deutschland seien. Es war dann auch eine<br />

Mammutanstrengung die 170 Euro in Münster auf ein Konto der<br />

Sparkasse in München einzuzahlen. Ich hatte ja kein Konto in Münster.<br />

Sparkasse ist eben nicht gleich Sparkasse. Erst nach drei Anläufen in<br />

derselben Bank gelang es mir, einen Schalterangestellten zu überzeugen,<br />

dass ich das Geld unbedingt überweisen musste.<br />

Ich musste zwei dicke Formulare ausfüllen und eine Gebühr von ca. 35<br />

Euro bezahlen. Am Ende war die Kohle auf dem Weg nach München.<br />

Und meine Miete war bis Ende Februar 2003 bezahlt. Anschliessend<br />

spazierte ich in Richtung Uni. Dort auf dem Gelände gab es verschieden<br />

Kantinen und Cafeterias. Ich kaufte mir einen Kaffee und ein Stück<br />

Kuchen, setzte mich ins Foyer. Ich erinnere mich noch genau an den<br />

feinen Kuchen, die Holztische und dunklen Stühle. Stundenlang<br />

beobachtete ich die wenigen Studenten, die zu dieser Zeit offenbar eine<br />

284


Pause hatten. Der Ausblick war auf den parkähnlichen Garten der Uni.<br />

Für mich war dieser Augenblick doch wie Ferien. Ein schönes Gefühl.<br />

Dann wurde ich wieder von den Gedanken eingeholt und ich stellte mir<br />

vor, was sich in den Köpfen derjenigen in Vaduz abspielte, verdrängte es<br />

aber gleich wieder.<br />

Es war wie ein anderes Leben, das sich parallel zu meinem entfaltete. Da<br />

ich in Münster sozusagen inkognito war, fühlte ich mich prächtig. Keine<br />

Telefonate mit Hans-Adam, keine Staatskarre, die auf mich wartete.<br />

Keine Fragen wo die Daten sind. Keine Befehle. Keine Appelle. Keine<br />

Drohungen. Keine. Keine. Ich verbrachte auch viele Stunden im Bahnhof<br />

Münster. Der Vorplatz war schön gestaltet. Eine Art kreisförmige<br />

Zufahrtsstrasse mit ein paar Geschäften auf der Rechten Seite. In der<br />

Mitte die Taxis. Ich musste mich sehr anstrengen, um abgelenkt zu<br />

bleiben. Im Moment, wo mir dies nicht gelang, drängte sich sofort die<br />

Realität wieder auf. Das Bedürfnis, zu erfahren ob man mir wieder eine<br />

Nachricht im Emailkonto hinterlassen hatte, wurde immer stärker.<br />

Zuerst wollte ich dies an einem Computer in Münster machen. Nur<br />

Nachschauen. Nicht mehr, nicht weniger. Nachsehen, ohne etwas<br />

hineinzuschreiben würde das mögliche Risiko ganz beseitigen, meinen<br />

Standort preiszugeben. Was aber, wenn ich antworten oder gar<br />

telefonieren musste? Die beste Lösung war, dass ich dafür von Münster<br />

wegging.<br />

Da ich nur gute Erfahrung damit gemachte hatte, suchte ich im Internet<br />

nach einer Mitfahrgelegenheit in eine der grösseren oder kleineren<br />

Städte im Umfeld von Münster (Ich kann mich noch so sehr anstrengen:<br />

ich bin mir heute – im Rückblick - nicht mehr ganz sicher, ob es dann<br />

Osnabrück, Hamm, Bielefeld oder gar eine andere Kleinstadt war, wo<br />

ich einen Tag verbrachte. Ich tippe auf Osnabrück. Ohne Gewähr). Auf<br />

jeden Fall war es in jener Stadt, wo eine grössere Polizeistelle, eine Art<br />

Regionalkommando, evt. der Bundesgrenzschutz stationiert war.<br />

Was hatte ich aber mit denen zu tun?<br />

Ein Tag, dessen Anfang verrückter nicht hätte sein können. Ich fand<br />

folgendes Angebot: Ein Mann offerierte eine Mitfahrgelegenheit für vier<br />

bis fünf Mal pro Woche für die nächsten Monate. Abfahrt war jeweils<br />

früh am Morgen und Rückfahrt am späten Nachmittag. Er erzählte mir,<br />

dass er in Münster (oder im nahen Umland von Münster) lebte und<br />

285


täglich zur Arbeit nach „Osnabrück‚ pendelte. Für ein paar Euro könnte<br />

man mit ihm mitfahren. Super, sagte ich. Wann geht es los, fragte ich. Er<br />

fuhr sehr, sehr früh jeweils von zu Hause ab. Ich gab ihm meine Adresse<br />

und er sagte, dass er am nächsten Tag (es muss so um die 05.30 Uhr oder<br />

06.00 Uhr gewesen sein) abholen würde. Ich ahnte ja nichts von dem was<br />

kommen sollte.<br />

Pünktlich wie eine Schweizer Uhr und eingekleidet wie für einen Trip<br />

auf einen Schweizer Gletscher, stand ich in der Kälte am Strassenrand<br />

gegenüber dem Haus wo ich wohnte. Er, ich erinnere mich nicht mehr<br />

an seinen Namen, nennen wir ihn mal ‚Bruno‚, stoppte vor meiner<br />

Nase. Ich war ja auch der einzige Mensch weit und breit, der an der<br />

Strasse zu dieser ungemütlichen Zeit stand. Ich fragte ihn, ob er der<br />

Bruno sei, er bejahte dies. Ich stieg in seinen Wagen ein. Ich glaube mich<br />

zu erinnern, dass es ein deutsches Fabrikat war. Ein VW Passat Kombi<br />

oder ein Opel Kombi. Dunkle Farbe, evt. Grau oder Blau. Die Fahrt muss<br />

zwischen 30 und 50 Minuten gewesen sein. Wir plauderten so daher und<br />

er fragte mich, woher aus der Schweiz ich komme. Ich erzählte von<br />

Zürich und dass ich auf Besuch in Münster sei und mir die Stadt<br />

Osnabrück anschauen möchte. Was er den so mache, fragte ich.<br />

Er erzählte, dass er seit Jahren bei der Polizei arbeitete. Er habe einen<br />

guten Rang erreichen können.<br />

Polizei? Polizei! Flink hatte ich das Gefühl, als würden mich ein<br />

Hirnschlag und ein Herzinfarkt gleichzeitig treffen. Zum Glück war es<br />

drinnen so dunkel wie draussen. Sonst hätte er gesehen, wie mein Blut<br />

das Gesicht verliess und tsunamihaft runter in die Beine entkam. Nicht<br />

zu vergessen, die vielen Schweissperlen auf meiner Stirn.<br />

Ehrlich, ich glaubte, dass ich voll in eine Falle gelaufen war. Ich weiss, es<br />

mag für euch Leser absurd klingen, aber es war Krieg zwischen mir und<br />

Hans-Adam. Ich wusste ja, dass er seine Variante 2 aktiviert hatte.<br />

Vielleicht wussten sie, dass ich in Münster war. Tausend Gedanken<br />

schossen durch mein fast blutleeres Hirn. Aber es war doch ich der<br />

Bruno zuerst kontaktiert hatte, erinnerte ich mich blitzartig. Nicht<br />

umgekehrt. Er konnte mich also nicht kennen.<br />

Und er erzählte mir von seiner Familie, seinen Kindern und sogar seiner<br />

Arbeit. Hatte etwas zu tun mit Grenzschutz, eventuell mobilem<br />

Grenzschutz. Wir redeten über Verbrecher, Schmuggler, Drogen und die<br />

kläglichen Löhne bei der Polizei. Mein lieber Vater, dachte ich mir, da<br />

fährt der deutsche Polizist in seinem Wagen mit einem falschen<br />

286


„Touristen‚ aus der Schweiz durch die Gegend, einer der in Wahrheit<br />

heiss gesucht wurde, in Münster brisante Daten stapelte und plaudert<br />

mit ihm über Vergleiche von deutschen und schweizerischen<br />

Polizeitaktiken.<br />

Es kam noch schlimmer: Als wir schon im Stadtpendlerverkehr von<br />

Osnabrück steckten, offerierte er mir auf einmal einen Kaffee in seinem<br />

Büro (!). Jetzt wurde mir ganz heiss. Es ist eine Falle, man wird mich<br />

verhaften, dachte ich mir und mir wurde noch schlechter. Ich überlegte<br />

mir schon, ob und wie ich aus dem nun langsamer rollenden Fahrzeug<br />

springen sollte. Ich lehnte das Angebot ab, was ihn erstaunte.<br />

Es war noch so früh, dass keine anderes Geschäft offen hatte. Daher<br />

verwunderte es ihn schon, dass ich sein schönes Angebot ablehnte. Er<br />

fragte nochmals und bemerkte zum wiederholten male, dass ich mit ihm<br />

am späteren Nachmittag auch zurück nach Münster fahren könnte. Da<br />

ich nicht unhöflich sein wollte und keinen Verdacht aufkommen lassen<br />

wollte, sagte ich diesmal zu. Es war ein wenig heller draussen geworden.<br />

Wir fuhren auf ein älteres mehrstöckiges Gebäude zu. An der<br />

Aussenmauer waren einige Polizeitransportwagen parkiert. Er hielt vor<br />

einem grossen Tor und nachdem es sich geöffnet hatte, sah ich eine Art<br />

Innenhof, eng und verwinkelt wie bei einer Burg oder so ähnlich. Es war<br />

definitiv kein neues, modernes Gebäude. Eher eine Verschachtelung von<br />

verschiedenen Bauwerken. Es gab nicht viele Parkplätze hinter dem Tor.<br />

Da er einen hatte, bedeutete dies für mich, dass er einen höheren<br />

Rang/Funktion bei der Polizei ausüben musste. So wie er es gesagt hatte.<br />

Ich glaube aber, er war kein Kommissar, evt. eine Stufe darunter. Sicher<br />

aber ein Gruppenleiter.<br />

Wir stiegen aus und ich lief ihm hinterher. Er schritt auf eine Treppe zu,<br />

die entweder aus Beton oder Steinen geformt war und ein einfaches<br />

Eisenstangendesign als Treppengeländer hatte. So genau konnte ich es<br />

nicht sehen, da es noch nicht genug hell war. Ein Publikumseingang war<br />

es nicht, das stand fest. Es kamen uns uniformierte Polizisten entgegen.<br />

Er grüsste sie und erhielt den Gruss erwidert. Gleich nach Eintritt stand<br />

ich in einem Gang. Ich musste dort warten und er holte mir einen Kaffee<br />

vom Automaten. Ich bedankte mich und versuchte meine flatternde<br />

Nervosität zu verbergen.<br />

Als nächstes erwartete ich seine Einladung. „Nehmen sie doch bitte Platz<br />

und nennen sie uns ihren Namen und Anschrift.‚ Aber Nein, wieder<br />

einmal Glück gehabt. Er zeigte mir den Weg aus dem Labyrinth im<br />

Innenhof und verabschiedete sich. Er wollte sogar die paar Euro, sein<br />

287


Fahrgeld, nicht entgegennehmen. Touristen hilft man doch gerne in<br />

Deutschland, sagte er zum Abschied.<br />

Ich bestand aber darauf, dass er den Zehner erhält und drückte ihn fest<br />

in die Hand. Er hatte keine Ahnung, wie ERFREUT ich war, dass ich<br />

gehen durfte. Ich musste ihm versprechen, dass ich ihn im Büro anrufen<br />

würde, sollte ich doch noch mit ihm nach Hause fahren wollen.<br />

Wie neugeboren bummelte ich in Osnabrück durch die mir unbekannten<br />

Strassen. Endlich fand ich ein geöffnetes Café. Mit einer Tasse heisser<br />

Schokolade und einem belegten Brötchen war die Welt wieder in<br />

Ordnung. Ich blieb noch eine Weile dort und beobachtete die<br />

Kundschaft. Um die Mittagszeit fand ich eine Gelegenheit ins Internet zu<br />

kommen. Ergebnis: Keine neue Nachricht. Auch gut. Ich rief Bruno, den<br />

Polizisten, kurz nach Mittag in seinem Büro an und sagte, dass ich schon<br />

jetzt nach Hause fahren würde und zwar mit der Regionalbahn. Er<br />

wünschte mir noch eine schöne Zeit in Deutschland.<br />

Zurück in Münster verbrachte ich die Tage mit dem neuen Thema:<br />

Holland und die Reise dahin. Mit den Datenträgern und den<br />

Dokumenten. Die Gelegenheit mit dem Zug via Enschede nach<br />

Amsterdam zu fahren, kam für mich nicht in Frage. Ich wusste, dass<br />

trotz der „offenen EU-Grenzen‚, die internationalen Züge von mobilen<br />

Grenzbeamten kontrolliert werden. Zu viel Geld in Deutschland und zu<br />

günstige Drogen in Holland. Die Möglichkeit mit der Regionalbahn bis<br />

an die Grenze zu fahren, dann mit einem Linienbus rüber und auf der<br />

anderen Seite mit dem holländischem Zug weiter, wäre machbar<br />

gewesen. Aber das Restrisiko, auch hier kontrolliert zu werden, blieb<br />

bestehen. Die einzige und letzte Lösung, war die mir schon bekannte Art<br />

und Weise: die gute alte Mitfahrgelegenheit. Sie wurde von den<br />

Deutschen rege genutzt und war praktisch immer billiger als mit dem<br />

Bus oder dem Zug. Da fragte niemand nach Ausweisen oder wollte dein<br />

Gepäckinhalt inspizieren. Von Deutschland aus wurden Fahrten bis nach<br />

Madrid oder gar Moskau angeboten oder gesucht. Die Angebote für<br />

Münster - Amsterdam waren aber sehr dünn gesät. Gleichwohl hatte ich<br />

Erfolg. Ein Student aus Münster plante für Mitte Februar eine Reise nach<br />

Amsterdam. Ich traf ihn an der Uni und um sicher zu gehen, dass er<br />

mich mitnehmen würde, zahlte ich ihm die Hälfte des Fahrpreises schon<br />

mal gleich. Er erschien mir vertrauenswürdig. Jetzt noch eine Unterkunft<br />

in Amsterdam suchen, dann hätte mal wieder alles super geklappt, sagte<br />

ich zu mir. Ich war noch nie in Amsterdam City und suchte im Internet<br />

288


nach einem günstigen Bed & Breakfast, wo ich zwei bis drei Monate<br />

bleiben könnte.<br />

Nach Durchsicht von etlichen B&Bs, die entweder zu teuer oder mitten<br />

in der Stadt waren, stiess ich auf eine schöne Webseite eines B&B in<br />

Monnikendam. Das B&B hiess Flowergardens und war in der<br />

Margrietstraat zu finden. Für Langzeitgäste nur 21 Euro pro Nacht, incl.<br />

Frühstück. Das ist aber günstig. Ich reservierte das Zimmer für erstmals<br />

2 Monate. Jane und ihr Mann erwarteten mich am 14. Februar 2003 in<br />

Monnikendam (Wieder dieser 14.02.: Hans-Adams Geburtstag). In<br />

Holland würde ich mich Claudio nennen. Ein attraktiver Name.<br />

Donnerstag, der 13.02. Wie abgemacht, stand ich zuverlässig um 10 Uhr<br />

am Bahnhof Münster, wartete auf den Fahrer. 10.30 Uhr, 10.45 Uhr, 11.10<br />

Uhr. Immer noch kein Fahrer in Sicht. Mist noch mal. Wo blieb der nur,<br />

beschwerte ich mich laut. Ich konnte nicht weggehen und ihn anrufen,<br />

denn dann würde ich ja nicht auf dem abgemachten Platz stehen und er<br />

würde mich nicht sehen und ohne mich wegfahren. Endlich, um 11.30<br />

Uhr hielt ein alter, roter Ford Fiesta, mit schon zwei Leuten drin vor<br />

meinen Füssen an. Er fragte mich, ob ich Claudio sei. Ich erwiderte die<br />

Frage mit der Gegenfrage ob dies das Auto sei, mit dem wir nach<br />

Amsterdam fahren würden.<br />

Ja, Ja. Aber hat es da noch Platz für mein Gepäck, fragte ich. Sicher,<br />

sicher – war seine Antwort. Seine Freundin und er fuhren nur fürs<br />

verlängerte Wochenende weg. Nicht viel Gepäck dabei. Und so war’s<br />

auch. Der Kofferraum war praktisch leer. Wir verstauten meinen grossen<br />

Reisekoffer und den Rest packten wir hinten auf die Sitzbank. Ich durfte<br />

vorne Platz nehmen. Beide waren ein sehr aufgestelltes Paar. Ihre<br />

Musikauswahl während der Fahrt traf meinen Geschmack oft. Wir<br />

stoppten 2, 3 Mal für Benzin und kleine Snacks. Die unsichtbare Grenze<br />

war in der Mitte der Autobahn und niemand hat uns aufgehalten.<br />

VADUZ Erste Monatshälfte Februar 2003<br />

Das gemeinsam benutzte Emailkonto wurde jeweils am Wochenende,<br />

wenn das Sekretariat oben im Schloss nicht besetzt war, von einer Person<br />

unten in Vaduz, die für das KKZ arbeitete, vier bis fünf Mal pro Tag<br />

kontrolliert. Am Sonntag (02.02.) fand man den längeren Text von<br />

Kieber, den er am Tag zuvor abgespeichert hatte, druckte ihn aus und<br />

289


lieferte ihn beim Portier im Schloss ab. Am Montag traf mach sich wieder<br />

zu einer KKZ-Sitzung. Kiebers letzter Text wurde in seine Einzelteile<br />

zerlegt, x-mal analysiert, verschiedene Mutmassungen darüber<br />

angestellt und wieder verworfen.<br />

Man war sich einig, dass die beschriebene Möglichkeit „A)‚ (siehe<br />

‚Berlin 1-3.Februar 2003‚ ) niemand mehr hier als eine Lösung des<br />

Problems betrachtete. Kieber hatte ja die Daten und wenn die in die<br />

falschen Hände, sprich deutsche oder amerikanische, geraten, dann<br />

Gnade uns Gott, resümierte der Regierungschef.<br />

Hinsichtlich des restlichen Textes, unter „B)‚ (siehe wie oben), waren<br />

sich alle Anwesenden nicht einig, wie man es zu deuten hatte. Kieber<br />

wusste ja nichts von dem Missgeschick mit den Interpolmeldungen,<br />

daher war man in Vaduz aber erleichtert, dass er offenbar von sich aus<br />

entschied, das Land zu wechseln und sich auch sorgen wegen der<br />

mitgeschleppten Dokumenten machte.<br />

Besser als Kieber kann keiner auf die Daten aufpassen, hob Hans-Adam<br />

hervor. Es wurden wilde Spekulationen darüber angestellt, wohin er<br />

wohl reisen würde. Die einen tippten auf Spanien, weil dies das letzte<br />

Land wäre, wo man in vermuten würden. Andere auf Skandinavien<br />

oder auf ferne Länder wie Südafrika. Einige mutmassten, dass Kieber<br />

mit dem Hinweis, dass er eventuell erst in der zweiten Februarhälfte<br />

wieder Kontakt aufnehmen könnte, nur Zeit für sich gewinnen wollte,<br />

um weit weg abzuhauen oder gar Gespräche mit den Deutschen oder<br />

den Amis zu beginnen.<br />

Der Professor schüttelte seinen Kopf. Ihm machten Kiebers Sätze „<br />

…alleine grundsätzliche Entscheide zu fällen… die Zeit wird knapp‚ grosse<br />

Sorgen. Er deutete dies als ein Zeichen für hohen Stress und eventueller<br />

Selbstmordgefährdung. Quasi ein Selbstzerstörungsplan plus grossem<br />

Knall. Welchen Knall, fragte Hans-Adam. Natürlich den Knall beim<br />

Hochgehen der Datenbombe, bekam er als Antwort.<br />

Teile des KKZ tauchten wieder in alte Ideen ab: Es müsse doch möglich<br />

sein, dass wir uns den Kieber schnappen. Die Gelegenheit wäre doch<br />

dann gegeben, wenn Kieber zu einem von ihm gewünschten Vier-Augen<br />

Gespräch erscheinen würde. Bis dahin sei man ja sicher, wegen der<br />

Daten, da er ja versprochen hatte, nichts mit den Daten zu machen, bis<br />

ein solches stattgefunden hatte.<br />

Am Ende der Sitzung berief sich der Professor auf seine jahrelange<br />

Berufserfahrung und beruhigte damit die Anwesenden. Er würde für ein<br />

solches Gespräch zur Verfügung stehen, sagte er. Und schloss mit der<br />

290


Bemerkung ab - in Richtung LGT und Hans-Adam schauend – dies<br />

natürlich nur nach einer Zusicherung von Seiten Hans-Adam, dass keine<br />

Falle für Kieber geplant werde. Für solche Spiele sei er bei allem<br />

bezahlten Geld nicht zu haben. Ja, Ja – rief man ihm aus dieser Ecke zu.<br />

Lasst uns abwarten und schauen, ob Kieber um 17 Uhr anrufen würde,<br />

verabschiedete man sich aus der Runde.<br />

Kieber rief nicht an. Diese schlechte Nachricht wurde per Telefonkette<br />

weitergemeldet. Wieder fingen die wilden Spekulationen an.<br />

Hans-Adam fragte nach, ob man den letzten genauen Standort von<br />

Kieber irgendwo stichhaltig festlegen könnte. Z.B. von wo genau aus er<br />

die letzte Meldung geschrieben hatte. Das KKZ forschte nach und kam<br />

mit der erstaunlichen Auskunft zurück, dass Kieber in Köln gewesen sein<br />

muss. Köln, fragte Hans-Adam mehrmals. In Köln? Was macht Kieber in<br />

Köln, wunderte man sich. Dies alles ergab keinen Sinn.<br />

Anm.: Ich weiss schon, warum die in Vaduz damals auf Köln gestossen sind.<br />

Um es an diesem konkretem Beispiel aufzuzeigen: Am 01.02.03 hatte ich in<br />

Berlin an einem Computer eines Internetcafés eine Nachricht im gemeinsamem<br />

Emailkonto geschrieben und wie immer nur im Entwurfsordner gespeichert.<br />

Das KKZ versuchte den Standort des Computers via der am Entwurf<br />

(manchmal) elektronisch angehängten IP-Adresse herauszufinden. Deren<br />

Nachforschungen ergaben, dass die gespeicherte IP-Adresse eine Nummer eines<br />

Computers hatte, der in der Stadt Köln stand. Man hatte mich daher am<br />

01.02.03 in Klön vermutet. In einer Stadt, in der ich nie gewesen bin. Es war ja<br />

meine Idee für die Kommunikation ein Emailkonto zu haben, dass wir<br />

gemeinsam nutzten. Als Begründung gab ich im Brief an Hans-Adam an, dass<br />

wir dadurch keine Emails versenden müssen, die evt. z.B. am falschen Ort<br />

landen oder auf dem Weg zum Empfänger von unerwünschten Mitlesern<br />

gesehen werden könnten. Was ich ihm nicht erzählte, war mein anderer<br />

Hintergedanke: Ich wusste, dass bei einer Abspeicherung eines Textes im<br />

Entwurfsordner NICHT - wenn überhaupt - die IP-Adresse des Terminals wo<br />

der Text eingetippt wurde, abgespeichert wird, sondern die IP-Adresse wo der<br />

nächstgelegene Server des Providers physisch stand. In diesem Fall in der Stadt<br />

Köln.<br />

Sicherlich hätte das KKZ die Mittel und Wege gehabt, mit Hilfe von<br />

Internetspezialisten zumindest die richtige Stadt, von der von mir benutzte<br />

Computerterminals stand, zu finden, aber – wie das KKZ in einem<br />

Aktenvermerk richtig erkannte – wurde, während der Zeit wo ich in<br />

Deutschland war,<br />

291


OZA- in Absprache mit allen Beteiligen (Polizei, Justiz,<br />

Regierung, LGT und Hans-Adam) nicht versucht, die genauen<br />

Örtlichkeiten (von Kieber) zu ermitteln, da man ansonsten der<br />

deutschen Polizei den Sachverhalt hätte mitteilen müssen -OZE.<br />

Am 06.02., aufgrund der neuen Lage, ordnete das KKZ, nach Auftrag<br />

von Hans-Adam, das Landgericht Vaduz an, dessen (inaktiven)<br />

Haftbefehl vom 13.01.03 so abzuändern, dass er nur für Liechtenstein<br />

und die Schweiz gelte. Man wolle nicht, dass andere Länder von einem<br />

Liechtensteiner Haftbefehl erfahren würden. Nach den Ereignissen in<br />

Vaduz am 31.01. wollte man keine Mitteilung über diese Änderung an<br />

Deutschland oder Spanien machen, da dies nur wieder deren<br />

Aufmerksamkeit erhöhen würde. Was absolut nicht erwünscht war.<br />

Auftragsgemäss schrieb das Interpoliere Vaduz am 10.02. um 16.10 Uhr<br />

an die Schweizer Polizei (RIPOL und Interpol Bern) folgenden<br />

Ausschnitt:<br />

Sachverhalt:<br />

1. Kieber Heinrich steht im Verdacht, im Jahre 2002 in Vaduz, als<br />

damaliger Angestellter Unterlagen seiner Arbeitgeberin, einer<br />

juristischen Person liechtensteinischem Rechts mit Sitz in<br />

Vaduz/FL, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu<br />

verhindern, dass jene im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts,<br />

eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.<br />

2. Weiters steht Kieber im Verdacht, im Januar 2003 vom Ausland<br />

aus durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Behauptung,<br />

er werde die von ihm unter Ziffer 1 erlangten Unterlagen Dritten<br />

übergeben, wodurch seine damalige Arbeitgeberin Kundengelder<br />

verlieren werde, sohin durch Drohung mit der Vernichtung der<br />

wirtschaftlichen Existenz, zu weiteren Handlungen zu nötigen<br />

versuchte.<br />

Zusatz Interpol Vaduz: Es kann nicht ausgeschlossen werden,<br />

dass Kieber Heinrich b e w a f f n e t ist! Kieber ist bisher nicht<br />

gewalttätig in Erscheinung getreten. Nach hier vorliegenden<br />

Erkenntnissen muss jedoch aufgrund seiner aktuellen<br />

psychischen Verfassung von einer hohen Gewaltbereitschaft<br />

ausgegangen werden.<br />

292


Wiederum konnte Vaduz der Versuchung nicht widerstehen, gefälschte<br />

Angaben zu machen („bewaffnet, hohe Gewaltbereitschaft‚ und auch<br />

den kleinen „Terroristenhinweis‚: „kann Flugzeuge fliegen‚), wohl als<br />

Ermutigung an die Schweizer zum Abschuss von Kieber.<br />

Anm.: Einigen Lesern ist sicherlich aufgefallen, dass im Gegenteil zu der<br />

Interpolmeldung nach Wiesbaden und nach Madrid (vom 23.01.), wo nichts<br />

über den Sachverhalt geschildert wurde, die Liechtensteiner den Schweizern<br />

sehr offen über den Tatbestand schreiben. Dies aus zwei Gründen:<br />

1. Logischerweise musste man bei der Meldung vom 23.01.2003 verhindern,<br />

dass deutsche oder spanische Behörden erfahren, dass jemand Bankdaten über<br />

deutsche und spanische Kunden in Liechtenstein gestohlen hatte und damit (in<br />

Deutschland) herumirrte.<br />

2. Konnte Vaduz gegenüber der Schweiz etwas freimütigerer sein, da man in<br />

dieser Branche ja im gleichen Boot sass. Es war jedem Schweizer Polizisten klar,<br />

dass mit den Angaben über den Sachverhalt eine Bank oder Treuhandfirma<br />

gemeint war. Man konnte sich in Vaduz auf die Verschwiegenheit der Schweizer<br />

verlassen, sollten sie Kieber samt Daten festhalten können. Auch wäre eine<br />

Überstellung von Kieber als Gefangener von der Schweiz nach Liechtenstein<br />

eine reine Formsache.<br />

Wie immer hatte das letzte Wort der Hans-Adam. Als er über den<br />

neusten Stand der Dinge unterrichtet wurde, bemerkte er, dass die<br />

Ausschreibung (zur Verhaftung) im Schweizer Polizeisystem (RIPOL)<br />

absolut nicht ideal für seine Sache wäre. Hans-Adam befürchtete, dass<br />

u.a. die Schweizer Behörden aus politischen Gründen Interesse an<br />

gewissen Daten von Kunden aus Drittländern haben könnten.<br />

Um eine bessere Kontrolle zu haben, ordnete Hans-Adam die<br />

Landespolizei an, den Schweizer Behörden mitzuteilen, dass Vaduz nur<br />

die passive Ausschreibung in der Schweiz wünschte. Was am 11.02. dann<br />

auch geschah. Bei dieser Art der Ausschreibung würden die Schweizer,<br />

sofern sie über Kieber stolpern sollten, nur dessen Aufenthaltsort nach<br />

Vaduz melden, ihn aber nicht verhaften. Dies aber auch nur, sofern die<br />

Schweizer nicht erkennen würden, dass Kieber auch im Schengen-<br />

System vermerkt war, was genau Vaduz sich insgeheim erhoffte und mit<br />

dieser „Zurückstufung‚ auch erzielen wollte.<br />

293


Auch am 06.02. stellte die LGT Treuhand ohne Konsultation mit Hans-<br />

Adam den Antrag an das LG Vaduz auf die strafrechtliche Verfolgung<br />

Kiebers wegen Datendiebstahls. Am 10.02. (oder am 18.02 –<br />

verschiedenen Dokumente nennen beide Tage) informierte das<br />

Landgericht das Schloss Vaduz darüber und unterbrach den oben<br />

genannten Antrag vorläufig, da Hans-Adam mit der Anzeige von Dr.<br />

Feuerstein „im Namen‚ der LGT Treuhand gar nicht einverstanden war,<br />

mit dem Resultat, dass später, am 02.07.03 die Anzeige zurückgezogen<br />

wurde. Eine Verurteilung in Sachen Datendiebstahl war also nicht<br />

erwünscht.<br />

Der Professor und der von einer längeren Auslandsreise heimkehrende<br />

Bankdirektor trafen sich in mehreren Sitzungen, da der Professor noch<br />

mehr über das Wesen von Kieber erfahren wollte und der Bankdirektor<br />

diesen ja persönlich kannte. Dem Bankdirektor wurde von beiden Seiten<br />

eine besondere Rolle zugeteilt. Von Seiten Hans-Adam, da er ihm<br />

vertrauen konnte und von Seiten Kiebers, da dieser ihn im Brief vom<br />

07.01.03 als einen der zwei möglichen Gesprächspartner namentlich<br />

genannt hatte und daher Kieber ihm offenbar traute.<br />

Je mehr der Professor über Kieber erfuhr, umso mehr empfand er es als<br />

eine Herausforderung, der Sache auf den Grund zu gehen. Er musste ihn<br />

kennen lernen. Er erkannte, dass es nicht einfach sein würde, die Psyche<br />

von Kieber richtig zu verstehen. Der Professor und der Bankdirektor<br />

stellten sich auf komplizierte und lange Diskussionen mit Kieber ein, um<br />

an das gewünschte Ziel von Hans-Adam zu kommen.<br />

Inzwischen war es in den Justizkreisen von Vaduz kein Geheimnis mehr,<br />

dass sich seit Anfang Januar offenbar Dramatisches zwischen Kieber,<br />

Hans-Adam und seiner Regierung abspielte. In dieser<br />

spannungsgeladenen Zeit wagte niemand offen Partei zugunsten Kieber<br />

zu ergreifen. Natürlich war die grosse Mehrheit, vor allem diejenigen,<br />

die keine Detailkenntnisse hatten, auf der Seite des „armen‚ Hans-<br />

Adam.<br />

Ein weiteres wichtiges Ereignis in der Saga Kieber passierte am 14.02.03<br />

beim Oberbersten Gerichtshof in Vaduz. Da entschied das Gericht im<br />

Zivilstreit um die in Österreich blockierten Gelder in einer nicht-<br />

294


öffentlichen Sitzung, dem Revisionsantrag von Kieber nicht Folge zu<br />

leisten und das Urteil der unteren Instanz zu bestätigen.<br />

Anm.: Obwohl mein Anwalt exzellente Gründe in der Revision darlegte, waren<br />

meine Chancen dafür auf Null geschrumpft, nachdem ich seit Januar 2003 das<br />

Land in den Schwitzkasten genommen hatte. Meine berechtigten Vorwürfe auch<br />

gegen die Justiz im Brief und auf der Tonkassette (07.01.03) sind logischerweise<br />

bei den Betroffenen nicht gut angekommen. Diesen Beschluss vom 14.02.03<br />

reichte der RA von Helmut Roegele sofort beim Bezirksgericht Feldkirch ein.<br />

Dieses Gericht fällte dann am 26.02.03 einen Vollstreckbarkeitsbeschluss.<br />

Am gleichen Tag entschloss man sich, die am ursprünglich am 13.01.<br />

geplante Razzia des Elternhauses von Kieber durchzuführen. Es ging<br />

nicht darum, Kieber selbst dort zu finden. Man erhoffte sich die Daten<br />

oder den Computer von Kieber dort vorzufinden. Die Suche ergab nicht<br />

das erwünschte Resultat. Alle im KKZ waren über die neuen, erledigten<br />

Aktivitäten von Polizei und Justiz voll zufrieden. Man musste nur<br />

sicherstellen, dass Kieber nichts davon erfahren würde. Um dies<br />

sicherzustellen, wurde nochmals allen Beteiligten mehr oder weniger<br />

freundlich eingehämmert, dass es als (Landes-)Verrat angesehen würde,<br />

wenn jemand Kieber etwas davon erzählen würde.<br />

295


KAPITEL 12 Holländischer Käse<br />

AMSTERDAM<br />

Hurra, hurra - Holland ich war da.<br />

Ich war sehr erleichtert. Bei so vielen Kilometer zwischen mir und<br />

Liechtenstein fühlte ich mich besser. Warum genau wusste ich nicht. Ich<br />

war ja nicht auf einer Flucht. Ich glaubte auch, dass ich mich in<br />

Amsterdam unauffälliger in der Menschenmenge bewegen könnte, als in<br />

Berlin. Man liess mich beim Hauptbahnhof aussteigen. Ich wollte das<br />

bunte Leben von Amsterdam rund um den Bahnhof auf mich einwirken<br />

lassen. Hier müsste es sich eine Weile aushalten lassen, da war ich mir<br />

sicher. Ich stieg in eines der vielen wartenden Taxis ein und liess mich<br />

nach Monnikendam fahren. Nach 20 Minuten stieg ich aus dem Taxi und<br />

stand vor einem der typischen holländischen Reihenhäuschen. Ein Schild<br />

an der Wand bestätigte mir, dass ich vor dem Flowergarden B&B stand.<br />

Alles niedlich und sauber, wenn auch sehr klein.<br />

Ich klingelte und eine schlanke Dame öffnete die Türe. Claudio? Jane?, Ja<br />

– Ja. Herzlich Willkommen, Haaartelijk welkom en Holland,<br />

willkommen in Monnikendam, willkommen im Flowergarden. Sie führte<br />

mich eine schmale Treppe hoch in den ersten Stock des Hauses.<br />

Ich bekam das Zimmer Nr. 3, mit dem grossen Einzelbett, einem<br />

Schminktisch, der später als Bürotisch dienen sollte, einem Stuhl,<br />

Spiegel, einem Ventilator einem eingebautem Wandschrank. Rechts<br />

neben mir waren die Gästezimmer Nr. 1 und 2, eines mit zwei<br />

Einzelbetten und das andere mit einem grossen Ehebett, beide mit etwas<br />

mehr Platz. Auf dem Gang befand sich eine Dusche mit WC. Alles trotz<br />

des Alters sehr gut im Schuss. Schriftliche Instruktionen klebten an den<br />

Wänden: bezüglich Benutzung der Dusche und allgemeine<br />

Pflegehinweise. Ein Blick von meinem Zimmer aus in den Garten<br />

erklärte den Namen des B&B: ein paradiesischer Garten, eher die<br />

englische Art. Es blühten schon ein paar Blumen. Im Sommer würde dies<br />

aber ein Meer an Farben geben, sagte ich zu mir.<br />

Ich konnte meine Sachen auspacken, bevor ich wieder runter ging, um<br />

die Formalitäten zu erledigen. Na ja, da war nicht viel Formelles zu tun.<br />

Bezahlen würde ich immer in bar einen Monat im Voraus. Ausweise<br />

wollte hier niemand sehen. Unten, da waren die Diele, die Küche und<br />

296


die Stube mit Blick zur Strasse hinaus. Am anderen Ende der Stube stand<br />

ein grosser, runder Tisch mit schweren Stühlen. Dort dürfte ich das<br />

Frühstück einnehmen, sagte Jane. In meiner Zimmermiete war das<br />

Frühstück auch inbegriffen. Zwischen 07.30 Uhr und 08.30 Uhr wurde es<br />

serviert: Englisch Breakfast Tea oder ab und zu mal heisse Schokolade,<br />

Toastscheiben, dazu Butter und Konfitüre, ein paar Scheiben<br />

holländischer Käse und dünnen Wurstaufschnitt. Sieben Mal die Woche.<br />

Ich war froh, auf Anhieb eine gute Unterkunft gefunden zu haben.<br />

Monnikendam ist ein reizendes Dorf, mit einem Hafen, einer kleinen, auf<br />

Touristen ausgerichteten Geschäftsmeile und endlosen Kanälen. Es war<br />

ruhig und Amsterdam trotzdem gut erreichbar. Nur 13 Kilometer weit<br />

weg. Ich konnte zwischen dem Linienbus, der von frühmorgens bis spät<br />

in die Nacht regelmässig verkehrte, oder dem Fahrrad wählen. Sobald<br />

das Wetter besser und ich mich in der Gegend mehr auskennen würde,<br />

könnte ich von einem Bekannten von Jane, der auch in Monnikendam<br />

wohnte, für eine kleine Gebühr einen holländischen Drahtesel mieten.<br />

In der ersten Woche versuchte ich, eine Bank für eine Schliessfachmiete<br />

zu finden. Leider war es in Holland gar nicht einfach ein Bankkonto zu<br />

eröffnen, das die Voraussetzung für eine Safemiete war. Als nicht EU-<br />

Bürger und ohne Aufenthaltsbewilligung in Holland war es mir<br />

unmöglich, ein Konto zu eröffnen.<br />

Egal, dachte ich mir. Ich war zuversichtlich, dass wenn ich den Laptop,<br />

das DLT-Tape, die anderen Datenspeicher und Papierdokumente gut im<br />

kleineren Koffer verstaute und abschliesse, niemand an sie ran könnte.<br />

Den Koffer verstaute ich ganz hinten im eingebauten Kleiderschrank im<br />

Zimmer. Obwohl Jane täglich mein Bett machte, hatte ich nichts zu<br />

befürchten. Sie war immer diskret und höflich. Aber wenn sie etwas<br />

störte, dann hielt sie auch nicht hinter dem Berg zurück.<br />

Ich erzählte ihr, dass ich etwas länger als üblich hier bleiben wollte, da<br />

ich von hier aus diverse Tagesausflüge in alle Ecken von ihrem schönen<br />

Land machten wollte.<br />

Amsterdam war so anders als Berlin. Zuerst einmal die Horden von<br />

Touristen, schon im Februar. Dann die Häuser und das Leben am und<br />

auf dem Kanal. Ich hatte noch nie so schöne Innenstadtgebäude gesehen.<br />

Einige der mehrstöckigen Bauwerke waren vor ein, zwei oder gar drei<br />

Jahrhunderten gebaut worden und standen immer noch prachtvoll da.<br />

297


Die alte Aktienbörse ist sogar noch älter, sie ist aus dem Jahr 1611. Und<br />

dann die vielen Grachten mit den Hausbooten.<br />

Ich absolvierte alle erdenklichen Touren, die man als Tourist machen<br />

konnte. Die Kanalfahrten, Besuch des Seefahrermuseums, das<br />

Rijksmuseum, das Museum der holländischen Maler. Die Mischung von<br />

Kulturen aus allen Ecken der Erde drückte sich auch in der immensen<br />

Auswahl von verschiedenen Restaurants aus. Stundenlang konnte ich in<br />

den Strassen umherlaufen, immer mit dem Stadtplan in den Händen. In<br />

Amsterdam gab es mindestens so viele Internetmöglichkeiten wie es<br />

Apotheken in Berlin gab. Mit der Zeit liebte ich diese phantastische Stadt<br />

immer mehr. Sobald man sich nämlich von den städtischen<br />

Hauptwanderrouten der Touristen entfernte, entdeckte man schnell die<br />

ruhigen, oft entvölkerten Strassen und Parks.<br />

AMSTERDAM 17. Februar 2003<br />

Nach einem schönen Wochenende voller Sehenswürdigkeiten, war<br />

wieder die Zeit gekommen, wo ich mich bei Hans-Adam melden sollte.<br />

Montags war immer ein guter Tag für einen Neuanfang. Ich schrieb ihm<br />

eine kurze Nachricht ins Emailkonto. Ich wünschte ihm nachträglich<br />

alles Gute zum Geburtstag und bat um Entschuldigung, dass ich Anfang<br />

Februar nicht angerufen hatte. Ich erwähnte mit keinem Wort, wohin ich<br />

verreist war. Ich fragte aber nach der Schutz-ID. Ich wiederholte meine<br />

Gründe warum ich glaubte, eine Schutz-ID für die Zeit bis zu meiner<br />

Rückkehr sei dringend notwendig. Ich war überzeugt, dass schon am<br />

gleichen Tag eine Antwort aus Vaduz kommen würde.<br />

Leider war dem nicht so.<br />

VADUZ 18. Februar 2003<br />

In der KKZ machte mach sich Sorgen, weil Kieber sich noch nicht wieder<br />

gemeldet hatte. Taktisch wurde so vorgegangen, dass, sobald er sich<br />

melden würde, man einen Tag mit der Antwort warten würde. Um<br />

Kieber nicht offenbaren zu müssen, dass Hans-Adam und die Regierung<br />

wie auf Nägeln sitzend auf Nachricht warteten.<br />

Hans-Adam hatte nochmals rigoros festgelegt, dass unter keinen<br />

Umständen die gedruckten Pässe Kieber überlassen werden sollten. Er,<br />

298


wie auch die Hälfte des KKZ, befürchtete, dass Kieber heimlich<br />

Verhandlungen mit dem Feind aufgenommen hatte und den Pass gegen<br />

sie verwenden könnte: als Beweis, dass man in Vaduz auch zu allen<br />

Mitteln greife, um wieder an die Daten kommen.<br />

AMSTERDAM 18. Februar 2003<br />

Mein neues Zuhause behagte mir sehr. Es war die ideale<br />

Rückzugsmöglichkeit. Während des Tages schwirrte ich in der quirligen<br />

Stadt herum und abends genoss ich die Friedhofsruhe in Monnikendam.<br />

Alles, was man zum Leben brauchte, konnte man dort finden.<br />

Gemüseladen, Bäckerei, Spazierwege, Kirche und auch ein Autohaus.<br />

Auto? Ja warum nicht, dachte ich mir und besuchten den Händler. Ich<br />

könnte mir einen alten Volvo kaufen. Damit wäre ich etwas flexibler.<br />

Müsste nur aufpassen, nicht in eine Kontrolle zu geraten. Leider hatte<br />

die Holländische Regierung ein Gesetz erlassen, dass praktisch nur im<br />

Lande wohnhafte Personen ein Auto mit Holländischem Kennzeichen<br />

kaufen und fahren dürfen (Ausgenommen Mietwagen natürlich).<br />

In der Vergangenheit, als dies noch keine Vorschrift war, wurde offenbar<br />

diese Gesetzeslücke von zu vielen zweifelhaften Gestalten missbraucht<br />

und nun fahren zigtausend Kisten mit holländischen Kennzeichen in<br />

ganz Europa herum, ohne Steuern oder Abgaben zu bezahlen. Somit war<br />

das Thema Automobile auch gleich wieder gestorben.<br />

Am Nachmittag suchte ich eine Internetstation auf. Aus dem Osten war<br />

nichts Neues zu lesen. Erst kurz vor 19:30 konnte ich folgende Nachricht<br />

lesen:<br />

In der ID-Frage gibt es wie kommuniziert keinen Spielraum.<br />

Erwarten Anweisungen für das von ihnen vorgeschlagene Vier-<br />

Augen-Gespräch.<br />

Aha, dachte ich mir, sie sind immer noch stur in Sachen ID. Wollten die<br />

Schutz-ID nur für eine „begleitete‚ Heimreise zu Verfügung stellen.<br />

Wirklich ein enger Spielraum. Was mich auch verwunderte, war, dass sie<br />

nicht nachgefragt hatten, wohin ich den nun verreist sei. Ich war zu<br />

müde um zu überlegen, was ich jetzt wieder schreiben sollte. Besser war<br />

es, wenn ich nach Hause ginge und mir über Nacht Gedanken machte.<br />

299


VADUZ 19. Februar 2003 (1)<br />

Man fand die neuste Nachricht von Kieber, die er am morgen um 08.16<br />

Uhr abgespeichert hatte. Kieber bedanke sich für die letzte Nachricht<br />

und war allgemein verärgert, dass die Schutz-ID ihm nicht für eine Zeit<br />

ausgeliehen würde. Er wäre frustriert und beklagte sich darüber, dass<br />

wenn man nur einen Bruchteil der Energie und Arbeitsstunden, die man<br />

jetzt in die Lösung des aktuellen Problems steckte, in seinen 101er und<br />

140er Gerichtsfall investiert hätte, wäre es nie so weit gekommen.<br />

Er befände sich nun ist einer Situation, in der er nicht viele Optionen<br />

hätte. Er habe keine andere Wahl als sich um andere Papiere zu<br />

bemühen. Er wüsste zwar nicht wie und wo, aber er würde solange<br />

suchen, bis er sie finden würde. Es dauerte ihm alles zu lange. Er könnte<br />

ja unmöglich als H.K. hier auf eine Lösung warten.<br />

Er vermutete auch, dass Hans-Adam dies wohl so wollte. Damit er<br />

kriechend nach Hause zurückkehren würde. Kieber wäre sich im Klaren<br />

darüber, dass die in Vaduz den längeren Atmen hätten. Da er weiters<br />

vermutete, dass man nur Zeit gewinnen wollte, setze er eine Frist bis<br />

Ende Februar 2003, den 28.02.03. Sollte bis dann keine Lösung in Bezug<br />

auf eine temporäre Schutz-ID gefunden werden, dann gäbe es keinen<br />

Sinn weiterhin zu kommunizieren. Am Schluss seines Schreibens<br />

entschuldigte er sich dafür, dass er keine besseren Nachrichten<br />

übermitteln konnte.<br />

Man rätselte wie nach jeder Botschaft von Kieber, was er nun wieder<br />

damit meinte. Die im Raum Anwesenden blickten hoffnungsvoll in die<br />

Augen vom Professor. Wie üblich, wurde jeder einzelne nach dessen<br />

Mutmassungen gefragt. Kieber sei sicher noch in Berlin, sonst hätte er<br />

uns doch geschrieben, wenn er Deutschland verlassen hätte. Oder,<br />

Kieber sei schon in Verhandlungen mit den Amis und schreibe nur um<br />

selber Zeit zu gewinnen und um keinen Verdacht zu schöpfen. Oder,<br />

Kieber redet schon mit den Deutschen über die Daten.<br />

Hans-Adam beauftragte wiederum die KKZ herauszufinden, von wo aus<br />

Kieber diesmal die abgespeicherte Nachricht geschrieben hatte. Nach ca.<br />

35 Minuten kam die Antwort zurück: Frankreich. Wo in Frankreich,<br />

fragte der Schlossherr. Leider wäre dies nicht zu ermitteln, wurde ihm<br />

gesagt.<br />

300


Frankreich? Aha, in Frankreich, machte die Feststellung die Runde. Oh<br />

Gott, Frankreich! Dabei dachte Feuerstein laut über den sehr grossen<br />

Treuhandkunden aus Frankreich nach, der seit Jahren fast eine halbe<br />

Milliarde Euro in verschiedenen Stiftungen und anderen Gesellschaften<br />

gebunkert hatte. Ja, ja – meinte Hasler, wir haben keine Zeit um jetzt an<br />

einzelne Kunden zu denken. Wir müssen handeln, beendete er laut seine<br />

Gedanken. Der Professor regte an, dass man den Bankdirektor auf ein<br />

Treffen mit Kieber vorbereiten sollte. Nach Einholen des<br />

Einverständnisses von Hans-Adam, informierte man Kieber:<br />

Zwecks Lösungsfindung kontaktieren Sie heute um 1700 die<br />

Ihnen bekannte Kontaktperson unter der Nr. OT Entfernt<br />

AMSTERDAM 19. Februar 2003 (a)<br />

Ich verbrachte die meiste Zeit dieses Tages im Foyer des Hotels Victoria<br />

am Damrak, gegenüber dem Hauptbahnhof. Dort konnte ich mich in<br />

einem Klubsessel an ein grosses Fenster setzen und die vorbeiziehende<br />

Welt draussen beobachten. Oder in der Brasserie des Hotels, wo ich<br />

näher am Geschehen sitzen konnte. Knipsende Urlauber, andere<br />

Fussgänger wie Immigranten aus allen Herren Länder, Bettler,<br />

Drogenabhängige und die Taschendiebe. Alle zwei Stunden ging ich<br />

nachsehen, ob Vaduz endlich mit positiven Meldungen aufwartete. Je<br />

mehr ich versuchte, mich in deren Lage hineinzudenken, desto mehr<br />

kamen mir die Zweifel, ob es überhaupt Hans-Adam sei, mit dem ich im<br />

Netz „plauderte‚.<br />

Angriffslustig nachfragen, ja das wäre am Einfachsten, sagte ich zu mir.<br />

Es war mir natürlich klar, dass ich keine ehrliche Antwort erwarten<br />

konnte. Aber immerhin, besser als keine Antwort. Ich fand es auch<br />

zweckmässig, wenn ich Hans-Adam mit diversen Fragen beschäftigt<br />

halte.<br />

Beim dritten Internetbesuch entdeckte ich die jüngste Nachricht aus<br />

Vaduz. Sie wollten, dass ich den Bankdirektor direkt auf seinem Handy<br />

anrufe. Er war derjenige, den ich in meinem Schreiben als<br />

Vertrauensperson erwähnt hatte. Na endlich, schoss es mir durch den<br />

Kopf. Dieser Kurs war der einzige Richtige. Bei der Auswahl einer<br />

301


Vertrauensperson war ich sehr vorsichtig vorgegangen. Nebst dem<br />

Bankdirektor hatte ich den Erstgeborenen, Alois, angeführt.<br />

Obwohl ich stark vermutete, dass Hans-Adam seinen Alois nicht zu<br />

Diskussionen mit mir senden würde. Dazu sind sie zu schreckhaft. Aber<br />

ganz genau wusste man ja nie. Hans-Adam lässt die Drecksarbeit lieber<br />

von der „Dienerschaft‚ oder über Mittelsmänner erledigen, um es mal<br />

salopp auszudrücken. Das hatte den Vorteil, nebst vielen anderen, dass<br />

er und seine Familie nie direkt überführt werden können. Den<br />

Bankdirektor hatte ich mir als mögliche Diskussionsperson ausgewählt,<br />

da er – obwohl Banker – eine hohe emotionale Intelligenz hatte und ich<br />

ihn aus meiner Anfangszeit bei der LGT Treuhand persönlich kannte.<br />

Ein ausserordentlicher Mensch. Ich formulierte die nachstehende<br />

Antwort:<br />

Danke für die Nachricht, die Nummer habe ich noch von Früher.<br />

Zuerst mochte ich fragen, ob hier in diesem Emailaccount mit mir<br />

aus einem Haus im Gewerbeweg (neben Passamt) in der<br />

Herrengasse (Anm.: das wäre dann das Polizeigebäude gewesen), im<br />

Städtle (Anm.: LGT) oder in der Fürst-Franz-Josef-Strasse (Anm.:<br />

Schloss) kommuniziert wird? Danke für eine Antwort. Ich bin<br />

froh, dass jene Person, mit der ich schon im anderen Land so oft<br />

telefoniert hatte nun wieder da ist. Ich kann aber ihn nicht<br />

anrufen: bitte verstehen sie, dass durch einen Anruf sie den<br />

Anruf eventuell zurückverfolgen können. Ich nehme an, dass er<br />

mir am Telefon vermutlich auch erklären will und muss, warum<br />

eine Schutz-ID nicht möglich ist. Ich weiss, dass es unter<br />

normalen Umständen nicht möglich ist - wenn man aber wollte,<br />

dann ginge es schon. Über die anderen möglichen<br />

Lösungsvorschläge, die sie haben, kann man auch hier im<br />

Emailkonto schreiben.<br />

Durchlaucht, Ende Februar sind es 6 Wochen und 4 Tage seit<br />

dem 13.01.2003. Wir alle hatten sehr viel Zeit, um über alles<br />

nachzudenken etc. Darf ich was fragen? Haben / konnten sie<br />

wirklich sich die Zeit nehmen und die Unterlagen zum Fall 10 Vr<br />

101/97 lesen? Konnten sie das?<br />

Ich glaube auch, dass sie von den zuständigen Behörden (STA<br />

etc.) nicht im ganz informiert worden sind - alles belastende über<br />

mich hat man ihnen wohl voll erzählt - die Fehler der Behörden<br />

in Akt 101er u. 140er wurden sicher verschwiegen. Vielleicht<br />

302


wäre es gut, wenn sie meinen langen Brief, den sie mit dem 1.<br />

Paket erhalten haben - jetzt nochmals lesen könnten - vielleicht<br />

sehen sie es nun in einem anderem Licht.<br />

Mehr kann ich leider nicht schreiben - ich habe auch kein Rezept<br />

für eine Lösung. Ich habe / hatte auch keinen PLAN ‚X‚ wenn<br />

dies oder jenes geschieht. Alles ist schief gelaufen und ich<br />

empfinde irgendwie auch das Ende nahen. Es kommt wohl der<br />

Punkt, wo sie das tun müssen, was sie entscheiden werden und<br />

ich dasselbe. Vielen Dank für ihre Zeit und es tut mir wirklich<br />

leid, dass Ausgerechnet ich - ein grosser Fan ihrer Familie - dies<br />

tue. Ich schaue heute (19.02.03) nochmals um ca. 18 30 nochmals<br />

rein: ansonsten morgen um ca. 11 Uhr<br />

VADUZ 19. Februar 2003 (2)<br />

Jede Zeile wurde aufmerksam gelesen und interpretiert. Der Professor<br />

merkte an, dass Kieber offenbar sehr deutlich mit sich selber kämpfte.<br />

Und auch Anzeichen grosser Reue zeigte. Diese Indizien müssten für die<br />

Ziele von Hans-Adam ausgenützt werden können. Man musste ihm<br />

unbedingt die Angst vor einer Falle nehmen.<br />

Hans-Adam wollte, dass keine Lösungsvorschläge mehr übers Telefon<br />

oder das Netz mitgeteilt würden. Wo bleibt da sonst die Diskretion, die<br />

Verschwiegenheit und die Vorsicht, ermahnte er sie alle. Nach kurzer<br />

Diskussion einigte man sich auf folgende Antwort an Kieber:<br />

Telefonat dient lediglich der Vorbereitung des von ihnen<br />

gewünschten Vier-Augen-Gesprächs mit Vertrauensperson.<br />

Mögliche Lösungsvorschläge werden aus verständlichen<br />

Gründen nicht am Telefon oder im Netz diskutiert. Zusicherung,<br />

dass bei Organisation und Durchführung des Treffens mit<br />

Vertrauensperson keine Fallen gestellt werden. Vorschlag für<br />

Organisation des Vier-Augen-Gespräch bis morgen<br />

Donnerstagmittag.<br />

AMSTERDAM 19. Februar 2003 (b)<br />

Meine Antwort kam dann prompt:<br />

303


Danke für die Nachricht. Es wurden zwar keine meiner Fragen<br />

beantwortet. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ein Gespräch<br />

die Lösung bringen würde. Ich kann mir auch mit der grössten<br />

Mühe nicht vorstellen, was sie vorschlagen könnten: Die<br />

Verbrecher von Argentinien werden wohl nie durch ein Gericht<br />

meiner Heimat verfolgt werden. Die Schutz-ID ist also nicht<br />

machbar. Gegen mich läuft alles... Ein Treffen, ohne dass eine<br />

Schutz-ID gegeben wird - macht keinen Sinn für mich. Danke für<br />

die Zusicherung: logischerweise würden sie mir aber auch nie<br />

sagen, wenn sie ein Falle organisieren. Ich bitte sie mir<br />

wenigstens in Andeutungen hier hinzuschreiben, was für welche<br />

Lösungsansätze es wären. Ich melde mich wieder morgen um ca.<br />

11 Uhr<br />

VADUZ 20. Februar 2003<br />

Die letzte Meldung von Kieber lag schon frisch ausgedruckt auf dem<br />

Tisch im Sitzungszimmer des KKZ. Nun gut, dachte man sich in Vaduz.<br />

Bis zu einer Antwort hätten sie ja noch über zweieinhalb Stunden Zeit.<br />

Es müsste nur eine neue Nachricht vor 11 Uhr eingegeben werden,<br />

sodass Kieber nicht denken würde, die in Vaduz hätten ihn<br />

abgeschrieben.<br />

Die morgendliche Sitzung des KKZ wurde dazu genutzt, eine offene<br />

Diskussionsrunde zu starten. Sehr zum Frust des Professors, der Polizei<br />

und der Justiz, stimmten einige von der LGT und der Regierung wieder<br />

ein tot geglaubtes Lied an: Man sollte Kieber so schnell wie möglich<br />

dingfest machen. Ohne auf „fremdstaatliche Hilfe‚ angewiesen zu sein.<br />

Ohne Zweifel stand fest, dass Liechtenstein aufgrund internationaler<br />

Vereinbarungen und Mitgliedschaften schon lange hätte Genaueres dem<br />

Ausland mitteilen müssen.<br />

Mit dem Resultat, dass Kieber nicht in Vaduz sondern in Spanien<br />

gelandet wäre, was - verständlicherweise - das Staatsoberhaupt Hans-<br />

Adam ausdrücklich nicht wünschte. So waren die Gegner solcher Ideen<br />

schon etwas Sprachlos, als die Befürworter ein fertiges Konzept auf den<br />

Tisch legten. Schliesslich standen die höchsten Staatsinteressen auf dem<br />

Spiel. Man könnte doch Kieber mit der Zusage einer Aushändigung der<br />

304


Schutz-ID ködern und ihn für ein Gespräch nahe an die französischschweizerische<br />

Grenze einladen. Z.B. nach Strassburg oder besser noch<br />

nach Mulhouse.<br />

Psychologisch müsste ihm dies aber so verkauft werden, dass er glaubt,<br />

es sei seine Idee gewesen, dorthin zu kommen. In Strassburg müsste der<br />

Bankdirektor Kiebers Vertrauen in ihn festigen und herausfinden, ob er<br />

die Sicherheitsmassnahmen, wie er sie im Brief vom 7.1.03 beschrieben<br />

hatte, wieder in die Wege gleitet hatte. Vielleicht hätte er gar keine<br />

solcher Massnahmen aktiviert. Möglicherweise blufft er nur. Ja, sicher,<br />

sicher, erwiderte der Professor, wurden wir nicht gerade selber<br />

überrumpelt, als sich herausstellte, dass er die angeblich nicht<br />

entwendbaren Daten in der Tat hatte? Er konnte als Experte nicht ganz<br />

ausschliessen, dass Kieber nur aus schlauen Überlegungen so explizit auf<br />

seine eigenen Schutzvorkehrungen hingewiesen hatte. Ihn würde es aber<br />

ganz und gar nicht verwundern, wenn er im Gegenteil, grössere und<br />

bessere Vorkehrungen organisiert hat, als er uns mitgeteilt hatte. Er<br />

würde dies lieber nicht testen wollen.<br />

Die Befürworter radikaler Massnahmen hatten einiges an Arbeit in das<br />

Manuskript gesteckt und wollten es darum fertig diskutieren. Für die<br />

Ausführung hatte man verschwiegene Dritte zur Hand. Nein, keine<br />

Schnüffler. Man könnte auf gewisse Kreise zurückgreifen, die aus<br />

innerlicher Überzeugung mithelfen würden. Natürlich gegen<br />

entsprechend fettes Geld, wegen dem allgemeinen hohen „Risiko‚. Der<br />

Plan sah Folgendes vor: Sobald der Bankdirektor überzeugt war, dass<br />

Kieber ihm voll vertrauen würde und dieser keine Massnahmen<br />

getroffen hätte und er wisse, wo Kieber die Daten aufbewahre, dann, erst<br />

dann soll er Kieber in die Tiefgarage seines Hotels führen, um ihm die<br />

angeblich dort im Mietwagen verstaute Schutz-ID aushändigen zu<br />

können.<br />

Bevor Kieber merken würde, was los ist, wäre er schon von einer Gruppe<br />

starker Männer überwältigt und ruhig gestellt worden. Ein Abtransport<br />

über einen nicht bewachten, nicht besetzten Grenzübergang mit einem<br />

Auto mit Schweizer Kennzeichen sei absolut kein Hindernis und man<br />

hätte dann freie Fahrt für die drei bis vier Stunden bis nach<br />

Liechtenstein. Sollte Kieber, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit<br />

in die Garage kommen wollen, so könne man auch ohne Probleme die<br />

305


Festnahme im Hotelzimmer vom Bankdirektor organisieren, indem man<br />

dort auf die beiden wartete. Man sei sich zu 1000 Prozent sicher, dass<br />

Kieber, zurück in Vaduz, voll kooperativ wäre und sofort mitteilen<br />

würde, ob er noch evt. Kopien, z.B. in Berlin gelassen hätte oder schon<br />

mit fremden Staaten gesprochen hätte. Sollte sich Kieber immer noch<br />

unbelehrbar zeigen, so könnte man ihn mit der Auslieferung nach<br />

Spanien drohen. Egal, das Spanien dies nie verlangt hatte.<br />

Da das ganze Konzept ohne die Mitarbeit und ohne Absprache mit dem<br />

Bankdirektor erstellt worden war, lehnte dieser es kategorisch ab,<br />

Komplize einer solch illegalen Aktion zu werden, wäre sie auch noch so<br />

gerechtfertigt. Hans-Adam und Alois gefielen diese Zukunftspläne auch<br />

nicht.<br />

Der Skandal wäre unvorstellbar, erinnerten sie die Anwesenden, wenn<br />

es später an die Öffentlichkeit kommen würde. Sie schimpften auch mit<br />

den Erfindern des Konzepts: Was wäre, wenn Kieber sich vehement<br />

gegen einen gewaltsamen Zugriffsversuch wehren würde? Wollte man<br />

ihn halb totschlagen? Nein, auf keinen Fall. Auch daran hätten sie<br />

gedacht, sagte Feuerstein. Es gäbe hochwirksame Beruhigungsmittel in<br />

Spritzenform, die innerhalb von Sekunden ihre volle Wirkung entfalten<br />

würden. Kieber hätte gar keine Chance, da er keine eigene Kraft mehr<br />

hätte, sich zu wehren. Die Dosierung könnte so abgestimmt werden,<br />

dass er erst wieder nach zwei, drei oder vier Stunden zu sich kommen<br />

würde. Die Methode sei medizinisch abgesichert und Kieber würde<br />

keine bleibenden Schäden davontragen. Spuren der Droge würden zwar<br />

im Blut noch lange nachweisbar sein, aber der Plan sehe ja nicht vor,<br />

dass Kieber die Gelegenheit für eine „Beschwerde‚ oder Arztvisite habe.<br />

Dem Professor wurde es zu viel. Er verabschiedete sich von der Runde<br />

und sagte, dass er frische Luft atmen gehen müsste. Wenn sie Glück<br />

hätten, dann käme er vielleicht wieder zurück.<br />

Dem Bankdirektor wurde auch ganz bange. Da fiel ihm etwas ein, was<br />

einem Banker normalerweise beim Aufstehen immer als erstes in den<br />

Sinn kommt: das liebe Geld. Moment mal, sagte er, warum das Geld<br />

nicht dem Kieber anbieten, anstelle es dubiosen Gestalten (‚die Gruppe<br />

starker Männer‚) nachzuwerfen.<br />

Geld gegen Daten, das könnte die Lösung sein. Man wäre ja heilfroh,<br />

wenn dem so wäre, erwiderte Hans-Adam. Aber darum geht es Kieber<br />

306


doch gar nicht. Er hat nie ein Wort davon gesagt. Hier haben wir es<br />

leider nicht mit einem klassischen Fall zu tun, fasste Hasler, fast schon<br />

wehmütig, zusammen.<br />

Der Liechtensteiner Weg, wo Geld alle Wunden heilt, funktioniert eben<br />

nicht immer, erwiderte der Bankdirektor. Trotzdem, lasst es uns<br />

versuchen, ermunterte das Staatsoberhaupt. Von einem chaotischen Tag<br />

blieben dann nur noch folgende kurze Zeilen für Kieber übrig:<br />

Die in ihrem gestrigen Mail von 10:33 angedeuteten alternativen<br />

Lösungsvarianten werden nur in persönlichem Treffen mit<br />

Vertrauensperson besprochen. FL-ID-Variante definitiv nicht<br />

möglich. Manchmal kann aber Geld Probleme lösen.<br />

Besprechung dieser Variante mit Vertrauensperson persönlich<br />

und nicht über Internet und Telefon.<br />

AMSTERDAM 20. Februar 2003<br />

Ich wusste es. Ich wusste es! Früher oder später – wie immer bei solchen<br />

Leuten – bildeten sie sich ein, mit Geld alle Probleme lösen zu können.<br />

Tja, in meinem Fall hatten sie falsch gedacht. Sie begriffen es immer noch<br />

nicht. Ich war eher erbost, dass sie mir Geld offerierten, anstatt ihre<br />

eigenen (Justiz-)Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Dann wieder<br />

konnte ich sehen, dass es eben der einfachste Weg für sie war.<br />

Ich wollte aber kein Geld. Nie und nimmer. Ich war auf das Ziel fixiert,<br />

die Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen. Koste was es<br />

wolle. Ich blieb in meiner Antwort ehrlich und versuchte meine gefühlte<br />

Wut nicht zum Ausdruck zu bringen. Was mir gegen Ende nicht so gut<br />

gelang. Mit der unbehaglichen Gewissheit, dass meine Zeilen ein paar<br />

neue Wutanfälle in der Heimat auslösen würden, schrieb ich folgendes<br />

und drückte dann die Speichertaste:<br />

Tja - da bin ich aber überrascht worden! Wenn man all meine<br />

Unterlagen gelesen hat, dann weiss man, dass ich NIE um GELD<br />

gebeten habe. Ist dies ein Versuch mich in einen Gelderpresser zu<br />

wandeln? Damit es später besser in die ‚Geschichte‚ passt: sollte<br />

die Katastrophe eintreten?!?<br />

Ich bin kein Erpresser.<br />

307


Die Verurteilung der Folterer wäre meine Erlösung. Sicherlich -<br />

Geld macht das leben leichter, ich gebe auch zu‚ dass ich auch mit<br />

dem Gedanken gespielt habe, Ersatz für den finanziellen<br />

Schaden, den ich durch das Urteil im 2002 in der Zivilsache<br />

gegen den Hauptverbrecher aus Argentinien erlitt, nämlich die<br />

über eine Million CHF (blockiertem Geld, Anwaltskosten von 5 ½<br />

Jahren etc.) zurückzufordern.<br />

Aber wie sie ja wissen, habe ich nie ein Wort davon erwähnt. Ich<br />

habe mit meinem Handeln auf die unrechtmässige Behandlung<br />

meinerseits durch die Justiz hingewiesen. Meine Ziele habe ich<br />

leider nicht erreicht! Ich hatte so gehofft (selbst wenn sie es nicht<br />

glauben), dass der Fürst etwas bewegen kann: natürlich habe ich<br />

in den letzten Wochen auch erkennen müssen, dass er es nicht<br />

einfach hat und wohl so handeln muss, wie er es sieht.<br />

Ich verstehe ihre Seite ganz und gar - wie sie ja wissen, bin ich<br />

nicht dumm (um es so auszudrücken). Ich kann mich sehr gut in<br />

ihre Lage versetzten (was man allgemein mit analytischem<br />

Denkvermögen betitelt). Ich nehme an, dass auch sie sich mehr<br />

oder weniger in meine Lage versetzten können und auf Grund<br />

der Vorkommnisse der letzten 6 Wochen verstehen und<br />

nachvollziehen können, dass ich übervorsichtig und extrem<br />

misstrauisch geworden bin... Ich sehe die Teamsitzungen der<br />

involvierten Behörden vor mir, wo die vorherrschende Meinung<br />

gilt, dass sie mich schon kriegen werden - dies sind die Ihnen,<br />

Durchlaucht doch schuldig - oder?<br />

Apropos Meinungen: sollte die Meinung vorherrschen, dass ich<br />

nie und nimmer die Daten verraten könnte, da ich sonst ja nichts<br />

mehr in der Hand hätte, dann irren jene Leute, die dies<br />

proklamieren: abgesehen davon, dass ich nur ein paar Tage<br />

hintereinander mich mittels meiner immer noch frischen<br />

Erinnerungen und den Unterlagen aus dem 101er die erlittene<br />

Folter in Argentinien vor Augen halten muss - um in eine solche<br />

Wut zu geraten, dass ich keine Probleme habe den involvierten<br />

Staaten ein DVD zu senden, hat ja der Besitz aller Daten für mich<br />

auch keinen ‚nutzten‚ gebracht, da ich ja nichts damit erreicht<br />

habe: mir sind die Ideen ausgegangen.<br />

Aber solange wir noch miteinander kommunizieren, muss es eine<br />

Lösung geben. Wenn ich nur zu 100 % sicher wäre, dass ein 4-<br />

Augen-Gespräch keine Falle ist.<br />

308


VADUZ 21. Februar 2003<br />

Mist, den Plan Kieber Geld zu offerieren war ihm in den falschen Hals<br />

geraten, lästerte man im KKZ schon zu früher Stunde. Und die Drohung<br />

am Ende, was sollte das wieder heissen? Man war wieder am Anfang<br />

des Problems. Jede Debatte unter den Mitgliedern des KKZ, die hin und<br />

her Schreiberei mit dem Kieber, alles für nichts und wieder nichts.<br />

Kieber erschien ihnen abermals wie ein Buch mit sieben Siegeln,<br />

schlimmer noch, eines mit 7000. Alle sahen ein, dass nur ein Gespräch<br />

mit Kieber sie aus der verfahrenen Situation führen konnte. Hans-Adam<br />

befahl, alle Pläne und Konzepte einzufrieren und abzuwarten, was das<br />

Meeting mit Kieber an neuen Erkenntnissen bringen würde.<br />

Der Professor war derselben Meinung. Die KKZ stellte folgende<br />

Mitteilung ins Netz:<br />

Sie haben Recht. Kommunikation ist die Voraussetzung einer<br />

Lösung. Ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch dient zur<br />

Lösungsfindung. Es gibt keine Fallen, sie bestimmen Ort, Zeit<br />

und Vorgehensweise für dieses Gespräch mit der<br />

Vertrauensperson.<br />

AMSTERDAM 22. Februar 2003<br />

Nach langem hin und her, konnte ich meine Befürchtungen etwas<br />

dezimieren und entschloss mich das Experiment „Treffen‚<br />

durchzuziehen. Schlussendlich war mir klar, dass ich ohne Diskussionen<br />

meine Ziele nicht erreichen konnte. Um Hans-Adam und seine, meiner<br />

Vermutung nach gross angeschwollene Beratertruppe, so lange wie<br />

möglich im Bezug auf Holland zu täuschen, setzte ich wieder auf die<br />

Verwirrungstaktik, indem ich ein Treffen im hohen Norden andeutete.<br />

Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen Hinweis in Sachen<br />

Sicherheitsvorkehrung mitzuliefern. Folgender Text war das Resultat<br />

meiner Gedanken:<br />

Also, einen Versuch will ich wagen .... obwohl alles dagegen<br />

spricht. Könnte sich Dr. S. MO + DI, den 3. + 4. März 03 oder DI +<br />

MI, den 4. + 5. März freihalten? Es ist für mich erst zu jenen<br />

Tagen möglich, weil ich noch einiges vorbereiten muss, was sie<br />

309


sicher verstehen. Das Treffen findet in einem der<br />

Skandinavischen Länder statt. Welches Land es ist, kann ich erst<br />

später mitteilen.<br />

Ich bitte aber um folgendes: Dr. S. soll eine Schriftkopie meiner<br />

Tonbandaussage bei der Kripo vom 11.04.1997 über die<br />

Ereignisse in Argentinien erhalten, sowie eine Kopie des<br />

gerichtsmedizinischen Gutachten. Er möge beides intensiv lesen.<br />

Ich möchte nämlich nicht, dass er ohne meine Motive zu kennen,<br />

mir gegenüber steht. Falle: ich bin mir bewusst, dass sie durchaus<br />

eine (erfolgreiche) Falle vorbereiten könnten. Daher bleibt mir<br />

auch nichts anderes übrig, einen automatischen Mechanismus<br />

vorzubereiten, wo sichergestellt ist, dass ein paar Länder und 3<br />

Medien alle Daten auf einmal erhalten, sollte ich nicht frei<br />

bleiben. Ich nehme an, dass sie dies verstehen. Ich melde mich<br />

wieder anfangs nächster Woche.<br />

AMSTERDAM 23. - 27. Februar 2003<br />

Die Tage vergingen wie im Flug. Komisch, ich fand keine Reaktion auf<br />

meine letzte Nachricht. War wohl zu deftig, dachte ich mir. Aber besser<br />

Klartext reden, als die Gegenseite an falsche Sicherheit glauben zu<br />

lassen. Dass würde nur die Geburt von Radikallösungen, die mir sicher<br />

nicht gut bekommen würden, fördern. Da war ich mir sicher. Oder der<br />

Bankdirektor kann nicht Anfang März reisen. Oder „Skandinavien‚<br />

passt ihnen nicht. Oder Hans-Adam hatte andere Probleme. Ich wusste<br />

es nicht. Egal, er wird sich sicher wieder melden, sagte ich zu mir. Es<br />

war ja noch Zeit bis Anfang März.<br />

Am Mittwoch, 26.02. stellte ich denselben Text wie vom 22.02. nochmals<br />

in Netz und fügte einen Satz vorneweg, wo ich Hans-Adam fragte, ob er<br />

meine Nachricht vom Samstag, den 22.02.03 gelesen habe.<br />

Am nächsten Tag, um die Mittagszeit hoffte ich schon eine Antwort zu<br />

bekommen. Wieder war nichts. Oje, ich befürchtete, dass etwas schief<br />

gelaufen sei muss. Ich konnte es nicht verstehen, dass die in Vaduz<br />

offenbar nicht begriffen hatten, dass jeder Unterbruch in der<br />

Kommunikation nur zu wilden Spekulationen führen würde. Das galt<br />

für beide Seiten. Ich schrieb an Hans-Adam:<br />

310


Bitte löschen sie jeweils den Text nach dem sie ihn gelesen haben.<br />

Auch wenn sie nichts antworten; damit sehe ich (und umgekehrt<br />

auch sie), dass man die Nachricht bekommen hat. Da sie meinen<br />

letzten langen Text über Tage stehen haben lassen, nehme ich an,<br />

dass sie noch nicht hier in der Emailbox waren. Danke.<br />

Diese Tage ohne ihre Nachricht brachten mich auch auf den<br />

Gedanken, dass sie eventuell die Meinung bezüglich eines<br />

Treffens geändert haben. Dies ist nicht weit hergeholt, da auch<br />

ich, wie sie auch, den Umständen entsprechend mehrere ‚Wege<br />

aus dem Wald planen‚ muss.<br />

Wenn es dem Dr. S. am MO + DI ‚ 3. + 4.03.03 zeitlich gehen<br />

würde, dann werde ich ihm am Sonntagabend auf seinem Handy<br />

anrufen und die Route durchgehen. Ist dies OK für sie? Hat er die<br />

Unterlagen lesen können? Es ist zwar eine idiotische Frage, aber<br />

ich stelle sie bewusst trotzdem: sind sie sicher, dass es keine Falle<br />

wird? Ich bitte sie, den Dr. S. über die offenen Akten (101er,<br />

140er, neuer etc.) zu informieren und ihm zu erlauben, dass er<br />

mich informiert. Auch möchte ich bei dem Treffen erfahren<br />

können, was mich zu hause erwarten würde, wenn ich im März<br />

03 samt allen Unterlagen freiwillig nach hause kommen würde?<br />

Vielen dank für ihre Mühe und wirklichem Vorhaben, ein Treffen<br />

ohne Überraschung zu wollen.<br />

VADUZ 22. - 27. Februar 2003<br />

Rasch sprach sich in den involvierten Kreisen herum, dass Kieber nicht<br />

wie vermutet in Frankreich war, sondern irgendwo in Skandinavien<br />

oder zumindest auf dem Weg dorthin wäre. Man versuchte den<br />

Aufenthaltsort von Kieber zu eruieren. Der Befund sagte, dass die<br />

vorletzte E-Mail aus Rotterdam, Holland kam und die Letzte wieder<br />

irgendwo aus Frankreich. Dies brachte auch kein Licht in die vernebelte<br />

Angelegenheit. Beim Wort Skandinavien zogen nicht nur die LGT und<br />

die Regierung die Mundwinkel nach unten. Clever ausgesucht, sagten<br />

sie.<br />

Kieber wusste offenbar, dass die skandinavischen Länder sehr strenge<br />

Steuergesetzte haben und er dort sicher auf offene Türen stossen würde,<br />

sollte er sich an die Behörden wenden (müssen). Die LGT Treuhand<br />

311


estätigte, dass mehrere hundert Bürger aus dieser Ländergruppe ihre<br />

Kunden waren. Man war verärgert, da man eine Lösung des Problems<br />

im „Strassbourg‚-Stil in Skandinavien nicht so einfach durchziehen<br />

könnte. Man müsste wieder zuerst die Möglichkeiten eruieren. Die Kluft<br />

zwischen den KKZ-Mitgliedern wurde immer grösser. Auf der einen<br />

Seite hatten die Vertreter der LGT und die Regierung immer weniger<br />

Geduld in der Sache.<br />

Hans-Adam und seine Familie hatten als Zerstreuung, wenn dies auch<br />

keine herrliche Vergnügungstour war, die laufende, heisse Enddebatte<br />

um die neue Verfassung zur Verfügung. Die Abstimmung war auf den<br />

16. März angesetzt. Hans-Adam war auch mehr und mehr frustriert,<br />

dass es überhaupt soweit kommen konnte. Das er und seine LGT wegen<br />

brutalen Fehlern der eigenen Justiz nun so leiden mussten.<br />

In den vergangenen Tagen gab es mehrere längere und private<br />

Beratungen zwischen dem Professor und Hans-Adam. Der Professor<br />

warnte vor einer Katastrophe, sollte man einem Konzept im Stil<br />

„Strassburg‚ zustimmen. Als gebildeter Mann war natürlich auch Hans-<br />

Adam klar, dass man sich auf sehr dünnes Eis begeben würde, sollte<br />

man Kieber mit kriminellen Methoden schnappen. Aber die Zeit, die Zeit<br />

läuft mir davon, jammerte er zu Recht.<br />

Erst nach grosser Überzeugungskunst von Seiten des Professors, fällte er<br />

als Staatsoberhaupt einen wichtigen Entscheid. Er befahl, dass sich die<br />

Regierung, die Justiz und die Polizei aus der ganzen Angelegenheit<br />

zurückziehen mussten und er bis auf Widerruf keine Vorschläge und<br />

Randbemerkungen von denen mehr hören wollte. Er erklärte weiters,<br />

dass er die dem KKZ mündlich erteilten speziellen Vollmachten<br />

annulliert habe und sich der Sache nur noch direkt annehmen würde.<br />

Es wäre eine grosse Untertreibung zu behaupten, dass gewisse Kreise in<br />

Vaduz nicht hocherfreut über diese Dekret vom Staatsoberhaupt waren.<br />

Die Polizei vermerkte am 28.02.03 in einem Protokoll, dass man sich<br />

absprachegemäss aus dem Kontakt mit Kieber zurückgezogen hatte und<br />

war sichtlich erleichtert. Die Justiz hatte auch genug andere Fälle und<br />

wurschtelte wie üblich weiter als wäre nichts geschehen. Andererseits<br />

deuteten die Befürworter radikaler Massnahmen, namentlich die LGT<br />

und die Regierung, diese Änderung im Kurs gegenüber Kieber als<br />

Zeichen von Hans-Adam, dass er doch noch geneigt wäre, ihre Ideen zur<br />

312


Lösung des Falls in die Tat umzusetzen. Denn die Justiz sowie die<br />

Polizei hatten ihn ja in diese Lage gebracht, durch ihre bewiesene<br />

Inkompetenz und offensichtlichen Fehlurteile in Sachen Argentinien und<br />

das „Interpoldebakel‚. Als aktuelle Mitteilung liess Hans-Adam am<br />

27.02., am früheren Abend folgenden Text eintippen:<br />

Dr. S. wartet ihren Anruf am Sonntagabend. Er hat ihren Fall<br />

studiert. Es ist keine Falle.<br />

Anm.: Dies war dann auch die allerletzte Mitteilung, die von Seiten Hans-<br />

Adams über dieses System gemacht wurde.<br />

AMSTERDAM 28. Februar 2003<br />

Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich die Nachricht las, dass der<br />

Bankdirektor meinen Fall studiert hatte. Nichts hasste ich mehr in den<br />

vergangenen Jahren als mit Leuten zu reden, die vorgaben, den<br />

Sachverhalt zu kennen, wenn das in Wahrheit nicht der Fall war.<br />

Obwohl meine früher gesetzte Frist „Ende Februar 2003‚ abgelaufen<br />

war, ohne dass ich die Schutz-ID erhalten hatte, freute ich mich<br />

irgendwie auf das Treffen mit dem Bankdirektor. Es waren über sieben<br />

Wochen vergangen, seit ich auf meiner Mission gestartet bin. Um<br />

überleben zu können, wusste ich, dass ich äusserst flexibel sein musste.<br />

Und das war ich immer schon in meinem Leben. Anpassungsfähig wo es<br />

nötig und richtig erschien. Als meine letzte Meldung nach Vaduz schrieb<br />

ich:<br />

Vielen Dank für ihre Nachricht. Ich werde ihn am Sonntagabend<br />

sicher anrufen. Ich bitte ihn für die Reise auch eine Badehose<br />

(nicht das er verkabelt kommt) und gutes Schuhwerk<br />

mitzubringen, sowie sein Handyladegerät. Ich werde am<br />

Sonntag um die Mittagszeit nochmals hier hinein schauen. Vielen<br />

Dank für ihre Mühe.<br />

Ich hatte mich noch nicht festgelegt, wo und unter welchen Umständen<br />

ich ihn treffen wollte. Den Hinweis mit der Badehose formulierte ich<br />

deswegen, weil ich verhindern wollte, dass die in Vaduz auf die Idee<br />

kamen, den Bankdirektor zu verkabeln, um das Gespräch zwischen uns<br />

313


aufzunehmen oder einen so genannten Lokalisierungssender an seinem<br />

Körper zu verstecken.<br />

Ich ging davon aus, dass solche technischen Spielereien batteriebetrieben<br />

und voll mit elektronischen Komponenten sein würden. Da gab es nur<br />

eines, was diesen Geräten den Saft abdrehte: eintauchen in viel, viel<br />

Wasser. Im Schwimmbad oder in einer heissen türkischen Sauna.<br />

Heisser Dampf bekommt solchem Schnickschnack sicher auch nicht gut.<br />

Natürlich hätte man den Bankdirektor auch mit wasserdichtem Material<br />

ausrüsten können. Aber nur mit Badehose bekleidet oder gar<br />

splitternackt, da müsste er es schon sehr gut verstecken. Mit dem<br />

Hinweis gutes Schuhwerk mitzubringen, wollte ich auf die Möglichkeit<br />

einer Wanderschaft zu einem Treffpunkt hinweisen, vielleicht an einem<br />

abgelegenen, schwer erreichbaren Ort.<br />

VADUZ Ende Februar / Anfang März 2003<br />

Als hätten die in Vaduz nicht schon genug Probleme (Kieber) und Ärger<br />

(der Abstimmungskampf um die Neue Verfassung), tat sich ein neues<br />

Grab in Vaduz auf. Ein ehemaliger, langjähriger Angestellter der<br />

Liechtensteiner Landesbank (LLB), Herr Roland Lampert, kündigte im<br />

Februar aus heiterem Himmel seine Stelle und begab sich auf eine<br />

folgenschwere Erpressertour. Nachdem die LLB den wahren Grund für<br />

seinen Abschied erkannt hatte und ihn wegen Kontoungereimtheiten<br />

sprechen wollte, informierte er im Gegenzug die LLB, dass er im<br />

Übrigen über 2300 Datenausdrucke mit einer Vermögensübersicht von<br />

über 1300 verschiedenen deutschen Kunden der LLB besitzen würde.<br />

Zuerst glaubte man ihm nicht. Bis er den Beweis dafür lieferte. Da die<br />

LLB mehrheitlich in Staatsbesitz(!) war (und heute noch ist), wurde –<br />

entgegen den aktuellen Beteuerungen aus Liechtenstein - natürlich die<br />

Regierung und somit Hans-Adam sofort im Februar 2003 informiert.<br />

Nicht schon wieder, man konnte es nicht fassen. War „der Tag des<br />

jüngsten Gerichts‚ in Liechtenstein angebrochen, fragte man sich nun in<br />

Vaduz. Nachforschungen der LLB ergaben, dass Lampert zwischen<br />

August 2000 und Ende Februar 2003 klammheimlich die Daten<br />

gesammelt hatte.<br />

314


Da ja der Diebstahl von Daten ein Antragsdelikt war, wurden vorerst<br />

Polizei und Justiz nicht informiert. Die nicht kleine Unterschlagung von<br />

(Kunden-)Geldern wurde zwar auch rasch bemerkt, jedoch weder der<br />

Polizei noch der Justiz gemeldet. Die LLB versuchte am Anfang mit der<br />

Billigung von Regierung und Hans-Adam alleine, dann mit der geballten<br />

Macht der Liechtensteiner Justiz und am Schluss mit Privatdetektiven<br />

und millionenschweren Eurozahlungen, die Sache zu bereinigen. Mit<br />

einem katastrophalen Endergebnis aus Liechtensteiner Sicht.<br />

Anm.: Über diesen Fall, den LLB-Fall, wurde in den deutschen Medien seit<br />

2008 ausgiebig berichtet. Eigentlich nur deswegen, weil jene Gruppe von<br />

Kriminellen, die nach der geheimen Verurteilung von Lampert in Liechtenstein<br />

an die betroffenen Daten gelangten, selber nun in Rostock vor Gericht stehen.<br />

Ich rege meine Leser an, im Internet die Einzelheiten nachzulesen.<br />

Einiges macht aber den LLB-Fall in Bezug auf meine Sache sehr interessant.<br />

Erst mal die Tatsache, dass es sich zeitlich praktisch parallel zu meinem Fall<br />

abspielte und ich daher aufzeigen kann, wie heuchlerisch die Regierung und<br />

Hans-Adam agierten. Zudem – was der Öffentlichkeit nicht bekannt ist - wurde<br />

versucht, mich mit dem LLB-Fall zu ködern und zu manipulieren (nachzulesen<br />

in den kommenden Kapiteln).<br />

Da praktischerweise der Professor Dr. Thomas Müller in Vaduz schon<br />

seine Zelte aufgeschlagen hatte, fragte die Regierung ihn, ob er ihnen<br />

auch im LLB-Fall helfen könnte. Er erkannte die aussergewöhnliche<br />

Herausforderung und sagte zu.<br />

Hans-Adam bestand darauf, acht zu geben, dass man die zwei Fälle<br />

nicht vermischen würde. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete der<br />

Professor im behördlichen Auftrag der Justiz am LLB-Fall und nur noch<br />

im Privatauftrag von Hans-Adam am LGT-Fall.<br />

Der Bankdirektor Dr. Pius Schlachter wurde am letzten Samstag im<br />

Februar von Hans-Adam und Alois aufs Schloss eingeladen und dort auf<br />

seine Mission vorbereitet. Es wurde beschlossen vorerst keine Falle für<br />

Kieber vorzubereiten. Erstens fehlten für den Entscheid zugunsten einer<br />

Falle die wichtigen Informationen, wie welches Land in Skandinavien?<br />

Hatte man Verbindungen dorthin? Hatte man Verbündete dort? Wie<br />

lauten die Gesetze dort? Gibt es Spielraum in diesen Gesetzen? Und<br />

Zweitens hatte der Bankdirektor seinen persönlichen Wunsch klar zum<br />

315


Ausdruck gebracht, kein Komplize einer solchen Sache werden zu<br />

wollen.<br />

Hans-Adam akzeptierte dies. Er meinte zwar, ein bisschen<br />

Einschüchterung, wenn es die Situation bei einem Meeting mit Kieber<br />

erlauben würde, wäre schon abgebracht. Nicht zuletzt, um ihm zu<br />

zeigen, wie schwer er die in Vaduz beleidigt und verletzt hatte. Wer hier<br />

der Herr im Hause ist ! Mal sehen, erwiderte der Bankdirektor.<br />

Ihm wurde weiterhin eingetrichtert, dass es das oberste Ziel sei, die<br />

Daten zu bekommen und Kieber zu überreden, nach Hause zu kommen.<br />

Der Bankdirektor wollte die Gelegenheit dieser privaten Audienz mit<br />

Hans-Adam & Erbprinz Alois für eine Debatte über ein bisher nicht<br />

angesprochenes Thema nutzten: Sollte man nicht die Kunden warnen?<br />

Wie aus einer Pistole geschossen, riefen Hans-Adam und sein Sohn<br />

gleichzeitig, NEIN, auf keinen Fall. Warum auch? Es gab keinen Grund.<br />

Kieber habe zu keiner Sekunde jemals etwas gesagt oder geschrieben,<br />

dass er direkt auf die Kunden zugehen würde. Und mit den<br />

ausländischen Behörden hatte Kieber hoffentlich noch nicht geredet.<br />

Wenn dem aber so wäre, dann wäre es sowieso zu spät, die Kunden zu<br />

warnen.<br />

Wie sich der Bankdirektor dies vorstellen würde, fragten sie ihn. Da<br />

Kieber ja die komplette Datenbank hatte, müsste man ja extra 50 neue<br />

Leute einstellen, um die tausende aktuellen und die hunderte ehemalige<br />

Kunden entweder telefonisch oder per Brief warnen. Bitte, Herr<br />

Bankdirektor, Sie müssten es doch besser wissen, die Medien würden<br />

schon nach dem zehnten Kunden sicher irgendwie Wind davon<br />

bekommen.<br />

Unser Bankengeheimnis, die Säule unseres Geschäfts, würde<br />

implodieren, redete Hans-Adam auf ihn ein. Da half auch nicht der<br />

Hinweis des Bankdirektors, welche Konsequenz es für die Kundschaft<br />

von Dr.Dr. Batliner hatte, als dieser sie nicht warnte, als eine CD-Rom<br />

mit deren Daten gestohlen wurde. Eine CD-Rom die erst lange Zeit<br />

später bei den deutschen Behörden landete. Hans-Adam und Alois<br />

beharrten auf ihre Auffassung, dass eine Warnung ihrer Kunden zu viel<br />

Schaden für ihr gesamtes Geschäft bringen würde. Sollte die Katastrophe<br />

eintreten, „wovor Gott uns bewahren soll‚.<br />

316


Man versicherte dem Bankdirektor auch, dass, sollte ein Wunder<br />

geschehen, und Kieber schon nach dem ersten Treffen nach Hause<br />

kommen wollen, ein Anruf von ihm genügen würde und Hans-Adam<br />

sein Auto samt Fahrer und Schutzvorkehrungen für Kieber schicken<br />

würde. Der Bankdirektor hatte schon vom Sekretariat die Informationen<br />

zu allen möglichen Flugkursen von Zürich nach Schweden, Norwegen<br />

und Finnland erhalten.<br />

317


KAPITEL 13 Ein Essen für Sechs Euros<br />

Also gut, dachte ich mir. Wie würde ich dieses Treffen überleben? Ich<br />

verbrachte die Tage damit, einen dafür geeigneten Platz in der Stadt<br />

Amsterdam zu finden. Meine ursprüngliche Idee, das Treffen weit ins<br />

freie, flache Land hinaus zu verlegen, verwarf ich wieder, da dies nur die<br />

Möglichkeit von „Überraschungen‚ seitens der Gegner erhöhen würde.<br />

Die Anonymität der Menschenmenge von Amsterdam war mir da lieber.<br />

Zudem hoffte ich, dass mir niemand mitten in der Stadt am helllichten<br />

Tag etwas antun würde. Bevor es überhaupt zu einem direkten<br />

Wortwechsel zwischen mir und dem Bankdirektor kommen konnte,<br />

stand für mich fest, dass ich derjenige sein müsste, der ihn vorher für eine<br />

Zeitspanne von mindestens 30 Minuten im Auge behalten und<br />

beobachten musste und nicht umgekehrt.<br />

Dafür wollte ich ihn irgendwie ständig in Bewegung halten und dies<br />

auch noch mit einer anderen Fortbewegungsart als die meine. Ihn in<br />

einen Bus oder Taxi einsteigen und irgendwohin hinfahren zu lassen,<br />

kam daher nicht in Frage. Weil ich dann auch auf ein ähnliches<br />

Transportmittel hätte zugreifen müssen, um Schritt halten zu können.<br />

Ein Blick auf die Wasserkanäle vor meiner Nase brachte mich auf eine<br />

knifflige, aber machbare Lösung. Das war’s! Eine Kanalfahrt. Ich<br />

studierte die Grachtenrundfahrten mit dem Kanalbus sehr genau. Ab<br />

dem Hauptbahnhof, dem Central Station East fuhren in regelmässigen<br />

Abständen verschiedenen Rundfahrten ab. Ich kaufte mir ein Tagesticket<br />

und fuhr jede einzelne Strecke ab. Mit der roten Linie kam man nach ca.<br />

60 Minuten an der Endstation „Van Gogh Museum‚ an. Davor waren ein<br />

paar Haltestellen. Die Vorletzte hiess Leidseplain. Ich fuhr mit dem Boot<br />

zurück an den Ausgangspunkt. Dem nächsten Boot zum Van Gogh<br />

Museum folgte ich auf dem Landweg zu Fuss und stoppte die Zeit bis<br />

zur Station Leidseplain: knapp 50 Minuten. Ideal!<br />

Könnte klappen, rechnete ich mir aus. Der Fussweg führte über Strassen<br />

und Brücken. Oft in einer Richtung, was ein Fahrverbot für Autos<br />

bedeutete, weil es entweder eine Einbahnstrasse oder die Brücke zu<br />

schmal war. Und sowieso wäre man mit dem Auto schnell verloren, da<br />

man aufgrund der Verkehrsführung in der Stadt schon nach fünf<br />

Minuten das Boot und somit mich als begleitenden Fussgänger aus den<br />

Augen verlieren würde. Es gäbe für eventuelle Schattenmänner nur zwei<br />

318


Chancen uns zu verfolgen. Entweder man stieg mit dem Bankdirektor in<br />

dasselbe Boot ein, oder man würde es zu Fuss verfolgen.<br />

Die Strecke zu Fuss führt so stark im Zick-Zack Kurs durch die Stadt,<br />

dass es mir sofort auffallen würde, wenn jemand wie ich das Boot zu<br />

Fuss verfolgen würde. Zudem hatte ich ja nicht vor, mich dem<br />

Bankdirektor vor seiner Kanalfahrt zu zeigen. Er würde nicht erfahren,<br />

wo ich bin. Zugegeben, ich hatte ja die möglichen Schattenmänner oder<br />

Kameraden vom Bankdirektor nie gesehen und würde sie daher auch<br />

nicht erkennen können, falls sie mit ihm ins Boot einsteigen würden.<br />

Dagegen gab es auch ein einfaches Mittel. Sollte ich den Verdacht haben,<br />

dass Begleiter im Boot anwesend waren, so könnte ich den Bankdirektor<br />

zum Aussteigen an einer Zwischenstation auffordern und ihn dort auf<br />

den nächsten Kurs für die Weiterfahrt warten lassen. Sollte(n) dann die<br />

Verdachtsperson(en) auch mit aussteigen und in der Nähe von ihm<br />

bleiben und dumm aus der Wäsche gucken, wüsste ich was die Stunde<br />

geschlagen hätte.<br />

Ich fand es besser, nur kurz mit dem Bankdirektor am Telefon zu reden,<br />

sobald er in Holland war. Das Gespräch sollte sich nur auf folgende Bitte<br />

beschränken: Er sollte sich am Montag in die Eingangshalle der grossen<br />

St. Nicholas Kirche gegenüber dem Hauptbahnhof, an der Prins<br />

Hendrickkade begeben, das Prospektregal aufsuchen und dort ganz<br />

oben rechts, hinter dem Stapel des Rundschreibens der Kirchgemeinde,<br />

würde er weitere Instruktionen von mir finden. Ich hatte die<br />

Öffnungszeiten der Kirche kontrolliert und musste nur noch die<br />

Instruktionen zu Papier bringen. Ich setzte mich in ein Internetcafé und<br />

formulierte:<br />

Hallo Herr Direktor. Bitte gehen Sie aus der Kirche wieder raus.<br />

Ein Kreuzschlag vorher wäre vielleicht nicht schlecht. Schräg<br />

gegenüber der Kirche sehen Sie am Kanal ein kleines Häuschen,<br />

dass Tickets für Kanalrundfahrten, den Canalbus verkauft.<br />

Kaufen Sie sich bitte einen Tagespass für die Rote Linie bis zur<br />

Endstation. Nehmen Sie den nächst verfügbarem Kurs und<br />

setzten Sie sich bitte auf einen unüberdachten Sitz, so weit hinten<br />

im Boot wie möglich. Wie ich Sie gebeten hatte, rufen Sie<br />

niemanden an und lassen alle Handy ausgeschaltet. Im Verlauf<br />

der Kanalfahrt werde ich Ihnen weitere Instruktionen zukommen<br />

lassen. Falls ich aber irgend etwas faules sehen oder spüren sollte,<br />

319


ist unser Treffen damit zu Ende und ich wünsche keine weiteren<br />

Kontakt mit Ihnen oder dem Schlossherrn zu Hause.<br />

Entschuldigen Sie die Umstände. 03. März 2003.<br />

Bewusst nannte ich keine Namen. Ich druckte diese Zeilen aus und<br />

kopierte sie sechs Mal. Ich knickte jedes einzelnes Blatt genau so wie der<br />

Rundbrief in der Kirche gefaltet war. Sodass man dachte, dass es Teil des<br />

Zirkulars wäre. Ich begab mich am Samstag, den 1.3. zur Kirche und<br />

steckte fünf der sechs Schreiben fein säuberlich hinter den vorhandenen<br />

Stapel.<br />

In einem anderen Internetcafé, nachdem ich ganz sicher war, dass mir<br />

keiner über die Schulter schauen konnte, passte ich meine elektronische<br />

Sicherheitsvorkehrung an die geänderte Situation an. Obwohl ich ja<br />

datenmässig nichts mehr in Berlin hatte, wollte ich die ursprünglichen<br />

Empfänger von dort aus der Liste nicht auswechseln. Ich änderte nur<br />

den Text in Bezug auf meinen neuen Wohnort und die Adresse in<br />

Monnikendam, schilderte wo die Daten aufbewahrt waren und fügte<br />

einen neuen Adressenten dazu: die Polizei der Niederlande, genauer die<br />

Politie Centrum. Das sollte reichen.<br />

Ich wusste, sobald ich am Sonntagabend auf dem Handy vom<br />

Bankdirektor anrufen würde, er zumindest das Land herausfinden<br />

könnte, wo ich mich befand. Dies sah ich als kein Problem an. Entweder<br />

möchte ich das Treffen oder ich lasse es ganz bleiben.<br />

Ich wollte aber nicht preisgeben, dass ich in Amsterdam war. Ich fuhr<br />

deswegen am Sonntag mit dem Zug 20 Minuten nach Haarlem an die<br />

Nordseeküste. Schönes Städtchen. Dort setzte ich mich in ein<br />

Touristencafé und ging im Kopf den Plan für die nächsten zwei Tage<br />

nochmals durch.<br />

Ich kaufte mir eine Telefonkarte und wählte die Handynummer vom<br />

Bankdirektor. Er nahm gleich ab und war hörbar froh, dass ich mich<br />

gemeldete hatte. Ich bedankte mich für seine Geduld und entschuldigte<br />

mich nochmals für die Umstände. Ich fragte ihn, wie es den so im Ländle<br />

zu und her und wie es dem Hans-Adam ginge. Ob sich alles etwas<br />

beruhigt hatte?<br />

Er antwortete: alles sei soweit ruhig. Hans-Adam sei sehr nervös wegen<br />

den Daten und der Abstimmungskampf sei immer noch voll im Gange.<br />

320


Ich erzählte ihm, dass ich etwas davon im Internet gelesen hatte. Er<br />

fragte mich, wohin die Reise nun gehen sollte.<br />

Ich fragte ihn, was er denn vermuten würde. Er sagte, er hätte die kleine<br />

Vermutung, dass es nicht in den Norden ginge. Ich lachte und sagte, ja<br />

nix mit Skandinavien. Er solle sich bitte heute Abend den letzten Kurs<br />

oder für morgen früh den Ersten nach Amsterdam buchen. Ich würde<br />

von einer anderen Stadt nach Amsterdam kommen. Er solle bitte<br />

spätestens um die Mittagszeit in der Stadt sein. Ich würde ihn anrufen<br />

und dann sagen, wo wir uns treffen würden.<br />

Amsterdam? Amsterdam! rief er aus. Da wäre er zum letzten Mal auf<br />

seiner Hochzeitsreise gewesen. Nicht wahr? bemerkte ich. Na dann ist es<br />

doch wieder Zeit diese schöne Stadt zu besuchen. Ob er die Badehose<br />

eingepackt hätte und ob er alleine komme, fragte ich in schnell. Und ob<br />

es sicher sei, dass es keine Falle wäre, schob ich hinten nach. Ja, Ja, Ja,<br />

antwortete er zurück. Obwohl mir die letzten zwei Fragen auch sinnlos<br />

vorkamen. Hätten sie eine Falle geplant, dann wäre ich der letzte auf<br />

Erden, der davon im Voraus erfahren würde. Aber, ich sagte ihm, ich<br />

stelle die Frage nur, damit nachher nicht behauptet wird, ich hätte euch<br />

nicht gewarnt. Ich erwähnte auch das Inkrafttreten meiner<br />

Schutzmassnahmen. Ab jetzt, betonte ich. Er bedankte sich.<br />

Bis Morgen Herr Kieber. Bis Morgen Herr Bankdirektor.<br />

Montag! Ich fuhr schon mit dem ersten Linienbus von Monnikendam<br />

nach Amsterdam. Bei mir hatte ich eine der externen Harddisk mit den<br />

elektronisch gespeicherten Daten. Ich wollte überprüfen, ob die Kirche<br />

auch wirklich offen war. Gut, die Kirche war offen. Gar nicht gut war,<br />

dass meine fünf Blätter weg waren. Ich schaute mich schnell um, weil<br />

mich ein Gefühl überkam, als ob mich jemand beobachtete. Aber es war<br />

niemand am Eingang. Nur ein paar ältere Damen und zwei<br />

Frühaufsteher-Touristen waren in der Kirche. Die Einen beteten, die<br />

Anderen staunten.<br />

So ein Mist, dachte ich mir, da musste wohl ein übereifriger<br />

Kirchenpfleger meine Zettel gefunden und gleich festgestellt haben, dass<br />

es nix mit Religion zu tun hatte und weg waren sie.<br />

Kein Problem: was war noch mal mein Plan B? Ohh, ja hatte gar keinen.<br />

Ich musste mir was einfallen lassen, da ich dem Bankdirektor nicht am<br />

321


Telefon erklären wollte, wohin er gehen sollte. Dies würde dem Gegner<br />

einen zeitlichen Vorsprung geben, falls sie am Telefon mithören würden.<br />

Ich könnte den letzten Zettel nochmals in der Kirche deponieren. Was<br />

aber wenn wieder einer aufräumen kommt?<br />

Besser wäre es, eine andere Hinterlegungsmöglichkeit zu finden. Aber<br />

wo? Ein Hotel?<br />

HOTEL !! Das Hotel Victoria gleich unter dem Hauptbahnhof, wo ich<br />

schon ausgedehnte Ruhezeiten im Sessel verbracht hatte, wäre ideal<br />

dafür. Ich lief die kurze Strecke dorthin und fragte beim Concierge nach,<br />

ob ich eine Nachricht für einen Bekannten abgeben könnte. Man fragte<br />

mich, ob dieser denn Gast bei ihnen wäre. Ich behauptete, nein, aber er<br />

würde heute einziehen und in ein paar Stunden kommen. Im Zettel für<br />

den Bankdirektor strich ich die Worte Kirche durch und schrieb Hotel<br />

Victoria darüber. Anstelle schräg gegenüber, schrieb ich Central Station<br />

East. Er würde schon raus finden können, wo dies war. Man gab mir ein<br />

leeres Kuvert, ich legte den Zettel rein, verklebte die Rückseite und<br />

notierte den Namen des Bankdirektors vorne rauf. Zusammen mit fünf<br />

Euro händigte ich den Umschlag dem Angestellten aus.<br />

Bis zur Mittagszeit waren es noch gute drei Stunden. Ich war schon<br />

hungrig und wählte für das heutige Mahl eines der asiatischen<br />

Minirestaurants aus. In den letzten Tagen hatte sich ein Restaurant als<br />

meinen Favoriten entwickelt. Es gab viele von ihnen, aber in diesem<br />

waren die Köche spitze. Es hatte nur um die zehn kleinen Tische mit<br />

jeweils vier Stühlen. Die Kundschaft war immer dieselbe: ein paar<br />

Touristen, viele Immigranten und oft auch jämmerlich aussehende, vom<br />

täglichen Drogenkampf gezeichnete Gestalten oder aufgedonnerte<br />

Huren, die vom nahen Rotlichtbezirk hoch kamen. Man konnte aus einer<br />

Vielzahl verschiedener Gerichte auswählen. Ich bestellte mir heute eine<br />

frisch zubereitete, schmackhafte Runde mit Reis und Huhn. Dazu eine<br />

Cola Light.<br />

Ein feines Essen für unglaubliche 6 Euro.<br />

Mahlzeit.<br />

322


KAPITEL 14 Weisswein und Rotes Blut<br />

Nach dem Essen hatte ich noch Zeit, einen Tee im Hotel Viktoria zu<br />

geniessen und eine englischsprachige Zeitung zu lesen. Die Stunde der<br />

Wahrheit rückte immer näher. Für den Anruf auf das Handy vom<br />

Bankdirektor wählte ich eine etwas versteckte Telefonzelle in einer der<br />

schmalen Gassen hinter der Kirche. Hallo, Hallo? Ja?<br />

Endlich, sagte ich zu ihm, endlich können wir uns unter vier Augen<br />

aussprechen. Ja, sagt er, er sei auch erleichtert. Ich fragte ihn wo er jetzt<br />

wäre. Er sagte in einem Hotel in der Stadt. Welches? Er wollte es mir<br />

nicht sagen. Auch gut! Ich bat ihn in das Hotel Victoria zu gehen und<br />

dort wäre eine Nachricht für ihn beim Concierge hinterlegt. Gut, und<br />

dann wollte er zur nächsten Frage ansetzten.<br />

Bitte keine Fragen mehr, es sei alles in der Nachricht vermerkt,<br />

unterbrach ich ihn. Ohne dass ich ihn danach gefragte hatte, sagte er<br />

noch schnell, dass er alleine hier sei und es keine Falle sei. Dann ist ja<br />

gut, erwiderte ich und bat ihn sein Handy jetzt auszuschalten. Ich<br />

wartete nicht auf seine Antwort und legte den Hörer auf.<br />

Mein Puls stieg wieder in ungesunde Höhen. Ich lief rasch zu meinem<br />

ersten Streckenposten, von wo aus ich den Bankdirektor gut beobachten<br />

konnte, wenn er sich in Richtung Canalbus bewegen würde. Es erschien<br />

mir wie eine Ewigkeit, bis ich ihn sehen konnte.<br />

Er war elegant gekleidet und hatte einen beigefarbenen langen, dünnen<br />

Businessmantel an. Er hielt klar ersichtlich einen weissen Zettel in der<br />

Hand. Er näherte sich der Ticketverkaufsstelle und schaute sich um. Ich<br />

duckte mich in eine Ecke und musterte die Umgebung, vor allem die<br />

Strassen hinter dem Bankdirektor. Niemand folgte ihm. Ich sah, wie er<br />

sich ein Ticket kaufte und etwas gelangweilt wirkte, als er auf die<br />

Abfahrt wartete. Es war noch kein Boot da. Als sein Kurs angelegt hatte,<br />

bestiegen nur fünf weitere Personen das Boot. Eine Familie mit Kind und<br />

ein Ehepaar.<br />

Er nahm weit weg von den anderen Bootsgästen Platz, so wie ich es<br />

gewünscht hatte. Ich observierte abwechselnd ihn und die Umgebung.<br />

Vor allem war ich scharf darauf sehen, ob er mit jemanden telefonieren<br />

323


würde. Das Boot legte ab. Es war ein schöner Tag. Kein Regen, nur ein<br />

leichter Wind.<br />

Mein zweiter Streckenposten war ein kleines, burgturmähnliches<br />

Gebäude am Kanal mit einem kleinen Café drin. Ich lief im Eiltempo<br />

dort hin. Dieser Posten war der einzige, an dem ich zeitlich vor Schiff<br />

ankommen würde. Bei allen anderen würde ich immer schräg hinter<br />

dem Boot mitlaufen. Ich drückte mich an die kalte Mauer des Turms.<br />

Das Boot schaukelte an mir vorbei und ich konnte ihn gut sehen. Er<br />

starrte die meiste Zeit nur nach vorn. Ich konnte niemanden sehen, der<br />

mir folgen würde. Von jetzt an lief ich mit einem guten Abstand dem<br />

Boot hinterher. Um mich zu sehen, hätte der Bankdirektor mindestens<br />

seinen Kopf um 150 Grad drehen müssen. Er hatte seine Hände auf die<br />

Lehne des Stuhl vor ihm platziert. Nach ca. 20 Minuten merkte ich, dass<br />

er etwas nervös wurde und sich gelegentlich ganz umdrehte. Er<br />

entdeckte mich aber nicht. Auch wechselte er ein paar Worte mit der<br />

Crew. Ich nahm an, er fragte nach der Uhrzeit oder wie lange die Fahrt<br />

bis zur Endstation dauern würde.<br />

Nach 40 Minuten war es an der Zeit, ihm ein Zeichen zu geben, dass ich<br />

noch da war. Ich rannte weg vom Kanal, durch ein paar Seitenstrassen<br />

hindurch, bis zu einer Brücke. Das Boot näherte sich. Der Bankdirektor<br />

konnte mich auf der Brücke nicht sehen, da seine Sicht wegen des<br />

Schiffsaufbaus verdeckt war. Zudem stand ich auf der anderen<br />

Brückenseite.<br />

Als das Boot unten durch kam, rief ich ihn beim Namen. Er drehte sich<br />

etwas um und freute sich, mich zu sehen. Ich rief ihm zu, bei der<br />

nächsten Haltestelle auszusteigen. Er nickte. Ich entschied mich für die<br />

vorletzte Haltestelle, sodass mögliche Kameraden vom Bankdirektor<br />

vergebens auf uns an der letzten Haltestelle warten würden.<br />

Ich verschwand wieder aus seinem Blickwinkel. Ich nahm eine<br />

Abkürzung und war schon fünf Minuten vor seiner Ankunft am<br />

Leidseplein. Sein Boot legte an und er stieg aus. Natürlich hätte er jetzt<br />

telefonieren können. Aber er wusste ja nicht, dass ich ihn für sieben bis<br />

acht Minuten aus den Augen verloren hatte. Die anderen Gäste blieben<br />

sitzen. Ich stand gut 150 Meter weit weg. Am Sockel einer grösseren<br />

Brücke. Ich winkte ihm zu und deutete an, dass er mir bitte folgen sollte.<br />

Ihm war dies alles merklich unangenehm.<br />

324


Nach ca. 400 Meter wagte ich mich, an ihn heranzutreten und schüttelte<br />

heftig seine Hand zur Begrüssung. Er erwiderte den Gruss und bedankte<br />

sich, dass ich mich mit ihm treffen wollte. Er übermittelte auch die<br />

Grüsse von Hans-Adam. Ich fragte ihn, ob er mir sein Handy geben<br />

könnte. Ohne Widerrede streckte er mir sein Telefon entgegen. Es war<br />

ausgeschaltete. Ich nahm die Batterie aus der Rückseite raus und bat ihn<br />

beides getrennt in seiner Manteltasche aufzubewahren. Ich fragte ihn, ob<br />

er ein anderes Handy habe, ob er verkabelt sei und ob er wirklich alleine<br />

sei und ich warnte ihn, dass ich eine der externen Harddisks bei mir<br />

tragen würde.<br />

Nein, nein, ja, verstehe, entgegnete er flott. Da zeigte sich wieder, dass er<br />

ein Schnelldenker war, wie ich. Man verstand sich darum besser. Ich<br />

wollte mich auf keinen Fall irgendwo hinsetzten, um mit ihm zu reden.<br />

Behutsam schob ich ihn daher in den nahe gelegenen grossen Park und<br />

wir spazierten dort fast zwei Stunden. Er fragte, ob ich eine gute<br />

Unterkunft gefunden hätte. Ich sagte ihm, dass ich angeblich in<br />

Rotterdam ein Zimmer hätte.<br />

Er erzählte mir, dass alle in Vaduz extrem bestürzt über meine<br />

Geschichte, die Verletzungen und Erlebnisse wären und natürlich auch<br />

entsetzt über die Fehler der Behörden wären. Er habe meinen Akt gut<br />

studiert. Er konnte auch nicht verstehen, warum die Justiz nicht schon<br />

lange Anklage gegen die Verbrecher erhoben hatte. Ich fragte, wo jetzt<br />

die Unterlagen und das 3D-Modell waren, die ich Hans-Adam<br />

zugesendet hatte. Er sagte, er wüsste es nicht. Aber, er denke, dass sie<br />

noch auf dem Schloss sind. Gut, erwiderte ich.<br />

Natürlich sei Hans-Adam am Anfang sehr erbost gewesen und hätte<br />

auch die LGT böse zusammen geschissen. Ich fragte, ob Köpfe rollen<br />

mussten. Er sagte nein, vorerst nicht. Ich war erleichtert darüber. Ich<br />

wollte ja nicht, dass irgendjemand von meinen ehemaligen Mitarbeitern<br />

deswegen den Job verliert.<br />

Der Bankdirektor bemerkte aber, dass Hans-Adam fundamentale<br />

Veränderungen in der Datensicherheit verlangt hätte. Während wir so<br />

redeten, drehte ich mich pausenlos nervös um die eigene Achse und<br />

auch um den Bankdirektor, um Ausschau zu halten, ob nicht doch noch<br />

ein Rollkommando andonnerte. Er fragte mich, ob die Daten gut<br />

325


versorgt seien. Frech antwortete ich, dass ich auf die Daten besser<br />

aufpassen kann, als die in Vaduz.<br />

Ja, klagte er, man habe in Vaduz weder den Verlust des DLT-Tapes noch<br />

das Fehlen von irgendwelchen Originalpapieren bemerkt. Ich fragte<br />

nach, warum man offenbar sofort zu den Bullen gerannt sei. Ich hätte<br />

doch darum gebeten, alles zu vermeiden, was dazu führen würde, dass<br />

die Öffentlichkeit davon erfährt.<br />

Ja eben, sagte er, Hans-Adam war halt der Meinung, das heisst, er wurde<br />

im Glauben gelassen, dass ich die Daten nicht hätte und nur bluffen<br />

würde. Ich schlug meine Hände über dem Kopf zusammen. Warum,<br />

warum um Himmels Willen hätte ich Hans-Adam einen solch<br />

gewaltigen Brief zusenden sollen, wenn ich nur alles vortäuschen<br />

würde?<br />

Ich sagte auch, dass man in Vaduz froh sein sollte, dass, nachdem es mir<br />

niemand direkt sagen wollte oder konnte, ich selber es gemerkte hätte.<br />

Aber auch nur, weil mir der Satz von Hans-Adam „die Daten, die Sie<br />

glauben zu haben‚ im Hinterkopf hängen geblieben war. Sonst wäre heute<br />

vielleicht alles ganz anders, betonte ich. Ich fragte ihn, warum es mir<br />

niemand einfach ins Gesicht sagen konnte.<br />

Er hatte eine plausible Erklärung dafür. Da man nach einigem Hin und<br />

Her davon überzeugt war, dass ich die Daten NICHT hatte, nicht haben<br />

konnte und die logische Konsequenz daraus war, dass ich selber dies<br />

wusste, war es überflüssig und sinnlos bei mir nach den Daten zu fragen.<br />

Einleuchtend, sagte ich und ergänzte, na dann wollen wir mal Hans-<br />

Adam loben, dass er einen Kommentar dazu am Telefon abgegeben<br />

hatte, sonst wäre ich nie darauf gekommen.<br />

Der Bankdirektor wollte über die vier CD-ROMs reden. Kein Problem,<br />

sagte ich. Er wunderte sich, dass ich soviel Aufwand wegen einer<br />

Neuerstellung des Datenaufbaus (die Art und Weise wie ich die<br />

Mandate auf den neuen Datenträgern strukturiert hatte) betrieben hatte.<br />

Er wüsste doch, dass ich sehr gründlich arbeite, erwiderte ich.<br />

Er fragte, ob er Recht in der Annahme hätte, dass ich mehr Daten als die<br />

auf die vier CD-ROMs gebrannten Informationen hätte. Ich zuckte nur<br />

mit den Schultern, weil mir die Frage zu dumm war. Was für andere<br />

Daten ich denn hätte, wolle Hans-Adam wissen. Den Rest vom Backup-<br />

Tape, sagte ich wahrheitsgemäss.<br />

326


Welcher Tag, fragte er mich. Ich habe den genauen Tag vergessen, sagte<br />

ich. Wir beide wussten, dass dies eine fette Lüge war. Ich ergänzte, dass<br />

man sich in Vaduz nicht den Kopf zerbrechen soll, welches Tagestape ich<br />

besitze. Da ja unser aller Ziel eine friedliche Lösung wäre, spiele dies<br />

keine wirkliche Rolle.<br />

Ich wechselte das Thema und wollte wissen, warum man mir in Berlin<br />

Privatdetektive oder Schnüffler auf den Hals gehetzt hatte. Dies sei eine<br />

äusserst dumme Idee gewesen, klärte ich ihn auf. Ja, meinte er, im<br />

Rückblick sicher. Er wäre dagegen gewesen. Aber sein Wort, dazu als<br />

Ausländer (er ist Österreicher), hätte nicht viel an Gewicht in Vaduz.<br />

Da würden ganz andere Kreise bestimmen, was gemacht wird. Hans-<br />

Adam wäre wohl etwas falsch beraten worden, entschuldigte sich der<br />

Bankdirektor. Er erklärte mir, dass es Privatdetektive gewesen wäre, die<br />

primär ‚zu meinem Schutz‚ da gewesen seien. Verdutzt schaute ich ihn<br />

an. Zu meinem Schutz, fragte ich ihn ungläubig. Er antwortete, man<br />

hatte Angst, dass mir was in Berlin passieren könnte. Der Schutz hätte<br />

aber diskret erfolgen sollen. Aber da ich sie bemerkt hätte, zog man sich<br />

zurück, erklärte er mir. Diskreter Schutz, wiederholte ich seine Worte<br />

und klopfte ihm auf den Rücken. Na klar doch, sagte ich betont<br />

überzeugend. Logisch !!!!!!!!!<br />

Woran ich die „Beschützer‚ erkannt hätte, fragte er mich. Hätte Hans-<br />

Adam die Leute anständig bezahlt, dann könnten sie sich auch ein<br />

richtiges Auto leisten und nicht mit einer alten Kiste herumfahren, die so<br />

ins Auge sticht, wie ein Schweizer Jodler im Trachtenkostüm auf dem<br />

Kurfürstendamm. Nun zuckte er mit den Schultern.<br />

Ich erzählte ihm dann von Daniela in Berlin und dem Polizisten in<br />

Münster. Wie knapp wir da einer Katastrophe entkommen konnten. Er<br />

kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Ich fragte auch nach der Schutz-<br />

ID. Ob er sie dabei hätte. Ich sei sehr verärgert gewesen über die<br />

ständige Zurschaustellung des Passes. Nein, leider nicht. Falls ich mich<br />

aber dazu entschliessen würde, mit ihm nach Hause zu fahren, dann<br />

läge sie dafür bereit.<br />

Ich lachte nur. Ihr habt eine gedruckt, aber sie mir übergeben wollt ihr<br />

nicht. Nur wenn es euch passt und es euch dienlich ist, dann würde sie<br />

benutzt werden. Unfassbar und typisch Vaduz. Ich teilte ihm mit, dass<br />

ich die Schutz-ID vielleicht gar nicht mehr brauchen würde. Warum<br />

327


auch, ich war quer durch Europa ohne sie gereist und hatte bisher Glück<br />

und wurde nie kontrolliert. Und überhaupt, nach Hause<br />

zurückzukehren, ohne dass man eine unabhängige<br />

Untersuchungsperson für den Argentinienfall benannt hätte, wäre kein<br />

Thema für mich. Ich ergänzte, dass ich solange ausharren würde, bis<br />

meine Forderung danach erfüllt sei. Ich konnte sehen, wie der<br />

Bankdirektor die Augen verdrehte.<br />

Die Lage in Vaduz sei schwieriger als ich denke, eröffnete er seine lange<br />

Rede. Der Abstimmungskampf in der Verfassungsfrage hätte den<br />

Höhepunkt erreicht und der Landesführer könne im Moment nicht so<br />

herumkommandieren. Er wolle nicht, dass seine politischen Gegner<br />

sehen würden oder erfahren könnten, dass er als Staatsoberhaupt wieder<br />

in die auf dem Papier unabhängige Judikative eingriff.<br />

Zudem wüssten mittlerweile Richter und Staatsanwaltschaft, dass ich sie<br />

bei Hans-Adam der Inkompetenz und der Lüge bezichtigt hatte und<br />

daher sei von dieser Seite keine grosse Hilfe für mich zu erwarten.<br />

Zudem, und dass wüsste ich, betonte er, hatte ich mir mit der Drohung,<br />

dem Ausland die Daten zu übergeben, viele hasserfüllte Feinde in Vaduz<br />

gemacht. Alles schlechte Voraussetzungen, um hier Forderungen zu<br />

stellen. Darum sei auch in den letzten Wochen so vieles schief gelaufen.<br />

Ich war schon etwas beleidigt, aber im Grunde sprach der Bankdirektor<br />

die Wahrheit. Besser so, als wenn er mir was vormachen würde, sagte<br />

ich zu ihm. Ich fragte ihn, ob man die Anzeige wegen des Briefs nicht<br />

wieder zurücknehmen könnte. Hans-Adam hätte gemäss Verfassung das<br />

Recht dazu, klärte ich ihn auf. Ein Recht, dass er in der Vergangenheit<br />

schon oft in Anspruch genommen hatte.<br />

Der Bankdirektor sagte dazu nur, dass versuchte Nötigung nicht so<br />

einfach ausradiert werden kann. Welche versuchte Nötigung, fragte ich.<br />

Eben der Brief in dem ich von Hans-Adam seine Intervention in die<br />

Angelegenheiten des Gerichts fordere. Wie bitte, fragte ich. Wir wissen<br />

alle, dass Hans-Adam in der Vergangenheit oft interveniert hat. Wenn<br />

auch nur meistens dann, wenn es entweder um seinen politischen oder<br />

ökonomischen Vorteil ging.<br />

328


Ich beharrte auf dem Standpunkt, dass in diesem Fall es um<br />

Gerechtigkeit gehen würde. Ich würde ja nicht verlangen, dass Hans-<br />

Adam irgendjemand in den Kerker wirft oder Urteile zu meinen<br />

Gunsten abändern sollte. Natürlich sei mir bewusst, dass meine<br />

Vorgehensweise nicht die feine Art sei.<br />

Die Dinge seien nun aber so wie sie sind, hielt ich fest. Warum, fragte<br />

ich, warum wollte man mir jetzt nicht helfen, aber bei jedem illegalen<br />

Geschäft der Banken und Treuhänder in Liechtenstein, da werden alle<br />

Augen zugedrückt.<br />

Bei diesem Thema kannte der Bankdirektor kein Pardon. Ich müsse mein<br />

Schicksal strickt von den Personen, die Kunden bei der LGT oder in<br />

Liechtenstein sind, trennen. Die Gesetze wären im Ländle halt anders als<br />

im Ausland. Was dort illegal sei, sei halt im Ländle legal, versuchte er<br />

meine steigende Wut zu besänftigen. Er musste mich auch bitten, mit der<br />

Lautstärke herunter zu kommen, sonst würden uns doch alle hören.<br />

Ich wechselte um auf den Flüsterton um und fand es an der Zeit ihn an<br />

die vielen Mandaten zu erinnern, von denen die LGT wusste, dass<br />

kriminelle Geschäfte im Spiel waren und auch jetzt vermutlich in diesen<br />

Minuten immer noch gemacht werden. Und zudem auch der dümmste<br />

Aussenstehende eine aktive und passive Mittäterschaft der LGT<br />

(„mitgegangen ist mitgefangen‚) erkennen würde.<br />

Ich sagte ihm, man solle mir hier bitte keine Lektion in guter Moral und<br />

ehrlichem Business erteilen. Die nächsten 15 Minuten sagte er nichts<br />

mehr. Wie weiter, fragte er dann. Ich weiss es auch nicht, antwortetet ich<br />

resignierend. Ich hätte auch keine Lösung zur Hand.<br />

Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich so rasend geworden war. Auch<br />

dafür, dass für mich feststehe, dass ich nicht nach Hause kommen<br />

würde, solange niemand mir beweisen könnte, dass am 101er Fall und<br />

am 140er Fall ein frischer, unabhängiger Staatsanwalt arbeitete.<br />

Der Bankdirektor könne mir glauben, dass mir schon bewusst wäre, dass<br />

ich viele schlaflose Nächte in Vaduz verursacht hatte. Aber eben, dass<br />

ich heute mit ihm hier in einem Park in Amsterdam stehe, sei die<br />

Wirkung einer Ursache. Die Ursache war ganz klar die behördliche<br />

Inkompetenz und Lügerei. Und auch der Amtsmissbrauch.<br />

Amtsmissbrauch? fragte er. Ja, Amtsmissbrauch. Ein pensionierter<br />

Richter in Liechtenstein, der meinen Fall gut kannte, hatte einmal zu mir<br />

329


gesagt: "Nicht-Handeln ist auch eine Art von Amtsmissbrauch", klärte<br />

ich den Bankdirektor auf.<br />

Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn, ob er wüsste, was der Stand der<br />

Dinge in Sachen Zivilprozess sei. Er verneinte dies. Und stellte die<br />

Gegenfrage, ob ich denn nicht mit meinem Rechtsanwalt Kontakt hätte.<br />

Nein, sicher nicht, erwiderte ich. Ich hätte mit niemand Kontakt dort und<br />

der Rechtsanwalt Dr. Hirn wüsste von nichts.<br />

Wie weiter, fragte er mich zum wiederholten Male. Er versuchte an mein<br />

gutes Herz zu appellieren, indem er mir vorrechnete, wie viele der<br />

Kunden in grosse Schwierigkeiten geraten würden. Nicht nur finanziell,<br />

nein auch emotional, psychologisch. Und zwei, drei politische Skandale,<br />

zum Beispiel in Deutschland, Frankreich und anderswo würde es auch<br />

geben. Von den Wirtschaftsskandalen gar nicht zu reden. Es müsste mir<br />

doch klar sein, dass einige Kunden im Gefängnis landen würden.<br />

Vermutlich würden sich auch ein paar umbringen. Ob es das wäre, was<br />

ich wolle, fragte er mit dem Hintergedanken, dass das Thema<br />

Selbstmord mir sehr sensibel war. Was wäre mit der Witwen und den<br />

Waisenkindern, wenn sich ein Kunde umbringen würde? Und zu Hause,<br />

in Liechtenstein, würde man mich als den grössten Verräter aller Zeiten<br />

ansehen. Ob ich das alles bedacht hätte?<br />

Ja, ja – klar sehe ich die Probleme, erwiderte ich. Ob ich diese massiven<br />

Schwierigkeiten für die Kunden von Hans-Adam wollte, fragt er fast wie<br />

ein Pfarrer. Nein, nein, nein – natürlich nicht. Ich fühlte mich in eine<br />

Ecke gedrängt. Leiden sollte niemand wegen mir. Das wollte ich nicht.<br />

Ich erklärte ihm, er würde nur seine Zeit vergeuden, falls er mir künftig<br />

wieder mit der Mitleidstour kommen sollte.<br />

Er antwortete nicht und rieb nur den rechten Daumen über die vier<br />

anderen Finger kreisförmig vor und zurück. Aha, jetzt kam es mir<br />

wieder in den Sinn. Das geliebte Pulver, das geliebte Geld. Hans-Adam<br />

verdiente ja Millionen mit seiner LGT.<br />

Apropos Geld, fragte ich ihn. Wer kam auf die Schiessidee mir zu<br />

schreiben, ob Geld das Problem lösen könnte? Der Bankdirektor lief rot<br />

an und sagte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man dies nicht im<br />

Text geschrieben. Sondern, fragte ich.<br />

Er als Banker würde einen solchen Lösungsvorschlag nur diskret und in<br />

einem Gespräch andeuten. Man würde mir auch nochmals anbieten,<br />

330


mich mit Geld sicher nach Südamerika zu bringen. Für ewig sicher, fügte<br />

er an. Aha, "für ewig sicher" wiederholte ich seine Worte. Vermutlich<br />

vergraben auf der mexikanischen Halbinsel, erwiderte ich. Diskretion bis<br />

zum Ende, dachte ich. Ich muss euch leider enttäuschen, sagte ich ihm,<br />

bei mir gibt es nichts ‚diskret anzudeuten‚. Geld interessiert mich nicht.<br />

Er hätte auch kein Angebot in der Tasche, entgegnete er schnell. Ja dann<br />

ist ja gut, beendete ich dieses Thema.<br />

Er fragte mich, wo ich den wohnen würde, worauf er nur ein Grinsen<br />

von mir erhielt. Er fragte sachte nach, ob er mich zum Abendessen<br />

einladen könnte. Wir könnten in ein feines Restaurant gehen. Ich hätte<br />

doch sicher schon lange nicht gut gegessen. Absolut nicht, ich esse sehr<br />

gut, erwiderte ich. Ob ich Geld zum Leben brauche, er hätte von Hans-<br />

Adam ein Budget erhalten, um Spesen und andere Kosten zu bezahlen.<br />

Nein, ich habe meine eigenen Euros. Aber Danke.<br />

Ich hatte das Gefühl, dass der Bankdirektor noch mehr mit mir reden<br />

wollte oder musste. Einem feinen Essen war ich nie abgeneigt. Ich sagte,<br />

nur wenn ich das Lokal aussuchen könnte. OK, sagte er, ich solle ruhig<br />

ein teures auswählen, egal was es kosten würde. Ich fragte ihn, ob ihm<br />

Asiatische Küche schmecken würde. Ja klar, sagte er. Ich verabschiedete<br />

mich mit dem Hinweis, dass ich ihn um 18 Uhr auf sein Handy anrufen<br />

würde. Er sollte bitte aber erst 15 Minuten nach mir aus dem Park gehen,<br />

sagte ich ihm auch.<br />

Bis dann Herr Kieber. Bis dann Herr Bankdirektor.<br />

Mann war ich froh, dass nichts passiert war. Ich lief so schnell ich konnte<br />

in Richtung Bahnhof. Ich setzte mich in eines der vielen kleinen Cafés.<br />

Erstmal Luft holen. So, so fein essen gehen wollte man mit mir. Keine<br />

schlechte Taktik, dachte ich mir. Egal, riskieren könnte ich es ja.<br />

Ich war auch überaus erleichtert darüber, dass man in Vaduz offenbar<br />

nicht allzu brutal nach meinem Kopf schreien würde. Gemäss den<br />

Schilderungen vom Bankdirektor würde man jetzt in Vaduz auf meine<br />

Heimreise hoffen und nicht allzu böse sein, wenn am Schluss niemand<br />

zu Schaden gekommen wäre. Ich fragte bei der Touristeninformation<br />

nach, welches das teuerste asiatische Restaurant der Stadt war. Es wurde<br />

mir ein malaysisches oder indonesisches Restaurant empfohlen. Ich<br />

notierte mir die Adresse und ging gleich auf einen Besichtigungstrip.<br />

331


Das Wirtshaus war in einer überschaubaren Ecke der Stadt. D. h. Es gab<br />

gute Ecken in der Umgebung sodass ich das Restaurant vor eintreffen<br />

des Bankdirektor eine Weile beobachten könnte.<br />

Es war 17.15 Uhr. Ich entschied, dass es am Besten wäre, wenn ich hier,<br />

schräg gegenüber dem Lokal auf den Bankdirektor wartete. Dadurch<br />

konnte die Umgebung beobachten. Man wusste ja nie. Um 18 Uhr rief<br />

ich ihn an und gab die Adresse durch. Es war kühl geworden und wenn<br />

ich mich richtig erinnere, rieselte der Regen ein wenig.<br />

Der Bankdirektor kam zu Fuss. Der Eingang versprach nicht so viel, aber<br />

im oberen Stock eröffnete sich ein prächtig dekoriertes Gastlokal. Es<br />

waren ausser uns nur zwei, drei andere Gäste anwesend. Wir setzten uns<br />

an einen Tisch am Fenster. Weit weg von den Anderen. Es war die erste<br />

Gelegenheit, bei der ich etwas gelöster mit dem Bankdirektor reden<br />

konnte. Er erschien mir auch etwas entlasteter.<br />

Auf einmal fragte er mich, ob ich die Sicherheitsvorkehrungen immer<br />

aktiviert halte. Ich sagte, ja natürlich. Warum er dies wissen wollte,<br />

fragte ich zurück. Er sagte, man befürchtet in Vaduz, dass ein Unfall<br />

passieren könnte und die Feinde wegen eines Systemfehlers oder so die<br />

Daten bekommen könnten. Aber nein, versicherte ich ihm, wenn einer<br />

hier Fehler manchen würde, dann SIE.<br />

Der Bankdirektor erzählte mir auch von den Geschäften zu Hause. Ich<br />

bin mir nicht mehr ganz sicher, aber er erwähnte entweder dass die LGT<br />

Gruppe den Kauf der altehrwürdigen Schweizer Treuhand Gesellschaft<br />

(die "STG", mit Sitz in Basel) schon gemacht hat oder in Kürze<br />

abschliessen würde. Der Preis war um die 200 MIO. CHF. Man sei in<br />

Vaduz sehr stolz, dieses Schweizer Haus kaufen zu können. Na ja,<br />

erwiderte ich - wenn es sein muss.<br />

Nach der Vorspeise und zwei Gläsern feinem Wein, wurde seine Zunge<br />

etwas lockerer. Ich fühlte mich wohl und nicht bedroht. Ich hatte ein<br />

Gefühl, dass nun alles gut gehen würde. Bis er sich entschloss, quasi als<br />

einen Wink mit dem Zaunpfahl, mehr noch, als Zeichen der<br />

Überlegenheit, mir mitzuteilen, dass Hans-Adam und seine Gehilfen<br />

jederzeit die Macht und die Mittel dazu hätten, mich nach Liechtenstein<br />

bringen zu lassen.<br />

332


Ich schluckte erstmal leer und fragte aufsässig: Wie denn? Nichts leichter<br />

als das, fuhr er fort, eine angeheuerte Truppe könnte mich in nullkomma-nichts<br />

überwältigen, in den Kofferraum eines Diplomatenwagen<br />

stecken und in zehn Stunden wäre ich auf dem kalten Betonboden des<br />

Gefängnisses in Vaduz zu finden.<br />

Mir wurde kotzübel. Ich dachte, hoffentlich sind meine eigenen<br />

Sicherheitsvorkehrungen stabil genug. Er merkte, dass ich nervös wurde<br />

und beruhigte mich schnell, indem er sagte, dass diese Lösung angeblich<br />

nie ernsthaft diskutiert worden wäre und angeblich niemand dies wollte.<br />

Im Gegenteil, alle hofften, dass man mit „mir reden kann‚ und ich<br />

freiwillig nach Hause zurück kehre. Ich war immer noch erzürnt und<br />

murmelte etwas im Sinne: „Ja, ja versucht’s nur mal mich mit Gewalt in<br />

einen Wagen zu packen. Vorher wehre ich mich bis zum letzten Tropfen<br />

Blut.‚<br />

Der Bankdirektor hörte mir gar nicht mehr zu, da er schon wieder mit<br />

seinem anderen Tropfen, dem Weisswein, beschäftigt war. Morgen sei<br />

auch noch ein Tag, kam es aus seinem Mund. Ja, morgen, da sollten wir<br />

uns wieder treffen, oder? Ich wollte dies nicht. Er war enttäuscht<br />

darüber. Ich sagte, es sei besser wenn er morgen nach Hause fliegen<br />

würde und denen dort versichere, dass ich die Daten sicher aufbewahrt<br />

hatte. Und das ich nicht nach Hause kommen würde, solange keine<br />

wirklichen Anstrengungen unternommen würden, die Fehler von Justiz<br />

und STA zu untersuchen.<br />

Ich sagte es ihm ungern, aber ich wiederholte, dass ich felsenfest davon<br />

überzeugt sei, dass mir Deutschland oder die USA helfen würden. Er<br />

schüttelte nur den Kopf. Ist mir egal, was ihr über diese meine Gedanken<br />

denkt, es mag zwar sein, dass weder die USA noch Deutschland helfen<br />

könnten, sagte ich. Aber eben dieses herauszufinden wäre der einzige<br />

richtige Schritt für mich. Entweder räumt Liechtenstein seinen Saustall<br />

auf oder eben nicht. Er wollte eine Zusicherung von mir, dass ich mich<br />

wieder mit ihm treffen würde, wenn er zurückkehren würde. Klar,<br />

natürlich werde ich, sagte ich.<br />

Wann er dann wieder kommen wolle. In einer Woche. Gut OK. Passt mir<br />

auch. Wir vereinbarten, dass ich ihn am kommenden Freitag oder<br />

Samstag auf seinem Handy anrufen werde. Er erklärte mir, dass sein<br />

333


Handy nicht abgehört wird. Er schwöre es. Die Behörden seien ja auf<br />

Geheiss von Hans-Adam aus dem Spiel draussen. Ich erwiderte kühl, ja,<br />

ja – wer’s glaubt wird selig. Er fragte mich, ob ich noch zur so später<br />

Stunde eine Heimfahrt nach Rotterdam finden würde. Ja, sagte ich. Die<br />

Züge fahren bis spät in die Nacht. Also bis nächste Woche dann. Ja, bis<br />

dann. Er bestellte die Rechnung. Er bezahlte und ich bedankte mich für<br />

das feine Essen. Mein Abendbrot kostete sechzig Euro.<br />

Guten Flug Herr Bankdirektor. Gute Heimfahrt Herr Kieber.<br />

334


KAPITEL 15 Heinrich‘s Tod in Utrecht<br />

VADUZ März 2003 (1)<br />

Hans-Adam und Alois warteten ungeduldig auf die Rückkehr vom<br />

Bankdirektor. Dieser landete am frühen Nachmittag des 04.03. aus<br />

Amsterdam kommend in Zürich. Dieses Mal wurde er vom<br />

Firmenwagen der LGT Gruppe abgeholt und gleich hoch zum Schloss<br />

gefahren.<br />

Er berichtete über das Treffen mit Kieber. Ob er die Datenträger gesehen<br />

hätte, fragte der Schlossherr.<br />

Nein, aber er wäre sich ganz sicher, dass Kieber auf sie aufpassen würde.<br />

Und die Papierdokumente, wo sind diese? Er wisse es nicht, erwiderte<br />

der Bankdirektor. Und die Schutz-ID, hat Kieber sie wieder verlangt? Ja,<br />

aber nur zu Beginn. Kieber hätte die Meinung geändert, schilderte der<br />

Bankdirektor, er würde sich überlegen, ob er auch ohne sie leben könnte.<br />

Solange er sich an gewisse Grundregeln im Bezug auf Reisetätigkeiten<br />

halten würde, würde er es sicher überleben.<br />

Kieber würde aber ausrichten lassen, dass, sollte seine Identität im<br />

Ausland erkannt werden, und die Aufdeckung der Daten eine<br />

Konsequenz daraus wäre, dieses Risiko alleine Hans-Adam und die<br />

Finanzbuden in Liechtenstein übernehmen und akzeptieren müssten.<br />

Der Bankdirektor sagte auch, dass er denke, selbst wenn man Kieber nun<br />

die Schutz-ID anbieten würde, er sie nicht mehr annehmen wolle. Der<br />

Bankdirektor hätte im Gespräch mit Kieber den Eindruck erhalten, als<br />

würde er es einfach darauf ankommen lassen, ob nun seine Identität<br />

entdeckt würde oder nicht. Dass es dem Kieber bald wurscht sein<br />

würde, ob ihm nun Vaduz bei diesem Punkt helfen würde oder eben<br />

nicht.<br />

Hans-Adam bat den Bankdirektor über diese Wahrnehmungen mit dem<br />

Professor zu reden, um so ein genaues, momentanes Bild von Kiebers<br />

Psyche erstellen und dementsprechend handeln zu können.<br />

Nachdem die Polizei und Justiz von Hans-Adam aus dem KKZ<br />

ausgeschlossen wurden, musste man nur noch den Regierungschef<br />

Hasler und den Professor informieren. Der Professor analysierte die<br />

neue Situation und kam zum Schluss, dass Kieber an eine friedliche<br />

Lösung glaube, sehr gesprächsbereit wäre und man auf keinen Fall die<br />

Kommunikation unterbrechen sollte, wollte man eine mögliche<br />

Katastrophe abwenden.<br />

335


Vermutlich würde es aber mehrere Gespräche und daher Reisen zu<br />

Kieber bedürfen, bis dieser soweit bearbeitet wäre, nach Hause zu<br />

kommen. Hans-Adam ordnete an, dass der Bankdirektor weitere Reisen<br />

nach Holland in seinem Zeitplanung vorsehen sollte. Vor der nächsten<br />

Reise solle er ihn oder seinen Sohn nochmals kontaktieren. Er würde<br />

dann genaue Anweisungen erhalten.<br />

Amsterdam März 2003 (a)<br />

Ich genoss meine Freiheit in diesem schönen, grossen Land. Obwohl<br />

Liechtenstein auch ein wunderschönes Landschaftsbild mit den Bergen,<br />

dem Rhein und den Wiesen und Wäldern abgibt, war das neue Leben in<br />

Holland für mich sehr attraktiv. Ich wollte und musste mein<br />

Monnikendam vor Entdeckung durch Hans-Adam schützen. Deswegen<br />

musste ich tief in die Trickkiste greifen, um nach dem Abendessen mit<br />

dem Bankdirektor, den Weg nach Hause so gut es ging verschleiern. Fast<br />

eineinhalb Stunden brauchte für den Heimweg, aufgeteilt ein Drittel<br />

Taxi, ein Drittel Bus und der Rest zu Fuss.<br />

Fest im Glauben, dass man in Vaduz das richtige tue, schlief ich beruhigt<br />

ein. Ich mietete mir für die nächsten sieben Tage ein Fahrrad und<br />

erkundete die nähere Umgebung. Am letzten Tag meiner Fahrradmiete<br />

war ich in Amsterdam City zu Fuss unterwegs. In einer der kleinen<br />

Seitengassen wurde ich von einem jungen, etwas traurig<br />

dreinschauenden Mann auf einer Brücke auf Englisch ruppig aber leise<br />

angesprochen. Das man angepöbelt wurde, kam des öfteren vor, vor<br />

allem in dem Stadtteil, wo Drogen konsumiert oder verkauft werden. Zu<br />

einer Plage wurde die Anmache aber nicht. Dieser Mann wollte weder<br />

Drogen verkaufen noch welche kaufen. Er sah aber wie ein typischer<br />

Drogenkonsument aus. Zu meinem Erstaunen fragte er mich, ob ich<br />

dieses Hollandrad, das er mit einer Hand festhielt, kaufen möchte. Er<br />

bräuchte unbedingt Geld. Es war ein schönes Modell. 3-Gang und<br />

rabenschwarz. Sah nicht sehr alt oder gebraucht aus. Ob es ihm gehören<br />

würde, fragte ich. Ja, sagte er. Wie viel? Fünf Euro. Wie viel? 50?, Nein!<br />

Fünf Euro und es ist deins, sagte er. Nachdem ich ihn von oben bis unten<br />

genauer gemustert hatte, um zu sehen ob er mir kräftemässig gewachsen<br />

wäre, sagte ich zu ihm, dass er ein Dieb sei und dazu ein blöder. Ich<br />

sagte ihm, dass jeder doch sofort merken würde, dass er das Velo<br />

336


gestohlen haben muss, wenn er es für nur fünf Euro verkaufen würde.<br />

Nein Danke, sagte ich. Ich hätte mein eigenes Velo. Verärgert ging er<br />

weg und schob das Velo vor sich hin. Ich beobachtete, wie er schon die<br />

nächste Person anquatschte und wahrhaftig, nach drei Minuten,<br />

vermutlich für die fünf Euro, wechselte das Bike den Besitzer. Der neue,<br />

stolze Eigentümer kam an mir vorbei und ich rufte ihm auf Englisch zu,<br />

günstig gekauft, das geklaute Fahrrad, Yes? Er starrte mich mit<br />

Entsetzten an und entfernte sich in aller Eile mit seinem neuem Besitz.<br />

Das Wetter wurde immer schöner und ich mietete mir das Velo für einen<br />

weiteren längeren Zeitraum. Oft radelte ich nach Volendam, eine andere<br />

Stadt in der Provinz Noord-Holland, die am Ostufer des Markermeers<br />

lag, dass wiederum ein Teil des Ijsselmeers war. Volendam liegt etwa 20<br />

Kilometer nördlich von Amsterdam und war bekannt für feinen<br />

(Edamer) Käse. Was für ein Unterschied, biken in Holland war ganz<br />

ohne Qual. Alles flach und übersichtlich und viele Radwege überall hin.<br />

Ich begann auch mit dem Fahrrad regelmässig nach Amsterdam zu<br />

radeln. Auf der Rückseite des Hauptbahnhofs, an der nördlichen<br />

Flussuferseite (Amsterdam Nord) konnte ich mein Velo am Ende des<br />

langen Buikslotenweg an geeigneter Stelle stehen lassen und die Gratis-<br />

Fähre rüber zum Hauptbahnhof nehmen. Manchmal genoss ich die<br />

Überfahrt so sehr, dass ich einfach 30 Minuten lang auf dem Schiff<br />

ausharrte und mit hin- und herfuhr. Einmal fuhr ich schon um fünf Uhr<br />

in der Früh von zu Hause los und war dann einer der ersten am Pier. Ich<br />

kettete mein Velo an eine lange Stahlröhre und nahm die Fähre rüber.<br />

Nach ein paar Stunden in der City kehrte ich zum Fahrrad zurück. Aber<br />

welches war meines? In der Zwischenzeit waren sicher 200 andere Velos<br />

auf dem Platz. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meines erkannte; fast<br />

alle Fahrräder in Holland sehen gleich aus. Auch wünschte ich mir, ich<br />

hätte auf die Warnung meines Velovermieters gehört, als dieser sagte,<br />

ich solle die Pumpe vom Velo wegnehmen, wenn ich das Velo irgendwo<br />

abstellen würde. "Seinen Rat ich nicht befolgte, drum ich auch keine<br />

Pumpe mehr vorfinden sollte".<br />

Ich plante, den Bankdirektor am Freitag anzurufen. Dieses Mal wieder<br />

aus einer anderen Stadt. Leiden, südwestlich von Amsterdam, sollte es<br />

sein. Ich war erstaunt, wie billig Zug fahren in Holland war. Wirklich! In<br />

35 Minuten war ich schon dort angelangt. Ich rief ihn um die Mittagszeit<br />

an und er schlug vor, da er ja glaubte ich würde in Rotterdam wohnen,<br />

dass wir und doch auf halbem Weg treffen könnten, in Utrecht. OK,<br />

337


sagte ich. Er hätte sich für drei Tage und zwei Nächte Zeit genommen. Er<br />

müsse mir wichtiges sagen. Gut, erwiderte ich und bestätigte ihm, dass<br />

ich ihn am kommenden Montagnachmittag auf seinem Handy anrufen<br />

würde. Keine Überraschungen, ermahnte ich ihn. Natürlich, keine<br />

einzige, meinte er.<br />

Am Sonntag sah ich mir Utrecht an. Hauptstadt der Provinz Utrecht.<br />

Auch nur 30 Minuten mit dem Zug von Amsterdam Ceentral. Eine Stadt<br />

mit vielen historischen Bauten. Vor allem der berühmte gotische Dom<br />

mit seinem Kreuzgang und dem freistehenden Turm währen da zu<br />

erwähnen. Ich spazierte durch die Strassen und Gassen. Nicht viele<br />

Touristen unterwegs. Als Treffpunkt geeignet, erkannte ich. Ich notierte<br />

mir die Zugverbindungen und rechnete die benötigte Anreisezeit für<br />

Montag aus. In einem Internetcafé aktivierte ich meine<br />

„Lebensversicherung‚.<br />

Wieder zu Hause abgekommen, prüfte ich mein ganzes Gepäck und<br />

verstaute alle Unterlagen und Datenträger behutsam im Handkoffer. Es<br />

war noch Zeit für einen kleinen Schwatz mit Jane in ihrem Garten. Mehr<br />

und mehr Blumen blühten und sie strahlte deswegen sehr. Meistens war<br />

ich der einzige Gast im Haus.<br />

Meine Wäsche konnte ich nicht bei ihr Waschen. Im Dorf gab es aber<br />

eine Kundenwäscherei, die den Auftrag jeweils zu meiner grössten<br />

Zufriedenheit ausgeführt hatte. Für fast alle Handwerksbetriebe in<br />

Monnikendam waren dies ruhige Zeiten. Erst im Sommer, wenn die<br />

Besucher kommen, dann sollte es hektisch zu und her gehen und die<br />

Umsätze steigen.<br />

Am Montag, den 10.03. gab es dann die zweite Zusammenkunft mit dem<br />

Bankdirektor. Als Treffpunkt hatte ich ihm den Dom vorgeschlagen. Er<br />

soll dort bitte pünktlich um 14 Uhr auf mich warten. Von einer<br />

verdeckten Stelle aus konnte ich den Platz gut beobachten.<br />

Er kam alleine. Ich liess ihn bewusst 15 Minuten einsam dort stehen. Er<br />

nahm mehrmals das Handy aus der Manteltasche und blickte auf das<br />

Display. Diese Mal hatte ich ihn nicht aufgefordert, sein Handy<br />

auszuschalten. Ich lief auf ihn zu und wir begrüssten uns<br />

freundschaftlich. Er wollte wissen, ob ich meine<br />

Sicherheitsvorkehrungen eingeschaltet hätte. Ich bejahte es und bat ihn<br />

sein Handy jetzt auszuschalten.<br />

338


Ich unterwies ihn, bitte in Zukunft mich deswegen nicht mehr zu fragen,<br />

er solle dies als gegeben annehmen. Für jedes Treffen.<br />

Da wir nun schon mal da waren, wollten wir was für die Bildung tun<br />

und besuchten den Dom. Wie lasen uns durch die vielen Hinweistafeln<br />

durch und waren besonders von den in den Boden eingelassenen<br />

Schrifttafeln beeindruckt. Der Dom wurde zwischen dem 13. und 16<br />

Jahrhundert gebaut. Wir konnten lernen, dass Kaiser Heinrich der V.<br />

(Heiliges Römisches Reich, Schwiegersohn von Heinrich I. von England)<br />

im Jahr 1125 in Utrecht starb. Na dann wollen wir mal hoffen, dass ein<br />

anderes Geschlecht, welches das Heilige Römische Reich überleben<br />

konnte (die „‚von Liechtenstein‚), nicht dafür sorgen würde, das im<br />

Jahre 2003 ein anderer Heinrich – nämlich der Heinrich Kieber - hier in<br />

Utrecht seinen Tod finden sollte, betete ich laut vor.<br />

Wir lachten beiden darüber.<br />

Nun aber zum Business, sagte der Bankdirektor. Als Zeichen des Guten<br />

Willens mir gegenüber, so wurde mir erklärt, hätte sich Hans-Adam<br />

diskret an vertrauenswürdige Staatsrechtler ausserhalb von<br />

Liechtenstein gewandt. Diese sollen prüfen, wie man in dem<br />

festgefahrenen Strafverfahren gegen Helmut Roegele & Co. am Besten<br />

vorgehen sollte.<br />

Hans-Adam würde die Kosten dafür persönlich übernehmen. Er konnte<br />

mir die Freude buchstäblich von den Augen ablesen. Ohne die mir<br />

unbekannten Akademiker (die erwähnten Staatsrechtler) düpieren zu<br />

wollen, sagte ich, wäre es doch am Einfachsten, wenn die STA den Fall<br />

wieder öffnen und dann die Anklage erstellen würde. Dazu bräuchte<br />

Hans-Adam nur ein paar Telefonate zu führen. Und er müsste wegen<br />

mir nicht einmal irgendein Gesetz brechen oder erwürgen.<br />

Die Liechtensteiner Strafprozessordnung sieht eine solche Möglichkeit<br />

explizit für das Staatsoberhaupt vor. Deswegen hatte ich ihm ja, nebst<br />

der Tatsache, dass er der Besitzer der LGT war, Anfang Januar 2003 den<br />

Brief geschrieben. Schon mit diesen wenigen Schritten, wäre ich Hans-<br />

Adam auf immer und ewig dankbar, versicherte ich. Die Untersuchung<br />

war seit langem fertig, jeder halbwegs zum Denken fähige STA sollte es<br />

zustande bringen, binnen kürzester Zeit eine Anklageschrift beim<br />

Kriminalgericht in Vaduz einzureichen, betonte ich.<br />

339


Ich sagte auch, dass sobald die Anklage für rechtsgültig erklärt würde,<br />

ich am nächsten Tag wieder in Vaduz auf der Matte stehen würde. Mit<br />

den Daten und allem was dazugehört. Mehr könnte und würde ich nicht<br />

verlangen. Ohne der Zukunft vorauszueilen, hob ich weiters hervor,<br />

würde nach erfolgter Anklage der Oberste Gerichtshof in Vaduz den zu<br />

erwartenden, letztinstanzlichen Entscheid in der Zivilsache ums<br />

blockierte Geld aussetzen, um das Urteil im Fall 101er abzuwarten. Der<br />

Bankdirektor nickte zustimmend.<br />

Ich würde auch Hans-Adam die Kosten ersetzten, versprach ich. Sofern<br />

es mir finanziell möglich sein sollte, musste ich nachschieben.<br />

Der Bankdirektor holte tief Luft und sagte: Als Zeichen des guten Willen<br />

gegenüber Hans-Adam erbitte dieser, dass ich anfangen würde, die<br />

Extrakopien, also eine der elektronischen externen Harddisks oder DVDs<br />

zu vernichten. Stück für Stück. Ich hatte nicht viel Zeit erstaunt zu sein,<br />

denn der Vortrag war noch nicht zu Ende. Auch würde Hans-Adam<br />

gerne vom Bankdirektor bestätigt bekommen, dass ich die über 2000<br />

Stück Originalpapierdokumente ebenfalls anfange zu zerreissen. Man<br />

könnte mir einen Dokumentenvernichter zur Verfügung stellen oder das<br />

Geld zum Kauf dafür geben.<br />

Wie bitte, fragte ich ihn entsetzt. Das ich eine kleine Harddisk zerstöre,<br />

leuchtet mir ein. Aber ihr wünscht euch, dass Originaldokumente, mit<br />

Originalunterschriften der Kunden vernichtet werden? Ihr wollt dies<br />

wirklich, erkundigte ich mich. Muss wohl ein Witz sein, sagte ich. Nein,<br />

verdeutlichte er. Die Kunden wissen ja nicht, dass ihre Originalpapiere,<br />

die ja keine Wertpapiere waren, fast 1000 Kilometer entfernt von dort wo<br />

sie sein sollten, waren. Zudem hätte man ja jedes Dokument auch im<br />

elektronischen Speicher bei der LGT. Das stimmte. Ich weiss nicht<br />

warum, aber mir gefiel der Gedanke überhaupt nicht.<br />

Nicht das ich Mühe damit hätte, die über 2000 Seiten in den<br />

Papierfresser zu stopfen, aber ich vertrat die Meinung, das die<br />

Dokumente dem Kunden gehörten und sie wieder dorthin zurück<br />

gelangen sollten, wo sie hergekommen sind. Offenbar hatte sich der<br />

Bankdirektor keine solchen Gedanken gemacht. Er runzelte die Stirn und<br />

fragte wie die Papiere denn transportiert werden sollen.<br />

Es bedarf einiger Überredungskunst, um ihn zu überzeugen, dass er<br />

doch die Papiere in Etappen wieder mit nach Hause nehmen könnte. Ich<br />

könnte ihm morgen schon einige Stapeln bringen. Kopien jener<br />

Dokumente hätte ich ja auch auf meinen elektronischen Datenträgern.<br />

Mir wäre es sogar lieber, wenn ich die Papiere loswerden könnte. Immer<br />

340


diese Schlepperei, sagte ich. Was aber, wenn er an der Grenze<br />

kontrolliert würde und man in seiner Tasche tausende Bank- oder<br />

Treuhandpapiere aus Liechtenstein finden würde.<br />

Mein Gott, sagte ich zu ihm, er sei doch der weitgereiste Bankdirektor.<br />

Wie viel Gepäck er sich für diese Reise mitgebracht hätte, fragte ich ihn.<br />

Eine Mappe und ein Handrollkoffer. Das ist doch schon ein guter<br />

Anfang, rief ich aus. Er soll seinen Pyjama und die Zahnbürste in die<br />

Mappe quetschen und die Papiere in den Rollkoffer. Diesen soll er am<br />

Flughafen Schiphol als Gepäckstück aufgeben und nur mit der Mappe<br />

als Handgepäck reisen.<br />

Soweit ich wusste, wurde in Amsterdam bei aufgegebenem Handgepäck<br />

noch keine Extrakontrolle durchgeführt. Der Abflug war also kein<br />

Problem. Bei Ankunft in Zürich sei er ja schon fast auf heimischem<br />

Boden. Die Schweizer Zöllner würden bei einer Kontrolle keine Fragen<br />

zu solchen Papieren stellen.<br />

Dem Bankdirektor gefiel die Idee noch nicht so ganz. Mir kam nicht in<br />

den Sinn, warum er Angst davor hatte. Er müsse mit Hans-Adam<br />

Rücksprache halten. Kein Problem, sagte ich. Wenn er möchte, so könnte<br />

er alles schon morgen haben, offerierte ich ihm. Falls alles in seinen<br />

Koffer passte, fügte ich hinzu.<br />

Er entfernte sich von mir und machte ein Telefongespräch. Nach 20<br />

Minuten kam er zurück und strahlte über das ganze Gesicht. Hans-<br />

Adam sei begeistert von der Idee. Und er schätze meine Fürsorge um die<br />

Daten. Bitte, gern geschehen, erwiderte ich. Also gut, ich würde ihm als<br />

Zeichen des guten Willens Teile der Daten morgen übergeben. Wo,<br />

fragte er. Ich antwortete, lass uns doch in Amsterdam treffen. Von<br />

"Rotterdam" wäre es nur eine Stunde mit dem Zug. Der Bankdirektor<br />

war damit einverstanden. Ob ich schon eine elektronische Kopie bis<br />

Morgen vernichten würde, fragte er höflich. Nur nicht so übereifrig,<br />

sagte ich. Eines nach dem Anderem. Morgen gibt es die Dokumente und<br />

dann sehen wir weiter.<br />

Ich erklärte ihm auch, dass ich es gar nicht eilig hätte. Und ich zum<br />

Schluss gekommen sei, dass ich die Schutz-ID wirklich nicht mehr wolle.<br />

Ich würde schon ohne sie durchkommen. Wenn die in Vaduz so stur<br />

seien und den Vorteil für sie nicht sehen wollen, dann müssten sie eben<br />

dieses Extrarisiko selbst tragen. Ich müsste jetzt wieder heim nach<br />

Rotterdam fahren, sagte ich zu ihm. Er wollte mich noch zum<br />

Abendessen einladen. Ich lehnte dankend ab. Wir verabredeten, uns am<br />

nächsten morgen um 11 Uhr in der Lobby des Hotel Marriott, in der<br />

341


Stadhouderskade zu treffen. Ich versprach mit den Dokumenten zu<br />

kommen. Ich warnte ihn, es solle mir ja keiner folgen. Es sei zwecklos,<br />

machte ich im vor, da die Papierdokumente nicht am selben Ort seien,<br />

wo die elektronischen Datenträger aufbewahrt würden. Aber nein,<br />

niemand würde mir folgen, er sei alleine da, versicherte er mir immer<br />

wieder. Und was war dann das ganze Gerede beim ersten Treffen, über<br />

gewaltsame Verschleppung und so? Ich solle dies vergessen, bat er mich.<br />

Alle nur dummes Geschwätz. Na wollen wir mal hoffen, dass das<br />

stimmt, sagte ich als Abschiedsgruss.<br />

Auf Umwegen lief ich zum Bahnhof und nahm erst den dritten Zug nach<br />

Amsterdam. Ich wechselte mindestens vier Mal den Platz. Keiner zeigte<br />

Interesse an mir. Nach Ankunft im Hauptbahnhof in Amsterdam bestieg<br />

ich die kleine Fähre rüber nach Amsterdam Nord. Mein Fahrrad hatte<br />

niemand geklaut. Aber einen Platten hatte ich. Mist! Zum Glück gab es<br />

ca. 300m nordwärts, am Buikslotenweg auf der linken Seite, ein<br />

Fahrradgeschäft mit Reparaturstätte. Für ein paar Euro war die Sache<br />

geregelt. Ich radelte mit Genuss Richtung geliebtes Heim in<br />

Monnikendam. Das Fahrrad durfte ich immer neben dem Schuppen am<br />

Ende des Gartens abstellen. Es brannten keine Lichter mehr im Hause.<br />

Jane und ihr Mann mussten wohl ausgegangen oder schon zu Bett<br />

gegangen sein. Ich verspürte den Drang wieder etwas für meine Fitness<br />

zu tun. Monnikendam hatte ein Gemeindehallenschwimmbad. Ein<br />

kleines Sportgebäude und leider war das Wasser im 25m Becken nur<br />

hüfttief. Etwas ungewohnt, aber zur Muskelbewegung reichte es allemal.<br />

Wieder zu Hause packte ich die Papierstapel aus und schaute sie mir<br />

nochmals an. Da war Eines mit der Unterschrift von Klaus Zumwinkel.<br />

Einer der deutschen PEPs. Wenn der wüsste, was hier vor sich ginge,<br />

dachte ich. Ich nahm die Hälfte aller Dokumente aus dem Koffer und<br />

legte sie für morgen früh bereit. Wie immer verschloss ich in der Nacht<br />

meine Zimmertüre von innen.<br />

Am Dienstag, den 11.03. war ich schon um 7 Uhr mit dem Velo<br />

unterwegs Richtung Amsterdam City. Schwer bepackt mit einer<br />

Plastiktüte, die ich von der Wäscherei in Monnikendam erhalten hatte.<br />

Darin waren die Unterlagen nochmals in Einkaufstüten eingewickelt. Es<br />

war irgendwie ein lustiges Gefühl, als ich mit Treuhandurkunden wie<br />

etwa Verträgen oder internen Aktenvermerken und mit Bankbelegen in<br />

Milliardenhöhe die frische Brise der kurzen Kanalüberfahrt zum<br />

342


Hauptbahnhof genoss. Ich stellte mir vor, mit welcher Freude ich von<br />

jedem Steuerfahnder und jedem Kriminalpolizisten in Holland<br />

empfangen würde (auch ohne die elektronischen Datenträger, wo<br />

1000fach mehr Datenmaterial zu finden war). Weihnachten schon im<br />

März 2003! Ein Bankett für die Kämpfer gegen Geldwäscherei,<br />

Kriminalität und Steuerhinterziehung. Aber offenbar war die Zeit noch<br />

nicht reif dafür.<br />

Ich nahm mir ein Taxi vom Hauptbahnhof zum Hotel Marriott. Ich war<br />

25 Minuten zu früh da. Ich setzte mich in die Lobby und versuchte, nicht<br />

all zu grosse Aufmerksamkeit mit dem langen, dicken Plastiksack zu<br />

verursachen. Zu spät.<br />

Ein Wachmann sah mich und kam auf mich zu. Er fragte, ob ich Gast<br />

wäre, was ich verneinte. Ich sagte, dass ich auf einen Bekannten warten<br />

würde. Der Bankdirektor bog gerade um die Ecke. Er musste durch den<br />

anderen, kleineren Eingang auf der Vorderseite ins Hotel gelangt sein.<br />

Der Wachmann nahm seinen Rundgang wieder auf.<br />

Der Bankdirektor war mit seinem geleerten Rollkoffer gekommen. Da<br />

ich ihm nicht einfach den Sack so zuwerfen wollte, suchten wir uns eine<br />

ruhige Ecke und nahmen Platz. Zuerst drückte ich ihm zwei Bündel mit<br />

ca. je 500 Blättern in die Hand und erklärte, dass dies nun die Hälfte der<br />

Papiere wäre. So viele, so viele und so schwer, sagte er mit offenem<br />

Mund. Er bedankte sich artig, überflog sie schnell und erinnerte sich laut<br />

an den einen oder jenen vermerkten Kunden. Dabei machte er<br />

Randbemerkungen im Sinne von „oh, nicht dieser‚ oder „was, von<br />

dieser Kundschaft auch?‚.<br />

Ich erinnerte mich, dass wir eigentlich bis anhin gar nicht gross über die<br />

Originaldokumente gesprochen hatten. Selbst beim ersten Treffen wurde<br />

ich niemals danach gefragt. Speziell nicht nach der Kategorie von<br />

Dokumenten, die ich im Brief an Hans-Adam unter Punkt „III. C)‚<br />

beschrieben hatte. Er berichtete, dass nachdem sie sich in Vaduz vom<br />

Schock erholt hatten, spielten die Originaldokumente keine grosse Rolle<br />

mehr. Jedes dieser Papierstücke wäre ja ohnehin auch auf dem<br />

elektronischen Datenspeicher. Ja genau, erwiderte ich. Was für Papiere<br />

sind diese denn, fragt er und zeigte mit dem Finger auf das letzte, kleine<br />

Bündel. Ich hielt noch ein kleineres Bündel mit ca. 125 Blatt Papier mit<br />

beiden Händen fest, solange bis es der Bankdirektor auch merkte. Er<br />

fragte mich: „Und diese Akten?‚ Ich erwiderte scherzend, welche? Er<br />

zeigte auf meine Hände.<br />

343


Dies sind die Originaldokumente jener Mandate, deren Vermögen<br />

politischen Parteien oder Körperschaften davon gehören, so wie ich sie<br />

unter Punkt „VI‚. im Brief vom 7.1.03 beschrieben hatte, sagte ich.<br />

Er kannte alle „politischen Mandate‚ und wusste auf Anhieb um welche<br />

"Gruppe" es sich handelte.<br />

Die Kundendatenspeichersysteme von Treuhand und Bank sind zwar<br />

getrennt. Da er aber selber mehrere Jahre bei der Treuhand gearbeitet<br />

hatte, wunderte es mich nicht, dass er die Kunden und die Hintergründe<br />

zumindest der heiklen, politischen Mandate im Detail kannte.<br />

Trotz der hohen Nummer von fast 4000 Mandaten. Ich übergab sie ihm<br />

mit der Bitte, diese dem Hans-Adam persönlich zu geben. Er blätterte sie<br />

durch und schüttelte mehrmals den Kopf. Er legte sie vorsichtig zu den<br />

anderen Papieren im Koffer und zog den Reissverschluss zu.<br />

Als würde er sich selber belehren wollen, meinte er, dass die LGT diese<br />

Mandate gar nie hätten annehmen dürfen. Nicht auszudenken, wenn<br />

diese Mandate der Öffentlichkeit bekannt würden.<br />

Wir wunderten uns gemeinsam, was für Motive die Auftraggeber dieser<br />

Mandate hatten, Konten in Liechtenstein zu eröffnen und so viele<br />

Millionen zu horten. Aus Steuergründen sicher nicht. Besser keine<br />

Fragen dazu stellen, schlossen wir das Thema ab.<br />

Er müsse jetzt kurz nach Vaduz telefonieren, sagte er mir. OK, ich würde<br />

im Terrace Café des Hotels auf ihn warten, erwiderte ich. Als er 15<br />

Minuten später zu mir kam, war seine Freude über meine Lieferung fast<br />

schon verflogen. Er richtete ein Dankeschön von Hans-Adam aus. Dieser<br />

würde es hoch schätzen, dass ich mich Kooperative zeigen würde und<br />

die Loyalität ihm gegenüber aufrechterhalten würde.<br />

Hans-Adam würde fragen, wann er die andere Hälfte der<br />

Originalpapiere bekommen könnte. Der Bankdirektor erzählte weiter,<br />

dass der Landesführer gerne heute noch hören würde, dass ich einen der<br />

Datenspeicher vernichtet hätte. Dies darum, weil er sich Sorgen machen<br />

würde, falls mir etwas gestohlen würde. Zum hundertsten Male<br />

versicherte ich dem Bankdirektor, dass nichts passieren könne. Die<br />

Daten seien in einem Safe aufbewahrt, behauptete ich.<br />

Er fragte mich, ob ich schon einen Heimreisetermin im Kopf hätte. Ich<br />

sagte ihm, dass ich vieles im Kopf hätte, aber leider noch keinen solchen<br />

Termin. Zuerst müssten wir doch abwarten, zu welchem Schluss die<br />

Rechtsexperten in Sachen Anklage gegen Helmut Roegele & Co.<br />

344


kommen würden. Oder hat Hans-Adam etwas von einer Frist gesagt,<br />

fragte ich ihn. Nein, nein, er habe nichts in dieser Richtung erwähnt, aber<br />

in Vaduz sei man natürlich der Meinung, je früher ich nach Hause<br />

kommen würde, desto besser.<br />

Da es schon fast Abendessenszeit war, schlug ich eine Einladung von<br />

ihm nicht aus. Wir blieben in der Nähe des Hotels und ich wollte<br />

während des Essens kein Wort mehr über die LGT oder Bankengeschäfte<br />

im Allgemeinen verlieren.<br />

Er erzählte mir von seiner lieben Frau, die ich nie kennen gelernt hatte.<br />

Und von seinen gut erzogenen Kindern. Eines Tages, so hoffte ich,<br />

würde ich auch Frau und Kinder haben. Das hatte ich aber auch schon<br />

vor sechs Jahren gehofft, als ich angekettet in einem feuchten Kerker<br />

sass.<br />

Er würde noch eine Nacht in Holland bleiben, da er erst für den nächsten<br />

Tag den Rückflug gebucht hatte. Ich bedankte mich für seine<br />

Gastlichkeit und vor allem für sein Verständnis und die Geduld mit mir.<br />

Ich fragte ihn, wann wir uns wieder sehen würden. Er überlegte kurz<br />

und antwortete, dass er am Freitag, den 21.03. nach Amsterdam kommen<br />

könnte. Gut, sagte ich. Das passt mir sehr. Nicht, dass ich viele andere<br />

Termine hätte, scherzte ich. Also, abgemacht, sagte er zum Abschied. Ich<br />

solle ihn nächste Woche am 18. oder 19. auf seinem Handy anrufen,<br />

sodass wir die Details des nächsten Treffens absprechen könnten. Mach<br />

ich doch. Auf Wiedersehen Herr Bankdirektor. Pass auf Dich auf, rief er<br />

mir zu.<br />

Überzeugt mit der Rückgabe das Richtige getan zu haben, machte ich<br />

mich zufrieden auf den Heimweg. Dies nicht ohne die übliche<br />

Verschleierungstaktik, was die Streckte anbelangte.<br />

VADUZ März 2003 (2)<br />

Während Kieber mit dem Bankdirektor lange Diskussionen über die<br />

Daten, Gott und die Welt hatte, war man in Liechtenstein auch wieder<br />

aktiv geworden. In einer nicht-öffentlichen Sitzung wurde am 10.03. der<br />

Einspruch von Kieber vom 07.11.02 gegen die Anklage im Fall 140er vom<br />

Gericht einstimmig abgelehnt. Gleichzeitig wurde beschlossen, das<br />

(Verbrecher-)Ehepaar Helmut Roegele und Salud Hidalgo als Zeugen<br />

der STA einzuladen.<br />

345


Hans-Adam wurde wunschgemäss über diese Beschlüsse informiert und<br />

er ordnete an, diese unter Verschluss zu halten, sodass weder Kiebers<br />

RA, noch er selbst davon erfahren würden. Dies begründetet Hans-<br />

Adam in einer kurzen mündlichen Stellungsnahme damit, dass man<br />

zum Wohle Liechtenstein nichts riskieren dürfte, was die komplizierten<br />

Gespräche mit Kieber im Ausland stören könnten. Er befürchtete, dass<br />

Kieber explodieren würde, sollte er insbesondere vom Umstand<br />

erfahren, dass die STA Helmut Roegele & Co. eingeladen würde.<br />

Da der Professor jetzt regelmässig zur Arbeit in Liechtenstein war,<br />

mietete er sich ein Zimmer in Triesen. Seine Künste waren jetzt vor allem<br />

an der anderen Front in Liechtenstein gefragt.<br />

Der ehemalige LLB Banker Lampert verlängerte praktisch jede Woche<br />

die Liste seiner Forderungen. Lampert forderte u.a. CHF 700'000.- in bar<br />

und sofort. Die LLB war geschockt über seine Rücksichtslosigkeit. Die<br />

Regierung Hasler hatte grosse Angst, dass die Medien davon erfahren<br />

könnten. Vor solcher Art Publizität hatte man und hat man heute noch<br />

eine derartige Angst, wie der Teufel vor dem Weihwasser. Einerseits<br />

wollte man auch die begangenen Fehler im Fall LGT vermeiden,<br />

andererseits war dieser Fall ganz anders.<br />

Erstens war Lampert noch im Land und daher kontrollier- oder<br />

überwachbar und zweitens, was aus Liechtensteiner Sicht kein Problem<br />

darstellte, verlangte er Geld!<br />

Ähnlich wie am Anfang bei Kieber, hatte Lampert noch keinen Beweis<br />

geliefert, dass er die Daten hatte. Dies holte er in der zweiten Woche im<br />

März nach. Mitte März händigte man ihm dann CHF 100'000.- in bar aus.<br />

Was Lampert nicht wusste war, dass die LLB ihn ständig beschatten lies.<br />

Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass er sie für die kommenden<br />

acht Wochen mehr als einmal an der Nase herumführten konnte.<br />

Hans-Adam interessierte dies alles im Moment nur am Rande.<br />

Mitte März, am 16. war der Tag. Sein Tag, an dem er für sich und seine<br />

Familie über die nächsten hundert Jahre das Sagen in Liechtenstein<br />

durch die neuen Verfassung einzementieren lassen würde. Der<br />

Abstimmungstag war gekommen. Die Bürger und Bürgerinnen<br />

stimmten ab. 66 Prozent Zustimmung für den Hans-Adam. Viele<br />

stimmten darum für die neue Verfassung, also für "ihn", weil sie Angst<br />

davor hatten, dass sonst Hans-Adam samt Familie und Kunstbildern<br />

nach Wien auswandern würde. Da hat man es, Liechtenstein wie in<br />

346


Bayern: Alles ungewisse, jede Veränderung des Status Quo ist zu<br />

vermeiden. Die Angst war und ist immer grösser. Nach dem<br />

Abstimmungssieg fühlte sich Hans-Adam so stark wie ein Godzilla. Er<br />

vergeudete nicht viel Zeit damit, sich bei den 66 Prozent zu bedanken.<br />

Die politischen Gegner waren eingeschüchtert und sollten den Sieg von<br />

Hans-Adam über sie seit jenem Tag ständig zu spüren bekommen.<br />

Schon Tage vor seinem Triumph in der Abstimmungssache, hatte Hans-<br />

Adam anderen Grund zur Freude. Er und sein Sohn Alois kamen an<br />

einem Nachmittag zu einem Sechs-Augengespräch mit dem<br />

Bankdirektor auf Schloss Vaduz zusammen. Die Dokumente hätte er<br />

dem Direktor Dr. Feuerstein am Morgen schon übergeben. Der<br />

Bankdirektor übergab dann wunschgemäss das Bündel mit den 125 Blatt<br />

Papier an Hans-Adam. Dieser dachte zuerst, es wäre ein neuer Brief von<br />

Kieber. Ein dicker Brief. Er nahm die Papiere entgegen und las<br />

aufmerksam die Kundennamen und andere Details. Warum er und nicht<br />

die Treuhand die Papiere nun habe, fragte er.<br />

Etwas verlegen erklärte der Gesandte, dass Kieber damit nur zeigen<br />

wollte, dass Deutschland solche Mandate sehr heiss begehren würde.<br />

Solle er dies als Drohung auffassen, wurde Hans-Adam laut. Nein,<br />

absolut gar nicht. Kieber wollte nur einen Beweis abgeben. Weil Hans-<br />

Adam ihm ja am Telefon erklärt hatte, dass niemand in Deutschland<br />

Interesse an den Daten hätte. Der Bankdirektor war sich auch ganz<br />

sicher, dass Kieber nie vorhatte, unterzutauchen sondern er sich ganz<br />

fest vorgenommen hätte, eine glückliche Lösung für alle Beteiligten zu<br />

finden. Dies gefiel dem Landesführer.<br />

Hans-Adam wollte daher abgeklärt haben, ob es jetzt nicht besser wäre,<br />

Kieber einen der zwei gedruckten Pässe für die paar Wochen, bis er nach<br />

Hause kommen würde, auszuhändigen. Wenn es unserer Sache dienlich<br />

sein soll, dann müssen wir es in Betracht ziehen, resümierte er.<br />

Der Bankdirektor wurde auch mit anderen Neuigkeiten überrascht.<br />

Hans-Adam erwähnte im Gespräch, dass man auch in Zürich nicht<br />

fündig geworden sei. In Zürich, fragte er nach. Alois deutete an, dass<br />

man gewisse alte Ideen aus dem KKZ nichts ganz verwerfen wollte. Eine<br />

davon war, herauszufinden, ob Kieber bei seiner Ex-Freundin in Zürich<br />

eventuell Datenträger versteckt haben könnte. Es sei in der Zwischenzeit<br />

gelungen, ohne Schweizer Teilnahme die Dreizimmerwohnung der<br />

besagten Dame zu durchsuchen. Es wurde leider nichts gefunden.<br />

347


Der Bankdirektor erkundigte sich, ob denn die betroffene Frau einer<br />

Hausdurchsuchung ohne Schweizer Durchsuchungsbefehl zugestimmt<br />

hätte. Wäre gar nicht notwendig gewesen, da man ihre Wohnung erst<br />

dann betreten hatte, als feststand, dass sie zu Bekannten in die<br />

Ostschweiz abgefahren war, erklärte ihm Alois.<br />

Anm.: Als ich dann selber gegen Ende Oktober 2003 von dieser Aktion erfahren<br />

hatte, war ich sehr empört. Ich schimpfte dann mit dem Professor Dr. T. Müller<br />

darüber. Er wusste von der Sache nichts. Verwundern würde es ihn aber nicht.<br />

Meine eigene Nachforschungen ergaben, dass meine Ex-Freundin wahrhaftig<br />

zum angegebene Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung war. Sie sagte mir auch,<br />

dass sie zu keiner Zeit von irgendjemand über mich befragt worden sei. Ich hatte<br />

sie nie über das ganze Drama der LGT-Daten aufgeklärt.<br />

Für mich steht fest, dass Hans-Adam sie beschatten lies. Ich gehe davon aus,<br />

dass die üblichen Handlanger von Hans-Adam die Wohnung professionell<br />

durchsucht hatten, ohne Spuren zu hinterlassen.<br />

Der Bankdirektor rapportierte, dass ihn Kieber wieder am 18. oder 19.<br />

anrufen würde. Wie abgemacht, hätte er sich einen Flug nach Holland<br />

für den 21.3. schon fest gebucht. Er bat um Instruktionen, was er Kieber<br />

am Telefon oder beim nächsten Besuch erzählen soll.<br />

Amsterdam März 2003 (b)<br />

Während ich mich schon auf den nächsten Besuch vom Bankdirektor in<br />

knapp zehn Tagen freute, stieg meine Zuversicht Tag um Tag. Ich war<br />

heilfroh, mit der Auswahl vom Bankdirektor richtig gelegen zu haben.<br />

Mit ihm konnte man wirklich von Mensch zu Mensch reden.<br />

Meine Vermieterin hatte keine Probleme mit mir und ich keine mit ihr.<br />

Ich war ein ruhiger und kein lästiger Gast, die sie auch ab und zu mal<br />

hatte. Ich war die meiste Zeit unterwegs und ging zeitig zu Bett, d.h.<br />

selten war ich nach 20 Uhr zu Hause. In dem kleinen Haus konnte man<br />

jedes Geräusch hören. Manchmal durfte ich mit ihr und ihrem Mann vor<br />

dem grossen TV sitzen und gemeinsam schauten wir uns eine<br />

holländische Abendsendung an. In meinem Zimmer konnte ich einen<br />

Deutschen Sender empfangen. Ich schaute nie viel Fern, ich war immer<br />

schon kein grosser Glotzengucker.<br />

348


Am 19.03. vormittags und am 20.3. um 13 Uhr rief ich den Bankdirektor<br />

an. Beim ersten Anruf entschuldigte ich mich, dass ich am 18. nicht<br />

angerufen hatte, da ich die Aufgabe in meinem Kalender am falschen<br />

Tag eingetragen hatte. Er hatte nicht viel Zeit und bat mich einen Tag<br />

später anzurufen, was ich dann auch tat. Am 19.03. rief ich den<br />

Bankdirektor an. Das Gespräch war schon nach 2 Minuten zu Ende. Er<br />

war sehr kurzgebunden und sagte nur, er sei am Freitag um 10 Uhr im<br />

Marriott. OK, sagte ich. Bis dann. Seltsam, sein Ton war auch ganz<br />

anders, nicht mehr so freundlich. Hört sich gar nicht gut an, sagte ich zu<br />

mir. Aber was soll’s, es hatte keinen Sinn sich darüber gross den Kopf zu<br />

zerbrechen. Morgen würde ich ja sehen können, was nun wieder los war.<br />

Am Freitag, den 21.03. wartete ich schon seit 9 Uhr auf ihn in der<br />

Hotellobby. Er erschien auch pünktlich um 10 Uhr. Es gab eine kühle<br />

Begrüssung. Er schien über etwas verärgert zu sein. Ich fragte, was los<br />

wäre. Er kam mit einer Gegenfrage und wollte wissen, ob ich mit meiner<br />

Ex-Freundin Kontakt hatte.<br />

Nein, sagte ich, sollte ich? Und wer will das wissen? Nein, nichts<br />

besonderes, erwiderte er. Einige würden in Vaduz denken, dass ich ihr<br />

was gesagt oder erzählt haben könnte. Ich lachte nur und sagte, dass sie<br />

doch endlich begreifen sollen, dass ich ein Einzelkämpfer bin und es<br />

immer war. OK, wenn es ihnen besser gefallen würde, dann eben ein<br />

Einzeltäter. Zudem würde ich nie andere in Gefahr bringen. Dies sei<br />

mein Kampf und dies würde immer so bleiben, beendete ich dieses<br />

Thema. Der Bankdirektor schien mit meiner Antwort zufrieden zu sein.<br />

Er erzählte mir, dass er in Vaduz immer betont hätte, dass er überzeugt<br />

wäre, dass ich eine One-Man-Show wäre.<br />

Wir wechselten von der Lobby zum Terrace Café des Hotels. Ich wollte<br />

von ihm wissen, ob man mir schon Neues zum Thema Anklage gegen<br />

Roegele & Co. sagen könnte. Er schluckte sicher zwei Mal leer und<br />

erzählte, dass er leider nichts Neues gehört habe. Wie soll ich dies<br />

verstehen, fragte ich. Dies sei unter der Kontrolle von Hans-Adam und<br />

dieser hätte ihm beim letzten Meeting nichts Frisches gesagt, was er mir<br />

mitteilen könnte. Er erzählte weiter, dass man in Vaduz wieder<br />

ungeduldiger geworden sei. Man würde dort nicht verstehen, warum ich<br />

nicht nach Hause kommen würde, jetzt wo doch alles in die Wege<br />

geleitete worden sei.<br />

Ungeduldig fragte mich der Bankdirektor noch mehrmals während<br />

dieses Besuchs, wie viele Reisen er noch machen müsse. Er als<br />

Bankdirektor hätte auch andere Verpflichtungen. Das Geschäft blühe zu<br />

349


Hause, man brauche ihn auch dort. Schliesslich hätte er auch eine<br />

Mannschaft zu leiten und das ihm direkt unterstellte Führungsteam<br />

würde sich schon wundern, warum er praktisch jede Woche ein, zwei<br />

Tage verschwindet.<br />

Auf Anordnung von Hans-Adam wisse niemand von der LGT ausser<br />

seiner persönliche Sekretärin und Herr Piske, (vom Vorstand der Bank)<br />

dass er auf heikler Mission wäre. Im elektronischen Kalender der LGT<br />

wären seine Besuche als Kundentrips getarnt. Ob ich schon eine Ahnung<br />

davon hätte, wann ich nach Hause kommen würde. Ich erwiderte, ich<br />

kann jetzt nicht nach Hause kommen. Für mich habe sich nichts<br />

geändert. Wo sei der Beweis, dass man wenigstens ein Teil meiner Bitten<br />

erfüllt hätte? Ich bleibe lieber hier in Holland und wenn alles so läuft,<br />

wie man mir durch ihn ausrichten lässt, dann sehe ich kein Problem, in<br />

der nahen Zukunft nach Hause zu kommen. Hans-Adam lässt nach<br />

nachfragen, ob ich schon einen der elektronischen Datenträger vernichtet<br />

hätte, sagte er. Ich musste leider eine negative Auskunft geben. Aber ich<br />

versprach ihm, bis zum nächsten Besuch eine solche Kopie der Daten zu<br />

vernichten. Ob er den Beweis für die Zerstörung bräuchte, fragte ich ihn.<br />

Er verneinte. Er wäre sinnlos einen Beweis nach Vaduz zu bringen, da es<br />

ja technisch kein Probleme für mich wäre, vor der Zerstörung wieder<br />

eine neue Kopie zu machen. Darum wäre es reine Zeitverschwendung<br />

auf einen solchen Beweis zu beharren. Er argumentierte, dass ich doch<br />

innerhalb einer Woche eine Entscheidung treffen könnte, ob ich nach<br />

Hause zurückkehre. Er sei unter Druck von Hans-Adam. Wie gesagt,<br />

würde dieser immer ungeduldiger. Dennoch, als weiteres Zeichen seines<br />

Guten Willens könnte er mir folgendes offerieren. Wenn ich ihm, und<br />

damit Hans-Adam, jetzt versprechen würde, dass ich spätestens bis<br />

Ende April, also in ca. fünf Wochen, wieder in Liechtenstein sein würde,<br />

dann käme er am 2. oder 3. April wieder nach Amsterdam und würde<br />

mir einen der zwei Pässe als Schutz-ID für die Reise nach Hause<br />

übergeben. Ich müsste mich aber auch verpflichten und dies hoch heilig<br />

schwören, dass ich im April alle Datenträger vernichte und nichts mit<br />

auf die Reise nach Hause nehmen würde.<br />

So, so – was hat euch bewegt, mir auf einmal einen Schutz-Pass<br />

auszuhändigen. Die Antwort darauf wüsste ich ja, erwiderte er. Und wie<br />

würdet ihr verhindert, dass – wenn ich wollte, rein theoretisch – mit<br />

dem Pass in eine „andere Richtung‚ reise. Auch dafür hätte man<br />

350


vorgesorgt, sagt er. Ich war schon ganz gespannt, welche Lösung sie<br />

dafür gefunden hatten. Er verdeutlichte. Um zu verhindern, dass ich den<br />

Pass als neue Lebensgrundlage verwenden würde, würde man - falls ich<br />

am 30.04.03 im Laufe des Tages nicht in Vaduz eintreffen würde, den<br />

Pass am 01.05. polizeilich als gestohlen melden und die Passnummer in<br />

ein internationales Register eintragen lassen. Keine schlechte Idee,<br />

erwiderte ich. Und die Daten? Was ist, wenn ich – rein hypothetisch –<br />

mit Daten und Pass auf Wanderschaft gehen würde?<br />

Was er dann zur Antwort gab, erstaunte mich schon und bewies mir,<br />

dass sie sich offenbar in die Materie, in die Gedankenwelt von mir<br />

vertieft hatten. Er schilderte mir, dass man in Vaduz alle meine<br />

möglichen Optionen studiert hätte. Davon hätte ich nur zwei:<br />

A) ich finde eine friedliche Lösung mit Hans-Adam oder B) ich suche die<br />

Hilfe bei den Deutschen oder Amis. Ein Abtauchen oder Untertauchen<br />

als „Ulrich Meier‚ mit den Daten würde keinen Vorteil für mich<br />

ergeben, beendete er deren Theorie. Der Bankdirektor sagte mir „im<br />

Vertrauen‚ (was immer dies bedeutete), dass man sich in Vaduz sicher<br />

sei, dass ich die oben genannte Variante A) auswählen würde.<br />

Dies würde im Grossen und Ganzen ungefähr meinen Vorstellungen<br />

entsprechen, offenbarte ich ihm, auch „im Vertrauen‚. Mit dem<br />

Aushändigen des Passes wollte man mir den Stress der Heimreise<br />

nehmen. Natürlich müsste ich im Tausch alle meine Ausweise, die auf<br />

Heinrich Kieber lauteten, aushändigen.<br />

Ich erbat mir Bedenkzeit von ein paar Tagen.<br />

Der Bankdirektor hatte bei diesem Besuch nicht viel Zeit für mich. Er bat<br />

mich ihn spätestens in einer Woche wieder anzurufen. Wir<br />

verabschiedeten uns und ich entfernte mich mit dem üblichen<br />

Verwirrspiel in Richtung Menschenmenge.<br />

In den folgenden Tagen überlegte ich, ob ich das Angebot annehmen<br />

sollte. Ich sagte zu mir, dass ich es dem Landesführer Hans-Adam hoch<br />

anrechnen sollte, dass er mit mir - wenn auch nur durch seinen<br />

Gesandten – überhaupt redet. Oder vielleicht das Angebot doch nicht<br />

annehmen? Würde es nicht eher so sein, dass sie mir genau dass sagen,<br />

was ich hören will, fragte ich mich auch ständig. Er war zum Verrückt<br />

werden. Wenn ich nur nicht so misstrauisch wäre. Aber ich konnte ja mit<br />

niemandem reden. Eine Minute lang dachte ich alles passiere so, wie<br />

man es mir geschildert hatte. Die nächste Minute glaubte ich wieder kein<br />

351


Wort von dem, was man mir gesagt hatte. Aber so konnte es auf ewig ja<br />

nicht weitergehen.<br />

Irgendwann musste ich klein beigeben oder sie klein beigeben, ich die<br />

Bombe zünden oder sie Gewalt anwenden. Dies waren in Wahrheit die<br />

Möglichkeiten. Ich konnte keinen definitiven, keinen klaren Entscheid<br />

fällen.<br />

Ich war sehr traurig, da zu jener Zeit meine Schwestern und meine<br />

Mutter ihren Geburtstag feierten. Ich hätte keine Bedenken gehabt mit<br />

ihnen zu telefonieren. Ich konnte es nicht, weil ich keine Kraft dazu<br />

hatte. Ich fand auch keinen Gefallen mehr, die schönen Seiten von<br />

Amsterdam zu erkunden und die Freiheit zu geniessen. Ich sperrte mich<br />

für ein paar Tage im Zimmer ein und verliess es nur, um zu frühstücken<br />

und wenn Jane das Zimmer machen wollte. Sie fühlte meine<br />

Niedergeschlagenheit. Als Ausrede erzählte ich ihr von einer<br />

unglücklichen Liebe. Sie zeigte Mitleid mit mir und das Thema war vom<br />

Tisch.<br />

Am 28.3. um 20 Uhr rief ich den Bankdirektor an. Er sagte mir, dass er<br />

gerade zu Hause bei seiner Familie angekommen sei. Ich erzählte ihm<br />

dass ich mehr durcheinander als klar im Kopf sei. Ich wollte keinem<br />

Druck ausgesetzt werden und im Grunde hätte man mir nichts gezeigt,<br />

was in die erforderliche Richtung einer Anklage der Verbrecher aus<br />

Argentinien gehen würde.<br />

Ich behauptete, dass ich an die Existenz eines Auftrages von Hans-Adam<br />

an ein Rechtsexpertenteam absolut nicht glauben würde. Um meiner<br />

Unsicherheit gleich noch eines drauf zu geben, erwähnte ich im selben<br />

Atemzug, dass, sollte es dieser Auftrag wirklich geben, ich mich für die<br />

Behauptung entschuldigen würde. Er fragte mich, ob er nun am 2. und 3.<br />

April kommen soll oder nicht. Ich bat ihn zu kommen. Ich wäre aber<br />

nicht sicher, ob es ein fruchtbares Treffen werden würde. Ich versprach<br />

ihn am 1.04. wieder anzurufen. Er konsultierte seinen Kalender und bat<br />

mich um 13 Uhr anzurufen. Einen friedlichen Geburtstag wünschte er<br />

mir aus heiterem Himmel für den kommenden Sonntag.<br />

Danke schön Herr Bankdirektor. Bitte, gern geschehen, Herr Kieber.<br />

352


VADUZ April 2003 (1)<br />

Jetzt waren es schon bald ganze drei Monate seit Kieber Liechtenstein<br />

mit den Daten verlassen hatte. Und immer noch keine Heimreise von<br />

ihm in Sicht. Die Restgruppe des KKZ, Hans-Adam, sein Sohn Alois,<br />

Regierungschef Hasler, Piske, Feuerstein und der Bankdirektor waren<br />

mit der Situation gar und gar nicht zufrieden. Guter Rat in Form einer<br />

besten Lösung des Problems war einfach nicht zu finden.<br />

Obwohl sich der Professor die allergrösste Mühe gab, die Restgruppe in<br />

regelrechten Marathonsitzungen oder in einzelnen Gesprächen davon zu<br />

überzeugen, dass man von der fixen Idee ein Problem lösen zu müssen,<br />

wegkommen sollte. Natürlich war es aus Sicht Liechtenstein ein<br />

massives Problem. Der Professor erklärte ihnen aber, dass es vorerst eine<br />

Bedrohung sei und es erst dann ein massives Problem werden würde,<br />

wenn Kieber die Datenbombe zünden würde. Man müsse daran arbeiten<br />

und darauf aufbauen, was einem mit Kieber verbinden würde und nicht<br />

was sie trennen würde. Kieber sei noch immer extrem misstrauisch. Der<br />

Professor sagte, dass es zwar gegenseitigen Sympathie und Vertrauen<br />

zwischen Kieber und dem Bankdirektor gebe, dass Kieber schlussendlich<br />

aber eher dazu neigen würde, die (angeblichen) guten Handlungen, die<br />

in Vaduz für ihn gestartet worden seien, nicht zu glauben. Besser wäre<br />

es, wenn eine völlig neutrale Person, d.h. neutral aus der Sicht von<br />

Kieber, mit ihm reden würde. Er hatte dabei an sich selbst gedacht.<br />

Hasler und Feuerstein konnten erst nach intensiven Gesprächen mit dem<br />

Professor endgültig von der Idee, Gewalt anzuwenden, Abschied<br />

nehmen. Ziel sei es Kieber nach Vaduz zu bringen und dann hätte man<br />

ja immer noch die Gelegenheit ihm ein schönes Dankeschön<br />

auszudrücken.<br />

Der Professor hatte wiederum mehrfach darauf hingewiesen, dass man<br />

dem Kieber nichts Versprechen soll, was man von vornherein nicht<br />

einhalten würde. Wie so oft in Liechtenstein, spürte auch dieser<br />

ausländische Experte, dass sich die Herrschenden im Ländle nicht gerne<br />

vorschreiben lassen, wie man auf heimischen Boden zu agieren gedenke.<br />

Unbestritten, man brauchte den Professor um Kieber und die Daten nach<br />

Liechtenstein zu bringen. Einmal zu Hause angekommen, würden die<br />

Ideen und Ratschläge vom Professor allenfalls zur Kenntnis genommen.<br />

In diesem Punkt sah man bei Hans-Adam, Alois, Hasler und Feuerstein<br />

keinen Spielraum. Nach jeweiligen solchen offenen Gedankenspiele war<br />

der Professor beunruhigt. Trotz seiner guten Entlohnung stellte er mehr<br />

353


als einmal die Frage, ob den Worten auch die Taten folgen würden. Ob<br />

Hans-Adam die Strafverfolgung der Täter aus Argentinien und die<br />

daraus folgenden Konsequenzen wirklich im Sinne habe. Aber<br />

natürlich, erwiderte Hans-Adam. Man wäre es Kieber irgendwie<br />

schuldig, sollte dieser die Bombe nicht zünden und nach Hause<br />

zurückkehren, ergänzte Hans-Adam.<br />

Mit dieser Aussage von Hans-Adam war der Professor zufrieden. Er<br />

machte aber, mit Blick zu Hasler und der LGT, auch klar, dass er nicht<br />

dazu missbraucht werden könnte, dem Kieber Hoffnungen zu<br />

vermitteln, die Liechtenstein nie zu erfüllen gedenke.<br />

Bei einem weiteren Treffen mit Hans-Adam eröffnete der Professor ihm<br />

seine neue Strategie. Es hatte ja nichts mehr gebracht wieder an Kiebers<br />

Loyalität, Diskretion und Autoritätsgläubigkeit zu appellieren. Auch<br />

nicht viel weiter war man gekommen, als man ihn an seine guten Seiten<br />

erinnerte oder sein Schuldgefühl gezielt bearbeitete. Eine dritte Chance<br />

Kieber zur raschen Heimreise zu bewegen, sah er darin, Kieber um Hilfe<br />

zu bitten. Hilfe? Von Kieber? Der Landesführer wurde hellhörig. Der<br />

Professor erklärte, dass er in seiner Arbeit am aktuellen LLB-Fall<br />

(Lampert) begriffen hatte, dass man Kieber, völlig realistisch, um Hilfe in<br />

diesem Fall bitten könnte. Kiebers Denkvorgänge seien nicht zu<br />

unterschätzen und könnten zur Problemlösung mit Lampert angewendet<br />

werden. Man müsste ja dem Kieber nicht alle Details erzählen. Aber er<br />

hätte schon ein paar Fragen an Kieber, die nur dieser – zwar mit<br />

unterschiedlichen Motiven, aber dennoch eben auch als Täter –<br />

beantworten könnte.<br />

Zudem hätte dies den positiven Seiteneffekt, dass Kieber fühlen würde,<br />

dass man ihn als Mensch braucht, als jemand, dessen Meinung gefragt<br />

ist. Wenn Kieber etwas in den letzten fünf Jahren mit den Liechtensteiner<br />

Behörden erleben musste, so war die eine endlose Abneigung und<br />

gigantische Ignoranz. Und da der LLB-Fall in der Tat existiere, müsste<br />

man ihn für Kieber nicht neu erfinden.<br />

Hans-Adam rief den Bankdirektor zu sich und ordnete ihn an, diese<br />

Chance mit dem Professor zu diskutieren.<br />

354


Amsterdam April 2003 (a)<br />

Ein neuer Monat, ein neuer Anfang, dachte ich mir. Wie versprochen rief<br />

ich am 1.4. pünktlich um 13 Uhr den Bankdirektor an. Er bestätigte seine<br />

Ankunft für den nächsten Tag und fragte, ob er den Schutzpass<br />

mitbringen sollte. Ende April schien mir einfach zu früh. In ein, zwei<br />

oder drei Monaten könnte nicht so viel geändert oder in Bewegung<br />

gesetzt worden sein, selbst wenn Hans-Adam am Drücker sei. Doch ich<br />

wollte ihn nicht enttäuschen und sagte nichts am Telefon, da mir ganz<br />

klar war, dass ich noch nicht nach Hause fahren würde. Ich sagte daher<br />

dem Bankdirektor, er könne die Schutz-ID mitbringen. Er freute sich<br />

über meine „Einsicht in die Notwendigkeit".<br />

Nach dem Anruf kam ich an einem Coiffeurladen vorbei und sah mich<br />

im Spiegel. Oh, die Haare waren aber wieder gewachsen, sagte ich zu<br />

mir. 20 Minuten später verliess ich den Laden mit einem Haarschnitt wie<br />

nach dem Einrücken ins Militär. Nicht dass ich selber irgendwelche<br />

Erfahrungen im Militär hätte, das Ländle hat ja keine Armee, aber eine<br />

kolossale Kaserne; für die Horde der Internationalen Steuerhinterzieher.<br />

Dienstag, der 2.4. Der Bankdirektor hatte schon an einem Fenster im<br />

Terrace Café Platz genommen, als ich von der gegenüberliegenden<br />

Strassenseite auf das Hotel zuging. Ich sah ihn mir zuwinken. Er fragte<br />

mich, ob ich froh sei, dass das Drama mit den Daten bald zu Ende sei.<br />

Ich lächelte gezwungen. Ich versuchte das Thema zu wechseln und<br />

fragte ihn, was er denn seiner Frau sagen würde, wenn er fast jede<br />

Woche nach Holland fliegen würde. Er sagte, dass er sie beschränkt<br />

informieren konnte, über das was vor sich ging.<br />

Ich war nervöser als sonst, weil ich gleich den Bankdirektor enttäuschen<br />

würde. Er war voller Zuversicht und schlug vor, dass wir im nahen Park<br />

spazieren gehen. Das Wetter war ja sehr einladend. Er fragte mich, ob ich<br />

angefangen hätte, die Datenträger zu vernichten. Ich sagte, dass ich ja<br />

noch Zeit dafür hätte. Ich erwähnte dann, dass ich meinen Mietvertrag<br />

um zwei Monate verlängert hätte. Zwei Monate, fragte er erstaunt. Ja, bis<br />

Ende Mai. Dies darum, weil ich nicht mehr sicher sei, ob ich schon Ende<br />

April nach Hause kommen könnte.<br />

Er schlug die Hände über seinem Kopf zusammen. Er habe extra den<br />

Pass mitgebracht. Ich hätte doch darum gebeten. Ich erwiderte, dass ich<br />

355


es gestern noch nicht genau wusste. Heute aber sei ich mir sicher, dass<br />

ich Ende April nicht nach Hause kommen werde. Wo, bitte schön, wäre<br />

der versprochene Beweis dafür, dass man die Täter von Argentinien<br />

anklagen würde? Ich müsse ihm glauben, obwohl er sich auch nur auf<br />

die Angaben von Hans-Adam berufen könnte, versuchte er die Situation<br />

zu retten.<br />

Ich verlangte, selbst mit Hans-Adam zu sprechen. Dies sollte ja kein<br />

Problem sein, da er selbst erlebt hatte, dass man mit mir am Telefon<br />

eigentlich normal reden könnte, bemerkte ich. Er sagte, dies sei<br />

kompliziert, dafür wäre er ja da. Aber, wenn ich ihm nicht glauben<br />

würde, was er schade finden würde, dann hätte man da jemand zur<br />

Hand, der mir bei meiner Entscheidungsfindung helfen könnte.<br />

Der Bankdirektor erzählte mir, dass man in Vaduz langsam aber sicher<br />

die Geduld mit mir verlieren würde. Das wäre nichts Neues für mich,<br />

konterte ich. Man würde aber nachvollziehen können, dass ich, in<br />

meiner jetzigen Lage, sehr skeptisch gegenüber Vertretern des<br />

Establishments sei. Trotzdem sei ich manchmal hartnäckiger als ein alter<br />

Esel, fügte er hinzu. Das er auch erkannt habe, dass ich unter massivem<br />

psychologischem Druck stehe und es ihn nicht verwundern würde,<br />

wenn ich früher oder später ganz durchdrehe. Wenn ich damit<br />

einverstanden wäre, könnte ein Psychologe nach Holland kommen und<br />

mit mir reden, offerierte er mir. Einen Psychofreak also, rief ich aus. Und<br />

wer soll dies den sein, fragte ich. Es dürfe mir den Namen nicht nennen.<br />

Aha, griff ich ihn an, wohl wieder so ein Trick, um mich zu benebeln<br />

und Zeit für einen Angriff zu gewinnen. Warum kann man mir den<br />

Namen nicht nennen? Ich treffe mich mit niemandem, über den ich nicht<br />

vorher Bescheid wisse. Er sagte, ich solle mich nicht so aufführen. Es<br />

wäre ja kindisch. Der „Psycho‚ wäre eine grosse Hilfe für alle. Er sei<br />

wegen einer ganz anderen Geschichte, die sich momentan in Vaduz<br />

abspielte, angeheuert worden. Ein anderes schweres Drama, wobei<br />

meine Hilfe möglicherweise gebraucht werden könnte.<br />

Anderes Drama? Jetzt? Meine Hilfe? Röhrte ich kopfschüttelnd und legte<br />

eine Gang beim Laufen zu, um weg von solchen übergeschnappten<br />

Ideen zu kommen. Ich sagte ihm auch, er müsse wohl geisteskrank<br />

geworden sein. Ich bat ihn, es nicht auf die Spitze zu treiben. Es wäre mir<br />

klar, dass die in Vaduz auch unter Zeitdruck stehen und daher auf<br />

absurde Geschichten kommen würden, nur um mich nach Hause zu<br />

356


locken. Aber nein, aber nein, sagte er mir. Ich müsse ihm versprechen,<br />

dass ich niemandem absolut gar nichts davon erzählen würde. Die Sache<br />

sei auch unter strenger Geheimhaltung in Vaduz. Ob ich einen Roland<br />

Lampert aus Vaduz kenne. Nein, vielleicht, wenn ich ihn sehe, dann<br />

eventuell, erwiderte ich. Dieser wäre ein Ex-Mitarbeiter von der LLB und<br />

hätte dort Daten von deutschen Kunden gestohlen und würde jetzt seit<br />

Februar/März die LLB erpressen.<br />

Wie bitte? Für einen Moment genoss ich die absurde Situation. Da war<br />

ich selber mitten in einem länderübergreifenden Krimi, hatte also genug<br />

eigene Probleme am Hals, und da kommt man mir mit einer Story, in der<br />

ich angeblich ähnliches ZUR GLEICHEN ZEIT IN VADUZ abspielen<br />

sollte. Ich hatte absolut keine Zweifel, dass überhaupt jemand Daten von<br />

der LLB gestohlen haben könnte. Dies kam in der Vergangenheit vor<br />

und wird immer passieren. Dass aber eine Erpressung ausgerechnet jetzt<br />

stattfinden würde, wollte ich nicht glauben. Blitzschnell kam mir laut<br />

der Gedanke, dass dies eine Taktik sein könnte, wobei man den LGT<br />

Fall, also meinen Fall, als zweitrangig herabstufen würde, um mir das<br />

Gefühl zu geben, dass man keine Zeit und Ressourcen für mich hätte.<br />

Gleich verwarf ich diese Gedanken. Ich vergrub mein Gesicht in den<br />

Händen. Nicht zu fassen. Die „Konkurrenz‚ schläft wohl nie, witzelte<br />

ich. Zuerst ein Psychofreak, dann die LLB, was kommt als nächstes,<br />

fragte ich. Die Abdankung des Landesführers?<br />

Ganz und gar nicht, erwiderte er. Würde ich im LLB-Fall helfen, dann<br />

könnte ich mein ramponiertes Image bei der Justiz und der STA in<br />

Vaduz sicherlich verbessern. Geld sei an Lampert schon geflossen, aber<br />

man sei sich in Vaduz nicht sicher, ob er all die Daten hat, die er<br />

behauptete zu haben.<br />

Je mehr der Bankdirektor im Detail darüber erzählte, desto glaubhafter<br />

wurde er für mich und umso ernster wurde mein Gesicht. Ich fragte ihn<br />

postwendend, ob der Lampert auf der Flucht sei. Nein, der sitze<br />

gemütlich zu Hause. Ich war ob dieser Antwort sehr erstaunt. Komisch,<br />

sagte ich, der Lampert muss wohl sehr starke Nerven haben oder etwas<br />

geisteskrank sein. Die grösste Knacknuss im LLB-Fall wäre, meiner<br />

Meinung nach, herauszufinden, ob und wie viele Kopien der Daten er<br />

habe. Genau dies sei das Kernproblem, erwiderte der Bankdirektor. Ich<br />

fragte ihn, was dies alles mit mir zu tun habe, die LLB wäre ja das<br />

Problem der Regierung, der Aktienmehrheitsbesitzerin der LLB und<br />

nicht das Problem von Hans-Adam oder seiner LGT.<br />

357


Der Bankdirektor versuchte mir eine Heimreise schmackhaft zu machen,<br />

indem er sagte, dass, wenn ich nach Hause kommen würde, man mich<br />

bitten würde, mit dem Lampert zu reden. Ich sollte versuchen, ihm die<br />

Erpressung auszureden und herausfinden, wie viele Daten, vor allem<br />

wie viele Kopien er davon er habe und wo er sie versteckt haben könnte.<br />

Warum gerade ich, fragte ich. Schickt doch euren Top-Psycho hin. Der<br />

kann dies sicher tausendmal besser. Der Bankdirektor sagte, dass der<br />

Psychologe, intern "der Professor" gerufen, noch nicht persönlich mit<br />

dem Lampert gesprochen hätte.<br />

Warum nicht, war die logische Frage von mir. Weil man noch abwarten<br />

wollte. Einem Professor würde der Lampert nichts erzählen wollen, mir<br />

schon eher, sagte der Bankdirektor. Warum das, fragte ich und fuhr fort:<br />

Soll ich den einfach zu Lampert gehen und ihm sagen: „Hallo ich bin der<br />

Heinrich Kieber aus Mauren, ich habe auch tonnenweise Daten von einer<br />

„Bank‚ gestohlen, komme gerade von einer „Tour de Daten‚ in Berlin<br />

und Amsterdam zurück, habe die Sinnlosigkeit der Handlung erkannt<br />

und bin jetzt hier um dich vor einem grossen Fehler zu bewahren.‚ Ja<br />

ungefähr so, erwiderte der Bankdirektor. Einen Versuch wäre es Wert,<br />

meinte er.<br />

Aha, sagte ich, obwohl mir dies alles keinen Sinn mehr ergab. Sowieso,<br />

ich hätte genug andere Probleme, ich hatte keine Zeit oder Energie um<br />

der LLB zu helfen, sagte ich. Es wäre ja primär keine Hilfe für die LLB,<br />

sondern fürs ganze Land. Die LLB sei ja de facto eine Staatsbank, meinte<br />

der Bankdirektor. Was ich ja wusste. Hans-Adam würde auch froh sein,<br />

wenn ich meinen Anteil an der Lösung des LLB-Falls beitragen könnte.<br />

Mann oh Mann, dachte ich mir, sollten wir nicht zuerst unseren Fall<br />

lösen?<br />

Ich willigte ein, mich zuerst einmal mit dem Professor zu treffen. Dieser<br />

könnte also kommen, wenn er wollte. Ich bat den Bankdirektor aber mir<br />

vor einem solchen Treffen etwas mehr Hintergrundinformationen über<br />

die Persönlichkeit dieses Professors zu geben. Den Namen könnte er für<br />

sich behalten. Aber Angaben über die fachliche Kompetenz, das<br />

Herkunftsland und die Beziehung zur LGT und Hans-Adam würde ich<br />

schon gerne erhalten.<br />

Nach dem Spaziergang gingen wir zurück zu seinem Hotel und er lud<br />

mich zum Abendessen ein. Vorher musste er mir aber noch eine andere<br />

Bitte von Hans-Adam vortragen. Dieser habe ihn beauftragt, von mir<br />

eine schriftliche Erklärung zu bekommen, worin ich bestätige, dass ich<br />

358


alle Datenträger vernichtet hätte. Der Bankdirektor würde gerne ein<br />

solches Schreiben morgen mit nach Hause nehmen. Ohlala, entfiel es mir<br />

da. Ich hätte aber mit der Zerstörung noch nicht begonnen, sagte ich<br />

wahrheitsgetreu. Das sei schon OK, erwiderte der Bankdirektor. Solange<br />

ich es vor meiner der Heimreise erledigen würde, sei dies kein Problem.<br />

Hans-Adam wolle einfach etwas in den Händen haben. Wenn ich dann<br />

die Datenträger vernichtet hätte, dann könnte ich eine neue persönliche<br />

Erklärung darüber für Hans-Adam ausfertigen und er würde dies ihm<br />

dann auch überreichen. Hans-Adam würde ja auch aktiv an<br />

Lösungswege arbeiten, sodass am Ende die Verbrecher vor ein Gericht<br />

gestellt werden können. Fair für Hans-Adam, sagte ich. Das Mindeste<br />

was ich momentan in dieser Situation für ihn tun könnte. Ich versprach<br />

ihm, ein solches Schreiben mit ihm morgen aufzusetzen.<br />

Nach dem Essen kam wieder eine neue Idee vom Bankdirektor. Um eine<br />

bessere Kontaktmöglichkeit zu haben, sodass die in Vaduz nicht immer<br />

auf meine Anrufe angewiesen waren, schlug der Bankdirektor vor, ich<br />

sollte mir doch eine holländische SIM-Karte für ein Handy kaufen.<br />

Dadurch könnte er mich telefonisch erreichen und mich auf dem<br />

laufenden Halten.<br />

Zuerst schüttelte ich vehement den Kopf. Auf gar keinen Fall. Ihr wollt<br />

dies nur, um mich lokalisieren zu können, johlte ich ihn an. Komm mir ja<br />

nicht mit dieser Tour, tobte ich. Manchmal könnte ich sehr fanatisch sein,<br />

brüllte er. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, willigte ich ein, ein<br />

holländisches Handy samt Nummer zu kaufen. Allerdings würde ich es<br />

nur für einen kurzen Anruf von ihm zu exakt abgemachter Zeit<br />

einschalten. Er war damit einverstanden und offerierte, mir ein neues<br />

Handy samt SIM-Karte und Guthaben zu berappen. Wir suchten ein<br />

Geschäft auf und nach 15 Minuten war ich Besitzer eines neuen Telefons<br />

mit Prepaid-Nummer und einem 100 Euro Guthaben.<br />

Ich wollte nun nach Hause, nach „Rotterdam‚ gehen und versprach ihm,<br />

am nächsten Morgen um 11 Uhr wieder beim Hotel zu sein. Er bedankte<br />

sich für meine Einsicht und wünschte mir eine gute Nacht. Ich<br />

verschwand in den schwach beleuchteten Gassen von Amsterdam.<br />

Vorher schaltete ich mein neues Handy aus und entnahm die SIM-Karte<br />

sowie die Batterie.<br />

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich wusste, dass ich morgen<br />

in eine furchtbare Situation kommen würde, sollte ich die gewünschte<br />

359


Erklärung für Hans-Adam abgeben. Selbst wenn ich in der Nacht alle<br />

Datenträger noch vernichten hätte, eine Masterkopie bliebe immer<br />

vorhanden. Erstmals kann ich meinen Lesern ein weiteres meiner<br />

Geheimnisse verraten. Bisher weiss niemand davon. Jeder der mich<br />

kennt, kann bestätigen, dass ich mit der Zeit, speziell ab 1997 sehr<br />

Vorsichtig geworden bin. Ich sichere mich immer mehrfach auf allen<br />

Seiten ab. Natürlich konnte ich die Reaktion von Hans-Adam und den<br />

hohen Finanz-Herren aus Vaduz nicht zu 100 Prozent voraussagen. Mein<br />

Plan im 2002 sah vor, dass ich das Original DLT-Band, die DVDs und<br />

externe Harddisks mit nach Berlin nehmen würde. Für den Fall, dass<br />

Hans-Adam mir im Verlauf der Konfrontation mit Gewalt die<br />

Datenträger abnehmen könnte oder für den Fall, dass ich sie verlieren<br />

würde oder sie sonst wie unlesbar geworden wären, erstellte ich Ende<br />

Dezember 2002 eine so genannte Masterkopie des Back-Up-Tape auf<br />

einer neuen, stabilen 100 GB Harddisk.<br />

Es verstand sich von selber, dass ich dies gegenüber Hans-Adam nicht<br />

erwähnt hatte oder je erwähnen wollte. Diese Kopie zusammen mit<br />

verschiedenen anderen Dokumenten bewahrte ich in einem neuen<br />

ausschliesslich dafür angemietetes Banksafe in der Westschweiz auf.<br />

Ich eröffnete ein Bankkonto mit genügend finanziellen Mittel, um die<br />

jährlich automatisch abgezogene Mietgebühr bis Ende 2008 bezahlen zu<br />

können. Ich wählte auch bewusst eine Bank in der französischen<br />

Schweiz aus. Denn sollte irgendetwas mit mir auf den Reisen 2003<br />

passieren und mein Namen in den Medien in Liechtenstein, Deutschland<br />

oder Österreich genannt werden, so wäre die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

man deutschsprachige Zeitungen oder News in der<br />

französischsprachigen Schweiz lesen würde, sehr gering. Beide Schlüssel<br />

durfte ich, eigentlich entgegen den normalen Gepflogenheiten, bei der<br />

Bank selber deponieren. Ich entschied mich auch für eine kleinere Bank<br />

und keine Filiale einer Schweizer Grossbank. Dies deswegen, weil die<br />

Grossbanken eine zentral geführte Kundendatenbank führten. Und<br />

praktisch alle diese Grossbanken ihren Firmenhauptsitz in der<br />

deutschsprachigen Schweiz hatten.<br />

Zurück nach Amsterdam. Also selbst wenn ich alle Datenträger in<br />

Holland hätte vernichten wollen, eine Kopie würde ja immer noch in der<br />

Schweiz bestehen bleiben. So schnell der Gedanke gekommen war, so<br />

schnell ging er wieder weg. Für einen Moment dachte ich nach, ob ich<br />

dem Bankdirektor beim Gespräch morgen davon erzählen sollte. Aber<br />

360


dann befürchtete ich, dass man mir nicht glauben würde, dass dies DIE<br />

letzte Kopie sein würde. Und jetzt in die Schweiz zu reisen, würde völlig<br />

unmöglich sein.<br />

Wie vereinbart traf ich um 11 Uhr im Hotel Marriott ein. Der<br />

Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Vaduz telefoniert habe und mir<br />

weiteres Positives mitteilen könnte. Ich solle mit ihm aufs Zimmer<br />

kommen. Ich wollte lieber nicht in einen Raum, wo er und ich alleine<br />

waren, sagte ich. Was ist, wenn ich überrumpelt würde, fragte ich. Er<br />

versicherte mir, dass nichts geschehen würde. Und - wie immer –<br />

erwiderte ich, klar, wenn ihr die Anwendung von Gewalt plant, dann<br />

würde man mir es ja nicht auch noch vorher ankündigen. Nach etwas<br />

Gerede, fuhren wir gemeinsam mit dem Lift hoch. Im Zimmer half mir<br />

der Bankdirektor die Erklärung für Hans-Adam anzufertigen und zeigte<br />

mir eine neutrale Vollmacht. Hans-Adam hatte ihm diese mitgegeben.<br />

Eine Vollmacht für Hans-Adam, fragte ich. Die hatte er ja schon,<br />

ergänzte ich. Ich habe ihm schon eine in meinem Schreiben vom 7.1.03<br />

beigelegt, falls er eine brauche, um meine vollständigen Gerichtsakten<br />

lesen zu können. Nein, die Vollmacht wäre nicht für Hans-Adam, sagte<br />

der Bankdirektor. Um meine Interessen im Argentinienfall bestmöglich<br />

zu wahren, sollte man einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Einen<br />

neuen Rechtsanwalt? Ich hatte ja schon einen seit Jahren, sagte ich.<br />

Besser wäre es einen wirklichen Profi damit zu betreuen. Hans-Adam<br />

übernehme die Kosten, sagte der Bankdirektor. Wie heisst der neue<br />

Anwalt denn, fragte ich. Er wisse es noch nicht, sagte er. Man suche nach<br />

einem geeigneten Anwalt, der auch internationale Verbindungen hatte<br />

weil die Täter aus Argentinien ja in verschiedenen Ländern leben<br />

würden und verschiedene Nationalitäten hatten. Leuchtete mir ein.<br />

Na dann, vielen Dank erstmal, war alles was ich darauf erwidern konnte.<br />

Ich unterschrieb die blanko Vollmacht. Nachdem der Bankdirektor das<br />

Schreiben in seinem Koffer verstaut hatte, dachte ich mir, die<br />

Gelegenheit wäre günstig, ihn zu fragen, ob ich den Pass mal in die<br />

Hände nehmen könnte. Er wusste, dass ich ihn in Berlin leider nur durch<br />

die Fensterscheiben des Diplomatenwagen von Hans-Adam hatte sehen<br />

können. Er konnte dies nicht erlauben, Hans-Adam hätte ihm<br />

ausdrücklich verboten, mir den Pass zu zeigen, geschweige denn zu<br />

geben, falls ich nicht hoch und heilig versprechen würde, spätestens am<br />

31.04.03 wieder in Vaduz zu sein.<br />

361


Ich stichelte den Bankdirektor und sagte, dass ich jetzt versprechen<br />

würde, am 31.04.03 zu Hause zu sein. Netter Versuch, sagte er nur. Er<br />

wüsste jetzt ganz genau, dass es noch eine Weile dauern würde, bis ich<br />

nach Hause kehren würde.<br />

Er war mit dem Erreichten zufrieden und wollte nochmals von mir<br />

bestätigt haben, dass ich mit der Datenträgervernichtung anfangen<br />

würde. Wann er die andere Hälfte der Papierdaten mitnehmen wolle,<br />

fragte ich ihn zum Abschluss. Dies hätte Zeit, erwiderte er. Diesmal<br />

könne er sie nicht mitnehmen, da er nach Ankunft in der Schweiz ein<br />

paar Sitzungen habe, wo er die Daten auf keinen Fall bei sich tragen<br />

wolle. Ich schlug vor, die Papiere doch bei der LGT in Zürich zu<br />

deponieren, bis er dann nach Vaduz fahren würde. Geht gar nicht, sagte<br />

er. Da niemand von der LGT Schweiz etwas wüsste und man alles<br />

geheim halten würde. Auf Grund geschäftlicher Verpflichtungen würde<br />

er mit mir die nächsten zwei Wochen nicht telefonieren können. Er sei<br />

aber wieder am 24. und 25. April für mich da. Er hätte schon ein Zimmer<br />

im Luxushotel „Karl V.‚ in Utrecht, am Geertebolwerk 1 gebucht. Ich<br />

müsste dann nicht so weit von Rotterdam anreisen, bemerkte er. Zudem<br />

würden die nächsten zwei Wochen in Vaduz genutzt werden, um den<br />

Professor auf den Besuch einzustimmen und die angefangenen Arbeiten<br />

in Sachen Anklage gegen Roegele & Co. weiterzuführen.<br />

Ich war mit dem Ergebnis dieses Treffens auch sehr zufrieden.<br />

Insbesondere war ich froh, dass man in Vaduz einige der eigenen Fehler<br />

erkannt und zugegeben hatte und mir nun helfen würde. Obwohl ich<br />

zuerst mit der Datenbombe hatte drohen müssen. Während dieser Tage<br />

in Amsterdam war ich eigentlich in Hochstimmung. Nicht weil ich in der<br />

Lage war, Drohungen auszusprechen oder sonst wie Druck auszuüben.<br />

Nein, mich überkam ein unbeschreibliches Glücksgefühl, weil man mir<br />

sagte, dass man mir helfen würde.<br />

Die Tatsache, dass ich nichts vom meiner Masterkopie in der Schweiz<br />

erzählt hatte, verdrängte ich. Es störte mich auch nicht gross. Ich könnte<br />

diese Datenbombe ganz einfach auslöschen, indem ich sie einfach später<br />

vernichtete. Irgendwann sollte ich ja wieder in die Schweiz reisen<br />

können.<br />

362


VADUZ April 2003 (2)<br />

Nachdem der Bankdirektor die Adligen von Liechtenstein, den Professor<br />

und den Regierungschef Hasler über die letzte Reise nach Holland<br />

aufgeklärt hatte, machte sich das Gefühl breit, wenigstens an einer der<br />

zwei Fronten erfolgreich zu sein.<br />

An der LLB-Front brodelte es sehr. Lampert war überrascht, dass ihm<br />

ohne grosses Trallala gleich mal CHF 100'000.- in bar übergeben und<br />

zusätzlich andere Versprechungen gemacht wurden. Wie z.B. die<br />

Annullierung oder Teilannullierung seiner Hypothek bei der LLB,<br />

weitere monatliche Zahlungen und ein Beratervertrag. Auch sollten die<br />

restlichen 600'000.- CHF seiner Erstforderung bald fliessen. Spätestes bei<br />

dem Angebot als Berater in Teilzeit weiterhin für die LLB zu arbeiten,<br />

hätte ihm ein Licht aufgehen sollen. Lampert erkannte den Wert seiner<br />

Sammlung offenbar erst im April. Er forderte frech und ohne Umwege,<br />

die kleine Summe von 18 Millionen CHF. Ein Klacks für die LLB, dachte<br />

er sich wohl. Ohne erst auf eine Reaktion von Seiten der LLB auf die<br />

18 MIO. Forderung zu warten, machte er einen weiteren seiner vielen<br />

Fehler.<br />

Er schickte einem Dutzend Kunden eine Kopie ihrer<br />

Vermögenszusammenstellung bei der LLB per Post (aus der Schweiz,<br />

wenn ich mich richtig erinnere). Er wusste, dass die Kunden aus<br />

Deutschland sofort irgendwie die LLB anrufen würden. Die LLB wandte<br />

sich dann Hilfe suchend an Polizei und Justiz in Vaduz. Alles aber unter<br />

strengster Geheimhaltung.<br />

Der Professor wurde abwechselnd von der Polizei für den LLB-Fall und<br />

von Hans-Adam für den LGT-Fall für Ratschläge angegangen. Der<br />

Landesführer hämmerte dem Professor immer wieder ein, dass es<br />

gelingen musste, Kieber so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.<br />

Er befürchtete, wenn der LLB-Fall zu einer Katastrophe führen sollte und<br />

die Daten in Deutschland landeten, Kieber davon erfahren könnte und<br />

sich im Zuge der nachfolgenden Medienschlacht dazu ermutigt fühlen<br />

könnte, sich den Deutschen anzuvertrauen.<br />

Oder der Rummel um einen LLB-Skandal könnte zu einem<br />

Informationsleck in Liechtenstein führen, wobei irgendjemand den LGT-<br />

Fall den Medien verraten würde und Kieber sich gezwungen sähe, an<br />

die deutsche oder die US-Regierung zu gelangen. Der Professor sah<br />

diese Gefahr nicht und versprach, alles zu tun, was in seiner Autorität<br />

363


stehen würde. Zuerst einmal sollte man das nächste Treffen zwischen<br />

dem Bankdirektor und Kieber abwarten.<br />

Amsterdam April 2003 (b)<br />

Die knapp zwei Wochen bis zum nächsten Besuch aus der Heimat waren<br />

wie Ferien für mich. Ich war überzeugt, dass mir Hans-Adam, dank<br />

seiner Macht und seinen Verbindungen helfen würde. Gewiss, ab und zu<br />

glaubte ich trotz allem dunkle Wolken am blauen Himmel zu sehen.<br />

Würde es nicht doch eine Falle sein? Würde man mir keinen Bären<br />

aufbinden? Dennoch, das Positive dominierte das Negative bei weitem.<br />

Ich vernichtete der Reihe nach jede der vier DVDs. Ich zerstückelte sie in<br />

unzählige Einzelteile und warf alle vermischten Bruchstücke, verteilt in<br />

acht kleine Abfallsäcke, an verschiedenen Orten rum um Monnikendam<br />

und Volendam in den Müll.<br />

Als nächstes war eine der externen Harddisk dran. Ich borgte mir einen<br />

Hammer von Janes Mann und fuhr mit dem Velo zum Hafen von<br />

Monnikendam. Dort spazierte ich am Ufer entlang und sobald ich weit<br />

genug weg von den Häusern war, breitete ich ein altes T-Shirt von mir<br />

auf der Kanalmauer aus, legte die unschuldige Harddisk in die Mitte<br />

und hämmerte wie wild auf sie ein. Ich schlug so fest, dass sogar Teile<br />

der Mauer darunter zerbröckelten.<br />

Sicher ist sicher, dachte ich und sammelte alle zerquetschen Elektroteile<br />

ein. Verpackt in altes Zeitungspapier und Essensreste, verteilt auf drei<br />

kleine Abfallsäcke, warf ich sie in Amsterdam City in drei verschiedene<br />

Müllcontainer. Nur ein Wunder würde diese Harddisk wieder zum<br />

Leben erwecken. Und Wunder gibt es ja bekanntlich keine.<br />

Nun hatte ich nur noch die zweite externe Harddisk und das original<br />

DLT-Back-Up-Tape. Beides lagerte nun schon seit zwei Monaten in<br />

meinem Koffer bei Jane. Die externe Harddisk würde ich erst vor<br />

Abreise vernichten. Das DLT-Tape zusammen mit dem Bankdirektor, so<br />

hatte ich es mir vorgenommen.<br />

Am Donnerstag, den 24.4. fuhr ich mit der Bahn und dem DLT-Tape<br />

nach Utrecht. Um 17.30 Uhr betrat ich die kleine Lobby des Hotels Karl<br />

V. An der Rezeption erkundigte ich mich nach der Zimmernummer des<br />

Bankdirektors und rief ihn dann von der Lobby aus an.<br />

364


Er kam im Freizeitlook runter. Lass uns die Stadt etwas ansehen gehen,<br />

schlug er vor. Wir bestellten uns ein Taxi und liessen uns ins Zentrum,<br />

das eh nicht weit weg war, chauffieren. Ich erzählte, dass ich die vier<br />

DVDs und die externe Harddisk schon zerstört hatte. Dies gefiel ihm<br />

sehr. Als ich ihm ohne Vorwarnung das DLT-Tape unter die Nase hielt,<br />

erschrak er heftig. Nur ruhig Blut, sagte ich. Niemand ausser uns zweien<br />

weiss, was das ist. Ich sah ein paar Schweissperlen auf seiner Stirn.<br />

Warum ich das Band mitgebracht hätte, wollte er wissen. Um es<br />

gemeinsam zu zerstören. Oder wenn er es wollte, dann könnte er es<br />

gleich mitnehmen, offerierte ich ihm und strecke es ihm entgegen. Dann<br />

würde er zwar in Erfahrung bringen können, von welchem Tag im<br />

Herbst 2002 das Band stammte, dies war mir nun aber egal. Es waren ja<br />

andere Zeiten angebrochen. Friedenszeiten, mit Aussicht auf einen „100jährigen<br />

Frieden‚, wenn es nach mir ginge.<br />

Der Bankdirektor lehnte aber dankend ab. Er könne das Band nicht<br />

mitnehmen. Dies sei zu gefährlich. Sollte ihm auf der Heimreise etwas<br />

zustossen, wäre das Desaster perfekt und, wenn er sich nicht irre, seien<br />

ja die Daten auf dem Band nicht verschlüsselt, erklärte er mir. Er<br />

vertraue da lieber auf meine Fürsorge um die Daten. Zudem hätte ich,<br />

wenn er richtig gerechnet hatte, ja noch eine externe Harddisk irgendwo<br />

versteckt, sagte er. Jawohl, salutierte ich ihm. Das die Daten auf dem<br />

BackUp-Tape nicht verschlüsselt waren, sei nicht meine Schuld.<br />

Ja, erwiderte er, seit dem Februar seien sie in der LGT neuerdings<br />

verschlüsselt. Garantiert! Ich versprach ihm, das DLT-Tape noch im<br />

April zu vernichten. Ob er die Überreste davon dann haben möchte,<br />

fragte ich ihn. Nein, um Gottes Willen nicht, was soll er damit anfangen,<br />

fragte er mich. Man könnte es dem Hans bringen, schlug ich vor. Nein,<br />

nein – der will sicher keinen Abfall sehen.<br />

Mir wurde dann gesagt, dass der Professor sich freuen würde, mich zu<br />

treffen. Ich fragte nochmals nach, was die Aufgabe des Professors sein<br />

würde. Der Bankdirektor antwortete, dass dieser mir von neutraler Seite<br />

erklären würde, wie, was und wo nach meiner Rückkehr geschehen<br />

würde. Ich war etwas überrascht und fragte nach, ob denn der Professor<br />

den Argentinienfall so gut kennen würde. Ich dachte er wäre primär mit<br />

dem LLB-Fall beschäftigt, sagte ich. Nicht nur, sagte er. Der Professor<br />

würde eben deswegen kommen, sodass ich von einer neutralen Person 1.<br />

bestätigt bekommen würde, was man in Liechtenstein im 101er in die<br />

Wege geleitet hatte und 2. eine Lösung für ein gemeinsames Ziel<br />

365


aufgezeigt bekommen würde. Also, wenn es der Sache dienlich sein<br />

würde, dann bin ich damit einverstanden. Aber ich müsse mehr über<br />

diesen Professor erfahren, sagte ich.<br />

Später erzählte er mir, dass die LGT grossen Erfolg mit Neukunden habe<br />

und die Eröffnung der einzelnen Büros in Deutschland gemäss Plan<br />

stattfinde. Glücklicherweise hätte niemand von der LGT Frankfurt und<br />

Berlin etwas von unserer Tragödie gemerkt, fügte er an. Ich war sehr<br />

froh darüber. Der Bankdirektor erwähnte nochmals, dass ich in einer<br />

ausserordentlichen Lage sei. Würde ich nach Hause zurückkehren ohne<br />

dass jemand zu Schaden kommt, und würde ich einige der Bedingungen<br />

von Hans-Adam erfüllen, dann könne ich mein Leben neu beginnen.<br />

Bedingungen? Welche Bedingungen, fragte ich. Es wären da noch ein<br />

paar mehr Bedingungen, die ich aber besser vom Professor erklärt haben<br />

sollte. Der Professor, so, so. Es würden hoffentlich keine unerfüllbaren<br />

Bedingungen sein, fragte ich. Nein, nein. Solange ich mich benehme und<br />

dem Hans-Adam und Liechtenstein helfen würde, dass so etwas nicht<br />

nochmals passieren könnte, müsste ich nichts befürchten. Mir war jetzt<br />

gar nicht klar, was ich davon halten soll. Mir blieb aber nichts anderes<br />

übrig, als den Besuch vom Professor abzuwarten. Dieser sollte ja ein<br />

Genie sein.<br />

Ich wusste was den Bankdirektor seit seinem ersten Besuch auf den<br />

Nägeln brennt. Damals und bei jedem späteren Besuch fragte er mir<br />

Löcher in den Bauch, wie es mir gelang, a) eine Back-Up-Tape zu<br />

entwenden und b) dies so durchzuziehen, ohne dass die EDV-Abteilung<br />

den Verlust bemerkt hatte. Ich hatte ihm schon beim ersten Besuch<br />

gesagt, dass ich mit den Details erst rausrücken würde, wenn dieses<br />

Drama ein glückliches Ende genommen hätte. Es hätte keinen Sinn, Zeit<br />

für Detailfragen zu verschwenden. Ein paar Geheimnisse müsste ich<br />

vorerst schon noch behalten, sagte ich zu ihm. Er konterte immer wieder<br />

mit derselben Aussage, dass es wichtig sei, jetzt zu Erfahren wo offenbar<br />

die Sicherheitslücke sei.<br />

Ich hatte darauf auch immer wieder dieselbe Antwort. Ich gehe davon<br />

aus, dass man seit Februar 2003 a) die Daten auf dem Back-Up-Tape<br />

verschlüsselt und b) sicherlich jedes Back-Up-Tape keine Sekunde aus<br />

den „Augen lässt‚. Um ihn zu beruhigen, versprach ich ihm bald die<br />

Details offen zu legen. Da es schon spät war, offerierte er mir ein Zimmer<br />

im Hotel Karl V. Ich lehnte ab und sagte, ich könne ihn am nächsten Tag,<br />

um 11 Uhr wieder besuchen kommen. Ja, das wäre Prima, erwiderte er.<br />

366


Am nächsten Morgen, in der Früh begann ich mit der Zerstörung des<br />

DLT-Bandes. Dies war schwieriger als ich dachte. Ich öffnete das<br />

Gehäuse und fing an, das fette Band abzuspulen. Erstaunlich, wie lang<br />

so ein Band sein konnte. Hunderte von Metern, mindestens. Alle paar<br />

Minuten schnitt ich das Band in der Mitte durch und steckte den<br />

Abschnitt in ein C5 Kuvert. Am Ende hatte ich 18 fette solcher Kuverts.<br />

Mit meinem Velo fuhr ich in Richtung Amsterdam. An einem Kanal<br />

stoppte ich ausserhalb der Sichtweite der wenigen Hausboote. Ich<br />

entnahm die 18 Kuverts aus meiner Tragetasche und schichtete sie am<br />

Wegrand aufeinander. Ich zündete die unterste Lage an und lies sie<br />

brennen. Dicker Rauch stieg empor und das Feuerchen stank sehr. Mit<br />

einem Holzstecken mischte ich die brennenden Umschläge auf, sodass<br />

jeder Einzelne Feuer fing. Nach ca. fünf Minuten sah ich zwei<br />

Velofahrer, die aus Richtung Süden kamen. Noch waren sie weit weg.<br />

Schnell stampfte ich heftig auf das Lagerfeuer und löschte es. Dann<br />

sammelte ich die verschmolzene Ware ein und packte sie in einen<br />

Plastiksack. Auf einem der grösseren Plätze in der City schmiss ich den<br />

Sack in einen Abfallcontainer. Vorher warf ich noch einen Blick in den<br />

Sack. Nein, dachte ich, niemals würde irgendjemand daraus<br />

irgendwelche Daten lesen können. Wieder ein Problem weniger. Und<br />

mein Gepäck „leichter‚.<br />

Für den Bankdirektor war der Glanzpunkt des nächsten Tags meine<br />

Meldung über die erfolgreiche Einäscherung des DLT-Tapes. Er bestellte<br />

sich ein Taxi und ich wartete mit ihm auf der Treppe vom Hoteleingang.<br />

Wir vereinbarten, dass ich mein neues Handy am 30.04. zwischen 12 und<br />

14 Uhr eingeschaltet lassen würde. Sein Besuch mit dem Professor<br />

würde am 12. und 13. Mai in Amsterdam erfolgen, sagte er zum<br />

Abschied.<br />

Gute Heimreise Herr Bankdirektor. Es wird alles Gut Herr Kieber.<br />

Ich blieb noch eine Stunde in Utrecht und wanderte durch die Stadt,<br />

bevor ich mit dem Zug zurück nach Amsterdam fuhr. Ich war mir nicht<br />

sicher, ab man mir die Wahrheit gesagt hatte und mir nicht<br />

nachspioniert wurde. Ich blieb sehr wachsam. So gut es ging, versuchte<br />

ich meine Bewegungsmuster nicht zu wiederholen.<br />

Da ich jetzt ein Handy hatte, wäre es denen in Vaduz – Hans-Adam<br />

hatte immer die feste Überzeugung, dass mit Geld für ihn alles<br />

367


erreichbar war – möglich geworden, mich mit Hilfe der SIM-Karte<br />

geographisch zu lokalisieren. Ich musste also aufpassen, dass ich<br />

innerhalb Amsterdams immer mein Handy ein- und ausschalten würde,<br />

um meinen Standort in Monnikendam nicht preiszugeben. Ratsam war<br />

es auch, die SIM-Karte und die Batterie aus dem Gehäuse zu entfernen.<br />

Technisch ist es möglich, trotz ausgeschaltetem Handy den Standort zu<br />

identifizieren. Man kann bei den hohen Finanz-Herren aus Vaduz nie<br />

vorsichtig genug sein. Auch musste ich für jeden angekündigten Anruf<br />

einen anderen, neuen Standort innerhalb Amsterdams suchen. Nur<br />

dadurch konnte ich vermeiden, dass ab dem zweiten Anruf eine<br />

Leibwache von Hans-Adam auf mich wartete. Ich protokollierte ab jetzt<br />

jeden „verbrauchten‚ Standort in meinem Taschenkalender (ein früheres<br />

Geschenk der LGT an Angestellte).<br />

Am nächsten Tag, dem 30.04., war viel los in der Stadt. Massenhaft<br />

Menschen unterwegs. Es war der Geburtstag der Königin Beatrix. Wenn<br />

ich mich nicht irre, hatte es aus Kübeln geregnet. Ich stand unter einer<br />

Markise eines Cafés in der Haarlemstraat und setzte mein Handy um<br />

genau 12 Uhr in Betrieb.<br />

Rein theoretisch hätte der Bankdirektor auch um 13:59 anrufen können<br />

und hätte somit eine Stunde und 58 Minuten Zeit gehabt, mit Hilfe von<br />

bezahlten Spezialisten meine Position in Amsterdam auf ein paar Meter<br />

genau zu finden. Dies war mir klar. Aber ich hatte keine Probleme<br />

damit, da ich nur mein Zimmer in Monnikendam vor einem Zugriff<br />

schützen wollte.<br />

Ich musste aber nicht lange warten. Schon nach zehn Minuten rief er an.<br />

Er sagte, er würde mit dem Professor nächste Woche, am 12. Mai um 10<br />

Uhr auf mich warten. Ich sollte so nett sein und die restlichen<br />

Papierdokumente mitbringen, sofern ich dies ohne Gefährdung machen<br />

könnte.<br />

Ich fragte nach Details zum Professor. Er sagte, dass er mir den Namen<br />

am Telefon aus Sicherheitsgründen nicht nennen könnte.<br />

Sicherheitsgründe? Ist der Mann in Gefahr, fragte ich erstaunt. Nein,<br />

erwiderte er, aber Hans-Adam will nicht, dass die ganze Welt erfährt,<br />

dass der Professor in seinen Diensten steht. Aha, OK, sagte ich. Es<br />

folgten ein paar Details: ungefähres Alter, er komme aus dem<br />

deutschsprachigen Raum und sei in jenem oder diesem Feld ein Experte.<br />

Mir genügten die paar Hinweise. Wenn die Angaben stimmen sollten,<br />

dann müsste ich in der Lage sein, den Professor zu identifizieren.<br />

368


Zum Abschluss ermahnte ich den Bankdirektor nur alleine mit dem<br />

Professor zu kommen. Und nicht, dass sich der Professor als weisser<br />

südafrikanischer Söldner entpuppt. Er schwöre es, hörte ich von ihm.<br />

Wir vereinbarten, dass ich das Handy am 7., 8. + 9. Mai jeweils zwischen<br />

12 – 14 Uhr eingeschaltet halte. Er würde nicht unbedingt anrufen, aber<br />

wenn etwas in Sachen Reise sich ändern sollte, dann könnte er mir es<br />

sagen. Ich war damit einverstanden.<br />

369


KAPITEL 16 Vier mal 9 mm<br />

Amsterdam Mai 2003<br />

Noch 12 Tage bis zum wohl wichtigsten Treffen. Ich packte die LGT-<br />

Dokumente schon mal um, so dass ich sie bei Bedarf schnell griffbereit<br />

und reisefertig hatte. Meine Gastgeberin wunderte sich schon darüber,<br />

dass ich immer noch bei ihr logierte. Nie hatten sie so lange einen Gast.<br />

Sie freute sich, dass es mir offenbar gut bei ihr und in Holland gefallen<br />

würde.<br />

Ich weiss nicht mehr warum, aber auf einmal gefiel mir die Sache ganz<br />

und gar nicht mehr. Ich änderte den Plan und anstatt auf seinen Anruf<br />

zu warten, rief ich ihn den Bankdirektor an. Er war überrascht. Ich<br />

machte im etwas vor und sagte, dass ich nur das Handy nochmals testen<br />

wollte. Er hätte nichts Neues für mich und ich hatte nichts Neues für ihn.<br />

Ich sagte, dass ich aber gerne das Anruffenster um eine Stunde<br />

reduzieren möchte. Demnach würde ich von 13 – 14 Uhr mein Handy<br />

eingeschaltet haben.<br />

OK, sagte er. Also dann bis morgen, verabschiedete ich mich schnell.<br />

Am nächsten Tag, den 8.5. schien die Sonne prächtig. Ich begab mich in<br />

den berühmten Amsterdamer Zoo. Ich durchstreifte sicher drei Stunden<br />

die weitläufige Anlage, bewunderte ein Gehege nach dem Anderen. Zur<br />

Mittagszeit setzte ich mich draussen ins Openair-Café. Ich wartete an<br />

einem der kleineren Tische, weit weg von den anderen Gästen, auf den<br />

Anruf vom Bankdirektor.<br />

Als es dann klingelte war ich leider nicht mehr in guter Stimmung. Ich<br />

hatte wieder Zweifel daran, dass man in Vaduz wirklich an einer guten<br />

Lösung arbeitete. Es wäre mir zwar viel erzählt und berichtet worden,<br />

was alles angeblich in Vaduz schon in die Wege geleitet worden wäre.<br />

Aber einen Beweis dafür sei man mir immer noch schuldig geblieben.<br />

Ich fasste für den Bankdirektor am Telefon zusammen, dass ich<br />

praktisch alles was von mir verlangt worden war, erfüllt oder in die<br />

Wege geleitet hatte. Er redete wie ein Trainer auf mich ein und am Ende<br />

des 38 Minuten langen Gesprächs war wieder Frieden zwischen uns.<br />

24 Stunden später stand ich im Historischen Museum in der City.<br />

Wieder notierte ich mir den Standort in der Liste der Plätze an denen ich<br />

mein Handy eingeschaltet hatte. Der Bankdirektor rief zur vollen Stunde<br />

370


an. Alle in Vaduz seien zuversichtlich und er würde am Montagmorgen<br />

mit dem Professor abfliegen. Nach dem Anruf suchte ich ein Internetcafé<br />

auf und suchte nach dem Professor. Es gab nicht viele, auf die die Details<br />

passten. Am Ende hatte ich drei Psychologen auf meiner Liste. Einer von<br />

ihnen müsste es sein. Keiner hatte eine eigene Webseite, aber aufgrund<br />

ihrer Fähigkeiten und Erfolge konnte man einiges im Netz nachlesen.<br />

Alle waren Europäer. Halt, hier! Der, der müsste es meiner Meinung<br />

nach sein.<br />

12. Mai. Heute war der grosse Tag des Kennenlernens, sagte ich zu mir.<br />

Um nicht verschwitzt zur Verabredung zu kommen, nahm ich den<br />

Linienbus nach Amsterdam und nicht wie sonst üblich das Velo. Zuerst<br />

aktivierte ich meine eignen Sicherheitsvorkehrungen und schlich mich<br />

dann in die Nähe des Hotel Marriott. Gegenüber dem Terrace Café nahm<br />

ich auf der Kanalmauer, hinter einem Baum Platz und beobachtete das<br />

Hotel. Es war 9.55 Uhr. Ich fand es besser, wenn ich diesmal nicht<br />

pünktlich erscheinen würde. Ich wollte sehen, was der Bankdirektor und<br />

sein Begleiter machen würden, wenn ich bis 10.30 Uhr noch nicht<br />

aufgekreuzt wäre. Da ich für Pünktlichkeit bekannt war, wollte ich nun<br />

mein Handeln in diesem Punkt etwas weniger voraussehbar machen.<br />

Nach zehn Minuten wurde es mir aber selbst zu bunt und ich war<br />

neugierig auf den Professor. Ich rannte aus der Deckung durch den<br />

mehrspurigen Verkehr gerade wegs auf die grosse Glasscheibe des<br />

Terrace Café zu. Ich sah den Bankdirektor, der an einem kleinen Tisch<br />

sass. Mit dem Gesicht zu mir gewandt. Ihm gegenüber sass ein etwas<br />

grösserer Mann mit dem Rücken zu mir. Ich ging auf sie zu und sobald<br />

der Bankdirektor mich erblickte, lächelte er und sein Gast stand auf.<br />

Ich streckte meinen Arm aus und die Hand in die des Bankdirektors.<br />

Bevor er etwas sagen konnte, drehte ich mich zum Professor runter und<br />

nannte seinen Name: Dr. Thomas Müller. Er lächelte und war gleichzeitig<br />

überrascht. Ich wusste damit, dass ich den richtigen Psycho erraten<br />

hatte. Herr Kieber! Endlich treffe ich sie, sagte er und stand auf. Ich<br />

bedankte mich für sein Kommen. Er war immer noch etwas verdutzt<br />

über die Tatsache, dass ich seinen Namen erraten hatte. Der<br />

Bankdirektor sagte schnell zum Professor, dass er mir - wie abgemacht -<br />

seinen Namen nicht genannt hatte, aber – wie bekannt – einige Details<br />

preisgeben musste.<br />

Ich setzte mich zu ihnen an den Tisch und bestellte eine Cola. Da war er<br />

also, der berühmte Professor. Wir redeten zuerst über belangloses Zeug<br />

371


wie das Wetter, die Kirche, die Stadt, die Menschheit, seine Heimat und<br />

dann meine Heimat. Ich wollte nicht zu lange am selben Ort bleiben und<br />

schlug vor, dass wir alle spazieren gehen könnten. Der Bankdirektor<br />

bezahlte wie üblich die Zeche und wir bummelten über den Kanal rüber<br />

und dann immer Nordwärts.<br />

Der Professor trug eine offenbar schwerere Tüte mit sich herum. Ich<br />

wollte ihn provozieren und fragte nach, ob er eine Waffe darin hätte.<br />

Nein lachte er, aber ein Geschenk von Hans-Adam. Ein Geschenk von<br />

Hans Adam? Ich wunderte mich. Er griff in die Tüte und entnahm eine<br />

Holzschachtel, so gross wie ein DIN A4-Blatt und fünf oder sechs<br />

Zentimeter hoch. Er drückte mir die Schachtel in die Hand und sagte, so<br />

wird alles enden. Ich verzog meine Lippen und schaute nach dem<br />

Bankdirektor. Dieser zuckte die Schultern und gab an, von nichts zu<br />

wissen. Ich öffnete die Schachtel und zu meinem Glück lagen keine vier<br />

9 mm Schusspatronen drin.<br />

Es waren keine Patronen eines Schiesseisens drin, sondern eine original<br />

Sachertorte aus Wien. Die Echte. Die Beste. Ich musste laut lachen, weil<br />

ich erkannte, dass jemand in Vaduz auffallend gut die Hausaufgaben<br />

gemacht hatte. Mit nichts besserem hätte man das Eis brechen können,<br />

als mit einer so schönen, süssen Geste. Ich bedankte mich artig und fügte<br />

gleich an, dass ich leider mit niemandem die Torte teilen könnte. Es seien<br />

ja harte Zeiten momentan. Der Bankdirektor war mit der Vorstellung des<br />

Professors zufrieden und er verabschiedete sich, da er uns beiden Zeit<br />

für ein Vieraugengespräch lassen wollte.<br />

Der Professor war sehr geduldig mit mir. Ich redete sicher die ersten<br />

eineinhalb Stunden alleine. Er nickte nur ab und zu oder brummte ein Ja<br />

oder ein Nein. Ich gab ihm eine extreme Kurzfassung meiner letzten acht<br />

Jahre. Als ich fertig war, holte er tief Luft und schilderte mir seinen<br />

Lebenslauf. Nicht schlecht, dachte ich. Ich war überrascht, dass er sich<br />

um meinen Fall kümmerte. Normalerweise, so hatte ich es nachforschen<br />

können, arbeitete er eher mit „Toter Materie‚ (Leblose Opfer von<br />

Gewaltverbrechen). Das letzte Mal als ich bei mir nach schaute, stand<br />

aber fest, dass ich noch Lebe, scherzte ich.<br />

Er bestätigte mir, dass er im direkten Auftrag des Landesführers handle<br />

und ihm auch persönlich rapportieren müsste. Also auf der Lohnliste<br />

von Hans-Adam, sagte ich. Ja, aber dies sollte kein Problem für mich<br />

372


sein, sagte er. Er würde auf keiner Seite stehen, sondern immer<br />

versuchen beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Ich fragte nach dem<br />

LLB-Fall und ob es stimmen würde, dass er von der Regierung für<br />

diesen Fall angeheuert wurde. Er bestätigte mir dies und verlangte von<br />

mir, dass ich meine Kenntnisse über diesen Fall für mich behalten<br />

müsste. Ich schaute mich um, mit einem Blick als hätte ich einen<br />

Kirchenchor hinter mir, dem ich alles gleich verpetzen würde und sagte<br />

ihm: Logisch, wem sollte ich auch etwas verraten.<br />

Dann schilderte er im Detail den LLB-Fall. Brand aktuell sei die<br />

Verhaftung von Lampert in der vergangenen Woche gewesen. Der<br />

Lampert wurde verhaftet? Wo wurde er verhaftet? In Liechtenstein, am<br />

8.5., sagte der Professor. Bei einer fingierten Geldübergabe nähe<br />

Triesenberg, ergänzte er. Er hätte 18 MIO. CHF verlangt. Wie viel?<br />

Achtzehn Millionen Schweizer Franken, wiederholte ich langsam die<br />

Worte vom Professor. Wow! Dieser Lampert muss Nerven haben, sagte<br />

ich. Gemütlich von zu Hause aus Forderungen stellen. Und welch<br />

schwachköpfigen Ansprüche. Der Professor versuchte mir mehr oder<br />

weniger überzeugend einzureden, dass ich denen in Vaduz helfen<br />

könnte, herauszufinden, was Lampert über die „schwierigen‚ Geschäfte<br />

der LLB, also die Leichen im Keller wisse und was er sonst geplant<br />

haben könnte. Ich könnte ja so denken wie Lampert.<br />

Vielen Dank für die dornigen Blumen, sagte ich. Wäre das nicht gerade<br />

seine Domäne, fragte ich den Professor. Im Prinzip schon, antwortete er.<br />

Aber man glaube, dass ich schneller als er auf die richtige Antwort der<br />

vielen Fragen an Lampert kommen würde.<br />

Ich bin nicht Lampert, stellte ich als erstes fest. Wenn dieser 18 MIO.<br />

CHF verlangt hat, dann ist er nicht nur ein Idiot sondern auch hoch<br />

kriminell. Der Professor sagte, dass Lampert sehr geschockt über die<br />

Verhaftung gewesen wäre, da ihm ein solches mögliches Ende in seiner<br />

Planung sichtbar nicht in den Sinn kam. Ja, sonst wäre er nicht in seinem<br />

Haus und im Ländle geblieben, sagte ich kopfnickend. Im Gefängnis<br />

würde Lampert wie ein wilder Stier wüten.<br />

Warum er den nicht mit ihm rede, fragte ich den Professor. Der Lampert<br />

wolle mit niemanden ausser Hans-Adam oder seinem Sohn reden,<br />

bekam ich als Antwort und ich dachte wie klein die Welt war: alle<br />

wollen nur mit dem blauen Blut reden. Ständig würde Lampert die<br />

Drohung aussprechen, dass er die Daten den ausländischen Behörden<br />

verraten würde. Hat er die Daten wirklich, fragte ich. Ja, man hätte ein<br />

373


vollständiges Set bei ihm zu Hause gefunden. Man wisse aber nicht ganz<br />

sicher ob dies all die Originalkopien wären, die er aus der LLB<br />

mitgenommen hatte. Und ob er andere Daten als diejenigen, die man<br />

gefunden hat, besitze. Man befürchtete bei der LLB und der Regierung,<br />

dass Lampert nur mit den Daten der deutschen Kunden gewedelt hatte,<br />

um seine Geldforderung erfüllt zu bekommen, er aber weiteres,<br />

brisanteres Material, vor allem Daten von grossen russischen Kunden<br />

mitgenommen hatte. Ich antwortete dem Professor, dass ich den<br />

Lampert zwar nicht kenne, ginge aber davon aus, dass er, wenn er nur<br />

halbwegs Grips hätte, eine Kopie ausserhalb einer Zugriffsmöglichkeit<br />

durch die Liechtensteiner versteckt halten würde.<br />

Ganz anders wäre es natürlich in meinem Fall, ich selber hatte ja<br />

Liechtenstein mit allen Daten verlassen, fügte ich sehr schnell an. Ich<br />

hoffte, dass der Professor meine Antwort nicht allzu sehr analysierte. Ich<br />

dachte nämlich dabei an meinen geheim gehaltenen Banksafe in der<br />

Schweiz. Nach meiner Meinung gefragt, sagte ich dem Professor, dass,<br />

wenn Lampert die Daten wie beschrieben habe, dann würde ich<br />

persönlich allen empfehlen, ihn mit Samthandschuhen anzufassen,<br />

solange man nicht sicher sein konnte, ob er weiteres Material hatte. Ich<br />

fragte nach, ob man denke, dass Lampert eine eigene<br />

Sicherheitsmassnahme geplant hätte. Falls es mit seinem Plan nicht<br />

klappt. Und was wäre mit eventuellen Komplizen? Nein, keines von<br />

beiden, sonst hätte man ihn sicher nicht ins Gefängnis geworfen, meinte<br />

der Professor.<br />

Nach wochenlanger Analyse der Situation kam man zum Schluss, dass<br />

Lampert alleine agiere. Es hätte lange Diskussionen gegeben, ob man ihn<br />

verhaften sollte. Ein Restrisiko würde immer da sein. Am Schluss musste<br />

man ihn verhaften. Er hätte einfach keine Einsicht gezeigt. Da hätte ich<br />

aber „Glück‚ gehabt, oder, fragte ich.<br />

Mein Fall liege ganz anders, erklärte der Professor. Hans-Adam würde<br />

meine Motive anerkennen. Er, der Professor, hätte auch in diesem Sinne<br />

auf Hans-Adam eingeredet. Wie bitte, fragte ich. Es wäre mir unbekannt,<br />

dass man auf Hans-Adam einreden könnte. Dieser sei doch massiv<br />

beratungsresistent. Nein, meinte er. Ich hätte zwar Hans-Adam schon in<br />

eine Ecke gedrängt wie noch keiner vor mir. Aber jede Wirkung hat ihre<br />

Ursache. Aha, sagte ich. Alles Klar. Oder nicht. Egal, sagte ich, wie geht<br />

es nun weiter?<br />

374


Der Professor bestätigte mir, dass Hans-Adam an einer Lösung meiner<br />

Anliegen arbeitete. Nach Prüfung der Sachlage würde man eine Anklage<br />

gegen Helmut Roegele & Co. befürworten und unterstützen. Aber alles<br />

müsse der Reihe nach erfolgen. Ich erinnerte ihn daran, dass es Fristen<br />

einzuhalten gäbe. Ich wüsste, dass ich mit meiner langen Abstinenz<br />

vielleicht die eine oder andere gesetzliche Frist verpasst hätte. Aber ich<br />

kenne die StPO und eine Wiederaufnahme einer Strafuntersuchung kann<br />

jederzeit erfolgen, solange die Verjährungsfrist, wie in meinem Fall<br />

(101er), nicht abgelaufen wäre.<br />

Der Professor konnte dazu nichts sagen. Und was wäre mit der Anzeige<br />

wegen der Daten, fragte ich. Diese würde zurückgezogen oder für<br />

nichtig erklärt, sollte ich nach Hause kommen und kein Kunde einen<br />

Schaden erlitten haben. Und die falsche Anzeige von Roegele gegen<br />

mich, fragte ich. Da weder Spanien noch der angebliche geschädigte<br />

Roegele einen Antrag auf Strafverfolgung an oder in Liechtenstein<br />

gestellt hatten, könnte Hans-Adam dieses Verfahren einstellen lassen,<br />

berichtete der Professor.<br />

Vielen Dank, sagte ich. Vielen Dank.<br />

Und was ist mit dem blockierten Geld in Österreich? Er habe vom<br />

Regierungschef Hasler gehört, dass die Justiz in Liechtenstein<br />

angewiesen würde, solange mit einem endgültigem Urteil zu warten, bis<br />

eine Kriminalgericht in der Sache Argentinien letztinstanzlich ein Urteil<br />

gefällt hätte.<br />

Ich bedankte mich tausendmal und konnte mein Glück nicht fassen.<br />

Zuerst dachte ich laut nach, ob der Professor mich anlügen würde. Oder<br />

ob er von Seiten der hohen Finanz-Herren bewusst angelogen wurde,<br />

um mich nach Hause zu bringen. Aber vorläufig glaubte ich ihm jedes<br />

Wort. Ich wollte es glauben. Er verstand meine Bedenken und konnte<br />

dazu nur sagen, dass ich an das Gute im Menschen glauben sollte, so wie<br />

die in Vaduz an mein Gutes glauben würden. Leuchtete mir ein. Wo sei<br />

der Haken an der ganzen Sache, fragte ich.<br />

Er zählte mir die Bedingungen von Hans-Adam auf. Ich spitze dafür<br />

meine Ohren. Hans-Adam wünschte: Die Vernichtung aller Daten. Die<br />

Abgabe einer diesbezüglichen Erklärung. Die Rückkehr nach<br />

Liechtenstein. Kein Kunde darf zu Schaden kommen. Volle Kooperation<br />

in Liechtenstein. Eine Denkschrift von mir, worin ich beschreiben soll,<br />

wie man in Zukunft bei der LGT Gruppe einen Datendiebstahl<br />

verhindern kann und, im Falle von notwendigen Verhandlungen (bei<br />

375


zukünftigen Datendiebstählen), Liechtenstein eine mögliche Katastrophe<br />

abwenden kann.<br />

Hans-Adam biete mir als Unterstützung für die kommenden Wochen<br />

und Monate folgendes an: Sichere Überfahrt von Holland nach<br />

Liechtenstein. Bestellung und Bezahlung eines Rechtsanwaltes.<br />

Anmietung und Bezahlung einer möblierten Unterkunft in Vaduz.<br />

Bestellung und Bezahlung eines Psychologen.<br />

Der Professor erwähnte extra, dass Hans-Adam ihm aufgetragen hatte,<br />

mir ausdrücklich zu sagen, dass er, Hans-Adam, meine Sicherheit und<br />

Unverletztheit garantieren würde. Niemand würde mir ein Haar<br />

krümmen. Vielen Dank. Ich würde Hans-Adam nicht enttäuschen. Der<br />

Bankdirektor war wieder zu uns gestossen und sagte zu mir: „Siehst Du,<br />

ich hatte Dich nicht angelogen.‚<br />

Ich bedankte mich bei ihm. Der Professor fragte, ob ich die restlichen<br />

Papierdokumente bringen könnte. Ich fragte nach der Zeit und sagte ja.<br />

In zweieinhalb Stunden sollte dies machbar sein. Sie dachten ja ich<br />

würde in Rotterdam leben. Wir verabredeten uns um 16 Uhr am Hotel.<br />

Ich lief in Richtung Kanal weg. Die Sachertorte in der Holzschachtel in<br />

den Händen. Da kam mir etwas in den Sinn. Ich drehte mich auf den<br />

Absätzen um und rannte zu den Beiden. Ich erkundigte mich, ob die<br />

Batterie des Peilsenders in der Sachertorte noch genug Saft hätte, um<br />

auch noch in Rotterdam Signale senden zu können. Oder müsste ich eine<br />

neue Batterie für euch kaufen? Wir alle lachten uns krumm.<br />

Ich nahm mir vom Hotel Marriott aus ein Taxi zum Hauptbahnhof von<br />

Amsterdam. Dann inspizierte ich die Sachertorte ganz genau. Nicht das<br />

da doch was mit "eingebacken" wurde. Als ich sicher war, dass mir<br />

keiner gefolgt war, schlich ich mit hinten aus dem Bahnhof wieder raus,<br />

rauf auf die Fähre und mit dem nächsten Linienbus in Richtung<br />

Monnikendam. Auf halber Strecke musste ich nur auf einen anderen Bus<br />

umsteigen. Zu Hause legte ich mich zuerst mal aufs Bett. Ich hatte ja<br />

genug Zeit.<br />

Wieder in Amsterdam angekommen hatte ich erstmal wieder grossen<br />

Hunger. Eine Kebab löste dieses Problem. Ich kam an einem Käseladen<br />

vorbei und kaufte den beiden spontan ein dickes Stück Edamer Käse für<br />

ihren Heimweg.<br />

Pünktlich um 16 Uhr stand ich wieder vor dem Marriott. Ich überreichte<br />

wie in einer Zeremonie dem Bankdirektor unter den wachsamen Augen<br />

des Professors die Dokumente. Beide fragten mich, wann ich den letzten<br />

376


Datenträger vernichten würde. Wenn ihr wollt, heute Nacht schon, war<br />

meine Antwort. Prima, sagte der Professor, dann könnte ich auch schon<br />

morgen eine neue, letzte diesbezügliche Erklärung für Hans-Adam<br />

unterschreiben. Dies News würde dem Landesführer sehr gefallen. Ich<br />

fragte den Professor, ob er in Anwesenheit des Bankdirektors nochmals<br />

die Punkte aufzählen würde. Was alles in Vaduz passiert wäre und<br />

passieren würde. Sowie was man von mir verlangte.<br />

Er hatte damit keine Probleme und erfüllte meinen Wunsch. Der<br />

Bankdirektor nickte nur ständig und meinte zum Schluss, dass wir alle<br />

froh sein können, dass es nicht wie beim Lampert geendet hätte. Ich<br />

wurde zu einem Nachtessen eingeladen und um 22 Uhr war Schluss mit<br />

den Aussprachen. Ich erreichte mein kleines Heim gegen Mitternacht.<br />

Fix und fertig warf ich mich ins Bett. In Gedanken ging ich den heutigen<br />

Tag durch und ich war seelenfroh, dass Hans-Adam diesen Professor<br />

ausgewählt hatte. Ich sinnierte lange wegen der Vernichtung der letzten<br />

externen Harddisk.<br />

Ich kam zum Schluss, dass ich ihnen leider etwas vormachen müsste.<br />

Nein, sie anzulügen behagte mir jetzt nicht. Ich würde ihnen sagen, dass<br />

ich diese Harddisk am Tage vor meiner Abreise zerstören würde und<br />

hoffte, dass sie dies verstehen können. In dieser Nacht konnte ich sehr<br />

tief schlafen.<br />

Dienstag, den 13.5.<br />

Schon vor 10 Uhr war ich wieder in der Nähe des Hotels. Als ich über<br />

die kleine Brücke schräg gegenüber vom Marriott lief, sah ich den<br />

Professor und den Bankdirektor gerade in den vorderen Eingang des<br />

Hotels gehen. Ich rief ihnen zu und winkte. Sie drehten sich um und der<br />

Professor winkte zurück. Ohne zu schauen rannte ich quer über die<br />

grosse Strassenkreuzung und fast hätte es mich erwischt. Ein kleiner<br />

Lieferwagen, der von links kam, musste wegen mir eine Vollbremsung<br />

einleiten und massiv nach rechts, in seinen Gegenverkehr steuern.<br />

Ich entschuldigte mich indem ich beide Handflächen in die Höhe hob.<br />

Auf der anderen Seite angelangt, scherzte der Bankdirektor, dass es jetzt<br />

schon OK wäre, wenn ich den Tod im Strassenverkehr finden würde. Ich<br />

hätte ja alle Datenträger vernichtet. Sicher, es würde in Liechtenstein ein<br />

paar Fragen aufwerfen, wenn Kieber ausgerechnet am dem ersten Tag<br />

nach Vernichtung aller Daten zu Tode gekommen wäre. Halt, Halt, nicht<br />

so voreilig. Ich hätte die letzte externe Harddisk noch nicht vernichtet,<br />

vernichten können, sagte ich.<br />

377


Oh, der Lieferwagen wäre also nicht unsere Lösung gewesen,<br />

kombinierte der Professor grinsend. Wir alle begaben uns in ein<br />

Hotelzimmer. Ich hatte den Eindruck, dass das Zimmer von keinem der<br />

beiden benutzte wurde. Vielleicht hatten sie sich nur ein Tageszimmer<br />

für unser Treffen heute gemietet. Ich erzählte ihnen von meinem Plan,<br />

den letzten Datenträger erst kurz vor der Abreise zu vernichten. Sie<br />

waren damit einverstanden. Sie sagten, dass sie meinen Worten<br />

glaubten. Der Professor fügte hinzu, dass es ihn aus psychologischer<br />

Sicht nicht verwundern würde, wenn ich als Garantie den letzten<br />

Datenträger nicht vernichten würde. Dies wäre eine Hypothese, die man<br />

erforschen könnte, erwiderte ich. Trotzdem wäre es von Vorteil, meinte<br />

der Bankdirektor, wenn ich noch einmal einige persönliche Zeilen an<br />

Hans-Adam richten würde. Was ich dann auch tat. Ich bedankte mich<br />

bei ihm für die Hilfe und versprach ihm, alle Bedingungen zu erfüllen.<br />

Ich drückte meine Hoffnung aus, dass ich mich bald dazu entschliessen<br />

könnte, nach Hause zu kommen und das mir bei Ankunft nichts<br />

passieren würde. Sobald ich diesen Brief fertig hatte, zauberte der<br />

Bankdirektor wieder eine Vollmacht hervor. Diese hatte einen Briefkopf<br />

einer Rechtsanwaltskanzlei. Man hätte einen sehr guten Rechtsanwalt,<br />

Dr. Wolfgang Müller von der Kanzlei Müller & Partner in Schaan/FL<br />

angeheuert. Diese Kanzlei hatte Internationale Verbindungen auch nach<br />

Spanien und Deutschland, dort wo ja einige der Täter aus Argentinien<br />

wohnen würden, wurde mir weiters erklärt.<br />

Den kenne ich, sagte ich. Der ist gut und vertritt ja prominent den<br />

Treuhänder Dr. Dr. Batliner im Prozess bei die Schadensersatzforderungen<br />

von Dr. Paul Schockemöhle aus Deutschland. Ohne mich<br />

zu fragen, ob ich mit diesem RA einverstanden wäre, sagte der<br />

Bankdirektor, dass dies nun mein RA wäre. Sie bezahlen ja die<br />

Rechnung. Mir war dieses Angebot etwas schwammig. Nicht, dass ich<br />

die Kanzlei Müller für nicht gut genug gehalten hätte. Lieber hätte ich<br />

die Rechnung selber bezahlt, auch wenn mir das Geld dafür sicher schon<br />

sehr schnell ausgegangen wäre. Aber ich hätte mich sicher auf einen<br />

Abzahlungsplan mit einem RA geeinigt. Wenn ich selber bezahlen<br />

könnte, dann hätte ich den optimalen Einfluss auf einen RA. Dieser<br />

Punkt war besonderes wichtig, da ich dann zumindest eine stärkere<br />

Mitsprache im Argentinien-Fall haben würde. Schlussendlich<br />

unterschrieb ich trotzdem die Vollmacht und fragte nach der anderen,<br />

378


die ich früher unterschrieben hatte. Die wolle man für später<br />

aufbewahren, doppelt hält besser, war die Antwort vom Bankdirektor.<br />

Ich fragte, wer alles wüsste, dass ich in Holland sei und wer in<br />

Liechtenstein auch von meiner baldigen Heimreise Kenntnis hatte. Nur<br />

ganze fünf Personen, sagte der Bankdirektor. Zwei davon wären jetzt im<br />

Raum. Die anderen wären Hans-Adam und Alois, Regierungschef<br />

Hasler und Justizministerin Rita Kieber-Beck. Man hätte dies so<br />

vereinbart, um eine mögliche Sabotage der Operation „Rückführung von<br />

Kieber‚ zu verhindern. Sabotage? Wer würde eine Sabotage wollen,<br />

fragte ich. Er gäbe Leute in Vaduz, die es lieber hätten, wenn ich in<br />

Spanien anstatt in Liechtenstein landen würde. Ich schluckte leer und<br />

blieb still sitzen. Die Anzahl derer hätte sich aber in der letzten Woche<br />

verkleinert, angesichts was Lampert gemacht hätte. Dies bedeutet, dass<br />

es Personen aus dem kleinen Kreis derjenigen sein mussten, die von dem<br />

LGT- und dem LLB-Fall wussten. Genau, sagten beide. Sobald fest stehen<br />

würde, wann ich konkret heimreisen wollte, würden Hans-Adam oder<br />

Alois schon sicherstellen, dass niemand auf die Idee kommen würde,<br />

effektiv dazwischenzufunken. Dann bin ich aber beruhigt, sagte ich.<br />

Um auf Lampert zurückzukommen fragte ich ob der Professor denn<br />

denke, dass man mich in Vaduz überhaupt zum Lampert ins Gefängnis<br />

gehen lasse. Wenn er es empfehle und Hans-Adam es anordne, dann<br />

würde dem nichts im Wege stehen. Einen Versuch würde er auf jeden<br />

Fall befürworten und anregen, sagte er.<br />

Ich wollte auch wissen, wie die sich eine Reise von Holland nach Vaduz<br />

vorstellen würden. Der Professor wollte sich, ich weiss nicht warum, aus<br />

dieser Diskussion heraushalten und verliess den Raum. Er sagte, dass er<br />

Sandwich für uns kaufen ginge. Dies sei eine heikle Sache, erwiderte der<br />

Bankdirektor. Natürlich hätte man verschiedene Optionen geprüft. Eine<br />

von Hans-Adam favorisierte Lösung wäre ein Flug von einem kleinen<br />

Flughafen in Holland nach Zürich oder Altenrhein (auch in der<br />

Schweiz). Man könnte dafür eine im EU-Raum registrierte Maschine<br />

buchen.<br />

Ich weiss nicht, sagte ich. Eine andere Variante wäre mit einem<br />

Privatauto in die Nähe der französisch-schweizerischen Grenze zu<br />

fahren, dort den Wagen zu wechseln und bei einem der unbemannten<br />

Grenzübergänge mit einem Fahrzeug mit Schweizer Nummernschild in<br />

379


die Schweiz zu fahren. Gefällt mir nicht, lehnte ich ab. Ich würde es<br />

Hans-Adam und der Liechtensteiner Regierung aber auch nicht leicht<br />

machen, beklagte sich der Bankdirektor. Sorry, sagte ich, mir wäre es<br />

auch lieber, wenn es keine Probleme für alle geben würde.<br />

Am kommenden Freitag würde er sich mit dem Hans-Adam treffen. Wir<br />

hätten ja noch Zeit, um eine definitive Lösung zu erarbeiten. Zudem<br />

würde ich nicht als „H.K.‚ reisen, sagte er. Das wäre ja klar, beruhigte<br />

mich der Bankdirektor. Der Professor kam zurück. Sie müssten bald zum<br />

Flughafen aufbrechen und wir vereinbarten die weiteren Termine. Ich<br />

begann, mich mit dem Gedanken anzufreunden, bald wieder in Vaduz<br />

zu sein.<br />

Sie verabschiedeten sich und ich wünschte ihnen eine gute Heimreise.<br />

"Halt die Ohren steif, achte auf Lieferwagen und Tschau Herr Kieber".<br />

Auf baldiges Wiedersehen, Herr Professor und Herr Bankdirektor.<br />

In den kommenden Tagen hatte ich 3 Anrufe vom Bankdirektor und 2 x<br />

war der Professor mit an der Strippe. Die Telefonate fanden am 15. um<br />

13:30, am 21. um 13:05 und 17:30 und am 26. um 13 Uhr statt.<br />

Ich wurde darüber informiert, dass es am 16.5. ein längeres Treffen mit<br />

Hans-Adam gegeben hatte und eine Arbeitssitzung zwischen dem<br />

Bankdirektor und dem Professor am 20.5. In der Folge wurde der<br />

Regierungschef Hasler in der 3. und 4. Maiwoche persönlich konsultiert<br />

und unterrichtet.<br />

VADUZ Mai 2003<br />

Alle Beteiligten bewerteten des Professors Reise als Erfolg. Der Professor<br />

konnte nicht definitive sagen, wann Kieber zurück nach Vaduz kommen<br />

würde. Aber er versicherte Hans-Adam, dass Kieber kommen würde.<br />

Die restlichen ca. rund 1000 Originaldokumente wurden dem Chef der<br />

Treuhand, Feuerstein übergeben. Dieser bat zwei eingeweihte Mitglieder<br />

aus dem Verwaltungsrat der Treuhand ihm behilflich zu sein, sie in die<br />

jeweiligen Akten im begehbaren Tresor im dritten Stock einzuordnen.<br />

Man konnte keinen Kundenberater oder gar eine Sachbearbeiterin damit<br />

beauftragen, da sonst in der Belegschaft bekannt geworden wäre, dass<br />

380


irgendetwas faul war oder dass Daten entwendet worden waren. Bis<br />

anhin wusste niemand von der Belegschaft darüber.<br />

Lampert bekam einen Anfall im Untersuchungsgefängnis in Vaduz und<br />

musste ärztlich betreut werden. Er hatte nicht aufgehört zu toben und zu<br />

schreien. Die LLB und die Regierung waren beruhigt, weil nach der<br />

Verhaftung von Lampert am 8. Mai keine Zeichen von irgendwelchen<br />

Katastrophen in Deutschland erkennbar waren. Weder riefen Kunden<br />

aus Russland noch Kunden aus Deutschland an. Auch meldete sich<br />

niemand sonst bei der LLB direkt. Also keine Komplizen, schlussfolgerte<br />

man. Der kleine Kreis, der sich mit der Planung der Rückkehr von<br />

Kieber befasste, steckte in einer Sackgasse. Am 16.5. trafen sich der<br />

Bankdirektor und Hans-Adam zu einer Krisensitzung. Der Gesandte<br />

berichtete, dass Kieber nicht einfach einzuschätzen wäre. Kieber hätte<br />

ständige Wechselbäder in Bezug auf was er denen in Vaduz glauben soll<br />

oder nicht. Hans-Adam ordnete an, dass verstärkt auf Kieber einzureden<br />

wäre, aber ohne ihm zu drohen, da sonst er wieder in ein<br />

psychologisches Loch fallen würde und die in Vaduz noch an<br />

Weihnachten ins ferne Holland reisen müssten.<br />

Hans-Adam wollte wissen, ob Kieber etwas von grobschlächtigen<br />

Taktiken, die man am Anfang des Dramas angewendet hatte, wüsste.<br />

Der Bankdirektor war sich sicher, dass Kieber nur limitiert über die<br />

geplanten, teilweise ausgeführten, mehrheitlich abgeblasenen<br />

Handlungen und Hintergründe, wie z.B. über die Schnüffler in Berlin,<br />

Bescheid wüsste. Am 20.5. kamen der Professor und der Bankdirektor zu<br />

einem Brainstorming zusammen.<br />

Amsterdam Juni 2003<br />

Während einer Velotour machte ich mir Gedanken über die Zukunft.<br />

Wie würde wohl mein Leben nach einer Rückkehr nach Liechtenstein<br />

sein? Da der Gerichtsprozess gegen Roegele & Co. sicherlich lange<br />

dauern würde, würde ich mich auf Jahre hinaus in Liechtenstein<br />

einrichten, hoffentlich einen guten Job finden, und – wer weiss –<br />

vielleicht auch bald eine eigene Familie haben. Da ich äusserst<br />

anpassungsfähig bin, hätte ich keine Mühe damit, nach der Rückkehr<br />

erstmal klein anzufangen. Eines stand aber schon jetzt für mich fest.<br />

Sollte ich das greifbare Glück haben und alles ohne „Blutvergiessen‚<br />

381


und ohne die Rache von Hans-Adam oder der hohen Finanz-Herren<br />

überstehen, dann müsste ich für alle in Stein meisseln:<br />

„Wirklich Schwein gehabt.‚<br />

Ich wüsste nicht, wieso es nicht so kommen sollte. Wenn ich nach Hause<br />

komme, dann würde dies bedeuten, dass niemand zu Schaden<br />

gekommen war. Das heisst, nach Liechtensteiner Redensart: Kein Kunde<br />

ist belästigt worden, keine Kundengelder sind verloren gegangen,<br />

keinen Einnahmeverlust für Hans-Adam.<br />

Was übrig bleiben würde, wäre eine Geschichte einer Beinahe-<br />

Katastrophe, mit einem beleidigtem, aber verzeihendem Landesführer,<br />

ein paar gekränkten Staatsanwälten, einem verstummten Treuhandchef,<br />

einem beruhigten Bankdirektor, einem wieder heiteren Regierungschef,<br />

einem erfolgreichen Professor, meine Folterer für Jahre hinter Gittern<br />

und zu guter Letzt, ein wieder lebensfroher Kieber.<br />

Na, dann wollen wir mal sehen.<br />

Ich hielt mich fit indem ich fast jeden Tag ins Freibad, dass auf der<br />

Velostrecke nach Amsterdam war, schwimmen ging. Ab und zu setzte<br />

ich mich in eines der Hotels der Stadt und beobachtete Tee schlürfend<br />

was sich vor mir abspielte. Selber schuld, als mir Mitte Juni ein Stück<br />

Kuchen fast im Hals stecken blieb. Ich sass im La Terrasse des Hotels De<br />

L’Europe beim Muntplein und las eine ältere Ausgabe des<br />

Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL. Auf einmal wanderte meine<br />

Konzentration, vorab unbewusst zu einer Konversation zwischen zwei<br />

Herren, die ein paar Meter weg von mir sassen und mit tiefer Stimme<br />

aufeinander einredeten. Aha, Schweizer dachte ich zuerst. Oho,<br />

Rheintaler Dialekt stellte ich dann fest. Mist, Liechtensteiner Mundart,<br />

fluchte ich leise. Ich spitzte meine Ohren, einer der Zwei war definitiv<br />

aus Liechtenstein. Ich drehte mich um und schaute nach ihnen.<br />

Himmel Donnerwetter noch mal, das sass ein Treuhänder von der LLB<br />

eigenen Treuhandbude. Ich erkannte ihn. Ich hatte ihn schon mehrmals<br />

in Vaduz gesehen und mit ihm übers Geschäft im Allgemeinen<br />

geplaudert. Vermutlich war der Andere ein Kunde. Oft wurden solche<br />

Treffen im Ausland abgehalten, wenn der Kunde sich scheute nach<br />

Liechtenstein zu kommen. Wie hiess er noch mal, strengte ich mein Hirn<br />

an. Egal wie er heisst, dachte ich mir, gefährlicher ist, dass er wissen<br />

könnte, wer ich bin. Langsam packte ich den Spiegel in meine Tasche<br />

und entfernte mich wie ein geschlagener Hund in Richtung Concierge,<br />

wo ich darauf bestehen musste, dass ich dort meine Konsumation<br />

382


ezahlen konnte. Noch mal gut gegangen. Ich war mir zwar sicher, dass<br />

er nichts von meinem Drama wusste, aber besser war es auf jeden Fall,<br />

wenn er mich nicht sehen würde.<br />

Das letzte Telefongespräch am 26. Mai brachte den erhofften<br />

Durchbruch leider noch nicht. Jedes Mal wenn sie wieder weg waren,<br />

der Professor und der Bankdirektor, bekam ich wieder Zweifel, ob alles<br />

so geschehen würde, wie man mir es gesagt hätte. Über den Monat Juni<br />

verteilt hatte ich mehrmaligen telefonischen Kontakt mit dem<br />

Bankdirektor, dem Professor oder beiden zusammen. So 25’(Minuten)<br />

am 2. Juni um 13:30, 4’ am 4. um 12:30, 13’ am 10. um 12:20, 10’ am 18.<br />

um 13:38 und die letzten 22’ am 26. um 13:30.<br />

Es gab immer noch einige Meinungsverschiedenheiten, aber im Grossen<br />

und Ganzen wurde man sich einig, dass ich am 01. Juli 2003 die<br />

Heimreise unter Begleitung antreten würde. Genau 175 Tage nachdem<br />

ich Liechtenstein verlassen hatte. Fast ein halbes Jahr lang war ich im<br />

Ausland. Wer hätte das gedacht.<br />

Da nun feststand, dass ich wieder nach Hause reisen würde, entschloss<br />

ich mich auch die in meinen eigenen Laptop eingebaute Harddisk und<br />

den Arbeitsspeicher (RAM) ganz zu entfernen und endgültig zu<br />

zerstören. Ich hatte zwar nie Daten von der LGT in meinem Laptop<br />

direkt gespeichert gehabt. Vor der Entnahme kopierte ich ein paar<br />

persönlich Dateien auf eine CD-ROM und zerstörte die ausgebauten<br />

Teile. In einem Computerladen kaufte ich eine neue Harddisk plus RAM<br />

und ein Fachmann baute sie ein.<br />

Anm.: Hier endet die im Kapitel 8 angefangene Aufteilung in der Erzählung<br />

zwischen mir im Ausland und den Anderen in Liechtenstein, sowie der Ersten<br />

& Dritten Person. In den folgenden Kapiteln, nicht weniger spannend, schreibe<br />

ich wieder im alten Stil.<br />

383


KAPITEL 17 Explosives Gutachten und Freies Geleit<br />

Die in Vaduz Eingeweihten brüteten lange über einer Lösung nach, wie<br />

man mich sicher nach Liechtenstein zurückbringen könnte.<br />

Dabei ging es überhaupt nicht um die Frage, ob ich den Zusicherungen<br />

von Seiten Liechtenstein glauben würde. Alle, der Professor, der<br />

Bankdirektor und Hans-Adam, hatten mir ja mehrmals zugesichert, dass<br />

ich nicht im Kerker verschwinden würde, sobald ich heimischen Boden<br />

betreten würde. Ich glaubte ihnen zu 75 Prozent. Da ich die Reise mit<br />

dem Flugzeug kategorisch ausgeschlossen hatte – wer weiss, vielleicht<br />

wäre der Pilot auch in Barcelona gelandet - blieb nur der Weg über Land.<br />

Wobei ich auf die schnellste und kürzeste Strecke pochte ohne Begleitung<br />

einer offiziellen Liechtensteiner Aufsicht. Auf keinen Fall wollte ich die<br />

Reise mit einer unbekannten Person durchführen. Tief in mir war immer<br />

die Angst da, dass es eine Falle sein könnte. Man darf in dieser ganzen<br />

Geschichte nie vergessen, dass es hier um ein Milliardengeschäft geht. Es<br />

waren gewaltige Interessen damit verbunden. Menschen sind schon<br />

wegen viel „weniger‚ spurlos verschwunden. Da ich mich aber<br />

freiwillige zur Rückkehr entschlossen hatte, musste ich diese Ängste<br />

irgendwie unterdrücken.<br />

Jetzt ging es um Juristische und Rechtsstaatliche Fragen!<br />

Das Problem für Liechtenstein war, wie dies alles geschehen sollte, ohne<br />

dass es politische oder juristische Komplikationen mit Deutschland (und<br />

im gerigeren Masse mit Holland) geben würde, wenn das offizielle<br />

Liechtenstein mich von Amsterdam aus quer durch Deutschland zum<br />

Bodensee nach Österreich transportieren würde. Würden wir in eine<br />

(mobile) Zoll- oder Strassenkontrolle kommen, und ich mich als „H.K.‚<br />

ausweisen, würde Deutschland aufgrund des Eintrags im<br />

Schengencomputersystem den spanischen Haftbefehl entdecken und<br />

eine Weiterreise fuer mich unmöglich machen.<br />

Die grösste Sorge für Hans-Adam, die Regierung und die LGT war<br />

natürlich die Gefahr, dass ich mich dann den Deutschen „datenmässig<br />

offenbaren‚ würde. Da sind darauf hoffen konnten, dass ich alle Daten<br />

und Kopien vor einer Abreise vernichten wuerde, war ihnen bewusst,<br />

dass es einen endgültigen Beweis dafür nie geben würde und zudem<br />

meine insider Geschäftskenntnisse auch ohne das Datenmaterial<br />

gefährlich werden könnten.<br />

384


Regierungschef Hasler und Hans-Adam wollten von diskreten Experten<br />

in einer Art Gutachten mehr zum Problem „Transport H.K. von Holland<br />

nach Liechtenstein via Deutschland und Österreich‚ erfahren. Anfang<br />

Juni 2003 wurde es in Auftrag gegeben. In einer Sitzung vom 10.6.03<br />

wurde die Expertenmeinung behandelt. Aufgrund der Brisanz der<br />

Schlussfolgerungen wurde es sofort als Geheimsache abgestempelt und<br />

unter Verschluss gehalten.<br />

Darin wurde zuerst daran erinnert, dass sollte ich nicht nach Hause<br />

kommen, dann würde schlussendlich Deutschland bestimmt die Daten<br />

von mir erhalten und dies wäre ein Desaster für Liechtenstein, Hans-<br />

Adam und die LGT.<br />

Anm.: Zum Zeitpunkt des Gutachtens hatte Vaduz ja noch nicht von mir<br />

"mitgeteilt bekommen", dass ich alle Datenträger "vernichtet" haette.<br />

Weiters wurde festgehalten, dass ohne die Verletzung von national und<br />

internationalen Vereinbarungen und Bestimmungen es unmöglich sein<br />

würde, mich von Holland via Deutschland und Österreich nach<br />

Liechtenstein zu bringen, ohne das Land Liechtenstein in Gefahr zu<br />

bringen und mich als Person samt meinem spezifischem Fachwissen zu<br />

exponieren. Liechtenstein könne ja Deutschland nicht um Hilfe für den<br />

Transport bitten. Das offizielle Deutschland (sowie Österreich &<br />

Holland) müsse um jeden Preis raus gehalten werden. Es wurde der<br />

Regierung empfohlen, nur nach Lösungen zu suchen, die eine 100 %<br />

Gefahrlosigkeit fuer Hans-Adam, Liechtenstein und dessen Regierung<br />

gewährleisten würden. Wie immer wussten sich Hans-Adam und die<br />

Hohen Finanzherren aus Liechtenstein zu helfen.<br />

Anm.: Das ich über die Existenz dieses Gutachten weiss liegt wie folgt:<br />

Einige Wochen nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein im Juli 2003, war mir<br />

beim Aktenstudium ein kleiner schriftlicher Aktenvermerk aufgefallen: eine<br />

kleine Randnotiz über das oben erwähnten Gutachten. Am 13.08.03 bat ich bei<br />

Landgericht schriftlich um eine Kopie dieses Gutachtens. Nichts regte sich.<br />

Sechs Wochen später, am 23.09. 03 schrieb ich nochmals an das Gericht.<br />

Erstaunlicherweise erhielt ich nicht vom Gericht eine Reaktion. Eine Dame aus<br />

der Regierungskanzlei rief mich an und teilte mir mit, dass es leider keine Kopie<br />

für mich gäbe. Ich erwiderte, dass ich aber gerne eine hätte. Eine Woche später<br />

kam wieder ein Anruf und es wurde behauptet, dass das Gutachten aus dem<br />

Archiv verschwunden sei. Es müsse doch eine Kopie davon irgendwo an einer<br />

385


anderen Stelle geben, sagte ich. Elf Tage später wurde mir dann ausgerichtet,<br />

dass es nie ein Gutachten gegeben hätte.<br />

Damit sei das Thema beendet, wurde mir erklärt. Ich wollte nicht locker lassen<br />

und schrieb am 13.10.03 abermals ans Gericht mit der Bitte, mir eine Kopie des<br />

Gutachtens zuzusenden. Es kam nie eine Antwort. Ich hatte aber Glück.<br />

Einen knappen Monat später, im November '03 erhielt ich dank eines<br />

Bekannten aus dem Staatsapparat die Möglichkeit eine Originalkopie des<br />

Gutachtens zu lesen. Der Name des Verfassers war dunkelblau übermalt<br />

worden. Jetzt begriff ich, warum ich keine Kopie des Gutachtens erhalten hatte.<br />

Zurück zum Juni 2003<br />

In der Zwischenzeit hatte sich „mein‚ neuer Rechtsanwalt, Dr. Wolfgang<br />

Müller, gemäss Auskunft vom Bankdirektor, in die Materie eingelesen.<br />

Mit der Vollmacht von mir hatte er zumindest alle Gerichtsakten<br />

einsehen können. Er konnte nicht mit mir kommunizieren, denn er<br />

wusste nicht wo ich war. Ihm wurde gesagt, dass ich bald nach Hause<br />

kommen würde. Wann und wie, darüber durfte er keine Fragen stellen.<br />

Auch sonst wurde er vorläufig eher im Dunkeln darüber gelassen, was<br />

man mit mir vorhatte. Obwohl er von meinen, sozusagen nun alten (wie<br />

ich dachte) Gegnern bezahlt wurde. Man würde ihn nach meiner<br />

Ankunft kontaktieren und "aufklären".<br />

Als schlauer Rechtsanwalt bemerkte er rasch, dass hier ein Problem für<br />

seinen Mandanten entstehen könnte. Da mein Einspruch gegen die<br />

Anklage im 140er am 10.3.03 vom Gericht abgewiesen wurde (was mir<br />

niemand im Ausland sagte) und da eine mögliche Anklage wegen des<br />

Datendiebstahls drohte (was mir auch niemand im Ausland sagte!),<br />

befürchtete er, dass ich nach meiner Ankunft eventuell in U-Haft<br />

genommen werden könnte. Dies war umso wahrscheinlicher, da ich ja<br />

seit bald einem halben Jahr unterwegs im Ausland war.<br />

Er wusste nichts von den Zusicherungen seitens Hans-Adams. Als Profi<br />

stellte er in meinem Namen einen Antrag auf freies Geleit. Freies Geleit<br />

ist ein Instrument der Strafprozessordung, das Beschuldigten von Seiten<br />

der Justiz bestätigt, dass diese nicht verhaftet werden, sondern bis zum<br />

Ende eines allfälligen Prozesses auf freiem Fuss bleiben können.<br />

386


Der Antrag wurde am 04.06.03 gestellt und vom Obergericht in Vaduz<br />

formell in einer nicht-öffentlichen Sitzung am 16.06.03 genehmigt. Gültig<br />

nur in Liechtenstein. Das Gericht kam zum Schluss, dass ich sicher nicht<br />

nach Hause kommen würde, wenn kein freies Geleit gewährt würde.<br />

Eine brillante Schlussfolgerung! Eine Aufhebung des Liechtensteiner<br />

Haftbefehls alleine genüge gewiss nicht, wurde bei Gericht erkannt.<br />

Die am Entscheid beteiligen Behörden wussten aber nicht, dass ich in<br />

Holland war. Sie mussten es nicht wissen. Sie wussten nur, dass ich<br />

irgendwo im Ausland war. Die STA, die wie immer auch ihren Senf<br />

dazu sagen konnte, hatte (wen wundert’s) keine Einwände gegen ein<br />

freies Geleit. Obwohl die STA es lieber gesehen hätte, wenn ich in<br />

Spanien gelandet wäre.<br />

Ich erfuhr vom Freien Geleit erst nach meiner Rückkehr nach<br />

Liechtenstein. Wobei mir der Sinn und Zweck dieser Übung (Freies<br />

Geleit) nie ganz durchsichtig erschien.<br />

Notabene war im Obergerichtsentscheid zum Freien Geleit protokolliert,<br />

dass es eine verbindliche Zusage der LGT gebe, dass sie auf eine<br />

Bestrafung von mir verzichten würden, wenn ich nach Hause kommen<br />

sollte.<br />

387


KAPITEL 18 Ach wie gut, dass niemand weiss...<br />

...dass ich Kieber Heinrich heiss.<br />

In den sieben Telefonaten im Monat Juni zwischen mir und dem<br />

Bankdirektor und/oder dem Professor wurde mir erklärt, dass man in<br />

Vaduz eine Lösung für eine reibungslose Reise zurück nach<br />

Liechtenstein gefunden hätte. Ich bestand auf eine schriftliche Garantie<br />

von Hans-Adam, bei Ankunft nicht doch noch ins Gefängnis geworfen<br />

zu werden.<br />

Auch dafür hätte man gesorgt. Ich würde vor Abreise eine<br />

handschriftliche Note von Hans-Adam erhalten, auf seinem Briefpapier<br />

mit Stempel und so. Darin würde er mir als Staatsoberhaupt garantieren,<br />

dass ich weder Haft noch sonstige psychische oder physische Nachteile<br />

zu erleiden hätte. Ich war mit dem Text zufrieden, wies aber darauf hin,<br />

dass ich die Unterschrift von Hans-Adam kennen würde und daher man<br />

nicht versuchen sollte, mir eine Fälschung unter die Nase zu reiben.<br />

Nach einigen Feinabstimmungen wurde mir vom Bankdirektor die<br />

gefundene Transportlösung mitgeteilt.<br />

Ich solle meine sieben Sachen packen und am 30. Juni, spätestens um 18<br />

Uhr zum Hotel Marriott, genauer in das Terrace Café kommen. Der<br />

Professor würde dort auf mich warten. Er würde im Hotel zwei Zimmer<br />

mieten. Eines für ihn und eines für mich. Am nächsten Tag, dem 01. Juli<br />

2003 würden er und ich zusammen in einem Mietwagen mit<br />

holländischem Kennzeichen frühmorgens Amsterdam verlassen und auf<br />

direktem Weg die ca. 880 Kilometer bis zur Grenze Österreich-<br />

Liechtenstein fahren.<br />

Auf meine Frage hin, was ist, wenn wir irgendwo kontrolliert werden,<br />

sagte er mir, dass ich mir keine Sorgen darum machen sollte. Ich<br />

protestierte und sagte, wenn ich nicht genau wüsste, wie alles abläuft,<br />

steige ich in keinen Wagen ein. Er begriff, dass ich unter keinen<br />

Umständen mich auf ein vernebeltes Abenteuer in Sachen Heimreise<br />

einlassen werde. Mit dem Hinweis, dass Hans-Adam ihm eigentlich<br />

strengstens aufgetragen hatte, mir nicht allzu viele Details der Lösung zu<br />

verraten, lies ich mich beruhigen, als er mir den Plan erklärte.<br />

Ich müsste alle meine Ausweise (Pass, ID-Karte, Führerschein), einfach<br />

alles, wo Heinrich Kieber drauf steht, vor der Abreise in ein weisses<br />

Kuvert einpacken, zukleben und ihnen vor der Abfahrt aushändigen.<br />

388


Sollten der Professor und ich in eine Kontrolle in Holland, Deutschland<br />

oder Österreich geraten, dann würde man „H.K.‚ nicht entdecken.<br />

Bevor er den logischen zweiten Teil des Plans weiter erklären konnte,<br />

konterte ich schon der Frage, als wer ich mich denn bei einer möglichen<br />

Kontrolle ausgeben sollte. Und was würde mit meinen Papieren<br />

geschehen, wenn diese zwar nicht bei mir aber mit uns im Mietwagen<br />

gefunden wurden? Ihr würdet nicht alleine sein, sagte der Bankdirektor.<br />

Ein Zweitwagen mit zwei Passagieren würde unserem Auto ab dem<br />

Hotel in Amsterdam folgen. Meine Papiere würden versiegelt und sicher<br />

in einem Diplomatenkoffer verstaut transportiert. Eine eventuelle<br />

Polizei- oder Zollkontrolle des Koffers sei nicht möglich. Er könne mir<br />

aber nicht sagen, wer die Personen im anderen Wagen seien. Klar sei<br />

aber, dass es (diplomatisch) befugte Personen seien.<br />

Ich fragte, ob es Diplomaten aus dem Liechtensteiner Corps seinen. Er<br />

sagte, er glaube dies nicht. So wie er es mitbekommen habe, seien es<br />

Personen aus jenem Kreis, die seit Jahren von Hans-Adam mit<br />

Liechtensteiner Diplomaten-Pässen ausgestattet werden. Geplant sei,<br />

dass der Professor die Anderen einmal kurz vorher in Zürich oder<br />

Vaduz treffen würde, damit er sie dann in Amsterdam wieder erkennen<br />

könnte. Nun gut, soweit schien mir die Lösung als OK.<br />

Der Bankdirektor wusste schon, was jetzt meine nächste Frage sein<br />

würde und sagte, dass ich mir keine Sorgen um meine "Identität‚<br />

während der Transitfahrt machen müsste. Der Liechtensteiner Pass, den<br />

der Fahrer von Hans-Adam mir am 14.01.03 in Berlin vor der LGT<br />

Niederlassung durch das Wagenfenster gezeigt hatte, sei der geniale<br />

Schlüssel. Hans-Adam und die Regierung in Vaduz haben aber darauf<br />

bestanden, dass mir der Pass mit Namen „Ulrich Meier‚ nicht persönlich<br />

für die Rückreise ausgehändigt werden dürfe. Um mich zu beruhigen,<br />

soll mir der Pass aber vor Abfahrt gezeigt werden. Sonst würde ich es<br />

wieder nicht glauben. Der Pass soll jedoch in den Händen der Insassen<br />

des Zweitwagens, der uns immer mit Abstand und in Sichtweite<br />

nachfahren würde, bleiben. Sollten der Professor und ich durch<br />

ausländische Beamte aufgehalten werden, dann würde unsere Schatten<br />

dies sofort mitbekommen und hinter uns aufschliessen. Ich solle dann<br />

sagen, dass ich meinen Pass im anderen Wagen hinter uns eingepackt<br />

hätte. Dann könnte ich ihn holen und zeigen. Eine clevere Lösung, sagte<br />

ich. Und wir beide erkannten, wie schon oft in den letzten Wochen, wie<br />

viel Wahrheit im Spruch „Geld regiert die Welt‚ liegt.<br />

389


Wenn es um die heiligste Kuh aller Kühe in Liechtenstein geht, dann<br />

sind Hans-Adam und seine Regierung sofort bereit, ihre eigene sowie<br />

internationale Gesetzte zu brechen. Was nicht verwunderlich ist, wenn<br />

man sich jetzt - im Rückblick - die gefundene Lösung für den LLB-Fall<br />

anschaut. Dort hat die LLB über Jahre hinweg Erpressern ca. 9 Mio. Euro<br />

ausbezahlt, Mittels- und Strohmänner angeheuert, Spitzel auf die<br />

Erpresser angesetzt und so weiter. Da die Mehrheitsaktionärin der LLB<br />

das Land Liechtenstein ist und diese Beteiligung durch die Regierung (!)<br />

kontrolliert wird, konnte dies alles NICHT ohne die Zustimmung von<br />

Hasler und Hans-Adam geschehen. Selbstverständlich kam mir die von<br />

Liechtenstein orchestrierte Lösung für meinen sicheren Transport von<br />

Holland via Deutschland nach Hause auch ganz gelegen. Wobei ich<br />

nochmals betonen möchte, dass ich freiwillig nach Hause zurückkehren<br />

wollte. Nach monatelangen Diskussionen mit den Gesandten von Hans-<br />

Adam war es allen Beteiligten klar, dass ich unter Zwang niemals<br />

heimkehren würde.<br />

Trotz aller Ehrenworte seitens des Professors und des Bankdirektors war<br />

ich mir nicht ganz sicher, ob es nicht dennoch eine Kurzschlusshandlung<br />

auf deren Seite geben würde. Ich machte mir eine Liste der Pro und<br />

Contra. Ich hatte dem Duo Professor und Bankdirektor versprechen<br />

müssen, dass ich die letzte externe Harddisk mit den Daten vor der<br />

Abreise vernichten würde. Nach reiflicher Überlegungen kam ich zum<br />

Schluss, dass es Liechtenstein nicht riskieren würde, mich auf dem<br />

Heimweg in Deutschland zu „verkaufen‚. Ich wusste zu viel und das<br />

war meine Versicherung. Zudem waren fast sechs Monate vergangen,<br />

seit ich Liechtenstein verlassen hatte. Lange Monate in denen alle Seiten<br />

sich beruhigen konnten und die Sache mit der nötigen Distanz<br />

betrachten konnten. Ich vernichtete den letzten Datenspeicher im Juni<br />

auf dieselbe Art wie sein Zwillingsbruder. Hart hämmernd, aber<br />

schmerzlos.<br />

Die Idee, die Nacht zum 1.7. im selben Hotel wie der Professor zu<br />

verbringen, gefiel mir nicht so gut. Es wäre das erste Mal, dass sie<br />

wissen würden, wo ich übernachtete. Ich wollte aber den steigenden<br />

Enthusiasmus vom Professor nicht unnötig eindämmen und sagte dem<br />

Treffen im Terrace Café zu. Meine gepackten sieben Sachen liess ich aber<br />

bei Jane in ihrem B&B in Monnikendam. Ich hatte ja bis Ende Juni 2003<br />

das Zimmer dort bezahlt und konnte ohne weiteres eine extra Nacht<br />

bleiben.<br />

390


Am 30.06. fuhr ich frühmorgens mit dem Linienbus Richtung<br />

Amsterdam City und war schon um 09.30 Uhr beim Marriott. Ich war<br />

den ganzen Tag sehr nervös und bereute es, schon so früh in der City zu<br />

sein. Ich verliess das Hotel wieder und schlenderte das letzte Mal in der<br />

schönen Stadt herum. Plötzlich stand ich vor einem alten Barbiershop.<br />

Ich ging hinein und liess mir den kürzesten Haarschnitt den es gibt<br />

machen. Ich nannte ihn den Prison-Cut, den Gefängnisschnitt. Nach<br />

einem letzten feinen Essen in meinem Lieblingslokal lief ich zurück ins<br />

Hotel und wartete auf den Professor.<br />

Er erschien erst nach 18.00 Uhr. Wir waren beide sehr aufgeregt und<br />

gleichzeitig froh, dass es bald zu Ende war. Er gab mir meinen<br />

Zimmerschlüssel. Sein Zimmer sei in einem anderen Stockwerk. Er lud<br />

mich zu einem späten Abendessen ein, wie immer von Hans-Adam<br />

spendiert. Er übergab mir ein zugeklebtes Kuvert. Ich erkannte sofort,<br />

dass es vom Schloss Vaduz war, da es auf der Rückseite die Krone<br />

aufgedruckt hatte. Ich sagte, dass ich es erst später öffnen würde und<br />

steckte es behutsam ein.<br />

Wir gingen nochmals die wichtigsten Punkte durch. Er bestätigte mir,<br />

dass die vom anderen Wagen auch schon in Amsterdam seien und er sie<br />

schon getroffen hätte. Ich sagte, dass ich noch die letzte Nacht alleine in<br />

der Stadt verbringen möchte und wenn er nichts mehr von mir auf<br />

seinem Handy hören würde, ich um 07.00 Uhr am nächsten Morgen in<br />

der Hotellobby auf ihn warten würde. Ich bestellte noch eine Cola, mit<br />

dem Hintergedanken, länger als er im Café bleiben zu können. Endlich<br />

war er so müde, dass er sich verabschiedete. Ich versicherte mich, dass<br />

er, wie angekündigt, den Lift hoch zu den Zimmern nahm. Er war ausser<br />

Sichtweite.<br />

Ich rannte hoch in mein Zimmer. Ich riss die Bettdecke hoch, schmiss ein<br />

paar Handtücher im Badezimmer auf den Boden, benutzte die Seife,<br />

öffnete eine Packung Chips und goss Wasser in ein Glas ein. Meine<br />

Absicht war ganz und gar nicht, hier zu übernachten. Ich konnte die zu<br />

Recht vorhandenen Ängste (siehe ihre Aktivitäten in Berlin!), dass sie<br />

mich evt. mit Gewalt irgendwo hinschleppen würden, einfach nicht aus<br />

meinem Kopf löschen. Auch darum nicht, weil dies die erste und letzte<br />

Möglichkeit wäre, mich ohne Zeugen zu erwischen.<br />

Ich war mir ganz sicher, dass sie einen Zweitschlüssel für mein Zimmer<br />

hatten, da sie ja die Zimmer reserviert und bezahlt hatten. Bis anhin<br />

hatte ich bei fast allen Treffen beharrlich darauf geachtet, dass sie in der<br />

Öffentlichkeit stattfanden.<br />

391


D.h. von anderen Menschen umgeben zu sein, oder zumindest eine<br />

geprüfte Fluchtmöglichkeit zu kennen. Ich machte mich auf den Weg<br />

zurück nach Monnikendam. Erst dort öffnete ich den Umschlag.<br />

Darin befand sich die postkartengrosse Notiz, mit aufgedruckter<br />

Adelskrone und aus weissem Büttenpapier vermutlich. Auf jeden Fall<br />

super teure Papierqualität. Unter dem Logo vom Schloss Vaduz war von<br />

Hans-Adam handschriftlich genau das vermerkt, was man mir<br />

angekündigt hatte. Unten stand noch zusätzlich: Angenehme Reise.<br />

Daneben die schnelle Unterschriftsvariante von ihm.<br />

Nach viereinhalb Monaten als Gast verabschiedete ich mich von meinen<br />

Gastgebern am Abend, weil ich am nächsten Morgen schon um 5 Uhr in<br />

der Früh von einem Taxi abgeholt werden würde. Jane und ihr Mann<br />

bedankten sich sehr für meine Treue und wünschten mir alles Gute. Ich<br />

schlief nicht so gut. Eigentlich gar nicht. Pünktlich um 05.00 Uhr hielt<br />

das Taxi in der kleinen Strasse vor dem B&B und 25 Minuten später liess<br />

es mich in einer Seitenstrasse in der Nähe des Hotels Marriott wieder<br />

raus.<br />

Es war ein wunderschöner Sommermorgen. Ich liess meine Koffer unten<br />

an der Rezeption stehen und nahm den Lift hoch zum Zimmer. Dort, in<br />

einem Anfall von „die letzten guten Tage sind vorüber‚, sammelte ich<br />

den ganzen Inhalt des Kühlschranks (mit Ausnahme der alkoholischen<br />

Getränke) inklusive allem Essbaren (Schokoriegel, Chips, Käsesnacks)<br />

ein und packte es in eine Tasche. Noch schnell eine kalte Dusche und das<br />

war’s. Amsterdam Ade.<br />

Wieder unten, wartete ich in der Lobby auf den Professor. Er kam frisch<br />

rasiert und parfümiert zur abgemachten Zeit runter und wir stopften<br />

unser Gepäck in den praktisch brandneuen Mietwagen der Marke<br />

Renault, Modell Twingo. Zurück an der Rezeption kam die übliche<br />

Frage: Minibar? Verlegen fragte ich ihn, ob Hans-Adam was dagegen<br />

hätte, dass ich praktisch alles ausser Alkohol aus der Minibar abgeräumt<br />

hatte. Gleichzeitig zeigte ich ihm die gefüllte Plastiktasche. Der Professor<br />

lachte und bezahlte beide Zimmer und die ca. 50 Euro für meine<br />

Minibarsammlung.<br />

Er sagte mir, dass er beauftragt worden sei, mich nun nach einem<br />

weissen Kuvert zu fragen. Ich übergab es ihm. Ich fragte ihn, ob er wisse,<br />

was da drin ist. Er verneinte es. Er wolle und müsse es nicht wissen. Er<br />

bat mich in der Lobby zu warten und er verschwand mit meinem<br />

Umschlag. Nach 20 Minuten kam er wieder. Ohne Kuvert. Er bat mich,<br />

392


nach draussen zu kommen. Ich dachte mir nichts dabei. Er bat mich die<br />

kurvige Einfahrt entlang zu laufen. Auf halben Weg dorthin stand ein<br />

Mann, den ich noch nie vorher gesehen hatte. Als er mich mit Herr<br />

Ulrich Meier begrüsste, fiel auch mir der Groschen runter. Er öffnete eine<br />

blaue Dokumentenmappe, grösser als ein DIN A4-Format und zeigte mir<br />

den Pass mit meinem Foto drin. Den allezeit beliebten Schutz-Pass, die<br />

Schutz-ID. Ich bedankte mich und er nickte nur. Dann verstaute er den<br />

Pass wieder in der Mappe und ging in Richtung Vorderseite des Hotels.<br />

Der Herr Professor und der Herr Ulrich Meier stiegen in den Mietwagen<br />

ein. Vorher musste ich noch mein Handy samt SIM-Karte abgeben. Ich<br />

hatte keine Probleme damit, es war ja ihr Eigentum. Der Professor selber<br />

hatte zwei eigene Handys bei sich, die abwechselnd während der ganzen<br />

Fahrt mindestens alle 30 Minuten klingelten oder vibrierten. Wir hatten<br />

eine Europastrassenkarte mit uns und der Weg sollte uns ungefähr via<br />

Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart führen.<br />

Nach einer Stunde Fahrt, rief Hans-Adam an und fragte, ob alles gemäss<br />

Plan abgelaufen sei. Zu meiner Verblüffung, wollte Hans-Adam mit mir<br />

reden. Er fragte mich, wie es mir gehe und dass ich mir keine Sorgen<br />

wegen der Deutschen machen soll. Er fragte auch, ob ich ja nichts in<br />

Holland vergessen hätte. Ich versicherte ihm, nein, nichts vergessen. Nur<br />

noch alles in meinem Kopf! Er gab zurück: „Ja, das wissen wir alle.‚ Er<br />

beteuerte nochmals, dass ich ihn sobald als möglich persönlich sehen<br />

könne und auf mich ein schönes, kleines, neu möbliertes Zimmer in<br />

Vaduz warten würde. Ich erwiderte, hoffentlich nicht in der<br />

Aeulestrasse/Gewerbeweg (dort wo das Gefängnis ist). Er lachte und<br />

rief< nein, nein, nein.<br />

Die Fahrt war angenehm. Dank meines grossen Vorrats an Süssem aus<br />

dem Hotelzimmer musste ich auch nicht hungern. Ganz offen schaute<br />

ich ständig nach unserem Schatten. Der Professor hatte nichts dagegen.<br />

Ich erblickte den richtigen Wagen schon als wir noch auf dem<br />

Stadtgebiet Amsterdam fuhren. Es war ein dunkler BMW der 5er Reihe,<br />

kein holländisches Kennzeichen. Das konnte ich sehen. Der Wagen blieb<br />

immer vier bis fünf Autos hinter uns. Später konnte ich erkennen, dass<br />

es ein österreichisches Kennzeichen hatte. Sofort rief ich zum Professor:<br />

„Aha, es sind sicher Hans-Adams Verwandte aus Österreich, die mit den<br />

Diplomatenpässen, gell?‚<br />

393


Er sagte, er wisse es nicht und blickte nur stur nach vorne. Auf halber<br />

Strecke entschieden wir zu tanken und kalte Getränke einzukaufen. Der<br />

BMW hielt auch. Im Laden der Autobahnraststätte kauften wir uns<br />

Essen und bezahlten das Benzin. Ich sah zwei Männer neben dem BMW<br />

stehen, einer tankte den Wagen, der andere lief weg um mit dem Handy<br />

zu telefonieren. Es war der Mann, der mir in Amsterdam den Schutz-<br />

Pass gezeigt hatte. Um nicht in einer Radarkontrolle gestoppt zu werden,<br />

fuhren wir strikt nach Vorschrift.<br />

Die Stunden vergingen und wir machten Witze übers Bücherschreiben.<br />

Ich könne doch ein Buch schreiben, nachdem was ich alleine und wir<br />

zusammen erlebt hatten, sagte der Professor. Und über Argentinien.<br />

Natürlich könnte ich die Dinge nicht beim Namen nennen. Das ginge<br />

nicht, sagte er. Dann würde man ja erkennen können, dass Liechtenstein<br />

knapp einer Katastrophe entkommen war und dass Hans-Adam ganz<br />

anders war, als die meisten Menschen dachten und dass die<br />

Datensicherheit in Liechtenstein löchrig wie ein Schweizer Käse war. Wir<br />

erfanden Pseudonamen für ein imaginäres Buch: aus STA Haun wurde<br />

STA Schaum, aus Hans-Adam wurde Duke of Full-Pockets, aus LGT<br />

wurde Banque de la Liberté, aus Liechtenstein wurde Monaco. Ich<br />

erinnere mich noch ganz gut daran, dass ich dem Professor sagte, dass es<br />

unmöglich sein würde, ein Buch zu schreiben, ohne die Dinge beim<br />

richtigen Namen zu nennen.<br />

Hätte man mir damals gesagt, dass ich über 5 Jahren später, in 2008/2009<br />

wirklich dieses Buch mit der wahren Geschichte schreiben würde, ich<br />

hätte alle für verrückt erklärt.<br />

Während der Professor uns unaufhaltsam Liechtenstein näherten, spielte<br />

sich in Vaduz anderes ab. Der Kreis der Informierten war ja sehr klein.<br />

Polizei und Justiz wussten ja nicht, dass ich jetzt unterwegs war. Da<br />

Hans-Adam telefonisch vom Professor über den Fortschritt der<br />

Heimführung auf dem Laufenden gehalten wurde, ordnete er die<br />

Vaduzer Polizei an, eine dringende Interpolmeldung nach Deutschland<br />

(BKA, Wiesbaden) zu senden, in der man alle vorhergegangenen<br />

Meldungen und Sachverhalte widerrufen sollte. Gemäss Aktennotiz<br />

wurde dies (am 1.7.) dann um 15:58 erledigt.<br />

Die deutsch-österreichische Grenze kam näher. Erstaunlicherweise<br />

atmete ich nicht schwerer sondern leichter. Vielleicht weil ich mich<br />

sichere fühlte. Österreich grenzt ja an Liechtenstein. Der Bodensee war<br />

394


so schön an diesem Tag. Die Sonne hoch und stark, praktisch windstill.<br />

Nur die Musik aus dem Radiosender störte etwas. Wir überquerten die<br />

unsichtbare Grenze der zwei EU-Staaten und dann waren es nur noch<br />

ein paar Minuten bis nach Feldkirch. Ich erinnerte mich, wie ich vor fünf<br />

Monaten und 24 Tagen hier den Zug nach München genommen hatte.<br />

Niemals hätte ich gedacht, dass ich unter diesen Umständen wieder<br />

durch Feldkirch fahren würde. Ich behielt den BMW im Seitenspiegel<br />

streng im Auge.<br />

Auf der Höhe, wo es rechts ein Thai- oder Chinarestaurant gab, genau in<br />

der Anhaltebucht der Stadtbusse, bevor es wieder den Hügel runter<br />

geht, Richtung Grenzposten, hielt der BWM an und wurde im Spiegel<br />

immer kleiner und kleiner. Wir waren nur noch ca. 1,5 Kilometer von<br />

liechtensteinischem Boden entfernt. Da brauchte man den „Schutz‚ jener<br />

aus dem BWM wohl nicht mehr, sagte ich.<br />

Der Grenzübergang Schaanwald war schon in Sichtweite. Ich kramte die<br />

handschriftliche Botschaft von Hans-Adam aus meiner Computertasche<br />

und hielt sie fest, wie ein Kleinkind sein liebstes Spielzeug. Dies sollte<br />

mich vor jedem Ärger schützen, dachte ich. An der Grenze, die von<br />

Schweizer Zöllnern auf liechtensteinischem Boden kontrolliert und<br />

bewacht wird, verlief alles sehr schnell. Man winkte uns wie Touristen<br />

durch. Gleichzeitig stiessen wir beide einen erlösenden Seufzer aus.<br />

Endlich am Ziel!<br />

JETZT war ich wieder voll in den Händen und unter Gnaden von Hans-<br />

Adam. Etwas zu wild für den Professor schaute ich mit langem Hals<br />

ständig nach vorne, nach hinten, rechts und links. Er beruhigte mich. Es<br />

sei keine Falle. Er fahre mich nach Vaduz zu der gemieteten<br />

Einzimmerwohnung. Sofort klingelte sein Handy wieder: Das Schloss<br />

wusste schon, dass alles gut gegangen war.<br />

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wieder in meiner Heimat zu sein.<br />

Wie als wären die letzten sechs Monate gar nicht passiert, so ruhig war<br />

alles. Fast jedes Haus an dem wir vorbeifuhren, jede Strasse die wir<br />

benutzten, alle kannte ich sie auswendig. Es war ja mein Hinterhof.<br />

Der Bankdirektor rief den Professor an. Man fragte mich, ob es OK wäre,<br />

wenn wir zuerst zur LGT BANK in der Herrengasse fahren würden.<br />

Kein Problem, sagte ich. Wir fuhren in die Tiefgarage, vorbei am Portier<br />

und der Sicherheitskanzel und parkten den Wagen.<br />

395


Zuerst musste ich mich mal richtig strecken. Der Bankdirektor kam aus<br />

dem Personalausgang auf uns zu und begrüsste uns freundlich. Ob es<br />

mir wieder daheim gefallen würde, fragte er. Ja, alles beim alten,<br />

erwiderte ich. Zu meinem Erstaunen, hatte er den weissen Umschlag in<br />

seinen Händen, mit meinen Ausweispapieren drin. Er gab ihn mir. Er<br />

gab uns die Wohnungsschlüssel und nannte uns die Adresse:<br />

Buchenweg 1, Vaduz.<br />

Ich kannte den Weg und dirigierte den Professor dort hin. Er habe ein<br />

Zimmer in Triesen, erwähnte er noch. Es war so gegen 17 Uhr als wir auf<br />

dem Parkplatz vor dem Haus ankamen. Ich hatte ja nicht viel Gepäck<br />

und nach zehn Minuten war ich schon eingezogen. Es war eine kleine<br />

eineinhalb Zimmerwohnung. Es roch noch frisch gestrichen. Die Möbel<br />

waren brandneu, ebenso Bettwäsche und Handtücher. Es gab einen<br />

Esstisch mit vier Stühlen, ein Bett mit Nachtisch, ein Ledersofa mit<br />

Glastischchen, einen Kleiderschrank und eine Stehlampe. Alles gediegen<br />

und farblich abgestimmt. Die Einbauküche war relativ gross und das<br />

Badezimmer auch. Es hatte einen kleinen Balkon, der direkt über dem<br />

Hauseingang war. Links, weg vom Balkon konnte man auf die Wiese vor<br />

der Wohnung meines Nachbarn laufen und runter zum Parkplatz.<br />

Der Professor verabschiedete sich mit der Bemerkung, dass ich mich<br />

erstmals einrichten und ein paar Tage erholen soll. Am Freitag, den 4.7.<br />

hätte ich um 10 Uhr einen Termin beim RA Dr. Wolfgang Müller. Der<br />

Bankdirektor und eventuell er selber würden auch dort sein. Zudem<br />

solle ich mich auch auf ein Vier-Augen-Treffen mit Hans-Adam für<br />

nächste Woche Mittwoch, den 9.7. vorbereiten. Wenn es mir genehm<br />

wäre. Es wäre, erwiderte ich und bedankte mich bei ihm für alles was er<br />

getan hatte. Er bat mich, ihm die persönliche Notiz von Hans-Adam<br />

zurückzugeben. Jetzt wäre es ja klar, dass mir nichts passieren würde.<br />

Dieser Meinung war ich auch. Ich wollte die Notiz aber als Andenken<br />

behalten. Ging leider nicht.<br />

Der grösste Teil am Erfolg dieser Etappe war dem Professor<br />

zuzuschreiben. Der Rest dem Bankdirektor. Natürlich darüber<br />

schwebend immer der Hans-Adam. Obwohl der Professor auf der<br />

Lohnliste von ihm stand (nebenbei noch bis weit ins letzte Jahr, 2008<br />

hinein), war sein Teil der Aufgabe der schwierigste. Nämlich mich zu<br />

überzeugen und mir neue Wege aufzuzeigen. Dies erledigte er so gut<br />

wie nur möglich. Er war wie ein Ventil zwischen Hans-Adam und mir.<br />

396


Während der vielen Debatten in den vergangenen Monaten hatte ich, oft<br />

direkt, überwiegend zwischen den Sätzen horchend, mitbekommen, dass<br />

Hans-Adam mehrfach eine ganze andere, bestialische Sprache<br />

verwendete, wenn er mit seiner Regierung, dem Bankdirektor und dem<br />

Professor über mich sprach. Dies galt auch für den umgekehrten Weg.<br />

Teil der Aufgabe des Professors war es, deren und meine Worte so<br />

umzuformulieren, dass eine Lösung schlussendlich zustande kommen<br />

konnte. Ich habe meine Meinung über den Professor auch dann nicht<br />

geändert, als ich später, nach meiner Rückkehr erfuhr, dass der einzige<br />

Auftrag von Hans-Adam an ihn lautete: OZA- „Bring mir die Daten<br />

zurück! Koste es was es wolle! Mit Kieber oder ohne Kieber, ist mir<br />

scheiss egal‚ -OZE.<br />

Ich hoffte nun, dass, ganz nach dem Spruch „Zeit heilt Wunden‚, die fast<br />

sechs Monate meiner Abwesenheit reichen würden, sodass sich auch die<br />

zornigsten Gemüter wieder beruhigt hatten. Es sah ganz danach aus.<br />

397


KAPITEL 19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe<br />

Ich packte meine sieben Sachen aus und richtete mich gemütlich in<br />

meinem neuen Heim ein. Im Badezimmerspiegel starrte ich mich an.<br />

"Hast es mal wieder geschafft, Herr Kieber". Fast sechs Monate lang<br />

unzählige Menschen unzählige Nerven gekostet. Ich schämte mich<br />

meiner Taten. Es war nicht der richtige weg. Ich will nicht sagen, dass<br />

ich keine andere Wahl hatte. Wenn man wählen kann, dann muss es ja<br />

mindestens zwei verschiedene Wege geben. Was soll’s? Ich hatte eine<br />

Entscheidung getroffen. Ich fühlte auch, dass – egal was ich in den 6<br />

Monaten zuvor angestellt hatte – sich ein grosses Gefühl der Erlösung<br />

bei den Machthabern breit gemacht hatte. Nicht so sehr, weil ich wieder<br />

daheim war. Nein, sondern weil keine Daten verraten wurden und es<br />

somit keine geschädigten Kunden gab, und was für Liechtenstein viel<br />

wichtiger war, das Land wurde von einem politischen Tsunami mit<br />

vielen furchtbaren Konsequenzen verschont.<br />

Ich inspizierte die ganze Wohnung. Keine versteckten Kameras?<br />

Mikrofone? Wer weiss. Ich wusste, es würde immer diejenigen geben,<br />

die mir nicht ganz vertrauen würden. Genau so wie ich ihnen nie zu 100<br />

Prozent trauen konnte. Der Abend war schwül. Die Sonne heizte den<br />

Raum trotz heruntergelassenen Rollos heftig ein. Der Jahrhundertsommer<br />

2003 war ja voll im gang. Von der langen Fahrt müde, war<br />

schon um 19 Uhr Bettzeit. Ein besseres Kopfkissen müsste ich noch<br />

kaufen, war das letzte, was ich vor dem Tiefschlaf dachte.<br />

Am nächsten Morgen sah die Welt auch wieder gut aus. Es war schön,<br />

wieder zu Hause zu sein. Ich lief über Nebenstrassen bis zum Denner<br />

(Einkaufsladen) nach Triesen. Die nette Verkäuferin (er)kannte mich<br />

zum Glück nicht. Ich kaufte Milch, Brot und Müsli ein. Und ein frisches<br />

heisses Leberkäs-Brötchen. Himmel auf Erden: ein Liechtensteiner<br />

Leberkäse. So fein. Wieder zurück in der Wohnung wurde es mir schnell<br />

langweilig. Es war ein ungewohntes Gefühl. Kein Versteckspiel mehr,<br />

keine Sicherheitsvorkehrungen, kein ständiges Handyein- und<br />

ausschalten. Aber vor allem keine Diskussionen mehr und keine<br />

schwedischen Gardinen.<br />

Da ich ja kein Auto hatte, auch kein Velo mehr, machte ich mich zu Fuss<br />

in Richtung Hauptstrasse, zur Bushaltestelle. Die Haltestelle ist auf der<br />

Höhe des Gebäudekomplex, wo sich die Polizei, das Passamt und das<br />

Gefängnis befanden. Ich dachte an Lampert, der dort in einer Zelle sitzen<br />

würde. War ich froh, dass ich meine Drohungen nicht in die Tat<br />

398


umgesetzt hatte, sonst wäre ich auch dort. Ich war frei. Vogelfrei. Dank<br />

Hans-Adams persönlicher, schriftlicher Notiz. Ich wusste zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht, dass auch etwas ganz anderes sein Gültigkeit hatte: das<br />

freie Geleit. Ich hätte auch die Hauptstrasse entlang die paar Kilometer<br />

ins Dorfzentrum laufen können. Aber das halbe Land fährt zu dieser Zeit<br />

diese Strasse entlang zur Arbeit. Und ich wollte nicht gesehen und<br />

erkannt werden. Die Möglichkeit, dass es einen Knall gab, war meines<br />

Erachtens schon da. Was, wenn jemand von der Justiz, der Polizei oder<br />

der Führungsetage der LGT mich sehen würde und vor lauter Schreck<br />

einen Karambolage auslösen würde?<br />

Ich setzte mich auf die Bank im Wartehäuschen, wartete auf den Bus und<br />

beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Ich erkannte die eine oder<br />

andere Person. Niemand sah zu mir rüber. Im Zentrum angekommen<br />

wollte ich bei der Post eine Monatsbusfahrkarte kaufen. Der Erste, der<br />

mir über den Weg lief, war mein Onkel Guntram (der Ex-Mann meiner<br />

Tante). Ja Heinrich, ja Heinrich – wo warst du dann, rief er voller Freude.<br />

Ich merkte sofort, dass er etwas wusste. Wenn etwas los war in Vaduz, er<br />

wusste es immer. Ohne auf meine Antwort zu warten, sagte er, dass<br />

hoffentlich alles gut gegangen sei. Er wusste, dass ich im Januar dem<br />

Hans-Adam einen Brief geschrieben hatte. Er erzählte mir davon. Mehr<br />

Details wusste er aber dieses Mal offenbar nicht. Ich hatte ihn und seine<br />

Freundin Marina immer sehr gemocht. Ich versprach, sie bald besuchen<br />

zu kommen. Grüsse von hier aus an die Beiden.<br />

Vaduz ist wie ein Dorf in den Bergen. (Fast) jeder kennt jeden persönlich<br />

oder man weiss zumindest wohin mit dem Gesicht. Bist ein Kieber, gell?<br />

Es war für mich ein Einfaches zu erkennen, wer, egal wie viel, etwas von<br />

dem Drama wusste oder nicht. Diejenigen, die gar nichts wussten,<br />

grüssten mich ganz anders und erinnerten sich oftmals erst dann, dass es<br />

lange her war, seit sie mich das letzte Mal gesehen hatten. Ja, ich war halt<br />

im Ausland unterwegs. Von den Anderen traute sich die Hälfte gar nicht<br />

mich anzusprechen. Der Rest wusste nicht ob sie mich verteufeln oder<br />

loben sollten. So oder so, das Volk, das etwas wusste, war erkennbar<br />

froh, dass ich wieder da war und dass augenscheinlich keine<br />

Katastrophe eingetreten war, sonst hätten sie es ja in den Medien gelesen<br />

und ich würde am Galgen hängen.<br />

Ich erblickte die Bäckerei Amman. Da musste ich hin. Endlich wieder<br />

heimische Backwaren. Ich kaufte mir einen Nussgipfel und trank eine<br />

heisse Ovomaltine. Beim Kiosk Schreiber sah ich Jumbo (sein Spitzname)<br />

399


,er wusste nichts. Ich erwarb ich eine Telefonkarte. Erst als ich mich<br />

umdrehte, erinnerte ich mich, dass schnurgerade gegenüber die LGT<br />

Treuhand war. Mist, nichts wie weg. Ich wollte nicht, dass mich jemand<br />

von dort sieht.<br />

Ich rief meine Stiefmutter, meine Schwester und ein paar Freunde aus<br />

einer Telefonzelle bei der Post Vaduz an. Alle konnten es nicht glauben,<br />

dass ich wieder zu Hause war. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich<br />

mich nicht gemeldet hatte und auch für alle Belästigungen, die sie<br />

eventuell wegen mir hatten. Niemand schimpfte mit mir. Das war schon<br />

mal positiv.<br />

Was sollte ich als nächstes tun, fragte ich mich. Ein Besuch beim<br />

gescheitesten Mann in der Justiz. Ohne Termin? Wie immer! Ich<br />

versuche es einfach. Ich lief rüber zum Gerichtsgebäude. Die Treppe<br />

hoch und klopfte bei seiner lieben Sekretärin an. Die war überrascht.<br />

Herr Kieber, aber Hallo! Gut, Sie wieder zu sehen. Kann ich mit dem<br />

Landrichter Dr. Paul Meier reden? Ja sicher. Von 11:30 bis 12:25 durfte<br />

ich mit ihm plaudern.<br />

Er war, wie seine zwei Damen im Vorzimmer, sehr geschockt, als sie im<br />

Januar von meinem Brief an Hans-Adam hörten. Sorry, konnte ich da<br />

nur sagen. Ich fragte natürlich sofort, ob es im 101er vorwärts gegangen<br />

sei. Nein, der Akt sei immer noch beim Obergericht, im Büro vom<br />

Richter Dr. G. Mislik (übrigens derselbe Richter, der das freie Geleit<br />

beschlossen hatte). Dieser würde in Kürze über meinen Antrag (vom<br />

22.11.02) auf Fortsetzung der Strafuntersuchung gegen Roegele & Co.<br />

entscheiden, erinnerte mich UR Dr. Meier.<br />

Komisch, sagte ich. Hätte sich den nicht der RA Dr. Wolfgang Müller bei<br />

ihm gemeldet, als mein neuer RA in dieser Sache? Nein, nichts<br />

dergleichen. Ich sagte, dies könne nichts stimmen. Er bestätigte aber,<br />

dass es seit meiner Abreise im Januar zu keinem Wechsel des<br />

Rechtsanwalts gekommen sei. Ob mich Dr. Hirn nicht mehr vertreten<br />

würde, fragte er. Nein, seit ca. sechs bis acht Wochen sollte es der neue<br />

RA Müller aus Schaan sein. Er sei immer noch der UR in diesem Fall und<br />

er würde schwören, dass er mich nicht an der Nase herumführe, sagte er.<br />

Seltsam, seltsam, sagte ich zu ihm. Noch dachte ich mir nichts dabei. Ich<br />

bat ihn jetzt und hier den RA-Wechsel offiziell zu protokollieren. Im<br />

Moment ginge es zeitlich gerade nicht, sagte er. Am nächsten Dienstag,<br />

den 8.7. hätte er Zeit. Ich bedankte mich bei ihm. Also dann bis nächsten<br />

Dienstag.<br />

400


In der Zwischenzeit gingen ein paar Gerüchte wie ein Lauffeuer in<br />

Vaduz umher. Eines, ein Falsches, erreichte schliesslich die Polizei. Diese<br />

war etwas irritiert, als sie hörte, dass ich heute, am 2.7. nach Vaduz<br />

zurückkehren würde. Die Polizei war ja gestern beauftragt worden,<br />

schnellst möglich den Deutschen eine Meldung zukommen lassen. Die<br />

Polizei kontaktierte die STA per Email und fragte nach, ob die etwas<br />

wüssten und formulierte ihre Bedenken, sollte ich von irgendeiner<br />

Richtung aus schon heute zurückkommen.<br />

Sie sorgten sich um mich, da ich noch passiv im Schweizer System<br />

(RIPOL) ausgeschrieben war. Es folgten mehrere hektische Anrufe und<br />

Faxe zwischen der Polizei und der STA. Die STA wusste auch nichts<br />

Genaueres, wünschte aber, dass die Polizei schleunigst die Grenzstelle in<br />

Schaanwald anrufen sollte, um als Vorsichtsmassnahme anzuordnen,<br />

mich nicht aufzuhalten, sollte ich die Grenze dort überschreiten. Gleich<br />

als nächstes sollte die Polizei die Ausschreibung im RIPOL von den<br />

Schweizern löschen lassen. Wie sich später herausstellte, war dieses<br />

Gerücht gezielt gestreut worden, um mögliche Saboteure im Glauben zu<br />

lassen, dass ich erst am 2.7. einreisen würde.<br />

Die LGT Treuhand schickte am 2.7. dem Landgericht einen Brief, worin<br />

sie den Rückzug ihrer Privatanklage in Sachen Datendiebstahl erklärten<br />

und den Antrag stellten, das Gericht möge daher das Verfahren gegen<br />

mich einstellen.<br />

Nachdem ich das Büro des UR Dr. Meier verlassen hatte, überlegte ich,<br />

wo ich ein Kissen kaufen könnte. Hunger hatte ich auch wieder. Und ich<br />

wollte mein Mittagessen nicht in einem Restaurant in Vaduz einnehmen.<br />

Im Einkaufszentrum Buchs, auf der Schweizer Rheinseite gab es<br />

genügend Auswahl. Buchs ist zwar Ausland, aber weder der Professor<br />

noch der Bankdirektor hatte mir untersagt in die Schweiz zu gehen. Ich<br />

nahm den Bus dorthin. Es dauerte nicht lange, bis ich die erste von<br />

mehreren peinlichen Situationen der kommenden Zeit erlebte.<br />

Ich spazierte vom Bahnhof Buchs auf der linken Seite der Einkaufsmeile<br />

Richtung Werdenberg. Auf der Höhe des COOP Ladens hörte ich zuerst<br />

lautes, unverständliches Gefasel und dann die Klänge von<br />

weggestossenen Stühlen. Ich schaute auf und drehte meinen Kopf zum<br />

rechten Bürgersteig. Dort sah ich einen Mann, der fluchtartig die Tische<br />

eines kleinen Cafés verlies. An der Hand hielt er eine junge Frau. Erst<br />

dann erkannte ich ihn. Es war der Chef der IT-Abteilung der LGT<br />

Treuhand.<br />

401


Er musste mich zuerst gesehen haben und war wohl geschockt. Ich<br />

erinnerte mich, dass er immer mehrmals in der Woche zum Mittagessen<br />

nach Buchs zu seiner Freundin fuhr. Beide waren Schweizer. Er wollte<br />

wohl eine Konfrontation mit mir vermeiden. Besser so. Ich wüsste auch<br />

nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Ich bog in die nächste Abzweigung<br />

nach links und dann zum Migroseinkaufszentrum. Ich kaufte mir ein<br />

Kissen und einen dazu passenden Bezug. Auf dem Weg zur<br />

Bushaltestelle beim Bahnhof Buchs kam ich an einem TV-Geschäft<br />

vorbei. Es gab da ein Superangebot für ein kleines Kombigerät, TV und<br />

Videorecorder in einem. CHF 300.- kostete es. Fünf Minuten später war<br />

ich CHF 300.- ärmer und um einen Fernseher reicher. Das TV-Gerät<br />

würde man mir am Wochenende ausnahmsweise nach Vaduz bringen<br />

können, da ein Mitarbeiter der Firma in der Nähe von mir wohnen<br />

würde. Super. Wieder etwas Positives erlebt. Mit dem Kissen unter dem<br />

Arm fuhr ich mit dem Linienbus gleich wieder nach Vaduz.<br />

Den Donnerstag hatte ich mit meiner alten Liebe abgemacht. Zuerst<br />

wollte ich aber mit dem Bus in meine Heimatgemeinde fahren und das<br />

Grab vom Vater besuchen. Dort angekommen, redete ich mit ihm und<br />

erinnerte mich, als ich das letzte Mal dort war, hätte ich nie geglaubt,<br />

dass ich ihn überhaupt und wenn doch auch noch so schnell wieder<br />

besuchen kommen konnte. Ich betrat auch die wunderschöne renovierte<br />

Kirche in Mauren. Weisser Marmor überall. Mit dem Bus erreichte ich<br />

wieder Buchs und traf mich mit meinem Schatz. Wir verbrachten den<br />

Tag am kleinen Werdenbergersee. Sie hatte von nichts eine Ahnung und<br />

ich entschied, dass es besser war, es so zu belassen.<br />

Am Freitag, den 4.7., gerade als ich mich auf den Weg zum neuen RA<br />

Dr. W. Müller machte, bog der Bankdirektor mit seinem Wagen in meine<br />

Strasse ein. Er sagte mir, dass er vergessen hätte, mir mitteilen zu lassen,<br />

dass er mich abholen würde. Im Auto gab er mir ein Geschenk. Es war<br />

das Nokiatelefon aus Holland. Da das Handy ja keinen SIM-Lock hatte,<br />

hatte er mir eine neue SIM-Karte mit Rufnummer von der Telekom<br />

Liechtenstein kaufen und aktivieren können. Sie war auf meinen Namen<br />

registriert. So, sagte ich, wie konnte er denn die Nummer auf meinen<br />

Namen einlösen, ohne dass ich dabei war? Man musste sich nämlich<br />

dafür ausweisen. Er wich aus und sagte nur, schönes Wetter heute.<br />

Er drückte mir auch eine Kopie des Rückzuges der Privatanklage der<br />

LGT Treuhand in die Hand. Ich bedankte mich dafür.<br />

402


Um 09.50 Uhr waren wir schon im grossen Sitzungszimmer der Kanzlei.<br />

Der Professor konnte leider nicht kommen, da er wieder nach Hause,<br />

nach Österreich gefahren war. Er brauchte auch seine Ruhetage. Seine<br />

Hauptaufgabe hatte er ja soweit erfüllt. Zehn Minuten später begrüsste<br />

uns Dr. Wolfgang Müller und legte eine Aktenmappe auf den Tisch. Dies<br />

ist aber sehr mager, dachte ich gleich. Ich bedankte mich für sein Zeit<br />

und die Annahme des Mandats. Die erste halbe Stunde sprach er<br />

ausschliesslich mit dem Bankdirektor und widmete mir keine Minute.<br />

Zu meinem Schrecken erkannte ich bald, dass er sich, wenn überhaupt,<br />

extrem minimal in meine Geschichte eingelesen hatte. Nicht nur stellte er<br />

Fragen, deren Antworten er eigentlich wissen müsste, hätte er die Akten<br />

studiert. Er kam auf Schlussfolgerungen, die fern der Realität waren.<br />

Kein Wunder, dass seine Mappe über mich so dünn war. Nach bald 35<br />

Minuten wandte er sich direkt an mich. Man kann sagen, die Beziehung<br />

startete auf dem linken Fuss. Sehr zum Erstaunen des Bankdirektors,<br />

und wohl ganz im Sinne des wirklichen Auftraggebers (Hans-Adam),<br />

tadelte Müller mich und meinte, dass sich mein Vater im Grab<br />

umdrehen würde, wüsste er was ich dem Blaublut angetan habe. Ich war<br />

absolut nicht auf so etwas vorbereitet und anstatt ihm zu antworten,<br />

starrte ich den Bankdirektor an.<br />

Dieser konnte meine verschiedenen Gesichtsausdrücke ja schon im<br />

Schlaf richtig deuten. Ich stand auf und lief die Treppe hinunter zum<br />

Ausgang. Draussen sass ich auf der steinernen Treppe und beobachtete<br />

den Verkehr auf der Schaaner Hauptstrasse. Nach fünf Minuten kam der<br />

Bankdirektor raus und bat mich wieder herein. Müller sagte, dass er es<br />

nicht so gemeint hätte. Er schilderte was in den letzten 4 Wochen alles<br />

passiert sei und als er dann anfing von einem erfolgreichen freien Geleit<br />

zu erzählen, erlaubte ich mir ihn zu unterbrechen.<br />

Er durchblätterte die wenigen Seiten im Akt und zeigte mir den<br />

Beschluss. Er hätte dies in weiser Voraussicht Anfang Juni beantragt. Ich<br />

kam aus dem Staunen nicht raus und rechnete die Tage, Wochen zurück.<br />

Warum stand da, ich würde bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung<br />

auf freiem Fuss bleiben? Der Bankdirektor schaute verlegen aus dem<br />

Fenster. Müller fragte mich, ob Hans-Adam noch nicht mit mir<br />

gesprochen hätte. Nein, erst nächste Woche, erwiderte ich. Man hätte die<br />

Anzeige wegen der Nötigung noch nicht zurückgezogen, erklärte er mir<br />

dann. Dies sei jedoch alles nur eine Formsache. Ich sollte mir weiters<br />

keine Gedanken machen. Aha, OK, konnte ich da zuerst nur stammeln.<br />

403


Aber seine Antwort genügte mir nicht. Ich fragte den Bankdirektor für<br />

was dann die persönliche Notiz von Hans-Adam gewesen sein soll,<br />

wenn da steht, dass ich sowieso freies Geleit hätte. Und warum hier im<br />

Beschluss suggeriert wird, dass ich unter Umständen im Gefängnis<br />

landen könnte? Sonst hätte ja RA Müller kein freies Geleit beantragen<br />

müssen. Der Bankdirektor rechtfertigte, dass die Notiz eine Geste von<br />

Hans-Adam gewesen, sonst wäre ich doch nie mit dem Professor im<br />

Wagen nach Hause gefahren.<br />

Ja gilt die Notiz denn nicht mehr, fragte ich entsetzt. Natürlich, doch,<br />

immer, war die Antwort. Und warum musste ich sie dann zurückgeben?<br />

Hans-Adam wollte solch ein Schriftstück nicht im Umlauf haben, war<br />

die banale Auskunft darauf. Und das mit dem „bis zum Urteil auf freiem<br />

Fuss bleiben‚ soll ich nicht wortwörtlich nehmen, alles nur rein<br />

juristische Formsache. Der Bankdirektor wurde wieder etwas<br />

griesgrämiger.<br />

Ich wandte mich deshalb an Dr. Müller mit der Frage, warum er sich<br />

beim UR Dr. P. Meier noch nicht als mein neuer RA im 101er gemeldet<br />

hätte. Und was war mit dem Zivilverfahren? Er war ehrlich sehr<br />

überrascht: Von einem 101er oder dem Zivilverfahren hätte er zwar am<br />

Rande gehört. Sein Mandat beschränke sich aber auf die juristischen<br />

Konsequenzen meines Briefes vom 7.1. an Hans-Adam. Innerlich wurde<br />

ich schon wieder wütend: „Am Rande gehört?‚ Beide Fälle sind im<br />

Detail als Beilage meines Schreibens an Hans-Adam geschildert, sagte<br />

ich. Ich war völlig perplex. Der Bankdirektor entschärfte die Lage, indem<br />

er sagte, dass sich alles aufklären würde. Eines nach dem Anderen.<br />

Müller sagte, dass er es im Gespräch mit Hans-Adam so verstanden<br />

hätte, dass dieser Gnade vor Rache walten liesse. Wie bitte? Gnade vor<br />

was? Rache? Das höre ich zum ersten Mal, stöhnte ich.<br />

Was soll das wieder bedeuten, fragte ich.<br />

Mir wurde schlecht und ich musste die Toilette aufsuchen. Als ich<br />

zurückkam weinte ich und wollte gehen. Man überredete mich aber zu<br />

bleiben. Nichts würde mir geschehen. Hans-Adam hätte dies auch dem<br />

RA am Telefon versichert. Ich fragte den RA ob er sicher meine Interessen<br />

vertreten würde, da er ja schlussendlich aus der Kasse von Hans-Adams<br />

bezahlt würde. Er erklärte, dass es sich hier um einen sehr<br />

aussergewöhnlichen Fall handeln würde und die Interessen aller<br />

berücksichtigt werden müssten. Aber, prinzipiell sei er natürlich für mich<br />

da. Ich bedankte mich artig beim ihm. Zum Abschied drückte er mir fest<br />

404


die Hand und beglückwünschte mich zu meinem klugen Entscheid,<br />

freiwillig nach Hause zurückzukehren.<br />

Nach diesem eher bemerkenswerten Meeting fuhr mich der<br />

Bankdirektor nach Vaduz, zur Arbeitslosenversicherung (ALV),<br />

Stempelgeld beantragen. Ich wollte nicht, dass die LGT mir auch noch<br />

Brot und Butter bezahlt. Die Übernahme der Mietkosten (ca. CHF 750.-<br />

pro Monat) war schon grosszügig genug. Er war immer noch<br />

angespannt. Wir verloren daher keine Worte mehr über juristische und<br />

andere Kämpfe. Bei der ALV wurde mir mitgeteilt, dass ich ab sofort<br />

bezugsberechtigt wäre. Mein Arbeitslosengeld würde ca. 70 Prozent des<br />

Durchschnittslohns der letzten fünf Jahre betragen. Ich hätte Anspruch<br />

auf 250 bezahlte Wochenarbeitstage, also ein gutes Jahr lang.<br />

Als Beweis für meine Bemühungen einen neuen Job zu finden, müsste<br />

ich meinem zugeteilten Sachbearbeiter fünf Bewerbungen pro Monat<br />

vorlegen. Kein Problem, sagte ich. Mein kalkulierter Durchschnittslohn<br />

war CHF 3'840.- und damit sehr hoch. Ich hatte also mehr als genug für<br />

meinen bescheidenen Lebensunterhalt. Ich sagte zum Bankdirektor, dass<br />

ich die Miete selber bezahlen wolle. Dieser lehnte dankend ab. Die LGT<br />

habe ja die Möbel gekauft und der Mietvertrag läuft auf ihren Namen.<br />

Wenn ich dann eines nicht allzu fernen Tages ausziehen würde, könnte<br />

die Firma die Wohnung für anderes Personal benutzen. Nochmals<br />

tausend Dank dafür, sagte ich. Er fuhr mich nach Hause und<br />

verabschiedete sich ins Wochenende.<br />

Die Polizei war immer noch nicht voll im Bilde und offenbar hatte mich<br />

weder sie noch jemand von der STA schon gesichtet. Am 4.7. verfasste<br />

die Polizei eine Randbemerkung. Angeblich soll ich wieder nach<br />

Liechtenstein eingereist sein. Daher bat sie um ein Treffen mit der STA<br />

und der Justiz, um zu besprechen, wie in dieser Sache weitergefahren<br />

werden soll.<br />

Am Wochenende kamen mir die ersten Zweifel auf, ob sich alles so<br />

abspielen würde, wie man es mir im Ausland bunt ausgemalt hatte.<br />

Schlimmer noch, ob sich in Vaduz in den letzten paar Monaten alles so<br />

abgespielt hatte, wie man es mir im Ausland erzählt hatte. Ich merkte,<br />

wie mein analytisches Denkvermögen wieder überdrehte.<br />

Nein, es konnte nicht sein, dass sich nach so vielen monatelangen<br />

Diskussionen mit dem Bankdirektor und dem Professor alles in Luft<br />

auflösen sollte. Nein, undenkbar. Und ich war keiner, der jedes zweite<br />

405


oder dritte Wort falsch verstanden hatte. Im Gegenteil, ich ging jede<br />

Aussage, jedem Versprechen von Seiten des Bankdirektors und Hans-<br />

Adam gründlich auf den Grund. Natürlich hatten wir selten dieselbe<br />

Meinung, aber in Bezug auf die Lösungswege stellte ich sicher, dass wie<br />

alle dasselbe darunter verstehen. Wahrscheinlich, so kam im zum Schluss,<br />

war ich nur deswegen verwirrt, da ich erst seit vier Tagen wieder<br />

daheim war und den vollständigen Überblick noch nicht hatte.<br />

Ich war mir sicher, dass die Audienz bei Hans-Adam mir den nötigen<br />

Durchblick bringen würde. Zum Glück wurde mir am<br />

Samstagnachmittag der Fernseher geliefert. Dies brachte etwas<br />

Ablenkung.<br />

Für Montag, den 7.7., hatte sich niemand angemeldet und ich hatte auch<br />

keine Termine. Ich überlegte lange, ob ich in den sauren Apfel beissen<br />

und STA Haun direkt anrufen sollte. Nachfragen, wann man die<br />

Anklage im 101er erheben würde. Je mehr ich darüber nachdachte, umso<br />

weniger gefiel mir die Ausführung. Wenn überhaupt, wäre es besser<br />

zuerst einen Brief zu schreiben und die Reaktion abzuwarten. Eine<br />

schöne Abwechslung würde mir ein Ausflug in die Berge geben. Also ab<br />

ging es mit dem Bus nach Malbun, dem Liechtensteiner „St. Anton‚. Ich<br />

wanderte eine Runde im Kreis, dann runter nach Steg und durch einen<br />

kleinen Tunnel auf die Westseite des Höhenzugs. Die Aussicht war<br />

atemberaubend. Das ganze Rheintal lag einem zu Füssen. Welch<br />

Kontrast zur holländischen Landschaft. Ich durchquerte Wiesen und<br />

etliche Wald- und Feldwege bis ich in Triesenberg angelangte. Von dort<br />

ging es mit dem Bus wieder heim. Nach einem langen Tag war ich froh,<br />

die Beine hoch legen zu können.<br />

Wie abgemacht stand ich am Dienstag, den 8.7., pünktlich um 11 Uhr<br />

beim UR Dr. Meier auf der Matte. Der Zufall wollte es, dass der Neffe<br />

vom RA Wolfgang Müller, Dr. Roland Müller (Partner/Rechtsanwalt in<br />

der Kanzlei Müller) wegen einer anderen Sache gerade beim UR im Büro<br />

war. Trifft sich gut, sagte ich. Ich bat ihn doch für das kurze Gespräch<br />

mit dem UR zu bleiben. Gerne willigte er ein.<br />

Der UR erläuterte ihm schnell die Sachlage im 101er Gerichtsfall. Als UR<br />

im 101er wäre er überaus zuversichtlich, dass das Obergericht sehr bald<br />

meinem Antrag zur Fortsetzung der Strafuntersuchung befürworten<br />

würde. Das wäre zu begrüssen, erwiderte ich. Aber, fuhr ich fort, schon<br />

vorher würde die STA ihn informieren, dass sie die Strafuntersuchung<br />

406


gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. wieder aufgenommen habe<br />

und eine Anklage einreichen würde. Dann müsste ich ja nicht selber als<br />

Subsidiarankläger fungieren. Das würde viele erleichtern, antworteten<br />

beide Juristen. Noch hätte der UR aber nichts in diese Richtung von der<br />

STA gehört. Wird schon noch kommen, versicherte ich beiden.<br />

Der Dr. Roland Müller versprach mir, seinen Onkel zu bitten, rasch seine<br />

Rechtsvertretung von mir in diesem Fall formell abzuschliessen.<br />

Am Nachmittag rief der Bankdirektor auf meinem Handy an und teilte<br />

mit, dass ich morgen um 9 Uhr ins Schloss kommen kann. Er sagte auch,<br />

dass ich nie vergessen soll, was Hans-Adam für mich getan hätte und<br />

keine Angst haben soll. Und wenn es geht, soll ich wegen allfälligen<br />

Meinungsverschiedenheiten nicht gleich aufbrausen. Warum? Warum<br />

sollte ich Missverständnisse mit ihm haben, fragte ich. Dies wäre nur ein<br />

guter Tipp von ihm. Er müsse jetzt gehen und beendete das Telefonat.<br />

407


KAPITEL 20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam<br />

Der wohl wichtigste und schwierigste Tag meiner letzten sechs Jahre<br />

war gekommen. DAS Vier-Augen-Gespräch mit Hans-Adam dem II.,<br />

dem Staatsoberhaupt und Landesführer. Am Abend zuvor hatte ich mir<br />

bei meiner Nachbarin ein Bügeleisen ausgeliehen. Frisch geduscht und<br />

rasiert, mit weissem Hemd und blauer Jeans bekleidet, war ich<br />

marschbereit.<br />

Der schnellste Weg hinauf zum Hans wäre die Abkürzung durch den<br />

Wald unterhalb vom Schloss, vorbei an der Rückseite des<br />

Regierungssitzes und dem Restaurant Real. Dann würde ich aber<br />

verschwitzt ankommen, erkannte ich. Und das ging nicht. Besser den<br />

Bus ins Zentrum nehmen und meinen Onkel Guntram bitten, mich zum<br />

Schloss zu fahren. Er war immer eine hilfsbereit Seele . Beim grossen<br />

Eisentor des Schlosses angekommen, drehte er seinen Wagen um und<br />

wünschte mir viel Glück.<br />

Es war jetzt 15 Minuten vor 9 Uhr. Ich klopfte ans Fenster des kleinen<br />

Portierhäuschen. Man erwartete mich schon, wurde mir gesagt. Zum<br />

meiner Verwirrung kam die rechte Hand von Hans-Adam, Gilbert<br />

Kaiser den Kieselweg auf der anderen Seite des eisernen Tors hoch<br />

gelaufen. Das schwere Portal öffnete elektronisch und ich schritt ihm<br />

entgegen. Ich war nicht zum ersten Mal auf Besuch im Schloss. In meiner<br />

Kindheit und Jugend hatte ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu<br />

Hans-Adams Mutter, Fürstin Gina. Oft backte ich ihr meinen köstlichen<br />

Apfelstrudel und lief zu Fuss, im Sommer wie im Winter, den langen<br />

Fürstenweg von Schaan nach Vaduz durch den Wald, zu ihrem Schloss.<br />

Bis zu ihrem Tod 1989 hatte ich schriftlichen Kontakt und besuchte sie ab<br />

und zu. Der heutige Besuch war natürlich anders. Normalerweise wird<br />

ein Besucher alleine durch das Tor und dann runter zu alten Holzbrücke<br />

gelassen. Von dort sind es nur ein paar Schritte, vorbei an den Kanonen,<br />

die Richtung Tal ausgerichtet sind, bis zu den Büroräumen oder rechts<br />

um die Kurve in den Innenhof der Burg. Je nach dem, was für einen<br />

Termin man mit dem Blaublut hatte.<br />

Man wollte wohl bei mir von nun an auf Nummer sicher gehen. Ich<br />

kannte Kaiser seit einigen Jahren persönlich. Er hatte auch seit Jahren<br />

Kenntnis von meinem Argentinienfall. Er und seine nette Frau, die ab<br />

408


und zu mit im Schloss arbeitete, gehören zum treuesten Mitarbeiterstab<br />

der von Liechtenstein. Endlich, endlich bist du wieder da, rief er mir zu.<br />

Ich murmelte etwas verlegen und fragte ihn, ob Hans-Adam gut gelaunt<br />

wäre. Jetzt wieder, freute ich mich zu hören. Er beschwerte sich, dass ich<br />

ab dem 7.1. reichlich Hektik hier in den Haushalt gebracht hätte.<br />

Man wäre sehr besorgt um die Reputation der Familie und der LGT<br />

gewesen, nicht zu vergessen die Gefahr für die Kunden. Ich weiss, ich<br />

weiss, erwiderte ich. Dann wurde er ernst und sagte, dass man es mir<br />

sehr übel genommen hätte, dass ich so viele Monate schlaflose Nächte<br />

hier im Schloss produziert hatte. Es sei ja alles noch mal gut gegangen,<br />

war das wenige, dass ich zu meiner Verteidigung sagen konnte. Er<br />

wurde noch deutlicher und sagte wortwörtlich, wenn ich die Daten<br />

verraten hätte, hätte ich diese Übeltat nicht überlebt. Diesen Satz<br />

untermauerte er bildlich indem er langsam mit dem Daumen seiner<br />

rechten Hand von ganz links bis ganz rechts entlang seiner Kehle fuhr.<br />

Mir wurde sofort klar, dass es kein Witz war.<br />

Auf dem Weg zum Büro erzählte er mir, dass mich die Blaublüter bis<br />

zum bitteren Ende gejagt hätten. Keiner pisst ungestraft denen ans Bein<br />

(Kaisers Worte). Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter laufen oder<br />

umkehren und raus rennen sollte. Aber, ich hatte in Wirklichkeit keine<br />

Wahl. Mir war bewusst, dass Hans-Adam mich die ersten 30 Minuten<br />

definitiv beschimpfen wird. Da musste ich durch und damit Basta.<br />

Kaiser begleitete mich bis ins Vorzimmer, wo die zwei Sekretärinnen am<br />

Computer sassen. Mir wurde gesagt, dass ich noch ein paar Minuten<br />

warten müsste. Dann wäre Durchlaucht empfangsbereit.<br />

Ich stülpte meine Hemdsärmel wieder runter und knöpfte sie zu, strich<br />

Hemd und Hose glatt und versuchte meine Nervosität zu unterdrücken.<br />

Die dunkle Holztüre öffnete sich und auf seine charakteristische Art &<br />

Weise kam Hans-Adam zwei Schritte auf mich zu und drückte meine<br />

Hand. Ich begrüsste ihn stürmisch und bedankte mich 10'000 Mal für die<br />

Audienz. Er drehte sich um und ich folgte ihm. Da erst erkannte ich,<br />

dass er gleich gekleidet war wie ich: weisses Hemd und eine blaue,<br />

jeans-artige Hose. Blau, die Farbe der Adeligen. Die Aussprache fand im<br />

jenem Raum statt, in dem er auch die ausländischen Gäste und ab und<br />

zu die Medien zu Gesprächen empfängt. Wir nahmen, jeder auf einem<br />

der Sofas, im 90° Winkel zueinander Platz. Die Möbel waren noch aus<br />

Zeiten seines Vaters, Franz Josef II.<br />

409


Er wirkte nicht nur gelöst, er war es auch. Ich, sonst immer eine grosse<br />

Klappe, war ganz still und wartete ab, was als nächstes passieren würde.<br />

Er war auch nicht gerade ein Gesprächsschnellstarter. Stille. Keine<br />

Schimpftiraden. Die Torte, kam es mir in den Sinn. Die feine Torte. Ich<br />

bedankte mich für die Sachertorte. Gern geschehen, erwiderte er. Ich sah,<br />

dass er vor sich auf dem Salontisch eine Mappe liegen hatte, die mit<br />

Heinrich Kieber markiert war. Sie war dicker als diejenige beim RA<br />

Müller. Ich dachte es wäre immer eine gute Idee, nach dem<br />

Wohlbefinden seiner Frau, seiner Kindern und den Enkelkindern zu<br />

fragen. Allen gehe es gut, sagte er. Der Gesundheitsstand seiner<br />

Schwiegertochter gab Anlass zur Sorge in letzter Zeit.<br />

Ich bedankte mich für die Notiz. Keine Ursache. Es wäre auch für ihn ein<br />

Novum gewesen. Er hätte schon vieles in seinem Leben gemacht, aber<br />

eine solche Notiz hätte er noch nie ausfertigen lassen und unterschrieben<br />

müssen. Der Professor hatte ihm dies empfohlen, sagte er.<br />

Mit dem Stichwort Professor gewann unsere Unterredung an Fahrt. Wir<br />

redeten über die Richter, die STA, die Justiz im Gesamten, seinen Erfolg<br />

bei der Abstimmung im März, die LGT, die Daten, die Kunden, seine<br />

Beteiligung an der Firma Ricetec, über den ehemaligen CEO der LGT<br />

Gruppe, den Hans-Adam vor vielen Jahren wegen (ABB-) Insidertrading<br />

(illegaler Handel mit ABB Aktien) schassen musste und über seinen<br />

Bunker wo die kostbaren Bilder aufbewahrt werden.<br />

Hans-Adam war überrascht, dass ich so viele Detailkenntnisse über seine<br />

Belange hatte. Die meisten Liechtensteiner wüsste nur ein Zehntel<br />

davon, sagte er. Ich erwiderte, dass ich immer mit offenen Augen und<br />

Ohren durch die Gegend ziehe, sehr viel lese und mich die Familie<br />

Liechtenstein immer schon fasziniert hatte. Er lachte freimütig – dies war<br />

für mich ein gutes Zeichen – und sagte, ja, mit offenen Augen und<br />

Ohren, sonst hätte ich die Gelegenheit, das Datenband zu entnehmen<br />

wohl nie erspäht.<br />

Er wollte mehr über die näheren Umstände des Diebstahls erfahren. Ihm<br />

sei gesagt worden, dass ich den Kniff noch nicht im Detail verraten hätte.<br />

Aber zuerst wolle er wissen, wie und warum ich ausgerechnet einen<br />

Hinweis in seiner Bilderkammer hinterlegt hatte.<br />

Ich erzählte ihm die Vorgeschichte dazu und dass ich unbedingt einen<br />

Mechanismus finden musste, bei dem ich sicher war, dass er selbst<br />

agieren musste und nicht wie immer einfach alles ohne es zu lesen<br />

410


weiterdelegiere. Er sagte mir, dass er schon herausgefunden hatte, wie<br />

ich mir ohne Gewalt Zugang zum Bunker verschafft hatte. Diese Lücke<br />

sei jetzt geschlossen, sagte er und hob den Zeigefinger.<br />

Aber natürlich erwiderte ich, nie im Leben würde ich irgendwo<br />

einbrechen oder so. In Bezug zum DLT-Band, sagte ich, dass es kein<br />

grosser Trick war; eher eine günstige Verkettung von Unachtsamkeiten<br />

seitens der LGT Treuhand. Ich erzählte ihm die Details. Unbewusst<br />

nannte ich das genaue Datum nicht. Erst später fiel mir auf, dass er auch<br />

nicht danach gefragt hatte.<br />

Er beschrieb mir, dass er strengere Sicherheitsvorkehrungen angeordnet<br />

hatte. Zusammen, mit meiner noch abzuliefernden Analyse, wie in<br />

Zukunft so etwas verhindert werden könnte, würde das die LGT wieder<br />

an die Spitze in Sachen Datensicherheit katapultieren. Er erzählte mir<br />

auch, dass die Datenträger, die ich für ihn in Berlin abgegeben hatte,<br />

unter Aufsicht vollständig zerstört worden waren.<br />

Ich hätte ja vom aktuellen Drama bei der LLB gehört, sagte er. Ja!<br />

Inwiefern man denken würde, dass ich da eine Hilfe sein könnte, fragte<br />

ich ihn. Nun ja, antwortete er, er denke, dass es mir gelingen würde, die<br />

richtigen Fragen an Lampert zu stellen oder zumindest für die Polizei zu<br />

formulieren. Ich bat ihn meinen Beitrag nicht zu überschätzen. Nein,<br />

nein, sagte er, mein Input wäre wichtig und Teil meiner eigenen<br />

Rehabilitation. Er erwarte in Bezug auf seine LGT schon eine gut<br />

formulierte Denkschrift (Analyse) von mir. Wann er diese haben möchte,<br />

fragte ich ihn. So schnell es ginge, antwortete er mir. Ich würde schon<br />

morgen damit beginnen, versprach ich ihm.<br />

Warum ich keinen Beweis als Beilage in meinem Brief vom 7.1. geliefert<br />

hätte, fragte er mich als nächstes. Ich hätte halt gedacht, dass mein langer<br />

Brief, mit den vielen Details ausreichen würde.<br />

Er erzählte davon, wie es zu Missverständnissen innerhalb der LGT<br />

gekommen wäre. Einmal hiess es, Kieber hätte die Daten nicht, dann<br />

hiess es er hätte sie doch und so weiter, sagte er mit Unterstützung<br />

seiner Arme. Ich entschuldigte mich für die Ungenauigkeit meines<br />

Schreibens. Ich fragte ihn, ob es wirklich keine personellen<br />

Konsequenzen für meine ehemaligen Mitarbeiter gab. Hoffentlich sei<br />

niemand entlassen worden. Er bestätigte, dass niemand zur<br />

Rechenschaft gezogen worden sei. Er würde aber lügen, hätte er nicht<br />

411


mit dem Gedanken gespielt. Insbesondere dachte er an Dr. Feuerstein,<br />

teile er mir mit.<br />

Jetzt, da nichts passiert sei, müsse man aber wieder in die Zukunft<br />

blicken. Das Geschäft laufe ausgezeichnet, sagte er wortwörtlich. Er<br />

bedankte sich ausdrücklich dafür, dass ich dem Bankdirektor gegenüber<br />

so beharrlich war und er deshalb die Papieroriginale wieder mit nach<br />

Hause genommen hat. Anstelle man sie in den Reisswolf stopfte.<br />

Ob ich mich versichert hätte, dass alle Datenträger unwiderruflich<br />

zerstört sind. Nicht dass sie jemand finden würde und die Daten<br />

rekonstruiert, sagte er. Ja, ja die Daten, sagte ich, Gott sei Dank wäre ich<br />

die los.<br />

Er fragte mich, ob die Daten der Mandate seiner grossen Familie, sei es<br />

als Begünstigte oder z.B. im Stiftungsrat, je in Gefahr gewesen waren.<br />

Nein, sagte ich. Es wäre so gewesen, wie ich es in meinem Brief an ihn<br />

vom 7.1. geschildert hatte. All diese Mandate wären nicht auf den zwei<br />

externen Harddisks und den vier DVDs gespeichert gewesen, aber auf<br />

dem DLT-Band natürlich vorhanden waren. Er konterte mit der<br />

Diagnose der IT-Abteilung der LGT Treuhand, die ihm gesagt hätte, eine<br />

Trennung solcher Mandate von der Masse sei nicht möglich. Ich war<br />

sehr erstaunt darüber und erklärte ihm, nichts sei einfacher als das.<br />

Wenn man eine Kopie von einem Datenstamm herstellt und man<br />

diverse Dateien nicht in dieser Kopie (auf neuem Datenträger) haben<br />

möchte, dann kopiert man sie einfach nicht rüber. Was nie rüberkopiert<br />

worden war, kann auch nie dort gefunden werden.<br />

Er war mit meiner Antwort merklich zufrieden.<br />

Warum ich in Berlin nicht in seinen Wagen eingestiegen bin, fragte er<br />

weiter. Ich konnte nicht. Ich wäre mir sicher gewesen, dass eine so frühe<br />

Rückkehr ein anderes Resultat gebracht hätte, als wir es jetzt erlebt<br />

hatten und erleben würden. Warum ich ausgerechnet nach Holland<br />

weitergefahren bin, fragte er mich. In Berlin konnte ich nicht mehr<br />

bleiben, erwiderte ich. Nachdem ihre berühmte Option 2 oder Variante 2<br />

in Kraft getreten war, sagte ich. Hätte man mir die Schutz-ID in Berlin<br />

überlassen, wäre alles viel leichter für mich gewesen. Das Risiko war<br />

enorm, mit den Originalpapieren und den Datenträgern kreuz und quer<br />

durch Europa zu reisen. Ich hätte ihn aber per Emailkommunikation<br />

darauf hingewiesen, dass er und die LGT dieses zusätzliche Risiko<br />

tragen müssten, erlaubte ich mir zu erwähnen.<br />

412


Ja, sagte Hans-Adam, im Rückblick hätte er mir den Schutz-Pass in<br />

Berlin übergeben sollen. Nie im Leben würde ich ihm deswegen<br />

Vorwürfe machen, sagte ich ihm. Uns allen hier in Vaduz kam die<br />

Vorstellung, wie ich mit den Angaben zu knapp 4000<br />

Treuhandgesellschaften mit einem kombiniertem Bankvermögen von<br />

mehr als 7 Milliarden CHF in Berlin herumrenne, wie der Beginn des<br />

letzten Abendmahls vor, formulierte er es bildhaft.<br />

Ich fragte vorsichtig, ob ich diesbezüglich ein paar Anekdoten erzählen<br />

dürfte. Gerne, er habe heute für alles ein offenes Ohr. Ich berichtete ihm<br />

über meine Vermieterin Daniela in Berlin, ihre Ängste ich könnte ein<br />

Terrorist sein. Und über den Polizisten aus Münster/Osnabrück.. Da<br />

Hans-Adam sein Glück fast nicht fassen konnte, legte ich noch eines<br />

drauf und illustrierte ihm mein Aufeinandertreffen mit den<br />

angeheuerten Schnüfflern in Berlin.<br />

Nachdem er tief Luft geholt hatte, sagte er mit grosser Erleichterung,<br />

dass wir alle nochmals mit einem dicken veilchenblauen Auge<br />

davongekommen waren. Ich nickte beipflichtend. Und der Zwischenfall<br />

in Berlin mit den Privatdetektiven wäre nicht seine Idee gewesen. Ich<br />

konnte ihn verstehen. Ich hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe<br />

getan, sagte ich etwas gedrückt. Ich fragte ihn, ob es stimme, dass man<br />

sich mit dem Gedanken befasst hatte, mich mit Gewalt nach Hause zu<br />

holen. Oder mich ganz zu beseitigen. Sofort nachdem ich diese Fragen<br />

artikuliert hatte, bereute ich sie gestellt zu haben. Ich war mir sicher,<br />

dass er mir darauf keine ehrliche Antwort geben würde, geben könnte.<br />

Der Bankdirektor und sein Gilbert Kaiser hätten sich diesbezüglich klar<br />

geäussert, fügte ich fix dazu, um nicht den Eindruck zu hinterlassen,<br />

dass ich ihm offen und direkt solche gangstermässigen Pläne<br />

unterstellen würde. Er hielt inne und dachte nur kurz nach. Offenbar<br />

fühlte er sich sehr (selbst-) sicher und es war ihm auch bewusst, dass,<br />

was immer er jetzt dazu sagen würde, er es einmal und nie wieder in<br />

Worte fassen würde und es unter uns bleiben würde. Man sah es ihm<br />

geradezu im Gesicht an, dass er als Landesführer, als Mensch, wohl noch<br />

nie in eine solche Lage geraten war, die in soweit bringen würde,<br />

überhaupt auf solche Fragen eine Antwort zu formulieren.<br />

Trotzdem war seine Antwort glasklar: Obwohl er als Katholik<br />

Gewalttaten wie Kidnapping oder ähnliches ablehnen würde, hätte ich<br />

ihm mit meinem Handeln nur zwei Optionen offen gelassen. Nie würde<br />

er es zulassen, dass sein Geschäftsimperium einen Schaden erleiden<br />

413


würde. Natürlich sei es klar, fuhr er fort, dass wenn der Schaden gross<br />

wäre, die davon am schwersten Betroffenen ihr Recht, den Schuldigen<br />

aus der Welt zu schaffen, in die eigenen Hände nehmen würden. Dies sei<br />

eine rein theoretische Frage, erwiderte er, da ja keine Daten verraten<br />

worden waren. Aber wären die Daten wirklich verraten worden, dann<br />

wäre eine solche drastische Massnahme – von wem auch immer -<br />

durchaus evident, schloss er seinen Vortrag dazu. Wobei er sich keine<br />

Mühe gab zu verbergen, wen er mit den Schwerstbetroffenen meinte.<br />

Seine Sippe.<br />

Das Dümmste was ich dazu sagen konnte, hörte er dann auch von mir:<br />

Aha, ich verstehe ganz – kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen, sagte<br />

ich. Wie blöd von mir, stellte ich in Gedanken fest. Als würde ich eine<br />

solche Massnahme auch noch selber befürworten. Besser in dieser<br />

Richtung nicht tiefer bohren, dachte ich.<br />

Da ich spürte, dass man mit ihm wirklich Klartext reden konnte und ich<br />

das Gespräch von meinem Handeln wegleiten wollte, wagte ich mich vor<br />

und erwähnte seine Leichen im Keller. Schliesslich waren wir zwei<br />

alleine im Raum. Ich schilderte, wie erstaunt ich gewesen war, bei der<br />

LGT nicht nur Leichen gefunden zu haben, sondern auch aktive Mandate<br />

identifizieren konnte, die im starken Kontrast stand zu dem gängigen<br />

Bild was die (Finanz-) Welt von der LGT hatte und die LGT selber<br />

pflegen würde. Dass nicht nur ich, auch andere Mitarbeiter des Projekts<br />

e-Doc aus allen Wolken gefallen wären,als wir die vielen Mandate mit<br />

kriminellem Hintergrund gefunden hätten.<br />

Er äusserte sich dahingehend, dass ich schon verstehen müsse, dass er<br />

selber nie alle Mandate persönlich kennen könnte. Sein Bruder aber<br />

schon, meinte ich frech. Ich sagte auch, dass ich weder ihn noch die LGT<br />

kritisieren wolle.<br />

Ich fragte ihn, ob man mittlerweile so klug gewesen wäre und sich jener<br />

Mandate entledigt hatte. Nein, war die kurze Antwort. Hans-Adam<br />

erklärte dazu, dass was im Ausland als kriminell gelten würde, nicht<br />

automatisch bei uns so sei. Na, wenn dem so sei, dann lasst uns nur<br />

hoffen, dass die Daten nie den ausländische Behörden in die Hände<br />

fallen, erwiderte ich.<br />

Um das Gespräch weg von solchen Horrorszenarien zu bringen, bat ich<br />

ihn, mir das 3-D-Modell des Kerkers in Argentinien zurückzugeben. Der<br />

414


UR Dr. Meier hätte mir gestern gesagt, dass es nicht zum Gericht<br />

gebracht wurde. Ach ja, die grosse Schachtel, sagte Hans-Adam, die habe<br />

er entsorgen lassen. Man wusste nicht wohin damit im Schloss. Ich<br />

dachte zuerst es wäre ein blöder Scherz von ihm. Aber nein, leider nicht,<br />

sagte er.<br />

Mich traf es sehr. Er war dann auch über den Schock, den seine Antwort<br />

im mir auslöste, sehr betroffen. Es tue im Leid, aber in der Anfangsphase<br />

wäre man sehr wütend auf mich gewesen. Das Modell wäre ein<br />

wichtiges Beweisstück, sagte ich, für den Gerichtsprozess. Wie konnte er<br />

es da wegwerfen? Warum man es nicht runter zum Gericht habe bringen<br />

können, fragte ich. Er wisse es nicht mehr. Mir kamen die Tränen und er<br />

wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er bestellte<br />

Papiertaschentücher bei seiner Sekretärin.<br />

Um die Stimmung wieder zu heben, erzählte er mir, dass er den 101er<br />

und der 140er selber studiert hätte. Grausam was mir dort angetan<br />

worden war. Er kenne Südamerika gut. Abscheuliche Dinge passieren da<br />

immer wieder. Von diesem Spanier Ventosa und dem Deutschem,<br />

Roegele heisst er, nicht wahr? Ich würde ihm Leid tun, sagte er wieder.<br />

Wenige Menschen hätten solchen Terror ohne einen psychischen<br />

Schaden überlebt. Ich wusste nicht genau, wie ich diese wortwörtliche<br />

Aussage von ihm deuten sollte. Meinte er damit, ich hätte einen<br />

Dachschaden davongetragen, oder meinte er ich hätte keinen.<br />

Egal, Böse hatte er sicher nicht gemeint, dachte ich.<br />

Ich fragte ihn vorsichtig, warum der neue RA Müller noch nicht beim<br />

Gericht in diesen zwei Fällen vorstellig geworden sei. Er selber sei leider<br />

kein Jurist, antwortete er. Oft hätte er sich dies in der Vergangenheit aber<br />

gewünscht, sagte er in Anspielung auf die verbittert geführte<br />

Auseinandersetzung im Abstimmungskampf um die neue Verfassung.<br />

Er führte weiters aus, dass ihm seine Experten auch bescheinigt hätten,<br />

dass mir Unrecht geschehen war. Die STA hätte ohne Schwierigkeit<br />

Anklage erheben können. Ob das Kriminalgericht in der Folge die Täter<br />

verurteilt hätte, stünde in einem anderem Buch, sagte er. Ich stimmte<br />

vollkommen mit ihm überein. Ich sagte, dass die STA die ganzen Jahre<br />

hindurch stets eine andere Ausrede gesucht und gefunden haben muss,<br />

um im 101er nicht vorwärts zu kommen.<br />

415


Auf einmal piepste es aufdringlich aus Richtung des alten Schrank oder<br />

der Kommode nahe dem Kasten.. Ich erschrak. Er stand auf,<br />

entschuldigte sich und verliess den Raum. Ich sass da und dachte über<br />

das bisher gesprochenen nach. Dann kam mir der Gedanke, dass er<br />

womöglich das Gespräch heimlich aufzeichnen lässt. Darum der<br />

Piepston. Die Tonbandkassette voll oder das Digitalaufnahmegerät hatte<br />

keinen Saft mehr.<br />

Es vergingen zwei oder drei Minuten, dann kam er wieder rein und<br />

setzte sich auf seinen Platz. Er würde gerne jetzt über meine Zukunft<br />

reden, sagte er. Das wäre wünschenswert, erwiderte ich. Er erzählte mir,<br />

dass er folgenden Plan habe. Ihm sei es angeblich nicht gelungen, die<br />

Justiz davon zu überzeugen, dass man den 140er Gerichtsfall und die<br />

Strafuntersuchung im Zusammenhang mit meinem Brief an ihn einstellt.<br />

Noch bis Anfang dieser Woche hätte er Gespräche deswegen geführt.<br />

Als er merkte, dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall<br />

ansetzen wollte, unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn<br />

bitte ausreden zu lassen. Wegen der ganzen Angelegenheit hätte sich bei<br />

der Justiz und der STA ein gewisser Level an Ressentiments (Groll,<br />

Hass) mir gegenüber aufgebaut. Diese Hass sei zwar keine ideale,<br />

professionelle Berufsauffassung, dennoch führe kein Weg daran vorbei,<br />

die Affäre ein für alle mal, hier und jetzt in Vaduz zu beenden.<br />

Er müsse den involvierten Parteien, der Justiz eine gewisse Lösung<br />

anbieten, wobei sie ihr Gesicht nicht verlieren. Ein Ablassventil<br />

sozusagen, um der angestauten dicken Luft die Gelegenheit zu geben,<br />

kontrolliert entweichen zu können, erklärte er mir buchstäblich. Unter<br />

kontrolliert würde er mit „minimalem Schaden für mich‚ meinen,<br />

ergänzte er. Ich hatte eher das Gefühl, dass er das Ventil braucht, um<br />

seine angestaut Pressluft loszuwerden. Er war noch nicht fertig mit der<br />

Ausführung seines Plans.<br />

Da die Anklage im 140er rechtskräftig wäre, würde man die neu dazu<br />

gekommenen Straftaten, wie die versuchte Nötigung seiner Person mit<br />

dem 140er zusammenlegen und alles in einem raschen Verfahren<br />

gerichtlich abschliessen. Ich müsste es von der positiven Seite sehen.<br />

Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und bombardierte ihn mit<br />

Fragen. Seit wann wäre die Anklage im 140er rechtskräftig? Warum<br />

wurde mir nichts davon gesagt? Warum wurde mir von seinen zwei<br />

Gesandten etwas ganz anderes in Holland aufgetischt? Als er merkte,<br />

dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall ansetzte,<br />

416


unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn bitte ausreden zu<br />

lassen.<br />

Zudem würde ich nicht verstehen, warum er sagt, dass er die Justiz von<br />

einer Einstellung der Verfahren nicht überzeugen konnte, wenn er doch<br />

Kraft der Verfassung jedes Gerichtsverfahren in Liechtenstein eröffnen,<br />

wiedereröffnen oder einstellen kann.<br />

Er wisse dies alles, erwiderte er zu meinem erstaunen. Aber, a-b-e-r, das<br />

Endresultat wäre dasselbe. Warum, fragte ich. Sie wollen doch das alles<br />

rasch hinter sich bringen, nicht wahr, fragte er mich und fuhr fort, ohne<br />

auf meine Antwort zu warten. Meine eigene Position in der Verfolgung<br />

der Täter von Argentinien würde immens an Stärke gewinnen, wenn<br />

vorher alle anderen Fälle juristisch abgeschlossen waren, sagte er und<br />

fügte folgende Argumentation an: Wir hätten hier zwei Optionen. Wir<br />

könnten die Spanier nochmals anfragen, ob die den bei Gericht in<br />

Barcelona hängigen Fall an uns abtreten würden, oder wir könnten die<br />

in Spanien vorgeworfene Tat bei unserem Gericht selber behandeln (dem<br />

140er) und das Resultat an die Spanier übermitteln.<br />

Aufgrund der Vereinbarung mit der spanischen Justiz würde das<br />

Gericht in Barcelona unser Urteil anerkennen und somit den Fall dort<br />

schliessen. Was bedeuten würde, dass endlich, nach so vielen Jahren,<br />

auch der spanische Haftbefehl gegen mich aufgehoben würde. Dies<br />

leuchtete mir ein. Er habe das Gericht und die STA angewiesen, diesem<br />

Fall nun die höchste Priorität zu geben, sodass alles am Ende dieses<br />

Jahres erledigt sein würde. Ende des Jahres, sagte ich entsetzt und<br />

schüttelte den Kopf hin und her. Unmöglich! Und sowieso, welches<br />

Resultat würde er sehen, fragte ich ihn. Da ich mich vehement gegen die<br />

Beschuldigungen im 140er wehren würde, würde sich dieser Fall über<br />

Jahre durch alle Instanzen ziehen. Insbesondere weil die<br />

verurteilungssüchtige STA mit einem möglichen Freispruch nicht<br />

zufrieden sein wird.<br />

Er hätte dies mit seinen Experten auch bedacht. Ich befände mich in<br />

einer aussergewöhnlich optimalen Lage, sagte er. Da der Plan vorsah,<br />

den 140er mit den neuen Vorwürfen zusammenzulegen, könne ich ein<br />

mildes Urteil erwarten. Mein Vorstrafenregister beim Gericht sei ja leer.<br />

Tatsache wäre auch, dass ich keinen Schaden für ihn und Liechtenstein<br />

verursacht hätte, freiwillig nach Hause gekommen war und Reue gezeigt<br />

417


hätte. Dies alles würde das Gericht berücksichtigen müssen. Sollte dies<br />

nicht der Fall sein, würde er sofort vorstellig werden. Ich war, was selten<br />

vorkam, sprachlos.<br />

Natürlich, so empfahlen es ihm angeblich seine Experten, könne dies<br />

alles nur reibungslos und in einer überschaubaren Frist passieren, wenn<br />

ich mich bei der Gerichtsverhandlung nicht gross äussern würde. Am<br />

Besten sei es, wenn ich mich zu allem schuldig bekenne, sagte er. Ich<br />

musste zehn Mal leer schlucken. Wie bitte? Ich musste erst die Worte<br />

verdauen. Weiss mein neuer RA davon, fragte ich ihn. Ja, sagte er. Alles<br />

sei mit ihm so diskutiert worden.<br />

Das ich mich im Bezug auf die neuen Vorwürfe (resultierend aus dem<br />

Brief an ihn vom 7.1.) schuldig bekenne, könnte ich mir wage vorstellen.<br />

Es komme aber darauf an, was mir konkret im Gericht dazu dann<br />

vorgeworfen würde, sagte ich. Ein undurchdachtes „sich schuldig<br />

bekennen‚ könnte schwere Konsequenzen für mich haben, stellte ich<br />

fest. Aber unter keinen Umständen, auf keinen Fall würde ich mich im<br />

140er schuldig bekennen. Ob hier alle verrückt geworden wären, fragte<br />

ich ihn und entschuldigte mich sofort für diese Frage. Das ergibt doch<br />

alles keinen Sinn! Nach über sechs Jahren Widerstand gegen die falschen<br />

Behauptungen, soll ich aus heiterem Himmel eine 180°-Drehung machen<br />

und mich ohne Kommentar einfach schuldig bekennen? Wer das von<br />

mir verlangen würde, hätte nichts von dem verstanden, was ich<br />

anprangert hatte. Es wäre mir bewusst, dass meine Karten im Moment<br />

nicht gut sind, sagte ich. Der Grund dafür waren die Fehlurteile der<br />

Justiz hier.<br />

Recht haben und vor Gericht Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe,<br />

belehrte er mich. Und manchmal mache es doch keinen Sinn, auf die<br />

ultimative Wahrheit zu pochen. Und wie man sich die Anklage im 101er<br />

vorstellen würde, fragte ich ihn dann. Es wäre doch absurd, wenn ich<br />

mich im 140er ohne weiteren Kommentar für schuldig bekennen würde<br />

und im nächsten Atemzug eine Anklage gegen die Verbrecher Helmut<br />

Roegele & Co. vorgelegt würde. Der Anwalt von Helmut würde sich<br />

doch kaputtlachen und die Anklage in der Luft zerreissen. Hans-Adam<br />

hatte auch darauf eine Antwort. Seine Rechtsexperten wären der<br />

Meinung, dass ein Schuldbekenntnis im 140er absolut keinen Einfluss<br />

auf eine Anklage im 101er hätte. Beide Fälle wären juristisch getrennt<br />

behandelbar. Ich widersprach scharf.<br />

418


Und was ist mit dem blockierten Geld, fragte ich. Würde ich mich im<br />

140er schuldig bekennen, bedeute dies automatisch, dass meine Folterer<br />

das Geld bekommen. Nein, noch schlimmer Helmut würde alles<br />

bekommen. Dank dem Urteil vom Gericht in Vaduz könnte er einen<br />

doppelten Sieg feiern, über mich und über seinen Komplizen Mariano<br />

M.-V. R, mit dem er die Beute nicht mehr teilen müsste.<br />

Auch dazu hatte er sich eine rechtliche Meinung einholen lassen, sagte<br />

er. Er versprach mir dass er sofort nach Abschluss einer erfolgreichen<br />

Strafverfolgung auch helfen würde, die Gelder durch ein Zivilverfahren<br />

am Wohnort von Helmut wieder zurückzuholen. Koste es was es wolle.<br />

Weiters fragte ich ihn, wie dies alles praktisch ablaufen sollte. Was<br />

würde passieren, wenn mich das Gericht, nach einem sensationellen<br />

Schuldbekenntnis ins Gefängnis wirft? In der Sekunde, in der ich diese<br />

Frage beendet hatte, begriff ich die Bedeutung des Satzes im Beschluss<br />

zum Freien Geleit: „Der Antragsteller kann bis zu einer erstinstanzlichen<br />

Verurteilung auf freiem Fuss bleiben.‚<br />

Ich schilderte Hans-Adam meine Befürchtung, dass man mich ins<br />

Gefängnis werfen würde und ich nie die Zeit, Kraft und Chance hätte,<br />

die wichtige Anklage gegen die Verbrecher mitzuerleben. Jetzt wäre mir<br />

auch klar, warum der neue RA Müller nicht für die Fälle 140 und 101<br />

nominiert worden war, fügte ich konsterniert bei.<br />

Hans-Adam wurde etwas ungeduldig. Er sehe nicht, warum mich ein<br />

Gericht zu einer Haftstrafe verurteilen sollte. Zudem hätte er Mittel und<br />

Wege zur Hand, dies zu verhindern. Es würde keinen Zweck haben, jetzt<br />

auf Paragraphenreiterei zu pochen. Es wäre doch das Beste, wenn ich<br />

endlich über die Kombination Argentinien und Liechtenstein hinweg<br />

kommen würde. Ich sah ihn mit ganz offenen Augen an und fragte, was<br />

er damit meine. Er offenbarte mir, dass nicht nur er aufgrund meines<br />

gestörten Verhältnisses zur STA und der Justiz eine ganz kleine<br />

Erfolgsaussicht sehen würde, die Verbrecher ihre verdiente Strafe hier in<br />

unserem Land erhalten würden.<br />

Ich erkannte sofort, worauf er hinaus wollte. Diese Worte waren zu viel<br />

für mich. Ich entschuldigte mich höflich, stand auf und lief zur Türe. Auf<br />

dem kurzen Weg dorthin bedankte ich mich nochmals für seine Mühe,<br />

Gnade und sein Verständnis. Ich sagte ihm, dass ich es ihm nicht übel<br />

nehme, dass er mich mit Versprechen nach Hause gelockt hat, die er jetzt<br />

offenbar nicht einhalten konnte oder wollte.<br />

419


Herr Kieber, Herr Kieber, b-l-e-i-b-e-n sie hier, rief er. Mir war die ganze<br />

Situation peinlich. Er konnte ja wirklich nichts dafür, was 1996 in<br />

Spanien und 1997 in Argentinien passiert war. Selbst im Hinblick auf<br />

seine LGT, die absolut keine saubere Weste hatte, wer war ich, ihm<br />

etwas vorzuwerfen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, dem vertraut wurde, der<br />

dann Daten mitgenommen hatte. Ich stand für ein paar Sekunden still<br />

und dachte blitzschnell nach. Sollte ich jetzt rausgehen oder sollte ich<br />

bleiben. Besser ich bleibe, dachte ich. Ich setzte mich wieder.<br />

Hans-Adam sagte, dass er selbstverständlich seine Zusagen und<br />

Versprechungen halten würde. Sonst würde er sie erst gar nicht<br />

aussprechen und überbringen lassen. Ich sollte ihn einfach mal fertig<br />

ausreden lassen, was den Plan betreffen würde. Er habe nach sorgfältiger<br />

Prüfung festgestellt, dass das Einsetzten oder Bestellen eines<br />

Sonderstaatsanwaltes sowie die Benennung eines ausserordentlichen<br />

Richtergremiums in LIECHTENSTEIN kein Vorteil (für mich) bringen<br />

würde. Warum, stellte er gleich selber die Frage. Weil wir da auf zu<br />

starke Widerstände treffen würden, sagte er.<br />

Ich begriff nichts mehr. Seine Experten kamen zum Schluss, dass das<br />

angestrebte Ziel, die Verbrecher von einem Kriminalgericht erfolgreich<br />

verurteilen zu lassen, viel besser in den Wohnsitzländern der Täter<br />

erreicht werden könnte. Das waren Deutschland, Spanien und<br />

Argentinien. Die Straftaten seien Offizialdelikte und sehr gut<br />

dokumentiert, die Beweislage exzellent. Mit der Verpflichtung der besten<br />

Rechtsanwaltskanzleien vor Ort wären die Täter schon mit einem Bein<br />

im Gefängnis. Der genaue Aufenthaltsort der Täter könnte<br />

gegebenenfalls mit Hilfe von privaten Ermittlern ausfindig gemacht<br />

werden.<br />

Hans-Adam sagte, er würde auch anerkennen, dass die Mühlen der<br />

Justiz in Argentinien sehr langsam mahlen würden. Für Spanien und vor<br />

allem Deutschland sehe er keine solchen Probleme. Die meiste Zeit<br />

wurde ja bei der Liechtensteiner Justiz vergeudet. Seit der Anzeige sind<br />

über sechs Jahre vergangen, rechnete er mir laut vor. Das würde doch<br />

zeigen, dass unser System nicht das schnellste wäre. Ich konnte ihm da<br />

nur leise und kopfnickend zustimmen. Natürlich wäre dies alles mit<br />

enormem finanziellem Aufwand verbunden, zitierte er die Worte der<br />

Experten.<br />

Die Sekretärin klopfte an die Türe und meldete einen Anrufer für Hans-<br />

Adam. Dieser stand auf und ging raus. Vorher sagte er noch, dass ich<br />

420


mir die Angelegenheit doch ein paar Minuten durch den Kopf gehen<br />

lassen soll. Langsam verstand ich die Erläuterungen von Hans-Adam.<br />

Denkbar, dass er Recht hatte. Er hat sicher nur Topakademiker um Rat<br />

gefragt, sagte ich zu mir selber. Als er zurückkam, erzählte ich ihm, dass<br />

im 101er ja noch der Entscheid des Obergerichts ausstehen würde. Ja, er<br />

wisse dies, sagte er und erklärte mir: Selbst wenn meinem Antrag auf<br />

Fortführung der Strafuntersuchung stattgegeben würde, oder – was von<br />

Anfang an der Fall hätte sein sollen – die STA in Vaduz die Anklage<br />

erhoben hätte - würde dies nicht bedeuten, dass die Täter freiwillig vor<br />

dem Kriminalgericht erscheinen würden.<br />

Haftbefehle für die Täter wären dann der nächste logische Schritt. Ob<br />

das Ausland die Täter nach Liechtenstein ausliefern würden, stehe in<br />

den Sternen. Wenn ich es wünschte, könnte er der Justiz den Auftrag<br />

geben den 101er Gerichtsfall an die Justiz der betroffenen Länder<br />

abzutreten. Nein, nein, rief ich. Das dauert sicher wieder zu lange. Besser<br />

wäre es doch zumindest parallel dazu, eine Anzeige bei den<br />

Bezirksgerichten des Wohnorts jedes einzelnen Täters einzureichen.<br />

Oder, fragte ich.<br />

Ja, das meine er ja gerade, jubelte er. Natürlich wäre es mir freigestellt,<br />

diesem Plan zuzustimmen. Was er als sehr wünschenswert empfinden<br />

würde. So wie die Lage sich heute zeige, sagte er. Der Plan wäre<br />

durchführbar.<br />

Wer garantiere mir, sagte ich zu ihm, wer garantiere mir, dass wenn ich<br />

alle weiteren Forderungen von ihm erfüllen würde, wie zum Beispiel ein<br />

Pauschal-Schuldbekenntnis der zusammengelegten Vorwürfe, und wenn<br />

ich mich zudem so verhalte, wie es von ihm gewünscht wird, wer<br />

versichere mir, dass man nachher immer noch zu mir stehe würde und<br />

der Gerechtigkeit ihren Erfolg bringen würde? Von dem blockiertem<br />

Geld in Österreich kann ich mich endgültig verabschieden, sollte ich im<br />

140er ein Schuldbekenntnis abliefern, sagte ich. Meine restlichen eigenen<br />

Mittel würden nie und nimmer ausreichen, um gleichzeitig in mehreren<br />

Ländern Topanwaltskanzleien zu bezahlen. Oder würde das Land<br />

Liechtenstein die Kosten übernehmen, fragte ich idiotisch.<br />

Er holte tief Luft und lieferte die bedeutendste Antwort, die ich je von<br />

ihm gehört hatte: Er, Johann Adam II. garantiere es mir. Er erkenne an,<br />

dass ich alle bisherigen Forderungen erfüllt hatte. Ich sei zwar länger als<br />

421


ertragbar im Ausland geblieben, aber ich hätte mein Versprechen<br />

gehalten und niemanden verraten. Es habe ihn auch stark beeindruckt,<br />

dass ich kein Erpresser wurde, ganz im Gegensatz zu Lampert. Er<br />

versichere mir, dass er alles was in seiner Macht stehe unternehmen<br />

werde, um eine Strafanzeige gegen die Verbrecher in meinem Sinne<br />

voranzubringen. Er habe sehr gute Regierungskontakte nach Spanien<br />

und Deutschland. Als Dank für meine Loyalität übernehme er auch ohne<br />

zeitliches oder betragsmässiges Limit alle Kosten die in diesem<br />

Zusammenhang anfallen würden.<br />

OZA-<br />

Er gebe mir sein Wort dafür. Er gebe mir sein WORT<br />

-OZE<br />

Ich war wie gelähmt. Unser Staatsoberhaupt, mein Staatsoberhaupt gab<br />

mir sein Wort. Gab mir sein Wort. Mir sein Wort. Sein Wort. W-O-R-T.<br />

Es war kein Ehrenwort, nein. Ein Ehrenwort kommt von einem<br />

Ehrenmann. Und Hans-Adam war keiner. Er war mehr. Seine Institution<br />

war höher, die höchste Instanz im Lande, für mein Leben sowieso. Nicht<br />

dass ich dachte, er wäre wirklich an dritter Stelle: zuerst Gott, dann der<br />

Papst und gleich danach er. Mir reichte es, wenn er dies glaubte.<br />

Um es für meine deutschen Leser und Leserinnen symbolisch<br />

aufzuzeigen. Das Wort von Hans-Adam hat soviel Bedeutung für uns<br />

Untertanen, wie – auf Deutschland umgelegt – das Wort von<br />

Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel und Bundespräsident Herr Horst<br />

Köhler zusammen. Ohne, dass ich die zwei ausserordentlichen Politiker<br />

und Menschen mit dem Charakter eines Hans-Adam vergleichen will.<br />

Ob ich dies schriftlich haben könnte, witzelte ich ohne eine Antwort zu<br />

erwarten. Er forderte mich auf, niemandem von unserem Gespräch<br />

etwas mitzuteilen. Er würde es sehr ungern sehen, wenn<br />

Aussenstehende wie die Justiz oder die STA von unserem<br />

Gesprächsinhalt erfahren würden. Er bat mich auch, keine Details zu den<br />

Mandaten der LGT preiszugeben. Ich wunderte mich über diesen<br />

Wunsch und sagte, wer sollte mich dazu befragen.<br />

422


Der erste Schritt in diesem Plan wäre meine Einvernahme morgen beim<br />

Untersuchungsrichter, antwortete er. Untersuchungsrichter? Morgen?<br />

Ich wüsste von nichts, sagte ich. Hans-Adam meinte, dass ich morgen<br />

um 9 Uhr einen Termin beim Untersuchungsrichter habe. Aha, sagte ich<br />

und zuckte mit den Schultern. Ich erzählte ihm, dass ich Gerüchte gehört<br />

hatte, dass ausgerechnet der STA Haun für die Strafuntersuchung der<br />

neuen Vorwürfe eingesetzt wurde. Hans-Adam sagte, er wisse dies nicht<br />

genau, würde aber aufgrund der Vorgeschichte mit mir übereinstimmen,<br />

dass dies mir gegenüber nicht fair wäre. Er betonte aber, dass ich den<br />

Haun ignorieren solle, dieser hätte nichts zu sagen und stelle kein<br />

Hindernis für mich dar.<br />

Er schaute auf seine grosse Armbanduhr und mit einem Seufzer sagte er,<br />

dass das Gespräch länger gedauert hatte, als ursprünglich geplant war.<br />

Er müsse sich leider verabschieden, wichtige Geschäfte warteten auf ihn.<br />

Er erwähnte noch, dass ich ihn jederzeit anrufen könne, wenn mich<br />

etwas bedrücken sollte. Ansonsten wäre ja der Professor auch noch für<br />

mich da.<br />

Er bat mich ihn auf dem Laufenden zu halten. Und er wünschte mir für<br />

die Arbeitssuche alles Gute. Mit einem Schmunzeln sagte er, dass er<br />

davon ausgehe, dass ich mich bei keiner Bank oder Treuhand bewerben<br />

würde. Nun, ich fange morgen bei der LLB an, scherzte ich. Dort sei ja<br />

eine Stelle frei. Er musste auch lachen. Als wir beide aufstanden, merkte<br />

ich, dass er und ich sehr verschwitzt waren. Hans-Adam sah wohl, dass<br />

ich etwas wacklig auf den Beinen war und bot mir an, von Kaiser nach<br />

Hause gefahren zu werden. Ich lehnte dankend ab und wollte lieber an<br />

der frischen Luft runter ins Dorf laufen.<br />

Ich durfte den Weg zum Tor alleine hoch laufen. Wieder ausserhalb der<br />

Schlossmauern, bog ich links ab und nahm den Weg runter durch den<br />

Wald ins Städtle nach Vaduz. Auf halber Strecke des Fusswegs setzte ich<br />

mich auf den Rand eines Brunnen. Ich wollte, ich musste nachdenken.<br />

In der ganzen Diskussion von 1 Stunde und 50 Minuten hatte ich ihm<br />

gegenüber immer die Wahrheit gesagt. Mir einer einzigen Ausnahme.<br />

Als er mich fragte, ob nun alle Datenkopien vernichtet seien und ich<br />

keine mehr hätte, musste ich ja sagen. Er glaubte es mir. Natürlich<br />

konnte (und kann) ich nicht in seinen Kopf hineinschauen.<br />

423


Aber selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch den kleinsten, logischen<br />

Verdacht gehabt hätte, dass ich als eine Art Selbstschutz eine Kopie für<br />

mich behalten hatte, dann muss sich diese Befürchtung innerhalb<br />

weniger Wochen oder Monate in Luft aufgelöst haben, sonst hätte er sich<br />

nicht so benommen, wie er es in den Monaten und Jahren die folgten,<br />

gezeigt hatte.<br />

Zu Hause angekommen, rief ich den Bankdirektor auf dem Handy an.<br />

Er fragte wie es gegangen sei. Super sagte ich. Er war froh, dass die<br />

ganze Familie wieder an einem Tisch sass. Eigentlich wollte ich den<br />

Professor auch anrufen. Aber seine echte Nummer hatte ich ja nicht. Ich<br />

weiss nicht warum, aber diese Nummer wurde mir nie mitgeteilt.<br />

Vielleicht wollte der Professor dies nicht.<br />

Der Kontakt war ausschliesslich über den Bankdirektor möglich. So bat<br />

ich diesen, dem Professor meine Grüsse auszurichten. Er kündigte an,<br />

dass er, ebenso wie der Professor im August/September in die Ferien<br />

verreisen würde. Schön für sie, sagte ich. Am Abend notierte ich, wie so<br />

vieles in den letzten 10 Jahren, die Details vom heutigen Gespräch mit<br />

Hans-Adam in meinem Taschenbuch.<br />

424


KAPITEL 21 Blutspur auf den Rheindamm<br />

Am nächsten Tag, den 10.7., sass ich pünktlich um 9 Uhr bei einer<br />

Untersuchungsrichterin im dritten Stock des Gerichts, Zimmer 23. Ich<br />

kannte sie von meiner Jugend in Schaan. Eine schöne Frau. Ich wusste<br />

nicht, dass sie eine Untersuchungsrichterin geworden war. Daher<br />

gratulierte ich ihr erstmals. Ich hatte mich nicht auf die Befragung<br />

vorbereitet. Warum auch? Gemäss Hans-Adam wäre ja alles nur eine<br />

Formsache. Auf die Hälfte der Fragen gab ich dem Wunsch von Hans-<br />

Adam und der LGT entsprechend keine Antworten. Weil es Fragen nach<br />

den (technischen) Details zum Datendiebstahl oder grob zum Inhalt der<br />

Daten selber waren.<br />

Irgendetwas musste der jungen UR aufgefallen sein, da sie mich fragte,<br />

ob die ihr vorliegende Kopie meines Briefs vom 7.1. so vollständig sei.<br />

Sie zeigte mir die Kopie. Ich erkannte sofort, dass mehrere Seiten fehlten.<br />

Da die Justiz diese Kopie vom Schloss erhalten hatte, war mir gleich klar,<br />

dass Hans-Adam hinter der Schrumpfung des Umfangs stecken musste.<br />

Also sagte ich zu ihr, dass dies alles war, was ich nebst der besprochenen<br />

Kassette, dem 3-D-Modell und der dicken Schachtel mit den Kopien von<br />

Gerichtsunterlagen zum Argentinienfall dem Hans-Adam Anfang<br />

Januar hatte habe zukommen lassen.<br />

Nach Abschluss der Einvernahme wollte die UR mir über ihre Sicht der<br />

Dinge erzählen. Zuerst dachte ich, dass meine Abenteuer in Berlin und<br />

Holland die schrillsten waren. Als sie aber anfing aus dem Nähkästchen<br />

zu plaudern, traute ich meinen Ohren nicht. Wirklich filmreif, was sich<br />

da in Vaduz zugetragen hatte. Sie konnte von aberwitzig wechselnden<br />

Haftbefehlen, von einer Krisen- oder Kriegkommandozelle und von<br />

Abhörmassnahmen zu berichten.<br />

Wie so oft in den folgenden Monaten, waren die Zungen meiner<br />

ehemaligen Gegenseite locker. Weil alle so erleichtert waren, dass die<br />

Katastrophe nicht eingetreten war. Es war das Gefühl einer Befreiung<br />

für sie. Auch hatte ich Glück und konnte fast immer die richtigen Fragen<br />

stellen, sobald ich einen Verdacht schöpfte oder mich etwas stutzig<br />

machte.<br />

Am Freitag, den 11.7., entschloss ich mich, beim Polizeichef Jules Hoch<br />

vorbei zu gehen. Liechtenstein ist ein kleines Land. Spontanbesuche sind<br />

oft kein Problem. Ich lief die paar Hundert Meter von meiner Wohnung<br />

rüber zum Polizeigebäude. Am Empfang fragte ich den Schalterbeamten,<br />

ob Herr Hoch da wäre und eventuell Zeit für mich hätte für ein kurzes<br />

425


Gespräch. Man telefonierte herum und liess mich dann durch die<br />

doppelte Sicherheitstüre hindurch.<br />

Herr Kieber, mein lieber Kieber, sagte Hoch, als er mir auf der Treppe<br />

herunter entgegen kam. Er bat mich mit in sein Büro zu kommen. Er<br />

habe gehört, dass ich wieder im Land sei. In einem freundlichen Ton<br />

schilderte er mir das Chaos, das ich nach meiner Abreise verursacht<br />

hätte. Ich sagte zu ihm, dass ich deswegen heute persönlich gekommen<br />

wäre. Ich möchte mich bei ihm und seinem Team für den Stress<br />

entschuldigen. Ich erzählte ihm, dass ich am Mittwoch eine Audienz mit<br />

Hans-Adam auf dem Schloss hatte und ich mich dort auch entschuldigt<br />

hatte. Hoch bedankte sich und fragte wie es mir ginge. Blendend,<br />

erwiderte ich. Er erzählte mir, dass es eine surreale Situation, wie aus<br />

einem Horrorfilm gewesen sei, als sie alle im Schloss vor dem<br />

Kunstgemäldebunker standen. Niemand wusste, was sie dort erwarten<br />

würde. Hans-Adam hatte Angst gehabt, ich hätte ihm seine kostbarsten<br />

Bilder verätzt, übermalt oder zerschnitten. Als man den Hinweis<br />

gefunden hatte, war Hans-Adam zuerst sprachlos und dann sehr<br />

erzürnt, dass ich a) überhaupt einen Hinweis anbringen konnte und b) es<br />

niemand gemerkt hatte. Darum war es sein Erstgeborener, der Zeit hatte,<br />

nachzudenken, was wohl seinem Papa als erstes zur Wort- und<br />

Zahlkombination einfallen würde. Hochzeitsreise, war dann das richtige<br />

Resultat. Langweilig wurde es denen hier mit meinem Treiben nicht,<br />

sagte Hoch zum Schluss. Ich war froh, auch hier wieder auf eine<br />

allgemeine Erleichterung zu stossen. Ich fragte ihn ob er etwas über<br />

Haftbefehle wüsste, einem Kriegsstab oder so etwas. Er verneinte. Für<br />

mich nicht ganz überzeugend. Ich bedankte mich und versprach mich in<br />

Zukunft zu benehmen. Das Gespräch dauerte exakt von 11:00 bis 11:55.<br />

Anm.: Hoch erzählte mir natürlich nichts von den diversen Handlungen, zu<br />

denen er vom KKZ beauftragt worden war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich<br />

ausser den Kurzkommentaren der UR auch nicht mehr über das KKZ.<br />

Zu Hause angekommen, schrieb ich meinem RA Müller einen Brief. Ich<br />

schilderte ihm meine Einvernahme bei der UR. Ich äusserte mich auch<br />

zum möglichen Interessenkonflikt, da ich immer noch Bedenken hatte,<br />

ob er wirklich zu 100 Prozent meine Interessen vertreten würde, wenn er<br />

quasi von meinem Gegner nicht nur bezahlt sondern offenbar auch<br />

instruiert wurde.<br />

426


Am Wochenende konnte ich mein altes Fahrrad, das ich eigentlich einem<br />

Bekannten geschenkt hatte, wieder abholen. Damit war ich wieder<br />

mobil. Ich genoss es auf den Rheindamm rauf und runter zu radeln. Ab<br />

und zu fuhr ich ins schweizerische Sargans oder sogar bis nach Chur<br />

hoch.<br />

Am Mittwoch, den 16.7., machte ich einen Veloausflug bis an die<br />

österreichische Grenze. Gerade als ich umkehren wollte, erreichte mich<br />

ein Anruf einer Bekannten auf meinem Handy. Ich würde in der Zeitung<br />

stehen. Im Liechtensteiner Vaterland. WAS, schrie ich. Warum? Wieso,<br />

fragte ich. Ich befürchtete, dass irgendjemand eine Story über die<br />

vergangenen sechs Monate gedruckt hatte. Dann kam mir in den Sinn,<br />

dass keine der zwei Liechtensteiner Zeitungen wirklich Interesse haben<br />

könnte, ein solches Drama publik zu machen. Schliesslich überleben<br />

beide Publikationen seit Jahrzehnten nur dank des dicken Zuschusses<br />

aus der Staatskasse. Beide Zeitungen sind das Organ einer der zwei<br />

Volksparteien. Es sei ein Edikt publiziert worden, sagte sie. Irgendetwas<br />

von einer Exekutionssache mit einem gewissen Herrn Helmut Roegele.<br />

Mein Blut begann zu kochen. Ich bedankte mich für ihren Anruf und<br />

fuhr fuchsteufelswild mit dem Velo vom Rheindamm runter ins nächste<br />

Dorf, nach Ruggell. Dort kaufte ich mir die Zeitung. Ich war so nervös,<br />

dass ich mich erst wieder auf dem Rheindamm traute, die Zeitung zu<br />

lesen. Folgendes war mit dem Titel EDIKT abgedruckt.<br />

An Herrn Kieber Heinrich, zuletzt in Neue Churerstr. 27, FL-<br />

9496 Balzers, sind in der Exekutionssache Roegele Helmut vd:<br />

Heinrich Concin u. a. Rechtsanwälte in Bludenz gegen Kieber<br />

Heinrich die Beschlüsse vom 26. 2. 2003, OT Entfernt,<br />

zuzustellen, mit welchen die ausländischen Titel für<br />

vollstreckbar erklärt wurden und die Exekution bewilligt<br />

wurde. Da der Aufenthalt der oben genannten Person<br />

unbekannt ist, wird Herr Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hirn,<br />

Gilmstr. 2, 6800 Feldkirch zum Kurator bestellt, der sie auf ihre<br />

Gefahr und Kosten vertreten wird, bis sie selbst auftritt oder<br />

einen Bevollmächtigten namhaft macht. Bezirksgericht<br />

Feldkirch, Abt. 5, am 18. 6. 2003<br />

427


Anm.: Da mein alter RA HIRN nicht mehr für mich beim Gericht in Feldkirch<br />

tätig war, musste das Gericht diese Anzeige publizieren; da sie keine<br />

rechtsgültige „“Adresse“ meinerseits mehr hatte.<br />

Verdammt, verdammt, verdammt noch mal, ich konnte es nicht glauben.<br />

Ich war kurz vorm Explodieren. Was für ein Urteil vom 23.2.2003? Wieso<br />

exekutierbar? Das letzte Wort in der Zivilsache war doch noch nicht<br />

gesprochen, schrie ich in den Himmel. Ich musste sofort nach Vaduz. Es<br />

war schon nach 16 Uhr und ich wollte noch den Bankdirektor in seinem<br />

Büro antreffen. Ich drückte die Pedale so schnell es ging. Ich fluchte die<br />

ganze Zeit. Und, man glaubte es kaum, wen sah ich auf einer Bank beim<br />

Rheindamm, auf Höhe des Schaaner Sportplatzes sitzen. Es sass der UR<br />

Dr. Paul Meier dort, neben sich sein Velo.<br />

Ich bremste so stark, dass es ein paar Meter schwarze Gummispuren<br />

gab. Ich warf mein Velo auf den Boden und ging zu ihm. Er war über<br />

meinen Zustand sehr erschrocken und fragte nach, was denn los sei. Ich<br />

zeigte ihm den Artikel und fluchte über alle. Ich hätte alles gemacht, was<br />

man von mir verlangt hätte. Erst vor einer Woche hätte ich Hans-Adam<br />

alles Mögliche zugestanden, sodass er, seine Regierung, seine LGT und<br />

ihr, die Justiz, dass alle ihr Gesicht nicht verlieren würden, schrie ich.<br />

Man hätte hochkarätige Anwälte für meine Sache eingespannt. Und was<br />

jetzt, sagte ich. Aus einem Zeitungsinserat muss ich erfahren, dass es in<br />

Bezug auf das blockierte Geld schon zu spät sein könnte. Niemand hätte<br />

mir davon etwas gesagt. Alles nur Lug und Trug.<br />

Dann, zum ersten und letzten Mal, verplapperte ich mich ein wenig. In<br />

meiner Wut konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ballte meine Fäuste<br />

und sagte etwas im Sinne: Ich wusste es! Ich wusste es! Euch kann ich es<br />

auch noch zeigen, kreischte ich. Ich stolperte und fiel ungebremst auf die<br />

geteerte Rheindammstrasse. Meine beiden Knie bluteten stark. Ich fing<br />

an zu schluchzen.<br />

Der arme UR, er musste wohl gedacht haben, ich sei verrückt geworden.<br />

Zu Recht, den nie hatte er mich so gesehen. Und auch ich selber erkannte<br />

mich nicht mehr. Ich hyperventilierte stark. Er war sehr bemüht mich zu<br />

beruhigen. Was ihm dann gelang.<br />

Ich bat ihn um Verzeihung. Ich war froh, dass ich ausgerechnet ihn<br />

getroffen hatte. Wer weiss, was ich in der LGT Bank angestellt hätte. Ihm<br />

vertraute ich immer ganz. Wir redeten über die Angelegenheit und da<br />

wir nicht in seinem Büro waren, also das Gespräch nicht in einem<br />

offiziellen Rahmen stattfand, konnte ich ihm mehr Details erzählen. Ich<br />

428


schilderte ihm, wie das Gespräch mit Hans-Adam abgelaufen war, was<br />

ich alles in Berlin und Amsterdam erlebt hatte.<br />

Als das Thema wieder auf den Zeitungsartikel kam, fragte er mich auf<br />

einmal folgendes: Ob die LGT oder Hans-Adam mir nicht angeboten<br />

hätten, meinen finanziellen Schaden, den ich seit der<br />

Barcelonageschichte erlitten hatte, irgendwann zu vergüten. Typische<br />

Liechtensteiner Denken – mit Kohle jeden Ärger aus der Welt schaffen,<br />

sagte ich. Wenn die Gelder in Österreich verloren sind, dann sind sie halt<br />

verloren, sagte er.<br />

Ich erzählte ihm, dass mir einmal eine Art Geld für eine organisierte<br />

Flucht angeboten wurde; als ich im Ausland war. Ich war aber nicht<br />

darauf eingegangen, da ich sicher war, dass es eine Falle wäre, um mich<br />

nachher als Erpresser abzustempeln. Zudem hatte ich nie um Geld<br />

gefragt und würde solches nie annehmen. Ja, erwiderte der UR, er wisse<br />

dies. Warum auch, sagte ich. Das blockierte Geld ist meines. Es wäre<br />

rechtlich unmöglich, dass es der Verbrecher Helmut es bekommen<br />

könnte. Ich war felsenfest davon überzeugt.<br />

Was ich damit gemeint hätte, als ich geschrien habe, euch könnte ich es<br />

auch noch zeigen, fragte er mich. Nicht der Rede wert, sagte ich. Es<br />

wurde Zeit für ihn nach Hause zu gehen. Da meine beiden Knie noch<br />

sehr schmerzten, schoben wir beide unsere Velos neben uns her.<br />

Aus heiterem Himmel erwähnte er beiläufig, dass er sich vorstellen<br />

könnte, wo ich eine Kopie der Daten versteckt halte. Er grinste dabei.<br />

Wie bitte, dachte ich. Die sind ja alle paranoid mit diesem Thema. Denn<br />

schon letzte Woche wurde ich mehrfach gefragt: am Donnerstag die<br />

Untersuchungsrichterin, am Freitag der Polizeichef. Wo denn, fragte ich<br />

frech. „Im Internet, nicht wahr?‚ meinte er. Ich musste lachen. Erstens<br />

habe ich keine Kopie mehr. Zweitens müsse ihm doch klar sein, dass<br />

selbst wenn ich eine hätte, ich sagen müsste, dass ich keine habe. Also in<br />

beiden Fällen wäre die Antwort dieselbe. Daher bitte ich euch alle, diese<br />

Frage nicht mehr zu stellen, sagte ich. Drittens wäre das Internet der<br />

letzte Ort wo ich eine Kopie herumfliegen lassen würde. Rein aus<br />

Sicherheitsgründen.<br />

Bei der nächsten Abzweigung verabschiedete er sich von mir und radelte<br />

fort. Unter schwachen Schmerzen setzte auch ich mich aufs Radl und<br />

fuhr gleich nach Hause. Es wurde eine frühe Nacht für mich. Ich plante<br />

ganz früh am nächsten Morgen mit dem Bus zum RA Müller zu fahren<br />

und ihn wegen des Edikts zu fragen.<br />

429


Gesagt, getan. Ich war schon um 08.00 Uhr am Donnerstag, den 17.7., bei<br />

der Post in Schaan. Ich wusste, dass der Bankdirektor auf seinem Weg<br />

zur Arbeit durch Schaan fahren könnte. Daher rief ich ihn auf seinem<br />

Handy an und bat ihn mich kurz bei der Post zu treffen. Zehn Minuten<br />

später war er angekommen. Ich zeigte ihm das Edikt und fragte, ob dies<br />

der Dank für mich wäre. Er war sichtlich geschockt und begleitete mich<br />

zu Müller. RA Müller konnte sich aus der Affäre ziehen, indem er sagte,<br />

dass er ja kein Mandat von Hans-Adam oder der LGT für die blockierten<br />

Gelder bekommen hatte. Der Bankdirektor sah ein, dass dies ein<br />

Versäumnis war. Er gab dem RA Müller die Order, der Sache<br />

nachzugehen. Ich bedankte mich bei allen und wünschte einen schönen<br />

Tag.<br />

Am nächsten Tag, Freitag, den 18.7., rief die Sekretärin vom<br />

Bankdirektor an und kündigte seinen Besuch bei mir zu Hause an. Er<br />

müsse mit mir einiges besprechen. Ich nutzte die Zeit und begab mich<br />

zum Landgericht, wo ich die bestellten Kopien vom 101er beim<br />

Gerichtssekretariat abholte. Um die Mittagszeit rief die Bank noch<br />

einmal an und verschob den Besuch auf 16:00. Kein Problem für mich,<br />

bestätigte ich die neue Zeit. Ich schnappte mir die Badehose und fuhr<br />

mit dem Velo zum Rhein. Dort tummelte sich auch ein alter Bekannter<br />

von mir. Dieser hatte wiederum enge Freunde im Regierungsamt.<br />

Offenbar hatte er Bruchstücke von einem Drama Anfangs Januar<br />

erfahren. Ich liess mich auf keine Diskussion ein und verliess diesen<br />

Rheinabschnitt.<br />

Um 16.10 Uhr stand der Bankdirektor vor meiner Wohnungstüre und<br />

klopfte. Ja aber Hallo, sagte ich und fragte, wie er durch die Haustüre<br />

kommen konnte, ohne Schlüssel. Er zeigte auf den Schlüssel in seiner<br />

Hand und meinte, dass ich doch wüsste, dass sie den Zweitschlüssel für<br />

unten und oben haben. Nein, wüsste ich nicht, erwiderte ich. Da sie die<br />

offiziellen Wohnungsmieter waren, erhielten sie die Zweitschlüssel. Für<br />

den Notfall, sozusagen, klärte er mich auf.<br />

Er fragte wie es mir gehe und ich sagte so lala. Man müsste halt<br />

abwarten, was jetzt wirklich alles passieren würde, sagte ich. Ich erzählte<br />

ihm, dass ich mit der Grundstruktur der gewünschten Denkschrift<br />

angefangen habe. Ich hätte die Idee, darin keine Namen, Firmen oder<br />

Zeitabschnitte zu benennen. Sollte die fertige Schrift in die falschen<br />

Hände gelangen, würde nichts geschehen. Gute Idee, bestätigte er mir.<br />

430


Er hätte noch ein anderes Anliegen. Man hatte ja den Dr. Feuerstein und<br />

den Rest der Geschäftsleitung der LGT Treuhand nicht über seine Reisen<br />

ins Ausland, den Professor und die getroffenen Abmachungen<br />

eingeweiht. Hans-Adam wollte dies nicht. Auch wussten sie nichts von<br />

meiner Heimkehr. Diverse Leute der Treuhand hätten mich aber<br />

mehrmals mit dem Velo in der Umgebung der LGT Treuhand gesehen.<br />

Er bat mich deshalb, nicht in die Nähe der Treuhand zu gehen.<br />

Ausserdem, sollte ich irgendwo auf einen ehemaligen Arbeitskollegen<br />

der Treuhand, insbesondere Dr. Feuerstein treffen, so wäre man froh,<br />

wenn ich keine Diskussion anfangen würde, sondern einfach in eine<br />

andere Richtung weglaufen würde. Ja, mein Kommandant, zu Befehl,<br />

sagte ich. In Zukunft werde ich zu den Büroöffnungszeiten das Zentrum<br />

von Vaduz meiden. Ausser wenn ich im Linienbus von hier z.B. nach<br />

Buchs fahren würde, dann durchquere ich das Zentrum, steige aber nicht<br />

aus dem Bus. Zum Abschied sagte er mir, dass alles gut werden würde.<br />

Ich solle ihnen vertrauen und aufhören so misstrauisch zu sein.<br />

Schönes Wochenende Herr Bankdirektor. Ihnen auch, Herr Kieber.<br />

Die letzten zwei Wochen im Juli 2003 waren besuchsmässig sehr ruhig.<br />

Niemand hatte sich bei mir angemeldet. Keiner bedrängte mich mit<br />

Fragen. Den einzigen Termin, den ich hatte war der Pflichtbesuch beim<br />

Sachbearbeiter der ALV. Ich konnte ihm die erforderlichen fünf<br />

schriftlichen Bewerbungen vorlegen. Alle waren ohne Erfolg. Ehrlich<br />

gesagt, hatte ich mich nicht gross angestrengt. So wie die Dinge langen,<br />

wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich bald keine Stelle mehr<br />

antreten könnte. Höchstens in der Gefängnisküche. Um fit zu bleiben,<br />

wurde ich wieder Mitglied beim OLO’s GYM in Triesen. Drei oder<br />

viermal die Woche absolvierte ich ein Krafttraining dort.<br />

Auch besuchte ich meine alten Nachbarn in Balzers. Auch das Ehepaar,<br />

das meine alte Mietwohnung gekauft hatte, hatte sich gut eingelebt und<br />

war sehr glücklich dort. Niemand aus diesem Hause hatte etwas<br />

mitbekommen. Von meinen neuen Nachbarn in Vaduz lernte ich einige<br />

besser kennen.<br />

Meine einzige Waffe war das Schreiben. Ich verfasste einen Brief an den<br />

Bankdirektor und einen an RA Müller. Im Brief an den Bankdirektor<br />

drückte ich (im Vertrauen) mein Befremden über einiges, was sich seit<br />

meiner Rückkehr abgespielt hatte aus, zum Beispiel dass ich einfach<br />

nicht verstehe, warum man in der Angelegenheit der blockierten Gelder<br />

431


noch nichts unternommen hatte. Es wäre ein wichtiger Bestandteil<br />

meines Kampfes der letzten sechs Jahre. Ich würde nicht verstehen, wie<br />

Hans-Adam auf einer Seite mir massiv helfen würde, die Verbrecher zur<br />

gerechten Strafe zu bringen, aber es ihn auf der anderen Seite offenbar<br />

nicht allzu gross stören würde, wenn einer der Verbrecher mit einem<br />

Sack voll Kohle für seine Taten auch noch belohnt würde. Ich würde<br />

langsam den Verstand verlieren. Dieses Thema schloss mit den Zeilen,<br />

dass ich insofern wieder Hoffnung habe, da man jetzt den RA Müller für<br />

die blockierten Gelder angeheuert hatte.<br />

Ich schilderte im Brief weiters, dass ich verwundert wäre, wie der RA<br />

Müller für mich im kommenden Prozess (140er) kämpfen wollte, wenn<br />

er bis jetzt noch nicht einmal die Akte studiert hatte. Mit welchem<br />

Kenntnisstand er mich verteidigen würde? Mit einer fliegenden<br />

Durchsicht des dicken Aktes einen Tag vor dem Prozess, fragte ich.<br />

Im Brief an RA Müller befasste ich mich vor allem mit den Fall 101er. Ich<br />

war von der Argumentation von Hans-Adam noch nicht ganz<br />

überzeugt. Ich bat den RA, sollte das Obergericht meinem Antrag auf<br />

Fortsetzung der Strafuntersuchung zustimmen, was allgemein erwartet<br />

wurde, dann wäre ich froh, wenn er mir als Subsidiarankläger bei der<br />

Ausfertigung der Anklage helfen würde. Ich wäre der Meinung, dass<br />

man es doch lieber zuerst einmal beim Liechtensteiner Gericht versuchen<br />

sollte. Die STA würde ja sicher keinen Auftrag von Hans-Adam<br />

bekommen. Beide Briefe lieferte ich persönlich am 31.7. bei den<br />

Büroadressen der Herren ab.<br />

Am gleichen Tag war auch die magere acht Seiten lange Anklageschrift<br />

mit den Vorwürfen im Zusammenhang mit meinem Schreiben an Hans-<br />

Adam fertig. Zu unserer (Bankdirektor, RA Müller und ich)<br />

Fassungslosigkeit wurde ich, ganz entgegen den Erwartungen und<br />

Beteuerungen, wegen dem Verbrechen der Gewalt und gefährliche<br />

Drohung gegen den Landesfürsten (§ 249 StGB), dem Verbrechen der<br />

schweren Nötigung (§15, 105, 106), dem Verbrechen der<br />

Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses<br />

zugunsten des Auslands, insbesondere Deutschland und die USA (§124),<br />

dem Vergehen der Datenbeschädigung (§126) und dem Vergehen der<br />

Urkundenunterdrückung (§229) angeklagt. Ich sei deswegen zu<br />

bestrafen. In Liechtenstein formuliert die STA in der Anklage keinen<br />

Antrag auf die von ihr gewünschte Strafe.<br />

432


Meinen aufmerksamen Lesern können sicher auch auf den richtigen<br />

Namen des STA tippen, der dieses Anklage geschrieben hatte und sie<br />

vor Gericht vertreten möchte. Ja, HAUN, wer den sonst. Nachdem was<br />

ich alles wegen ihm seit Jahren ertragen musste! Noch schlimmer:<br />

Nachdem was Hans-Adam, Liechtenstein und die LGT wegen ihm<br />

durch mich seit Januar 2003 (unter der Berücksichtigung des<br />

Datendiebstahls eigentlich schon sein 2002) mitmachen mussten!<br />

Warum? Warum, fragte ich. Warum ausgerechnet ER? Man hatte andere<br />

Staatsanwälte bei der Staatsanwaltschaft. Warum konnte man nicht<br />

einfach einen "unvorbelasteten" Ankläger nehmen? Langsam begriff ich,<br />

was Hans-Adam meinte, als er mir sagte, dass man der Justiz ein Ventil<br />

geben müsste, sodass sie Luft ablassen könnte. Dies war wohl eines der<br />

notwendigen Ventile. Dieser Umstand war äusserst unerträglich für<br />

mich. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Menschen, wären sie an<br />

meiner Stelle gewesen, es auch als sehr verletzend und demütigend<br />

empfunden hätten. Mein Gott, warum mussten sie mich immer noch<br />

quälen? Hatte ich mich nicht genug unterworfen? Was ich noch nicht<br />

begriffen hatte, war die Tatsache, dass dahinter ein ganz fieser (Rache-<br />

)Plan stand. Mit verschiedenen, abwechselnden Akteuren. Jeder wollte<br />

zum Schuss kommen.<br />

Mit meinem RA und dem Bankdirektor diskutierte ich ausgiebig die<br />

Anklage. Der RA, als Jurist, beteuerte mir, dass ich keine Angst wegen<br />

der vielen Einzelvorwürfen haben sollte. Dies sei so üblich. Was in einer<br />

Anklage stehen würde, sei noch lange nicht dasselbe, was schlussendlich<br />

zu einer möglich Verurteilung gelangen würde. Der Bankdirektor, der<br />

immer schon eine feine Antenne für meine Gefühlslage hatte, machte<br />

sich grosse Sorgen um mich. Speziell dann, als ich trotzig kundtat, dass<br />

ich nie freiwillig zu der Verhandlung gehen würde, solange Haun dort<br />

sei. Ende.<br />

Zudem stellte ich die berechtigte Frage, wie das Gesamtbild noch<br />

stimmen könnte, wenn Hans-Adam mich unverkennbar zum<br />

Schlachthof führen lässt und mir gleichzeitig seine universelle Hilfe<br />

anbietet, damit die Verbrecher vor ein Kriminalgericht kommen. Der<br />

Professor wurde telefonisch über den sich verschlimmernden Zustand<br />

von mir informiert. Er war entsetzt. Über die Anklagepunkte selber und<br />

das ausgerechnet Haun diese vertreten soll. Aus psychologischer Sicht<br />

ein total falscher Schritt, diagnostizierte er aus der Ferne. Er empfahl<br />

433


dem Bankdirektor Hans-Adam zu bitten, dass dieser mich anrufen soll<br />

und einiges klären soll. Bevor dieser aber mich anrief wurde mein<br />

Zustand noch unerträglicher.<br />

RA Müller meldete sich wieder. Seine Nachforschungen in Bezug auf die<br />

Gelder in Österreich hätten ergeben, dass eine Frist verpasst worden<br />

wäre. Die Gelder wären nun in Reichweite des Täters aus Argentinien,<br />

Helmut Roegele. Nachvollziehbarerweise tobte ich wie ein Wildschwein.<br />

Ich konnte es nicht fassen. Was für eine Frist, fragte ich. Es wäre eine 14-<br />

Tage-Frist gewesen, die am 25.7.03 abgelaufen wäre. WAS, schrie ich.<br />

Man hätte also fristgerecht einen Einspruch erwirken können, jammerte<br />

ich.<br />

Er entschuldigte sich und meinte nur, dass es zu spät sei. Zu spät? Zu<br />

spät, schrie ich ihn am Telefon an und entschuldigte mich gleich für den<br />

Ton. Es war wie eine zweite Folter für mich.<br />

Nach über sechs Jahren konnte mein Folterer Helmut Roegele sein Glück<br />

nicht fassen und seine erpresste, quasi ‚abgefolterte‚ Beute abkassieren.<br />

Nicht nur konnte er sich auf fast 900'000.- CHF freuen, nein, er musste<br />

auch keinen einzigen Franken mit einem seiner Komplizen teilen.<br />

Natürlich schmerzte mich dieses Ende sehr. Ich weiss nicht, was in den<br />

Köpfen derjenigen in Liechtenstein vorgegangen war, als sie davon<br />

erfahren hatten. Sicher ist, dass es allen direkt oder indirekt Beteiligten<br />

klar sein musste, dass es furchtbare emotionale und psychische<br />

Konsequenzen für mich haben würde.<br />

Die nächsten paar Tage verbarrikadierte mich in meiner Wohnung und<br />

brütete darüber, was das alles bedeuteten soll und vor allem, wohin es<br />

noch führen würde. Am frühen Abend bekam ich einen Anruf von<br />

Hans-Adam. Er wusste von der Anklage, von Haun und der<br />

abgelaufenen Frist. Er erzählte mir, dass ich die Anklage nicht als<br />

fehlerfrei ansehen soll. Ich fragte ihn, warum ich überhaupt wegen<br />

Drohung, Nötigung u.s.w. angeklagt werden soll, wenn mir schon in<br />

Holland felsenfest versprochen wurde, dass ich überhaupt nicht belangt<br />

würde, wenn ich all seine Forderungen erfüllen würde.<br />

Er sagte zu mir, dass er mir dies mir beim Besuch auf dem Schloss<br />

ausführlich erklärt hätte. Und warum Haun, fragte ich. Er wiederholte,<br />

dass ich den Haun ignorieren sollte. Alles würde gut werden. Selbst<br />

beim blockierten Geld sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da<br />

434


wüsste er aber mehr als ich, sagte ich. Ich fragte ihn, ob er ganz sicher<br />

wäre, dass ich bei der Justiz in Vaduz nie eine wirkliche Chance haben<br />

würde, eine Anklage im 101er rechtsgültig vorlegen zu können.<br />

Er bedauerte zu sagen, dass er davon überzeugt wäre. Ich weinte und<br />

fragte, warum er nicht die ihm durch die Verfassung zustehenden<br />

Rechte benützen würde, sodass zumindest eine Anklage angenommen<br />

würde. Ich wies ihn nochmals darauf hin, dass eine Anklage ja kein<br />

Urteil sei. Wenn er erlauben würde, dass das Gericht meine<br />

Subsidiaranklage annehmen würde, dann hätte er doch dafür keine<br />

Macht missbraucht. Ob das Kriminalgericht auf die Anklage mit<br />

Strafurteilen folgen würde, kann niemand voraussagen, sagte ich.<br />

Er bat mich, nicht allzu sehr darüber nachzudenken und mich<br />

stattdessen auf den mit ihm vereinbarten Fahrplan zu konzentrieren. Ich<br />

versprach ihm dies. Aber, so wollte ich ihn wissen lassen, ich könne<br />

nicht garantieren, dass ich bei einer Verhandlung anwesend sein würde,<br />

wenn es sich als wahrhaftig herausstellen sollte, dass Haun die Anklage<br />

vertreten würde. Ignorieren, ignorieren, wiederholte ich Hans-Adams<br />

Worte, aber das ist einfacher gesagt als getan. Bei allem Verständnis für<br />

die Unabhängigkeit, besser gesagt wohl die Unantastbarkeit der STA,<br />

kann es doch nicht der Wille von der Leitung der STA sein, den ganz<br />

klar voreingenommenen Haun als Kläger zu bestimmen. Nach allem,<br />

was schon passiert war. Klar kann eine STA nicht "neutral" sein,<br />

schliesslich vertritt sie ja die Anklage. Dass man aber extra den Haun<br />

dafür nominieren würde, wäre schon sehr niederträchtig, beendete ich<br />

meinen Vortrag.<br />

Er würde sich der Sache Haun nochmals annehmen, versprach mir<br />

Hans-Adam und sagte auch, dass es besser wäre, sich mit der STA nicht<br />

allzu sehr anzulegen. Ich bräuchte sie schliesslich noch wegen der<br />

Spaniensache. Er habe mit dem Chef der STA, dem Oberstaatsanwalt Dr.<br />

Robert Wallner mehrfach gesprochen. Dieser wäre von ihm beauftragt<br />

worden, das kommende rechtsgültige Urteil persönlich den Spaniern zu<br />

übermitteln, sodass jene das seit Jahren liegende Verfahren dort<br />

einstellen und den Haftbefehl löschen können. Diesem Hinweis folgend<br />

verfasste ich dann am 5.8. ein kurzes Schreiben an Dr. Wallner. Darin<br />

"bedankte" ich mich im Voraus für seine Mühe.<br />

Je mehr ich über die ganze Sache nachdachte, desto verwirrter war ich.<br />

Hier musste ich Rücksicht nehmen, da sollte ich dankbarer sein, hier<br />

musste ich beiden Augen zudrücken, da sollte ich kooperativer sein. Ich<br />

435


verlor den Überblick. Auf einmal hatte ich grosse Angst, dass der<br />

ausstehende Obergerichtsentscheid im 101er negativ ausfallen könnte.<br />

Obwohl der UR und mein RA, beide juristische Experten, das Gegenteil<br />

erwarteten. Eine nochmalige Demütigung würde ich nicht ertragen<br />

können, das stand fest. So kam ich zum traurigen Schluss, dass es besser<br />

wäre, wenn ich all dem ein Ende setzte. Am 08.08. verfasste ich eine<br />

kurze Mitteilung an das Gericht. Ich stellte den Antrag auf Rücknahme<br />

meines Antrags vom 22.11.02 in Sachen Fortsetzung der<br />

Strafuntersuchung. Ausdruck meiner damaligen persönlichen<br />

Verfassung zeigen deutlich die letzten elf Zeilen jener Mitteilung ans<br />

Gericht.<br />

Ich habe auf ganzer Linie versagt und resigniert. Ich habe einfach<br />

keine Kraft und Energie mehr, eine mögliche weitere<br />

Demütigung nach neuerlichem jahrelangem Kampf vor Gericht<br />

zu bewältigen ohne dabei am Ende komplett durchzudrehen. Mit<br />

diesem Schreiben bin wenigsten i-c-h selber derjenige, der den<br />

„Deckel‚ auf diese Akt 10 Vr 101 / 97 – der mein ganzes Leben in<br />

den letzten 6 1/ 2 Jahren bestimmt hat – zuschlägt. Insbesondere<br />

möchte ich dem UR Dr. Paul MEIER für seine jahrelange Arbeit<br />

und dem Oberrichter Dr. Gerhard MISLIK für seine Mühe und<br />

Zeit, die er sich sicher genommen hätte - von ganzen Herzen<br />

danken. Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes<br />

Opfer<br />

Dies waren überhaupt meine allerletzten Zeilen, die ich dem Gericht<br />

geschrieben hatte. Insbesondere die letzten vier Worte hätten beim<br />

Gericht diverse Leute aufmerksam machen sollen. Aber eben, „hätten‚.<br />

Wie fast immer in den letzten sechseinhalb Jahren, wurden meine<br />

Notizen, Schreiben, Anträge, Analysen, Beweismappen, Antworten und<br />

was ich sonst noch alles für den 101er, 140er und das Zivilverfahren<br />

eingereicht hatte, überhaupt nicht, oder wenn dann nicht richtig oder<br />

vollständig gelesen.<br />

Ich muss dazu sagen, dass der UR Dr. Paul Meier fast eine Stunde lang<br />

versucht hatte, mich von dem Einreichen des oben genannten finalen<br />

Antrags abzubringen. Er redete wie ein Irrer auf mich ein, es nicht zu<br />

tun. Wenn ich dies tun würde, dann könnten die Verbrecher wiederum<br />

436


einen Sieg über mich verbuchen, sagte er. Er versuchte mich davon zu<br />

überzeugen, dass nicht alle Richter so wie der LR Uwe Oehri wären.<br />

Ich konterte mit der Tatsache, dass ausgerechnet dieser Oehri den<br />

Vorsitz des Kriminalgerichts inne hat. Welche Chance hätte ich da, selbst<br />

wenn das Obergericht mir den Status als Subsidiarankläger erlauben<br />

würde? Dr. Meier versuchte es hartnäckig, es nutzte nichts. Er warnte<br />

mich, sollte ich diesen Antrag stellen, ich nie wieder das Verfahren in<br />

Liechtenstein eröffnen könne. Aktenmappe zu, bedeutet Fall<br />

geschlossen. Das wäre mir klar, sagte ich. Es gäbe noch die Möglichkeit<br />

eines Verfahrens im Wohnsitzland der Täter, so wie es mir Hans-Adam<br />

versprochen hatte, erinnerte ich ihn. Ich reiche den Antrag hiermit ein,<br />

war mein letztes Wort.<br />

Er machte einen letzten Versuch und fragte mich, ob mein RA Müller<br />

davon wüsste. Ich sagte nein. Meier meinte dann, dass er den Antrag<br />

von Müller mitunterschrieben haben wollte. Netter Versuch, sagte ich.<br />

Gemäss Gesetzt kann ich den Antrag auch ohne meinen RA einreichen.<br />

Gerade als Privatbeteiligter am Prozess, wusste ich zu berichten.<br />

Widerwillig nahm er meinen Antrag an.<br />

Ich muss gestehen, dass ich ein Gefühl der Erleichterung hatte. Endlich<br />

wusste ich wo ich stand. Keine Zeit- und Energieverschwendung mehr<br />

mit der Justiz hier. Klar war mir auch, dass sobald der Antrag die Runde<br />

gemacht hätte, nicht wenige bei der Justiz froh waren, endlich den 101er<br />

losgeworden zu sein. Insbesondere die STA, deren Widerstand gegen<br />

eine Kriminalverhandlung im 101er sich wie ein roter Faden durch die<br />

ganzen letzten sechseinhalb Jahre zog. Nicht zu vergessen die<br />

überraschten Gesichtern der Täter, zumindest von Helmut Roegele &<br />

seiner Frau, die ja einen Anwalt in Vaduz hatten.<br />

Die Täter dachten sicher, ich muss verrückt geworden sein. Aber eben,<br />

sie wussten und wissen es bis heute nicht, was alles im Hintergrund,<br />

leider oft nur zu ihren Gunsten, abgelaufen war. Was das war, dass<br />

können mein Folterer Helmut und seine Kinder in diesem Buch<br />

nachlesen. Ein fettes „Dankesschreiben‚ zusammen mit einem<br />

"Spendenscheck" von Helmut & Co. an Hans-Adam und die LGT wären<br />

jetzt sicher angebracht. Glaubst Du nicht auch, Helmut?<br />

Nachdem mein RA Müller eine Kopie meines Antrages vom 8.8. erhalten<br />

hatte, rief er mich sofort an und war entsetzt. Was nun wieder, sagte ich.<br />

Zuerst reden alle auf mich ein, ich soll die Argentiniensache in<br />

Liechtenstein vergessen. Jetzt, wo ich es radikal gemacht habe, ist man<br />

437


entsetzt. Er hätte leider wieder schlechte Nachrichten für mich. Was<br />

denn wieder? Ist Helmut Roegele gestorben, fragte ich sarkastisch. Nein,<br />

er hätte gehört, dass der LR Uwe Oehri meinen Fall beim<br />

Kriminalgericht verhandeln möchte. Wie bitte? Ich glaubte es nicht.<br />

Hassen die mich so sehr, fragte ich ihn. Wie könnte Oehri den Fall<br />

behandeln, wenn er als Richter im Zivilstreit amtete und mir dort einen<br />

enormen Schaden zugefügt hatte und ich ihn in dem berühmten<br />

Schreiben, dass ja Gegenstand der Kriminalverhandlung sein würde, zu<br />

Recht der Inkompetenz und der Entwürdigung überführt hatte.<br />

Müller war auch erstaunt. Er wäre seit mehreren Jahrzehnten Anwalt.<br />

Nie hätte er ein solches Mass an Interessenkonflikt angetroffen. Für mich<br />

war das Fass voll. Ich bedankte mich für den Anruf. Ich wählte sofort die<br />

Nummer vom Schloss und bat beim Sekretariat mit Hans-Adam<br />

verbunden zu werden. Er wäre nicht im Hause. Wenn es dringend wäre,<br />

dann könnte er sicherlich innerhalb der nächsten Stunde zurückrufen.<br />

Ich bat darum. Danke und Auf Wiederhören.<br />

Ca. 40 Minuten später rief er an. Ich entschuldigte mich für die<br />

Anspruchsnahme seiner kostbaren Zeit, aber er habe mir ja gesagt, dass<br />

ich ihn jederzeit anrufen könnte, wenn mich etwas bedrücken würde. Ja,<br />

das stimme, sagte er mir. Ich erzählte ihm vom Vorhaben des LR Oehri.<br />

Hans-Adam war auch erstaunt, zumindest hinterliess er bei mir diesen<br />

Eindruck. Er sagte, dass er auch keinen Sinn darin sehen würde, wenn<br />

Oehri diesen Fall behandeln würde. Ich erzählte ihm, dass mich keine<br />

100 Pferde in den Saal bringen würden, wenn Oehri und Haun mir<br />

gegenüber stehen würden. Sollte ich mit Polizeigewalt in den Saal<br />

gebracht werden, was durchaus möglich wäre, da ich als Angeklagter<br />

anwesend sein muss, würde ich kein einziges Wort sagen. Bei aller<br />

Liebe, sagte ich, und korrigierte mich gleich: Bei allem Bösen, mit der<br />

Betonung auf Bösen, das habe ich nicht verdient. Hans-Adam sagte<br />

gleich, niemand will mir Böses. Er würde sich dieser Sache auch<br />

annehmen, versprach er. Tausend Dank.<br />

Auf Wiederhören Landesführer. Auf Wiederhören Herr Kieber.<br />

Hans-Adam hatte Recht, mit Freundlichkeit kommt man viel weiter im<br />

Leben. Ich musste meine Verbitterung unter Kontrolle bringen. Und<br />

immer nur das von Hans-Adam versprochene Fernziel, die Täter von<br />

Argentinien vor ein Gericht zu bringen, nicht aus den Augen lassen. So<br />

entschloss ich, dass es an der Zeit wäre, dem Regierungschef Hasler und<br />

438


dem Liechtensteiner Botschafter in Berlin ein paar kurze Zeilen zu<br />

schreiben. Darin entschuldigte ich mich für die turbulenten Zeiten, die<br />

ich verursacht hatte. Am 18.8. lieferte ich beide Briefe bei der<br />

Regierungskanzlei im Regierungshaus ab. Der Brief für den Botschafter<br />

wurde aus Vorsicht nicht nach Berlin gesandt, sondern ihm bei der<br />

nächsten Gelegenheit in Vaduz übergeben.<br />

Ein paar Tage später rief mich RA Müller wieder an. Er fragte gleich, ob<br />

ich mit Hans-Adam über den Oehri gesprochen hätte. Ja, sagte ich.<br />

Warum, fragte ich. Er sei in dieser Sache aktiv geworden und wollte<br />

gerade in meinem Namen einen Antrag auf Befangenheit des LR Oehri<br />

stellen. Vor Einreichung des Antrags habe er vom Gericht erfahren, dass<br />

Hans-Adam offenbar mit dem Präsidenten des Obergerichts, Hr. Max<br />

Bizozzero telefoniert haben muss und seinen Unmut über die Einsetzung<br />

von LR Oehri in diesen Fall kundtat. In der Folge wäre LR Oehri<br />

aufgetragen worden, sich selber für befangen zu erklären. Somit wäre<br />

der Weg frei für einen unvorbelasteten Richter in dieser Sache.<br />

Ich bedankte mich für die News. Ein kleiner Erfolg. Ganz logisch<br />

erschien mir diese Aktion jedoch nicht. Warum nahm sich der Oehri die<br />

Mühe aktenkundig seine Befangenheit zu erklären? Er, als Präsident des<br />

Kriminalgerichts hätte doch einfach von Anfang an „entscheiden‚<br />

können, nichts mit der Verhandlung zu tun zu haben. Warum der<br />

Aufwand, fragte ich mich.<br />

Die Antwort dafür konnte ich in seiner Befangenheitserklärung vom<br />

27.08. nachlesen. Auf zynische Art und Weise macht er meine<br />

Befürchtungen lächerlich und erklärt sogar, dass er persönlich nicht im<br />

Stande wäre, den Vorsitz zu übernehmen.<br />

Nun wieder zurück zu etwas heiterem:<br />

Eine weitere peinliche Situation erlebte ich ausgerechnet mit dem<br />

Bankdirektor. Das genaue Datum hatte ich leider nicht festgehalten. Es<br />

war aber im Juli oder August 2003. Er hatte mich zum feinen Essen<br />

eingeladen. Damit wir nicht zusammen in Liechtenstein gesehen<br />

wurden, wählte er das GECCO in Buchs/SG aus, ein Gourmetrestaurant.<br />

Ausgerechnet an jenem Tag speisten zwei Tische schräg hinter uns der<br />

Chef der IT-Abteilung der LGT Treuhand. Zusammen mit drei weiteren<br />

Personen. Ich sass zum Glück mit dem Rücken zu ihm. Der Bankdirektor<br />

konnte ihn diagonal über meine linke Schulter sehen. Das Lokal war<br />

klein und jeder der das Lokal verlassen wollte oder auf die Toilette<br />

musste, kam nicht um unseren Tisch herum. Ich wurde nervös, weil ich<br />

439


doch dem IT-Chef, ein so guter Mensch, eine Menge Ärger bereitet hatte.<br />

Der Bankdirektor beruhigte mich.<br />

Dann kam, was kommen musste. Der IT-Chef stand auf und erkannte<br />

den Bankdirektor. Er fing an mit ihm zu reden und erblickte mich. Ich<br />

stand auf, begrüsste ihn und fragte, wie es ihm gehe. Gut, sagte er, lange<br />

nicht gesehen. Und dir, fragte er mich. Nach ein wenig Plauderei merkte<br />

ich, dass er offenbar dachte, ich würde nicht wissen, dass er es weiss. Er<br />

bemühte sich sehr seinen verständlichen Frust auf mich zu unterdrücken<br />

und seine Verwirrung darüber zu verbergen, den Bankdirektor mit mir<br />

essen zu sehen.<br />

Die letzten Tage im August 2003 waren ruhig. Die meisten waren in den<br />

Ferien und Mitte August feierten wir den Staatsfeiertag. Natürlich liess<br />

ich es mir nicht nehmen, auch zum Schloss zu pilgern. Zum<br />

Gedenkgottesdienst auf der grossen Wiese unterhalb des Schlosses und<br />

zur anschliessenden Verköstigung vom Volk und Touristen, spendiert<br />

vom Haus Liechtenstein.<br />

Diese Mal achtete ich darauf, nicht die Wege von Hans-Adam oder<br />

seinem Erstgeborenen zu kreuzen. Nicht wie im August 2001. Im<br />

Rückblick auf jenen Staatsfeiertag kann man heute wohl eine gewisse<br />

Ironie erkennen. Das Schweizer Fernsehen hatte in der "10vor10" -<br />

Sendung vom 15.08.2001 einige Minuten über den Staatsfeiertag<br />

berichtet. Ausgerechnet, als ich hinter dem Rücken von Hans-Adam<br />

auftauchte, lief die Kamera. Meine Wege kreuzten sich auch dieses Mal<br />

mit denen des Blaubluts. Aber man beachtete sich einfach nicht gross.<br />

Ich nutzte die Tage um viel Sport zu treiben und mit dem Velo hatte ich<br />

schon über 1100 km abgeradelt. Oft fuhr ich hinter dem Gefängnis vorbei<br />

auf eine geteerte Feldstrasse die zum Rhein führte. Ab und zu kam mir<br />

der Lampert in den Sinn. Wie es ihm wohl gehen würde, fragte ich mich.<br />

In seinem Fall kam man nicht voran. Meine Dienste wurden nicht<br />

gebraucht (erst 2005 wurde es so heiss, dass man auch auf mich zukam).<br />

Jetzt, 2003, stelle sich Lampert stur und wollte mit niemandem reden. Ich<br />

hatte vom Gerichtspersonal gehört, dass seine Verhandlung im<br />

November stattfinden soll. Ich hatte meine eigenen Probleme und<br />

sowieso keine Zeit für Andere.<br />

Ende August schrieb ich Hans-Adam einen Brief indem ich meine<br />

Gedanken über meine Gerichtsverhandlung schilderte. Ich bat ihn um<br />

ein Vier-Augen-Gespräch vor der Verhandlung, die irgendwann im<br />

Oktober stattfinden sollte. Kurz darauf konnte ich in den Besitz einer<br />

440


Notiz der Vaduzer Polizei gelangen. Darin war die Rede davon, dass sie<br />

meine vier CD-ROMs von Berlin im Safe aufbewahrten. In einem kurzen<br />

Schreiben teilte ich dies dem Hans-Adam mit. Der Grund dafür lag dran,<br />

dass er mir ja während der Audienz gesagt hatte, dass er meine 4 CDs auf<br />

dem Schloss komplett vernichtet hätte. Offenbar muss es da ein<br />

Missverständnis geben, wenn jetzt in den Unterlagen stand, dass<br />

die Polizei meine 4 CDs hatte.<br />

Auch konnte ich wieder mit meiner alten Liebe, wenn auch nicht so<br />

ausgeprägt wie vorher, anbandeln. Eine ganz andere Art von<br />

Herzklopfen erlebte ich, als ich eines schönen Morgens, genauer am<br />

Dienstag, den 9.9., nach einem Besuch beim Landgericht wieder nach<br />

Hause kam und meinen Briefkasten öffnete. Darin lag ein gefalteter<br />

Zettel mit einem Text in Computerschrift und in Grossbuchstaben. Es<br />

waren exakt sieben Zeilen:<br />

KIEBER! Lass Dich nicht klein kriegen! Pass auf den 10 Vr 140 97<br />

auf! Du wirst reingelegt! Sag nicht zu allem Ja und Amen! Deine<br />

Unterkunft wird abgehört! Dein Mobiltelefon auch!<br />

Mir wurde schlecht. Ich rannte hoch in meine Wohnung und las den<br />

Zettel nochmals. Mist, nie hat man Ruhe, fluchte ich. Nicht, dass ich<br />

etwas zu befürchten oder zu verstecken hätte. Das einzige, was mir<br />

Ärger bereiten würde, wäre wenn sie einen Hinweise auf meinen Safe<br />

ich der Schweiz finden würden. Dies war aber unmöglich. Ich hatte<br />

absolut nichts bei mir oder in meinen Sachen, was in diese Richtung<br />

zeigte. Nur im Kopf. Und dieser war ja vor deren Zugriff geschützt. Ich<br />

strengte mich sehr an, um herausfinden, wer mir diese Worte zugesteckt<br />

haben könnte. Denn nur wenn ich wusste, wer dies war, konnte ich<br />

analytisch die Motive erforschen und den wirklichen Grund dieser<br />

Information herausfinden. Hatte es vielleicht mit dem Schreiben vom<br />

13.08. zu tun, in dem ich das Gericht um eine Kopie des Gutachtens<br />

gebeten hatte (siehe Kapitel 17)? Oder hatte ich zu viele Fragen gestellt?<br />

Denn obwohl es auf den ersten Blick es so aussah, als ob die Person, die<br />

den Zettel geschrieben hatte, auf meiner Seite stand, kam ich beim<br />

zweiten Blick zum Schluss, dass eigentlich das Gegenteil der Fall war.<br />

All die wenigen, die wirklich auf meiner Seite standen, würden mich<br />

offen warnen und mir die Information ins Gesicht sagen. Und RA<br />

Müller, der zwar für mich intervenierte, aber von Hans-Adam bezahlt<br />

441


wurde, würde so etwas nie tun. Dazu war er zu seriös. In meiner<br />

Gegnerschaft gab es Leute, die die angebotene Lösung von Hans-Adam<br />

nur widerwillig akzeptierten. Ich schreibe hier bewusst von<br />

Gegnerschaft. Aus meiner Sicht waren sie keine Gegner mehr, ich hatte ja<br />

Frieden mit ihnen geschlossen und dieser Friede wurde mir auch<br />

permanent von ihnen verbal bestätigt. Die isolierte Tatsache, dass ich<br />

noch eine komplette elektronische Kopie von Kundendaten plus diverse<br />

Geschäftsunterlagen in einem Safe in der Schweiz gebunkert hatte, war<br />

für mich kein ideologisches Hindernis für einen dauernden Frieden. Sie<br />

wussten ja nichts davon und ich konnte jetzt im Moment diese letzte<br />

Kopie nicht vernichten. Dazu würde ich immer noch zu einem späteren<br />

Zeitpunkt die Möglichkeit haben.<br />

Ich hatte mittlerweile erkannt, dass einige hier in Vaduz nicht am selben<br />

Strang zogen. Das bedeutete, dass es aus ihrer Sicht meine Gegner waren.<br />

Lange überlegte ich, wie ich herausfinden könnte, ob mein Leben<br />

abgehört wurde. War mein Handy nicht von der LGT gesponsert und<br />

mit neuer SIM-Karte ausgestattet worden? Ich selber war ja kein grosser<br />

Technik-Freak und konnte daher schwer, wenn überhaupt, mit<br />

elektronischen Mitteln die Wahrheit herausfinden.<br />

Ich versetzte mich in die Lage der Lauscher, falls es welche gab. Warum<br />

ich überhaupt abgehört werden würde, war mir schnell klar. Es gab<br />

sogar zwei Theorien. A) Sie wollten herausfinden, ob ich eine weitere<br />

Datenkopie hatte. B) Sie suchten nach neuem Belastungsmaterial. Für A)<br />

sprach, dass jeder halbwegs intelligente Gegner vermuten konnte, dass<br />

ich eventuell eine Kopie zurückbehalten hatte und er/sie deswegen<br />

herausfinden musste, wo ich sie versteckt haben könnte. Gegen A)<br />

sprach, dass sich langsam aber sicher abzeichnende aggressivere<br />

Verhalten mir gegenüber. Denn es ergab doch keinen Sinn, zu vermuten,<br />

dass ich eine Datenkopie besass und sich gleichzeitig liessen sie ein<br />

Versprechen nach dem anderen platzen. Ausserdem würden sie mich<br />

dann nicht ständig demütigten und weiterhin auf mir herumhackten.<br />

Was für B) sprach, war die teilweise krankhafte Kontrollsucht derer, die<br />

mich keine Minute aus den Augen lassen wollten und alles über mein<br />

Tun und Denken sammeln wollten, um einen Treffer zu landen.<br />

Nach ein paar Brainstormings (‚Hirnzellenkochen‚) kam mir eine<br />

einfache Idee, wie ich herausfinden könnte, ob man mich in der<br />

Wohnung abhören würde. Ich plante einen Test in den nächsten Wochen<br />

442


durchzuführen, einen Trick, sodass sie nicht merken würden, dass ich<br />

von ihrer illegalen Operation wusste. Illegal darum, weil streng nach<br />

dem Gesetzt ein solcher massiver Eingriff in meine Privatsphäre nur<br />

während einer gerichtlichen Untersuchung erlaubt ist. Sonst hätte ich<br />

mich ja gleich in die Mitte des Raums stellen können und schreien „ihr<br />

könnt mich alle mal kreuzweise – ich grüsse die Lauscher‚.<br />

Wegen dem Abhören des Handys redete ich am besten mit dem UR Paul<br />

Meier, entschied ich.<br />

Am 10.9. erhielt ich die Vorladung zum Prozess. Dieser würde am<br />

22.10.03 um 08.30 Uhr im Saal 1 beginnen. Natürlich unter Ausschluss<br />

der Öffentlichkeit, da die Regierung, Hans-Adam und die LGT die<br />

Angelegenheit als zu sensibel für die Ohren der Allgemeinheit befanden.<br />

Die „Sicherheit‚ des Landes würde riskiert werden. Da spielte es keine<br />

Rolle, dass nach Buchstaben des entsprechenden Gesetz, nur die<br />

eigentliche Verhandlung selber als nicht-öffentlich deklariert werden<br />

kann. Im Prinzip wären die Anklageverlesung und die<br />

Urteilsverkündung immer öffentlich. Natürlich hatte ich auch nichts<br />

dagegen, das Publikum auszusperren. Ich wollte meine Wäsche auch<br />

nicht für alle sichtbar geschrubbt haben.<br />

Da ich ja viel freie Zeit hatte, organisierte ich mehrere Besuche zum<br />

Aktienstudium beim LG. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder auf<br />

Belege gestossen war, die mich noch mehr zur Verzweiflung trieben.<br />

Im 140er z.B. fand ich Quittungen von über CHF 35'000.- . STA Haun<br />

hatte für diese horrende Summe Dokumente aus Spanien ins Deutsche<br />

übersetzten lassen. Und wen wundert’s noch, es waren ausschliesslich<br />

solche, die von Seiten der argentinischen Bande geliefert wurden. Der<br />

RA von Helmut Roegele nutzte die alleine vom Liechtensteiner Staat<br />

bezahlten teuren Übersetzungen im Zivilverfahren gegen mich.<br />

Permanent hatte das Landgericht meinen Antrag (basierend auf die mir<br />

gewährte Verfahrenshilfe) auf Übersetzung jener spanischen<br />

Dokumente, die mich entlasteten, ohne Begründung abgewiesen. Da ich<br />

dieser Fremdsprache selber mächtig war, hatte ich so gut es ging diverse<br />

Unterlagen selbst übersetzt. Wieder passte dies dem LR Oehri (im<br />

Zivilstreit) nicht. Eine weitere Arbeit für mich war das genauere<br />

Studium der 140er Anklage.<br />

Hans-Adam verlangte ja von mir, dass ich mich schuldig bekennen sollte<br />

und vor dem Kriminalgericht so wenig wie möglich sagen sollte. Er hatte<br />

und hat immer noch die absolute Kontrolle über jeden Richter. Dank der<br />

443


neuen Verfassung konnte er jeden von ihnen, wenn es sein muss unter<br />

fadenscheinigen Gründen, aus dem Amt entheben. Was er natürlich<br />

nicht unter Kontrolle hatte, war die möglichen Fragen, die mir das<br />

Richtergremium während der Verhandlung stellen konnte. Daher fand<br />

er es besser, wenn ich mich sternenklar für schuldig bekennen würde<br />

und somit die Anzahl der möglichen Fragen drastisch reduzieren würde.<br />

Je mehr ich in der ausgefertigten Anklage las, desto grösser wurde meine<br />

Abneigung gegenüber einem MEA CULPA.<br />

Abgesehen davon, dass die vorgeworfene Tat (Wohnungskauf) nicht<br />

zutraf, wäre es geradezu hirnverbrannt, wenn ich mich zu dieser<br />

formulierten Anklage ohne massiven Protest für schuldig erklären<br />

würde. Die Anklageschrift hätte genauso gut aus der Hand vom Täter<br />

Helmut Roegele stammen können. STA Haun hatte praktisch Wort für<br />

Wort die Lügen von ihm und seiner Frau in die Anklageschrift<br />

übertragen. Eine völlig absurd aufgebaute Erzählung, die Grösstenteils<br />

auch in der Abwehrstrategie von Helmut und seiner Komplizen für den<br />

101er Fall und dem Zivilverfahren zu finden war.<br />

Mit dem verlangten „ja, ich bekenne mich schuldig‚ würde ich selber,<br />

man stelle sich das vor, die Dichtung von Helmut & Co. mit einem<br />

Schlag als Gewissheit für immer und ewig einbetonieren.<br />

Nein, nein, nein - ich konnte hierzu auf keinen Fall einfach JA sagen. Sie<br />

können alles von mir verlangen, nur das nicht.<br />

Wiederum musste ich unser Staatsoberhaupt mit einem Anruf<br />

belästigen. Es war mir peinlich, ihn alle zehn oder 14 Tage anzurufen.<br />

Aber nach jedem Anruf sagte er mir, dass ich ihn immer kontaktieren<br />

dürfte. Er wäre ausser Landes, sagte man mir. Ob es dringend wäre,<br />

fragte seine Sekretärin. Nein erwiderte ich.<br />

Am Freitag, den 12.9., um exakt 10.30 Uhr rief er mich dann auf meinem<br />

Handy an. Das Gespräch dauerte genau 24 Minuten und 31 Sekunden.<br />

Ich erzählte ihm die Details von der 140er Anklage. Er hätte eine Kopie<br />

davon in seiner Mappe, unterbrach er mich auf halber Strecke. Ich sagte,<br />

dass ich unmöglich ohne mich wenigsten minimal verteidigen zu<br />

können, einfach Ja sagen könnte. Ich könnte ja auch nicht sagen:<br />

„Eigentlich bin ich nicht schuldig, bekenne mich aber schuldig.‚ Er<br />

müsse dies bitte verstehen.<br />

Er konnte meinen Bedenken folgen. Ich wies ihn auf die gefährliche<br />

Konsequenz hin, dass die Täter von Argentinien mein Schuldbekenntnis<br />

garantiert weiterverwenden würden. Ich würde doch vor jedem Gericht<br />

auf dieser Welt, wo immer wir es schaffen würden Helmut Roegele und<br />

444


seine Komplizen vor ein Kriminalgericht zu bringen, als geisteskrank<br />

abgewiesen werden. Egal wie erdrückend unsere Beweise sind und,<br />

dank seiner (Hans-Adams) finanziellen Supermacht, egal wie stark mein<br />

Anwaltsteam wäre.<br />

Hans-Adam meinte, ich würde wieder zu viel nachdenken. Alles würde<br />

gut werden. Wiederum konnte er mich beruhigen. Ich glaubte ihm, dass<br />

er den grösseren Überblick als ich hatte. Meine Wahrnehmung, im<br />

Gegensatz zu seiner, war ja durch den jahrelangen Kampf geschwächt.<br />

Zudem hatte ich auch Angst vor dem Resultat der kommenden<br />

Verhandlung. Da war es immer besser, Hoffnung zu schöpfen. Am<br />

nächsten Tag schrieb ich Hans-Adam wieder einen Brief und bedankte<br />

mich für seine Worte. Ich informierte ihn, dass ich erfahren hatte, dass<br />

ich zwei Personen mit zur Verhandlung nehmen könnte. Ich bat ihn um<br />

sein Einverständnis, den Bankdirektor mitnehmen zu können. Den Brief<br />

brachte ich persönlich am folgenden Dienstag, den 16.9., aufs Schloss<br />

und gab ihn beim Portier ab. Den Zettel in meinem Briefkasten erwähnte<br />

ich im Schreiben aber nicht.<br />

Am 23.9. hatte ich einen Termin mit dem Neffen vom RA Müller.<br />

Er beherrschte die spanische Sprache und hatte in Spanien via einer<br />

Topanwaltskanzlei dort für mich interveniert. Es wurden den spanischen<br />

Behörden mitgeteilt, dass die dort hängige Sache bald in Vaduz vor dem<br />

Landgericht behandelt würde. Nach Abschluss würde man das Urteil<br />

auf offiziellem Weg via Eurojust in Holland bekommen. Ähnlich wie bei<br />

Interpol, funktioniert die Eurojust als Drehscheibe der verschiedenen<br />

Gerichtsbarkeiten innerhalb Europas. Diese Nachricht erfreute mich<br />

sehr.<br />

Die Kanzlei Müller musste mir leider auch mitteilen, dass es Helmut<br />

Roegele inzwischen gelungen sei, an die Gelder in Österreich zu<br />

kommen. Wieder ein Tiefpunkt in meinem Leben. Als es vor mehr als<br />

sechs Jahren blockiert wurde, waren es über CHF 825'000.-. Mit den<br />

Zinsen müsste es heute weit über 920'000.- sein. Viel mehr als das, was<br />

der Verbrecher Helmut Roegele von mir nun offiziell plündern durfte.<br />

Ich fragte, warum mir das Gericht in Österreich die Differenz nicht<br />

zurückgegeben hätte. Leider sei ihnen die Auskunft verwehrt worden,<br />

wie viel am Ende auf dem Konto lag, erklärten die Müllers. Ich konnte<br />

dazu nichts mehr sagen, ich wollte auch nichts mehr sagen. Man hätte<br />

dies verhindern können. Die Kanzlei Müller, typisch Juristen, sahen auch<br />

eine positive Seite. Wenn ich mich beim Gericht im 140er schuldig<br />

445


ekennen würde, dann könne man dem Gericht auch mitteilen, dass die<br />

„Schuld‚ gegenüber Helmut Roegele in der Zwischenzeit beglichen<br />

wurde. Wenn sie meinten, war meine lapidare Antwort darauf.<br />

Es dauerte nicht lange, bis meine mündlichen und schriftlichen<br />

Beschwerden über Haun als Vertreter der Anklage auf seine Ohren<br />

trafen. Dieser war so gekränkt und beleidigt, dass er es für korrekt hielt,<br />

mich persönlich zu kontaktieren. Die Nummer muss er von meinem<br />

Briefkopf aus dem Schreiben an seinen Chef vom 5.8. abgelesen haben.<br />

Er fackelte nicht lange. Ich war so erschrocken, als er mich anrief, dass<br />

ich zuerst seine giftige Drohung gar nicht fassen konnte. Seinen Namen<br />

und seine Stimme zu hören, irritierte mich stark. Ich dachte nur, wie kam<br />

der überhaupt auf die Idee mich anzurufen. Er erpresste mich. Ja,<br />

Erpressung! Er wusste inzwischen, dass ich aufgefordert worden war,<br />

mich zu 10000 Prozent schuldig zu bekennen. Er wusste ferner, dass ich<br />

mich dazu weigerte und mich wegen seiner kommenden Präsenz in der<br />

Verhandlung beschwert hatte. Er sagte ganz cool, dass ich, was seinen<br />

Auftritt als Ankläger betreffe, gefälligst die Klappe halten soll. Und sollte<br />

ich mich nicht schuldig bekennen, würde er das Ehepaar Helmut<br />

Roegele & Salud H. zur Verhandlung am 21.10. höchstpersönlich<br />

herkarren. Das wäre doch ein Spektakel, feixte er. Wenn ich dies nicht<br />

wollte, dann müsste ich ein klares Schuldbekenntnis abliefern. Er brüllte<br />

wie ein Pavian. Er erwarte bis spätestens zwei Wochen vor der<br />

Verhandlung eine Nachricht von meinen Verteidiger, ob ich mich<br />

schuldig bekenne. Zudem drohte er mir, falls ich ein Schuldbekenntnis<br />

ankündigen würde und am 21. (10.) auf die schlaue Idee kommen würde<br />

auf „nicht schuldig‚ zu plädieren, dann würde er beantragen, die<br />

Verhandlung zu verschieben und dann Helmut Roegele & Co. vorladen.<br />

Ansonsten er Helmut und das ganze spanische Pack zur Feier einladen<br />

würde, wiederholte er schon wieder. Die würden sich hüten, hier her zu<br />

kommen, schrie ich ihn ohne gross zu überlegen an. Nicht mehr, lachte<br />

er gemein, da ich ja so schwachköpfig gewesen wäre, meinen Antrag auf<br />

Fortsetzung der Strafuntersuchung zurückzuziehen. Diesem Antrag<br />

hatte das Obergericht stattgegeben.<br />

Ich drücke mit solcher Kraft und Repetition auf die Ausschalttaste<br />

meines Handys, bis mein rechter Daumen schmerzte. Dieser Sauhund,<br />

dachte ich mir. Das macht er nicht. Unmöglich. Er darf so etwas nicht<br />

machen. Diese miese Kreatur erpresste mich. Der hat sich gar nicht<br />

geändert, wurde mir klar. Von Einsicht in die eigenen Fehler absolut<br />

keine Spur. Null. Nichts. Nada.<br />

446


Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger verstand ich die<br />

Situation. Ich begriff nicht, wie sich Haun so aufführen konnte, ohne<br />

einen Rüffel von seinem Boss, Dr. Wallner oder der Justizministerin Rita<br />

Kieber-Beck zu riskieren. Vielleicht wollte man es so. Um mir Angst<br />

einzujagen. Wenn mein Handy abgehört wurde, dann wüsste Haun dies<br />

sicher auch. Das heisst, er hatte sicher Rückendeckung für eine solche<br />

Wortwahl mir gegenüber, leuchtete es mir ein.<br />

Trotzdem verfasste ich sofort einen neuen Brief an Hans-Adam. Im<br />

Schreiben gab ich im genauen Wortlaut den Anruf von Haun wieder<br />

und teilte Hans-Adam mit, dass ich mich nicht erpressen lasse. Ich flehte<br />

ihn an, diesem Haun eine auf die Rübe zu knallen. Ob den nun alle<br />

durchgedreht wären, fragte ich offen. Noch nie war eines meiner<br />

Schreiben so schnell beim Empfänger. Ich erwischte gerade noch den<br />

Schlosspförtner bevor er Feierabend machte und bat ihn den Brief gleich<br />

ins Schloss zu tragen.<br />

Am nächsten Morgen rief mich nicht Hans-Adam, sondern der<br />

Bankdirektor an. Er bat mich nochmals die genauen Worte von Haun zu<br />

wiederholen. Ich tat es und teilte ihm unmissverständlich mit, dass ich<br />

mir nicht drohen lasse. Schon gar nicht vom einem wie Haun. Natürlich<br />

lassen wir uns nicht erpressen, pflichtete er mir bei. Dann sagte der<br />

Bankdirektor etwas erstaunliches, was ich durchwegs als glaubhaft<br />

schluckte. Haun habe vom Leben doch keine Ahnung und nachdem alles<br />

über die Bühne gegangen wäre, hätte man für ihn in Liechtenstein keine<br />

Aufgabe mehr. Aha, dachte ich mir, habe wieder ein Teilstück eines<br />

anscheinend grösseren Plans erfahren. Ich musste dem Bankdirektor<br />

versprechen, dass ich keine Dummheit begehe und beim Haun oder<br />

sonst irgendjemanden bei der STA Radau machen würde. Versprochen?<br />

Versprochen!<br />

Am 3.10. hatten sich der Bankdirektor und der Professor für einen<br />

Besuch bei mir zu Hause angemeldet. Unsere Unterredung dauerte von<br />

11:00 bis 12:15.Zuerst musste ich ihnen von einer grausigen Nachricht<br />

erzählen. Ich hatte in einem alltäglichen Gespräch unter Nachbarn<br />

erfahren, dass meine Vormieterin, ein zutiefst traurige und vom Leben<br />

geschundenen Italienerin sich in dieser Unterkunft kurze Zeit vor meiner<br />

Ankunft das Leben genommen hatte. Es stelle sich heraus, dass es jede<br />

Dame war, die 1997 meine kurzzeitige Nachbarin im Altersheim von<br />

Eschen war. Ich war sehr betrübt über diese Geschichte. Ich fragte die<br />

beiden Besucher, ob sie davon wussten. Nein, antworteten sie.<br />

447


Hauptsächlich drehte sich die ganze Diskussion um die bevorstehende<br />

Verhandlung. Es wurde mir ein Text vorgelegt, den ich nach der<br />

Anklagevorlesung ablesen sollte.<br />

Die Anklage war in zwei Teile gespalten.<br />

Teil 1) betraf den Wohnungskaufs in Barcelona und<br />

Teil 2) betraf die Daten und den Brief an Hans-Adam. Sobald ich das<br />

Wort hätte, sollte ich zu beiden Teilen folgendes und nicht mehr sagen:<br />

Zum Thema „Roegele‚ möchte ich wie folgt mich äussern: Die<br />

Liechtensteiner Justiz hat in einem Zivilverfahren schlussendlich<br />

rechtsgültig nicht meiner, sondern der Version des Klägers<br />

glauben geschenkt. Dies muss ich akzeptieren. Aus h e u t i g e r<br />

Sicht, sowie sich die Dinge für meine Zukunft präsentieren,<br />

bekenne ich mich – aus verschiedenen, übergeordneten Gründen<br />

- formell juristisch schuldig. Mehr kann ich dazu nicht sagen.<br />

Zum Thema „Landesfürst‚ möchte ich wie folgt mich äussern:<br />

Ich bekenne mich schuldig, den Brief vom 7. Januar dieses Jahres<br />

aufgesetzt und geschrieben, eine Kassette besprochen und<br />

zusammen mit verschiedenen Beilagen seiner DL nach Hause<br />

geschickt zu haben. Ich bedauere es ausserordentlich, schäme<br />

mich dafür sehr – insbesondere als bekennender Monarchie-Fan<br />

- und bereue es aufs tiefste, das ich dadurch seine DL und<br />

Andere unverschuldet in eine schwierige Lage gebracht habe. Ich<br />

befand mich in einer äusserst destruktiven Situation und meine<br />

Motive habe ich in besagten Unterlagen vollumfänglich und<br />

vollständig dargelegt. Manche greifen zu Gewalt, ich griff Feder.<br />

Kurz festhalten möchte ich nochmals, dass ich zum Zeitpunkt, als<br />

ich die Unterlagen bzw. elektronischen Datenträger an mich<br />

genommen habe, mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht<br />

habe, was ich damit anstellen werde. Hier möchte ich auch auf<br />

meine Einvernahme bei der Untersuchungsrichterin am 10. Juli<br />

dieses Jahres verweisen. Die juristische Beurteilung liegt<br />

selbstverständlich nicht bei mir.<br />

Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.<br />

Es war eine bitte Pille, die ich da schlucken musste. Da noch zwei<br />

Termine mit meinem RA Müller geplant waren, hätte ich noch genügend<br />

Zeit, alles mit ihm zu besprechen, sagten sie. Was gäbe es da noch zu<br />

448


esprechen, wenn der Text mir zwingend vorgegeben wird, fragte ich.<br />

Wenn ich nichts zur Verteidigung sagen darf? Nachdem der<br />

Bankdirektor gegangen war, schlug der Professor vor, dass wir in die<br />

Schweiz fahren und dort Mittagessen gehen. Gute Idee, sagte ich.<br />

Wir fuhren mit seinem Wagen über den Rhein nach Buchs, kauften uns<br />

eine feine Schweizer Servalat (Bratwurst) und ein Bürli (Brötchen) und<br />

setzten uns draussen vor den Fussballplatz des FC Buchs. Wir redeten<br />

offen, mehr als üblich, über alle möglichen Themen. Aus seinen<br />

Schilderungen wurde mir dann auch bewusster, dass es für Hans-Adam<br />

auch nicht einfach war und ist. Ich erwähnte, dass ich über mich selber<br />

verärgert wäre. Warum, fragte er. Weil es doch so aussieht, alles würde<br />

alles anders rauskommen, als wir es in Holland besprochen hätten. Zum<br />

Beispiel den 101er, zählte ich auf. Als ich in Berlin und Holland war,<br />

hätte ich nie geglaubt, dass ich derjenige sein würde, der den Deckel<br />

zumacht. Ihr habt mich dazu clever überredet, sagte ich zu ihm.<br />

Er meinte, dass es sich schlussendlich als der richtige Weg herausstellen<br />

wird. Es würde ja bald alles zu Ende sein. Ja, sagte ich, dann kann man<br />

die zweite Etappe in Angriff nehmen. Endlich, endlich den Tätern aus<br />

Argentinien an den Kragen gehen. Er fragte mich noch, wie weit ich mit<br />

der Denkschrift wäre. Die sei bald fertig, erwiderte ich. Ob er eine Kopie<br />

davon haben könnte. Für ihn als Psychologe wäre es sehr interessant,<br />

meine Gedanken darüber zu lesen. Ich musste ihn aber enttäuschen, da<br />

mir Hans-Adam bei der Audienz gesagt hatte, dass ich nur ihm die<br />

fertige Arbeit übergeben sollte. Ich denke, dass Hans-Adam Angst hat,<br />

ich könnte wieder von den Leichen schreiben oder über sonst etwas, was<br />

ihn, sein Land oder die LGT diskreditieren würde. Obwohl ich dem<br />

Hans mehrmals erklärt hatte, dass ich keine Namen oder Orte erwähnen<br />

würde. Ich denke, er wird mit meiner Arbeit zufrieden sein.<br />

Das hoffte ich zumindest und ich wäre mir sicher, dass er ihm dann eine<br />

Kopie überlassen würde, sagte ich zum Schluss.<br />

Der Professor konnte nicht versprechen, am Tag der<br />

Gerichtsverhandlung zu kommen. Er würde aber sicher telefonieren. Ich<br />

bedankte mich für seine Bemühungen und brachte auch meine Hoffnung<br />

zum Ausdruck, noch vor dem Gerichtstermin mit Hans-Adam ein Vier-<br />

Augen-Gespräch halten zu können. Der Professor würde diesen Wunsch<br />

auch unterstützen.<br />

RA Müller versicherte mir mehrmals, dass ich keine Angst haben sollte.<br />

Ich befürchtete auch, dass evt. der Haun als Überraschungseffekt<br />

449


Helmut Roegele & Co. eingeladen hatte. RA Müller meinte dazu, dass er<br />

diesbezüglich keine Hinweise bei Gericht gesehen habe. Gemäss<br />

Gerichtssekretariat wären von Klägerseite nur Haun und Dr. Wallner<br />

angemeldet. Dr. Wallner? Warum kommt die STA mit Doppelbesetzung,<br />

fragte ich. Er wisse es nicht. Er habe aber gehört, dass Haun<br />

Massnahmen getroffen habe, falls ihm etwas passieren sollte. Ihm etwas<br />

passieren? Nichts würde ihn dran hindern, diesem Prozess<br />

beizuwohnen. Selbst wenn er im Endstadium einer furchtbaren<br />

Krankheit wäre, er würde dieses Spektakel nicht verpassen wollen. RA<br />

Müller sagte mir auch, dass er ja auf Freispruch plädieren würde,<br />

zumindest was den Brief von mir an Hans-Adam angehen würde.<br />

Freispruch? fragte ich erstaunt. Ja, das wäre doch klar, meinte er. Das<br />

hätte er schon zu Anfang gesagt. Muss mir wohl entgangen sein, sagte<br />

ich ihm. Ich hatte immerzu nur schuldig, schuldig und nochmals<br />

schuldig in den Ohren und vergass vollständig, dass mein RA trotzdem<br />

noch einen Freispruch beantragen kann. Da man sich ja auf einen<br />

Schuldbekenntnis geeinigt hatte, formulierte er es elegant, würde ich<br />

nach seiner Berufserfahrung und unter den speziellen Umständen dieses<br />

Falles mit einer Bewährungsstrafe davon kommen.<br />

Aber dann wäre ich ja vorbestraft, sagte ich. Leider ja, sagte er, anders<br />

ginge es nicht. Mehr konnte er nicht für mich herausholen. Was<br />

herausholen, fragte ich. Müssten wir nicht zuerst die Verhandlung<br />

abwarten, um über herausholen zu reden, fragte ich. Nein, sagte er. Bei<br />

Gericht würde nicht viel geredet. Aber er sei doch mein Verteidiger, er<br />

müsse reden wie ein Kirchenprediger zu Ostern, verlangte ich. Wenn ich<br />

die Schnauze halten muss, gilt dies doch nicht für ihn, versuchte ich<br />

klarzustellen. Nicht das noch was schief ginge. Alles unter Kontrolle,<br />

erwiderte er. Ich solle endlich aufhören mir den Kopf zu zerbrechen.<br />

Ich fragte Müller auch, ob er mir helfen kann, das geheime Gutachten<br />

(siehe Kapitel 17) zu organisieren. Er wusste von keinem solchem<br />

Gutachten. Ich zeigte ihm die Randbemerkung in der Aktennotiz. Ich<br />

erwähnte, dass darin etwas mich entlastendes stehen könnte. Er würde<br />

die Sache abklären. Er instruierte mich auch, nur das vorzulesen, besser<br />

gesagt zu antworten, was mir eingetrichtert wurde. Ich sagte ihm, dass<br />

ich den Text auf ein Blatt Papier ausgedruckt habe und mit ins Gericht<br />

nehmen würde, für den Fall, dass ich zu nervös werde und den Text<br />

vergesse. Ich zeigte ihm das Blatt. Er las es durch. Wenn die STA etwas<br />

fragen würde und ich nicht antworten möchte, dann soll ich auf ihn<br />

450


verweisen, dafür sei er ja da. Er erinnerte mich auch daran, dass ich nach<br />

der Urteilsverkündung auf keinen Fall vergessen soll, mich für das Urteil<br />

bei den Richtern zu bedanken. Warum das, fragte ich. Wegen des<br />

„Ventils‚, meinte er nur. Als Wertschätzung gegenüber dem Hohen<br />

Gericht und den Richtern.<br />

Aha, sagte ich, das mit dem Ventil hat sich also auch schon<br />

herumgesprochen. Solange ich dem Haun keinen Handkuss geben muss,<br />

habe ich damit keine Probleme, bemerkte ich. Ich war froh, dass ich so<br />

einen ruhigen, erfahrenen RA hatte.<br />

Am 14.10. war ich noch einmal beim Landgericht, um kurz diverse<br />

Akten einzusehen. Mein RA Müller hatte sich in der Zwischenzeit damit<br />

abgefunden, dass ich, wie ich es immer in den letzten sechs Jahren<br />

gemachte hatte (mit oder ohne RA), die Akten selber studierte.<br />

Am 17.10. war meine Denkschrift fertig und eine Kopie brachte ich dem<br />

Auftraggeber, Hans-Adam persönlich nach Hause. Das Wochenende vor<br />

dem Prozess war ruhig. Am Montag vor der Verhandlung war ich ganz<br />

nervös und hatte auf einmal 1000 Fragen an meinen RA. Er hatte Zeit für<br />

mich und ich besuchte ihn. Morgen wird alles gut, beruhigte er mich. Ich<br />

war nahe daran, ihm von dem Zettel oder den vielen Ungereimtheiten,<br />

die sich langsam aber sicher herauskristallisierten, zu erzählen. Ich<br />

vertraute mich aber Müller nicht an, da ich eines sicher wusste: Er war<br />

1000-mal pflichtbewusster Hans-Adam gegenüber als mir. Was ja klar<br />

war. Ich war auch schwer enttäuscht, dass Hans-Adam keine Zeit mehr<br />

für ein kurzes Gespräch mit mir vor der Verhandlung hatte.<br />

Bevor ich aber meinen Lesern die Geschichte über die<br />

Gerichtsverhandlung erzähle, schiebe ich noch ein Kapitel dazwischen,<br />

worin ich euch das Resultat meiner von Hans-Adam geforderten<br />

Denkschrift zeige. Ich hatte mir für diese Forderung von ihm sehr viel<br />

Mühe gegeben.<br />

451


KAPITEL 22 Es muss sich was ändern, damit . . .<br />

. . . es so bleibt, wie es ist.<br />

Dieser Satz (geborgt aus dem Roman Der Leopard von Giuseppe Tomasi<br />

di Lampedusa) war auch der Titel meiner Denkschrift, die ich vier Tage<br />

vor dem Gerichtstermin im Oktober 2003 fertig verfasst hatte. Als<br />

meinen Beitrag zur Versöhnung hatte ich mich so gut es ging bemüht,<br />

ein kurzes Werk zu schreiben. Das Resultat waren meine Gedanken zum<br />

Phänomen „Workplace Violence‚ (Verbrechen am Arbeitsplatz), mit<br />

speziellem Blick auf die Banken- & Treuhandwelt in Liechtenstein.<br />

Knapp drei Monate hatte ich daran gearbeitet. Vom Ergebnis druckte ich<br />

zwei Kopien: eine für mich und eine für den Auftraggeber Hans-Adam.<br />

Am Freitag, den 17.10. brachte ich seine Kopie hoch zum Schloss.<br />

Anm.: Der Inhalt selber entspricht Wort für Wort dem Original. Unter dem<br />

Hinweis auf einen "z. Zt. in Haft sitzenden XY" beziehe ich mich auf Hrn. R.<br />

Lampert. Bei dem Hinweis auf das Massaker im Kantonsparlament Zug<br />

(Schweiz) beziehe ich mich auf die mörderische Tat vom Hrn. F. Leibacher im<br />

September 2001.<br />

EINLEITUNG<br />

Geschätzte Leserin, Geschätzter Leser,<br />

Wahrlich stürmische Monate mit vielen bangen Momente,<br />

abenteuerliche Szenarien und hektische Umstände sind diesem<br />

Denkbericht vorausgegangen. Was ist geschehen?<br />

Die Antwort lautet „ w o r k p l a c e v i o l e n c e “. Dieser<br />

englische Überbegriff umschreibt die Gefahr, die jede Firma<br />

treffen kann. Es ist nicht jene Gefährdung, die von aussen<br />

kommt, sondern die von innen kommende. Wenn sich<br />

Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichsten<br />

Gründen dazu Entscheiden, zum Schaden des Arbeitgebers aktiv<br />

zu werden. Dieses Phänomen werden wir verstärkt in der<br />

Zukunft erleben können. Es ist die ständig rasant sich<br />

verändernde globale Welt, die mehr und mehr entseelt und<br />

habgierig erscheint und durch übermässiges Regulieren des<br />

privaten sowie öffentlichen Bereiches dem Mitbürger das Gefühl<br />

der Ohnmacht verleiht und ihn versucht in ein Korsett des<br />

„Normalen‚ zu zwängen. Aber eben, Normal hiess einst (und<br />

452


heisst es heute noch oft) gerade nicht das Gewohnte, sondern das,<br />

was der aktuellen (!) Norm entspricht, und dies ist ein Richtmass,<br />

eine Vorschrift, ein Gebot. Die Wertvorstellungen und ethischen<br />

Prinzipien vieler Menschen haben sich unter anderem dadurch<br />

verändert. Zur Wirklichkeit gehört aber auch, dass viele<br />

Menschen, die nur den Niedergang und Verfall erwarten,<br />

denken, dass es, übertrieben gesagt, keine Gerechtigkeits-<br />

Demokratie gibt. Es gibt nur einen Konkurrenzkampf beim<br />

Stehlen. Der Kampf gegen die Ignoranz, Arroganz und den<br />

Egoismus ist verloren, weil jeder hofft, mitmachen zu können.<br />

Diejenigen, die die Situation kennen, wollen nicht kämpfen,<br />

diejenigen, die kämpfen wollen, kennen die Situation nicht.<br />

Diejenigen, die gebildet sind, wollen keine Opfer bringen,<br />

diejenigen, die Opfer bringen wollen, sind stockdumm. (Bank-<br />

)Überfälle sind in unserer Region ja praktisch ausgeschlossen<br />

oder zumindest sehr selten; potentielle Ziele für eine destruktive<br />

Absicht eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin sind die harten<br />

Faktoren (Einrichtungen, Gebäude aber auch Arbeitskollegen<br />

sowie Vorgesetze) und die weichen Faktoren (sensible Daten). Aus<br />

aktuellem Anlass und quasi aus erster Hand, habe ich – der<br />

Verfasser, als Laie - versucht in meinen Überlegungen und<br />

meiner Analyse ein breites Spektrum von möglichen<br />

Themenkreisen rund um die Datensicherheit bei Banken- und<br />

Treuhandunternehmungen hier auf Papier zu bringen. Die<br />

Aufteilung in Kapiteln habe ich wie folgt vorgenommen:<br />

° Abkürzungen / Erläuterungen,<br />

° Neuanstellung von Mitarbeitern<br />

° Täterprofile / Tätervorgehensweise<br />

° Verbesserte Sicherheit: Allgemein - E D V - Buchhaltung<br />

° die 50 % Katastrophe<br />

° Schlusswort.<br />

Die vorliegende Niederschrift ist – nebst meinen mündlichen<br />

Angaben zum Thema - als weiteren Teil meines Beitrages<br />

anzusehen, die Angelegenheit optimal für alle Aufzuarbeiten.<br />

Dies mit dem Ziel Veränderungen auszulösen und nicht nur<br />

luftleere Interpretationen zu produzieren. Weitere Ausführungen<br />

meinerseits erfolgen nicht. Es kann sein, dass einige meiner<br />

453


„Problem-Lösungs-Gedanken‚ sich bereits in der<br />

Umsetzungsphase befinden oder sogar schon verwirklicht<br />

worden sind. In diesem „Bericht‚ – der keinen Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhebt - werden Sie keine Namen, Orte oder<br />

Dergleichen finden; dies ist vom Verfasser so gewollt. Die<br />

Anonymität für Alle (!) ist eine gut gewählte Form und bietet<br />

zudem Schutz. Es werden sich gewisse Beteiligte beim Lesen<br />

leicht selber erkennen können. Es versteht sich von selbst und<br />

wurde auch dem Verfasser ausdrücklich vom Auftraggeber<br />

zugesichert, dass nichts aus der vorliegenden Denkschrift gegen<br />

ihn oder andere in straf- oder zivilrechtlicher Form jemals<br />

verwendet wird. Vielen Dank.<br />

Abkürzungen / Erläuterungen<br />

T – A = Täter Typ A<br />

T – B = Täter Typ B<br />

T– C = Täter Typ C<br />

EDV = EDV–Abteilung,<br />

KB = KundenberaterIN<br />

SB = SachbearbeiterIN<br />

MA = MitarbeiterIN,<br />

HR = Personalabteilung<br />

Workplace Violence = existenzielle Gefahr für die Firma<br />

Die 50%-Katastrophe = die Daten oder Sabotageeinrichtung<br />

sind in der Hand des Täters; seine<br />

Drohung wurde aber noch nicht<br />

umgesetzt<br />

Die 100%-Katastrophe = die Daten wurden verraten oder<br />

verwendet, bzw. die Sabotage wurde<br />

ausgeführt<br />

Neuanstellung von Mitarbeitern<br />

Während sich der Fokus auf eine verbesserte, verfeinerte und<br />

umweltschonende Technik rund um den gesunden und<br />

modernen Arbeitsplatz, bedingt durch die ständig steigenden<br />

Anforderungen insbesondere von Seiten möglicher neuer MA,<br />

verlagert hat, sind vielleicht - trotz aller Anstrengungen – der<br />

454


feinen Instinkt und Sensibilität für das Individuum selber etwas<br />

zu kurz gekommen. Um schon potentielle Täter aller Couleur aus<br />

dem Kreis möglicher Kandidaten für eine offene Stelle so gut wie<br />

es geht herauszufiltern, bedarf es nebst dem aktuellen<br />

Strafregisterauszug - das zudem von j e d e m Land vorgelegt<br />

werden sollten, wo der Bewerber in den letzten 10 Jahren<br />

gelebt(!) und/oder gearbeitet hat – und den üblichen<br />

standardisierten Fragen (schriftlich in Formularen oder<br />

protokollarisch(!) mündlich) weiterer Fragestellungen, die wie<br />

folgt lauten könnten:<br />

° Wurde je im In- oder Ausland ein oder mehrere Verfahren*<br />

gegen Sie eröffnet? Wenn ja: Was waren die Vorwürfe an Sie?<br />

Wie endete(n) das/die Verfahren? Durch Einstellung? Warum?<br />

Durch Verurteilung? Wie lautete das/die Urteil(e)?<br />

° Läuft gegenwärtig gegen Sie im In- oder Ausland ein oder<br />

mehrere Verfahren*, die noch nicht rechtsgültig/ rechtskräftig<br />

erledigt sind? Wenn ja: Was sind die Vorwürfe an Sie?<br />

° Hatten Sie früher Verurteilungen, die auf den von Ihnen<br />

vorgelegten Strafregisterauszügen nicht mehr erscheinen oder<br />

vermerkt sind? Wenn ja: welcher Art waren diese Strafregistereinträge?<br />

° Kamen Sie je in den Genuss einer Generalamnestie oder<br />

Begnadigung? Wenn ja: Was waren es für Vorwürfe an Sie?<br />

Wie lautete das ursprüngliche Urteil?<br />

* = ausgenommen Verkehrsdelikte.<br />

Ein Hinweis sollte im Fragebogen oder im persönlichen<br />

mündlichen Gespräch nicht fehlen; ansonsten die speziellen<br />

obigen Fragen nicht die gewünschte Wirkung haben: „Jegliche<br />

Falschangabe k a n n zur sofortigen/fristlosen Kündigung<br />

führen und unter Umständen zivil- oder strafrechtliche Folgen<br />

nach sich ziehen‚. Zweifelt man an den Angaben des Bewerbers,<br />

so besteht heute mit der Datenflut, die über jeden Mitbürger<br />

gespeichert ist, die Möglichkeit, bei Behörden im In- und<br />

Ausland, z.B. aus seiner (meistens öffentlich zugänglichen)<br />

Steuererklärung, Gemeinderegister u.s.w. relativ leicht an<br />

455


aussagekräftige Informationen zu kommen – vorausgesetzt man<br />

kann sie richtig interpretieren.<br />

Freiwillig wird wohl kaum ein neuer MA Angaben zu seinem –<br />

falls vorhandenem – „belastetem Verhältnis‚ mit der Justiz<br />

machen. Durch gezielte Fragen kann man aber einiges Erfahren.<br />

Ein rechtschaffener Bewerber wird diese Vorsichtsmassnahme<br />

verstehen und keine Einwände haben. Ein spezielles Thema ist<br />

auch „umgekehrte Verhältnis‚; wenn ein neuer MA für einen<br />

sensiblen Bereichen zu einem bestehenden Kreis von alten MA<br />

(aller Abteilungen) stösst. Ein möglicher Täter (alter MA) – der<br />

durchaus n i c h t in derselben Abteilung wie der neue MA<br />

arbeiteten muss - kann sich diesen Umstand zu nutze machen, in<br />

dem er zum Beispiel durch systematische Fragen oder Bitte um<br />

Unterlagen den neuen MA für sich „instrumentalisiert‚.<br />

Vermutlich verwendet er eine Redensart die so lauten kann: „….<br />

das wurde mir immer mitgeteilt…“,.. die Unterlagen brauche ich<br />

jeweils…“ u.s.w. Mit dem Resultat, dass der neue MA sensible<br />

Fragen beantwortet oder gar Unterlagen (Original oder Kopien)<br />

aushändigt. Da er denkt, der Fragende ist ja viel länger als ich im<br />

Betrieb tätig und wird schon Recht mit seiner Argumentation<br />

haben. Oder der neue MA – den organisatorischen Abläufen noch<br />

nicht ganz vertraut - will dem Älteren nicht „widersprechen‚.<br />

Daher ist es wichtig, dass man neuen MA, die in empfindlichen<br />

Bereichen arbeiten werden, klar kommuniziert welche Rechte<br />

andere MA haben, sich über ihre Arbeit im Detail zu<br />

„informieren‚. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen!<br />

Weitere Angaben dazu können Sie auch unter dem Abschnitt „E D V“<br />

im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* nachlesen.<br />

Täterprofile / Tätervorgehensweise<br />

Aus der Vielzahl von möglichen Täterprofilen habe ich drei<br />

Typen ausgewählt, mit denen wir hier in unserer Gesellschaft<br />

wohl am ehesten konfrontiert werden. Viele, aber nicht alle<br />

Aspekte in Bezug auf Verhaltens- und Vorgehensweise haben die<br />

drei Arten gemeinsam. Was sie unterscheidet ist das alles<br />

antreibende MOTIV. Das MOTIV - ausschlaggebend für alles<br />

Handeln seitens des Täters u n d auch der dann später<br />

betroffenen Firma und evt. eingeschalteten Behörden! Das<br />

456


MOTIV - ist eng mit der Psyche und der geistig-moralischen<br />

Haltung des Täters verbunden. Vielleicht wäre es das Beste, an<br />

das Innere des Täters mit speziellen psychoanalytischen<br />

Methoden ran zu kommen. Denn,<br />

° die wenigsten Täter haben wirklich böse Absichten (aus seiner<br />

eigenen Sichtweise).<br />

° die Täter auch oft Opfer ihres Umfeldes sind.<br />

° jeder Täter wohl die Nähe zu seinem Thema braucht, oft auch<br />

Zuneigung.<br />

° die Täter evt. unter einer psychischen Verhornung leidet – eine<br />

verminderte Fähigkeit oder Bereitschaft, (Gefühle zu<br />

empfinden), Gutes von Böse zu unterscheiden.<br />

Ohne die Täter zu beschönigen steht leider fest: Das Schlimme im<br />

Leben ist, dass jeder seine eigenen Gründe hat. Und ob der<br />

menschliche Geist (des Täters) sich selber verstehen kann – das ist<br />

eine philosophische Frage


die er „zu verraten‚ droht, oder er kann durch seine<br />

innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner<br />

Sabotagedrohungen (z.B. in der EDV) erheblichen Schaden<br />

anrichten. Da Geld sein Ziel ist, hat er dem möglichen<br />

finanziellen sowie ideellen Schaden der Firma ein „Preisschild‚<br />

verpasst und seine geldmässige Forderung dementsprechend<br />

ausgerichtet. Die Gründe seiner Motivation können vielfältig<br />

sein; Geld für aufwendigen Lebensstil, Geltungssucht, Schulden<br />

aller Art, kommt nicht klar mit der Tatsache „


sogar Kinder haben (Geldgierige Menschen lassen sich davon<br />

nicht immer behindern). Einmal den Beschluss zur Tat<br />

(Datendiebstahl, Sabotage, Drohung etc.) gefasst, lässt er sich<br />

schwer vom falschen Weg abbringen; er handelt oft emotionslos<br />

und ist aber daher in meinen Augen erstaunlicherweise eher<br />

während seinen „Vorbereitungen‚ innerhalb der Firma<br />

erkennbar / optisch fassbar als die anderen hier beschriebenen<br />

Tätertypen ! Dies darum, weil er sich zu 100 % seiner Straftat<br />

immer in allen zeitlichen Abläufen voll bewusst ist und eine<br />

gewisse erhöhte Nervosität und – für einen geschultes „Auge‚ -<br />

erkennbares verändertes (Arbeits-) Verhalten beim ihm<br />

anzutreffen ist. Dieser Tätertyp arbeitet n i c h t unbedingt nach<br />

dem Zufallsprinzip; d.h. er beschliesst höchstwahrscheinlich<br />

zuerst den Plan und führt ihn konsequent aus. Dies ergibt sich<br />

aus seinem hohen Grad an krimineller Energie. Es ist also<br />

n i c h t so, dass er „per Zufall‚ auf irgendetwas in der Firma als<br />

Droh- und Erpressungsmittel stösst und dann auf die Idee<br />

kommt, damit liesse sich Geld machen. Was seinen „Abgang‚<br />

(Austritt, Kündigung) aus der Firma betrifft, sind viele Varianten<br />

möglich und diese stark von bestimmenden Faktoren anhängig.<br />

Bei einem aktuellen Fall (XY) - nach meinem Wissensstand - war<br />

der Täter wenige Wochen vor seinem „grossen Auftritt‚ aus der<br />

Firma ausgeschieden. Es gibt aber auch Täter, die nicht kündigen,<br />

sondern während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses,<br />

sozusagen „aus heiterem Himmel‚, sich zur finalen<br />

Erpressungsperiode entschliessen. Falls ihm der Datenklau oder<br />

die Sabotageeinrichtung gelingt, ohne dass es von Dritten in der<br />

Firma bemerkt wird, wird er nicht überstürzt kündigen, um<br />

keinen Anlass zu Spekulationen zu bieten. Ist sich dieser Täter<br />

nicht sicher, ob, wann und wie sein Datendiebstahl oder seine<br />

Sabotageeinrichtung bemerkt wird, wird er – trotz Strategie und<br />

Plan – die Firma ohne Kündigung verlassen. Wenn es im gelingt,<br />

kann er unter einem Vorwand sofortige Ferien beantragen,<br />

danach - um mehr Zeit zu gewinnen – sich Krank melden. Ist sich<br />

der Täter sicher, dass in unmittelbarer Folge (Tage später) der<br />

Datendiebstahl bemerkt wird, wird er - mit oder ohne Taktik und<br />

Zielsetzung – die Firma rasch verlassen und schnellstmöglich die<br />

Forderung/Drohung (oder beim T-B sein Hilferuf) mitteilen, um<br />

sich einen gewissen Schutz vor Verfolgung zu erhoffen. Bei<br />

459


einem normal ausscheidenden MA verkleinert sich ein möglicher<br />

Verdacht, dass er Daten mitgehen lassen oder eine Sabotage<br />

vorbereitet hat, massgeblich, wenn der scheidende MA wirklich<br />

eine neue Stelle/Ausbildung antritt. Kleine Alarmglocken sollten<br />

läuten, wenn ein MA spontan (ohne wirklich nachvollziehbarem<br />

Motiv) kündigt und zudem im sensiblen Bereich gearbeitet hat.<br />

Wurde ein Datendiebstahl bemerkt und es kämen mehrere (Ex-)<br />

MA in Betracht, so sollte man - von der in Frage kommenden<br />

Gruppe der Ausgeschiedenen - zuerst jene unter die Lupe<br />

nehmen, die keine neue Stelle, Weiterbildung oder plausible<br />

Gründe (z.B. Mutterschaft) vorweisen können. Aber wie gesagt,<br />

sollte der Täter ein T-A oder T-B sein, wird er sich schon zu<br />

erkennen geben. Zweifelsohne gilt die Variante auch, dass ihm<br />

gekündigt wird. Da dies meistens für ihn voraussehbar war, wird<br />

er sich die Daten vorher aneignen; insbesondere dann, wenn er<br />

keine Kündigungsfrist (1,2 oder 3 Monate) dafür zur Verfügung<br />

hat. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch unter „ Der<br />

Typ C “ sowie im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %-<br />

Katastrophe* nachlesen.<br />

Der Typ B (T-B):<br />

Einem Tätertyp dem ich entspreche. Was nicht heisst, dass alles<br />

was hier jetzt geschrieben steht, auch auf meinen Fall übertragbar<br />

ist. Auch hier kann ein Täter, der auf Grund seiner beruflichen<br />

Tätigkeit Zugriff auf sehr sensible Daten (Kundendaten) hat, die<br />

er „zu verraten‚ droht, oder durch seine innerbetrieblichen<br />

Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner Sabotagedrohungen<br />

(z.B. in der EDV) beträchtlichen Schaden anrichten. Seine<br />

Motivation ist eine Mischung aus letzter Hoffnung (für sein<br />

Thema) und Rache; an jenen, von denen er glaubt, ihn in diese<br />

Lage „getrieben‚ zu haben. Wobei er den betroffenen Personen-<br />

oder Gesellschaftskreis nach eigenen Vorstellungen erweitert<br />

oder definiert.<br />

Je länger sich ein solcher Tätertyp damit befasst, umso weniger<br />

kann er die konsequente Trennung vollziehen. Der Täter versteht<br />

seine „Drohung‚ (die Daten oder ein anderes Instrument) als<br />

Hinweis zu seinen Kalamitäten und als Mittel zum Zweck an, um<br />

seiner Forderungen nach Behebung der ihm widerfahrenen<br />

Ungerechtigkeit (z.B. emotionaler und/ oder finanzieller Natur)<br />

460


Gewicht zu verleihen. Am Ende einer mehr oder weniger langen<br />

Vorgeschichte, die sich ausserhalb oder innerhalb der Firma<br />

abgespielt hat, kommt der Täter selber zu einem Wendepunkt,<br />

wo er aus der Fallgrube der Verzweiflung nicht mehr entfliehen<br />

kann. Er ist an jenem Punkt angelangt, wo er das folgende<br />

Empfinden abgelegt hat: „Alles ablehnen und zu beklagen, dass<br />

nichts geschieht, kann keine vernünftige Strategie mehr sein‚.<br />

Das eigentliche Konfliktthema ist sehr massgeblich. Ist der<br />

Arbeitgeber (wenn auch nur aus Sicht des Täters) und das<br />

Konfliktthema (z.B. wegen Mobbing, ungerechter Behandlung,<br />

keiner Beförderung u.s.w. ) identisch, so muss die Firma –<br />

insbesondere bei MA, die rein theoretisch auf Grund ihres<br />

Wissens massiven Schaden anrichten könnten – nichts<br />

unversucht lassen, die Konfliktbewältigung positiv für alle Seiten<br />

voranzutreiben und abzuschliessen.<br />

Dabei könnte die Fähigkeit eines unabhängigen<br />

Schlichters/Vermittlers - von extern oder durchaus intern beim<br />

HR angesiedelt – oder andere Massnahmen (z.B. bei MA mit<br />

ohne Eigenverschuldung entstandenen finanziellen Probleme<br />

materielle, sprich monetäre Hilfe bieten) sehr hilfreich sein. Ist<br />

die betroffene Firma überhaupt nicht in den vorangegangenen<br />

Konflikt (wie in meinem Fall) involviert gewesen, ist es sehr<br />

schwer aus Sicht des Unternehmens präventiv vorzubeugen.<br />

Obwohl gerade diesem Tätertyp sein Gewissen sehr plagt, ist es<br />

bedeutend erschwert ihn intuitiv „auf frischer Tat‚ zu ertappen.<br />

Dies darum, weil er – im Vergleich zum Typ T-A - eine ganz<br />

andere Grundlage für seine Motivation und damit seine Psyche<br />

hat. Denn dieser Täter (T-B) füllt sein implizites<br />

Erinnerungsvermögen in einer irrsinnigen Anhäufung oft nach<br />

seinen Vorstellungen (die durchaus der Wahrheit entsprechen<br />

können) und dies hat, nach S. Freud, massiven Einfluss auf seine<br />

Psyche.<br />

Seine Vorgehensweise in der Firma ist oft vom Zufall gesteuert:<br />

abhängig von den gegebenen objektiven Möglichkeiten und<br />

seiner subjektiven Vorstellungskraft erkennt und nützt er die<br />

Gelegenheit, dies trotz des emotionalen Drucks (er ist sich des<br />

Unrechts bewusst), da er im momentanen Glauben lebt, das für<br />

ihn Richtige und Notwendige zu machen. In Hinblick auf seine<br />

Vorbereitung zur Tat innerhalb der Firma ist der markante<br />

461


Unterschied von ihm zu T-A, dass er (T-B) eigentlich e i n e<br />

Möglichkeit s i e h t und der T-A hingegen e i n e Möglichkeit<br />

s u c h t und f i n d e t.<br />

Rein spekulativ ist ein Komplize auch bei diesem Tätertyp (T-B)<br />

möglich. Ein Arbeitskollege als Komplize bei internem als auch<br />

externem Konfliktthema ist eher unwahrscheinlich. Ein<br />

aussenstehender Komplize ist sicherlich auch selten der Fall, da<br />

es ein grosses Volumen an persönlicher Niedergeschlagenheit<br />

und Frustration braucht, die nur der Täter selber aufbringen<br />

kann, um eine solche massive rechtliche Grenzüberschreitung<br />

(gemäss seinen Motiven) zu begehen. Trotzdem besteht die<br />

Möglichkeit: wenn ein T-B so stark (psychisch) von einer<br />

Drittperson abhängig geworden ist, dass jene Drittperson die<br />

„Ermunterung‚ zur Tat auslöst und evt. später als paritätischer<br />

Komplize fungiert. Das soziale Umfeld dieses Tätertyps kann der<br />

präventiven Vorbeugung dienlich sein. Dies ist aber Abhängig<br />

vom eigentlichen Konfliktthema: Bei internen Themen (also<br />

zwischen dem Täter und der Firma) kann der Arbeitgeber mittels<br />

einer Profilstruktur die theoretische Eventualität, ob ein MA zum<br />

potentiellen Täter werde kann, evaluieren und<br />

dementsprechende Massnahmen einleiten. Bei externen Themen<br />

kann die betroffene Firma nur beschränkt vorbeugend aktiv<br />

werden.<br />

Das Spektrum eines möglichen externen „Kriegsschauplatz‚ ist ja<br />

bekanntlich enorm. Auslösende Lebenskrisen, die einen MA zum<br />

Täter dieses Typs verwandeln lassen können, sind z.B.<br />

Gerichtsfälle, Scheidungen, Alkoholmissbrauch, Spielsucht<br />

u.s.w.. Im Gegensatz zum Tätertyp T-A und T-C (falls dieser<br />

überhaupt etwas), „hinterlässt‚ dieser Typ (T-B) in seinem<br />

finalen Schreiben sofort erkennbar, dass es sich um einen<br />

Hilfeschrei samt Wunsch auf Kommunikation handelt. Das<br />

erlebte Unrecht wird oft akribisch durch unendliche Schreibwut<br />

mitgeteilt. Was den „Abgang‚ (Austritt, Kündigung) dieses<br />

Täter-Typs betrifft, so kann man generell sagen, dass die<br />

Angaben zum T-A hier auch gelten. Weitere Angaben zu diesem<br />

Tätertyp können Sie auch unter „ Der Typ C “ sowie im Kapitel<br />

*Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen.<br />

462


Der Typ C (T-C):<br />

Dieser Typ ist der gefährlichste aller Typen. Dieser Typ ist aus<br />

Sicht der betroffenen Firma die ultimative Katastrophe, da eine<br />

Verhinderung praktisch unmöglich ist. Gleich wie beim T-A + T-<br />

B hat dieser Typ auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit Zugriff<br />

auf sehr sensible Daten (Kundendaten) oder durch seine<br />

innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma die Möglichkeit einer<br />

Sabotage (z.B. in der EDV). Die echten Motive zu erkennen ist<br />

elementar für die Typen T-A + T-B, weil diese Kenntnis die Basis<br />

für die Strategie der betroffenen Firma/Behörde ist und sogar der<br />

Schlüssel für eine Lösung sein kann. Hier, beim Typen T-C ist<br />

dies allenfalls rückblickend für die Aufarbeitung der schon<br />

eingetretenen Katastrophe relevant. Warum? Er tut’s einfach. Er<br />

verrät die Daten oder setzt die Sabotage in die Tat um. T-C hat<br />

kein Gewissen (mehr). T-C hat vermutlich nur ein Hauptmotiv:<br />

Rache; an der Firma, an externen Personen, an der Gesellschaft,<br />

an der ganzen (Finanz)Welt, an sich selber. T-C droht nicht,<br />

verlangt nichts, stellt keine Bedingungen, will nichts ändern. T-C<br />

ist am Punkt „...nach mir die Sinnflut


angelangt. 3. Seine empfundene Isolation hat die Höchstmarke<br />

erreicht. 4. Er leidet nur noch still vor sich hin. Sieht keinen Sinn<br />

im Leben mehr. Dies obwohl es einen zutiefst menschlichen<br />

Impuls gibt, Sinn zu finden in dem was geschehen ist. Der Sinn<br />

offenbart sich ja nicht im Ergebnis selbst. Täter konstruieren sich<br />

also eine Bedeutung. Und diesen Auftrag verfolgen sie oft mit<br />

einer Auf-Leben-und-Tod-Intensität. 5. Er wird ein Dauer-<br />

Pessimist. Sein unerträglicher Ausspruch und Reflexionen aus<br />

dem beschädigten Leben bleibt von ihm n u n unkommentiert. 6.<br />

Niemand glaubt ihm mehr. Es muss aber nicht alles Lüge sein in<br />

der Finsternis menschlicher Not, was düster und unglaublich<br />

klingt. 7. Er ist keiner mehr, der in Worten das Heil sucht! 8. Er<br />

braucht/verwendet übrigens auch keine Komplizen. Präventiv ist<br />

ein solcher Täter (fast) nicht fassbar. Es kann aber durchaus – wie<br />

auch bei T-A + T-B - der berühmte Zufall ihn verraten. Hoffen<br />

kann man nur, dass der T-C schon vor der Katastrophe irgendwie<br />

konfliktmässig öffentlich / beruflich aufgefallen ist. Zu bemerken<br />

ist auch, dass dieser Typ bei seinen Vorbereitungen (Datenklau<br />

oder Sabotage) sehr, sehr professionell vorgeht. Viel besessener als<br />

T-A- oder T-B. Täter T-A- und T-B sind oft mit einem Teil der<br />

Daten oder kleinerem Sabotageaufwand zufrieden. Der Täter T-C<br />

will aber unbedingt alle Daten besitzen oder den höchst möglichen<br />

Sabotageschaden erreichen. Warum dieser Unterschied zu T-A<br />

und T-B ? Weil eben der T-C den Schaden herbeiführen will und<br />

wird! Die Tätertypen T-A oder T-B wollen eigentlich den Schaden<br />

nicht verwirklichen, sondern benötigen die Daten, je nach Motiv,<br />

als Mittel zum Zweck. Ein feiner aber gewichtiger Unterschied.<br />

Einen Abgang eines T-C hängt von seinem intuitiven Zustand ab;<br />

sobald er die Instrumente zur Schadensherbeiführung auf sicher<br />

hat, wird er entweder normal kündigen oder ganz darauf<br />

verzichten. Tendenziell wird er eher die Firma spontan<br />

„verlassen‚ (oder ihm wurde aus verschiedensten Gründen<br />

gekündigt). Es ist potentiell Irreführend anzunehmen, dass mit der<br />

vorhergehenden Abhandlung des T-C Täterprofil, das Thema<br />

damit erledigt ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein reiner<br />

T-C Tätertyp dem Finanzplatz einen Schlag verpasst, würde ich<br />

nicht als gegeben sehen; viel beunruhigender ist die Tatsache,<br />

dass aus einem ursprünglichen T-A oder T-B ein T-C werden<br />

kann. Warum? Voraussetzung dafür ist, dass jeweils beide Täter<br />

464


(T-A oder T-B) weiterhin – d.h. auch nachdem durch<br />

Verhandeln, Einsicht, Aufgabe des Täters oder seiner Verhaftung<br />

die Katastrophe verhindert wurde – im Geheimen Kopien oder<br />

gar Originale der Daten aufbehält. Es gibt – leider - ganz, ganz<br />

wenige Ausnahmefälle, bei welchem ein Täter (T-A oder T-B)<br />

wirklich alle Daten zurückgibt oder vernichtet. Der T-A,<br />

getrieben von seinem Motiv, wird seinen „Schatz‚ nicht so<br />

einfach aus den Händen geben. Im Wissen, was auf ihn beim<br />

Fehlschlagen seines Vorhabens zukommt, wird er Wege und<br />

Mittel gefunden haben, seinen Besitz sicher und auf lange Zeit<br />

versteckt aufbewahren zu können. Natürlich kann die<br />

Staatsgewalt beide zu langer Haft verurteilen und sie somit eine<br />

gewisse Zeitspanne unter Kontrolle haben. Aus Sicht des T-A –<br />

wenn er auch nur ansatzweise den selektiven Gebrauch der<br />

Wahrheit benützt - ist ihm klar, dass, wenn er die ihm unter<br />

Umständen gebotene „gütliche‚ Lösung nicht annimmt, er die<br />

Härte des Gesetzes am eigenen Leib erfahren wird. Ein Faktum<br />

ist, dass er kein Problem mit der rechtlichen Auffassungsgabe,<br />

sondern mit seiner (eingebildeten) Psyche hat. Nach der<br />

Haftentlassung, kann es daher durchaus sein - vor allem, da er<br />

sein Ziel (Geld) nicht erreicht hat und wenn er zudem durch die<br />

Kleinheit seiner Gesellschaftsumgebung stark geächtet ist – dass<br />

er aus Rache die ursprüngliche Drohung in die Realität umsetzt.<br />

Und dies heimlich oder offen. Nach dem Prinzip des T-C Typs.<br />

Aus Sicht des T-B kann eine Verwandlung zum T-C unter beiden<br />

Konstellationen möglich sein. Obwohl er sich der eigenen Schuld<br />

bewusst ist und auch eine Strafe akzeptieren würde, wäre es<br />

emotional - was wiederum massiven und heftigen Einfluss auf<br />

seine Psyche hat, was erneut sein Handeln lenkt – ein Desaster,<br />

wenn er für sein Handeln (die Wirkung) die Konsequenzen<br />

tragen muss und der Teil seines ursprünglichen Motivs (die<br />

Ursache) unerledigt liegen bleibt. Eine Wende vom T-B zum T-C<br />

ist auch möglich, wenn die ihm während den „Verhandlungen‚<br />

gemachten Versprechungen und Zusicherungen sich als<br />

Luftblasen herausstellen. Einen erneuten „Hilfeschrei‚ – in<br />

welcher Form auch immer – würde es nicht geben. Warum auch:<br />

der erste Hilfeschrei hat ihm ja nichts gebracht und nichts<br />

geholfen. Er wird also weder neu drohen noch den Wunsch zur<br />

465


Kommunikation haben. Er verwandelt sich zum T-C und handelt<br />

danach.<br />

Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch im Kapitel<br />

*Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen.<br />

Verbesserte Sicherheit<br />

Der Faktor Mensch ist und bleibt die grösste Schwachstelle bei<br />

der Sammlung, Verarbeitung und Aufbewahrung von sensiblen<br />

Daten im Banken – und Treuhandbereich. Ich bin kein Experte;<br />

kann aber meinen Gedanken dazu hier freien Lauf lassen und<br />

hoffentlich zur Anregung für manche Verbesserung anstiften.<br />

A) Allgemein: Heute ist es so, dass – rechtlich und moralisch<br />

bedingt – vorhandene gravierende persönliche Probleme eines<br />

MA die Firma im Grunde nur dann tangieren, wenn sich dies<br />

negativ auf die Arbeit auswirkt. Die Unterscheidung von<br />

„privatem‚ und „beruflichem‚ Problem kann meiner Meinung<br />

nach – aus Sicht der Firma – n i c h t stetig als zwei verschiedene<br />

Elemente betrachtet und dementsprechend behandelt werden.<br />

Dies darum, weil der MA als Mensch nicht in 2-facher Form<br />

existiert und daher seine privaten Sorgen sehr wohl grösseren<br />

Einfluss auf die Firma haben, als diese zu glauben wagt und<br />

denkt. Aber, wie weit soll nun „Fürsorge‚ der Firma<br />

diesbezüglich gehen? Ist das akute Konfliktthema des MA<br />

innerhalb der Firma angesiedelt, z.B. Ärger mit den Vorgesetzten,<br />

anderen MA u.s.w. , so hat dies den Vorteil, dass die Firma<br />

unverfälscht davon schon in einem frühen Stadium Kenntnis hat<br />

und infolgedessen Handlungen ausführen kann, damit der MA<br />

nicht zu einem Täter heranreift. Dasselbe gilt für den Fall, wo das<br />

Konfliktthema zwar ausserhalb der Firma liegt, aber die<br />

Auswirkungen innerhalb der Firma bemerkt werden: z.B. bei<br />

Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder andere starke persönliche<br />

Änderung des Charakter des Betroffenen u.s.w. Plagen den MA<br />

Sorgen und Nöte in seiner „Freizeit‚, deren Effekte im täglichen<br />

Arbeitsbetrieb nicht auffallen oder keine unmittelbare direkte<br />

Wirkung auf sein Verhalten sichtbar machen, wie z.B. Spielsucht,<br />

Geldsorgen aller Art u.s.w. , hat die Firma dennoch die<br />

Möglichkeit präventiv einem Heranreifen des MA zu einem der<br />

hier beschriebenen Täter-Typen etwas entgegen zu stellen.<br />

466


Generell könnte sich die Firma folgende Schritte überlegen: In<br />

einer geeigneten Form von MA-Mitteilung und in ausgesuchten<br />

Worten kundtun, dass man - als fortschrittliche Firma – folgendes<br />

neu „offerieren‚ kann: - ab sofort können sich betroffene MA an<br />

eine bestimme Stelle (z.B. im HR, besser aber extern) melden, wo<br />

ihnen ein Lebenshelfer, Psychologe Hilfe anbietet. Dieser<br />

„Service‚ ist total anonym. Das bedeutet, auch dem Betroffenen<br />

selber die Aussicht sich (vorerst) anonym offenbaren und<br />

mitteilen zu können, muss angeboten werden. Selbstverständlich<br />

erfahren weder die Firma noch andere Stellen über den Inhalt der<br />

Anliegen. Die Vertraulichkeit ist immer gewährt und nichts von<br />

den Unterlagen landet in der Personalakte. Auch soll es dort<br />

keinen Eintrag geben. Die Kosten übernimmt zur Gänze (!) die<br />

Firma. Der Grund dafür liegt auf der Hand: ein auf solche Hilfe<br />

angewiesener MA könnte sich eigentlich ja privat an einen<br />

Psychiater, Psychologen oder andere solche Dienste wenden und<br />

die Krankenkasse dafür zahlen lassen. Viele Mitmenschen<br />

scheuen aber diesen Schritt, weil dann in einer kleinen<br />

Gesellschaft wie der unseren, zu viele Mitbürger unter<br />

Umständen erfahren könnten (trotz der Schweigepflicht), dass<br />

man Probleme hat. Die Betroffenen schämen sich wegen Ihrer<br />

Probleme dafür oft. Bei privaten materiellen Problemen kann<br />

gerade eine Bank problemlos unbürokratisch und grosszügig<br />

Hilfe anbieten. Nicht im Sinne von verbilligten Hypotheken oder<br />

sonstigen Darlehen und günstigeren Kontokonditionen, was sie<br />

ja heute schon tut, sondern tatsächliche finanzielle Hilfe für<br />

solche ArbeitnehmerInnen, die selbst- oder unverschuldet in eine<br />

Krise geraten sind. Wie ein solches Angebot ausgestattet und<br />

kommuniziert werden kann, sodass ein Bedürftiger auch davon<br />

Gebrauch macht, wissen die Spezialisten von HR und Bank<br />

besser als ich. Auf jeden Fall müssen im „Angebot‚ Stichwörter<br />

wie folgende erwähnt und untermauert stehen: gewährleistete<br />

absolute Vertraulichkeit, keinen Eintrag in der Personalakte, egal welche<br />

Summe und Art der finanziellen Probleme, evt. sogar zinslose Hilfe,<br />

alle Administrativ- und Abklärungskosten begleicht die Firma zu ihren<br />

Lasten. Durch Umsetzung obiger Ideen, wird die später garantiert<br />

kommende Frage an einen schon aktiven Tätertyp (also bei<br />

Eintritt der 50 %-Katastrophe), „ warum haben Sie sich nicht<br />

vorher/ früher an uns wegen Hilfe gewandt


Kritiker meiner Vorschläge werden sagen: „


mehr möglich. Einem Täter, sollte er nicht selber aus der EDV-<br />

Abteilung stammen, ist es damit zumindest sehr, sehr schwer<br />

gemacht worden, falls er gleichwohl rechtswidrig ein<br />

Sicherungsband an sich nehmen konnte, schlussendlich an<br />

lesbare und somit verwendbare Datensätze zu kommen. Ein<br />

kleines Risiko besteht aber weiterhin: dann, wenn er das Band<br />

Spezialisten (z.B. einer Dienststelle eines fremden Staates)<br />

übergibt. Auch sollten alle MA in der EDV auf bohrende,<br />

scheinbar harmlose aber dennoch für die Arbeit des Auskunft<br />

begehrenden unlogische und unnötige Fragen sensibilisiert<br />

werden, um einem möglichen Täter keine „Geheimnisse‚ zu<br />

offenbaren, die ihm bei seiner Tat nützlich sind. Es ist durchaus<br />

im Bereich des Möglichen, dass sich ein etwas einfallsreicherer<br />

Täter bei solcher Fragerei in Bezug auf seine EDV - Kenntnisse<br />

„viel dümmer‚ stellt, d.h. er gibt vor, sich weniger auszukennen<br />

als er dies wirklich tut. Das führt oft zum Ergebnis, dass der<br />

Angefragte auch ihm über die normale Antwort hinaus – da er<br />

ihm helfen will – mehr preisgibt. Womöglich ausserdem über<br />

Gegebenheiten, die dem Täter gar nie oder vorerst nicht in den<br />

Sinn gekommen wären. Ein möglicher Täter, der selber im EDV-<br />

Bereich der Firma arbeitet, hat weiterhin die Möglichkeit zum<br />

Datendiebstahl, Datenvernichtung oder Sabotagevorbereitung<br />

(dies eher aber auf der elektronischen Seite: z.B.<br />

Viruseinschleusung*). Es ist daher durch technisches Alarm-<br />

Protokoll und logische Abläufe sicherzustellen, dass ein einzelner<br />

MA n i c h t die praktische Möglichkeit hat, alleine ein separates,<br />

zusätzliches Sicherungsband (evt. sogar unverschlüsselt) oder<br />

sonstige Datenträger (CD-Rom, DVD) ab der Datenbank<br />

herzustellen. Oder physisch irgendwelche vollen Datenträger<br />

durch das Gebäude „trägt‚ und die Möglichkeit für Ihn (und<br />

unter gewissen Umständen auch Dritten) schafft, den Träger zu<br />

vernichten, auszutauschen, kopieren oder zu entwenden. Ein<br />

solches Gefahrpotential kann man stark vermindern, wenn man<br />

die Detail-Verantwortung für die Datensicherung,<br />

Datenverschlüsselung und hardwaremässigen<br />

Datenaufbewahrung auf mindestens zwei MA verteilt. Nicht eine<br />

Teilung im Sinne, dass der eine am Montag, der andere am<br />

Dienstag an der Reihe ist, oder der eine den Chef spielt und der<br />

andere sein Untergebener, oder einer als Aufpasser des anderen<br />

469


auftritt, nein, eine Teilung im Sinne „erzwungener‚<br />

gemeinschaftlicher Verantwortung. Konkret: 1. Hardwaremässig:<br />

Nur noch gemeinsam die die Back-Up-Bänder holen und<br />

versorgen. Auf Personalseite ist dies zwar zeitaufwendiger, aber<br />

für eine lückenlose Sicherheit notwendig. 2. Softwaremässig: Um<br />

alle Back-Up’s jeglichen Typus herzustellen, bzw.<br />

systemtechnisch in Auftrag zu geben, müssen zwingend<br />

mindestens zwei MA (mit eigener persönlicher Passworteingaben,<br />

nebeneinander oder hintereinander) dafür bevollmächtigt werden.<br />

Niemals soll dies von einem einzelnen MA möglich sein! (* = Das<br />

Einnisten von gefährlichen Viren, „Zeitbombe‚ durch einen Profi<br />

ist denkbar). Was das Gefahrenpotential der anderen MA (keine<br />

EDV-Mitarbeiter) betrifft, so kann – nebst meinen Ausführungen<br />

auf der vorhergegangen Seite – seitens der EDV einiges eliminiert<br />

oder zumindest verhindert werden. Solche „normalen‚ MA (SB,<br />

KB) haben ja Zugriff zumindest auf die ihnen zugeteilte Mandate.<br />

Querübergreifende Benutzrechte auf andere Mandats-Pools<br />

sollten konsequent nicht (mehr) erteilt werden; dies erhöht – für<br />

einen möglichen Täter - nur den Zugriff auf weitere sensible<br />

Daten. Mangels Kopiermöglichkeit auf CD-Rom oder DVD<br />

könnte ein Täter Hardcopies (ab System direkt via Drucker oder<br />

ab Original via Kopierer) von sensiblen Kundendaten(Mandate)<br />

herstellen und so entwenden. Um solchen Aktivitäten auf die<br />

Spur zu kommen, könnte man evt. softwareseitig für eine EDV-<br />

Liste ein so genanntes Drucker- und Kopiererprotokoll<br />

installieren. Darin soll - wenn möglich – nicht nur die Anzahl<br />

ausgedruckter/kopierter Seiten mit Angabe über Benutzername,<br />

Arbeitsstation, verwendeter Drucker (!)und Kopierer, Zugriffsort,<br />

Datum und Zeit festgehalten werden, sondern auch die Art des<br />

Dokumentes (wirtschaftlicher Berechtigter, Pass- oder<br />

Adressangaben, Finanz- oder Sorgfaltsplichtdaten u.s.w). Auf<br />

Grund eines vorher erstellten Check-Profils könnten dann<br />

rätselhafte Vorgänge (frühzeitig) erkannt und hinterfragt werden.<br />

Eine weitere Vorsichtsmassnahme könnte darin bestehen, dass<br />

man z.B. jene sensiblen Daten, die vom Arbeitsablauf her<br />

eigentlich nur einmal (beim ersten Mal) kopiert, gescannt und<br />

gespeichert werden müssen (z.B. Passkopien,<br />

Sorgfaltspflichtunterlagen) später eine Sperre erhalten und damit<br />

nicht mehr kopiert/gedruckt werden können. Diese drei<br />

470


Vorschläge (Drucker- und Kopiererprotokoll, gesperrte DOC’s)<br />

sind nicht einfach umzusetzen, aber sich Gedanken darüber zu<br />

machen und einen Versuch dazu wagen sicherlich wert.<br />

C) Buchhaltung: Eine wahre Fundgrube ist dieses Departement.<br />

Unerlässlich für einen Täter, der nicht oder nur indirekt mit der<br />

EDV-Abteilung beruflich zu tun hat und es in erster Linie auf<br />

gespeicherte Daten abgesehen hat (ein Täter, der selber aus der<br />

EDV-Abteilung kommt, kennt die notwendigen Tools ja schon).<br />

Es mag einem Täter gelingen in den Besitz der „Hardware‚ (z.B.<br />

Back-Up Tapes, CD-Rom’s oder DVD’s) der Datenspeicherung zu<br />

gelangen oder an die „Hardware‚ (z.B. Serverraum) seines<br />

Sabotageobjekts heran zu kommen. Damit ist sein Ziel noch nicht<br />

erreicht: Ohne Kenntnis über die angewandte Software läuft nichts.<br />

Ich meine weniger die (nun neu) vorhandene<br />

Verschlüsselungssoftware (siehe dazu die Aufführungen im<br />

vorigen Abschnitt) sondern die verwendete allgemeine<br />

Betriebssoftware; insbesondere die Back-Up-Software. Es gibt<br />

Hundert, wenn nicht Tausende verschiedene Back-Up-<br />

Softwareanbieter und dazugehörige Varianten. Welche nun in<br />

der Firma verwendet wird, könnte ein Täter, der nicht damit in<br />

der EDV arbeitet, nie im Leben erraten. Aber, von irgendwo muss<br />

ja eine solche Software herkommen und irgendwann muss sie<br />

auch bezahlt worden sein. Diese und sehr viele andere nützliche<br />

Hinweise findet man in der Buchhaltung: Dort – oft in einem<br />

speziell ausgesonderten Ordner – sind Bestellungen,<br />

Lieferscheine, Rechnungen, Zahlungen, Garantieurkunden und<br />

manches mehr sauber abgeheftet. Mein Vorschlag deshalb: Alle<br />

Unterlagen für die EDV, die in der Buchhaltung aufbewahrt<br />

werden, sollten – so wie es mit den wichtigen Druckschriften, die<br />

in der EDV-Abteilung selber vorkommen, gehandhabt wird –<br />

ausdrücklich verschlossen und abgesichert verwahrt werden. Der<br />

Zugriff muss nachkontrollierbar geregelt werden.<br />

Die 50 % - Katastrophe<br />

Trotz aller Vorsichtsmassnahmen - nicht nur diejenige, die ich auf<br />

den vorgegangen Seiten beschrieben habe – wird es leider immer<br />

wieder einem Täter gelingen, sich beabsichtigt in eine für die<br />

Firma gefährliche Konstellation zu manövrieren. Der Täter besitzt<br />

471


entweder sensible Daten (Originale oder Kopien, oder beides)<br />

oder hat die Möglichkeit zur Sabotage. Er (T-A oder T-B) hat nun<br />

das Potential zur Drohung, Nötigung oder gar Erpressung u.s.w.:<br />

die Daten wurden von ihm aber noch nicht „verraten‚,<br />

beziehungsweise die Sabotage hat er noch nicht durchgeführt.<br />

Somit ist die 50 %-Katastrophe eingetreten! (Die 100 %-Version<br />

davon wäre die vollzogene Preisgabe der Daten oder die<br />

Durchführung der Sabotage – der Typ T-C also). Auch hier<br />

wieder – ist meines Erachtens – das grundlegende Motiv des<br />

Täters für die nun kommende heikle Periode der<br />

Auseinandersetzungen beherrschend. Die Firma ist im Prinzip<br />

mit zwei Übeln konfrontiert: ein Kleineres und ein massiv<br />

Grösseres. Der T-A wird seine Geldforderung so berechnet<br />

haben, dass es eine kräftig kleinere Summe ist, als der finanzielle<br />

Schaden (andere Nachteile noch gar nicht mitberücksichtigt), die<br />

der Firma entstehen würde, wenn die Daten verraten oder die<br />

Sabotage gelingt - eben das kleinere Übel. Der T-B, sofern er nicht<br />

absurde, unmöglich zu erfüllende Ansprüche stellt (z.B.<br />

Absetzung eines Politikers, Verurteilung, Verhaftung einer<br />

Person u.s.w.), nimmt an, dass die Ausführung seiner<br />

Bedingungen - die dennoch eine Mischung aus grosser Not und<br />

manchmal wilder Forderungen sein kann - im viel kleinerem<br />

Verhältnis zum möglichen gigantischen Schaden (aller Art)<br />

stehen, dem grösseren Übel. Beide Tätertypen haben sich bei der<br />

Planung und Vorbereitung hauptsächlich auf die für sie<br />

optimistische Annahmen – wie die Gegenseite reagieren wird -<br />

gestützt. Ein Fehler der oft auch Ideologen häufig unterläuft. Aus<br />

eigener Erfahrung kann ich nur dringend empfehlen,<br />

grundsätzlich den Behauptungen des Täters – er würde dies oder<br />

jenes aus der Firma besitzen – unbedingt glauben zu schenken.<br />

Und dies trotzt der immer vorkommenden Bedenken und<br />

Einwände verschiedenster Stellen und Personen in der Firma.<br />

Natürlich empfinden die involvierten Firmenabteilungen die<br />

„Blossstellung‚ als Angriff und wehren sich nicht nur reflexartig<br />

dagegen, sondern lassen sich oft auch zu sachlich falsche<br />

Äusserungen hinreissen, die wiederum Grundlage<br />

folgenschwere, falsche Entscheidungen seitens der Firma oder<br />

Behörden sein können. Das kostet Zeit und kann den Täter, der<br />

bereits hoch nervös sein wird, zu bedrohlichen (Trotz-<br />

472


)Reaktionen verleiten. Falls der Täter nicht schon beim ersten<br />

Kontakt (z.B. Schreiben) den Beweis seiner Behauptung in Bezug<br />

auf die Daten oder Sabotagemöglichkeit durch Beilegen einer<br />

Kopie oder ähnlich erbracht hat, so ist es ein Einfaches, ihn dazu<br />

zu bewegen. Da der Täter ja die Erfüllung seiner Forderungen als<br />

Ziel hat, wird er ohne zu klagen der Aufforderung nachkommen.<br />

Um keine Zeit zu verlieren und das Risiko zu vermindern, dass<br />

bei einer solchen Beweis-Periode durch ein Missgeschick Daten in<br />

noch gefährlichere Hände gelangen - sollte ein Täter behaupten,<br />

dass er alle Daten besitze - so kann die Gegenseite, wenn sie den<br />

Kern der Behauptung des Täters rein technisch oder individuell<br />

minimal für möglich hält, ihn bitten, als Beweis einige speziell<br />

ausgesuchte Mandate oder Kontoauszüge in geeigneter Form<br />

vorzulegen. Die geforderte kleine Auswahl sollte dann eine<br />

Mischung aus sehr wichtigen Mandaten (z.B. VIP, PEP) und eher<br />

unbedeutenden (z.B. kleine Kunden, unwichtige Daten) sein.<br />

Bringt er den gewünschten Beweis, so kann man unanfechtbar<br />

davon ausgehen, dass er a l l e Daten, so wie er es schilderte,<br />

besitzt. Die betroffene Firma muss sich wohl zuerst – mit oder<br />

ohne Involvierung der Behörden – im Klaren sein, was<br />

verhandelbar ist und wo sie hart bleiben will. Aus den<br />

Drohbriefen oder –anrufen und dem aktuellen Verhalten des<br />

Täters lassen sich immer Rückschlüsse ziehen. Die Gegenseite<br />

(Firma/Behörden) muss – wenn nötig mit Hilfe von externen<br />

Spezialisten - das Bewusstmachen und die Nachvollziehbarkeit<br />

der Gedankenprozesse des Täters für sich sichtbar und nutzbar<br />

machen. Auch empfehle ich – falls der Täter selber keine Person<br />

bestimmt hat und der persönliche Kontakt vom ihm erwünscht<br />

wird – aus psychologischen Überlegungen für einen<br />

Verhandlungsführer n i c h t dafür in Frage kommende<br />

ehemalige MA des Täter oder gar seinen Chef zu delegieren. Eine<br />

„Konfrontation‚ zwischen Täter und solchen Personen wäre zu<br />

stark gefühlsbetont und vorbelastet. Zudem sind solche<br />

Verhandlungsführer oft der emotionalen Versuchung erlegen,<br />

dem Täter die Sache „hölzern‚ auszureden. Eine parteilose,<br />

externe Person ist dafür viel, viel besser geeignet. Eine, die bereit<br />

ist, über alles mit sich reden zu lassen, zur Not auch über<br />

„fremde‚ Themen. In der Anfangsphase ist es auch Vorteilhaft:<br />

Nichts zusagen! Nichts ausschliessen! Wenn in der echten<br />

473


eiderseitigen Kommunikation (mittels welchem Medium auch<br />

immer) in der Folge aber festgestellt wird, dass dem Täter – aus<br />

welchen Gründen auch immer - der gewählte<br />

Verhandlungsführer (nun) n i c h t (mehr) passt, so rate ich<br />

dringend, trotz allfälliger Einwände von behördlicher oder<br />

anderer Seite diesen auszutauschen. Auch wenn es schwer fällt.<br />

Der Täter ist am Drücker. Jede Provokation muss absolut<br />

vermieden werden. Hat man sich auf eine S p r a c h r e g e l u n<br />

g (!) geeinigt, so ist eine ununterbrochene<br />

K O M M U N I K A T I O N mit dem Täter sehr, sehr wichtig.<br />

Egal was die Firma für Strategien verfolgen will oder wird.<br />

Nichts ist gefährlicher als mit dem Täter die Verbindung<br />

abzubrechen, nur weil eine Seite (meistens die betroffene Firma<br />

mit/ohne Behörden) es beim Betrachten der nun vorliegenden<br />

Probleme belassen will, um eine Radikal-Lösungs-Phase<br />

einzuläuten, weil man nicht an deren (mit dem Täter<br />

gemeinsamen) Lösbarkeit glaubt / glaubte. Ein - zur falschen Zeit<br />

- fatalen Beschluss zum Abbruch (und z.B. Haftbefehl) ist schnell<br />

gefällt; insbesondere dann, wenn Entscheide auf Grund fehlender<br />

Mehrheiten, betonierter Gruppeninteressen und dem Würgegriff<br />

der eigenen Bürokraten gefällt wurden. Die blosse Inszenierung<br />

staatlicher Tatkraft bringt nichts. Die Verhaftung eines Täters –<br />

sollte er nicht aufgeben – muss als allerletztes Mittel in Erwägung<br />

gezogen werden. Und auch nur dann, wenn sichergestellt ist,<br />

dass zu 99,9 % die 100 %-Katastrophe nicht eintreten kann. Da es<br />

zu 100 % ja sowie nie ganz ausgeschlossen werden kann! Den<br />

Täter physisch „privat‚ zu fassen oder behördlich fassen zu<br />

lassen ist heute mit kriminaltechnischen Mitteln relativ einfach.<br />

Eine dritte Gefahr – wie in meinem Fall – besteht darin, wenn<br />

durch die Firma oder von staatlicher Seite eine Kettenreaktion<br />

ausgelöst wird, die nicht mehr gestoppt werden kann und beide<br />

Seiten dadurch die Kontrolle über den Verlauf der Dinge<br />

verlieren könnten und am Ende - obwohl von keinem Teil<br />

gewollt - auf einmal die wirklichkeitsnahe Chance (folglich auch<br />

ohne zutun des Täters) einer 100 %-Katastrophe real besteht und<br />

alles noch schwieriger macht. Man bedenke daher, dass nicht<br />

jeder (ich habe auch nur Teile davon in meinem „Schreiben‚<br />

geschildert) preisgibt, was für Vorkehrungen man zum Eigen-<br />

und Datenschutz getroffen hat, falls die Gegenseite eine Falle<br />

474


oder ähnlichem ausbrütet Wenn ein Täter nichts dergleichen<br />

vermerkt, heisst dies im Übrigen noch lange nicht, dass er auch<br />

keine Massnahmen getroffen hat. Also keine Strategie fördern,<br />

wo als Nebeneffekt (!) im Endresultat die 100 %-Katastrophe<br />

eintritt. Sicherlich braucht es eine gewisse „Irreführung‚ des<br />

Täters durch die Gegenseite; Oft missbraucht man aber dafür das<br />

Gebiet des „vertrauen schaffen‚. Vorsicht! Vertrauen ist eine<br />

künstliche Angelegenheit und wird bei Verhandlungen (von<br />

beiden Seiten!) oft mit Hoffnung verwechselt. Das erste Opfer der<br />

Hoffnung ist immer die Realität. Ausser Acht lassen darf man<br />

auch nicht die Tatsache, dass – wie sein Gegenüber – der Täter,<br />

abhängig von und fundiert durch seine Gelehrtheit, sicher nicht<br />

mit all seinem Wissen „raus rückt‚. 1. Publiziertes<br />

Verhaltensmuster (z.B. Zielfahndung, Abhören der Telefonate,<br />

Standorterkennung durch IP-Feststellung des E-Mail-Versand)<br />

oder 2. juristische Feinheiten (u.a. Unterschied ob er persönlich<br />

oder anonym, z.B. per Post oder Hauseinwurf, die Daten an<br />

Drittstaatendienststellen übergibt) ist/sind dem aufmerksamen<br />

Täter zugänglich und daher wird er es zu vertuschen, zu<br />

vermeiden und/oder richtig umzusetzen versuchen. Auf Grund<br />

der soliden verfügbaren Ressourcen der Gegenseite ist er zwar<br />

immer auf der Verliererseite, aber bei solchen Verbrechen kann<br />

das Ziel „der Guten Seite‚ nicht sein, den Täter psychisch und<br />

physisch zu erledigen. Wenn ein handlungsfähiges<br />

Krisenmanagement den gesamten Prozess unter diesen<br />

Gesichtspunkten steuert – dann, wenn auch nicht unbedingt für<br />

den Täter selber – ist die Gute Seite am Ende viel eher auf der<br />

Gewinnerseite. Des Weiteren muss eine mediale Öffentlichkeit<br />

um jeden Preis verhindert werden. Speziell zu den einzelnen<br />

Tätertypen kann ich dazu festhalten: Der T-A ist eher weniger<br />

freiwillig zu Kommunikation gewillt. Er will seine Forderung<br />

schnell und ohne grosses „Blablabla‚ erfüllt sehen. Ihm ist ein<br />

rascher Erfolg wichtig. Darin liegt auch folgende Gefahr: wie ich<br />

zu diesem Typ im eigenen Kapitel erwähnt habe, sind –rein<br />

theoretisch – schon bei der Vorbereitung und dann Forderung<br />

Komplizen möglich. Auch wenn der Haupttäter (ehem. MA) die<br />

Existenz solcher Helfershelfer unter Umständen gar nie offen<br />

legt. (Durch gezielte, distinguierte Neugierde, kann im Übrigen<br />

herausgefunden werden, ob der Täter Gehilfen hat oder nicht.<br />

475


Oder er selber nur Gehilfe ist!). Gefährlicher wird es, wenn sich<br />

der Täter durch falsche, überhetzte Aktionen der Gegenseite<br />

bedrängt fühlt und sich neue, vorher fremde „Helfer‚ sucht, die er<br />

zu neuen „Partner“ macht oder machen muss(!). Dann hat auch<br />

die Gegenseite eine komplett veränderte Situation, die noch<br />

schwerfälliger als vorher zu lösen sein wird. Eine solche<br />

Konstellation ist daher unbedingt zu vermeiden! Bei diesem<br />

Tätertypen gibt es sicherlich solche Stimmen, die sagen, man soll<br />

auf die Geldforderung eingehen und zahlen. Ich wurde auch<br />

gefragt, ob ich, rein hypothetisch – obwohl kein T-A - im<br />

Rollentausch als Firma bezahlen würde. Dies ist eine schwierige,<br />

ja fast philosophische Frage. Dies kann nur eine betroffene Firma<br />

alleine entscheiden. Die Gesetzeshüter werden schreien: NEIN.<br />

Wenn die Drohung aber so massiv ist und keine gütliche- eine<br />

andere gibt es mit diesem Typ praktisch nicht – Lösung (eine<br />

Verhaftung ist keine Lösung sondern nur ein „Zwischenstopp‚)<br />

in absehbarer Zeit möglich ist, dann – so vermute ich – ist es aus<br />

Sicht der Firma sogar besser, dem Täter (vorerst) sein<br />

offensichtliches erstrebtes „Glücksgefühl‚ zu erfüllen; anstatt die<br />

100 %-Katastrophe einschlagen zu lassen und danach<br />

schlussendlich erfolglos das ultimative, beispiellose Desaster zu<br />

reparieren versuchen. Beim T-B steigen die Siegeschancen für die<br />

Firma enorm, wenn sie sich auf einen Konsenskurs begibt. Auch<br />

wenn im ersten, aufgeheizten Zeitabschnitt jede Seite massiv für<br />

sich das Recht reklamiert. Der T-B sucht eigentlich Anerkennung<br />

für sein Anliegen, will verstanden werden. Je nach dem, wie viel<br />

er – aus seiner Sicht - in der Vergangenheit chronisch zu hart ran<br />

genommen worden war, wird er mehr oder weniger die Regung<br />

verspüren, kürzer oder länger mit sich Verhandeln zu lassen.<br />

Wesentlich ist aber, dass er Verhandeln will und wird.<br />

Interessanter Weise kann die Gegenseite bei diesem Täter-Typ<br />

meistens die Erfahrung machen, dass je mehr Zeit verstreicht,<br />

umso überwiegender er den Datenbesitz als Last empfindet. Der<br />

Grund dafür liegt in der komplizierten Struktur einer Mischung<br />

von Loyalität, seines Sukkurses und seiner - wenn auch<br />

wechselhaften – Ausrichtung auf die gedankliche Durchdringung<br />

der Wirklichkeit. Der Etappen-Weg bis zu einer gemeinsamen<br />

akzeptablen Lösung kann sehr steinig und sehr zeitaufwendig<br />

sein. Ich bin sicher, dass dort, wo es in der Vergangenheit (in<br />

476


einer zivilisierten Welt) mit dem Tätertyp T-B zu einem<br />

derartigen förderlichen Ergebnis gekommenen ist und diese<br />

Resultate öffentlich gemacht worden wären, man feststellen hätte<br />

können, dass die jeweils gefundene Lösung aus rein juristischer<br />

Sicht nicht ganz lupenrein war. Im Sinne einer ausreichenden<br />

Schadensbegrenzung ist dieser Umstand leider nicht vermeidbar.<br />

Es kann sein, dass auch dieser Täter-Typ Forderungen materieller<br />

Form stellt. Oft sind es „Schadensersatzforderungen‚,<br />

resultierend – so wie er schildert – aus ihm gegenüber<br />

begangener Rechtswidrigkeit. Es besteht aber ein gewaltiger<br />

Unterschied zu einer finanziellen Forderung von seitens eines T-<br />

A: Der T-A hat keinen Schaden erlitten und will sich – schlicht<br />

gesagt – einfach bereichern und der Anspruch entbehrt daher<br />

jeder Basis. Beim T-B ist die Grundlage seiner Forderung<br />

irgendwo in der Vergangenheit schon dokumentiert und er hat<br />

also einen finanziellen Schaden nachprüfbar faktisch erlitten<br />

(unabhängig der rechtlichen Sichtweise). Soll nun der denkbare<br />

Anspruch geldmässig befriedigt werden? Wenn ja , von wem ?<br />

Der Firma ? Der Staat ? Den wahren Schuldnern ? Diese Fragen<br />

kann ich aus meiner Sicht nicht beantworten kann.<br />

Schlusswort<br />

Abschliessend möchte ich festhalten, dass folgender Spruch „Die<br />

wirkliche Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit‚ für beide<br />

Seiten gilt. Es dürfen keine Mittel gespart und keine Methoden<br />

ausgelassen werden um zu einer gemeinsamen Lösung zu finden,<br />

die in der Substanz von allen Betroffenen getragen werden kann.<br />

Nie, nie einem T-B verlockende, verführende Versprechungen<br />

machen, die bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden<br />

können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch<br />

für alle. Eine weitsichtige Firma wird sogar „ihren‚ Täter, egal<br />

ob T-A oder T-B, egal ob er in Haft oder in Freiheit lebt, nach dem<br />

gesetzlichem Finale der Prozedur ausserdem ein Stück weit in<br />

seinem Leben begleiten um somit ihre ausserordentliche<br />

Sozialkompetenz wirklich zu leben.<br />

E N D E der Denkschrift<br />

477


Hans-Adam schickte mir am 21.10.03 einen Brief und bedankte sich<br />

ausdrücklich für meine Arbeit. Er habe dem Professor und dem<br />

Bankdirektor eine Kopie zukommen lassen. Jetzt, wo ich meine Arbeit<br />

für mein Buch nochmals durchgelesen habe, war ich über die Aktualität<br />

und das fast genaue Eintreffen diverser Schlussfolgerungen verblüfft.<br />

Insbesondere wenn man die paar Zeilen meines Schlusswortes liesst.<br />

Grausig! Ich konnte ja unmöglich wissen, was sich in den Jahren nach<br />

dem Oktober 2003 abspielen würde.<br />

Lampert, ein T-A, wurde mit Hilfe seines Komplizen Michael F. (aus<br />

Deutschland) zum T-C. Die 100-prozentige Katastrophe für die LLB<br />

wurde Wirklichkeit. Gegen Ende 2003 wurde ich informiert, dass man<br />

mit Hilfe meiner Denkschrift versucht hätte, an den Lampert<br />

heranzukommen.<br />

Rückblickend denke ich, dass Hans-Adam in Wahrheit keine Zeile von<br />

meiner Arbeit gelesen hat. Vermutlich fand seine Kopie denselben Weg<br />

wie mein 3-D-Kerker-Modell: ab in den Müll.<br />

478


KAPITEL 23 Überraschung! Überraschung!<br />

Verhandlung vor dem Kriminalgericht Vaduz am 21.10.2003:<br />

Der D-Day war gekommen. Der Desaster-Tag. Um 08.00 Uhr wartete ich<br />

auf dem Vorplatz des LG auf RA Müller und den Bankdirektor. Der<br />

Professor entschuldigte seine Abwesenheit ein paar Tage vorher in<br />

einem Anruf an mich. Später wurde mir klar, dass seine Abwesenheit<br />

auch einer der Hinweise war, dass er nicht zum Kreis der vollständig<br />

Eingeweihten gehörte. Sonst wäre er nämlich hier gewesen, um mir zu<br />

helfen. Denn noch bevor die Kirchenglocken 12 Uhr Mittag schlagen<br />

würden, hätte ich dringend einen Psychologen gebraucht.<br />

Die Verhandlung fand im „Ballsaal‚ des Gerichts statt, dem grössten<br />

Verhandlungszimmer. Als würde man eine Horde Zuschauer erwarten.<br />

Meine Seite wartete unten im Keller, im Raum mit dem Kaffee- und<br />

Getränkeautomaten fürs Gerichtspersonal. Als wir dann hoch in den<br />

Gang mit den Verhandlungszimmern gingen, erblickte ich zwei<br />

Landespolizisten, uniformiert und bewaffnet. Und als ich dann sah, dass<br />

sie in den Saal 1 hineinmarschierten, wusste ich sofort, dass die für mich<br />

waren. Da stimmt etwas nicht, sagte ich zum Bankdirektor. Er war auch<br />

erstaunt darüber, dass die Polizei anwesend war. RA Müller war so<br />

freundlich und fragte bei einem der Polizisten nach. Die Antwort<br />

beunruhigte mich sehr. Die STA hätte die Polizei beantragt. Ich wurde<br />

kreidebleich. Die wollen mich nach der Verhandlung verhaften, zitterte<br />

ich. Ich wurde reingelegt, schrie ich. Nein, sagten meine beiden Begleiter.<br />

Das ich bisher nicht verhaftet wurde, war ja klar, erkannte ich. Das Freie<br />

Geleit bewahrte mich davon. Doch es gab einen kleinen, aber<br />

gefährlichen Unterschied: Es stand nämlich geschrieben, dass ich bis zur<br />

Urteilsfällung, nicht bis zur Rechtsgültigkeit eines Erstinstanzlichen<br />

Urteils auf freiem Fuss bleiben könnte. Ich war mir nicht mehr so sicher,<br />

ob es eine gute Idee war, nach Hause zu kommen. Ich kämpfte mit mir<br />

selber und sagte meinen Begleitern, dass ich nicht in den Saal gehen<br />

würde.<br />

Es bedurfte angestrengter Überredungskunst um mich davon<br />

abzubringen. Der Bankdirektor, der mir natürlich viel näher stand als<br />

der RA, fürchtete um den grossen Plan, den sie ausgekocht hatten. Er<br />

wollte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, sollte ich nicht in den<br />

Saal gehen. Die Bullen würden mich dann vielleicht mit Gewalt<br />

479


vorführen. Ein Unheil wäre dies, jammerte er. War mir alles wurscht. RA<br />

Müller, der Technokrat unter uns, wiederholte zum 1000. Mal, dass ihm<br />

Hans-Adam höchstpersönlich mehrfach gesagt hätte, dass mir nichts<br />

passieren würde. RA Müller begründete seine Gewissheit damit, dass<br />

wenn man dem Wort von Hans-Adams keinen Glauben mehr schenken<br />

kann, man niemandem glauben kann. Dies leuchtete mir ein.<br />

Auf dem Weg zum Saal 1 kreuzte sich mein Weg mit dem von STA<br />

Haun. Es war sehr lange her, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte.<br />

Er blickte mich nicht an und schaute ostentativ auf den Boden. Pünktlich<br />

um 08.30 Uhr waren alle im Saal. Ich in der Mitte, vor mir die fünf<br />

Richter. Auf einer Seite der STA Haun, auf der Anderen RA Müller.<br />

Hinter mir in der ersten Sitzreihe sass der Bankdirektor und ganz hinten<br />

links sass Dr. Robert Wallner. Ansonsten war niemand anwesend. Als<br />

meine Vertrauensperson wurde der Bankdirektor von Hans-Adam<br />

abdelegiert, wogegen die STA nichts einzuwenden hatte. Ein Wunder,<br />

ein Wunder, dachte ich mir im Stillen. Die STA hat mal nichts dagegen.<br />

Nach den Angaben zu meiner Person wurde gleich der Ausschluss der<br />

Öffentlichkeit beantragt. Zur Sicherheit des Landes. Dies wurde vom<br />

Gericht einstimmig befürwortet. Ich sass auf dem Angeklagtenstuhl und<br />

hatte meinen Zettel in der Hand. Ich brachte keine Akten mit. Auch RA<br />

Müllers Tasche war nicht so schwer beladen, wie sie bei einem<br />

Verteidiger eines solchen fetten Prozesses hätte sein müssen. Aber eben,<br />

die Rolle von Müller war nicht die eines Verteidigers. Er war mehr ein<br />

juristischer Vermittler zwischen Hans-Adam, der LGT als seine<br />

Brötchengeber und meiner Wenigkeit.<br />

Nach Verlesung der Anklage wurde ich aufgefordert, dazu etwas zu<br />

sagen. Ich stand auf und las den Zettel Wort für Wort runter. Nachdem<br />

ich damit fertig war, drehte ich mich zum Bankdirektor und dem RA.<br />

Beide nickten schwach mit dem Kopf. Ein gutes Zeichen, dachte ich.<br />

Dann passierte etwas, was niemand erwartet hatte.<br />

RA Müller sagte mir nachher, dass er auch völlig irritiert gewesen wäre.<br />

Als ich mich wieder umgedreht hatte, starrte mich der vorsitzende<br />

Richter an und flüsterte etwas zum Beisitzer. Er bat mich, den Zettel<br />

nach vorne zu bringen. Er fragte, ob ich unter Instruktionen seitens der<br />

LGT handeln würde. Ich bat um Entschuldigung und erwiderte nur,<br />

dass ich gerade gesagt hätte, dass ich keine weiteren Fragen beantworten<br />

kann. Dem Richter gefiel meine Antwort gar nicht. Er stand auf und<br />

480


zusammen mit einem Beisitzer verschwand er für ein paar Minuten mit<br />

meinem Zettel in das kleine Beratungszimmer neben dem Saal. Ich setzte<br />

mich wieder und konnte nicht mehr tun als warten.<br />

Als sie zurückkamen, sagte der Vorsitzende etwas in Richtung<br />

abgekartetes Spiel oder ähnlich. Er sprach so undeutlich und leise, dass<br />

ich ihn nicht verstehen konnte. Müller hatte auch keine besseren Ohren<br />

als ich und der Bankdirektor war noch weiter weg. Da weiters nichts<br />

Negatives geschah, kam ich zum Schluss, dass der Richter nichts<br />

Unwürdiges oder gar Unzulässiges gemeint haben musste. Dann stellt<br />

RA Müller eine Frage, die wir vorher abgesprochen hatten. Das Thema<br />

war der Zeitpunkt meines Entschlusses, ins Ausland zu gehen, um<br />

möglicherweise die Daten zu verraten. Es folgte praktisch dieselbe Frage<br />

von Haun. Das war’s? Ich war überrascht, wie Haun sich zurückgehalten<br />

hatte. Ich hätte eher gedacht, dass der wie ein Kannibale loslegt.<br />

Offenbar war dem Gericht alles so klar, dass sogar auf ein Vorlesen der<br />

Beweise gegen mich verzichtet wurde.<br />

Die STA verlangte einen Schuldspruch im Sinne der zusammengelegten<br />

Anklageschriften und eine schuld- und tatenbemessene Bestrafung.<br />

Mein RA verlangte einen Schuldspruch zum Teil 1) und Freispruch zum<br />

Teil 2). Bezüglich einer Bestrafung beantragte mein RA ein gerechtes und<br />

vor allem gnädiges Urteil. Ich durfte auch noch sagen, dass ich mich den<br />

Worten des RA anschliessen würde und um ein mildes Urteil bitten<br />

würde.<br />

Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Die dauerte von 10:15 Uhr bis<br />

11:30 Uhr. Für die Dauer der Urteilsfindung verliessen wir drei den Saal<br />

und begaben uns wieder in den Keller zum Pausenraum. Vorher grüsste<br />

mich Dr. Wallner und gratulierte mir zu meinem Mut (nach Hause<br />

zurückzukehren). Ich bedankte mich bei ihm dafür, den Haun an kurzer<br />

Leine gehalten zu haben. Auch bedankte ich mich nochmals zum Voraus<br />

für seine Mühe, das kommende Urteil in Spanien anerkennen zu lassen.<br />

Die Polizisten waren auch nicht mehr zu sehen. Mit Haun sprach ich<br />

kein Wort.<br />

Um 11.25 Uhr wurden wir wieder in den Saal gerufen. RA Müller<br />

wunderte sich schon, warum das Gericht über eine Stunde für die<br />

Beratung brauchte. Je länger er dauerte, desto nervöser wurden der<br />

Bankdirektor und auch ich. Die Polizisten waren wieder da. Einer stand<br />

481


draussen vor der Saaltüre, der andere drinnen. Schlechtes Zeichen,<br />

dachte ich. Zur Urteilsverkündung standen wir alle auf. Gemäss<br />

Protokoll, bestehend aus einem Deckblatt und fünf Seiten, wurde das<br />

Urteil einstimmig gefällt.<br />

Anm.: Dass ich hier in meinem Buch aus dem an und für sich geheimen,<br />

versiegelten Beratungsprotokoll zitieren kann, liegt daran, dass ich das Original<br />

habe. Wie viele der anderen Unterlagen, aus denen ich für mein Buch in Hülle<br />

und Fülle zitieren und berichten kann, wurde mir dieses Protokoll später von<br />

dritter Seite anonym zugesteckt. Logischerweise konnte ich 2003 nicht wissen<br />

oder erahnen, dass ich Jahre später ein Buch schreiben würde. Aber wegwerfen<br />

wollte ich die immer grösser werdende Sammlung auch nicht. Sie waren und<br />

sind es immer noch: Ein Teil meines Lebens. Ein Blick heute in die<br />

verschiedenen Gerichtsakten würde bestätigen, dass verschiedenen<br />

Originalprotokolle nicht mehr vorhanden sind. Wer das Material entnommen<br />

hatte, weiss ich nicht und selbst wenn ich es könnte, wollte ich es nicht<br />

herausfinden.<br />

Der etwas brummig dreinschauende vorsitzende Richter verkündete im<br />

Namen von Fürst und Volk das Urteil:<br />

„Heinrich Kieber wäre des Verbrechens des schweren Betrugs (<br />

Anm.: „schweren“ wegen der Höhe der Kaufsumme für die Wohnung in<br />

Barcelona) nach den § 146, 147 Abs 2 StGB, des Verbrechens der<br />

Gewalt und gefährlichen Drohung gegen den Landesfürsten nach<br />

§ 249, dem Vergehen der versuchten Nötigung nach den § 15, 105<br />

Abs 1, dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 und dem<br />

Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 schuldig<br />

zu sprechen.<br />

Für das Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder<br />

Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands nach § 124 Abs 1<br />

StGB, und zum Vergehen der Datenbeschädigung nach § 126 a<br />

Abs 1, wäre er freizusprechen. Als Bestrafung, wäge man die<br />

Straferschwerungs- und Strafmilderungsgründe gegeneinander<br />

ab, erscheine eine Freiheitsstrafe von vier Jahren ausreichend<br />

aber auch angemessen zu sein. Bei der Strafbemessung konnte<br />

zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er<br />

unbescholten war (Anm.: keine Vorstrafen hatte), dass das<br />

Vermögensdelikt zum Teil 1 schon vor langer Zeit begangen<br />

wurde, dass der Schaden aus diesem Vermögensdelikt<br />

482


gutgemacht ist (Anm.: Helmut Roegele konnte ja das Geld in<br />

Österreich abkassieren), und dass er seine Drohungen nicht<br />

verwirklichte, sondern sich letztlich reuig zeigte und die Daten<br />

vernichtete bzw. zurückgab. Als erschwerend war das<br />

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen zu beurteilen.<br />

Die Prozesskosten von CFH 30'000.- werden dem Angeklagten<br />

auferlegt‚.<br />

Ich war auf alles vorbereitet. Nur auf das nicht. Was für ein Schock.<br />

Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben. Ich muss in einem Horrorfilm<br />

gelandet sein. V-I-E-R Jahre? Vier Jahre? Vier! Und nichts auf<br />

Bewährung ausgesetzt. Das würde bedeuten, dass ich mindestens für 32<br />

Monate, also Zwei 2/3 Drittel Jahre ins Gefängnis musste. In<br />

Liechtenstein war es Gesetz, dass man bei guter Führung nur zwei<br />

Drittel der Strafe absitzen muss.<br />

Mir wurde kotzübel. Ich drehte mich um zum RA. Dieser flüsterte etwas<br />

von meiner Dankbarkeit. Jetzt noch, fragte ich ihn und er nickte heftig.<br />

Als ich das letzte Wort hatte, sagte ich, auftragsgemäss: „Ich bedanke<br />

mich beim Hohen Gericht für das milde Urteil. Vielen Dank.‚<br />

Die Sitzung wurde geschlossen und Haun war ersichtlich im Delirium<br />

über dieses Resultat. Ich wechselte noch ein paar Worte mit dem STA Dr.<br />

Wallner und wir beide standen mit dem Rücken zum Haun. Dieser<br />

musste wohl noch geblendet gewesen sein, wenn nicht gar erblindet. Er<br />

klopfte mir heftig auf die Schulter, anstelle Dr. Wallner, der neben mir<br />

stand. Eine Art Siegestrommeln. Als Haun die Verwechslung bemerkte,<br />

war es ihm äusserst peinlich. Sein Chef rügte ihn und sagte dies wäre<br />

absolut nicht abgebracht gewesen, selbst auf seinem Rücken nicht.<br />

Ich suchte Augenkontakt mit meinem RA, weil ich als nächstes eine<br />

Verhaftung befürchtete. Die Polizisten standen jetzt am Ausgang des<br />

Gerichtsgebäudes. Ich sagte zum Bankdirektor, der eigentlich selber<br />

noch sprachlos war, dass dies wohl das Ende wäre. Ich gratulierte ihm<br />

sogar für den genialen Plan, mich so reinzulegen. Da er immer noch<br />

verstummt war und nur den Kopf hin und her, rauf und runter<br />

schüttelte, kam der RA zu Wort. Es könne gar keine Verhaftung geben,<br />

da die STA dies nicht beantragt hätte. Sie hätte es im Saal machen<br />

können, da jedem klar gewesen war, dass eine Strafe von vier Jahren<br />

483


mindestens zu zwei Dritteln abgesessen werden muss und das freie<br />

Geleit nur bis zur Minute der Urteilsverkündung galt.<br />

Jetzt wäre es zu spät.<br />

Nein, nein sagte ich, so dumm bin ich nicht. Die STA kann jederzeit<br />

zwischen jetzt und einem rechtsgültigen Urteil einen Verhaftungsantrag<br />

stellen. Das stimme zwar, dies wäre aber sehr unwahrscheinlich, sagte<br />

der RA. Ich zitterte immer noch und begriff gar nichts mehr. Als der<br />

Bankdirektor wieder zu sich kam, redete er heftig auf den RA ein. Er<br />

sagte, dass er dieses Urteil auch nicht verstehen würde. Erst als die<br />

Polizisten weggegangen waren, war auch ich erleichtert. Ich wollte so<br />

schnell wie möglich aus diesem Gebäude raus, ich musste Hans-Adam<br />

anrufen. Ich verabschiedete mich beim Bankdirektor und dem RA, ohne<br />

auf deren Bitte einzugehen, doch noch zu bleiben. Ich rannte zur<br />

nächstgelegenen Telefonzelle, bei der Post Vaduz. Hans-Adam war zu<br />

Hause. VIER, VIER Jahre, stammelte ich.<br />

Das sind mindestens zwei Jahre und zwei Drittel Haft! Ja, er hätte es<br />

gehört, sagt er mir. Wie bitte, fragte ich, er wisse das schon? Geht aber<br />

ganz schnell hier, sagte ich. Ich erzählte ihm, dass ich wegen des<br />

Verbrechens der Gewalt und gefährlichen Drohung gegen ihn verurteilt<br />

worden war. Das wisse er auch schon. Ich sagte ihm offen, dass ich nicht<br />

nachvollziehen konnte, wegen Gewalt und schwerer Drohung verurteilt<br />

worden zu sein. Abgesehen davon, überhaupt wegen des Brief und der<br />

Daten verurteilt worden zu sein.<br />

Nichts von dem, was man mir im Ausland erzählt hatte, hatte sich<br />

bewahrheitet, sagte ich apathisch. Was soll ich machen, fragte ich ihn.<br />

Wo Müller jetzt wäre, fragte er mich. Ich wisse es nicht, vielleicht immer<br />

noch beim Gericht. Ich soll zurück gehen und mich beruhigen. Ich soll<br />

Müller sagen, dass er ihn sofort anrufen soll, beauftragte mich Hans-<br />

Adam. Man müsse postwendend in Berufung gehen, sagte er mir zum<br />

Abschluss. Es bedurfte wieder etlicher Worte von ihm, um mich zu<br />

beruhigen. Niemand werfe mich ins Gefängnis.<br />

Ich lief zurück zum Gericht. Der Bankdirektor und mein RA waren<br />

schon bis zur Tiefgarage gelaufen. Ich erzählte vom Anruf bei Hans-<br />

Adam und das er vom Urteil schon gehört habe. RA Müller nahm sein<br />

Handy in die Hand und wählte die Hauptnummer des Schlosses. Er<br />

484


wich ein paar Schritte weg von uns und telefonierte kurz mit Hans-<br />

Adam.<br />

Der Bankdirektor hatte an seinem Handy den Professor an der Strippe.<br />

Ich konnte auch ein paar Worte mit ihm wechseln. Er war konsterniert<br />

über das Mass der verhängten Strafe. Resignation machte sich bei mir<br />

breit. Der Professor versprach, mit Hans-Adam und dem RA zu reden.<br />

Wir analysierten das Urteil. Ich hätte nichts Falsches gemacht im Saal,<br />

resümierte der RA. Er war dann doch erstaunt, warum die STA nicht<br />

wenigstens formell den Antrag auf Inhaftnahme gestellt hatte. Er hätte<br />

dann immer noch einen Gegenantrag stellen können. Zuerst dachten wir,<br />

dass die STA die reale Möglichkeit einer Inhaftnahme übersehen hätte.<br />

Aber aufgrund der Vorgeschichte mit der STA war dies sehr<br />

unwahrscheinlich. Je mehr wir darüber redeten und je klarer mein Hirn<br />

wieder arbeitete, desto mehr war ich mir sicher, dass die STA deswegen<br />

vorher schon von dem Urteil gewusste haben musste. Zweifelsfrei. Dem<br />

Bankdirektor kam dies plausibel vor, dem RA nicht. Ich verstand nicht,<br />

warum ich auch des Diebstahls verurteilt worden war, wenn dies die STA<br />

gar nie beantragt hatte und niemand es vorgeworfen hatte. Dies sei eine<br />

Liechtensteiner Besonderheit, sagte der RA. Das Kriminalgericht kann,<br />

unabhängig vom Antrag der STA, einen Angeklagten zu Punkten<br />

verurteilen, die nie Gegenstand einer Untersuchung oder eines Antrags<br />

seitens des Anklägers waren, erklärte der RA.<br />

Dies war auch möglich, weil ich ja selber mit meinem Schuldbekenntnis<br />

de facto eingestanden hatte, ein DLT-Band entwendet zu haben. Wieder<br />

übertölpelt worden, sagte ich.<br />

Zum Strafmass kam mir ein anderes Urteil in den Sinn. Ich erzählte den<br />

beiden, dass vor ca. zwei Jahren ein Treuhänder aus Balzers wegen<br />

mehrfachem gewerbsmässigen Betrug an zahllosen Kunden mit einer<br />

Schadenssumme von über CHF 6 MIO. (!) verurteilt wurde. Er erhielt<br />

„nur‚ viereinhalb Jahre Gefängnis, obwohl er nur teilgeständig war und<br />

die Schadenswiedergutmachung an die Kunden bis heute nur im<br />

einstelligen Prozentbereich stattgefunden hatte. Der RA erinnerte sich an<br />

diesen Fall. Warum habe ich vier Jahre bekommen, wollte ich wissen. Im<br />

Vergleich zum Treuhänder habe ich mich „schuldig bekannt‚, die Taten<br />

waren viel weniger schwer und es ist kein Schaden eingetreten.<br />

Dr. Wolfgang Müller erzählte uns vom Telefonat mit dem Landesführer.<br />

Es wurde beschlossen, Berufung einzulegen. Ich bedankte mich bei<br />

485


Müller und dem Bankdirektor für Zeit und Mühe. Ich bezweifelte den<br />

Erfolg einer Berufung. Ich war mir sicher, dass die STA dagegen von<br />

neuem juristisch protestieren würde. Und was wäre, wenn es in einer<br />

Berufungsverhandlung zu einem noch höheren Strafmass kommen<br />

würde? RA Müller schloss dies kategorisch aus. Unmöglich, sagte er.<br />

Unmöglich! Ich war traurig, weil eine Anklage im 101er, in welchem<br />

Land auch immer, noch weiter in die Ferne verschwand. Und Spanien<br />

könnte mein Verfahren erst dann endgültig einstellen, wenn es hier zu<br />

einem rechtskräftigen Urteil gekommen war, sagte ich. Da müsste mir<br />

keiner etwas vormachen.<br />

Niedergeschlagen ging ich nach Hause. Am Nachmittag nahm ich den<br />

Bus hoch in die Berge. Ich wollte allein sein. Ich war immer noch<br />

verwundert darüber, dass Hans-Adam das Resultat innerhalb weniger<br />

Minuten nach Abschluss der Verhandlung schon wusste. Auch grübelte<br />

ich über die rundherum explizit zur Schau gestellte Fassungslosigkeit in<br />

Bezug auf das Strafmass. Es gibt keine Überraschungen im Liechtensteiner<br />

Justizwesen. Diese und andere Indikatoren erhärteten meinen Verdacht,<br />

dass dies alles ein abgekartetes Spiel sein könnte. Ja, das war es. Das<br />

musste es ein, sagte ich zu mir. Jeder aus den diversen Fraktionen<br />

meiner Gegnerschaft wollten doch zum (Ab-)Schuss kommen. Es war<br />

wohl nicht einfach für Hans-Adam all diese Begehrlichkeiten unter einen<br />

Hut zu bringen. Zuerst hatte man mich entgegen der Versprechungen<br />

wegen des Briefs und der Daten angeklagt. Dann wurde ich zu einer<br />

mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Also wollten sie, dass ich ins<br />

Gefängnis komme. Also wollten sie mir gar nicht im 101er helfen. Oder<br />

wollten sie mir nur Angst machen? Eine Antwort fand ich vorerst nicht.<br />

Ich könnte ja wegrennen, meine Ausweise hatte ich ja zurückbekommen.<br />

Aber was würde das nützen. Nichts. Dass es so weit gekommen war,<br />

war nicht verwunderlich. Ich hatte nur mein kleines Hirn und sie hatte<br />

eine Armada von Spezialisten, um mich dorthin zu bringen, wo ich<br />

stand.<br />

Der Jahrhundertsommer ging zu Ende und meine Zuversicht auch.<br />

Selbst Hans-Adams Schreiben vom 21.10. konnte meine Stimmung nicht<br />

heben. Er bedankte sich für meine Denkschrift, die er angeblich<br />

wissbegierig gelesen hätte.<br />

Drei Tage später, am 24.10. sendete RA Müller dem Gericht eine<br />

Kurznotiz als Berufungsanmeldung. Er informierte mich und den<br />

486


Bankdirektor, dass er von der STA erfahren hatte, dass sie keine<br />

Berufung gegen das Urteil einlegen würden. Sie STA würde keinen<br />

Kommentar mehr dazu abgeben. Für sie sei der Fall erledigt.<br />

Wie gnädig von ihnen, dachte ich. Seiner Meinung nach war das hohe<br />

Strafmass angeblich darauf zurückzuführen, dass die Verurteilung<br />

wegen des Verbrechens der Gewalt und gefährlichen Drohung gegen<br />

den Landesfürsten(§ 249) einen sehr hohen Strafrahmen von ein bis zehn<br />

Jahren hatte. Obwohl ich geneigt war, diese Urteilsanalyse vom RA<br />

anzuerkennen, hegte ich immer noch den Verdacht, dass die vier Jahre<br />

ein vorher vereinbartes, sprich gewünschtes Ergebnis waren.<br />

Das Urteil sprach sich schnell herum. Gerüchte kamen und gingen.<br />

Teilweise stimmten sie. In Bezug auf den Schutz-Pass zum Beispiel.<br />

Zweimal wurde ich von eigentlich Nichteingeweihten darauf<br />

angesprochen. Eine clevere Lösung sei dies gewesen, sagten sie. Was in<br />

Liechtenstein oft als Vorteil dienen kann, war zugleich ein Nachteil: zu<br />

kleines Land, jeder kennt jeden. Ich enthielt mich eines Kommentars.<br />

Offenbar gab es einige, die die Härte der Verurteilung missbilligten.<br />

Nach und nach wurde ich mit der wahren Geschichte, was alles in<br />

Liechtenstein seit dem 7.1.03 passiert war, konfrontiert. So erfuhr ich im<br />

Oktober über die heimliche Hausdurchsuchung einer ehemaligen<br />

Freundin in Zürich. Darüber sprach ich mit dem Professor, er konnte es<br />

weder dementieren noch bestätigen. Im November konnte ich das<br />

Gutachten (siehe Kapitel 17) lesen. Sehr aufschlussreich. Wegen der<br />

Hausdurchsuchung war ich ehrlich gesagt schon erbost. Wegen des<br />

Gutachten nicht. Und wegen des Schutz-Pass auch nicht. Wer war ich<br />

denn, Hans-Adam, dem Land oder dem Regierungschef Hasler<br />

deswegen etwas vorzuwerfen? Ich hatte meine eigenen Probleme.<br />

Speziell jetzt, mit diesem Urteil. Zudem hatte ich noch keinen klaren<br />

Durchblick, wer, was, wann getan hatte. Dies änderte sich langsam aber<br />

sicher, als ich sukzessiv in den Besitz von mehr und mehr Unterlagen<br />

kam, die ein ganz anderes Bild von meinen Gegnern zeigten.<br />

Insbesondere die Unterlagen zum KKZ. Die Hälfte meiner neuen oder<br />

erweiterten Erkenntnisse war erträglich, um es mal milde<br />

auszudrücken. Technische Dinge wie die Haftbefehle, Interpol, die<br />

Schnüffler u.s.w – dies konnte ich irgendwie in der Hektik der<br />

damaligen Zeit nachvollziehen. Nicht, dass ich sie billigen würde.<br />

Wichtiger war nun für mich zu erkennen, wer, wann, welche Position<br />

einnahm und wie mein Verhältnis zu diesen Individuen heute war. Die<br />

487


andere Hälfte machte mir zusehends Sorgen. Ich studierte alles x-fach<br />

genau. Eine vertiefte Betrachtung aller Unterlagen, zusammen mit dem<br />

was ich sein dem 1. Juli hier in Vaduz erlebt hatte, zeichnete eher ein<br />

düsteres Bild. Ich musste aber den Optimismus beibehalten. Egal wie<br />

lange ich alle Eindrücke in meinem Gehirn zermalmte, ich musste am<br />

Glauben festhalten, dass alles was mir versprochen und gesagt wurde,<br />

der Wahrheit entsprach. Es gab absolut keinen Grund, warum sie mich<br />

anlügen sollten, dachte ich. Trotz der Tatsache, dass alle Beteiligten, ich<br />

inklusive, ihre Karten dicht an der Brust verdeckt hielten.<br />

Der Professor hatte eine eigene Theorie. Er, als Ausländer mit limitierter<br />

Einsicht in das spezielle Liechtensteiner Spinnengewebe, glaubte – im<br />

Gegensatz zu mir - weniger daran, dass das Urteil eine abgemachte<br />

Sache zwischen den Herrschenden und den anderen Gekränkten (STA &<br />

Justiz) sein könnte. Er hatte den Verdacht, dass das Gericht dem offenbar<br />

nicht deutlich formulierten Verlangen von Hans-Adam nach einer<br />

Bestrafung gerecht werden wollte und dann übers Ziel hinaus<br />

geschossen war. Darum seien jetzt alle so überrascht und hätten nun<br />

dieses Dilemma. Den einzigen Erfolg für eine Strafmilderung in einem<br />

Berufungsverfahren sah RA Müller darin, die Verurteilung wegen der<br />

versuchten Nötigung, der Gewalt und der Bedrohung aufzuheben.<br />

Bei einem Treffen wurde mir aufgetragen, einen Brief an Hans-Adam zu<br />

schreiben. Der Text wurde mir auch vorgelegt. Ich sollte ihn wiederum<br />

bitten, einen Brief aufzusetzen, indem er darlegen soll, dass er weder<br />

eine versuchte Nötigung, Gewalt oder Bedrohung von mir erlebt hatte.<br />

Um es später nicht ganz deutlich zu machen, dass das Schreiben<br />

exklusive für das Gericht erstellt worden war, sollte ich Hans-Adam<br />

bitten, es an mich persönlich zu richten, aber an RA Müller zu senden.<br />

Dieser würde es dann seiner Berufungsschrift beilegen. Ich fragte den<br />

RA, warum er nicht direkt beim Hans-Adam darum bittet, ein an mich<br />

gerichtetes Schreiben an ihn zu senden. Alles wäre mit Hans-Adam so<br />

besprochen worden, gab man mir zur Antwort. Ich war ja wie immer der<br />

letzte, der informiert wurde.<br />

Am 11.11. hatte ich das Schreiben fertig und brachte es dem Müller in<br />

sein Büro. Er würde es zum Schloss bringen. Zwei Tage später, am<br />

13.11., um 10.00 Uhr konnte ich für 19 Minuten mit Hans-Adam am<br />

Telefon reden. Er bestätigte mir den Erhalt meines Schreibens und<br />

gratulierte mir zu der Besonnenheit in Bezug auf Haun. Keine Ursache,<br />

488


war doch kein Problem, täuschte ich vor. Dr. Wallner wäre auch dort<br />

gewesen, erinnerte ich ihn. Ob ich wüsste, warum dieser dort war, fragte<br />

er mich. Nein! Hans-Adam erzählte mir, dass Haun Angst gehabt hätte,<br />

ich würde ihn anspucken oder so ähnlich. Oder mich auf Grund<br />

seelischer Angespanntheit weigern würde, überhaupt etwas zu sagen.<br />

Und wenn er nicht im Stande gewesen wäre, den Prozess als Ankläger<br />

weiterzuführen, dann hätte Wallner übernommen. Dieser Angsthase,<br />

feixten wir gemeinsam am Telefon. Hauns Sorgen möchte ich haben,<br />

sagte ich zu Hans-Adam.<br />

Genug gelacht, dachte ich mir. Ich wollte nämlich ab jetzt ganz genau<br />

aufpassen, was und vor allem wie Hans-Adam mit mir redete. Im<br />

Hinterkopf hatte ich ja die wirkliche Version, wie sich alles von Januar<br />

bis Juni abgespielt hatte, gespeichert. Ich bestätigte ihm auch, dass ich<br />

ein gewünschtes weiteres, kurzes Schreiben an Dr. Wallner am 11.11.<br />

abgeschickt hatte. Er sagte mir, dass er alles mit dem Professor, dem<br />

Bankdirektor und dem RA besprochen habe. Es gelte jetzt das Gericht zu<br />

überzeugen, dass er und sein Sohn Alois sich nie bedroht gefühlt hatten.<br />

Ein solches Schreiben würde spätestens am 21. oder 22.11. beim RA<br />

liegen um fristgerecht der Berufungsausführung beigelegt zu werden.<br />

Sollte ich sein Schreiben zu Gesicht bekommen, so sollte ich nicht über<br />

gewisse Angaben zu Vorkommnissen im Januar 2003 irritiert sein. Was<br />

für Angaben und warum sollte ich irritiert sein, fragte ich wieder<br />

ängstlich. Ich dachte mir, mein Gott, was kommt jetzt wieder auf mich<br />

zu. Es betreffe die ausgestellte Schutz-ID und die nicht erfüllte<br />

Forderung nach einem Sonderstaatsanwalt und einem Richtergremium,<br />

sagt er.<br />

Um Himmels Willen, sagte ich zu ihm, sie werden doch dem Gericht<br />

und damit der "Öffentlichkeit" mitteilen, dass Sie die Schutz-ID in der<br />

Tat benutzt haben. Sonst werde ich dafür auch noch "hingerichtete". Zu<br />

meiner Verteidigung sagte ich gleich, dass mir niemand etwas<br />

vorwerfen kann, da ich schliesslich die Schutz-ID nie selber im Besitz<br />

gehabt habe. Ja, das sei ihm klar. Nein, ganz im Gegenteil, er wisse, dass<br />

es Leute bei der Justiz gebe, die in der Zwischenzeit davon erfahren<br />

hatten, wie und unter welchen Umständen ich von Holland nach Hause<br />

verfrachtet wurde. Dies war leider unvermeidbar, erklärte er mir. Es<br />

ginge jetzt darum dem Gericht das Empfinden zu ermöglichen, dass er<br />

sich nie genötigt gefühlt haben konnte, weil er gar keine meiner<br />

Forderungen hätten ausführen können.<br />

489


OK, auch gut. Alles klar, jetzt begriff ich, spielte ich ihm vor. Ist doch<br />

Schnee vorn gestern, sagte ich erleichtert, wenn kümmert jetzt noch die<br />

Schutz-ID oder einen Sonderstaatsanwalt oder ein unabhängiges<br />

Richtergremium? Wir brauchen doch dies alles nicht mehr, nach dem<br />

neuen Fahrplan, oder? Ich fragte ihn auch direkt, warum all dieser<br />

Aufwand? Warum könne er nicht wie sonst auch, einfach den Hörer in<br />

die Hand nehmen und dem Gericht sagen, was hier fair wäre? Er<br />

erwiderte nur, dass ich dies nicht verstehen würde. OK, auch gut. Wo da<br />

die mögliche Irritation wäre, fragte ich als nächstes.<br />

Nun, sagte Hans-Adam, laut Professor würde ich eventuell den tieferen<br />

Sinn seines kommenden Schreibens nicht begreifen und mich dann<br />

wundern, warum er, Hans-Adam, unrichtige Angaben formulieren<br />

würde. Was zum Resultat führen könnte, dass ich seinen Angaben und<br />

Versprechungen, die er mir während der Audienz und später persönlich<br />

gemacht hatte, anzweifeln würde. Darauf konnte ich nur erwidern:<br />

typisch Professor. Ich mag schon dumm sein, sagte ich, aber so dumm<br />

auch wieder nicht. Zum Abschied sagte er, dass er auch zum Professor<br />

gemeint hätte, dass ich seinen Brief nicht missverstehen würde. Aber<br />

eben, der Psycho sei hier der Profi. Mir war der Sinn dieses<br />

Gesprächsthemas zwar nicht ganz klar ersichtlich. Aber was soll’s, sagte<br />

ich zu mir, Hans-Adam war der Boss. Wenn es der Sache dienlich sein<br />

kann, dann muss ich doch froh darüber sein. Hans-Adam formulierte<br />

das gewünschte Schreiben am 21.11.<br />

Sehr geehrter Herr Kieber<br />

Der Erbprinz und ich bedanken uns für Ihre Information,<br />

insbesondere jedoch für die ausführlichen Gedanken, welche Sie<br />

uns freundlicherweise zukommen liessen und in denen Sie sich<br />

in offener und ehrlicher Weise mit der Problemstellung, gerade<br />

aber mit der zukünftigen Verhinderung von solchen Umständen<br />

beschäftigt haben. Wir waren erstaunt, welche Anstrengungen<br />

Sie unternommen haben, um auch noch in der negativen<br />

Situation das Positive zu erkennen, und dadurch die einzigartige<br />

Möglichkeit eröffnen werden, andere Menschen, welche in einer<br />

verantwortungsvollen Position über das persönliche und<br />

finanzielle Schicksal vieler Menschen entschieden, zu<br />

unterstützen. Ich habe mir daher auch erlaubt, Ihre Information<br />

sowohl an Dr. OT Entfernt als auch an jenen Experten<br />

490


weiterzuleiten, welcher mir in Ihrem Fall bereits im März dieses<br />

Jahres versicherte, dass Sie einzig und allein aufgrund einer<br />

ungünstigen Konstellation vieler Umstände zu dieser Handlung<br />

getrieben wurden und dass für Sie selbst die Sicherheit der Daten<br />

und damit auch die Sicherheit des Landes an erster Stelle stand.<br />

Der Erbprinz und ich können nicht verhehlen, dass wir im Januar<br />

dieses Jahres etwas beunruhigt waren, bedroht oder genötigt<br />

haben wir uns nicht gefühlt, zumal wir Ihnen ja bereits in<br />

unserem ersten Schreiben, welches wir am 11. Januar Dr.<br />

Schlachter nach Frankfurt mitgegeben haben, festhielten, dass ich<br />

zur Ausstellung von Reisepässen gar nicht in der Lage bin und<br />

unabhängig davon die Einsetzung eines Sondergerichtes oder<br />

Sonderstaatsanwaltes gar nicht in meine Befugnisse fällt. Unter<br />

all diesen Umständen halte ich das ergangene Urteil für<br />

bemerkenswert, zumal Ihr Verhalten der gänzlichen<br />

Schadenswiedergutmachung, der freiwilligen Rückkehr, die<br />

vollständige und unversehrte Rückgabe der entwendeten<br />

Dokumente/Daten, aber insbesondere Ihr Bestreben, Ihr Wissen<br />

wie man solche drohende Katastrophen zukünftig verhindern<br />

kann, zur Verfügung zu stellen, als wohl beispiellose Form der<br />

tätigen Reue und Wiedergutmachung zu werten sind.<br />

Der Erbprinz und ich hegen daher die begründete Hoffnung,<br />

dass gerade der letztgenannte Umstand in Ihrer angestrebten<br />

Berufung entsprechend gewürdigt wird, damit Sie letztendlich<br />

nach all Ihren Taten der ein neues Leben beginnen können. Mit<br />

freundlichen Grüssen , gez. Hans-Adam der II.<br />

Wie man im Schreiben von Hans-Adam lesen kann, hatte er wie<br />

angekündigt alles Notwendige im Brief erwähnt, um schon an erster<br />

Stelle eine Nötigung als unmöglich auszuschliessen. Eigentlich ist der<br />

ganze Brief ganz nett herausgekommen. Dass dieses Schreiben für jeden<br />

Juristen eher Symbolcharakter hatte, war deswegen klar, weil das Gericht<br />

in der Schriftversion des Urteil vom 21.10. hochjuristisch und seitenlang,<br />

einwandfrei und zutreffend festgestellt hatte, dass Hans-Adam in der<br />

Tat eine gesetzliche und faktische Befugnis zu allen Forderungen gehabt<br />

hätte (und heute noch hat). Ja, man kann sagen, dass grosse Teile jenes<br />

Urteils eher einer stark ausgedehnten rechtsstaats-politischwissenschaftlichen<br />

Dissertationsarbeit glichen. Gestört hatte es<br />

niemanden.<br />

491


Ohne mein Wissen wurde auch der Professor um ein ähnliches<br />

Schriftstück angegangen. Doppelt hält besser, war wohl die Devise. Sein<br />

Schreiben war am 24.11. per Fax beim RA eingetroffen.<br />

Auch dieses Schreiben wurde der Berufungsschrift beigelegt.<br />

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!<br />

Bezugnehmend auf unsere fernmündliche Absprache vom 20.11.<br />

d. J. übermittle ich Ihnen wunschgemäss jene Stellungsnahme,<br />

die ich aus kriminalpsychologischer Sicht zu den Unterlagen,<br />

welche Heinrich KIEBER im Zuge der Aufarbeitung der<br />

obzitierten Causa vorgelegt hat, abgeben kann: Nach der<br />

umfangreichen Beschäftigung meinerseits mit der Causa KIEBER,<br />

welche am Samstag, den 11.1.2003 begonnen und zunächst mit<br />

der freiwilligen Rückkehr von KIEBER am 1 .7. 2003 nach<br />

Liechtenstein geendet hatte. Wobei ich während dieser Zeit<br />

sowohl als gerichtlich beeideter zertifizierter Sachverständiger,<br />

nach Absprache mit dem zuständigen Staatsanwalt Dr.<br />

WALLNER, in dieser Funktion und als Berater für die LGT tätig<br />

war. Ich führte zahlreiche Gespräche mit dem Landesfürsten,<br />

Regierungsvertretern, sowie Vertretern von Justiz und der<br />

Exekutive. In all diesen Gesprächen wies ich daraufhin, dass ein<br />

Teil der Verhandlungsabmachung mit KIEBER darin bestand,<br />

dass er aus seiner Sicht umfangreiche Informationen zur<br />

Verfügung stellen sollte, welche als Präventivmassnahme zur<br />

Verhinderung zukünftiger Fälle, wie den zur Diskussion<br />

stehenden, verwendet werden können. Die Handlungen, die<br />

KIEBER im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der LGT und<br />

in weiterer Folge einer strafrechtlichen Beurteilung zugeführt<br />

wurden, begangen hat, stellen aus kriminalpsychologischer Sieht<br />

erstklassisches Beispiel eines Workplace Violence dar, Darunter<br />

sind Entscheidungen einer Person zu verstehen, welche aufgrund<br />

und eines Nahe- bzw. Vertrauensverhältnisses Unterlagen aus<br />

einer Institution mitnimmt, welche Firmeninhaber, Besitzer,<br />

Mitarbeiter oder Vorgesetzte in extremste Belastungssituationen<br />

führen können.<br />

Seit etwa 2 ½ Jahren versuche ich als wissenschaftlich<br />

ausgerichteter aber auch praktisch orientiertet<br />

Kriminalpsychologe an Informationen und Daten zu gelangen,<br />

492


die zur leichteren Bearbeitung, besseren Evaluierung, bzw. und<br />

das ist die Hauptzielstellung, zu einer möglichen Prävention<br />

führen. Es hat sieh nämlich gezeigt, dass in den letzten 18<br />

Monaten ein massives Ansteigen von Workplace Violence Fällen<br />

beobachtet werden konnte, wobei eine international angelegte<br />

Untersuchung des renommierten Institutes Price Waterhouse &<br />

Cooper, welche auch im März d. J. veröffentlicht wurde zeigte,<br />

dass jedes zweite grössere Unternehmen im deutschsprachigen<br />

Gebiet Opfer eines Workplace Violence Falles geworden ist.<br />

An erster Stelle stellen Finanzdienstleistungsbetriebe (Banken &<br />

Versicherungen) mit etwa 54 % die grösste Opferkategorie dar.<br />

Die Informationen, die KIEBER aus Sich der Vorgehensweise, des<br />

Planungsgrades, einer möglichen Verhandlungsstrategie, der<br />

möglichen Motivlage, als auch aus Sicht des Beteiligten (Täters)<br />

angegebenen präventiven Gedanken stellen einen unschätzbaren<br />

Wert für die weitere Bearbeitung und mit Sicherheit auch der<br />

möglichen Prävention von Workplace Violence Fällen dar.<br />

Ich kann sowohl in meiner Funktion als Leiter des<br />

Kriminalpsychologischen. Dienstes als auch in meiner Funktion<br />

als gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger im<br />

Fachgebiet Kriminalpsychologie und auch in meiner<br />

umfangreichen Zusammenarbeit mit anderen<br />

Bundesdienststellen, wie etwa der Kanadischen Bundespolizei<br />

RCIMP, als auch dem amerikanischen FBI zu den von KIEBER<br />

vorgelegten Angaben und Informationen nur folgende<br />

Stellungnahme abgeben: Nach entsprechender Auswertung und<br />

vergleichenden Analysen mit anderen bereits bearbeiteten und<br />

auch mit Hilfe der Unterlagen von KIEBER effizienter<br />

durchgeführter Analyse in anderen Workplace Violence Fällen<br />

(insbesondere auch in Liechtenstein) stellen die Informationen<br />

äusserst wertvolle und tiefgreifende deeskalierende Fakten dar,<br />

welche zukünftig die Analyse, Bearbeitung und wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung von Workplace Violence Fällen erleichtern, in<br />

eventuell sogar verhindern.<br />

Selbst-verständlich stehe ich als Auskunftsperson bei einem<br />

eventuellen Berufungsverfahren zu dieser Themenstellung gerne<br />

zur Verfügung. wiewohl ich die Möglichkeit dieser<br />

Informationsbeschaffung bereits im Vorfeld, also noch während<br />

der Bearbeitung des Falles KIEBER, wie bereits oben erwähnt, mit<br />

493


nahezu allen direkt und. indirekt Beteiligten besprochen,<br />

andiskutiert und dessen Vorteil klar dargelegt habe.<br />

(Gez. Dr. Thomas Mueller)<br />

Am selben Tag, dem 24.11. reichte RA Müller die Berufungsschrift beim<br />

Gericht ein. Mitangeheftet waren die zwei Briefe im Original. Kopien der<br />

beiden Schreiben konnte ich erst nach mehrmaliger Nachfrage beim RA<br />

erhalten. RA Müller deutete auf einen Satz auf der letzten Seite des<br />

schriftlichen Urteils wo stand, dass die vom Angeklagten sowie der STA<br />

angemeldeten Berufung innerhalb der gesetzlichen Frist zu erfolgen<br />

habe. Er wollte nochmals auf Nummer sicher gehen und fragte<br />

telefonisch kurz vor Ablauf der Berufungsfrist bei der STA nach, ob<br />

diese wirklich keine Berufung einreichen werden. Ja, war die Antwort.<br />

Die STA habe kein Interesse an einer Berufung.<br />

Was geschah weiteres im LLB-Fall?<br />

Gegen Ende November 2003 hatte ich die Gelegenheit, mit einer Person,<br />

die Gerichtsakte (Akt 01KG2003.24) vom Strafprozess gegen Roland<br />

Lampert zu lesen. Die ganze Zeit seit seiner Verhaftung im Mai hatte<br />

Lampert auf stur gestellt. Es sass immer noch im kleinen Gefängnis in<br />

Vaduz. Er zeigte keine Spur von Reue, weder in U-Haft noch beim<br />

Prozess. Es wurde bewiesen, dass er von Juni 2000 bis Januar 2003 vom<br />

seinem Arbeitgeber der LLB, wo er rund 20 Jahre lang gearbeitet hatte,<br />

über CHF 270'000.- gestohlen hatte. Dies mittels unrechtmässiger<br />

Überweisungen auf sein Konto oder das seines Sohnes. Offenbar als eine<br />

Art Eigenschutz (seine anfängliche Motivation konnte nie ganz klärend<br />

eruiert werden), fing er im August 2000 an, Bildschirmausdrucke von<br />

über 1300 verschiedenen Kunden (mehrheitlich deutsche Steuerzahler)<br />

mit Angaben zur Person, Adresse, Kontonummer und -stand zu<br />

sammeln und mit nach Hause zu nehmen.<br />

Bis zu seinem Ausscheiden Ende Februar 2003 hatte er über 2300<br />

Datensätze zusammen. Der Totalanlagebetrag dieser Kundenvermögen<br />

belief sich auf ca. CHF 1,1 Milliarden. Nach seinem überraschtem<br />

Ausscheiden bei der LLB wurde der Diebstahl der Gelder entdeckt und<br />

Lampert zur Rede gestellt. Das Treffen fand am 11.3. im Café Bistro in<br />

Schaan statt, wo Lampert, zum Schock der LLB Direktion, tatsächlich<br />

eine Tasche voll Vermögensausdrucke präsentierte. Lampert zog es vor<br />

494


zum Hochkriminellen zu werden und konterte die Vorwürfe mit einer<br />

Erpressung.<br />

Er war insofern erfolgreich, als dass ihm die LLB CHF 700'000.-<br />

versprach und am 18.3. CHF 100'000.- davon in bar übergab. Die LLB<br />

hatte ihm auch, nebst anderen ökonomischen Vorteilen, eine lebenslange<br />

Rente von CHF 6'000.- pro Monat angeboten. Da die LLB Mehrheitlich in<br />

Staatsbesitz war, holten die Direktoren (u.a. Josef Fehr & Elfried Hasler)<br />

dafür das Einverständnis der Regierung und Hans-Adam ein. Lampert<br />

war dies nicht genug. Im Mai erhöhte er den Einsatz und forderte CHF<br />

18 Millionen. Liechtenstein hätte absolut keine juristischen oder<br />

moralischen Probleme damit, 18 MIO. für die Daten zu bezahlen. Der<br />

Schutz des Geschäfts hatte immer Vorrang. Natürlich sorgte man sich<br />

auch ein wenig um die betroffenen Kunden. Sicherlich, für ihre Kunden<br />

würde die LLB ein paar Tränen verlieren, sollte das Unheil über sie<br />

hereinstürzen. Grosse Angst hatte man in Vaduz wegen des zu<br />

erwartenden Abflusses an Kundengeldern und somit Gewinnverlusten.<br />

Und natürlich fürchtete man die grösste aller Katastrophen: die brutale<br />

Demontage ihres über die Jahre fein säuberlich aufgebauten und<br />

polierten Images. Womit sie hingegen Probleme hatten, war die Kohle<br />

dem Lampert auszuhändigen. Dieser war ihnen zu instabil.<br />

Der Professor, der ja immer noch auch zu diesem Fall um Rat gefragt<br />

wurde, analysierte die Situation und kam zum Schluss, dass dem<br />

Lampert alles zuzutrauen wäre. Das heisst, selbst wenn er das Geld<br />

bekommen würde, würde er später vermutlich noch mehr haben wollen<br />

und nie Ruhe geben. Am 8. Mai wurde Lampert oberhalb Triesenbergs<br />

bei einer fingierten Übergabe der 18 MIO. CHF verhaftet und ins<br />

Vaduzer Gefängnis gebracht. Er wurde am 18.11.2003 zu einer Haftstrafe<br />

von fünf Jahren verurteilt, wegen des Verbrechens der<br />

Auskundschaftung eines Geschäftsgeheimnisses zugunsten des<br />

Auslands, der Unterschlagung von Kundengeldern, sowie wegen teils<br />

versuchter, teils vollendeter Erpressung. Seine Verteidigung erhob<br />

Einspruch und die STA auch. Im April 2004 bestätigte das Obergericht in<br />

Vaduz das Urteil aus erster Instanz. Da Liechtenstein nur ein kleines<br />

Gefängnis hat, werden seit Jahren all jene Täter, die zu mehr als einem<br />

Jahr Strafe verurteilt worden sind, in ausländische Haftanstalten<br />

überstellt. Jahrelang war die Schweiz dafür ideal. Aus Kostengründen<br />

wechselte man nach Österreich.<br />

495


Um es in der These meiner Denkschrift auszudrücken, begann der<br />

unumkehrbare Weg zu einer 100-prozentigen Katastrophe für die LLB<br />

ab dem Juli 2005. Lampert, wenn wundert’s, hatte in der Tat Kopien der<br />

Datenblätter ausserhalb Liechtenstein aufbewahrt. Seit seiner<br />

Überstellung im Frühjahr 2004 in ein Gefängnis nach Garsten in<br />

Österreich war er immer noch sehr hasserfüllt und nicht einsichtig. Er<br />

rebellierte oft und hatte Mühe, sich an das Gefangenenleben anzupassen.<br />

Er schloss mit diversen anderen Schwerkriminellen (Zwangs-<br />

)Freundschaften und vertraute einem davon den Aufenthaltsort der<br />

Kopien an. Über Umwege, die bis heute nicht ganz geklärt sind,<br />

gelangten die Unterlagen 2004 zu einem Deutschen.<br />

Während Lampert im Knast sass, testete der Deutsche mit Komplizen<br />

schon mal die Nerven diverser deutscher Kunden der LLB. Sie suchten<br />

sie im Mai 2005 persönlich auf oder schickten ihnen Kopien ihrer<br />

Bankkonten nach Hause. Die Kunden riefen in Panik die LLB an und ihr<br />

gelang es, Kontakt mit den „Briefträgern‚ herzustellen. Dafür engagierte<br />

sie hoch bezahlte Rechtsanwälte und Privatschnüffler. Über solche<br />

Mittelsmänner einigte man sich rasch auf eine Zahlung von 13 MIO.<br />

Euro in drei Tranchen an die neuen Besitzer der Unterlagen. Im<br />

Gegenzug würde die LLB alle Kopien erhalten. Im August 2005<br />

wechselten in Zürich CHF 7,5 Millionen in bar als erste Zahlung die<br />

Hände.<br />

Die LLB wusste sofort nach dieser Transaktion mit wem sie es tun hatte:<br />

dem Deutschen Michael Freitag. Einem wegen Entführung und 12fachen<br />

Banküberfällen verurteilten Schwerstkriminellen. Er hatte auch<br />

einen Mord begannen (wurde aber dafür freigesprochen). Dies alles war<br />

offenbar kein Problem für Liechtenstein. Freitag konnte eine<br />

ursprünglich 15-jährige Freiheitsstrafe von 1998 schon nach relativer<br />

kurzer Haft frühzeitig beenden. Im Sommer 2007 kam es zur zweiten<br />

Zahlung von vier Millionen Euro in bar.<br />

Leider klappte es für Liechtenstein mit der dritten und letzten Zahlung,<br />

die für Sommer 2009 geplant war, nicht. Freitag wurde von den<br />

Deutschen Ende 2007 verhaftet, weil seine Mutter zusammen mit einem<br />

gierig gewordenen Rechtsanwalt im November 2007 bei einer Bank in<br />

Rostock allen ernstes versucht hatte, 1,3 Mio. Euro in bar einzuzahlen<br />

und auf ein Konto Freitags in Thailand zu überweisen. Die Bank wurde<br />

misstrauisch und meldete es den Behörden. Heute bereuen es die LLB,<br />

496


die Regierung und Hans-Adam zutiefst, dass man a) in Vaduz<br />

verurteilte Täter nicht mehr in Schweizer Haftanstalten die Strafe<br />

absitzen lässt, und dadurch Lampert seine neuen "Freunde" in Garsten<br />

erst gar nicht hätte kennen lernen können. Und b) sie dem Freitag ihre<br />

eigene Expertise zur risikofreien und echten Art und Weise der<br />

Geldwäscherei nicht angeboten hatte.<br />

Diese ganze LLB Geschichte ist aus zwei Gesichtspunkten für meinen<br />

Fall aufschlussreich.<br />

I) Auf der einen Seite enthüllte es die zynische, doppelseitige Moral der<br />

hohen Finanz-Herren aus Liechtenstein. Der Staat als Besitzer der LLB<br />

hatte absolut keine moralischen oder rechtlichen Probleme damit,<br />

insgesamt ca. 9 Mio. Euro an einen Hochkriminellen zu bezahlen. Für<br />

Daten, die nebst der fast schon zwangsläufigen Steuerhinterziehung,<br />

garantiert auch andere, schwerer Delikte der Kundschaft beweisen<br />

würden (Korruption, Geldwäsche, Betrug etc.).<br />

Als in den Medien ab Mitte Februar 2008 berichtet wurde, dass deutsche<br />

Behörden hohe Summen an einen Informanten bezahlt hätten (siehe<br />

Kapitel 31), setzte das dreiste Liechtenstein zum Schlag gegen<br />

Deutschland aus. Die Deutschen wären die allergrössten Hehler! Der<br />

deutsche Rechtsstaat sei eine Farce, eine Lächerlichkeit! Immer würde<br />

nur auf das arme kleine, saubere und ehrliche Liechtenstein<br />

eingeschlagen, beschwerten sie sich. Weitere unzählige unverschämte<br />

Auslassungen von Seiten Hans-Adam, der Regierung, der LGT und der<br />

LLB kann man im Internet nachlesen.<br />

II) Mein Urteil von vier Jahren war im Vergleich zu Lamperts fünf Jahren<br />

völlig übertrieben. RA Müller und der Professor schlossen sich meiner<br />

Meinung an.<br />

~ Lampert hatte über Jahre hinweg mehrere hunderttausend CHF bei der<br />

LLB unterschlagen und gestohlen. Dieser Schaden wurde nie wieder gut<br />

gemacht. Ich habe keine Gelder gestohlen oder unterschlagen (gemäss<br />

erzwungenem Schuldbekenntnis war ich für den geplatzten<br />

Wohnungskauf in Barcelona zwar verantwortlich. Der angebliche<br />

Schaden wurde mit dem Abräumen meiner Gelder in Österreich durch<br />

Helmut Roegele eliminiert).<br />

497


~ Lampert hatte versucht die enorme Summe von 18 MIO. CHF zu<br />

erpressen. Lampert konnte erfolgreich CHF 100'000.- erpressen.<br />

Ich hatte nie jemanden zu irgendetwas erpresst. Ich wollte Gerechtigkeit.<br />

~ Lampert setzte seine Taten konsequent ohne Rücksicht auf Verluste<br />

um. Er war trotz starkem Entgegenkommen der LLB nicht einsichtig und<br />

forderte sie heraus, sodass nur die Verhaftung dem Spuk ein Ende setzen<br />

konnte. Lampert hatte einen beachtlichen Schaden hinterlassen. Ich<br />

drohte zwar mit dem Desaster, setzte aber meine Drohung nicht in die<br />

Tat um. Ich war einsichtig und kam freiwillig nach Hause zurück. Ich<br />

hatte keinen Schaden verursacht.<br />

~ Lampert zeigte sich nach der Verhaftung und im Prozess weder reuig<br />

noch geständig. Ich zeigte echte Reue und war übermässig geständig.<br />

Trotzdem wurde ich mit vier Jahren Haft bestraft und Lampert mit<br />

lauwarmen fünf Jahren.<br />

Nicht, dass ich sagen möchte, er hätte eine höhere Strafe bekommen<br />

sollen. Ich bin kein Richter. Der Bankdirektor und ich waren nach vielen<br />

Diskussionen überzeugt davon, dass wenn man RA Müller seine<br />

wirkliche Aufgabe als Verteidiger hätte machen lassen, dann wäre es<br />

nicht so schlimm für mich ausgegangen. Aber eben, weder hatte ich in<br />

der Wahl von RA Müller etwas zu sagen gehabt, noch konnte ich ihm<br />

Instruktionen erteilen. Wenn ich all die verschiedenen Anhaltspunkte in<br />

einer Kette aufreihte, dann musste ich zum Schluss kommen, dass mein<br />

Urteil eine schon vorher abgemachte Sache war.<br />

Zurück zum Dezember 2003. Obwohl ich gehört hatte, dass Hans-Adam<br />

die STA an die Brust genommen hatte, dauerte es nicht lange, bis die<br />

STA wieder heiss lief. Entgegen der Zusage es nicht zu tun, konnte Haun<br />

es nicht lassen und formulierte fürs Gericht eine mehrseitige<br />

Gegenäusserung zu meiner Berufung. Er beschwerte sich über meinen<br />

Einspruch und stellte beim Obergericht den Antrag der Berufung keine<br />

Folge zu leisten. Er ging sogar soweit, dass er die der Berufung<br />

beigelegten Schreiben von Hans-Adam und dem Professor als „unecht‚<br />

klassifizierte. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. RA Müller meinte<br />

am Telefon dazu, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Ich solle mir<br />

auch wegen Haun den Kopf nicht zerbrechen. Dieser wäre wohl auf<br />

einen Privatkrieg gegen mich aus.<br />

498


Am 12.12. kam dann auch die Vorladung zur Obergerichtsverhandlung<br />

für den 7. Januar 2004. Die Verhandlung sollte genau ein Jahr nachdem<br />

ich Hans-Adam die dicke Post geschickt hatte stattfinden. Haun,<br />

wiederum vom Teufel geritten, musste mir natürlich zeigen, wer hier der<br />

Clevere und Stärkere war. Er hatte die Unverschämtheit einen Tag vor<br />

Weihnachten 2003, eine persönliche Kopie seiner Gegenäusserung per<br />

Express zu mir nach Hause zu schicken.<br />

Oben rechts hatte er handschriftlich vermerkt<br />

OZA- Schöne Zeit im Knast -OZE.<br />

Natürlich hatte er diesen Vermerk nicht auch noch persönlich<br />

unterschrieben. Abgesehen davon, dass ich mir ganz sicher war, dass es<br />

nur von ihm kommen konnte, hatte ich zum Glück Aktenvermerke von<br />

ihm in meinen Unterlagen. Dort fand ich in Hauns Handschrift ein Mal<br />

das Wort „Zeit‚ und zwei Mal das Wort „im‚. Absolut identisch mit<br />

dem Vermerk auf der Gegenäusserung. Am liebsten wäre ich gleich zu<br />

ihm ins Büro gestürmt. Besser wäre es, den Bankdirektor anzurufen,<br />

besinnte ich mich. Ich erwischte ihn auf seinem Handy und erzählte ihm<br />

entsetzt über den Vorfall. Da er mich am Telefon nicht beruhigen konnte,<br />

kam er sofort zu mir nach Hause. Am Ende sagte er, dass es so mit der<br />

STA nicht weitergehen konnte. Er versprach mir noch am selben Tag mit<br />

Hans-Adam zu reden.<br />

Schöne Weihnachten Herr Bankdirektor! Frohe Festtage Herr Kieber.<br />

Diese Weihnachten verbrachte ich ohne Familienbesuche. Ich wollte<br />

alleine sein. Ich war jetzt fast sechs Monate wieder im Land. Praktisch<br />

nichts was man mir zugesichert hatte, war geschehen. Für mich war das<br />

allerwichtigste die Anklage gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co.<br />

Die Bilanz Ende Dezember 2003 sah dann so aus: Strafverfahren gegen<br />

die Täter aus Argentinien selber eingestellt. Mein Geld wurde dem<br />

Folterer Helmut Roegele ausgehändigt. Anklage wegen Wohnungskauf<br />

und Anklage wegen der Daten und des Brief dazu. Verurteilung zu vier<br />

Jahren Haft. Plus Kosten des Prozesses.<br />

Wahrlich nicht gerade die Bilanz, die man sich wünschen würde.<br />

Zum Glück konnte ich noch das Arbeitslosengeld von der ALV beziehen.<br />

Dies erlaubte mir, mich auf meinen Kampf zu konzentrieren. Die fünf<br />

gewünschten Stellenbewerbungen legte ich jeden Monat dem<br />

Sachbearbeiter vor; dieser hatte Verständnis für meine Situation. Ich<br />

konnte ihm natürlich nicht alles erzählen. Er stellte auch nicht viele<br />

Fragen.<br />

499


Schlimmer war es für mich, meine Freunde (alte und neue) im Dunkeln<br />

zu lassen. Sie wusste nichts von meinem Kampf. Es muss ihnen im<br />

Rückblick sehr seltsam vorgekommen sein, wie ich mich benahm oder<br />

mein Leben führte.<br />

Vielleicht können sie jetzt, wenn sie mein Buch lesen, alles besser<br />

verstehen und erkennen, warum so gehandelt hatte.<br />

500


KAPITEL 24 Führt die Todesstrafe wieder ein!<br />

Obergerichtsverhandlung in Vaduz am 7.1.2004:<br />

Ich hatte so sehr gehofft, dass Hans-Adam, der im Land war, Zeit finden<br />

würde, mit mir wenigstens kurz vor der Berufungsverhandlung noch<br />

einmal persönlich zu reden. Leider hatte er wieder keine Zeit dafür<br />

gefunden. Ich begann mich zu fragen, ob er einem persönlichen<br />

Gespräch mit mir ausweichen will. Natürlich war immer klar, dass er<br />

selber bestimmen konnte, mit wem er seine kostbare Zeit teilen wollte.<br />

Niemand zwang ihn zu irgendeinem Gespräch. Hans-Adam, als<br />

Landesführer, erhielt jede Woche einiges an Post mit Bitten für ein<br />

Gespräch oder um Hilfe. Oft von wildfremden Menschen. Da musste er<br />

seine Zeit gut einteilen.<br />

Am ersten Mittwoch des neuen Jahres war es dann soweit. Die OG-<br />

Verhandlung begann pünktlich um 13.30 Uhr, wieder im Saal 1. Mit mir<br />

anwesend waren mein RA Müller und der Bankdirektor. Von Seiten der<br />

STA war Haun wieder da und bei Wallner bin ich mir heute nicht mehr<br />

ganz sicher, ob er auch da war. Ich denke schon. Die Öffentlichkeit<br />

wurde gleich zu Beginn der Verhandlung wieder ausgeschlossen. Mein<br />

RA trug die Berufung vor und beantragte, die zwei Schreiben von Hans-<br />

Adam und dem Professor in den Akt aufzunehmen. Die STA enthielt<br />

sich dazu der Stimme, wies auf ihre Gegenäusserung hin und beantragte<br />

der Berufung keine Chance zu geben. Das Gericht liess die zwei Briefe<br />

laut vorlesen. Um 15.10 Uhr zog sich das Gericht zur Beratung zurück<br />

und erschien 35 Minuten später wieder im Saal. Der Vorsitzende<br />

verkündete das Urteil.<br />

Heinrich Kieber hat das Verbrechen des schweren Betruges nach<br />

den § 146, 147 Abs. 2 StGB, das Vergehen der versuchten<br />

Nötigung nach den § 15, 105 Abs. 1 StGB, das Vergehen der<br />

Urkundenunterdrückung nach §229 Abs. 1 StGB begangen und<br />

wird hierfür gemäss §147 Abs.2 StGB unter Anwendung der §28,<br />

41 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Der Vollzug<br />

der Freiheitsstrafe wird gemäss §43 StGB unter Bestimmung einer<br />

Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Hingegen wird<br />

der Angeklagte Heinrich Kieber von der weiter wider ihn<br />

501


erhobenen Anklage 1. vom Verbrechen der Auskundschaftung<br />

eine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des<br />

Auslandes nach §124 Abs. 1 StGB, 2. vom Vergehen der<br />

Datenbeschädigung nach §126a, Abs. 1 StGB und 3. vom<br />

Vergehen des Diebstahls nach §127 StGB gemäss §207 Zl. 3 StPO<br />

freigesprochen.<br />

Die STA gab keine Erklärung mehr ab. Sie hatten den Kampf verloren.<br />

Mein RA und ich waren hocherfreut über das neue Urteil. Die Kosten<br />

des Prozess sowie die Rechnung vom RA Müller wurden der<br />

Landeskasse zur Bezahlung auferlegt. Ich war über das Urteil sehr<br />

erleichtert. Nach Ende der Verhandlung entfernte sich Haun sehr rasch<br />

und verschwand in den Gängen des Gerichts. Ich war so glücklich, dass<br />

ich Hans-Adam gleich anrief. Diese Mal konnte es zeitlich unmöglich<br />

sein, dass ihn schon jemand vor mir angerufen hatte, um die gute<br />

Nachricht zu verkünden. Falsch gedacht, Herr Kieber. Mann oh Mann,<br />

die Buschtrommeln arbeiten hier aber schnell, staunte selbst ich. Ich<br />

verdrängte den Gedanken, dass Hans-Adam vielleicht doch schon vor<br />

Urteilsverkündung das Resultat gekannt hatte. Auf jeden Fall war er im<br />

Detail informiert und hatte keine Mühe, mich dies wissen zu lassen. Er<br />

sagte mir, dass er der STA den Auftrag erteilt hätte, rasch das Urteil nach<br />

Spanien zu übermitteln, sodass dort unten alles beendet werden kann.<br />

Ich hatte gewonnen, nein, wir hatten gewonnen, jubelte ich.<br />

Ich stellte ihm auch die Frage, wie man nun mit der Anklage gegen<br />

Helmut Roegele & Co. weiterfahren würde. Er sagte dazu, dass diese<br />

Details mein RA Müller habe und er es mir sagen würde. Ich bedankte<br />

mich tausendmal und er erwiderte gern geschehen.<br />

Keine Haft! Keine Haft! Das war es, was ich unter einem fairen Urteil<br />

verstand. Man möge mir meine Ansicht nachsehen. Nachdem das neue<br />

Resultat hinter vorgehaltener Hand die Runde machte, wurde ich drei<br />

Mal in den folgenden Wochen von mir nicht persönlich bekannten<br />

Mitbürgern offen mit der Todesstrafe "bedroht". Hans-Adams Vater,<br />

Fürst Franz Josef II. hatte die Todesstrafe in Liechtenstein sehr spät aus<br />

dem Gesetz gestrichen. Es wird wohl auch in Zukunft immer wieder<br />

solche geben, die nach einer (wieder einzuführenden) Todesstrafe für<br />

mich schreien.<br />

Was soll's, ich kann solchen Ewig-Jammerschlappen auch nicht mehr<br />

helfen.<br />

502


Mit diesem Urteil war mein eigener Teil der juristischen Grabenkämpfe<br />

der letzten sieben Jahre erledigt. Zwar nicht so wie es sein sollte, aber<br />

Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei Paar Schuhe, wie mir<br />

Hans-Adam beigebracht hatte. Der Professor war auch begeistert. Als ich<br />

ihn gefragt hatte, wann wir uns wieder sehen, meldete er seinen Besuch<br />

für den 17. Februar an. Exzellent, meinte ich dazu.<br />

Ich dachte über meiner Zukunft nach und sortierte alle Unterlagen aus,<br />

die nicht mit dem Drama von Argentinien zu tun hatten. Ich studierte<br />

(nochmals) die verbleibenden Aktenberge von vorn nach hinten und<br />

hatte wieder das starke Bedürfnis in dieser Angelegenheit endlich weiter<br />

zu kommen. Die Schonzeit war zu Ende. Obwohl Hans-Adam mir bei<br />

der Audienz erzählt hatte, dass er die ihm zugeschickten Unterlagen zur<br />

Folter gelesen habe, wusste ich nicht, ob er dieses Material behalten oder<br />

dem Gericht zurückgesandt hatte. Ich beantragte mündlich zum wohl<br />

500. Mal Akteneinsicht und stellte fest, dass sie nicht im Akt waren. Bei<br />

dieser Gelegenheit lief ich Dr. Wallner über den Weg. Er grüsste mich<br />

wie immer freundlich und fragte, wie es mir gehen würde. Ich erwiderte<br />

den Gruss noch freundlicher zurück und sagte, dass es mir gut gehen<br />

würde. Fast wollte ich ihm etwas über den Masterplan einer<br />

angestrebten Anklage gegen Helmut Roegele & Co. erzählen. Besser<br />

nicht, dachte ich. Wer weiss, ob Haun wieder auf dumme Gedanken<br />

kommt. Etwas wollte ich aber brennend wissen. Ich fragte ihn, ob er<br />

wüsste, dass Haun mir die Gegenäusserung per Expresspost am Tag vor<br />

Weihnachten, als quasi Weihnachtsgeschenk, mit persönlicher<br />

„Widmung‚ zugesandt hatte. Ja er habe davon von oben (er zeigte aufs<br />

Schloss) gehört. Haun würde dies aber abstreiten. Um die nötigte Hilfe<br />

von der STA nicht zu gefährden, antwortete ich darauf mit der<br />

Hypothese, dass es wohl von jemand anderem gesandt worden sein<br />

musste. Ich wünschte ihm einen schönen Tag und bedankte mich für<br />

seine Hilfe. Er wünschte auch mir eine gute Zeit.<br />

Auf Wiedersehen Herr Kieber. Auf Wiedersehen Herr Oberstaatsanwalt.<br />

Da ich die gewünschte Kopie im Akt nicht fand, entschloss ich, dass es<br />

trotzdem besser wäre Hans-Adam – jetzt wo es ans Eingemachte ging –<br />

(nochmals) eine Kopie zukommen zu lassen.<br />

Am 5.2.2004 schickte ich ihm eine Kopie der Tonbandaussage vom 11.<br />

April 1997 inklusive aller ergänzenden Aussagen, des Berichts vom<br />

Spital Vaduz vom 10.4.1997 und das Gutachten des Gerichtsmediziners<br />

503


vom 16.7.1997. Ich nahm auch die Gelegenheit wahr, ihm zu seinem<br />

imminenten 59. Geburtstag nur das Beste zu wünschen.<br />

Leider konnte der Professor am 17.2. nicht auf Besuch kommen. Ich rief<br />

den Bankdirektor einmal pro Woche an; er hatte jeweils nur kurz Zeit. Er<br />

hatte viel zu tun, die Geschäfte bei der LGT liefen bombastisch. RA<br />

Müller hatte ich auch seit der Obergerichtsverhandlung nicht mehr<br />

gesehen. Immerhin, am 18.2. bekam ich eine Karte von Hans-Adam.<br />

Schloss Vaduz, 18. Februar 2004<br />

Sehr geehrter Herr Kieber. Vielen herzlichen Dank für Ihre lieben<br />

Glückwünsche zu meinem Geburtstag, über die ich mich sehr<br />

gefreut habe. Mit freundlichen Grüssen (gez. Hans-Adam II.)<br />

Ich freute mich über diese kleine Nachricht vom Schloss. RA Müller<br />

hatte sich inzwischen auch gemeldet und wünschte meine Anwesenheit<br />

in der Kanzlei für den 23.3. Ich besuchte ihn dann und er sagte mir, dass<br />

alles nach Plan laufen würde. Zumindest was Spanien angehen würde.<br />

Am 18.2. hätte die STA das nun ins Spanische übersetzte Urteil vom<br />

7.1.04 via Eurojust nach Barcelona geschickt. Super, sagte ich. Vielen<br />

Dank. Und was ist mit der Strafverfolgung der Täter aus Argentinien,<br />

fragte ich. Er würde da noch auf genauere Details vom Schloss warten.<br />

Welche Details, fragte ich. Er sagte, dass man diesbezüglich in der<br />

Evaluationsphase wäre. Es wäre wichtig, die richtige Strategie<br />

anzuwenden, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Zudem müsste<br />

man ja noch warten, bis Spanien den Haftbefehl aus dem System<br />

nehmen würde. Sonst könnte ich z.B. nicht nach Spanien oder<br />

Deutschland reisen, um die Anzeige gegen die Täter aus Argentinien<br />

aktiv (als Zeuge) zu unterstützen, erklärte er. Dies leuchtete mir ein. Ich<br />

war über den schleppenden Fortschritt nicht gerade erfreut und begann<br />

wieder daran zu zweifeln, ob alles so geschehen würde, wie man es mir<br />

versprochen hatte. Ich war ja selber kein Jurist, kannte mich aber<br />

inzwischen gut aus.<br />

Am 5.4. erhielt ich einen Anruf vom RA Müllers Sekretariat, wobei mir<br />

mitgeteilt wurde, dass am 2.4. das Urteil vom 7.1. beim zuständigen<br />

Richter in Spanien angekommen sei. Wieder ein Schritt weiter.<br />

Wenn das keine guten Neuigkeiten waren, sagte ich zu mir.<br />

504


KAPITEL 25 Der Feind hört mit<br />

Einen Blick auf meine mentale Pendenzenliste erinnerte mich daran, dass<br />

ich schon lange testen wollte, ob meine Wohnung verwanzt war und ob<br />

mein Telefon abgehört wurde. Ich ging davon aus, dass dem so war.<br />

Dementsprechend hatte ich mich innerhalb der Wohnung nie mehr zu<br />

den Daten oder meinen Reisen nach Berlin oder Holland geäussert. Egal<br />

zu wem. Bei privaten Besuchen von meinem Schatz oder Freunden,<br />

achtete ich auch darauf, was gesprochen wurde. Eine gewisse<br />

Privatsphäre wollte ich mir schon behalten. Da dies in den vergangenen<br />

Monaten ohne Probleme gelang, störte mich das (vermutete) Abhören<br />

nicht mehr gross. Aber ich wollte Gewissheit. Hätte ich den Beweis,<br />

dann wäre ich weniger über das Abhören selber, sondern mehr wegen<br />

der Gründe dafür beunruhigt. Um den Test erfolgreich zu machen,<br />

musste ich etwas tun, was eine zuverlässige Reaktion von Seiten der<br />

Lauscher ergeben würde. Eine extreme Testversion wäre gewesen, wenn<br />

ich in der Unterkunft etwa geschrien hätte: „Ich bringe mich um, Ich<br />

bringe mich um‚. Das war mir dann doch zu krass. Nach kurzem hin<br />

und her, beschloss ich am Samstag, den 17.4.’04, kurz nach 14:00 Uhr<br />

folgendes mehrmals laut im Selbstgespräch zu jammern:<br />

Ich halte das nicht mehr aus. Ich halte das nicht mehr aus. Ich<br />

drehe durch. Sie wollen mir gar nicht helfen. Sie wollten mir nie<br />

helfen. Wenn ich nur wüsste, was sie vorhaben. Lange halte ich<br />

es nicht durch. Verdammt. Ich drehe durch. Ich muss hier raus.<br />

Ich muss hier raus.<br />

Nichts geschah. War wohl zu wenig dramatisch, dachte ich mir. Mein<br />

Handy klingelte. Nummer unbekannt (wie immer). Doch eine Reaktion?<br />

Es war jetzt 12 Minuten nach meinem Jammern. Bäng & Kabummmm.<br />

Volltreffer. Der Bankdirektor war am Apparat. Er hat mich in Vaduz<br />

noch nie an einem Wochenende angerufen, nur jeweils an einem<br />

Werktag. Zuerst wechselte er wie immer ein paar Worte. Wie es mir<br />

gehe? Was ich so mache? fragte er. Gut, erwiderte ich. OK, sagte er.<br />

Gutes Wetter? Heute schon im Gym gewesen, wollte er wissen. Ich<br />

bejahte dies. Dann fragte er, ob ich das Bedürfnis hätte, den Psycho zu<br />

sprechen. Oder mit jemand anderem, falls ich einen Seelenknick hätte.<br />

Nein, sagte ich. Warum er denken würde, ich könnte so etwas<br />

gebrauchen, fragte ich ihn. Er hatte mich noch nie seit meiner Rückkehr<br />

505


nach Liechtenstein gefragt, ob ich einen Seelenklempner brauchen<br />

würde. Er meinte dazu, dass er sich Gedanken gemacht hätte und er sich<br />

mich so alleine in der Wohnung vorgestellt habe. Aha, dachte ich und<br />

erwiderte: Macht Euch keine Sorgen um mich. Wird schon alles Gut<br />

werden. Schönes Wochenende Herr Bankdirektor. Ruhiges Wochenende<br />

Herr Kieber.<br />

So, jetzt wusste ich es. Nicht nur wird meine kleine Wohnung abgehört,<br />

sie müssen dies auch in Echtzeit tun. Ansonsten wäre der Anruf vom<br />

Bankdirektor nie knappe 12 Minuten später schon gekommen. Da muss<br />

irgendwo jemand sitzen und permanent die Ohren spitzen. Ich hätte<br />

eher gedacht, dass sie einfach ein Aufnahmegerät endlos laufen lassen<br />

und zu Bürozeiten das Aufgenommene abspulen. Dem war offenbar<br />

nicht so. Und weil wohl mein Gejammer ganz und gar nicht in das<br />

bisherigen Muster ihrer Aufzeichnung passte, wurde der Bankdirektor<br />

kurzerhand sofort angerufen und informiert. Das muss eine Stange Geld<br />

kosten, dachte ich mir. Die Technik, das Personal. Na ja, Geld war und<br />

ist absolut kein Problem für Hans-Adam. Natürlich kann ich es nicht zu<br />

100 % wissen, aber ich gehe jede Wette ein, dass Hans-Adam dafür eine<br />

Firma von ausserhalb angeheuert hatte. In Liechtenstein wären es zu<br />

viele Mitwisser. Genügend Zeit dafür hatte er ja auch.<br />

Die Wohnung wurde schon einige Zeit vor meiner Rückkehr von der<br />

LGT angemietet. Jetzt war ich nicht mehr so sicher, ob dieser<br />

Unbekannte (mit dem Zettel) ein Gegner von mir war. Immerhin, es<br />

muss ein Mitwisser gewesen sein, der mich damals gewarnt hatte. Ich<br />

wusste nicht, ob ich Lachen oder Weinen sollte. Ich war jetzt schon fast<br />

10 Monate wieder zu Hause und man bespitzelte mich (immer noch) mit<br />

einem Lauschangriff. Kein gutes Omen, gar keine gutes Omen.<br />

Das Wochenende war ruhig. Die Sache mit dem Abhören liess mich<br />

nicht in Ruhe. Ich war verärgert, dass sie sich in mein Privatleben<br />

einmischten. Gerade jetzt, wo ich diesbezüglich neue Brücken und Wege<br />

eingeschlagen hatte. Einen Vorteil könnte die Lauscherei schon haben.<br />

Man würde auf den Tonbändern die diversen Gespräche zwischen mir,<br />

dem Bankdirektor und dem Professor finden, worin klar zum Ausdruck<br />

gekommen war, wie der Fahrplan mit der Anklage / dem Strafprozess<br />

gegen die Täter aus Argentinien ausgesehen hatten und die Versprechen<br />

von Seiten Hans-Adams gelautet hatten. Oder ich könnte Hans-Adam<br />

506


heute um eine Kopie eines Gedichtes bitten: ein Gedichte, das ich für<br />

eine leider nicht erwiderte Liebe (Marina) verfasst hatte und laut<br />

vorgetragen hatte. Aber das Gedicht nicht mehr finde.<br />

Am Montag entschloss ich mich, für den nächsten Tag noch einmal einen<br />

Test zu wagen. Ich hätte es besser gelassen. Am Dienstag, den 20.4.<br />

drehte ich etwas an der Schraube. Bei der Auswahl der Worte musste ich<br />

ganz vorsichtig sein. Ich wollte ja nicht, dass sie auf die Idee kamen, ich<br />

würde (wieder) mit dem Gedanken spielen, mich an die ausländischen<br />

Behörden (Deutsche oder Amis) wenden zu wollen. Auch musste ich<br />

verhindern, dass ihre mögliche Skepsis Nahrung erhält, ob ich eine<br />

Kopie der Daten nun hatte oder nicht. Mit folgender, zweimal<br />

wiederholter Bemerkung wollte ich eine Reaktion meiner Lauscher um<br />

12 Uhr 15 provozieren:<br />

Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich glaube ihnen auch<br />

nichts mehr. Alles nur Lug und Trug. Sie spielen auf Zeit. Ich<br />

muss anderswo Hilfe suchen. Ja, das muss ich. Aber wer? Wer?<br />

Der Bischof Haas vielleicht. (Ich fing an zu weinen)<br />

Halleluja, Halleluja. Die Reaktion war zwar gar nicht nach meinem<br />

Geschmack. Aber, es zeigte mir ein ganz neues Bild von denjenigen zwei<br />

Beteiligten, die ich bisher am meisten von schlechten Gedanken<br />

verschont hatte. Ich schaute gebannt auf mein Handy. 20 Minuten<br />

vergingen, nichts geschah. 35 Minuten vergingen, nichts geschah. Ich<br />

war sehr angespannt. Bums, Bums, jemand klopfte an der<br />

Wohnungstüre. 13:00 Uhr. Ich erschrak zutiefst. Wer würde mich jetzt<br />

besuchen kommen.<br />

Was für eine Überraschung. Der Bankdirektor und der Professor standen<br />

im Türrahmen. Ja aber hallo, sagte ich. Was macht ihr denn hier, fragte<br />

ich. Der Professor wäre gerade in Vaduz auf Besuch und man wollte<br />

spontan auf Besuch kommen. Aha, sagte ich und das kann gut sein,<br />

dachte ich. Der Professor konnte unmöglich innerhalb von 45 Minuten<br />

von irgendwo her vom Ausland angedonnert sein. Aber sie kamen noch<br />

nie ohne telefonische Vorankündigung auf Besuch. Ich war mir nicht<br />

ganz sicher, ob sie in Wahrheit auf Grund der Lauscherei hier waren. Ich<br />

musste aber nicht lange warten, um zu sehen, dass dem so war. In einer<br />

Art und Weise, wie ich es von Beiden noch nie gehört hatte, lasen sie mir<br />

507


die Leviten. Was ich zu jammern hätte, fragten sie. Ich? Jammern? fragte<br />

ich zurück. Der Bankdirektor übernahm die Rolle des Aufgebrachten<br />

und der Professor die des Schlichters.<br />

Es folgte ein verbaler Abtausch über eingehaltene und gebrochene<br />

Versprechen, Eitelkeiten, erfüllte oder unerfüllte Bedingungen,<br />

erfolgreiche und erfolglose Zeiten. Wobei ich meine Zunge mehr hütete,<br />

als sie die ihre. Was auch einem Wunder gleichkam. Nach 10 Minuten<br />

war man wieder, zumindest oberflächlich, derselben Meinung. Sie<br />

erzählten mir, dass gewisse Leute nicht gut auf mich zusprechen wären.<br />

Wartet, ich rate mal wer, stoppte ich sie. Haun? Haun! Ja! Warum<br />

würde man auf den noch hören, fragte ich. Die Gerichtsfälle sind hier<br />

abgeschlossen. Niemand würde auf ihn hören, aber die Gerüchteküche<br />

wäre dank Haun am überkochen.<br />

Kann uns doch Wurscht sein, sagte ich. Man bat mich, keine Briefe mehr<br />

zu schreiben. Dies würde die Leute nur zu sehr verwirren. Warum,<br />

fragte ich trotzig. Ich würde nur dann schreiben, wenn wieder etwas<br />

nicht stimmen würde, im Vergleich zu dem, was mir versprochen<br />

wurde, verteidigte ich mich. Eine koordinierte Arbeit an der Anklage<br />

wegen Argentinien z.B., zählte ich als eine der Pendenzen auf.<br />

Alles der Reihe nach, schaltete sich der Professor wieder ein. Zuerst<br />

Barcelona erledigen, dann nehmen wir uns die Täter vor.<br />

Das die Zeit der Samthandschuhe vorbei war, bekam ich anschliessend<br />

zu spüren. Der Bankdirektor fragte mich, ob ich meinen Laptop hier in<br />

der Wohnung habe. Ja, klar, antwortete ich. Ob sie diesen haben<br />

könnten. Wie bitte? fragte ich entsetzt. In Sekundenschnelle ging ich die<br />

Dateien durch, die ich auf der Festplatte des Laptops gespeichert hatte.<br />

Ich hatte keine Angst, dass man etwas Verfängliches oder Verräterisches<br />

im Computer finden könnte. Nur Dateien privater Natur. Nichts was mit<br />

der LGT oder Hans-Adam (seit dem 1. Juli '03) zu tun hatte. Für die<br />

verschiedenen Briefe in Sachen 101er und 140er benutzte ich eine externe<br />

Festplatte, die in einer leeren Ovomaltinedose in der Küche verstaut war.<br />

Der Bankdirektor setzte zu einer Erklärung an, warum man meinen<br />

Computer haben möchte. Er war mit seien Erläuterungen noch nicht<br />

fertig, da hatte ich schon mit heftigem Kopfschütteln begonnen. Kommt<br />

nicht in Frage, sagte ich. Kommt nicht in Frage! Jetzt, nach fast 10<br />

Monaten wieder im Land, jetzt wollt ihr meinen Computer? Befürchtetet<br />

irgendjemand irgendetwas, fragte ich und verdrehte dabei meine Augen.<br />

508


Da wäre Privatbriefe und sonstiges, was nichts mit der LGT oder Hans-<br />

Adam oder Argentinien zu tun hatte, drin. Da war ich sehr empfindsam.<br />

Die Diskussion schien ewig zu dauern.<br />

Ich fragte schnippisch, was man den erwarten würde, im Computer zu<br />

finden. Nichts, war die Antwort. Ja dann braucht ihr ihn auch nicht<br />

mitnehmen, schlussfolgerte ich logisch. Er muss ihn mitnehmen, sagte<br />

der Bankdirektor. Muss? Warum? Darum! Darum ist keine Antwort,<br />

sagte ich. Er schilderte mir, dass gewisse Typen (damit meinte er andere<br />

LGT Direktoren, sowie Prinz Philipp, der CEO der LGT Gruppe und<br />

Hans-Adam) heute (!) auf die Idee gekommen wären, ich würde<br />

anderswo Hilfe suchen gehen. Warum sollte ich anderswo Hilfe suchen<br />

gehen, wenn doch alles wie geschmiert hier laufen würde, sagte ich.<br />

Totenstille.<br />

Der Professor erkannte, dass wir so hier nicht vorwärts kamen. Wenn es<br />

stimmen würde, dass ich nur Privates auf dem Computer gespeichert<br />

habe, dann würden sie mir den Laptop morgen wieder zurückgeben.<br />

Oder eben einen neuen kaufen, wenn ich wollte. Als Geschenk von<br />

Hans-Adam. Nein Danke, sagte ich. Ich wollte diesen Laptop wieder<br />

haben. OK, sagte der Bankdirektor, wir geben dir diesen wieder zurück<br />

und dazu eine neue interne Harddisk. Aha, jetzt wurde mir klar, was sie<br />

wollten. Sie wollte die interne Harddisk ausbauen und tief in den<br />

Speicherrillen nachforschen, was sich so alles über die Jahre hinweg dort<br />

angesammelt hatte.<br />

Anm.:Einige Leser werden sich erinnern, dass ich ein paar Tage vor meiner<br />

Abreise aus Amsterdam in einem Fachgeschäft die interne Originalharddisk<br />

sowie den Arbeitsspeicher (RAM) meines Laptops hatte auswechseln lassen.<br />

Hätte ich die alte Harddisk einfach nur ein paar Mal formatiert, dann könnten<br />

Spezialisten trotzdem viele der alten Daten wieder zum Leben erwecken. Diese<br />

Situation war bei meinem Laptop nicht vorhanden. Trotzdem wollte ich ihn nur<br />

ungern aus den Händen geben.<br />

Sie blieben aber stur. Bockig fragte ich, was sie machen wollen, wenn ich<br />

den Laptop nicht freiwillig überreichen würde. Die Bullen rufen? Nein,<br />

wirklich nicht, sagten sie. Aber sie müssten dann Hans-Adam<br />

Rückmeldung erstatten, dass ich den Laptop nicht rausrücken würde.<br />

Dies würde dann zu Spekulationen führen. Sie müssen ihn daher jetzt<br />

509


mitnehmen können. Nur wenn ich vorher meine privaten Dateien<br />

rausziehen könnte, sagte ich. Nein, jetzt keine Computerarbeit mehr,<br />

sagte der Bankdirektor. Sonst könnte ich ja, na sagen wir mal,<br />

Belastendes entfernen, meinte er. Natürlich gebe es nichts belastendes,<br />

fügte er schnell hinten nach. Aber es seien nicht seine Ängste, die man<br />

hier beruhigen müsste.<br />

Ich versuchte ihnen eine andere Idee zu verkaufen: Die LGT Bank<br />

könnte doch ihren eigenen Computerexperten jetzt hierher in die<br />

Wohnung rufen. Dann könnte dieser die Harddisk ausbauen und ich<br />

unter seiner Nase vorher meine Dateien abziehen. Nein, nicht möglich,<br />

sagten sie im Chor. Die Bankmitarbeiter wissen nichts und dürfen über<br />

die Angelegenheit auf keinen Fall etwas erfahren. Oh, mein Gott, dieses<br />

Drama, sagte ich. OK, hier ist mein Vorschlag, sagte ich. Ich steckte den<br />

Laptop jetzt in ein grosses A4-Kuvert, klebe dies zu, setzte meine<br />

Unterschrift in alle vier Ecken, packe dem Umschlag in eine Stofftasche<br />

ein und umrunde die ganze Sache mit Paketklebeband. Gebe alles dem<br />

Bankdirektor mit und morgen früh komme ich zur Bank, öffne das<br />

versiegelte Kuvert und entferne meine Dateien unter Aufsicht vom<br />

Bankdirektor oder wen immer sie dafür abstellen möchten. OK?. OK!<br />

Gut! Abgemacht. Dies würde ihnen beweisen, dass ich ja nichts<br />

„Dummes‚ im Computer gespeichert hätte, sagten sie. Da dem so war,<br />

hatte ich ja keine Bedenken. Aber ich wollte beim Öffnen des Laptops<br />

dabei sein. Darum die Verpackungskünste. Vertrauen ist Gut, Kontrolle<br />

ist immer besser. Ich wollte der Herr meiner Dateien bleiben.<br />

Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Punkt 08:30 beim<br />

Personaleingang der LGT am Hauptsitz in der Herrengasse.<br />

Der Professor, immer schon ein schlaues Kerlchen, hatte zum Schluss<br />

noch Zeit für einen „Wink mit dem Taschentuch‚: Lassen wir die Kirche<br />

aus dem Spiel, sagte er. Klassisch, dachte ich nur. Schönen Tag noch,<br />

Herr Kieber. Gleichfalls, Herr Bankdirektor und Psycho.<br />

„Die Kirche aus dem Spiel lassen‚. Auf diese Weise machte er eine<br />

Anspielung auf meinen Kommentar über den Bischof Haas. Ich glaube<br />

aber nicht, dass er damit mir nur enthüllen wollte, dass man meine<br />

Wohnung abhören würde. Er erahnte, dass ich innerhalb der nächsten<br />

Minuten zwischen seinem Wink und meinem eigenem Satz einen<br />

Zusammenhang erkennen würde. Und dann darüber grübeln würde,<br />

510


warum er ausgerechnet heute und jetzt die Kirche erwähnt hatte. Oder<br />

war er es, der mit den Zettel in den Briefkasten gelegt hatte. Aber er war<br />

doch kein Gegner, gemäss meiner aktuellen Definition. Alles war sehr<br />

verwirrend. Und gar nicht vertrauensbildend.<br />

Apropos Vertrauen. Ich kann festhalten, dass ich seit meiner Ankunft in<br />

Vaduz Woche um Woche stärkeres Vertrauen in die beiden hatte. Das<br />

Misstrauen, dass ich während meiner Zeit im Ausland hatte,<br />

verschwand zusehends. Nicht ganz, aber dennoch beachtlich. Ab jenem<br />

Apriltag im 2004 aber, von da an wurde ich gegenüber den zweien auch<br />

wieder sehr misstrauisch. Am Ende war ich auch davon überzeugt, dass<br />

sie nur deswegen unerwartet bei mir zu Hause auftauchen konnten, weil<br />

sie von meinen Selbstgesprächen buchstäblich zeitgleich wussten. Wäre<br />

es ihnen wirklich um den Laptop gegangen, so hätten sie den auch ohne<br />

mein Wissen anzapfen können. Sie hatte die Wohnungsschlüssel und<br />

waren sicher über meinen typischen Tagesablauf bestens im Bild.<br />

Ich beschloss daher, keine Experimente mehr mit wilden Gesprächen in<br />

meiner Unterkunft zu machen. Sonst könnte ich noch andere<br />

Überraschungen erleben. Herauszufinden, ob mein Handy abgehört<br />

wurde, strich ich auch von der Liste im Hirn. Für mich stand fest, dass<br />

sie es auch abhörten. Von nun an würde ich mich am Handy einfach<br />

ultrakurz halten.<br />

Am nächsten Morgen war ich schon um 08:00 bei der LGT. Es war nicht<br />

das 1. Mal das ich wieder im LGT Bankgebäude war. Einmal hatte ich<br />

ein Schreiben an den Bankdirektor persönlich hier abgegeben. Es war<br />

erstaunlich, wie er und die Leitung der LGT Gruppe es fertig brachten,<br />

die Sache auf hohem Niveau vor anderen Mitarbeitern geheim zu halten.<br />

Von der Treuhand hatte ich mich immer noch fern zu halten. Ansonsten<br />

wurde mir nicht mehr allzu gross verboten, durch Vaduz zu radeln oder<br />

zu laufen. Ich wartete im kleinen Raum, links neben der automatischen<br />

Drehtüre. Die nette Sekretärin des Direktor, mit der ich auch schon<br />

mehrmals telefoniert hatte, holte mich ab und führte mich ein eines der<br />

edlen Kundensitzungszimmer mit den supergrossen Flachbildschirmen.<br />

Auf diesen Geräten konnte man den Kunden ihre Bankkonten aufzeigen<br />

und in jeder nur erdenklichen Statistik graphisch in Multifarben<br />

präsentieren. Einige Minuten später erschien der Bankdirektor. Er hatte<br />

mein Laptop unter dem Arm. Verpackt und versiegelt, wie er ihn gestern<br />

mitgenommen hatte. Ich entfernte das Klebeband, die Stofftasche und<br />

511


das Kuvert, setzte den Computer in gang und brannte alle privaten<br />

Dateien mit Hilfe des eingebauten Brenners auf eine CD.<br />

Der Bankdirektor hatte mich eigentlich die ganze Zeit alleine gelassen<br />

und war nach 30 Minuten wieder zurückgekommen. Ich wertete dies als<br />

ein Zeichen des Vertrauens. Da ich nichts zu verbergen hatte, hatte ich<br />

keine Bedenken, ihnen meinen Computer zu überlassen. Ich überreichte<br />

ihm wieder meinen Laptop. Er würde mich anrufen, sobald die neue<br />

Harddisk mit der neusten Software installiert wäre, sagte er. Ich<br />

bedankte mich, steckte die CD ein und spazierte nach Hause. Da das<br />

Wetter ideal war, nahm ich mein Velo und bewältigte eine 4-Stunden<br />

Tour.<br />

Von da an schrieb ich praktisch nur noch selten Briefe. Es war ja so<br />

gewünscht. Die Zeitabstände zwischen den Kontakten (Telefonate oder<br />

Besuche) wurden immer grösser. Am 23.4. wurde ich in die Kanzlei von<br />

Rechtsanwalt Müller gebeten und über den Stand der Bemühungen in<br />

Spanien informiert. Da ich den Angaben, egal von wem, nicht mehr wie<br />

bisher blind vertraute, besuchte ich mehrmals das Gericht (zum Beispiel<br />

am 28.4. und 5.5.) um herauszufinden, was Sache war.<br />

Der Bankdirektor besuchte mich am 10.5. Sein Ziel bei diesem Besuch<br />

war es, festzustellen, was ich so tue und was ich so denke. Ich äusserte<br />

meinen Wunsch, bald eine Arbeitsstelle zu finden und fragte bei ihm<br />

nach, ob die LGT mir ein Arbeitszeugnis ausstellen würde. Dies klang<br />

zwar absurd, aber Fragen kostet ja nichts. Zugegeben, als Datendieb ein<br />

Arbeitszeugnis zu erfragen, war eine irre Idee. Aber ich wollte ja keine<br />

Lobpreisungen, die ich ja wirklich nicht verdient hatte; nein, eine<br />

einfache Bescheinigung für die Zeit, die ich dort gearbeitete hatte, würde<br />

genügen. Der Bankdirektor versprach abzuklären, was möglich wäre<br />

und was nicht.<br />

Jedes Mal wenn Hans-Adam es für nötig fand, ein aktuelles psychisches<br />

Bild/Profile von mir erhalten, schickte er den Professor vorbei. Dieser<br />

kam am 1.7.’04, zum 1. Jahrestag unserer Reise von Amsterdam nach<br />

Vaduz, wieder auf Besuch. Wir fuhren auf seinen Vorschlag hin raus<br />

zum Rhein, obwohl ich lieber zu Hause geblieben wäre. Er meinte, dass<br />

wir viel, viel Positives in diesen 12 Monaten erreicht hätten. Ich meinte<br />

nicht. Die Jahresbilanz war nicht nur aus juristischer Sicht stark im<br />

Ungleichgewicht.<br />

512


Ich wurde massiv angeklagt, durch zwei Instanzen des Kriminalgerichts<br />

gezerrt, zuerst zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, die dann auf<br />

einmal, mit Hilfe vom fürstlichen Brief, zu einer Einjährigen reduziert<br />

wurde. Ausgesetzt auf Bewährung. Von nun an war ich vorbestraft.<br />

Es wurde nichts unternommen, um mir rechtlich zu helfen, meinen<br />

Kampf gegen die unrechtmässige Auszahlung meiner blockierten Gelder<br />

in Österreich an den Folterer Helmut Roegele aufrecht zu erhalten. Im<br />

Gegenteil, es wurden noch während meiner Zeit in Berlin und<br />

Amsterdam Urteile und Beschlüsse zu seinen Gunsten erlassen und<br />

Vaduz konnte listig verhindern, dass ich davon fristgerecht etwas<br />

erfahren hatte. Man liess andere Fristen ablaufen, als ich schon wieder<br />

zurück in Vaduz war. Auch als das Desaster eintraf und nach über 6<br />

Jahren der Täter Helmut Roegele doch noch zum goldenen Schuss kam,<br />

als er ohne Probleme das ganze Konto in Österreich abräumen konnte,<br />

stellte dies kein grosses Drama für Hans-Adam & Co. dar. Man<br />

versprach, nach Abschluss einer erfolgreichen Strafverfolgung würde<br />

man mir auch helfen, die Gelder durch ein Zivilverfahren am Wohnort<br />

von Helmut Roegele wieder zurückzuholen. Und oben drein schüchterte<br />

man mich erfolgreich ein.<br />

Ferner geschah beim wichtigsten Punkt – der Strafanklage im Wohnland<br />

der Täter – nichts, rein gar nichts. Ich war extrem enttäuscht darüber und<br />

verfluchte den 8.8.2003, jenen Tag, an dem ich selber der<br />

Strafuntersuchung vom LG Vaduz gegen die Verbrecher den Todesstoss<br />

versetzt hatte. Ich war jetzt davon überzeugt, dass dies ein grosser Fehler<br />

von mir war. Egal wer in Vaduz mich warum, wann und wie sehr hasste;<br />

wenigstens hätte ich einen Versuch gehabt. Einen Versuch die<br />

verdammten Verbrecher vor ein Kriminalgericht zu bringen. Und wenn<br />

es das letzte war, was ich im Stande gewesen wäre zu tun. Langsam aber<br />

sicher beschlich mich das Gefühl, dass dies alles gemäss einem Plan<br />

ablief, der vorher, also vor meiner Ankunft am 1.7.’03, von Seiten Hans-<br />

Adams und seiner Regierung (inklusive der Staatsanwaltschaft)<br />

ausgetüftelt worden sein musste. Natürlich konnten sie nicht erahnen,<br />

wie ich mich nach der Heimkehr verhalten würde. Insbesondere nicht im<br />

Zusammenhang mit der Bewältigung der Gerichtsfälle. Aber sie konnten<br />

sich ausrechnen, dass ich dem Ermessen von "meinem" Rechtsanwalts<br />

Wolfgang Müller als Jurist vertrauen würde, ja vertrauen musste. Und<br />

513


dieser wurde von ihnen bezahlt und instruiert. Besser konnte ihre<br />

Ausgangslage gar nicht sein.<br />

All diese Gedanken schilderte ich dem Professor bei diesem Besuch. Er<br />

bemühte sich wie immer, mich aufzumuntern. Nicht dass er in eine<br />

Abwehrstellung zu meiner Schlussfolgerungen gegangen war. Nein, er<br />

hob hervor, dass es seine Aufgabe gewesen wäre und immer noch sei,<br />

den Frieden für alle zu erwirken. Er sei weder ein Jurist noch ein Banker.<br />

Frieden auf Erden? Ob er mit dem Bischof Haas gesprochen hätte und ob<br />

er Pfarrer werden wollte, fragte ich ihn lachend. Nein, er wäre ein<br />

Mediator. Er würde auch selber sehen, dass einige der Versprechungen,<br />

also die Abmachungen von Seiten Hans-Adams (bisher) nicht<br />

eingehalten worden waren.<br />

Daraufhin erwiderte ich ihm: Hätte nicht gerade er gesagt, dass mein<br />

Satz in der Denkschrift vom Oktober 2003 (siehe Kapitel 22) - „Nie, nie<br />

einem T-B verlockende, verführende Versprechungen machen, die<br />

bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden können. Die<br />

Sprengkraft solcher Taktik ist selbst zerstörerisch für alle‚ - voll<br />

zutreffen würde. Ja, sagte er, aber manchmal muss man sich<br />

unterordnen (können). Er verabschiedete sich mit der Hoffnung, dass<br />

alles noch gut werden würde. Er bat mich vorzumerken, dass er mich<br />

gegen Ende August wieder besuchen kommen würde. Er hätte ja noch<br />

viele andere Fälle zu lösen.<br />

Dann, man glaubte fast nicht mehr daran, gab es am 12.7.2004 zur<br />

Abwechslung wieder mal gute Nachrichten. Die Spanischen Behörden<br />

hatten den Haftbefehl aufgehoben und annulliert. Misstrauisch wie ich<br />

nun mal war, glaubte ich es erst, als man mir die betreffenden<br />

Spanischen Dokumente zeigte. Super, endlich einen Schritt weiter. Ich<br />

hatte sofort mit dem Bankdirektor telefoniert; dieser wusste auch schon<br />

von den guten News. Er kündigte seinen Besuch für den 19.7. an.<br />

Während diesem Besuch bestätigte er mir auch, was der spanische<br />

Anwalt mir an Telefon gesagt hatte. Die Spanier hätten das Urteil aus<br />

Vaduz anerkannt und die definitive Einstellung des auf Eis gelegten<br />

Verfahrens in Spanien würde nur noch eine Formalität sein.<br />

Ich wollte brennend vom Bankdirektor erfahren, was Hans-Adam zu all<br />

den neusten Entwicklungen sagen würde. Nun, meinte er, der<br />

Landesführer sei natürlich froh, dass alles soweit gut gelaufen sei. Und?<br />

514


fragte ich. Jetzt müsse man abwarten, bis die Spanier dem Rechtsanwalt<br />

in Barcelona mitgeteilt hätten, dass sie das Verfahren abgeschlossen<br />

hätten. Nein, da war ich anderer Meinung. Da dies nur eine Formalität<br />

wäre, könnte ich doch jetzt nach Spanien oder Deutschland gehen, um<br />

mit den Rechtsexperten vor Ort über den anzustrebenden Strafprozess<br />

zu reden. Ich war ja jetzt endlich frei, frei um in jene Länder zu gehen,<br />

wo die Täter wohnten. Nur nicht so hastig, sagte er wieder einmal. Wenn<br />

es nach ihm gehen würde, dann wäre dem so. Aber er sei halt auch nur<br />

ein Angestellter der LGT und könne Hans-Adam keine Empfehlung<br />

abgeben, was wann und wo gemacht werden sollte.<br />

Um vom Thema abzulenken, kam der Bankdirektor auf meine Bitte für<br />

eine Arbeitsbestätigung zu sprechen. Leider könne die LGT mir kein<br />

Arbeitszeugnis oder ähnliches geben. Schon gut, sagte ich. Ich habe ja<br />

bisher in meinem leben immer eine Stelle gefunden. Mit oder ohne<br />

lückenlosen Arbeitszeugnissen.<br />

Leider überbrachte der Bankdirektor auch eine ganz andere schlechte<br />

Botschaft von Hans-Adam. Der Landesführer wünschte, dass ich mich<br />

mit dem Gedanken befassen sollte, bald das Land Liechtenstein für<br />

länger zu verlassen. Für 4, 5 Jahre lang wollte man mich nicht mehr hier<br />

sehen. Wie bitte? Warum? Ich bin ein Bürger dieses Landes und kann<br />

nicht hier bleiben, wenn ich dies möchte, fragte ich entsetzt. Ich hätte<br />

nicht nur die Nerven von Hans-Adam äusserst strapaziert, war die<br />

Antwort. Und meine Anwesenheit sei nicht (mehr) erwünscht. Ich dürfte<br />

dann wieder heimkommen, wenn Gras über die Sache gewachsen sei.<br />

Das kann er nicht machen! Das darf er nicht machen, schrie ich. Wir<br />

leben doch nicht in Russland. Und was ist mit dem Versprechen wegen<br />

einer Anklage gegen die Täter von Argentinien, stammelte ich. Daran<br />

ändere sich absolut nichts, versicherte er mir. Und dafür müsste ich nicht<br />

in Liechtenstein leben und wohnen. Dann erwähnte er noch, dass man es<br />

auch nicht gern sehen würde, wenn ich in der Schweiz wohnen würde.<br />

So weit wie möglich weg, das wäre besser.<br />

Nach Argentinien, oder was, fragte ich höhnisch. Dies wäre jetzt alles<br />

nicht am Dringlichsten, sagte er. Ich solle mir aber Gedanken machen<br />

und nachher nicht schimpfen, wenn die Zeit zum Gehen gekommen sei.<br />

Er beendete den Besuch abrupt, nachdem er einen Anruf auf sein Handy<br />

515


ekommen hatte. Wir würden uns sehr bald wieder treffen, sagte er zum<br />

Abschied.<br />

Als er schon zur Türe raus war, kam er zurück und sagte noch, dass<br />

Hans-Adam mich an diesem Staatsfeiertag nicht auf oder in der Nähe<br />

des Schloss sehen wolle. Was sollte ich da noch erwidern. Nichts.<br />

Als er gegangen war, kam mir dies alles wie ein schlechter Witz vor.<br />

Wieso sollte Hans-Adam wollen, dass ich das Land verlasse. Habe ich<br />

nicht alles getan, was er verlangt hatte? Habe ich nicht genügend Ventile<br />

angeboten, so dass aller Dampf entweichen konnte? Wollte er noch mehr<br />

Ventile? War da noch mehr Dampf vorhanden, fragte ich mich. Ich<br />

musste mit dem Professor darüber reden, das stand fest. Im Sommer<br />

2004 hatte der Landesführer Hans-Adam seinem Erstgeborenen Sohn<br />

Alois die "Leitung" des Landes offiziell übertragen.<br />

Es sollten mehr als fünf Monate verstreichen, bis der Bankdirektor mir<br />

wieder persönlich ins Gesicht schauen würde. Dazwischen gab es zwei,<br />

drei kurze Telefonate. Er hatte leider nicht mehr viel Zeit; die Geschäfte,<br />

die Geschäfte! Vor allem die Deutschen kamen in Scharen, niemand<br />

wollte Hans Eichels Steueramnestie annehmen. Der Bankdirektor musste<br />

für die LGT auch die vielen neuen Kunden optimal betreuen, um mehr<br />

Geld für die LGT zu verdienen. Er war ja als Bankdirektor angestellt, nicht<br />

als mein Therapeut. Immerhin konnte ich meinen Laptop noch vor den<br />

Sommerferien beim Empfang am Hauptsitz abholen. Die neue Harddisk<br />

war einwandfrei. Die Software spitze und mit mehr als genug<br />

Programmen ausgestattet. Da man nie vorsichtig genug sein konnte,<br />

benutzte ich jenen Laptop äusserst selten. Ich befürchtete, dass sie<br />

Spionagesoftware eingenistet hatten. (Einige Jahre später nahm ich das<br />

Angebot von einem kompetenten ausländischen Dienst an, meinen<br />

Laptop zu durchleuchten. Der Computer war sauber.)<br />

Um in der Spanienangelegenheit direkt und unverschleiert auf dem<br />

Laufenden zu bleiben, stellte ich ab Sommer 2004 einen Emailkontakt<br />

mit dem Spanischen Rechtsanwalt her. Dieser wusste von keinen<br />

Bestrebungen in die Richtung einer Strafuntersuchung gegen die in<br />

Spanien wohnhaften Täter aus Argentinien. Dies beunruhigte mich nicht<br />

gross, da Anwalt Müller mir gesagt hatte, dass man noch nicht<br />

entschieden hätte, welche Topkanzlei man in Spanien dafür verwenden<br />

würde. Trotzdem schickte jener Kanzlei in Barcelona das Material mit all<br />

den Unterlagen über das Verbrechen in Argentinien. Ich bat sie, sich die<br />

516


Unterlagen einmal anzusehen. Ich hatte dafür diverse Unterlagen ins<br />

spanische Übersetzt.<br />

Jetzt war die Zeit reif, um einen der letzten Punkte anzugehen, die noch<br />

auf meiner gedanklichen Pendenzenliste standen: Prüfen, ob meine<br />

Masterkopie der Daten noch sicher im Schweizer Safe lag. Um die Reise<br />

und den Weg dorthin nicht offen zu legen, musste ich ein paar<br />

Vorkehrungen treffen. Mein ("LGT gesponsertes"-) Handy liess ich zu<br />

Hause in Vaduz eingeschaltet liegen. Mitnehmen kam ja nicht in Frage,<br />

da man sonst nicht nur mein Bewegungsprofil geographisch erfassen<br />

konnte, sondern dadurch auch der Standort von Banktresor aufgezeigt<br />

würde. Selbst ein Ausschalten des Handys (z.B. kurz vor dem Ziel)<br />

würde nicht viel zur Geheimhaltung nützen.<br />

Nach Rückkehr von meiner kleinen Expedition wollte ich sehen, wie<br />

viele Anrufe es gab, um dadurch evaluieren zu können, ob mich jemand<br />

vermisste. Jeder Anruf mit unterdrückter Nummer würde von deren<br />

Seite sein. Alle weiteren (wenigen) Personen, die mich ab und zu<br />

anriefen, waren hauptsächlich aus meinem Bekannten- und<br />

Familienkreis. Ihre Nummern waren immer auf dem Display ersichtlich.<br />

Würde die Anzahl Anrufe mit unbekannter Nummer über den Tag<br />

verteilt z.B. vier oder mehr sein, dann könnte dies zu Fragen an mich<br />

führen, was ich getan hätte und wo ich gewesen wäre. Ich bekleidete<br />

mich auch mit einem brandneuen Outfit. Es war durchaus denkbar, dass<br />

Hans-Adam auch mit anderen Schnickschnack mein Leben<br />

ausspionierte. Obwohl Geld für ihn ja keine Rolle spielte, wäre es schon<br />

damals kein grosser Aufwand gewesen, eine Art Peilsender in meine<br />

Kleider oder Schuhe zu pflanzen. Zugang zu meiner Wohnung hatten sie<br />

ja 24 Stunden am Tag.<br />

Ich kaufte mir eine günstige Tagesfahrkarte der Schweizer<br />

Bundesbahnen (SBB) für 30.- Franken. Damit konnte man am<br />

aufgedruckten Kalendertag 24 Stunden lang kreuz und quer durch die<br />

ganze Schweiz fahren; sogar mit der Fähre über den Bodensee nach<br />

Deutschland, wenn man wollte. Damit war schon mal die Nachstellung<br />

per Auto ausgeschlossen. Sollte mir jemand folgen, so hätte diese Person<br />

etliche Schwierigkeiten, gleichzeitig gültige Fahrscheine für die<br />

wechselnden Öffentlichen Transportmittel zu organisieren und an<br />

meinen Fersen zu bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Spitzel auch<br />

im Besitz einer Tagesfahrkarte und auch noch für denselben Tag war,<br />

517


wäre praktisch null. Zugegeben, er/sie hätte ja auch am Anfang der<br />

Reiseroute eine SBB-Fahrkarte für die ganze Schweiz kaufen können.<br />

Teuer, aber bekanntermassen kein Problem für die voll gestopften<br />

Taschen von Hans-Adam.<br />

Ich nahm den allerersten Zug ab Sargans/SG und fuhr erst mal zum<br />

Hauptbahnhof nach Zürich. Um etwas Verwirrung zu stiften, begab ich<br />

mich demonstrativ in eine Bank hinein, fragte nach dem Tresorraum und<br />

tat so, als wollte ich dort, in der Nähe etwas erledigen. Nach 15-20<br />

Minuten verliess ich die Bank dann wieder. Dies wiederholte ich bei<br />

einer anderen Bank in Zürich. Ich hatte die Banken in Zürich bewusst in<br />

auffälliger Art und Weise besucht. Hätte mich jemand dabei gesehen,<br />

dann würde ich früher oder später damit konfrontiert werden. Dann<br />

hätte ich den Beweis, dass man mich immer noch verfolgt und<br />

überwacht. Wäre ich aber in eine Bibliothek oder in ein Kino gegangen,<br />

und man hätte mich beschatten, würde man solche Besuche mir<br />

gegenüber nie kommentieren, da zu banal.<br />

Die richtige Bank würde ich selbstredend nur über äusserst verschleierte<br />

Wegen aufsuchen. Ein kleines Restrisiko bleibt immer bestehen. Nach<br />

den Bankbesuchen wechselte ich auf die Tram und fuhr mit drei<br />

verschiedenen Linien kreuz und quer durch Zürich. Mit einem<br />

Linienbus fuhr ich zu einem anderen Stadtbahnhof. Vor dort ging es<br />

weiter nach Bern, dann wieder in die Gegenrichtung und irgendwann<br />

erreichte ich die Französischen Schweiz. Ich versicherte mich, dass mir<br />

niemand gefolgt war und absolvierte einen Hindernis-Parcours, um es<br />

auch jedem Spitzel oder V-Mann von Hans-Adam zu verunmöglichen,<br />

mir auf den letzten 1000 Metern zur Bank nachzuschleichen.<br />

Nachdem ich mich mit meinem Pass ausgewiesen hatte, konnte ich den<br />

Safeschlüssel in Empfang nehmen. Ich begab mich in den Tresorraum<br />

und entnahm die Box. Zusammen mit ihr setzte ich mich in eine der<br />

schalldichten Kabinen, die die Grösse einer Toilette hatten. Alles war<br />

noch so, wie ich es vor langer Zeit eingelagert hatte.<br />

Es war ein bizarres Gefühl, als ich die kalte, dicke, externe Harddisk aus<br />

Blech wieder in den Händen hielt. So klein und so voll gestopft mit<br />

Finanz- und andere Daten von Tausenden Menschen. Hinter jeder<br />

Stiftung, hinter jedem Bankkonto, hinter jeder Zahlung lauerte eine<br />

individuelle Geschichte. Über des Menschen Gier, Eitelkeit, Wünsche,<br />

Besessenheit, Streitsucht, Lüge, Betrug, Rache, Macht. . . .<br />

518


Da ich meinen Computer nicht mitgebracht hatte, konnte ich die Daten<br />

nicht anschauen. Wollte ich auch gar nicht. Unter den anderen<br />

Unterlagen im Safe fand ich auch meine erstellten und sauber geführten<br />

Listen. Eine davon hatte diejenigen Mandatsnummern notiert, die unter<br />

dem Begriff der „Besonderen Kundschaft‚ fallen. Neun Seiten lang,<br />

sechs Kolonnen pro Blatt. Diese Liste hatte ich in 4 Sektoren unterteilt:<br />

Sektor 1 die A-Leichen: Fälle von kriminellen Handlungen mit<br />

ersichtlicher aktiver Unterstützung seitens der LGT Treuhand oder LGT<br />

Bank.<br />

Sektor 2 die OA-Leichen: Fälle von kriminellen Handlungen ohne<br />

ersichtliche aktive Unterstützung.<br />

Sektor 3 die V-Leichen: Fälle wo kriminelle Handlungen vermutet<br />

werden, aber auf Grund weniger fehlenden Angaben (noch) nicht zu 100<br />

Prozent bewiesen werden können.<br />

Sektor 4 die PEPs: die Politischen Fälle (meist illegale Gelder diverser<br />

politischen Parteien, incl. Mandate von Kunden mit exponierter Stelle in<br />

der Wirtschaft, wie z.B. Klaus Zumwinkel)<br />

Anm.: Bei kriminellen Handlungen meine ich nicht Steuerhinterziehung,<br />

sondern Geldwäsche, Korruption, Betrug, Bestechung u.s.w.<br />

Im Sektor Drei waren auch jene Mandate aufgelistet, die ich später der US-<br />

Regierung übergeben würde. Eine umfassende Untersuchung durch ein<br />

hochprofessionelles Team des US-Senats würde dann meine Vorahnungen zu<br />

diesen Fällen bestätigen. Einige davon wurden als Beispiele in der öffentlichen<br />

Senatsanhörung in Washington D.C. am 17. Juli 2008 dargelegt (siehe auch<br />

Kapitel 32).<br />

Als ich in der kleinen Box sass, empfand eine Art von Trauer. Ich schaute<br />

zurück auf meine Leben der letzten anderthalb Jahre und starrte auf die<br />

Listen in meiner Hand. Welch Ungerechtigkeit. Ich musste mich von<br />

ihnen unter Druck und Erpressung mit voller Gewalt verurteilen,<br />

beschimpfen und weiterhin demütigen lassen.<br />

Obwohl ich verhindert hatte, dass speziell das Wissen über all die<br />

Leichen sowie die mit politischem Sprengstoff beladenen Mandate nicht<br />

an die Öffentlichkeit gelangt waren. Und damit u.a. die betroffenen<br />

Kunden immer mehr Geld mit ihren kriminellen Handlungen<br />

erwirtschaften können, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen werden<br />

und politische Parteien, bzw. die verschiedenen betroffenen<br />

Funktionsträger oder Fraktionen länger im Amt und Würden bleiben<br />

konnten. Und natürlich die LGT weiterhin ihre Kassen mit solchen und<br />

anderen Geschäften füllen kann.<br />

519


Der unbekannte Zettelschreiber hatte recht: Ich sagte zu allem Ja und<br />

Amen. Aber was hätte ich anders machen sollen. Ich war derjenige, der<br />

die Daten gestohlen hatte, ich hatte Hans-Adam einen gehörigen<br />

Schrecken eingejagt, und ich musste mich deswegen vor Gericht<br />

verantworten. Gewiss, Hans-Adam hätte es mir markant leichter machen<br />

können und keine Anklage zulassen können. Aber er hatte anders<br />

entschieden. Ich hatte dies alles akzeptieren müssen. Ich musste die<br />

Hoffnung am Leben erhalten. Das wichtigste Versprechen war ja noch<br />

nicht „getestet‚ worden.<br />

Welche Alternativen hätte ich denn gehabt. Mit der Masterkopie und<br />

den weiteren Unterlagen wieder nach Berlin, in die Neustädtische<br />

Kirchstrasse Nr. 4-5 oder in die Wilhelmstrasse rennen? Ich war zwar<br />

wieder ein freier Mann. Aber, Nein. Mein Kampf konzentrierte sich auf<br />

die Strafverfolgung der Täter aus Argentinien. Eigentlich müsste zur<br />

damaligen Zeit die LGT froh gewesen sein, dass dem so war. Hätte ich<br />

den Weg von Lampert eingeschlagen, so wäre die Bombe vermutlich<br />

schon lange hochgegangen. Und gerade weil die LGT (und somit Hans-<br />

Adam) meine Beweggründe nun bis ins kleinste Details kannten, schloss<br />

ich es kategorisch aus, dass sie mich am Ende reinlegen würden.<br />

Unmöglich.<br />

Ob solcher Gedanken erschrocken, legte ich rasch die Listen und die<br />

Harddisk wieder zurück in die Box und dann in den Safe, verliess die<br />

Bank und begab mich auf den Heimweg. Den Safeschlüssel konnte ich<br />

wieder am Empfang hinterlegen. Der geschilderte Gedanke an die<br />

Ungerechtigkeit hatte sich aber von diesem Zeitpunkt an wieder stärker<br />

in mein Unterbewusstsein eingefressen.<br />

Der Professor konnte mich auch nicht mehr so oft sprechen oder<br />

besuchen. Er war jetzt seltener in Liechtenstein. Am Dienstag, dem 24.8.<br />

gab es ein Treffen mit ihm wieder in Buchs und am Mittwoch, den 25.8.<br />

besuchte er mich zu Hause. Ich konnte mit ihm offen reden und ich<br />

erzählte ihm von meiner Desillusionierung, da Hans-Adam so viel Zeit<br />

verschwende, bis er seinen Worten Taten folgen lassen würde.<br />

Um vom Thema abzulenken, fragte er mich, wann ich gedenke, wieder<br />

auszuziehen und selber etwas mieten würde. In der LGT-Führung<br />

kämen Stimmen auf, die nicht verstehen würden, warum man immer<br />

noch meine Miete zahlen würde. Und wie es mit den Finanzen aussehen<br />

würde, fragte er auch. OK, sagte ich. Kein Problem. Ich finde schon eine<br />

520


eigene Wohnung. In Balzers wäre es schön, sagte ich. Und was das Geld<br />

angeht, da kenne er mich ja. Immer sparsam. Du brauchst ja nicht viel<br />

zum Leben, stellte er richtigerweise fest. Ich sagte ihm, dass ich einen<br />

guten Teil der monatlichen Zahlungen der ALV habe sparen können.<br />

Diese Zahlungen werden noch ein paar Monate kommen, dann ist<br />

Schluss. Zudem hatte ich schon die Fühler nach möglichen Arbeitsstellen<br />

ausgestreckt, schilderte ich ihm.<br />

Entgegen einer der anfänglichen Optionen, würde ich lieber weiterhin<br />

hier in Liechtenstein bleiben und nicht weiter weg im Ausland eine<br />

Arbeit oder neues Leben suchen. Viel einfacher wäre es für mich, wenn<br />

ich dann von Liechtenstein aus den Strafprozess gegen Helmut Roegele<br />

& Co. in Spanien und jene gegen den Schwager von Helmut Roegele,<br />

Karl-Heinrich Peter K. (aus Ochsenhausen) in Deutschland verfolgen<br />

würde.<br />

Sollte ich keine Arbeit finden, so könnte ich in der Not immer noch<br />

meinen Teil der Erbschaft des Vater anzapfen. Ich erzählte ihm von der<br />

Forderung Hans-Adams, dass ich bald aus dem Land weg muss. Wie<br />

bitte? Das ist nicht wahr, fragte er. Er wisse (angeblich) nichts davon. Die<br />

genauen Details wüsste ich auch nicht, sagte ich ihm. Er würde mit<br />

Hans-Adam darüber reden, versprach er mir zum Abschied.<br />

Ich hatte keine Lust, mich weiterhin gross mit ihm oder dem<br />

Bankdirektor zu unterhalten. Ich nahm eine Abwarteposition ein, um zu<br />

schauen, was jetzt in Sachen der Klage gegen Helmut Roegele & Co.<br />

geschehen würde. Alles andere kümmerte mich nicht gross. Mit Gewalt<br />

werden sie mich wohl nicht auf der Wohnung werfen, dachte ich.<br />

Drei Tage vor dem geplanten Treffen zwischen dem Professor und<br />

Hans-Adam rief mich der Psycho an. Das Gespräch dauerte ein paar<br />

Minuten. Viel gab es da nicht zu besprechen. Alles verzögerte sich.<br />

Offenbar wollten die (Rechts-) Experten von Hans-Adam, die ihn in<br />

Bezug auf die angestrebte Strafuntersuchung gegen die Täter aus<br />

Argentinien berieten, auf die Erledigung des Aktes in Barcelona warten.<br />

Am 14.9.04 war der Professor um 09:00 im Schloss. Anscheinend muss<br />

die Unterredung nicht sehr erfolgreich verlaufen sein, da keiner der<br />

beiden mich nachher kontaktiert hatte. Ende September rief ich im<br />

Schloss an und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte (die<br />

Telefonnummer vom Psycho kannte ich ja bekanntlich nicht) Es wurde<br />

mir mitgeteilt, dass Hans-Adam nicht anwesend sei. Er sei im Ausland.<br />

Ich glaubte dies nicht. Denn ich rief von einer Telefonzelle unten im<br />

Zentrum von Vaduz aus an und konnte auf dem Schloss jene Flagge im<br />

521


Wind flattern sehen, die immer nur dann gehisst wird, wenn der<br />

Landesführer zu Hause war. Aber was soll’s. Er wird sich sicher wieder<br />

melden. Ich hatte es fast aufgegeben, Hans-Adam darum zu bitten, ein<br />

Vier-Augengespräch zu ermöglichen. Wenn er im Moment keine Lust<br />

mehr hatte, dann hatte er eben keine Lust. Ich blieb in der kleinen<br />

Unterkunft.<br />

Das erste Mal seitdem ich Hans-Adam das letzte Mal am 9.7.’03 wieder<br />

persönlich gesehen hatte, war im Spätsommer 2004. Ich war mit meinem<br />

Velo unterwegs in Triesenberg und entschloss mich, die Strecke runter<br />

ins Tal zu nehmen, die am Schloss vorbei führte. Auf der Höhe vom<br />

Schloss angekommen, hielt ich inne und schaute den Touristen zu, die<br />

trotz Warntafel sich bis an das grosse Eisengitter vorwagten. Ich stand<br />

mit meinem Bike noch am Strassenrand, als eine von zwei Damen mir<br />

zurief und fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könnte. Gerne doch.<br />

Ich schob das Velo zum Eisentor, am Pförtnerhäuschen vorbei. Die zwei<br />

Touristinnen kamen aus Sachsen-Anhalt. Nach dem Fotografieren<br />

plauderten wir noch ein paar Minuten.<br />

Ich schaute dabei durch das Eisengitter die Zufahrtsstrasse hinunter und<br />

die Damen standen mit dem Rücken davor. Und da kam er, barfuss. Er<br />

hatte ein Badetuch in der Hand und war mit einer Art kurzer Sporthose<br />

und einem halboffenem Hemd bekleidet. Er war auf dem Weg vom<br />

Schloss über die Zufahrtsstrasse zu der versteckten kleinen Türe (mit<br />

Treppe) im äusseren, relativ niedrigem Burgring, von wo er aus in den<br />

südlichen Garten gelangen kann und dort weiter zum Pool laufen kann.<br />

Ich war so aufgeregt, dass ich den zwei Damen gleich sagen musste; hier<br />

schaut her, dies ist unser Landesführer. Ich winkte ihm zu und sie<br />

drehten sich um und schossen ein paar Fotos. Hans-Adam blieb kurz<br />

irritiert stehen, lächelte unnatürlich zurück und war sichtbar etwas<br />

erschrocken, mich dort zu sehen. Hastig schritt er durch die Lücke in der<br />

Mauer und verschwand. Gefreut hatte er sich sicher nicht. Ich ergriff<br />

mein Velo und verabschiedete mich von den Damen.<br />

Monatelang meldete sich niemand von Seiten der LGT. Ich nahm daher<br />

an, dass ich solange in der Unterkunft bleiben konnte, bis das Gegenteil<br />

erwünscht war.<br />

Erst Mitte Dezember hatte sich der Bankdirektor für einen Besuch am<br />

21.12.04 angemeldet. Von 13:00 bis 14:00 würde er gerne kommen. Er<br />

war über das wenige, was es zu berichten gab, weniger als ich auf dem<br />

Laufenden. Ich versteckte meine Traurigkeit gekonnt und liess ihn im<br />

Glauben, dass alles perfekt wäre. Wir müssten halt abwarten, bis alles<br />

522


erledigt wäre, sagte er nur immer und immer wieder. Ich könne noch bis<br />

nächstes Jahr März oder April hier bleiben. Dann müsste ich aber gehen.<br />

Bis dann sollte alles abgeschlossen sein und der Strafprozess in die Wege<br />

geleitet worden sein.<br />

Ich bedankte mich wie immer höflich und fragte ihn, ob man wegen der<br />

Deutschen Steueramnestie viele Kunden verloren hätte. Er lachte nur<br />

und sagte, dass bei einem solchen Angebot von Eichel (25 Prozent bis<br />

zum 31.12.04) kein Kunde zubeissen würde. Es gäbe aber ein paar, die<br />

mit den Steuerbehörden reinen Tischen machen wollten. Vor allem<br />

solche Kunden, die eine Stiftung „geerbt‚ hatten. Frohe Weihnachten<br />

Herr Kieber. Frohe Festtage Herr Bankdirektor.<br />

Zwei Tage später, am 23.12.04 rief am Nachmittag der Professor auf<br />

mein Handy an. Auch er wünschte mir Frohe Festtage.<br />

Eine Woche später war wieder ein Jahr herum. Ich war jetzt schon exakt<br />

18 Monate wieder in Liechtenstein. Und das bedeutete knapp zwei<br />

weitere Jahre Gewinn und Vorteil für Klaus Zumwinkel und all die<br />

anderen.<br />

523


KAPITEL 26 Gnade im Sonderangebot<br />

Das Jahr 2005 würde ein sehr spezielles Jahr werden. Mein 40.<br />

Geburtstag war nur noch 3 Monate weit weg. Hans-Adams 60. in<br />

anderthalb Monaten. In mehreren Telefongesprächen im Januar und<br />

Februar wurde mir zunehmend deutlicher gemacht, dass es Zeit wäre,<br />

meine Koffer zu packen. Mit Rechtsanwalt Müller konnte ich ab und zu<br />

noch reden. Aus Spanien gab es insofern gute Nachrichten, dass man<br />

dort nur noch auf die Terminbestätigung des Gerichts warten müsste.<br />

Den Termin, wann der Akt geschlossen würde.<br />

Am 2.2.05 rief mich der Bankdirektor um 19:30 auf mein Handy an. Bei<br />

dieser Gelegenheit sagte ich, dass ich über die Anordnung von Hans-<br />

Adam, das Land für einige Jahre zu verlassen, einiges nachgedacht hatte.<br />

Ich wäre überhaupt nicht glücklich darüber. Aber, wenn es nicht anders<br />

ginge und sie dies wirklich wollen, so gäbe es da aber ein Problem. Viele<br />

Länder erlauben keine Arbeits- oder Niederlassungsbewilligung für<br />

solche Ausländer, die vorbestraft sind. Da dies jetzt auf mich zutreffen<br />

würde, könnte ich nirgends im Ausland eine Stelle antreten. Warum das,<br />

fragte er. Oft fragen nämlich die potentiellen Arbeitgeber auch nach<br />

einem Strafregisterauszug, erklärte ich ihm.<br />

Überdies wäre es garantiert auch so, dass die ausländischen Behörden<br />

einen Strafregisterauszug von mir verlangen würden. Dann könnte sie<br />

aber nachlesen, dass ich im Januar 2004 verurteilt worden war. Als<br />

nächstes wollen die Behörden das schriftliche Urteil einsehen. Sollte ich<br />

der ausländischen Behörde das Urteil vorenthalten, könnte ich eine<br />

Niederlassung gleich ganz vergessen. Aufschlussreich und interessant,<br />

sagte der Bankdirektor nur. Das könnte man auf keinen Fall machen. Das<br />

Urteil muss unter Verschluss bleiben, sagte er. Das ganze wäre ein zu<br />

heikles Thema, um es dem Ausland unter die Nase zu reiben. Man hatte<br />

ja auch erfolgreich den Spaniern jenen Teil des Urteils vom 7.1.’04,(Teil<br />

Eins - der Brief an Hans Adam) vorenthalten können. Die Spanier<br />

erhielten nur die Zeilen aus dem Urteil, die den Wohnungskauf betrafen.<br />

Mehr brauchten sie in der Tat auch nicht. Ich machte mir schon<br />

Hoffnungen, dass wegen dieser Problematik ich in Liechtenstein bleiben<br />

konnte. Diese Aussichten wurden vom Bankdirektor nicht geteilt. Wenn<br />

Hans-Adam mich aus dem Land haben will, dann wird er seinen Willen<br />

schon kriegen, sagte er. Darüber war ich mit ihm einer Meinung.<br />

Zudem wollte ich selber ja nichts verursachen, was Hans-Adam<br />

verärgern könnte. Wenn Hans-Adam schlussendlich gefordert hätte, ich<br />

524


sollte nach Sibirien ziehen; ich hätte es gemacht. Solange er sein<br />

Versprechen einhalten würde, hätte ich alles auf mich genommen. Ich<br />

fragte den Bankdirektor auch, ob er Neues zu den geplanten juristischen<br />

Aktionen in Bezug auf die Täter von Argentinien wüsste. Nein, sagte er<br />

und klang dabei auch etwas enttäuscht. Im Moment würde aber alles<br />

nach Plan laufen. Was denn und nach wessen Plan hier wirklich alles<br />

ablaufen würde, fragte ich ihn. Langsam aber sicher wollte ich von ihm<br />

genau wissen, was hier gespielt würde. Ich soll keine Panik bekommen,<br />

war das einzige was er darauf sagen konnte. Er würde die<br />

Angelegenheit mit dem Strafregister Hans-Adam mitteilen.<br />

In der Hoffnung, dass Hans-Adam mich nicht vergessen würde, nutzte<br />

ich die Gelegenheit zu seinem 60. und hinterlegte ihm ein kleines<br />

Geschenk beim Portier. Ich wusste, dass er ein Flair für das geflügelte<br />

Wort hatte. Per Zufall stiess ich in einem Second-Hand-Büchermarkt auf<br />

ein altes Büchlein aus den 60er Jahren, voll mit übersetzten<br />

Sprichwörtern aus China. Ich kaufte ihm auch einen brandneuen<br />

Reisbesen. Beides verpackte ich attraktiv und legte eine Geburtstagskarte<br />

bei. Der Besen, zwar voll funktionsfähig, war nur symbolischer Natur.<br />

Damit könne er all den Ärger vom alten Lebensjahr aus seinem Haus<br />

wegwischen. Da er flächenmässig einen gigantischen Haushalt hatte,<br />

kaufte ich ihm den grössten Besen, den ich finden konnte. Ich wollte ihm<br />

diesen einer asiatischer Tradition gemäss zusammen mit einem Sack Reis<br />

schenken. Da er aber schon eine eigene Reisfirma (RICETEC) hatte,<br />

schrieb ich ihm, dass er hinsichtlich des Futters fürs nächste Jahrtausend<br />

ja gut ausgestattet sei. Am 1.3.’05 erhielt ich eine Antwortkarte von ihm:<br />

Lieber Herr Kieber. HERZLICHEN DANK FÜR DIE LIEBEN<br />

WÜNSCHE ZU MEINEM 60. GEBURTSTAG und die Geschenke.<br />

(gez. Hans-Adam II.)<br />

Ich war froh und erleichtert, dass Hans-Adam mich offenbar nicht<br />

vergessen hatte.<br />

Eine Woche nach meinem 40. Geburtstag (leider keine Karte von Hans-<br />

Adam; ich hatte aber auch keine erwartet), hatte der Professor<br />

zusammen mit dem Bankdirektor ein Treffen mit Hans-Adam. Um 16:30<br />

sollten sie pünktlich im Schloss sein. Am nächsten Tag, den 7.4.’05<br />

wurde ich telefonisch um 09:00, um 11:45 und 17:’00 vom Bankdirektor<br />

sowie dem Professor über deren Audienz mit Hans-Adam unterrichtet.<br />

525


Es hatte auf Schloss Vaduz wegen dem Büchlein mit den Chinesischen<br />

Sprichwörtern Verwirrungen gegeben. Oh mein Gott, sagte ich. Warum?<br />

Nun, Hans-Adam hätte einen Moment lang nachdachte, ob eines der<br />

dort abgedruckten Sprichwörter einen tieferen Sinn in Bezug zu unserer<br />

Angelegenheit haben könnte. Er hätte deswegen den Professor gebeten,<br />

alle Sprichwörter genau durchzulesen und ihm zu melden, ob er etwas<br />

Rätselhaftes oder einen "Hinweis" von mir erkennen könnte.<br />

Ich musste laut lachen. Der Bankdirektor und Professor lachte dann<br />

auch. Ich wollte wissen, warum Hans-Adam solches denken würde, ja<br />

überhaupt denken könnte. Warum er Anlass hätte, ich würde ihm etwas<br />

zukommen lassen, worüber er sich den Kopf zerbrechen müsste. Hans-<br />

Adam hatte wohl ein schlechtes Gewissen, war mein richtiger Verdacht.<br />

Die Knacknuss mit Sprichwörtern war es ja gerade, dass sie den Kern<br />

eines Leitgedankens zwar treffen, aber um das dazugehörende Thema<br />

identifizieren zu können, müsste man das Motiv zuordnen können, sagte<br />

ich. Der Professor hätte dem Landesführer gesagt, dass er nichts<br />

Aussergewöhnliches im Buch hätte finden können. Damit war Hans-<br />

Adam zufrieden gewesen.<br />

Nach diesem Ausflug in die Welt der Sprichwörter, wurde mir der<br />

neueste Plan des Schlossherrn dargelegt. Leider wäre Hans-Adam<br />

immer noch der Meinung, dass es besser wäre, wenn ich für einige Jahre<br />

nicht mehr in Liechtenstein auftauchen würde. Es war gewünscht<br />

worden, dass ich mich im Ausland nach Arbeit umsehen soll. Die<br />

Problematik mit einem Strafregistereintrag und das damit<br />

einhergehende Risiko, das Ausland könnte von der Geschichte um die<br />

LGT erfahren, hätte man dabei Übersehen.<br />

Um diese Problem zu eliminieren, hätte man Anwalt Müller beauftragt,<br />

ein Gnadengesuch in meinem Namen an den Erstgeborenen Alois zu<br />

richten, da sein Vater ihm inzwischen die Rechte und Pflichten des<br />

Staatsoberhaupts übertragen hatte. Das Gesuch soll den normalen Weg<br />

via Obergericht zum Landgericht und dann zum Schloss nehmen, wie es<br />

das Gnadengesetz vorschreibt. Dort angekommen, würde Hans-Adam<br />

seinem Sohn, als neues amtierendes Staatsoberhaupt mit statutarisch<br />

alleinigem Recht zur Begnadigung, den Auftrag erteilen, dem Gesuch zu<br />

entsprechen. Damit wäre der Weg frei, um den Strafregistereintrag zu<br />

löschen.<br />

526


Leider hätten bei dieser Prozedur auch wieder die Regierung (fakultativ)<br />

und die Staatsanwaltschaft (rechtlich) die Möglichkeit etwas dazu zu<br />

sagen. Oh, Nein – nicht schon wieder die Regierung und die<br />

Staatsanwaltschaft, schimpfte ich. Mir war diese ganze Angelegenheit<br />

sehr suspekt. Warum all dieser Aufwand mit Antrag, Fristen und weiss<br />

Gott was noch, fragte ich. Warum wieder an das Gericht gelangen; ich<br />

hatte mein Mass an Gerichtsbesuchen für das jetzige und die nächsten 50<br />

Leben gestrichen voll. Ich wollte wissen, ob jetzt wieder eine versteckte<br />

Agenda dahinter stecken würde. Etwas, womit Hans-Adam Zeit<br />

gewinnen wollte, wobei man mir dann mitteilen würde, dass die<br />

Strafverfolgung der Täter aus Argentinien quasi erst dann starten<br />

könnte, wenn das Thema mit dem Strafregister erledigt wäre.<br />

Wenn dem so wäre, würde dies bedeuten, dass Hans-Adam seine<br />

diesbezügliche Zusage bis zum Stankt Nimmerleinstag hinauszögern<br />

könnte. Sein Sohn könnte sich mit einem "Entscheid" über eine<br />

"Begnadigung" ja extra lang Zeit lassen. Meine Bedenken waren<br />

berechtigt. Gemäss letzten Informationen aus Spanien war<br />

vorauszusehen, dass der Papierkram beim Gericht in Barcelona in ein<br />

paar Wochen aus der Welt geschaffen wäre. Dies war ja das bisherige<br />

angebliche Hindernis. Warum konnte man nicht gleich jetzt schon mit<br />

den juristischen Initiativen gegen die Täter starten? Diese Information<br />

war Hans-Adam ja auch bekannt. Obwohl alle im Ländle wissen, dass<br />

Alois immer nur das macht, was sein Vater verlangt, wollte ich genau<br />

wissen, wie alles ablaufen würde. Es wurde mir erklärt, dass es da nicht<br />

viel zu erklären gäbe. Hans-Adam hätte den beiden und dem Anwalt<br />

Müller persönlich versichert, dass innerhalb kürzester Zeit dem Gesuch<br />

vollumfänglich entsprochen würde. Hans-Adam wolle diesen Weg und<br />

ich müsste mich dem unterordnen, Basta! Alles Klar, sagte ich. Ich<br />

drückte meine Hoffnung aus, dass es nicht so kommen würde, dass<br />

Alois das Gesuch auf die lange Bank schieben würde und Hans-Adam<br />

seine Hände in Unschuld waschen könnte und rufen würde, das er nicht<br />

mehr derjenige sei, der Begnadigungen verteilen könnte. Nein, nein –<br />

riefen der Bankdirektor und der Professor ins Telefonmikrofon: Ich solle<br />

aufhören, den Teufel an die Wand zu malen. Verzeihung, sagte ich und<br />

lies Hans-Adam bei dieser Gelegenheit ausrichten, dass ich mich für<br />

seine Unterstützung bedanke.<br />

Mir wurde aufgetragen, ich solle am nächsten Tag, dem 8.4. beim<br />

Bankdirektor in Vaduz einen vorbereiteten Text abholen und diesen als<br />

527


Brief an Hans-Adam formulieren. Warum dies alles, fragte ich. Man<br />

wolle damit verhindern, dass in den Akten nachvollzogen werden kann,<br />

dass die Idee einer Begnadigung von Oben herab ausgebrütet und<br />

orchestriert wurde. Da ich ja nichts unternehmen oder bekämpfen<br />

wollte, was dem Versprechen von Hans-Adam zuwiderlaufen könnte,<br />

willigte ich diesem Intermezzo auch wieder ein. Ich fasste den Brief mit<br />

Datum 11.4. ab. Darin musste ich den Eindruck hinterlassen, dass ich<br />

weit weg ins Ausland gehen wolle und mir eine Begnadigung wünsche.<br />

Obwohl der Kontext mit Teilen gemischt war, die (in der Vergangenheit)<br />

der Wahrheit entsprachen, war die Kernaussage falsch. Auf meine<br />

diesbezüglichen Bedenken sagte der Bankdirektor, dass dies alles nur<br />

eine Formsache wäre – wie immer! Ganz davon überzeugen konnte er<br />

mich aber nicht. Dennoch, schlussendlich musste mich auf die<br />

Äusserungen des Bankdirektors, des Professors sowie des Rechtsanwalts<br />

Müller verlassen. Sie waren ja die einzigen, die mit Hans-Adam<br />

persönlich reden konnten. Ich hatte mit ihn nur ein einziges Mal, am<br />

9.7.’03 vor bald 2 Jahren persönlich sprechen können. Das letzte<br />

Telefongespräch mit ihm lag auch schon über 15 Monate zurück. Ich<br />

brachte den fertigen Brief wunschgemäss dem RA Müller. Dieser erhielt<br />

auch (analog der Geschichte um die zwei Briefe für die<br />

Obergerichtsverhandlung vom 7.1.04 - siehe Kapitel 23) eine Art<br />

Antwortschreiben (datiert 13.4.) von Hans-Adam auf „meinen‚ Brief<br />

vom 11.4. Ich hatte diese Schreiben nur in der Kanzlei kurz zu Gesicht<br />

bekommen. Hans-Adam erklärte darin, dass<br />

OZA- er auf Grund der besonderen Umstände meines Falles die<br />

Voraussetzung für eine Begnadigung als gegeben ansieht -OZE.<br />

Da hatte ich es, Schwarz auf Weiss. Ich bedankte mich bei Anwalt Müller<br />

und fragte, ob ich eine Kopie davon haben könnte. Nein, leider nicht.<br />

Hans-Adam wolle dies nicht. Auch gut, murrte ich. Ich wollte sofort den<br />

Bankdirektor anrufen. Müller bremste mich aber und sagte, dass der<br />

Bankdirektor den Inhalt des Briefs von Hans-Adam schon kennen<br />

würde. Es sei ja alles so vorher abgesprochen worden. Jetzt hätte er alle<br />

nötigen Unterlagen zusammen, um das Gesuch auszufertigen. Er<br />

bräuchte meine Hilfe dazu nicht, sagte er.<br />

Am 20.4. wurde das Gnadengesuch von ihm fertig gestellt. Ich durfte<br />

wieder einmal überhaupt nichts dazu sagen. Eine Kopie des Gesuchs<br />

528


wurde mir erst gar nicht zugeschickt. Erst nachdem ich darauf bestanden<br />

hatte, wurde mir zur Halbzeit der Gnadengesuchgeschichte (3. Woche<br />

Mai) eine Kopie vom Gericht zugestanden. Die Kanzlei Müller hatte mir<br />

zwar mitgeteilt, dass sie Ende April eine Kopie mir nach Hause gesandt<br />

hätten; angekommen war sie aber nie.<br />

Ich war mit der Wortwahl und der Formulierung des Gesuchs absolut<br />

nicht einverstanden. Der Sinn und Zweck wurde gar nicht richtig erfasst<br />

oder wiedergegeben. Im Gesuch wurde Alois ersucht, er möge mir<br />

vollumfänglich Nachsicht von der verwirkten Strafe gewähren und mich<br />

in diesem Sinne begnadigen. Das erwünschte Resultat war die<br />

Eliminierung der verbleibenden knappen Hälfte der einjährigen<br />

Bewährungsfrist sowie des Eintrags im Strafregister. Das Obergericht<br />

schickte eine Kopie an die Regierung und eines an die STA. Ich war<br />

schon sehr gespannt, was diese zwei Institutionen wieder dazu zu sagen<br />

hätten.<br />

Eine andere Art Spannung erlebte ich vom 26. bis 28. April ’05.<br />

Ich buchte mir ein Flug ins Ausland. Es würde das 1. Mal seit über 8<br />

Jahren sein, wo ich ein Flugzeug besteigen würde. Der letzte Flug war<br />

der von Buenos Aires nach Zürich. Dieses Mal ging es von Zürich nach<br />

Barcelona und zurück. Ich wollte endlich selber vor Ort nachsehen und<br />

von der Anwaltskanzlei erfahren, was alles in den vergangenen acht<br />

Jahren geschehen war.<br />

Ich buchte mir übers Internet auch ein Hotelzimmer in der Stadtmitte. Es<br />

war schon ein komisches Gefühl wieder in Spanien, in dieser Metropole<br />

zu sein – der Heimat meiner Mutter. Wieder fliessend Spanisch sprechen<br />

zu können. Verlernt hatte ich nichts. Ich nahm den Zug vom Flughafen<br />

zur Estacio de Sants. Als erstes kaufte ich mir churros con chocolate. Ein<br />

Taxi brachte mich zum Hotel, dass nur ein paar wenige Häuserblocks<br />

weg von der Rechtsanwaltskanzlei war.<br />

Das Wetter war grossartig. Ich besuchte meine alte Schule, die Schweizer<br />

Schule. Auch begab ich mich in die Strasse, wo die berühmte Wohnung<br />

lag. Ich schaute hinauf und erkannte die Terrasse wieder. Es schien so,<br />

als wäre ich erst gestern aus der Wohnung ausgezogen. Jene Wohnung,<br />

mit der alles damals vor über 8 Jahren angefangen hatte.<br />

Die Kanzlei war eine der Topadressen in Barcelona. Auf internationales<br />

Zivil- und Strafrecht spezialisiert. Die Arbeit dieser Kanzlei wurde auch<br />

aus Hans-Adam Portokasse bezahlt. Ich empfand grossen Dank dafür,<br />

529


als ich in einem der pompösen Sitzungszimmer Platz nehmen durfte.<br />

Billig war deren Arbeit sicher nicht. Der Jurist, dem mein Fall zugeteilt<br />

wurde, war zwar jung, aber blitzgescheit. Wir hatten schon ein paar Mal<br />

am Telefon gesprochen. Er erzählte mir, dass man meinen Akt, also alles<br />

über den Wohnungskauf und über Argentinien sehr genau studiert<br />

hatte. Nachdem man das Ausmass der Straftaten auf der Farm in<br />

Argentinien erfasst hatte, wäre man sehr geschockt gewesen. Er habe<br />

zwar etwas davon schon im Gerichtsakt (Wohnungskauf) in Barcelona<br />

lesen können, aber er sei sich der Dimension nicht bewusst gewesen. In<br />

1997 hatte ich nämlich dem Untersuchungsrichter in Barcelona per Post<br />

und Fax eine Zusammenfassung der Verbrechen auf der Farm<br />

zukommen lassen. Helmut hatte heftig versucht jenes Materials bei<br />

Gericht nicht zuzulassen. Meine damalige, vom Gericht zugeteilte<br />

Pflichtverteidigerin, konnte die Aufnahme in den Akt trotzdem<br />

erwirken.<br />

Über den Datendiebstahl wusste der Rechtsanwalt aber nichts. Hans-<br />

Adam wollte dies logischerweise nicht. Dass ihre Rechnungen aber<br />

indirekt von einer "grossen Bank" aus Vaduz beglichen wurde, hatten sie<br />

schon mitbekommen. Nach dem Aktenstudium habe man sich hier in<br />

der Kanzlei in der Tat gefragt, wie dies alles soweit hatte kommen<br />

können. Er bestätigte mir, dass ich über all die vergangenen Jahre einen<br />

gewaltigen Nachteil hatte, und umgekehrt die Täter Helmut Roegele &<br />

Co. einen massiven Vorteil geniessen konnten, weil ich mich auf den<br />

offenbar erfolglosen Kampf um eine Strafverfolgung der Täter in<br />

Liechtenstein konzentriert hatte.<br />

Im Rückblick, so erklärte er mir, hätte seine Kanzlei das Mandat dafür<br />

1997 gehabt, wäre ihr Bemühen um eine Anklage gegen Helmut & Co.<br />

bei der Staatsanwaltschaft in Barcelona zu erwirken, kein Problem<br />

gewesen. Der damalige Haftbefehl gegen mich hätte dieser Arbeit nicht<br />

im Wege gestanden. Die Justiz in Spanien sei bekanntlich langsam, aber,<br />

so erzählte er mir mit Stolz, die in Barcelona arbeite im Vergleich zum<br />

Rest von Spanien sehr effizient - insbesondere das Kriminalgericht. Er<br />

betonte, dass in Barcelona bis heute garantiert zumindest eine Anklage<br />

plus eine erste Gerichtsverhandlung seit den Taten im 1997 über die<br />

Bühne gegangen wäre.<br />

Diese Aussage stimmte mich so traurig und sprachlos, dass er mich für<br />

ein paar Minuten alleine liess. Als er zurückkam, bombardierte ich ihn<br />

530


mit tausend Fragen darüber, was aus juristischer Sicht gemacht werden<br />

kann oder muss, um eine Anzeige und erstrebte Anklage gegen die Täter<br />

auf den Weg zu bringen. Und ob meine Rücknahme auf die Fortsetzung<br />

der Strafverfolgung in Vaduz ein Nachteil für Spanien wäre. Absolut<br />

nicht, sagte er. Keine der vorgeworfenen Taten wäre in Spanien verjährt.<br />

Das Gericht, bzw. die Untersuchungsbehörden in Barcelona würden die<br />

Fakten so aufnehmen, wie sie ihnen unterbreitet würden. Die<br />

Beschuldigten würden frisch einvernommen werden und so wie sich die<br />

Beweise präsentieren, wäre eine rasche Anklage die folgerichtige<br />

Konsequenz.<br />

Meine sehr detaillierte Anzeige von 1997 in Vaduz, die Fotos, der Bericht<br />

vom Spital, das gerichtsmedizinische Gutachten, die Details des Kerkers,<br />

das Modell – dies alles und mehr würde man dem<br />

Untersuchungsrichteramt (übersetzt) vorlegen. Dies hätte eine gewaltige<br />

Beweiskraft, sagte er mir. Da man aber von vorne beginnen müsse,<br />

könnte es schon eine längere Zeit dauern, bis es dann zu einer<br />

Kriminalgerichtsverhandlung, zumindest über die in Spanien<br />

wohnhaften Täter kommen würde, fügte er an. Ich fragte ihn nochmals,<br />

ob er keine Andeutungen oder dergleichen, von wem auch immer, aus<br />

Liechtenstein erhalten habe, in dieser Sache juristisch voranzugehen und<br />

aktiv zu werden. Nein, bisher nicht, sagte er nüchtern.<br />

Ob es viel Kosten würde, die Sache durchzuziehen, fragte ich. Nicht<br />

gerade billig, aber im Rahmen des Üblichen. Ob ein Auftrag denn<br />

kommen würde, fragte er mich. Ich sagte, ich weiss es nicht genau,<br />

wenn, dann würden ihre Kosten auch von Dritter Seite beglichen. Na<br />

dann hoffen wir auf einen Auftrag, sagte er. Ja, hoffentlich bald, sagte<br />

ich, obwohl es mir lau dämmerte, dass dieser Wunsch eine Illusion<br />

bleiben würde.<br />

In Bezug auf die Schliessung des Dossiers über den Wohnungskauf sagte<br />

er, dass er schon persönlich mehrmals mit dem zuständigen Richter<br />

gesprochen hatte. In den kommenden Wochen wäre die Sache erledigt.<br />

Vorrang hätten halt andere, zu verhandelnden Gerichtsfälle. Ich<br />

bedankte mich bei ihm und seinem Team und versprach in Kontakt zu<br />

bleiben. Er lud mich noch zum Mittagessen ein, mit dabei war einer der<br />

Besitzer der Kanzlei.<br />

Ich machte einen langen Spaziergang durch die belebten Strassen und<br />

überlegte für einige Minuten, ob ich den Folterer, Erpresser und<br />

531


Gangster Helmut anrufen soll. Besser nicht. Es würde nichts bringen;<br />

ausser gewaltigem, emotionalen Stress für mich. Langsam aber sicher<br />

wanderte ein böser Verdacht von meinem Unterbewusstsein ins<br />

Bewusstsein. Das Hans-Adam mir mit einer Strafverfolgung gar nie<br />

helfen würde, gar nie helfen wollte. Alles deutete darauf hin. Sonst hätte<br />

man doch diese Kanzlei in Barcelona schon lange damit beauftragt.<br />

Niemand wäre besser dafür geeignet. Alleine die Übersetzung aller<br />

Beweise von Deutsch in Spanisch würde Monate dauern. Die Heimreise<br />

nutzte ich dazu, mir klar zu werden, dass hier einiges falsch gelaufen<br />

war und immer noch läuft.<br />

Trotzdem wollte ich meinen Widerstand gegen eine Abreise aus<br />

Liechtenstein nicht mehr fortsetzen und spätestens Ende Mai ausziehen.<br />

Denn, wie so oft in den vergangenen Monaten, hatte am Ende die<br />

Hoffnung wieder überhand. Ich musste Hans-Adam glauben. Alles<br />

andere machte doch keinen Sinn. Oder?<br />

Wieder zurück in Liechtenstein fing ich an, meine Sachen zu sortieren.<br />

Viel hatte ich ja nicht. Die Möbel gehörten ja der LGT. Ich schrieb den<br />

Fernseher, ein TV/Video-Kombigerät für CHF 200.- zum Verkauf aus. Ich<br />

wollte ihn nicht mit ins Ausland nehmen. Die einzige Person, die auf das<br />

Inserat angerufen hatte, war eine gewisse Frau Feuerstein. Schreck oh<br />

Schreck, hatte ich sofort gedacht. Hoffentlich ist es nicht die Frau von<br />

meinem Ex-Chef. Den Familiennamen Feuerstein gab es ganz selten im<br />

Ländle. Dann erinnerte ich mich, dass er mit seiner Familie ein Haus im<br />

Schweizer Rheintal, weiter nördlich, Richtung Bodensee bewohnte. Den<br />

Steuerwohnsitz aber in Triesenberg hatte. Sie wollte den Fernseher sehen<br />

und bei Gefallen sofort kaufen. Für ihre kleine Wohnung im Ländle. Am<br />

Tag nach dem Telefon kam sie am Abend in meine Wohnung.<br />

Vom Alter her konnte sie nicht die Frau vom Ex-Chef sein. Ich fragte sie,<br />

ob sie mit Nicola Feuerstein verwandt wäre. Ja, sagte sie, sie sei die<br />

Mutter. Ob ich ihn kennen würde, er sei der Chef der grossen LGT<br />

Treuhand, sagte sie mit Stolz. Nö, Nö sagte ich leise, ich hätte nur mal<br />

flüchtig von ihm gehört. Oho, offenbar hatte sie mich nicht erkannt. Ich<br />

hatte ihr zu meiner Begrüssung nur meinen Nachnamen gesagt. Ich<br />

wollte das Verkaufsgespräch gleich beenden. Sie wollte den Fernseher<br />

aber kaufen und drückte mir das Geld bar in die Hand und bat mich, das<br />

Gerät bei ihrem Sohn im Büro abzugeben. Ende des Monats wäre OK für<br />

sie. Auf Wiedersehen Herr Kieber und weg war sie. Mist, ausgerechnet<br />

die Mutter vom Nicola kauft meinen Fernseher.<br />

532


Natürlich konnte und würde ich das Gerät nicht bei der Treuhand<br />

abgeben. Obwohl, reizen würde es mich schon. Die langen Gesichter<br />

hätte ich gerne gesehen. Am Ende hatte ich die Schachtel mit dem<br />

Fernseher am 1. Juni zum Personaleingang der LGT Bank gebracht und<br />

den Pförtner gebeten, Feuerstein in seinem Büro in der Treuhand<br />

anzurufen und mitzuteilen, dass der TV seiner Mutter hier wäre. Ich<br />

hatte behauptet, dass Nicola wissen würde, dass man die Schachtel hier<br />

abgeben würde.<br />

In Sachen Gnadengesuch hat sich auch wieder vieles ereignet. Ich erfuhr,<br />

dass die Regierung sich eines Kommentars zum Gnadengesuch<br />

enthalten hatte. Die STA hingegen hatte am 27.4. eine Stellungsnahme<br />

ausgefertigt. Wieder musste sie mir mein Leben schwer machen. Als<br />

hätte sie nicht schon genug Schaden angerichtet. Der Staatsanwalt Haun<br />

wollte die Gelegenheit nicht verpassen, und sprach sich vehement gegen<br />

eine Begnadigung aus. Interessant wurde es im 2. Teil seiner kurzen<br />

Auslassung. Er befürworte hingegen eine Art bedingte<br />

Strafregisterauskunft. In dem Sinne, dass alles beim Alten bleiben soll,<br />

aber einer ausländischen Behörde der Strafregistereintrag nicht mitgeteilt<br />

werden würde.<br />

Wie kommt die Staatsanwaltschaft auf diese Idee, fragte ich mich. Die<br />

Behörde hatte von der Regierung erfahren, dass es Hans-Adams Wunsch<br />

war, dass ich für ein paar Jahre aus dem Land verschwinden sollte.<br />

Dabei hatte sich herausgestellt, dass diesem Befehl besser gedient<br />

werden könnte, wenn ich keinen Strafregistereintrag mehr hätte. Damit<br />

könne verhindert werden, dass das Ausland über Umwege von jenem<br />

Teil des geheimen Gerichtsprozess erfahren würde, wo die Sache mit<br />

den heiklen Kundendaten behandelt wurde. Darum das Gnadengesuch.<br />

Die STA freute sich natürlich insgeheim sehr darüber, dass mir befohlen<br />

worden war, das Land zu verlassen. Der vermeintlich schlaue Haun<br />

verbrachte Nächte damit, eine rechtliche Lücke oder Lösung zu finden,<br />

so dass keine Begnadigung notwendig wäre, um mich trotzdem ins<br />

Ausland verbannen zu können. Ob Haun für seine gefundene Lösung<br />

dann später die Goldene Verdienstmedaille von Hans-Adam erhalten<br />

hatte, weiss ich nicht. Wundern würde es mich nicht.<br />

Bevor das Gesuch auf dem Tisch von Erbprinz Alois landete, schickte es<br />

das Obergericht zusammen mit der Äusserung der STA zum<br />

Landgericht. Dieses fällte dann einen eigenen Beschluss (sogenannte<br />

„Empfehlung‚) dazu. Gegen diesen Beschluss war im Übrigen kein<br />

533


Rechtsmittel zulässig. Das letzte Wort hatte dann natürlich das neue<br />

Staatsoberhaupt Alois.<br />

Am 11.5. fällte das Landgericht seinen nicht-öffentlichen Beschluss. Und<br />

zwar ausgerechnet jener Richter, der mich zusammen mit den anderen<br />

Richtern zu den ursprünglichen vier Jahren Haft verurteilt hatte. Das LG<br />

hielt fest:<br />

Zweifellos ist von einer grundsätzlichen Gnadenswürdigkeit des<br />

Gnadenswerber auszugehen. Hinzu kommt noch, dass sich der<br />

Gnadenbewerber in der bisherigen Probezeit offenbar bewährt<br />

hat.<br />

Und kam dann zu folgender Schlussfolgerung:<br />

Das Gnadengesuch des Heinrich Kieber, ihm vollumfänglich<br />

Nachsicht von der mit Urteil des Fürstlichen Obergerichtes vom<br />

07.01 .2004, über ihn verhängten Strafe zu gewähren und ihn in<br />

diesem Sinne zu begnadigen, wird nicht befürwortet.<br />

Demgegenüber wird eine Begnadigung dahingehend, dass<br />

hinsichtlich der mit Urteil des Fürstlichen Obergerichtes vom<br />

07.01.2004, verhängten Verurteilung des Gnadengesuchswerbers<br />

nur beschränkte Auskunft aus dem Strafregister nach Art. 9 Abs.<br />

1 Strafregistergesetz erteilt wird, befürwortet.<br />

Am 12.5. schickte das LG seinen Beschluss an das Obergericht. Am 18.5.<br />

fasste das OG seinen nicht-öffentlichen Beschluss, worin es den<br />

Beschluss vom LG bestätigte. Zusätzlich:<br />

Gegen diesen (mit dem Erstgericht konformen) Beschluss ist die<br />

Revisionsbeschwerde binnen 14 Tagen ab Zustellung an den<br />

Fürstlichen Obersten Gerichtshof zulässig.<br />

Am 25.5. verfasste das OG einen Aktenvermerk, worin festgehalten<br />

wurde, dass die STA nichts gegen ihren Beschluss (v.18.5.) einzuwenden<br />

hätte. Gleichtags hatte das OG an Alois geschrieben und bat ihn um<br />

Genehmigung des OG-Beschlusses. Auch am 25.5. hatte Rechtsanwalt<br />

Müller ans Gericht geschrieben, dass er in meinem Namen keine Revision<br />

beantragen würde.<br />

534


Als ich von all dem erfahren hatte, wenn wundert’s noch, war die Frist<br />

zur Einsprache schon verfallen. Müller hatte mich nicht informiert. Sein<br />

Standpunkt dazu war, dass Hans-Adam keine Revision des OG-<br />

Beschlusses vom 18.5. wollte. Was soll das heissen „Hans-Adam wolle<br />

keine Revision‚, fragte ich, schon etwas gereizt. Es war ja mein<br />

Gnadengesuch nicht seines; unabhängig davon, dass ich es gar nie<br />

wollte.<br />

Müller klärte mich auf, dass diese zwei Beschlüsse nur Teil der normalen<br />

Prozedur wären. Gemäss Gesetz müsste sich das Staatsoberhaupt nicht<br />

an die Beschlüsse halten; diese wären weniger als Gerichtsbeschlüsse<br />

sondern mehr als eine Art Empfehlung an das Staatsoberhaupt<br />

anzusehen. Schliesslich wäre es ja gerade der Sinn und Zweck eines<br />

Gnadengesuchs, ihn um Gnade zu bitten und nicht das Gericht, wo dies<br />

gar nicht möglich ist. Das Staatsoberhaupt könne immer frei entscheiden<br />

und wäre nicht an irgendwelche Ansichten Anderer gebunden. Ich klärte<br />

dies mit dem Bankdirektor ab und dieser bestätigte mir den Sachverhalt<br />

und die juristischen Feinheiten.<br />

Trotzdem stand ich für eine ganze Weile unter Schock. Warum hören sie<br />

nicht auf mich zu erniedrigen. Was für ein Schlag ins Gesicht! Was soll<br />

das ganze Theater? 1. die Begnadigung vom Gericht brutal<br />

abgeschmettert und 2. eine bedingte Strafregisterauskunft, die ich nie<br />

gewünscht hatte, geschweige denn beantragt hatte. Zudem hatte Hans-<br />

Adam in seinem „Antwortschreiben‚ vom 13.4. doch ausdrücklich<br />

Schwarz auf Weiss mitgeteilt, dass er die Voraussetzung einer<br />

Begnadigung als gegeben ansehen würde (was auch noch in beiden<br />

Gerichtsbeschlüssen wörtlich zitiert wurde). Und eines ist in<br />

Liechtenstein glasklar, kein Richter würde einen solchen Wink von ihm<br />

übersehen. Das bedeutet, dass alles schon vorher abgesprochen worden<br />

war. Unter Ausschluss meiner Person natürlich. Ich war schon wieder in<br />

die Irre geführt worden. Aber warum? Um mich auf die Palme zu<br />

bringen? Warum hatte Hans-Adam zuerst geschrieben, dass er eine<br />

Begnadigung OK finden würde. Dann wurde mir dieses Schreiben unter<br />

die Nase gerieben. Und später hatte das Gericht doch ein Nein<br />

empfohlen. Ergab alles keinen Sinn. Langsam aber sicher drehte ich<br />

durch.<br />

RA Müller versuchte mir zu erklären, dass man hier keine Logik<br />

anwenden könnte. Hans-Adam, bzw. nun Alois würden auf die<br />

535


Empfehlungen des Gerichts pfeifen und bei Vorlage des kompletten<br />

Gesuchs wie versprochen die Begnadigung durchziehen. Der<br />

Bankdirektor ballerte auf mich ein und sagte, dass dies nur ein<br />

Nebenschauplatz wäre. Wichtig sei die baldige und sicher kommende<br />

Strafverfolgung der Täter aus Argentinien. RA Müller ging sogar so<br />

weit, mich zu bitten, selber keine Aktenkopien aus meinen Fällen,<br />

inklusive des hängigen Gnadensgesuch (hängig da Alois noch nicht<br />

seinen Entscheid darüber gemacht hatte), beim Gericht einzusehen oder<br />

zu verlangen.<br />

Ja, Ja, Ja, antwortete ich darauf und meinte aber Nein, Nein, Nein. Bei<br />

genauerem Lesen der Gerichtsbeschlüsse (vom 11.5 und 18.5.) fand ich<br />

den wahren Grund, warum das Gericht ablehnend gegenüber einer<br />

Begnadigung stand. (Die Position der Staatsanwaltschaft zum<br />

Gnadengesuch war ja schon durch ihr Verhalten mir gegenüber in den<br />

vorangegangenen acht Jahren zementiert worden). Unscheinbar, fast<br />

nebensächlich war in den zwei Beschlüssen niedergeschrieben worden:<br />

Angesicht der in jüngster Zeit geführten öffentlichen Diskussion<br />

um die Gnadepraxis im Fürstentum Liechtenstein soll an dieser<br />

Stelle Fabrizy StPO zitiert werden<br />

Jetzt ging mir ein Licht auf. Wieder musste ich für etwas bezahlen, wo<br />

ich absolut nichts dafür konnte. Gerade in den Jahren seit der<br />

Jahrtausendwende hatte Hans-Adam vom seinem Recht zu Begnadigung<br />

exzessive Gebrauch gemacht. Praktisch jede und jeder vom Gericht in<br />

Liechtenstein Verurteilte stellte früher oder später ein Gesuch um<br />

Begnadigung an das Staatsoberhaupt. Normalerweise wurde ein solches<br />

Gesuch diskret behandelt. Die Öffentlichkeit erfuhr praktisch selten<br />

davon, trotz der im Grunde öffentlich geführten Gerichtsprozesse (nur<br />

bei Diebstählen von Daten wie im Fall Batliner, LLB und LGT wurde die<br />

Öffentlichkeit ausgeschlossen).<br />

Bei den Gnadenersuchen ging es oft darum, eine Reststrafe zu erlassen<br />

oder eine Haftstrafe in eine Geldbusse umzuwandeln. Oder auch die<br />

beschädigte Reputation eines verurteilten Mitgliedes der Hohen-Finanz-<br />

Welt aus Liechtenstein wieder aufzupeppen, indem man schnell den<br />

Eintrag ins Strafregister komplett löschte so dass der Betroffene wieder<br />

mit "reiner Weste" den Geldgeschäften nachgehen konnte.<br />

536


Seit dem Jahr 2002 wurden eine Reihe solcher Individuen vom<br />

Kriminalgericht zu Haft- oder anderen Strafen verurteilt. Häufig hatten<br />

diese Täter ihre Kunden betrogen. Und obwohl ihre Taten, bekannt<br />

geworden durch die Gerichtsprozesse, auch einen Imageschaden für die<br />

Branche und das Land verursacht hatten, zeigte Hans-Adam viel<br />

Verständnis und begnadigte viele davon. Ganz unschuldig waren die<br />

Gerichte dabei aber auch nicht. In den allermeisten (der bekannten) Fälle<br />

hatten sie während der Prozedur eines Gnadensgesuch eine positive<br />

Empfehlung für eine Begnadigung Richtung Schloss abgegeben. Oft<br />

rutschte auch jemand mit Erfolg durch die Begnadigungsmaschinerie,<br />

ohne dass der von ihm angerichtete (finanzielle) Schaden vollständig<br />

repariert worden war, wenn überhaupt. Meines Wissen fallen darunter<br />

auch die zwei Treuhänder in Vaduz, die 1999 von einem Berliner Gericht<br />

zur Verhaftung ausgeschrieben wurden und deren Auslieferung<br />

Deutschland beantragte. Liechtenstein hatte damals erfolgreich die<br />

Auslieferung abgewehrt und verhindert; mit der sensationellen<br />

Begründung, dass "eine Auslieferung gegen die Menschenwürde<br />

verstossen hätte".<br />

So dauerte es nicht lange, bis die ausländischen Medien Wind von<br />

solchen Begnadigungen bekommen hatten. Einerseits weil sich die<br />

geprellten Opfer lautstark wunderten, wie es möglich war, dass die<br />

gerade noch verurteilten Treuhand- oder Bankmanager schon wieder im<br />

Business sein konnten. Andererseits weil gewissen Insidern (darunter<br />

konkurrierende Treuhänder) im Land diese Begnadigungspraxis ein<br />

Dorn im Auge war. Je mehr Fälle in die Medien katapultiert worden<br />

waren, desto mehr erhitzte sich die Diskussion um das offenbar sehr<br />

barmherzige Engagement des Staatsoberhauptes in Sachen Straferlasse<br />

für Treuhänder und Bankmanager.<br />

Und ausgerechnet als meine Begnadigung, die ich selber weder<br />

beantragt noch erwünscht hatte, aktuell und an der Reihe war, hatte das<br />

Gericht bedenken, wieder eine Begnadigung positiv zu „empfehlen‚.<br />

Was für eine scheinheilige Begründung. Befürchtungen wegen eines<br />

imaginären Aufschreis des Volkes konnten in meinem Fall ja gar nicht<br />

vorhanden sein. Niemand kam zu Schaden, bzw. der angebliche<br />

Schaden in Spanien wurde ja beglichen. Kein Kunde der LGT Treuhand<br />

wurde belästigt. Mein Gerichtsprozess wurde ja auch unter dem dunklen<br />

Mantel der Nicht-Öffentlichkeit abgehalten. Aber, ich hätte halt Anfang<br />

537


2003 die Justiz nicht der Inkompetenz und des Machtmissbrauchs<br />

beschuldigen sollen.<br />

In der zweitletzten Maiwoche konfrontierte ich den Bankdirektor mit<br />

diesen Fakten. Er sagte nur, dass ich ignorieren sollte, was das Gericht<br />

oder die Staatsanwaltschaft geschrieben hatten. Hans-Adam hätte ihm<br />

und dem Professor bei der letzten Audienz am 6.4. persönlich bestätigt,<br />

dass er seinen Sohn Alois anweisen würde, die Begnadigung gemäss<br />

Rechtsanwalt Müllers Antrag zu bewilligen. Der Antrag sei ja vorher (im<br />

Detail) zwischen dem Anwalt und dem Trio Hans-Adam, Bankdirektor<br />

& Professor abgesprochen worden.<br />

Na dann ist es ja gut, sagte ich, nicht ganz überzeugt von der Sache. Bei<br />

dieser Gelegenheit hatte ich dem Bankdirektor mitgeteilt, dass ich Ende<br />

Mai ausziehen würde. Er fragte, warum ich es auf einmal so eilig hätte;<br />

ich könnte ruhig bis Ende Juni oder gar Juli bleiben. Es hätte sich ja alles<br />

etwas nach hinten verschoben. Ich erwiderte, dass es doch offenbar der<br />

Wunsch von Hans-Adam wäre, dass ich mich von seinem Land für eine<br />

Weile fern halte. Ich möchte ihn nicht verärgern; sonst würde er noch<br />

seine versprochene juristische Unterstützung zurückziehen. Wohin, fragt<br />

der Bankdirektor. Ich erlaubte mir ein Scherz und sagte zwei Stockwerke<br />

höher. Nein, zuerst in ein möbliertes Zimmer in der Schweiz. Die<br />

Schweiz? fragte er.<br />

Ja, Zürich und dann nach Spanien. Dort würde man mich sicher<br />

brauchen, wenn man den Startschuss für die Strafverfolgung von<br />

Helmut & Co. abgeben würde. Er schwieg und nickte bedeutungslos mit<br />

dem Kopf. Ich fragte, ob ihm eine Wohnungsübergabe am 1. Juni recht<br />

wäre. Ja, OK, meinte er. Alois hätte sicher bis dann die Begnadigung<br />

erledigt. Zudem hätte die LGT sowieso eine Kündigungsfrist von 3<br />

Monaten. Eventuell würden sie aber die Wohnung auch für ihr Personal<br />

behalten.<br />

In der letzten Maiwoche erledigte ich noch ein paar administrative<br />

Aufgaben. Ich bezahlte meine wenigen Steuern und meldete mich bei<br />

der Gemeinde Vaduz per 1.6.’05 ordnungsgemäss ab, und zwar nach<br />

Barcelona. Obwohl ich zuerst einige Zeit in der Schweiz bleiben wollte,<br />

hatte ich geplant, spätestens Ende August in Barcelona einzutreffen. Ich<br />

reinigte die Wohnung von oben bis unten und stattete dem Grab meines<br />

Vaters einen letzten Besuch ab.<br />

Die letzten 3 Tage besuchte ich meine Freunde und verabschiedete mich.<br />

Ihnen war es schon seltsam vorgekommen, dass ich so rasch "wegziehen<br />

538


wollte‚, ja überhaupt weg wollte. Aber eben, ich konnte ihnen nichts von<br />

meinem Parallelleben erzählen. Nicht das ich es nicht wollte, aber es war<br />

besser so. Einige hätten es sicher verstanden.<br />

Am 1. Juni 2005, nach einem Jahr und 11 Monaten übergab ich dem<br />

Bankdirektor wieder den Wohnungsschlüssel und bedankte mich für die<br />

Gastfreundschaft der LGT. Er bedankte sich auffallend stark für mein<br />

gutes und vorbildliches Verhalten in den letzten 23 Monaten und<br />

versprach mir, mich sofort anzurufen, wenn die gute Neuigkeit vom<br />

Schloss herunter gemeldet würde. Er entschuldigte sich dafür, dass sich<br />

leider alles etwas verzögert hatte. Ob er mir eine Fahrt zum Bahnhof<br />

anbieten könne, fragt er mich. Nein danke. Ein Bekannter würde mich<br />

zum Bahnhof in Sargans bringen. Ich winkte ihm solange zu, bis der<br />

Bankdirektor mit seinem Auto hinter der Kurve verschwand. Ich<br />

verabschiedete mich bei meinen Nachbarn im Haus. Es waren sehr<br />

angenehme Nachbarn und ich war ebenso angenehm für sie. Mein<br />

Fahrer kam und wir luden meine von sieben auf zwei reduzierten<br />

Sachen ein.<br />

Ich wollte noch durch das Zentrum von Vaduz spazieren gehen. Die<br />

Szene wie eh und je. Touristen, die den scharf kalkulierten 22-Minuten-<br />

22-Sekunden-Bus-Stop nutzten, um Fotos zu schiessen oder Briefmarken<br />

und Souvenirs mit dem Foto von Hans-Adam und seiner Familie zu<br />

kaufen. Dazu ausländische, furchtlose Bank- oder Treuhandkunden, die<br />

sich immer noch mit dem eigenen Wagen nach Vaduz trauten und auch<br />

noch den Mut hatten, in den Tiefgaragen der Banken oder<br />

Treuhandfirmen zu parken. Und dazwischen das einheimische Volk.<br />

Frieden auf Erden.<br />

Nachdem wir auf der Rheinbrücke die offene Grenze zur Schweiz<br />

überquert hatten, bat ich den Fahrer anzuhalten. Ich stieg aus, drehte ich<br />

mich um und schaute Richtung Vaduz und Schloss. Ich blieb eine ganze<br />

Weile an derselben Stelle stehen. Wieder einem Wunsch von Hans-<br />

Adam entsprochen. Fast wollte ich ihn vom Handy aus auf dem Schloss<br />

anrufen. Vielleicht wäre er ja zu Hause gewesen. Besser nicht. Bald<br />

würde ich ja Gutes von den „von Liechtenstein‚ hören.<br />

Während ich am rechten Zürichseeufer in meinem kleinen, aber sehr<br />

gediegenem möbliertem Zimmer einrichtete, erhielt ich einen Anruf vom<br />

Bankdirektor. Ob ich man mich am Samstag, oder Sonntag in Zürich<br />

treffen könnte. Ja klar, selbstverständlich. Es ginge um den anderen Fall,<br />

mehr könne er am Telefon nicht sagen. OK, sagte ich.<br />

539


Als ich zum vereinbarten Treffpunkt in der City eingetroffen war,<br />

warteten drei Personen auf mich. Das ist aber ein grosses<br />

Besuchskomitee, sagte ich. Nebst den zwei "üblichen Verdächtigen‚<br />

(Bankdirektor und Professor) war eine mir unbekannte Person<br />

anwesend. Dieser hatte einen starken südwestdeutschen Akzent, ein<br />

Schwäbele vielleicht. Ich wurde um meine Meinung zum LLB Fall<br />

gefragt. Dies erstaunte mich insofern, da man ja wusste, dass Lampert<br />

verurteilt und sicher in einem österreichischen Gefängnis verwahrt war.<br />

Der Deutsche zeigte mir einen mit hastiger Hand geschriebenen Brief. Es<br />

war nicht das Original. Die Briefkopie hatte auch kleine Vermerke und<br />

verschiedene Stempelabdrucke. Ich durfte den knapp 2-seitigen Brief<br />

durchlesen. Es war ein Brief von Roland Lampert, den er erst vor kurzem<br />

aus dem Gefängnis in Garsten geschrieben hatte. Die Stelle, wo<br />

vermutlich das Datum war, war mit einem Post-It-Kleber verdeckt. Der<br />

Brief war an das Fürstenhaus gerichtet (wenn ich mich richtig erinnere,<br />

nur an Alois). Lampert schilderte darin, dass er über seinen Anwalt<br />

(oder nur "sein Anwalt") schon Kontakt mit den deutschen Behörden<br />

aufgenommen hätte und wenn man ihn nicht sofort frei lassen würde -<br />

ich glaube, er wollte dafür komplett begnadigt werden - so drohte er,<br />

diesem Anwalt mitzuteilen, dass dieser alle Kopien den Deutschen<br />

übergeben werden sollte. Er erwähnte auch etwas von Drohungen an die<br />

Kunden. Er, Lampert wolle dies alles nicht tun, aber das Fürstenhaus<br />

würde ihn dazu zwingen, sollte man ihn nicht sofort freilassen.<br />

Ich fand es schon erstaunlich, dass Lampert immer noch versuchte seine<br />

Erpressung durchzuziehen. Und dies auch noch aus dem Gefängnis<br />

raus. Ich fragte die Herren, warum sie den Brief mir zeigen würden. Sie<br />

wollten wissen, ob ich denke, dass Lampert die Daten, oder alle Daten<br />

noch hatte. Ich fragte dann, ob Lampert einen Beweis dafür geliefert<br />

hatte, dass er sie noch besitzen würde. Oder man irgendwas schon in<br />

Richtung publik gemachte Daten gesehen oder gehört hätte.<br />

Nein, den Beweis habe er nicht erbracht, war die Antwort. Aber es<br />

wären Kunden von Unbekannten angesprochen worden oder sie hätten<br />

„Post‚ erhalten. Dann muss Lampert wohl Komplizen haben, da er ja<br />

hinter Gitter sitzt, sagte ich. Hätte ich an jenem Tag schon gewusst, was<br />

in Kürze auf mich selber zukommen würde, hätte ich den folgenden Satz<br />

nie so formuliert: „In Bezug auf Lampert wäre ich schon immer der<br />

Meinung gewesen, dass er sich sicher eine Kopie der Daten irgendwo<br />

aufbewahrt hatte. So wie ich es in meiner Denkschrift für Hans-Adam als<br />

Theorie festgehalten hatte.‚<br />

540


Sie fragten mich, ob ich denken würde, dass Lampert wirklich schon –<br />

mit oder ohne Anwalt – mit irgendwelchen Behörden aus Deutschland<br />

gesprochen haben könnte. Ich war überzeugt, dass dem nicht so wäre. Er<br />

hätte ja den alleinigen Fokus auf dass Erpressen von Geld gehabt. Da<br />

ihm dies nicht gelungen war und er stattdessen im Gefängnis landete,<br />

versuchte er offenbar sich in die Freiheit „raus zu erpressen‚.<br />

Man erzählte mir auch, dass man den Komplizen in Deutschland auf den<br />

Fersen wäre; entweder war die Mithilfe einer Deutschen<br />

Wirtschaftsdedektei (ESPO oder EPOS) schon im Gang oder noch in der<br />

Planung.<br />

So, so, sagte ich. Warum verhaftet man sie den nicht. Geht ja nicht,<br />

wurde ich schnell wieder erinnert. Die Liechtensteiner Art und Weise<br />

solche Probleme zu lösen sehe ja nicht vor, dass man die deutschen<br />

Behörden einschalten konnte oder wollte. Was ja auch wieder logisch<br />

war. Zum Abschluss sagte ich nur, dass dem Schreiben nach zu urteilen<br />

Lampert sehr verzweifelt wäre und man mit dem schlimmsten rechnen<br />

müsste. Man bedankte sich für meine Hilfe und so schnell wie sie nach<br />

Zürich gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder weg.<br />

Eigentlich hatte ich keine Zeit und Lust grosse Gedanken an den LLB-<br />

Fall zu verlieren. Ich hatte genug mit meiner Angelegenheit zu tun.<br />

Im Steuerparadies hatte Alois am 6.6.’05 die Zeit gefunden, um einen<br />

Entscheid zu fällen. Seine Sekretärin schickte dem OG ein kurzes<br />

Schreiben:<br />

Darf ich Sie bitten, Herrn Heinrich Kieber über den Entscheid<br />

Seiner Durchlaucht des Erbprinzen, der auf Seite 2 dieses Briefes<br />

nochmals aufgeführt und mit Unterschrift bestätigt wird, zu<br />

informieren.<br />

Ich wusste noch nichts davon. Niemand informierte mich. Aber am 7.6.<br />

war ich zufällig aber sowieso wieder in Vaduz. Ich hatte weder dem<br />

Bankdirektor noch dem Professor gesagt, dass ich an diesem Tag nach<br />

Liechtenstein kommen würde. Um 15:55 erhielt ich einen Anruf auf<br />

meinem Handy. Ein Bekannter aus dem Justizapparat erzählte mir, dass<br />

Post vom Schloss gekommen sei. Über den Inhalt wusste der Anrufer<br />

aber nicht Bescheid. Man hätte oder würde Anwalt Müller eine Kopie<br />

zukommen lassen. Solange wollte ich nicht warten. Freudig und sehr<br />

schnell begab ich mich zum Sekretariat des OG. Da ich dort ja kein<br />

Unbekannter mehr war, händigte man mir (alles legal) auf meine Bitte<br />

541


hin eine Kopie des Schreiben der Sekretärin von Alois samt dem Anhang<br />

aus. Ich setzte mich auf einen Stuhl.<br />

WAS? W-A-S ? Verdammt noch mal! Gottloses Gesindel! Ich fluchte wie<br />

ein Haufen Bauern, deren Schweine abgehauen waren. Auf Seite Zwei<br />

stand geschrieben:<br />

Entscheid:<br />

Dem Gnadengesuch des Heinrich Kieber vom 20.04.2005, ihm<br />

vollumfänglich Nachsicht von der mit Urteil des Fürstlichen<br />

Obergerichtes vom 07.01.2004, über ihn verhängten Strafe zu<br />

gewähren und ihn in diesem Sinne zu begnadigen, wird nicht<br />

stattgegeben. Demgegenüber wird aber einer Begnadigung dahin<br />

gehend stattgegeben, dass hinsichtlich der mit Urteil des<br />

Fürstlichen Obergerichtes vom 07.01.2004 (ON 79) verhängten<br />

Verurteilung des Gnadenwerbers nur beschränkte Auskunft aus<br />

dem Strafregister nach Art. 9 Abs. 1 Strafregistergesetz erteilt<br />

wird. Schloss Vaduz, 6. Juni 2005, In Stellvertretung des<br />

Landesfürsten: (gez. Alois, Erbprinz)<br />

542


KAPITEL 27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome<br />

Fast hätte ich mir die Zunge abgebissen, so wütend war ich.<br />

Fucking Shit! Die trieben mich wirklich zur Weissglut. Ich rannte raus<br />

und rüber zum Parkhaus der Gemeinde neben dem Gericht. Nach<br />

meiner letzten Enttäuschung hatte ich mir fest vorgenommen, mich<br />

zuerst einmal zu beruhigen und frische Luft zu schnappen, bevor ich<br />

irgendjemand anrufen oder besuchen würde. Diesen Vorsatz hatte ich<br />

dann auch schon wieder schnell über Bord geworfen. Ich hatte es satt,<br />

ständig verarscht zu werden. Was soll das ganze Scheisstheater? Zuerst<br />

brüten Hans-Adam und seine Rasselbande einen Plan nach dem anderen<br />

aus, erklären mir diese solange, bis ich meinen Widerstand aufgebe.<br />

Dann, nachdem Wochen oder gar Monate vergangen waren, stellte sich<br />

heraus, dass alles anders kam, als man es mir erklärt oder versprochen<br />

hatte.<br />

Ich wählte die Nummer vom Schloss. Die Flagge hing am Mast. Leider<br />

wären weder Hans-Adam noch Alois im Hause, wurde mir höflich aber<br />

forsch mitgeteilt. Ich wurde gefragt, welches denn mein Anliegen wäre.<br />

Ich sagte, dass ich gerade den negativen Entscheid von Alois in den<br />

Händen halten würde und dies nicht nachvollziehen könnte. Man würde<br />

dies den Hochwohlgeborenen weiterleiten, sagte die Sekretärin und<br />

hängte ab. Keine zehn Minuten später war der Bankdirektor in der<br />

Leitung. Er war wohl vom Schloss gleich nach meinem Anruf kontaktiert<br />

worden, was er aber mir nicht erzählte. Woher ich vom einen Entscheid<br />

von Alois wüsste, fragte er mich. Er hätte noch nichts gehört oder<br />

gesehen. Höchstpersönlich vom Gericht. Vom Gericht? Ich sei doch in<br />

der Schweiz, fragte er. Nein, offensichtlich nicht, erwiderte ich. Ich<br />

möchte mich mit ihm oder dem Professor sofort treffen, verlangte ich.<br />

Heute ging es nicht mehr, aber eventuell am Donnerstag oder am<br />

Freitag. OK sagte ich, je früher desto besser. Ich glaube euch kein Wort<br />

mehr, sagte ich. Ich bat ihn noch, mich sofort anzurufen, wenn er wüsste,<br />

wann sie Zeit hätten.<br />

Das Treffen mit den Beiden diente dann mal zur Abwechslung als Ventil<br />

für mich. Ich fragte die beiden, ob ich offen mit ihnen sprechen könnte.<br />

Ja, erwiderten beide. Wie immer, fügten sie hinzu. Ich hielt ihnen den<br />

Entscheid von Alois unter die Nase und verlangte eine Erklärung. Mir<br />

ging es überhaupt nicht um die Tatsache, dass es keine Löschung aus<br />

dem Strafregister gab oder dass nun eine beschränkte Auskunft erteilt<br />

543


würde. Ob ich nun einen Eintrag im Strafregister hatte oder nicht –<br />

deswegen ging die Welt, meine Welt nicht unter. Es ging um die<br />

Glaubwürdigkeit der Hochwohlgeborenen. Hans-Adam hatte<br />

rundherum versichert, dass es eine Begnadigung im Sinne einer<br />

Löschung geben würde. Und dann - das Gegenteil geschah, beklagte ich<br />

mich. Seit ich den Professor kennen gelernt hatte, predigte er immer und<br />

immer wieder davon, dass man die ganze Angelegenheit aus der<br />

Vogelperspektive sehen muss. Ich nahm diese Symbolik zum Anlass und<br />

bat die beiden mir ein paar Minuten ununterbrochene Redezeit zu<br />

gewähren. Ich würde nun meine, oder besser gesagt die Situation als<br />

Aussen-Sehender rekapitulieren, sagte ich. Man stelle sich also vor:<br />

Es waren jetzt fast 2 Jahre vergangen und es wurde nicht ein einziges<br />

Blatt geschrieben, nicht ein einziges Fax verschickt, nicht ein einziger<br />

Anruf gemacht, nicht einen einziger Rechtsanwalt für die<br />

Strafverfolgung angeheuert, nicht eine einzige Anzeige neu vorgelegt<br />

oder neu eingereicht, mit keiner ausländischen Staatsanwaltschaft<br />

gesprochen – Nicht, Nichts, Nichts und nochmals Nichts.<br />

Ich kam so richtig in Fahrt, da wollte mich der Bankdirektor schon<br />

wieder unterbrechen. Ich redete einfach weiter. Er verstummte dann<br />

schnell. Ich erinnerte sie daran, dass ich alles, ja jede einzelne Bedingung,<br />

die sie mir in Holland gestellt hatten, erfüllt hatte. Selbst als nach meiner<br />

Rückkehr nicht nur die vorher vereinbarten Punkte & Vereinbarungen<br />

ständig von ihnen abgeändert wurden, sondern auch neue<br />

dazugekommen waren, hatte ich mich untergeordnet und alles<br />

geschluckt. Ich hatte zu allem was das Gericht in Vaduz mir<br />

„vorgeworfen‚ hatte, Ja und Amen gesagt. Obwohl der weitaus grösste<br />

Teil davon nicht stimmte, weder aus der objektiven noch subjektiven<br />

Sicht. Und ich schrie sie weiter an: Sie sollen jetzt ja nicht auf die Idee<br />

kommen, mir die bizarre Verwandlung von 4 Jahre Haft in 1 Jahr auf<br />

Bewährung als Meisterleistung verkaufen zu wollen.<br />

Ich beschuldigte sie alle, dass sie schon vorher wussten, dass das LG<br />

mich zu vier Jahren Haft verurteilen wird, weil das von Hans-Adam so<br />

angeordnet wurde. Um mir Angst einzujagen. Um mich mundtot zu<br />

machen. Und der Plan war ihnen super gelungen. Ich hatte ja keine<br />

Chance. Es wurde mir ja nicht erlaubt, mich wirklich zu verteidigen. Mit<br />

einem echten Verteidiger hätte ich nie und nimmer eine Haftstrafe<br />

bekommen. Um das zu Erkennen, muss man nicht nur einen Blick auf<br />

544


den LLB-Fall und jenem Strafurteil werfen. Ich warf ihnen auch vor,<br />

mich psychologisch raffiniert massiv manipuliert zu haben, so dass ich<br />

selber die Fortsetzung der Strafuntersuchung gegen die Täter aus<br />

Argentinien im August 2003 beendete. Und sie mich anschliessend – und<br />

dies zeitweise auch mit Erfolg – überzeugen konnten, dass ich selber<br />

(überhaupt) nichts (mehr) gegen die Täter unternehmen soll.<br />

Und während es ihnen vom Januar bis Juni 2003 logischerweise nicht<br />

schnell genug gehen konnte, bis ich wieder zuhause war, hatte die<br />

Devise in den letzten knapp 2 Jahren gelautet: „Nur nichts überstürzen‚.<br />

Ihr Hintergedanke dabei war, je länger es dauerte, bis alles nach ihren<br />

Ideen geregelt wäre, desto mehr Gras würde über die Sache gewachsen<br />

sein. Über die Daten und die Leichen im Keller der LGT. Dies besonders<br />

im Hinblick auf das Wissen, dass ich im Kopf hatte. Je länger sie mich an<br />

der Leine halten konnten, je länger sie mich kontrollieren konnten und je<br />

länger sie mich im falschen Glauben lassen konnten, desto kleiner würde<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich dem Ausland mit meinem Wissen<br />

offenbaren könnte.<br />

Das Wissen würde ja quasi mit mir altern. Ich fragte sie, ob sie denn<br />

glauben würden, ich wäre ein Idiot. Nein, antworteten sie synchron. Ich<br />

sagte ihnen, dass es in dieser Geschichte einen grossen Esel gab. Ob ich<br />

Hans-Adam damit meinen würde, fragten sie mich. Nein, sagte ich.<br />

Dieser Esel lief gemächlich Jahrelang einer Karotte nach, die vor seiner<br />

Nase an einer Schnur hing. Erst als er alt und schwach war, erkannte er,<br />

dass die Karotte auch alt und verwelkt war und er sie nie essen könnte.<br />

Dieser Esel war ich gewesen. Die Karotte war das Versprechen, das Wort<br />

von Hans-Adam, dass er mir höchstpersönlich am 9.7.’03 gegeben hatte.<br />

Ich weigere mich weiterhin zu glauben, dass er sein Wort einhalten<br />

würde, sagte ich den zwei geradewegs ins Gesicht – und ich denke<br />

sogar, dass er nie, nie, nie eine Sekunde daran gedachte hatte, mir zu<br />

helfen.<br />

Damit sie nicht wieder dachten, dass dies wieder einer meiner<br />

kurzzeitigen Momente war, wo ich an nichts und niemanden mehr<br />

glaubte, wiederholte ich meine zwei letzten Sätze sicher fünf Mal. Der<br />

Bankdirektor wollte wieder etwas zur Verteidigung sagen. Ich ignorierte<br />

dies und redete einfach weiter. Was in den vergangenen Monaten seit<br />

Juli 2003 auf den ersten Blick als generöses Entgegenkommen, als Güte<br />

gegenüber meiner Person erscheinen könnte, hatte sich in Wahrheit als<br />

545


falsches Spiel herausgestellt. Fast hätte ich dann gesagt, dass ich es Hans-<br />

Adam und seiner Truppe nicht einmal übel nehmen würde; vielleicht<br />

mussten sie so handeln.<br />

Dann kam mir aber in den Sinn, dass der Professor mir während den<br />

zahllosen Sitzungen eingetrichtert hatte, dass ich mit zwei Sachen<br />

aufhören muss: A). Immer eine Entschuldigung für das (schlechte)<br />

Verhalten anderer zu suchen und B) meinen Beitrag zur Konfliktlösung<br />

und zur Verhinderung der (100 Prozent)-Katastrophe klein zu reden.<br />

Ich sagte stattdessen, ich wäre sehr enttäuscht und verbittert und das ich<br />

schon lange den Verdacht hatte, hier stimme etwas nicht. Der<br />

Bankdirektor sah gar nicht mehr gut aus. Er fühlte sich auch etwas<br />

unwohl. Als er sich zu einer Antwort zusammenraffte, merkte man, dass<br />

er mit jedem Wort Mühe hatte, das über seine Lippen kam. Ich hatte ihm<br />

gar nicht mehr zugehört. Ich starrte nur auf den 2-Seiten Brief von Alois<br />

in meinen Händen. Der Professor stand auf und ging rüber zum<br />

Bankdirektor am Ende des Tischs. Sie flüsterten etwas. Der Bankdirektor<br />

verwickelte sich in eine verbale Auseinandersetzung mit dem Professor.<br />

Dabei blieben beide immer noch leise. Der Professor war über das, was<br />

er hören musste, eindeutig nicht erfreut.<br />

Ich blickte beide an und wusste instinktiv, dass ein Desaster folgen<br />

würde. Der Professor setzte sich an seinem Platz zurück. Die<br />

Sternstunde der Wahrheit hatte angefangen. Am Ende der nächsten fünf<br />

Sekunden hatte ich das Gefühl, als würde ich gerade auf dem Schafott<br />

liegen und das Fallbeil wurde nach unten losgeschickt.<br />

Der Professor sagte: OZA- ‚Es gibt keine Hilfe von Hans-Adam. Mehr<br />

wüsste er und könne er auch nicht dazu sagen" – OZE. Ich wusste es,<br />

schrie ich, ich wusste es. Ich schrie sie an. Ich schlug zuerst mit den<br />

Fäusten und dann, als meine Handknochen zu sehr schmerzten, mit<br />

beiden flachen Händen so heftig und so lange auf den Tisch, bis die fast<br />

volle Mineralwasserflasche aus Glas und alle unsere Gläser umfielen.<br />

Meine Hände taten mir noch Tage danach weh und zeigten grosse blaue<br />

Flecken.<br />

Ich wusste es, ich wusste es, schrie ich immer noch.<br />

Der Professor konnte meine Reaktion nachvollziehen.<br />

Der Bankdirektor wurde kreidebleich und war so betroffen, dass er –<br />

ohne Übertreibung – Tränen in den Augen hatte. Eine Träne war wohl<br />

für mein Schicksal und die anderen 99 weil er befürchtete, dass ich mich<br />

546


ächen würde und in einer Kurzschlusshandlung mit den ausländischen<br />

Medien oder noch schlimmer, mit der deutschen Regierung reden<br />

könnte. Nicht, dass ich so etwas angedeutet hatte. Ich hatte mich gehütet,<br />

zu verraten, was meine brutale Rache sein könnte, über die ich schon seit<br />

Monaten Alpträume hatte.<br />

Der Groschen ist gefallen, wie man so schön sagt. Wie ich mich hatte<br />

täuschen lassen. Wieder reingelegt. Wieder verarscht, sagte ich nur.<br />

Obwohl ich derjenige gewesen war, der einen vollen Liter Baldrian am<br />

nötigsten gebraucht hätte, mussten der Professor und ich uns dann auch<br />

noch dringend um den eigentlich sehr zähen Bankdirektor kümmern. Es<br />

sah so aus, als würde dieser einen Herzinfarkt erleiden. Der Professor<br />

redete auf ihn ein, dass er sich beruhigen solle. Ich dachte nur, mein<br />

Gott, was würde passieren, wenn ich dem jetzt aus heiterem Himmel<br />

verraten würde, dass ich die verdammten Kundendaten und mehr sicher<br />

in einem Schweizer Tresorfach verstaut hatte. Gar nicht auszudenken.<br />

Dann könnte man gleich den Leichenwagen rufen und einen<br />

Krankenwagen für den Professor dazu.<br />

Der Bankdirektor hatte mir irgendwie wirklich Leid getan. Sicher, er war<br />

vom Establishment, er war ein Banker. Aber ich war all die Jahre, die ich<br />

ihn kannte, davon überzeugt, dass er in der falschen Branche arbeitete.<br />

Er stammelte etwas davon, ob ich ja nichts den Medien oder den<br />

Deutschen erzählen würde. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, hatte<br />

der Professor schon für mich geantwortet: Nein, nein – das wird er sicher<br />

nicht tun. Nein, nein sagte ich auch. Was sollte ich sonst auch sagen. Der<br />

Grund warum er unter einer Heidenangst gelitten hatte, lag daran, dass<br />

er meine Wut und Enttäuschung zu 100 Prozent nachvollziehen konnte.<br />

Er und der Professor. Nachdem sie mich praktisch über 2 Jahre<br />

begleitetet hatten, begleiten mussten. Er hatte mich noch nie so geschockt<br />

gesehen. Und erst meine Augen.<br />

Dann hatte der Bankdirektor die glorreiche Idee, mich zu fragen, ob ich<br />

Geld fürs Ausland brauchen würde. Geld? Von Hans-Adam? Ich war<br />

nicht erstaunt, aber sehr erbost über diese Frage. Wie konnte Hans-<br />

Adam denken, dass er sich aus dieser verdammten Affäre mit Geld<br />

retten könnte? Mit Geld, das er auf Kosten vieler anderer Länder<br />

angescheffelt hatte, sagte ich. Fuck das Geld, schrie ich. Er könne dem<br />

Landesführer mitteilen, dass er sich sein Geld in den Arsch stecken kann,<br />

547


sagte ich wörtlich. Im Gegenteil, ich forderte sie auf: Sie sollen mir die<br />

Rechnung für die ganze Operation zukommen lassen, egal wie viel der<br />

Professor, die Reisen, die Schnüffler, die Zeit vom Bankdirektor, der<br />

Druck der Schutz-Pässe gekostet hätte, ich würde es die nächsten 20<br />

Jahre zurückzahlen. Der Bankdirektor wollte dies schon wieder als Teil<br />

eines Racheplans ansehen und flehte mich im Namen der Kunden an,<br />

nichts zu unternehmen. Ich antwortete darauf, dass er gerade Schwein<br />

gehabt hätte und dies trotz der sehr untragbaren Situation für mich.<br />

Hätte er nämlich gesagt, ich soll im Namen der Hochwohlgeborenen<br />

nichts unternehmen, dann wäre das Fass explodiert.<br />

Der Professor meinte dann, ich sollte den Bankdirektor jetzt nicht für<br />

voll nehmen. Erstaunlicherweise war ich selber schnell wieder ruhiger<br />

geworden. Hauptsächlich darum, weil ich im Unterbewusstsein schon<br />

seit langer Zeit wusste, dass man mich wohl nach Strich und Faden<br />

belogen hatte und um die Gerechtigkeit betrogen hatte. Ich wartete nur<br />

irgendwie darauf, meinen Verdacht bestätigt zu bekommen. Es dauerte<br />

eine ganze Weile, bis es dem Professor gelang, den Bankdirektor wieder<br />

auf eine normale, stabile Herzschlagfrequenz zu bringen.<br />

Ehrlich gesagt, war ich zu verstört, um jetzt an einen Fahrplan für Rache<br />

zu denken. Eines wusste ich aber intuitiv: Ja nichts andeuten oder<br />

anmerken lassen, dass ich die Gelegenheit zur ultimativen Rache hatte.<br />

Auf keinen Fall. Weder jetzt noch in der kommenden Zeit. Ganz im<br />

Gegenteil. Meine Zeit würde noch kommen. Man bat mich doch bitte<br />

ihnen das Schreiben (der negativer Gnadensbeschluss) von Alois<br />

auszuhändigen. Sodass ich es nicht ständig lesen würde und darüber<br />

enttäuscht sein würde. Eine komische Bitte, dachte ich. Und während ich<br />

es ihnen über den Tisch schoss, entschloss ich mich, dass ich wieder zum<br />

Gericht nach Vaduz reisen würde, um mir eine neue Kopie zu holen.<br />

Wie es denn jetzt weiter gehen soll, fragte ich. Der Bankdirektor war<br />

immer noch geistig abwesend. Der Professor antwortete, dass man erst<br />

einmal alles überschlafen soll. Mich überkam dann auch das starke<br />

Gefühl, dass ich weg, weg von dem allem muss. Ich verabschiedete mich<br />

höflich. Es hatte keinen Sinn mehr, auf die zwei einzudreschen. Ich hatte<br />

alles gesagt, was ich sagen wollte. Sie hatten mir auch nichts mehr zu<br />

sagen. Natürlich wollten sie mit mir weiter in Kontakt bleiben und die<br />

ganze Sache später nochmals durchkauen. Hier gibt es nichts mehr zu<br />

kauen, dachte ich. Weil ich nicht wusste, wie Hans-Adam auf die<br />

Ereignisse reagieren würde, hatte ich etwas Angst. Ich hoffte, dass mein<br />

548


Verhalten ihn nicht misstrauisch machen würde. Und er Angst<br />

bekommen könnte und dann zu einer Radikallösung greifen würde. Mit<br />

dem Versprechen, dass wir alle in Kontakt bleiben würden, ging jeder<br />

seine eigenen Wege weiter.<br />

In meiner Unterkunft abgekommen, setzte ich mich hin und musste<br />

weinen. Eindeutig hatten sie sich auf diesem Moment nicht gut<br />

vorbereitet, dachte ich zuerst. Nein, ich denke sie hatten sich überhaupt<br />

nie auf einen solchen Moment vorbereitet. Es war in ihrem bösen Plan<br />

nicht vorgesehen, mir ins Gesicht zu sagen, dass Hans-Adam auch sein<br />

grösstes und wichtigstes Versprechen NICHT einhalten würde. Man<br />

erhoffte sich anscheinend, dass die Zeit schon selber alles regeln würde.<br />

Ganz klar erkennbar war auch, dass Hans-Adam nie bewilligte hatte, nie<br />

bewilligen würde, mir verblümt oder offen zu sagen, dass er gar nie ein<br />

Interesse hatte, die Täter aus Argentinien der gerechten Strafe<br />

zuzuführen. Es waren ausschliesslich die vorherrschenden Umstände,<br />

die beim letzten Treffen dazu führten, dass der Bankdirektor dem<br />

Professor die Wahrheit gesagt hatte und man es mir offenbarte. Als ich<br />

mich erholt hatte, analysierte ich alles genauer.<br />

Selbst als ich im April 2004 (die Beschlagnahmung meines Computers)<br />

traurig erkennen musste, dass da immer noch starke Kräfte gegen mich<br />

sind, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass es noch schlimmer<br />

werden würde. Das tatsächliche Abhören meiner Unterkunft. Die<br />

ständigen Ausreden. Das Theater mit der Begnadigung. Unverblümt<br />

hätte es mir schon in der 2. Jahreshälfte 2004 definitiv einleuchten sollen,<br />

dass Hans-Adam sein Wort nicht halten würde, nie halten wollte. Auf<br />

gut Deutsch, er hatte mich angelogen. Das war die Realität. Aber eben,<br />

wie so oft im Leben, man will einfach der Wahrheit nicht ins Auge<br />

blicken. Selbst wenn sie einem dicht vor der Nase klebt. Ich hatte so fest<br />

an seine Worte geglaubt.<br />

Es nützte nichts, je mehr ich versuchte, den Grund zu finden, warum er<br />

mich in die Irre geführt hatte, ich kam nicht darauf. Die richtige Antwort<br />

auf diese Frage konnte ich nie finden. Nur er alleine kann diese Frage<br />

beantworten. Einmal dachte ich, dass er sich die Freiheit genommen<br />

hatte, mich ab dem 1.7.03 auch anzulügen, weil ich es gewagt hatte, ihn<br />

zu bestehlen (Daten), zu kränken (Brief vom 7.1.03) und bloss zu stellen<br />

(Leichen der LGT). Ich kam zum Schluss, dass dies nicht der Fall sein<br />

konnte. Er, Hans-Adam würde sich selber nie so tief runterlassen. So<br />

dachte ich damals.<br />

549


Ein andermal dachte ich, dass er vielleicht glaubte, übertriebene<br />

Versprechungen machen zu müssen, um meine emotionale Welt wieder<br />

in Ordnung bringen zu müssen. Dann kam ich zum Schluss, dass dies<br />

auch nicht der Fall sein konnte. Sonst hätte er diesbezüglich schon lange<br />

reinen Tisch mit mir gemacht. Entweder er selber oder durch seine<br />

Gesandten, sollte er sich um meine Reaktion darauf Sorgen machen.<br />

Dass er gelogen hatte, weil er sich bedroht gefühlt haben könnte, war<br />

ganz auszuschliessen. Es gab absolut keinen Grund, warum er sich<br />

bedroht hätte fühlen können.<br />

Seit meiner Rückkehr am 1.7.03 hatte ich mich ganz nach Diktat<br />

verhalten. Das ich ab und zu ihm oder dem Bankdirektor schreiben<br />

musste, war nicht zu vermeiden gewesen. Zudem hat er mir<br />

ausdrücklich erlaubt, ihn zu kontaktieren, sollte ich mich etwas<br />

bedrücken. Ich hatte mich absolut korrekt verhalten und über vieles<br />

hinwegsehen müssen, was nicht hätte passieren sollen oder dürfen. Der<br />

berühmte Spruch „Die Zeit heilt die Wunden‚ kann als Erklärung hier<br />

auch nicht herhalten. Meine grösste Wunde wäre dann verheilt, wenn<br />

ich die Täter hinter Gittern sehen würde. Darüber gab es absolut kein<br />

Missverständnis. Der Professor konnte nichts dafür, wenn die aller<br />

meisten der (falschen) noblen Versprechungen, definitiven Zusagen und<br />

markigen Beteuerungen seitens Hans-Adams ab Juli 2003 nicht<br />

eingehalten worden sind.<br />

Ein paar Tage später hatte mir der Professor geschildert, dass er noch<br />

über 3 Stunden lang hart daran arbeiten musste, um den Bankdirektor<br />

von der Schreckensgespenst eines Verrats an die Deutschen oder Amis<br />

abbringen zu können. Getreu meinem bisherigen Handeln, besuchte ich<br />

am 14.6.’05 wieder das OG und holte mir eine neue Kopie des Schreibens<br />

von Alois. Acht Tage später, am 23.6. um 15:30 erhielt ich einen<br />

überraschenden Anruf vom Polizeichef Jules Hoch aus Vaduz. Oje,<br />

dachte ich. Jetzt würde Hans-Adam mir sicher mit der Polizei drohen,<br />

weil ich in Liechtenstein gewesen war. Aber er bestätigte mir nur, dass er<br />

eine Kopie des Gandenbeschlusses erhalten habe und er<br />

dementsprechend seine Abteilung instruiert habe. Ich bedankte mich bei<br />

ihm und seiner Truppe und wünschte ihm alles Gute.<br />

Im Sommer 2005 war ich noch zwei Mal wieder in Liechtenstein. Bei<br />

einem dieser Tagesbesuche hatte ich den Staatsanwalt Dr. Robert<br />

Wallner um die Mittagszeit alleine an einem Tisch auf der Terrasse vor<br />

dem Café des Kunstmuseum Vaduz sitzen sehen. Er war in eine Zeitung<br />

oder ein Magazin vertieft. Ich lief auf ihn zu und als er mich erkannte,<br />

550


erschrak er ein wenig. Nicht aus Furcht, sondern er war überrascht, mich<br />

hier in Liechtenstein zu sehen. Demonstrativ schüttelte ich fest seine<br />

Hand und bedankte mich für seine Bemühungen, das Spanien das Urteil<br />

anerkannt hatte. Er war ob meiner übermässigen Freundlichkeit sichtlich<br />

irritiert und wünschte mir fürs Ausland alles Gute. Meine weiteren vier<br />

Versuche, mit Hans-Adam am Telefon reden zu können, waren – wen<br />

wundert’s – alle ohne Erfolg. Er war wohl zu feige, mit mir zu reden.<br />

Mir wurde dann auf einmal auch bewusst, wie stark sich das<br />

Theaterstück um die Daten und Leichen all die Jahre nur innerhalb des<br />

Establishments, der herrschenden Gesellschaft in Liechtenstein<br />

zugetragen hatte. Die Ausgangssituation in meinem Fall war ja<br />

deswegen so aussergewöhnlich, weil der Ministaat Liechtenstein von<br />

den Hohen-Finanz-Herren (mit Hans-Adam an der Spitze) absolut<br />

regiert wird und die Herrschenden ihre Geldmaschinerie bis aufs Blut<br />

verteidigen. Sie hatten und haben absolut kein Problem damit, dafür ihre<br />

eigene Gesetze und die der internationalen Gemeinschaft zu<br />

vergewaltigen. Hätte ich etwa bei der UBS, CS oder in einer der<br />

grösseren Treuhandfirma in der Schweiz gearbeitet und hätte solche<br />

Daten dort entwendet und mich an die Schweizer Behörden gewandt,<br />

das Szenario wäre ganz anders raus gekommen. Die Schweizer<br />

Behörden hätten sicherlich zumindest die Leichensäcke mal geöffnet,<br />

reingeschaut und beim Anblick dessen, was darin so vor sich her<br />

verfault, eine Untersuchung gestartet.<br />

Der gigantische Vorteil für Liechtenstein war also, dass alle, - und das ist<br />

ja das Wahnsinnige daran - die Legislative, die Exekutive, die Judikative<br />

und das über allem (gemäss neuer Verfassung noch verstärkt) stehende<br />

Blaublut, sie alle zusammen in der Causa Kieber (ab dem 7.1.2003) nur<br />

ein Ziel hatten: Die schmutzigen Geschäfte der Hohen-Finanz-Herren<br />

"auf Teufel komm raus" zu beschützen. So etwas wäre undenkbar in der<br />

Schweiz, Österreich oder gar Deutschland. Sarkastischerweise ist am<br />

Ende der Teufel dieses Mal wahrhaftig raus gekommen.<br />

Interessanterweise hätte es in Liechtenstein auch keinen grossen<br />

Unterschied gemacht, wenn die Daten nicht von der LGT, dem Goldesel<br />

des Blaubluts und Staatsoberhauptes, sondern von einer anderen,<br />

weniger bekannten oder exponierten Treuhandfirma oder Bank gewesen<br />

wäre. Den Beweis für diese Schlussfolgerung können wir ja einmalig<br />

beim Fall LLB / R. Lampert sehen. Das fundamentalste Problem, dass<br />

Hans-Adam & Co. mit mir hatten, war, dass ich kein Geld für mein<br />

Schweigen wollte, sondern eine faire und gerechte, wenn auch komplexe<br />

551


Lösung für einen komplizierten, aber erstrebenswürdigen Gerichtsfall.<br />

Natürlich hätte auch ich davon profitiert, wenn Hans-Adam sein Wort<br />

gehalten hätte.<br />

Ich sehe das ein und stehe dazu. Man kann mir nun (theoretisch)<br />

vorwerfen, dass, hätte Hans-Adam sein Wort gehalten und die Täter aus<br />

Argentinien von einem Gericht in Spanien, Deutschland oder wo auch<br />

immer für ihre Straftaten verurteilt worden wären, ich am Ende auch<br />

eine Art Komplize von ihnen geworden wäre, zumindest was die<br />

Gruppe der Schweigenden betrifft. Ich bitte aber nicht zu vergessen, dass<br />

ich wie jeder Mensch nicht perfekt bin und in diesem Drama das<br />

schwächste Glied war, nebst der nicht zu unterschätzenden Tatsache,<br />

dass ich nur eine Privatperson bin. Ich hatte meine eigenen Probleme<br />

und lebte in meiner kleinen Welt. Ich war keine Regierung, kein<br />

Staatsoberhaupt, keine Staatsanwaltschaft, kein Richter. Ich war nie ein<br />

Banker, Treuhänder oder Besitzer einer solchen Firma, nicht einmal ein<br />

Kundenberater. Ich war in keiner der schmutzigen Geschäfte auch nur<br />

im Entferntesten verwickelt. Das Schicksal brachte mich in die LGT rein<br />

und wieder raus. Zugegeben, nie wäre mir damals in den Sinn<br />

gekommen, wirklich zum weissen Ritter für zahllose ausländische<br />

Behörden zu werden. Die persönlichen Konsequenzen waren einfach zu<br />

gefährlich.<br />

Aber eben, Wäre, Hätte! Hätte, Wäre!<br />

Hans-Adam hatte nicht! Hans-Adam wollte nicht!<br />

Schlussakkord:<br />

Bevor das Jahr zu Ende war, hatte mich das Schweizer Fernsehen schon<br />

wieder gefilmt. Einmal konnte ich mich von einer angefangenen<br />

„Befragung‚ (als fast zufälliger Passant) zu einem tragischen Ereignis in<br />

England wegschleichen. Hätte die Hochwohlgeborenen aus Vaduz mich<br />

in den Nachrichten gesehen, dann wüssten sie wo ich gewesen war und<br />

dies hätte einige Fragen aufgeworfen. Das andere Mal, in einer anderen<br />

Sache, wurde die Filmaufnahme meiner Person prompt ausgestrahlt. Für<br />

beide Male gilt: „Wer sucht, der findet‚.<br />

OK! Eine kleine Hilfe für meine Leser:<br />

Einmal war es beim Auftritt von dem Professor bei der Kurt<br />

Aeschbacher Shows. Ich sass im Publikum.<br />

552


KAPITEL 28 Listen, Listen - wer hat noch keine?<br />

Wer möchte noch welche?<br />

Eindeutig habe ich meinen Lesern aufzeigen können, dass ich die<br />

absolute Zuversicht haben durfte, dass Hans-Adam mir helfen würde.<br />

Zugegeben, mein Fall war aussergewöhnlich. Aber, zur Erinnerung: Er<br />

hatte mir sein Wort gegeben! Und es war das Wort von jemand, der<br />

dank seiner politischen und wirtschaftlichen Macht den Worten Taten<br />

hätte folgen lassen können. Ich war von Hans-Adam & Co. mehr als sehr<br />

enttäuscht. Jener Satz, den ich wie in Stein gemeisselt am 8.8.'03 am Ende<br />

meines Antrages an das Gericht auf Einstellung des Strafverfahrens<br />

gegen die Täter aus Argentinien nach meiner Unterschrift gesetzt hatte:<br />

„Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes Opfer‚,<br />

hatte ich zusammen mit einer der letzten Zeilen meiner Denkschrift vom<br />

Oktober 2003:<br />

Nie, nie einem T-B verlockende, verführende Versprechungen<br />

machen, die bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden<br />

können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch<br />

für alle,<br />

mir ausgedruckt und in einer Klarsichtmappe aufbewahrt. Ich konnte es<br />

nicht lassen und verbrachte Stunden damit, die Aktenberge zu der<br />

ganzen Geschichte immer wieder zu lesen. Mir war schon seit langem<br />

sternenklar, dass ich alleine, selbst wenn ich das nötige viele Geld dazu<br />

hätte, niemals den Kampf gegen die Verbrecher aus Argentinien<br />

aufnehmen kann. Darum war ja das Wort und Versprechen von Hans-<br />

Adam so immens wichtig für mich. Nur mit seinen exzellenten<br />

internationalen Verbindungen und Kontakten wäre es möglich gewesen,<br />

ohne Verzögerung und mit gehörigem Dampf die Täter in Spanien oder<br />

Deutschland verfolgen zu lassen. Das hat er mir selber bei der Audienz<br />

gesagt. Mein Denken war seit April 1997 von dem Wunsch, Verlangen<br />

und Drang dominiert, die Täter von Argentinien zur gerechten Strafe zu<br />

führen.<br />

553


Zusätzlich kamen dann ab Januar 2003 der enorme Druck und weitere<br />

emotionale Stress wegen des Briefs an Hans-Adam und der Daten dazu.<br />

Da waren es schon zwei gigantische Komplexe, mit denen ich irgendwie<br />

fertig werden musste. Um alles noch zu verschlimmern, kam 2005 die<br />

bodenlose Enttäuschung wegen dem „Dolchstoss‚ von Hans-Adam<br />

dazu. Das über 8 Jahre dauernde Gefecht hatte meine Schlagfertigkeit<br />

arg in Mitleidenschaft gezogen und vor allem wurde mein emotionales<br />

Verarbeitungspotential sehr stark beschädigt. Ich erkannte, dass ich die<br />

Durchhaltekraft für einen weiterführenden Kampf über Jahre hinweg<br />

unmöglich alleine hätte aufbringen können. Diese Einsicht war eine<br />

abscheuliche Pille, die ich schlucken musste.<br />

Ich möchte an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass ich meine<br />

eigene Taten, wie den Diebstahl der Daten und den Brief an Hans-Adam,<br />

weder verdrängen noch klein reden möchte. Ich finde aber, dass man<br />

mir deswegen nichts mehr vorwerfen kann. Ich war freiwillig nach<br />

Hause zurückgekehrt, wurde vom Gericht verurteilt und habe meine<br />

Strafe erhalten. Der angebliche finanzielle Schaden des Helmut Roegele<br />

wurde ausgemerzt. Der Haftbefehl wurde zurückgezogen und alle<br />

Verfahren (inkl. Spanien) wurden am Ende rechtmässig erledigt oder<br />

eingestellt. All dies ist für die Ewigkeit festgehalten.<br />

Wer wollte da mir im 2005 oder später noch etwas vorhalten? Niemand!<br />

Alle Beteiligten, namentlich Hans-Adam, sein Sohn Alois,<br />

Regierungschef Hasler und seine Truppe, Staatsanwalt Wallner plus<br />

Haun, die Chefetage der LGT Gruppe; sie alle sahen die Angelegenheit<br />

als erledigt an und für sie war es an der Zeit, sich wieder vollumfänglich<br />

dem Hauptgeschäft zu widmen: so viel wie möglich Geld<br />

zusammenscharren und aufzupassen, dass man dabei nicht erwischt<br />

und vom Ausland gestört wird. Während ich über Monate, ja Jahre<br />

vergeblich auf die Erfüllung des Versprechens von Hans Adam wartete,<br />

mir bei der Strafverfolgung von Helmut R. & Co zu helfen, blühte das<br />

Geschäft in Liechtenstein. Milliarden an frischen Kundengeldern flossen<br />

ins kleine Land.<br />

Ab und zu gab es einen winzigen Skandal, wenn ein Treuhänder oder<br />

Banker etwas unterschlagen hatte oder wenn – auf Grund der<br />

unermüdlichen Arbeit von ausländischen Behörden - da ein Milliönchen<br />

oder hier ein paar davon sich im Ursprung als Kriminell entpuppten.<br />

Immer wieder flackerte auch der Zivilprozess von Paul Schockemöhle in<br />

den Medien auf, der verzweifelt versuchte, seinen ehemaligen<br />

Treuhänder, den Dr.Dr. Batliner wegen dem Datenklau dort zu<br />

554


Schadensersatz zu zwingen. Er hatte leider von Anfang an nie eine<br />

Chance (siehe auch Kapitel 35). Die Regierung Hasler und der Clan der<br />

von Liechtenstein waren immer schnell zu Stelle, um medienwirksam<br />

die Sauberkeit des Finanzplatzes gebetsmühlenartig zu proklamieren<br />

und das Ausland zu belehren.<br />

Im kleinen Ländle wurde weiter gewurschtelt, als hätte es die LGT<br />

Affäre (oder die der LLB) nie gegeben. Ich glaube auch heute noch, dass<br />

all jene, bei denen ich mich nach der Rückkehr im Juli 2003 mündlich<br />

oder schriftlich entschuldigt oder bedankt hatte, mich als wahnsinnig<br />

ansehen. Sie wollten und konnten wohl nicht anerkennen, dass ich mich<br />

aufrichtig entschuldigt bzw. bedankte hatte. Ich war und bleibe immer<br />

ein Liechtensteiner. Und weil gerade in meiner Heimat alles so<br />

verdammt vernetzt und verkuppelt ist, war es äusserst schwer, die<br />

Bösen von den Guten fest zu trennen. Würde ich das Böse bekämpfen,<br />

würde auch das Gute darunter leiden. Nach der Auffassung jener, die<br />

nur wenig über die wahren Umstände meines Falles wussten, und derer,<br />

die sowieso immer schon gegen mich waren, hatte Liechtenstein mir<br />

gegenüber zu Recht gezeigt, wer hier der Herr im Lande ist. Und das<br />

Hans-Adam Gerechtigkeit widerfahren war. Hans-Adam, seine<br />

Regierung und auch die Staatsanwaltschaft kamen in den Medien wegen<br />

des Finanzplatzes immer wieder zu Wort und lobten ständig sich und<br />

ihre saubere Arbeit. Sie vermittelten dem Ausland ein Bild eines<br />

demokratischen, modernen, auf Gerechtigkeit getrimmten Staates.<br />

Die Wirkung, der die oben beschriebene abscheuliche Pille auf mich<br />

hatte, war gewaltig. Auf einen Schlag wurde all meine verbliebene<br />

Energie frei. Es gab nichts mehr, was ich in Sachen Argentinien hätte tun<br />

können. Sie hatten mit ihrem Plan Erfolg. Die Konsequenz daraus war,<br />

dass ich mich hinsetzte und meinen Generalstabsplan erstellte.<br />

Ironischerweise kamen mir ihre beispiellose Arroganz und der von<br />

Geldgier verursachten Hohlheit in der Umsetzung meines Plans sehr<br />

gelegen. In ihrer falschen Erhabenheit kamen sie nicht einmal auf den<br />

Gedanken, dass ich mich wirklich rächen würde/könnte. Sie waren<br />

überzeugt, dass ich keine Daten mehr besass und sie waren sich auch<br />

ihrer Endlösung für mich so sicher, dass ich schnell vergessen wurde.<br />

Und was mein detailliertes Wissen (ohne die Kopien der Daten) über<br />

ihre schmutzigen Geschäfte betraf, war als Faktor massgeblich daran<br />

beteiligt, warum dies für sie keine Gefahr mehr bedeutete: Wer würde<br />

einem verurteilten Betrüger und Versuchs-Nötiger noch glauben.<br />

555


Dieser Faktor war eine brillante Komponente in ihrer Endlösung. Ihr<br />

Worst-Case-Scenario (Alptraum) war ja, dass ich mit meinem Wissen<br />

irgendwann (nach der Verurteilung) vielleicht ins Ausland rennen<br />

würde; dann könnten sie immer schön behaupten, dass dieser Heinrich<br />

Kieber ja ein grosser Verbrecher wäre. Er wurde ja in Vaduz verurteilt.<br />

„Glaubt ihm kein Wort!‚<br />

Die Ausnahmen waren der Professor und der Bankdirektor. Beim<br />

Professor hatte ich immer schon das Gefühl, dass er im Hinterkopf<br />

zumindest theoretisch vermutet hatte, dass ich eine Kopie behalten hatte<br />

(und dies nicht nur, weil er zwischen den Zeilen meiner Denkschrift<br />

lesen konnte). Sein Problem war, dass er ständig zwischen<br />

Konfrontationen und einer friedlichen Lösung hatte abwägen müssen.<br />

Obwohl er auf der Lohnliste von Hans-Adam stand und seine Dienste<br />

den Liechtensteinern noch für Jahre hinaus nach 2005 anbieten konnte,<br />

war er – beruflich bedingt – fast gezwungen, eine friedliche Lösung zu<br />

finden. Zudem war es absolut auch für ihn unmöglich von mir zu<br />

erfahren, ob ich noch eine Kopie nun hatte oder nicht. Er hatte es<br />

mehrfach versucht.<br />

Der Bankdirektor ahnte zwar, dass ich mich rächen könnte, war aber mit<br />

Hilfe des Professors davon im Glauben überzeugt (worden), dass ich<br />

keine Kopie der Daten mehr hatte. In Bezug auf mein Wissen schloss er<br />

sich der Meinung dem Rest der Hohen Finanzherren an.<br />

In umgekehrter Weise gab es schon ein, zwei Momente in der ersten Zeit<br />

nach meiner Rückkehr im Juli 2003, wo ich ernsthaft kurz überlegte<br />

hatte, ob ich mich dem Duo Professor & Bankdirektor offenbaren sollte.<br />

Ich hatte damals das Gefühl, dass weder der Professor noch der<br />

Bankdirektor übermässig überrascht oder gar böse mit mir gewesen<br />

wären, wenn ich ihnen den Umstand mit der extra Masterkopie in einem<br />

Safe in der Schweizer erklärt hätte. Dies darum, weil dann ja meine<br />

Offenheit in Bezug auf eine weitere Kopie von dem Duo auch als gutes,<br />

ehrliches Zeichen gewertet worden wäre. Das es am Ende zu keiner<br />

Offenbarung kam, lag an zwei Entmutigungen:<br />

1. Ich war überzeugt, dass im Gegensatz zum Duo Hans-Adam diese<br />

„Sensation‚ garantiert in den falschen Hals gelangt wäre. Und dann<br />

hätte er seine Versprechungen an mich auf Eis gelegt.<br />

2. Langsam aber sicher stieg Woche um Woche, Monat um Monat das<br />

Missverhältnis zwischen dem, was mir versprochen wurde, und dem,<br />

was unternommen wurde.<br />

556


Um auf die vorherrschende Situation in Liechtenstein im 2005 zurück zu<br />

kommen. Der Punkt Nr. 1 in meinem Plan sah vor, dass ich selber den<br />

wahren Gerechtigkeitssinn der Regierung und der Staatsanwaltschaft<br />

mal testen wollte. Ein sehr gewagtes Manöver. Aber wer nie etwas wagt,<br />

gewinnt auch nie. Und für Weicheischmalz war ich nicht bekannt. Denn<br />

es gab Leichen im Keller der LGT. Sprich: ein erheblicher Teil der über<br />

3400 (aktiven) Treuhandmandate war mit Geldmittel gefüttert worden,<br />

die aus kriminellen Handlungen aller Art stammten.<br />

Hans-Adam konnte mit seiner Macht gezielt verhindern, dass die<br />

Staatsanwaltschaft und die Regierung weder offiziell noch inoffiziell<br />

einen konkreten Einblick in die Mandate der LGT erhalten konnten, als<br />

ich ihm die vier gebrannten CD-ROMs via Berlin zukommen liess. Dies<br />

gelang ihm im Bezug auf die Kripo in Vaduz wegen eines<br />

Missverständnisses bekanntlich nicht. Festgehalten werden kann, dass<br />

die Kripo die Daten (der 4 CDs) ab Februar 2003 für mindestens sieben<br />

Monate in ihrem Besitz hatte. Es ist davon auszugehen, dass Hans-Adam<br />

nach meinem Hinweis an ihn die vier Original-CDs der Kripo<br />

abgenommen hatte.<br />

Das Gesetz schreibt auch in Liechtenstein vor, dass die<br />

Untersuchungsbehörden, sollten sie Kenntnis über Geldwäscherei oder<br />

jede andere Art von (Wirtschafts-) Verbrechen erlangen, eine<br />

Untersuchung starten müssen. Ferner sollte man davon ausgehen<br />

können, dass die Regierung in Vaduz, ihrer eigenen manifestierten<br />

Wertvorstellung folgend, sofort in Aktion treten würde, wenn sie solche<br />

Kenntnis erlangen würde. Lassen wir jetzt mal die Polizei aus dem Spiel;<br />

sie hatte sowieso keine andere Wahl, als den Anordnungen, oder<br />

„Wünschen‚ wie sie es auch wortwörtlich selber formulierten, von<br />

Hans-Adam oder der Regierung zu folgen. Ich wollte also prüfen, wie<br />

ernst die Regierung und die STA es mit dem viel beschworenen Kampf<br />

gegen kriminelle Handlungen in Wirklichkeit hielten. Wenngleich ich<br />

über das Resultat diese Tests vorher schon eine sehr grosse<br />

wirklichkeitsnahe Prophezeiung machen konnte (und was wiederum<br />

das kalkulierbare Risiko für mich minderte). Es war für mich aber<br />

notwendig, es selbst zu erleben und zumindest der Regierung und der<br />

Staatsanwaltschaft mit ihrer eigenen „falschen Bibel‚ eines auf die Birne<br />

zu knallen. Zudem war dieser Punkt Nr. 1 im Zusammenhang des<br />

Gesamtprojekts notwendig.<br />

557


Meine Idee war, dieses Mal der Staatsanwaltschaft und der Regierung<br />

direkt konkrete Details zu den schlimmsten Mandaten abzuliefern.<br />

Geplant war, ihnen ohne grosse Erklärung jeweils getrennt und anonym<br />

hieb- und stichfeste Informationen über 90 Stiftungen oder Anstalten<br />

zukommen zulassen und dann abzuwarten, was sie machen würden.<br />

Naturgemäss hätte es keinen Sinn gemacht, ihnen Informationen über<br />

solche Mandate zuzusenden, wo „nur‚ eine reine Steuerhinterziehung<br />

vorzufinden war. Dieser Rechtsbruch im Ausland war und ist ja im<br />

Ländle selber kein Delikt. Um dem Gesetz in Liechtenstein zu genügen,<br />

mussten es Straftaten wie z.B. Geldwäscherei, Steuerbetrug,<br />

Kreditbetrug, Allgemeiner Betrug, Subventionsbetrug, Korruption,<br />

Insideraktienhandel, Schmiergeldzahlungen etc. sein. Es ging um nicht<br />

verjährte Straftaten, die in Liechtenstein Offizialdelikte sind und von<br />

Staates wegen verfolgt werden müssen.<br />

Nichts leichter als das. Ich hatte Hunderte solcher Mandate zur<br />

Auswahl. Für meinen Projektpunkt Nr. 1 benötigte ich die Liste<br />

„Besondere Kundschaft‚ und die elektronisch gespeicherten<br />

Kundendaten.<br />

Nach noch strengeren Vorsichtsmassnahmen als beim letzten Mal begab<br />

ich mich zur Schweizer Bank und holte mir die Liste und die externe<br />

Festplatte mit der Masterkopie aus dem Safe. Dieses Mal hatte ich<br />

meinen Laptop dabei und ich setzte mich in einen der Miniräume neben<br />

dem Tresorraum. Ich wählte von den Sektoren 1, 2 und 3 (siehe Kapitel<br />

25) je 30 Mandate von Kunden aus der ganzen Welt aus und notierte nur<br />

den Name der Stiftung oder Anstalt auf einem neuem Computerblatt.<br />

In der Masterkopie forschte ich in den Dateien der betroffenen Mandate<br />

nach den diversen Bankverbindungen und dem Kontostand und setzte<br />

sie in die Aufstellung. Ich hätte natürlich viel mehr Angaben, Name,<br />

Adresse und Staatsangehörigkeit der wirtschaftlich Berechtigten,<br />

Aktenvermerke, Ein- und Auszahlungen, besondere Vorkommnisse etc.<br />

in die neue Liste aufnehmen können. Dann hätte ich aber gleich schon<br />

die ganze Computerdatei jener ausgewählten Mandate auf eine CD<br />

brennen und abschicken können. Dies musste ich vermeiden. Sonst<br />

hätten die in Vaduz sofort erkannt, dass es Mandate, und nur Mandate<br />

aus der LGT Treuhand waren. Und, was noch gefährlicher wäre, sie<br />

hätten den Beweis gehabt, dass „irgendjemand‚ original Bank- und<br />

Treuhanddaten hatte.<br />

558


Trotzdem waren es mehr als genug Informationen, um es den<br />

Adressaten unmöglich zu machen, juristisch rein gar nichts zu<br />

unternehmen. Solches Verhalten hatten sie nämlich schon einmal Ende<br />

der 90er Jahre gezeigt. Damals hatten die Regierung und Hans-Adam (er<br />

streitet dies zwar aber nach wie vor ab) eine ähnliche "Liste" per Post<br />

zugestellt bekommen. Es betraf aber weder die LLB noch die LGT.<br />

In meiner Auswahl der insgesamt 90 Mandate achtete ich darauf, dass<br />

die Geldvermögen bei unterschiedlichsten Banken (Z.B. LGT, VPB, LLB,<br />

CS, UBS, Kantonalbank Zürich, DB) und in verschiedenen Ländern (z.B.<br />

FL, Schweiz, Österreich, UK.) betreut wurden.<br />

Zudem wollte ich durch das Nicht-Erwähnen der Namen und<br />

Staatsangehörigkeit der Besitzer und Begünstigten (der Stiftung oder<br />

Anstalt) den Eindruck hinterlassen, dass der anonyme Schreiber dieser<br />

Teil der Daten nicht kennen würde. Der einzige gemeinsame (nicht<br />

verratene) Nenner war, dass die Mandate von der LGT Treuhand betreut<br />

und gemanagt wurden.<br />

In der letzten Kolonne hielt ich im Detail stichwortartig fest, was der<br />

entsprechenden Stiftung oder Anstalt an kriminellen Handlungen<br />

nachgewiesen werden kann oder auf Grund von Hinweisen in<br />

Aktenvermerke an rechtswidrigem Verhalten aufgezeigt werden kann.<br />

Auch machte ich mir die Mühe und setzte, wo dies möglich war, die<br />

betroffenen Paragraphen aus dem STGB (von FL, Schweiz, Deutschland<br />

und Österreich) hinten an. Die Details waren von solcher Klarheit, dass<br />

die Staatsanwaltschaft und die Regierung gezwungen worden wären,<br />

eine sofortige Strafuntersuchung zu eröffnen. Mit dem Namen der<br />

Stiftung oder Anstalt könnte sie im Amtsregister die Treuhandfirma<br />

oder Treuhänder eruieren und damit die Herausgabe aller Dokumente<br />

verlangen oder gesetzlich erzwingen.<br />

Anhand den Massen von Dokumenten könnte sie dann die Namen der<br />

Besitzer und Begünstigten, die Aktenvermerke einsehen und den<br />

Sachverhalt sowie die Hintermänner identifizieren. Und im Anschluss<br />

die verschiedensten Straftaten nachweisen. Es waren Hinweise wo man<br />

die „Leiche‚ noch warm auffinden konnte und die „Mörder‚ mit der<br />

Waffe noch in der Hand. Jene Mandate waren ja intern auch als<br />

"Leichen" betitelt worden.<br />

Ich hatte in meiner Planung antizipiert, dass die STA und die Regierung<br />

(später einmal) behaupten würden, die ihnen zugesandte Liste hätten<br />

nur Moorleichen enthalten, also Fälle, die nach der speziellen Vaduzer<br />

559


Interpretation angeblich schon lange verfault waren, sprich nicht (mehr)<br />

verfolgungswürdig sind. Daher hatte ich mich bemüht nur Leichen mit<br />

einem grösseren aktuellen Bezug zur Zeitgeschichte (ab dem Jahr 2000)<br />

in die Aufstellung zu nehmen.<br />

Einige der Mandate mit Bezug zu Deutschland waren: Geheime, nicht<br />

entdeckte Briefkastenfirmen im Besitz einer bankrott gegangenen Bank,<br />

dubios Millionenzahlungen im Umkreis der Pleite eines Film- und TV-<br />

Konzerns, die ewigen Schmiergeldzahlungen im Umfeld eines<br />

Anlagebaukonzerns (D-CH), den grossen Bestechungsfall, den ich im<br />

Brief an Hans Adam vom 7.1.’03 vermerkt hatte, konkrete Hinweise auf<br />

Gelder in Vaduz aus EU-Subventionsbetrug (Deutschland-Italien) oder<br />

die drei politisch heiklen Mandate.<br />

Die Liste hatte ich Ende Juni/Anfang Juli fertig. Das gesamte<br />

Bankvermögen (ohne die auch vorhandenen anderen Anlagewerte) der<br />

90 Briefkastenfirmen summierte sich auf beachtliche 434 Millionen<br />

Schweizer Franken. Im Durchschnitt also über 4,8 Mio. CHF pro Stiftung<br />

etc.<br />

Ich erstellte ein kurzes Begleitschreiben und achtete darauf, dass man<br />

auf Grund der gewählten Schriftart, Länge der Sätze, Aufbau der<br />

Abschnitte und Wahl der Worte nicht sofort auf mich als Absender<br />

tippen könnte. Ich fand, es wäre das Beste, wenn ich aus einer<br />

unterwürfigen Position heraus und mit falscher Heuchlerei schreibe,<br />

anstelle als Mahner und Forderer Druck auszuüben. Und ein paar<br />

bewusst platzierte Schreibfehler würden auch nicht schaden: Aus Otmar<br />

Hasler wurde Otimar Hassler. Aus Robert Wallner wurde Rudolf<br />

Walner. Am Ende stand folgender Text (alles wie im Original<br />

linksbündig) im Begleitschreiben:<br />

Geschätzter Präsident Otimar Hassler<br />

Vorsitzender des Fürstlich Liechtensteinschen Kabinetts<br />

Wir bitten Sie und Ihre lobenswürdigen Minister respektvoll<br />

um wenige Minuten Ihrer Zeit. In den letzten Monaten haben<br />

wir mit Freude festgestellt, dass Sie den Kampf gegen<br />

Geldwäscherei stärker aufgenommen haben. Anbei möchten<br />

wir Ihnen eine uns fremd zugespielte Tabelle zukommen<br />

lassen. Es ist darin von gravierenden Kapitalverbrechen die<br />

Rede. Bitte nehmen Sie sich der Sache an. Wir sind dafür die<br />

falsche Gruppe. Bitte entschuldigen Sie, dass wir uns nicht mit<br />

560


Namen erkennbar machen können. Wir wollen einfach nicht in<br />

eine Sache rein gezogen werden, mit der wir nichts zu tun<br />

haben. Wir haben keine Reproduktion der Tabelle behalten.<br />

Hochachtungsvoll<br />

Der Text an die STA war nur wenig anders:<br />

Geschätzter Vorsitzender Dr. Rudolf Walner<br />

Direktor der Fürstlich Liechtensteinischen<br />

Oberstaatsanwaltschaft<br />

Wir bitten Sie respektvoll um wenige Minuten Ihrer Zeit. In den<br />

letzten Monaten haben wir mit Freude festgestellt, dass Sie<br />

vermehrt den Kampf gegen Geldwäscherei aufgenommen<br />

haben. Anbei möchten wir Ihnen eine uns fremd zugespielte<br />

Tabelle zukommen lassen. Es ist darin von gravierenden<br />

Kapitalverbrechen die Rede. Bitte nehmen Sie sich der Sache an.<br />

Wir sind dafür die falsche Anlaufstelle. Bitte entschuldigen Sie,<br />

dass wir uns nicht mit Namen erkennbar machen können. Wir<br />

wollen einfach nicht in eine Sache rein gezogen werden, mit der<br />

wir nichts zu tun haben. Wir haben auch keine Reproduktion<br />

der Tabelle behalten. Hochachtungsvoll<br />

Ich kopierte die Liste und den Kurzbrief 4 x und steckte sie in einzelne<br />

Umschläge. Mit dem Computer hatte ich die 2x2 Etiketten mit der<br />

genauen Adresse der Gesamtregierung und des Büros der<br />

Staatsanwaltschaft erstellt. Ich wollte noch etwas warten, bis ich die<br />

Umschläge loslassen konnte. Zuerst musste ich die ideale Art und Weise<br />

ausfindig machen.<br />

Ich kaufte mir in der Zwischenzeit ein neues Handy mit einer Schweizer<br />

SIM-Karte. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, hatte ich das alte<br />

Handy mit der Liechtensteiner Nummer beibehalten und es ab und zu<br />

für alltägliches genutzt. Ich war mir sicher, dass es immer noch abgehört<br />

wurde. Obwohl dies (rechtlich) etwas schwieriger für Hans-Adams<br />

Schnüffler wurde, da meine Liechtensteiner Handy nun hauptsächlich<br />

über das Netz der Schweizer lief. Für das Abhören, bzw. das<br />

Mitschneiden meiner Gespräche über das Schweizer Netz müsste er<br />

einen Beschluss eines Richters in der Schweiz einholen.<br />

561


Nach kurzen Abklärungen hatte ich mehrere Varianten auf dem Tisch.<br />

Ich hätte ganz frech die Umschläge direkt in die Hausbriefkästen der<br />

Staatsanwaltschaft oder Regierung einwerfen können. Zur nächtlichen<br />

Stunde zum Beispiel, wenn weniger oder kein Verkehr war. Besser wäre<br />

es den normalen Weg zu nehmen. So wie die Behörden ihre übliche Post<br />

auch bekommen. Ich wollte aber vermeiden, dass die Umschläge auf<br />

dem Postweg verloren gehen könnten. Nicht das ich Angst hätte, der<br />

Inhalt könnte in andere Hände gelangen. Früher oder später würde die<br />

Wahrheit sowieso raus kommen, da war ich mir jetzt ganz sicher. Es<br />

ging mir ja bei dieser Übung nicht darum, diese Stiftungen und<br />

Anstalten der Allgemeinheit vor die Füsse zu legen. Sonst hätte ich es ja<br />

gleich einer Strafverfolgungsbehörde (z.B. in Deutschland, Österreich<br />

oder in der Schweiz) oder dem Spiegel zuschicken können. Hier ging es<br />

darum, dass die STA und die Regierung in Vaduz die Liste bekommen.<br />

Ein Versand per Privatfirma oder per Einschreiben durch die Post hätte<br />

bei den Empfängern den Eindruck von „Dringend‚, „Wichtig‚ oder<br />

„Ernst‚ hinterlassen. Dies wollte ich meiden. Zudem müsste ich dazu<br />

auch die Briefe beim Kurier oder einer Poststelle persönlich (am Schalter)<br />

aufgeben und einen Absender vermerken. Das Letztere wäre (in der<br />

Schweiz) insofern kein Problem, da man einfach einen falschen Namen<br />

und Adresse als Absender angibt. Am Ende war, wie so oft, der<br />

einfachste Weg der Beste. Ich entschied mich, die Briefe mit genügend<br />

Marken zu frankieren und in einen Briefkasten der Post in zwei<br />

Liechtensteiner Gemeinden einzuwerfen. Somit würde später die<br />

kleinstmögliche Aufmerksamkeit auf den anonymen Absender gelenkt<br />

(im Vergleich wenn die Post z.B. aus Deutschland gekommen wäre).<br />

Natürlich hatte ich keine Fingerabdrücke auf den Briefen und<br />

Umschläge hinterlassen.<br />

Ich suchte mir einen besonderen Tag für den Einwurf aus: Samstag, den<br />

09.07.2005. Der zweite Jahrestag der heiligen Audienz bei Hans-Adam<br />

soll es sein. Ich fuhr mit dem Zug nach Sargans und mit dem Bus nach<br />

Triesen. Um kurz nach 9:00 war ich schon am ersten Ziel. Bei der Post<br />

Triesen kaufte ich mir die Briefmarken und es verschwanden je ein Brief<br />

an die Staatsanwaltschaft und die Regierung im Briefkasten dieser Post.<br />

Ich fuhr weiter zur Post in Schaan und warf die restlichen zwei Kuverts<br />

ein.<br />

Der 9.7. hatte nur noch für mich eine grosse Bedeutung. Weder „Otimar<br />

Hassler‚ noch „Rudolf Walner‚ (oder deren Vorzimmerdamen, wo die<br />

Briefe geöffnet werden) würden auch nur eine Sekunde daran<br />

562


vergeuden, darüber nachzudenken, warum sie dieselbe Post zweimal<br />

erhalten haben. Da die Regierung selber keine Untersuchungsbehörde<br />

ist, müsste im Normalfall der Regierungschef Hasler eine solche Liste<br />

der Justizministerin übergeben und diese es an die Staatsanwaltschaft<br />

oder der Polizei mit dem Auftrag weiterleiten, die Hinweise zu<br />

untersuchen.<br />

Da ich die Funktionsweise der Vaduzer Regierung bei solchen<br />

Angelegenheiten nur allzu gut kenne, war ich mir ganz sicher, dass ihre<br />

Liste spurlos „verschwinden‚ würde. Damit war schon mal die auf den<br />

ersten Blick erkennbare Gefahr (für mich) geschrumpft. Die Gefahr, dass<br />

sich die zwei Empfänger (direkt oder durch ihrer Sekretariate) über den<br />

Erhalt (per Zufall) ausgetauscht hätten und dadurch eventuell eine<br />

deutliche Systematik des Absenders hätten erkennen können. Bleibt<br />

noch die Staatsanwaltschaft übrig. Meine Einschätzung war, dass sie ihre<br />

Liste durch den Reisswolf ziehen würden und damit hätte es sich auch<br />

schon. Die STA werden bei solchen Vorwürfen, die Stiftungen und<br />

Anstalten betreffen, prinzipiell nur dann aktiv, wenn es von der<br />

Regierung geprüft, bewilligt und angeordnet wurde. Und die<br />

Untersuchung im Ausland angestossen wurde.<br />

Ein anderes Risiko blieb bestehen. Ein Studium der aufgelisteten<br />

Briefkastenfirmen hätte einen roten Pfeil in Richtung LGT Treuhand<br />

aufgezeigt. Im schlimmsten Fall wäre man auf mich als möglichen<br />

Verfasser gekommen. Da ich aber bewusst keine Originaldaten<br />

freigegeben hatte, würden die Angaben in meiner Liste unter die<br />

Kategorie „auswendig gelerntes Wissen‚ fallen. Einer solchen<br />

Konfrontation hätte ich ohne Sorgen entgegen gesehen.<br />

Was sollten sie mir auch antun, den Kopf abschlagen?<br />

Nicht umsonst hatte ich in den vergangenen 2 Jahren (2003-2005) einiges<br />

vom Feind gelernt. Als Verfasser der Listen und des Begleitbriefs hatte<br />

ich gegen kein Gesetzt verstossen. Ich hatte weder gesagt, dass ich die<br />

dazugehörenden Daten liefern könnte oder gar besitzen würde, noch<br />

hatte ich gedroht, mit der Liste an ausländische Behörden zu gelangen.<br />

Auch hatte keine Forderung gestellt. Was sollen sie da machen? Mich in<br />

Präventivhaft nehmen oder mich zwangsweise in die Irrenanstalt<br />

einweisen? Wohl kaum, oder? Natürlich würde ich es ihnen gegenüber<br />

nie zugeben, dass ich der Urheber war.<br />

Es gab einen weiteren Aspekt, den ich in meinen Gedankengang mit<br />

einbezogen hatte. Angenommen, sie würden auf mich als Urheber<br />

563


tippen, dann hätten sie ein weiteres Dilemma: würde nämlich die<br />

Staatsanwaltschaft oder die Regierung auf mich zukommen und mich<br />

damit konfrontieren, bedeutete dies gleichzeitig die automatische<br />

Bestätigung, dass sie die Liste erhalten hatten. Und was hiesse das? Klar,<br />

sie müssten der Sache nachgehen. Sie müssten die Fakten untersuchen.<br />

Da dies nicht im ihrem Interesse lag, konnte ich mir ausrechnen, dass<br />

sich mich deswegen nicht direkt ansprechen würden.<br />

Nicht das ich im Ländle etwas zu sagen hätte. Natürlich nicht. Aber es<br />

wimmelte von hoch bezahlten Juristen im Regierungsapparat.<br />

Mindestens einer davon würde doch sicher auch auf die Idee kommen,<br />

dass es gerade das Ziel des Absenders gewesen sein könnte, eine<br />

„staatliche Bestätigung‚ des Erhalts der Liste zu erreichen.<br />

Unter allen Umständen wäre es also besser, wenn man so tun würde, als<br />

sei die Liste nie angekommen. Immer alles totschweigen war der<br />

einfachste Weg für die Regierung und Hans-Adam. Sollte sich später<br />

herausstellen, dass beispielsweise eine ausländische NGO (Nicht<br />

Regierungs Organisation) hinter dem Absender steckte, dann würde<br />

man in Vaduz behaupten, die Liste sei leider nie angekommen. Habt ihr<br />

denn noch eine? würden sie scheinheilig fragen. Könnte ihr uns eine<br />

zukommen lassen? Wir würden sofort der Sache nachgehen und die<br />

Delikte aufklären.<br />

Am Samstag noch war ich wieder zurück in die Schweiz gefahren. Für<br />

die folgende Woche waren keine besonderen Vorkommnisse zu<br />

vermelden. Alles ruhig. Niemand aus Vaduz rief mich an. Ich musste für<br />

eine lange Zeit auf der Hut sein. Sollten sie mich Verdächtigen, dann<br />

würden sie mich ja nicht direkt damit konfrontieren, sondern mich<br />

wieder beschatten lassen. Das meine Umschläge angekommen waren,<br />

daran hatte ich absolut keine Zweifel. Die Liechtensteiner Post verliert<br />

keine Briefe.<br />

Erst am 12. August, dem Freitag vor dem Staatsfeiertagswochenende,<br />

meldete sich Vaduz. Der Bankdirektor hatte angerufen. Ich glaube er war<br />

irgendwo unterwegs. Er fragte mich, wie es mir ginge und ob ich Pläne<br />

hätte, zum Staatsfeiertag nach Liechtenstein zu kommen. Nein sagte ich.<br />

Gut so, erwiderte er. Hans-Adam würde es gar nicht gerne sehen, falls er<br />

mich im Ländle erblicken würde.<br />

Der Bankdirektor wünschte auch ein Treffen mit mir im Spätherbst. Nur<br />

um zu sehen, wie es mir so gehen würde. Gerne, erwiderte ich. Ich<br />

wiederholte meine Bitte an ihn, Hans-Adam um ein Gespräch zu bitten.<br />

Leider hätte Hans-Adam im Moment keine Zeit. Er wäre sehr mit seinen<br />

564


Unternehmen beschäftigt, erklärte mir der Bankdirektor. Hans-Adam<br />

liess mir auch ausrichten, dass er (Hans-Adam) nichts für die<br />

fehlgeschlagenen Begnadigung dafür könne. Es sei ja schliesslich sein<br />

Sohn Alois gewesen, der als amtierendes Staatsoberhaupt den Entscheid<br />

dazu autonom gefällt hätte.<br />

Wieder einmal fehlten mir die Worte. Was sollte ich darauf noch<br />

antworten. Das Telefonat war dann zu Ende. Ich hätte so gerne von<br />

Hans-Adam selber gehört, warum er sein Wort so brutal gebrochen<br />

hatte. Dieses Wunschbild (einer solchen Aussprache) trug ich noch<br />

lange mit mir herum. Seltsam, warum weiss ich auch nicht mehr<br />

Weitere Wochen vergingen, ohne dass sich jemand aus meiner Heimat<br />

bei mir meldete. Ich hatte schon mit den Vorbereitungen zu Punkt Nr. 3<br />

und 4 meines Planes begonnen. Das Ländle besuchte ich auch zwei Mal<br />

inkognito. In der Nachrichtenküche in Vaduz war es auch ruhig. Ich<br />

konnte nichts über eine Liste hören. Trotz meiner inzwischen guten<br />

Kontakte.<br />

Erst Anfang November 2005 wurde ich wieder vom Bankdirektor<br />

angerufen und gebeten nach Liechtenstein zu kommen. Komisch, dachte<br />

ich. Warum wollen die mich in Liechtenstein treffen. Zürich wäre doch<br />

viel Besser. Da aber seit dem Listenversand schon über 3 Monate<br />

vergangen waren, erwartete ich nichts aus dieser Richtung. Ich fuhr mit<br />

dem Zug am 5.11. Richtung Heimat. Ich wartete vor dem Gitter der<br />

geschlossenen Tiefgarageneinfahrt der LGT Bank. Nervös wurde ich<br />

dann, als zum abgemachten Zeitpunkt niemand erschien. Ob ich mich<br />

im Tag geirrt hatte, fragte ich mich. Nein, alles stimmte. Ich wartete über<br />

eine Stunde. Keiner kam. Das Handy des Bankdirektors war auch<br />

ausgeschaltet. Die Büros waren am Samstag sowieso leer. Na gut, macht<br />

nichts, sagte ich mir. Ich blieb übers Wochenende im Ländle und konnte<br />

bei einem Bekannten übernachten.<br />

Ich konnte erfahren, dass R. Lampert wegen seines Briefs (aus dem<br />

Gefängnis) ein neuer Strafprozess wegen fortwährender, versuchter<br />

schwerer Erpressung gemacht würde.<br />

Eine Woche später wurde ich vom Professor kontaktiert und um ein<br />

Treffen am 17.11. in Zürich gebeten. Alles klar, sagte ich. Er<br />

entschuldigte sich auch im Namen des Bankdirektors für das<br />

Missgeschick am 5.11. Der Bankdirektor war verhindert und konnte mir<br />

nicht rechtzeitig absagen. Kein Problem, sagte ich.<br />

565


Am Donnerstag, den 17.11. wartete ich auf der Rückseite des<br />

Hauptbahnhofs Zürich auf den Professor. Er würde um den Bahnhof<br />

herumfahren und ich sollte in den Wagen steigen. Wir fuhren etwas in<br />

der Stadt herum und parkten das Auto in der Nähe der Zürcher Oper<br />

(übrigens ein exzellentes Liedertheater). Wir beide hatten etwas an<br />

Gewicht zugelegt. Trotzdem beschlossen wir, ein typisch amerikanisches<br />

Steakhaus aufzusuchen. Über tellerweise Fleisch, Bratkartoffeln, Fritten<br />

und Mais mit Reis philosophierten wir über Gott und die Welt. Ich hatte<br />

Frieden mit ihm geschlossen. Er konnte ja nichts dafür, dass alles so<br />

gekommen war, wie es endete. Er hatte sein allerbestes gegeben.<br />

Ich fragte ihn direkt, ob er noch in den Diensten des Blaubluts oder von<br />

Liechtenstein stehen würde. Er blieb stumm. Keine Antwort bei dieser<br />

Frage bedeutete Ja. Nach seinem dritten Bier fragte er mich, ob ich zu<br />

folgendem eine Theorie hätte: Ihm wäre zu Ohren gekommen, dass die<br />

Regierung und die Staatsanwaltschaft vor einiger Zeit eine Liste mit<br />

Angaben zu diversen Stiftungen zugespielt worden wäre. Ich ass<br />

desinteressiert weiter. Als er nicht weiterredete, hörte er von mir: Und?<br />

Es würde sich um korpulente Leichen aus der LGT Treuhand handeln.<br />

Da musste ich natürlich meine Ohren demonstrativ spitzen. Echt? fragte<br />

ich. Ja, die Regierung hatte herausgefunden, dass es sich nur um<br />

Mandate der LGT handelt. Die Liste wäre sehr detailliert. Was meine<br />

Meinung dazu wäre und ob ich etwas von diesen Listen wüsste, fragte er<br />

mich. Ich machte ein Gesicht, als hätte ich ein Kilo Zitronen gefressen<br />

und schüttelte den Kopf. Nein! Warum sollte ich etwas darüber wissen,<br />

fragte ich.<br />

Es machte keinen Sinn, dem Professor vorzugaukeln, dass ich keine<br />

solche Liste hätte erstellen können. Ob er die Liste habe, fragte ich. Nein,<br />

sagte er. Offiziell wisse er von nichts. Man hätte die Liste anonym per<br />

Post verschickt. In Liechtenstein. Die Regierung wäre etwas nervös<br />

gewesen. Und hätte Hans-Adam informiert. Beim Erklingen dieses<br />

Namens rollte ich meine Augen und sagte ihm, dass er sicher verstehen<br />

würde, dass ich keinen Bock mehr habe, mich mit Hans-Adam, der<br />

Regierung, der LGT, den Hohen Finanzherren oder sonst<br />

irgendjemanden in diesem Zusammenhang zu befassen. Er verstand. Er<br />

erzählte trotzdem weiter.<br />

Falls ich es bin anhin im Buch noch nicht erwähnt haben sollte, oder<br />

meine Leser diesbezüglich den Eindruck noch nicht hatten gewinnen<br />

können: Der Professor war immer einer von dieser Sorte Mensch, die die<br />

566


Leichen in den Kellern der Banken oder Treuhandfirmen in<br />

Liechtenstein nicht tolerierten.<br />

Es war natürlich ausserhalb seines Sachgebietes, dazu Hans-Adam<br />

irgendwelche Anweisungen zu geben. Dafür wurde er schliesslich nicht<br />

angeheuert. Naturgemäss hätte er schon gerne die paar wenigen, aber<br />

deftigen Leichen mit Bezug zu seinem eigenen Land mal eingesehen.<br />

Einer Leichenschau konnte er aber nie beiwohnen. Er erzählte mir, dass<br />

Hans-Adam den Verdacht geäussert habe, dass etwa jemand von der<br />

Wirtschaftskriminalpolizei in Vaduz dahinter stecken könnte (siehe auch<br />

Kapitel 8 „Berlin, 14. Januar 2003, nach Abfahrt des<br />

Diplomatenwagens‚).<br />

Ein Polizist hätte aus beruflichen und moralischen Gründen ein Interesse<br />

daran, gewisse Leichen aus Liechtenstein zu sezieren. Es arbeiteten ja<br />

seit Jahren auch ausländische Experten bei der Polizei in Vaduz: zum<br />

Beispiel Deutsche oder Österreicher, sagte der Professor und schilderte<br />

weiter: Diese Experten hatte Vaduz nach dem ersten grossen Skandal<br />

Ende der 90er/Anfang 2000 anheuern müssen, da es an eigenen<br />

Spezialisten mangelte.<br />

Ich fragte sofort, wie sollte die Polizei an Details und Fakten<br />

herangekommen sein, ohne die Daten. Er schilderte mir, dass sich<br />

herausgestellt hatte, dass nach einem Irrtum die Kripo im Januar oder<br />

Februar 2003 eine Kopie, einige würden sogar sagen das Original,<br />

meiner 4 CDs aus Berlin behalten hatte. Zumindest für einen Zeitraum.<br />

Glaube ich nicht, täuschte ich ihm vor. Wen dem so gewesen wäre,<br />

warum hatte dann die Polizei nicht gleich eine Untersuchung gestartet,<br />

anstelle jahrelang zu warten und dann Listen zu verschicken.<br />

Mir war es egal, was der Professor zwischen den Zeilen meines letzten<br />

Kommentars lesen konnte. Menschlich gesehen könnte man dies<br />

erklären, meinte der Professor, der Experte. Vielleicht konnte(n) diese<br />

Person(en) damals im 2003 keine eigene Untersuchung starten.<br />

Zumindest nicht während der langen und vielen Monate wo man (mit<br />

mir) im Ausland verhandelte, sagte er. Ausserdem wäre dies nicht im<br />

Interesse von Hans-Adam gewesen und somit für die Berufskarriere<br />

oder reiner Weiterbeschäftigung – insbesondere der ausländischen<br />

Mitarbeiter – nicht förderlich. Und was hat die Staatsanwaltschaft mit<br />

der Liste gemacht, fragte ich ihn schnell. Dieselbe Hypothese? Wollte ich<br />

wissen. Dort wäre es ja auch nicht für die Laufbahn oder eine<br />

Lohnerhöhung förderlich. Der Chef dort und Haun waren ja auch<br />

Ausländer.<br />

567


Niemand von denen will den gut bezahlten Job verlieren. Mit<br />

unkooperativen ausländischen Staatsangestellten, die Vergangenheit hat<br />

es schon oft gezeigt, macht Hans-Adam kurzen Prozess, resümierte ich.<br />

Er antwortete, dass er nicht wisse, was mit der Liste bei der<br />

Staatsanwaltschaft geschehen sei. Klopapier, war meine Antwort darauf.<br />

Und? Ist jemand zu Schaden gekommen. Hat man Kunden verhaftet<br />

oder gar Treuhänder oder Banker? Wurden Strafuntersuchungen<br />

eröffnet, fragte ich etwas schnippisch. Nein sagte er. Na dann, was soll<br />

die ganze Aufregung, fragte ich und damit war das Thema für uns beide<br />

beendet.<br />

Ich wunderte mich schon, warum er mich nicht direkt gefragt hatte, ob<br />

nicht ich die Liste erstellt und verschickt hätte. Aber, so erinnerte ich<br />

mich nachher, es würden ja auch schon bald volle drei Jahren her sein,<br />

wo er sich mit diesem Thema herumschlagen musste. Irgendwann hatte<br />

jeder die Schnauze voll davon. Ich begleitete den Professor noch bis zum<br />

Wagen und verabschiedete mich. Er versprach mich im neuen Jahr<br />

wieder einmal zu besuchen.<br />

So, so - niemand hatte ein Strafverfahren oder wenigstens eine<br />

Untersuchung gegen Stiftungen oder Anstalten, die von der LGT<br />

Treuhand verwaltet wurden, angefangen. Ich wusste es. Die<br />

Staatsanwaltschaft und die Regierung hatten also ihre Listen vernichtet<br />

oder zumindest verschwinden lassen. Wie ich vermutet hatte. Trotzdem<br />

war ich wütend. Selbst wenn man ihnen stinkende Leichen unter die<br />

Nase reibt, geschieht immer noch nichts.<br />

Alle Hinweise, wo die Beweise sind, verschwinden einfach. Und was<br />

machte die Regierung? Sie informierte Hans-Adam und warnte somit<br />

die LGT. Aber wenn es um meine Wenigkeit ging oder (ab Februar 2008<br />

immer noch geht), dann mussten (müssen) sie mich bis aufs Blut<br />

verfolgen und dämonisieren. Besser kann man die zynische<br />

Doppelzüngigkeit von Hans-Adam, der Regierung und der STA nicht<br />

aufzeigen. Dieses Verhalten ist aus (rechts-)staatlicher Sicht eine sehr<br />

bedrohliche Vorgehensweise. Warum? Lassen wir mal die unzähligen<br />

Gesetzesbrüche, die das offizielle Liechtenstein ab dem 7.1.2003 im<br />

Zusammenhang mit meinem Tun begangen hatte weg und<br />

konzentrieren uns auf die Massengräber ("Leichen der Finanzwelt") in<br />

Liechtenstein.<br />

Die Regierung, die Staatsanwaltschaft und am Ende doch auch die<br />

Polizei müssen sich nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, dass sie<br />

568


selber die "Gruppe der Schweigenden" im Januar 2003 gegründet und<br />

seit damals gepflegt hatten. Sie hatten auch, egal ob nun mit<br />

Enthusiasmus (Regierungschef Hasler), aus Gleichgültigkeit (die<br />

Staatsanwaltschaft) oder eher nur widerwillig (die Polizei), mehrfach<br />

massiv aktiv mitgewirkt, um eine Verfolgung von sehr schweren<br />

(Kapitel-) Verbrechen zu verhindern. Bitte nicht vergessen! Hier handelt<br />

es sich um die Regierung eines modernen Staates. Eine Regierung, die<br />

ständig in Europa und sonst wo herumreist und Lobeshymen auf ihren<br />

angeblichen Kampf gegen die Geldwäscherei, Bestechung, Korruption<br />

und andere Wirtschaftskriminalität jedem ungefragt vorsingt. Die<br />

Staatsanwaltschaft ist die staatliche Untersuchungsbehörde schlechthin,<br />

deren Kernaufgabe es wäre, jedes Verbrechen zu untersuchen. Und<br />

Hans-Adam? Das Staatsoberhaupt! Soll man ihm nun verzeihen, weil er<br />

der Besitzer der LGT Gruppe ist? Absolute Idiotie! Natürlich nicht!<br />

Bei den "Leichen der Finanzwelt" schliesse ich auch die Daten der LLB<br />

ein. Ich habe diese Daten zwar nicht gesehen, gehe aber jede Wette ein,<br />

dass die ausländischen Behörden nach einer sorgfältigen Untersuchung<br />

auf etliche Vermögen aus illegaler Herkunft stossen werden. Somit hatte<br />

das offizielle Liechtenstein mit den Millionenzahlungen an den<br />

Bankerpresser Michael F. nicht nur eine Aufdeckung der<br />

Steuerhinterziehung ihrer Kunden zu verhindern versucht, sondern<br />

auch bewusst daran gearbeitet, eine Aufklärung diverser Verbrechen zu<br />

vereiteln.<br />

Hatten die alle in Liechtenstein keine Zeit, ihren Schweinestall<br />

aufzuräumen? Keine Zeit dazu im Jahr 2003, 2004, 2005, 2006, 2007 und<br />

in den ersten 1 ½ Monate im 2008 bis zur Explosion der Datenbombe<br />

Mitte Februar 2008? Die traurige Antwort ist: Sie hätten die Zeit gehabt,<br />

aber die Scheissgrube des Saustalls war noch nicht voll genug gelaufen.<br />

Interessant wäre auch zu erfahren, wie die Justiz in Vaduz jetzt im Jahre<br />

2009 die rechtliche Falle, in der sich die Regierung, die Führung der STA<br />

und die Chefetage der LGT Gruppe selber hineinmanövriert hatte,<br />

behandelt. Schon im Jahre 2003 galt das neue Sorgfaltspflichtgesetz.<br />

Dieses legt unmissverständlich fest: "Nichtwissen schützt vor Strafe<br />

nicht". Nach dem Gesetz müssten also nicht nur die direkt involvierten<br />

Treuhänder und Banker (Stiftungsräte etc.) strafrechtlich belangt<br />

werden, sondern auch die oben genannten Mitwisser und letztlich auch<br />

die Verhinderer. Was würde ich geben, um live miterleben zu können,<br />

wie sich diese Gruppe von einer Strafverfolgung wieder retten kann.<br />

569


Aber eben: "Hans-Adam wird’s schon richten". Niemand aus der Familie<br />

von Hans-Adam kann in Liechtenstein für irgendetwas zur Rechenschaft<br />

gezogen werden, da sie absolute Immunität geniessen.<br />

Habe ich schon erwähnt, dass die Minister der damaligen Regierung im<br />

2005 mit wenigen Ausnahmen dieselben sind, die jetzt im 2009 das Land<br />

weiter regieren?<br />

Die gerade erfolgten Wahlen von Anfang Februar '09 werden nicht viel<br />

in Liechtenstein ändern.<br />

Habe ich auch schon erwähnt, dass die Leitung der STA von 2005<br />

dieselbe ist, die jetzt im 2009 das Kommando dort führt?<br />

An dieser Stelle möchte ich meine Leser auf eines der raren Interviews<br />

mit Hans-Adam hinweisen. Das Magazin Spiegel hatte im Jahr 2000<br />

(Heft Nr. 3, ab Seite 110) dem Staatsoberhaupt die perfekten und<br />

scharfen Fragen gestellt. Betrachtet man jetzt seine Antworten im<br />

Kontext wie er, seine Regierung und seine LGT seit damals (und schon<br />

immer) in Wahrheit ihren Geschäften nachgehen, kommt dies der<br />

grössten Verarschung anderer Länder gleich.<br />

570


KAPITEL 29 Zürcher Geschnetzeltes<br />

Der aufmerksame Leser wird sich sicher fragen, was aus dem Punkt Nr.<br />

2. meines Plans geworden war. Hier folgt die Antwort.<br />

Als meine Niedergeschlagenheit den Tiefpunkt erreicht hatte, kam mir<br />

die glorreiche Idee zum ersten Mal einen „Schritt nach draussen‚ zu<br />

wagen. Damit meine ich die Abkehr von meiner bisherigen Art und<br />

Weise, über alle skrupellosen Geschäfte und Geheimnisse der Hohen-<br />

Finanz-Herren (zusammen mit ihnen) zu schweigen, ein Teil der<br />

Liechtensteiner Omerta zu sein.<br />

Der Anstoss für diesen Schritt waren damalige Medienberichte über<br />

einen laufenden, für die betroffenen Richter äusserst verzwickten<br />

Strafprozess im Ausland. Leider darf ich aus rechtlichen Gründen keine<br />

Namen nennen. Auf Grund von sehr aussergewöhnlichen Umständen<br />

konnte die Materie bis jetzt weder wahrheitsgetreu juristisch noch<br />

moralisch aufgearbeitet werden, was sehr schade ist.<br />

Ähnlich wie bei anderen Mandaten, über die man auch in den Zeitungen<br />

hie und da etwas lesen konnte oder über die noch heute berichtet wird,<br />

war es für mich geradezu faszinierend, etwas live mitverfolgen zu<br />

können. Es lief mir kalt den Rücken runter, als ich die Aussagen und<br />

Kommentare der im Prozess Angeklagten am Fernsehen sehen oder in<br />

den Zeitungen lesen konnte.<br />

Die müssen aber starke Nerven haben, dachte ich sofort. Und gelogen<br />

wurde, dass die Balken brechen. Frech waren sie auch noch. Was ich<br />

dazu hören oder lesen konnte, war exakt diametral zu den Unterlagen,<br />

die ich von der LGT Treuhand und natürlich aus meiner<br />

Datensammlung kannte. Die armen Richter, dachte ich auch. Wenn die<br />

wüssten.<br />

Diesbezüglich möchte ich einen passenden Satz aus Kapitel 3<br />

wiederholen: "


Ort mit den bestgehüteten Geheimnissen bürgen konnte und dafür<br />

weltweit bekannt war.<br />

Als Randbemerkung möchte ich auch festhalten, dass ausser Zweifel<br />

steht, dass die Chefetage der LGT Gruppe diesen Gerichtsprozess zu<br />

Hause im Ländle auch mitverfolgt haben muss und die OMERTA<br />

wieder zuschlug. Von den vielen Menschen, die teils gefragt, oft<br />

ungefragt ihre Meinung (in den Medien) zu diesem Prozess abgaben,<br />

stach mir eine Gruppe ins Auge. Es waren Individuen, die sich einer<br />

guten Sache annahmen und für den kleinen Mann kämpften. Das gefiel<br />

mir schon mal. Humanistische Gerechtigkeitskämpfer mit Krawatte und<br />

Anzug.<br />

Nach einigem hin und her entschied ich mich, abzuklären, ob es Sinn<br />

machen würde, der Wahrheit auf die Sprünge zu helfen. Von Anfang an<br />

war mir klar, dass die ganze Angelegenheit sehr kompliziert und<br />

gefährlich werden würde. Und ausser ein paar Tassen Kaffee, und wenn<br />

ich Glück habe ein warmes Essen, gefolgt von gut gemeintem, heftigem<br />

Schulterklopfen würde auch nicht viel mehr für mich raus springen.<br />

Aber etwas musste gemacht werden! So konnte es einfach mit<br />

Liechtenstein nicht weiter gehen.<br />

Es würde das allererste Mal sein, dass ich mit jemand ausserhalb des<br />

Liechtensteiner Clubs "Wir halten dicht - komme was da wolle", über<br />

Kundendaten reden würde und mitunter auch Daten zeigen würde. Und<br />

weil das Risiko extrem hoch war, musste ich noch grössere<br />

Sicherheitsvorkehrungen für mich und die Daten treffen. Dies war ein<br />

ganz neuer Abschnitt. Ich konnte nicht einfach die Fakten auf den Tisch<br />

werfen und dann mal sehen, was passieren würde. Weniger als eine<br />

Woche später wäre ich schon Fischfutter im Rhein.<br />

Mit dem Versand der Liste an die Staatsanwaltschaft und die Regierung<br />

hatte ich mich weit aus dem Fenster gewagt. Ich recherchierte das<br />

Umfeld der angepeilten Gruppe. Nennen wir sie mal KOSMOS. Alles<br />

solide und ehrenwerte Mitbürger. Nichts Negatives zu vernehmen.<br />

Für die Phase One (Eins) dieser Operation gab es zwei grössere<br />

Problemkreise für die ich erst eine Lösung finden musste:<br />

A) Meine wahre Identität muss jederzeit im Verborgenen bleiben.<br />

B) Jeder Hinweis auf Liechtenstein und die LGT muss vermieden<br />

werden.<br />

572


Der Grund für beide Vorsichtsmassnahmen war, dass ich die Gruppe<br />

Kosmos ja nicht kannte. Es war absolut unmöglich, im voraus<br />

abzuschätzen, wie die reagieren würden. Deswegen müsste ich<br />

unbedingt immer die Oberhand behalten, ich müsste jederzeit die<br />

Möglichkeit haben, mich bei Gefahr sofort aus der ganzen Sache<br />

zurückziehen zu können.<br />

Würde ich meine Identität preisgeben und die Sache würde schief<br />

laufen, dann könnten die von KOSMOS unter Umständen schnell auf die<br />

Verbindung nach Liechtenstein und sogar auf die LGT kommen.<br />

Konsequenterweise müsste ich alle Stellen in den betroffenen Daten, die<br />

auf Liechtenstein hinweisen (LGT Gruppe, Stiftung XY in Vaduz, Namen<br />

der Bank oder Kundenberater etc.), elektronisch überdeckten. Erst wenn<br />

ich das volle Vertrauen in die Gruppe KOSMOS hätte, könnte ich mir<br />

vorstellen, die Phase Two (zwei) zu beginnen, während der ich ihnen die<br />

vollen Daten übergeben würde.<br />

Phase ONE wäre also ein Balanceakt zwischen dem Bedürfnis und der<br />

Richtigkeit die Wahrheit aufzuzeigen und dem Schutz meiner Person,<br />

sollte was in die Hose gehen. Den sollte wirklich was daneben gehen,<br />

dann hätte ich niemanden, an wen ich mich um Hilfe wenden könnte.<br />

Doch, an Hans-Adam. Nein, natürlich nicht. Zugegeben, diese ganze<br />

Operation wäre ein gewagtes, sehr wahrscheinlich halsbrecherisches<br />

Abenteuer, da musste ich mir nichts vormachen.<br />

Ich hatte auch noch keine Lösung für das prekärste Problem in der Phase<br />

Two gefunden. Nehmen wir an, ich würde die Daten der Gruppe<br />

KOSMOS übergeben. Anschliessend würden sie, was ja der Sinn der<br />

Operation wäre, diese Beweise den Behörden und damit der<br />

Öffentlichkeit präsentieren. Der erboste Hans-Adam in Liechtenstein<br />

würde doch sofort erkennen können, wer hier der Übeltäter war, der die<br />

Daten verraten hatte. Alle Finger dieser Welt würden auf mich zeigen.<br />

So sichtbar wie ein in der Mitte stehendes Kamel in einer Halle voll mit<br />

sitzenden Affen. Hans-Adam und seine Truppe wären nur die eine<br />

Hälfte der zornigen Bösen. Der betroffene Kundenkreis, ihre<br />

Hintermänner (Finanziers) und die anderen Personen, die von diesem<br />

"Geschäft" profitiert hatten, hätten wahrlich auch keine helle Freude mit<br />

mir, um es mal gelinde auszudrücken.<br />

Trotzdem wollte ich zumindest die Phase One wagen. Ich musste mir<br />

also ein neues "Ich" zulegen, aber nichts Diffiziles:<br />

573


1. Name: aus Heinrich wurde Marcel.<br />

2. Soziales: aus ledig wurde Familienvater (mit Frau und Kindern in<br />

Südamerika).<br />

3. Herkunft: aus Bürger von Liechtensteiner wurde ein Schweizer.<br />

4. Wohnregion: Wohnhaft in der Nähe von Neuenburg.<br />

5. ehemaliger Arbeitsort: aus Vaduz wurde Genf.<br />

6. ehemaliger Arbeitsplatz: aus der LGT Treuhand wurde ein<br />

namenloses Treuhandbüro in Genf.<br />

Und sollte mich jemand wegen der französische Schweiz oder<br />

Südamerika sprachlich testen wollen, so würde dies kein Problem sein.<br />

Französisch und Spanisch beherrsche ich perfekt.<br />

Ich kopierte die Daten der betroffenen 10 Briefkastenfirmen von meiner<br />

Masterkopie über dem Laptop auf einen neuen kleinen, auch externen<br />

Datenträger und machte mich an die mühsame Arbeit jeden noch so<br />

kleinen Hinweis auf Liechtenstein, die LGT u.s.w. elektronisch mit<br />

einem schwarzen Balken zu verdecken.<br />

Das Dokument behielt seine Originalität, nur wurden diverse Stellen<br />

anstelle eines Pinsel mit einem elektronischen Balken versehen und mit<br />

demselben Dateinamen neu abgespeichert.<br />

Die Namen der Kunden, Adresse, persönliche Personenabgaben liess ich<br />

aber wie im Original sichtbar stehen. Dasselbe galt für Kontonummer,<br />

Kontostände, Vermögensauszüge, Ein- und Auszahlungen, Listen und<br />

Performancegrafiken etc. - aber nur sofern es ausländische, nichtliechtensteinische<br />

Banken betraf. Es waren um die 325 Einzelblätter,<br />

wovon jedes zum Schluss im Durchschnitt 5 schwarze Balken hatten.<br />

Das ganze Bündel sah eher wie ein Dokument aus Geheimdienstkreisen<br />

aus. Aber eben, man kann nie vorsichtig genug sein. Warum der ganze<br />

Aufwand? Man darf nicht vergessen, dass ich sehr, sehr vorsichtig sein<br />

musste. Obwohl die von KOSMOS auf der rechtlich richtigen Seite<br />

schwammen, verfolgt im Leben jeder seine eigenen Ziele. Das heisst, wir<br />

hätten zumindest ein gemeinsames Ziel, aber der Weg dorthin könnte<br />

sehr unterschiedlich werden.<br />

Eines der interessantesten Dokumente war eine kleine Liste, wo mehr als<br />

20 Zahlungen (via Bank oder in bar) von Geldern in Millionenhöhe unter<br />

Verwendung von Codenamen (3- oder 4-stellige Grossbuchstaben) für<br />

die diversen Empfänger vermerkt waren. Manchmal verwenden die<br />

574


Kunden eine von ihnen erstellte Liste wie diese, ohne ihrem Treuhand-<br />

oder Bankberater die echten Namen der Empfänger preiszugeben.<br />

Oft erledigt die Treuhand/Bank die Transaktion (für die sie eine solche<br />

Liste des Kunden nicht benötigen) ohne den zu Grunde liegenden<br />

Sachverhalt zu erfassen. Was eigentlich vom Gesetz zwingend<br />

erforderlich wäre - aber eben, wen in Vaduz kümmert das<br />

Sorgfaltspflichtgesetz schon. Hier kamen die Aufträge für die<br />

verschleierten Zahlungen vom betroffenen Kundenkreis.<br />

In diesem Fall kann man aber davon ausgehen, dass die LGT Treuhand<br />

die wahren Empfänger gekannt hatte; sonst wäre die codierte Liste nicht<br />

in den Unterlagen der Stiftung oder Anstalt gelandet.<br />

Leider war eine schriftliche dekodierte Liste mit den Angaben zu den<br />

wirklichen Personen nicht im Back-Up-Tape der LGT Treuhand<br />

gespeichert. Höchstwahrscheinlich ist die LGT Treuhand (und im<br />

reduziertem Masse die LGT Bank) auch im Besitz der decodierte Liste;<br />

oft wurden solche Daten aus Sicherheitsüberlegungen nicht eingescannt.<br />

Nachdem ich das fertige Bündel Dokumente nochmals durchgelesen<br />

hatte, entschloss ich mich im Bereich der Vorsichtsmassnahmen noch<br />

eine Stufe höher zu gehen. Um zu vermeiden, dass sie eventuell später<br />

ohne meine Einwilligung von den gewonnenen Fakten Gebrauch<br />

machen konnten, und mich damit in Gefahr bringen würden, verdeckte<br />

ich ganz oder teilweise auch die Namen der Stiftungen etc. und die<br />

Kontonummern. Als Zusatzmassnahme wechselte ich dann bei einigen<br />

der Balken von Schwarz auf Weiss um.<br />

Geplant war, dass ich bei einem zweiten Treffen die verdeckte Version<br />

der Daten zeigen würde. Sollte es überhaupt zu einem zweiten Treffen<br />

kommen. Bei allfälligen nachfolgenden Treffen könnte ich immer die<br />

unverdeckte Version, wo alles im Original ersichtlich war, präsentieren.<br />

Das Ziel eines 1. Treffens wäre es, erstmals von ihnen Antworten auf<br />

viele meiner Fragen zu bekommen.<br />

Ich hatte mir ein neues Emailkonto eingerichtet und schrieb an eine<br />

Emailadresse eines Leiters von KOSMOS, die ich im Internet gefunden<br />

hatte. Im Email hatte ich grob die Situation umschrieben, ohne auch nur<br />

im Entferntesten auf die konkrete Sachlage einzugehen. Die Kunst<br />

bestand darin, den Text so zu formulieren, sodass der Empfänger dem<br />

anonymen Absender (Marcel) soweit Glauben schenken könnte, dass er<br />

antworten würde.<br />

575


Es dauerte nicht lange, da erhielt ich eine Antwort von ihm. Die Gruppe<br />

KOSMOS war sehr an einem Treffen interessiert. Ich hatte mir eine Liste<br />

der möglichen Orte erstellt, wo ich mich mit ihnen Treffen würde. Ich<br />

bestand darauf, zum ersten Meeting mich nur mit einer Person, dem<br />

Leiter zu treffen. Es sollte ja keine Party werden.<br />

Meinem vielleicht etwas überdosiertem Misstrauen entsprechend, hatte<br />

ich dafür das Thermalbad Bad Zurzach in der Schweiz, nahe der Grenze<br />

ausgesucht. Gespräche nur mit Badehose bekleidet mögen zwar etwas<br />

zu intim erscheinen, aber mir war es wichtiger, dass mein Gegenüber<br />

keine elektronischen Aufnahmegeräte verdeckt mit sich tragen könnte.<br />

So bat ich ihn eine Badehose mitzubringen, ohne ihm mitzuteilen warum<br />

und wohin die Reise gehen würde. Nach ein paar weiteren Emails,<br />

nachdem ich etwas Vertrauen fassen konnte, verwarf ich die Idee mit<br />

dem Kurhaus/ Thermalbad dann wieder. Innerhalb von 6 Monaten gab<br />

es drei Treffen. Alle fanden in Zürich statt.<br />

Der Geschäftsleiter, nennen wir ihn mal Theo, hatte mir ein Foto von sich<br />

per Email zu gesandt. Ich hatte darum gebeten, damit ich ihn erkennen<br />

konnte. Wenn ich so zwischen seinen Zeilen las, bemerkte ich eine<br />

gewisse Unsicherheit von seiner Seite. Seine Identität und sein Gesicht<br />

waren ja kein Geheimnis mehr. Von mir wusste er praktisch nichts. Wir<br />

vereinbarten, uns in Zürich zu treffen. Er soll alleine kommen. Er würde<br />

mit dem Flugzeug eintreffen. Einen Tag vor Ankunft soll er mir den<br />

Namen seines Hotels per Email mitteilen. Ich würde ihn dann dort<br />

anrufen. Ein Anruf in seiner Heimat, egal ob im Büro oder zu Hause<br />

wollte ich nicht.<br />

Für das erste Meeting hatte ich keine Daten mitgenommen und teilte<br />

ihm dies durch die Blume auch mit. Ein Sicherheitsproblem weniger für<br />

mich. Ein öffentlicher Platz/ Ort für ein erstes Aufeinanderstossen bei<br />

einem solchem Meeting ist immer eine gute Idee. Ich hatte eine kleine<br />

Befürchtung, dass er mit einer unsichtbaren Horde zum Treffen<br />

erscheinen könnte. Sollte man sich nicht sympathisch sein, könnten sich<br />

unsere Wege gleich trennen. Zudem würde dies auch ihm ein Gefühl der<br />

Sicherheit geben. Ich suchte mir den Paradeplatz mitten in der<br />

Bahnhofstrasse in Zürich aus. Ich hatte natürlich den Heimvorteil, da ich<br />

das Gebiet seit meiner Jugend gut kenne.<br />

Aus taktischen Überlegungen teilte ich ihm mit, dass wir uns nach einer<br />

kurzen Begrüssung ins Restaurant im 1. Stock des berühmten Café<br />

Sprüngli an demselben Platz zum Gespräch begeben würden. Ich<br />

576


eservierte sogar einen Tisch auf seinen Namen dort (und teilte dies ihm<br />

mit). In Wahrheit wollte ich das Gespräch nicht dort, sondern ca. 300<br />

Meter weiter weg in einem kleinen, überschaubaren Gourmetrestaurant<br />

abhalten. Dies einfach darum, um ihm keine Gelegenheit zu geben, mich<br />

während des Gesprächs zu "überraschen", sollte er doch einen Schatten<br />

aus dem Ausland mitbringen und diesen im Sprüngli (vorher)<br />

platzieren.<br />

Ich hatte selbst für den Fall vorgesorgt, wenn ein Schattenmann auch<br />

noch schnell zu Fuss sein würde. Um es diesem so richtig zu versalzen,<br />

hatte ich vor, zuerst eine Tramfahrt mit Theo zu unternehmen. Einen<br />

ganzen Rundkurs, inklusive 2 bis 3 Mal umsteigen. Die Nachhut würde<br />

es extrem schwierig haben uns zu folgen, ohne dass ich es merken<br />

würde. Selbstverständlich würde ich die Augen wie ein Adler scharf<br />

stellen und die Ohren wie ein Luchs spitzen. Die Tickets für das Tram<br />

würde ich schon vorher für uns beide kaufen (Nicht dass wir noch als<br />

Schwarzfahrer erwischt werden. Noch dazu würde ich keinen Ausweis<br />

auf mir tragen). Für das Treffen hatte ich mir die Eckdaten aus dem<br />

Kundendossier der betroffenen Briefkastenfirmen auf einen kleinen<br />

Zettel notiert. Diese wollte ich mit ihm besprechen und dann seine<br />

Detailkenntnis zum Gerichtsfall im Ausland mir anhören.<br />

Als dann endlich der grosse Tag anbrach, war ich schon ganz aufgeregt.<br />

Ich rief ihn in seinem Hotel an und alles lief wie am Schnürchen.<br />

Niemand hatte uns verfolgt und ausser uns hielt sich nur ein älteres Paar<br />

zu dieser Stunde im Restaurant auf.<br />

Ich bat ihn mir seinen Ausweis zu zeigen. Ich hatte ihn zwar vom<br />

Gesicht her erkannt. Aber wer weiss, vielleicht wäre er nicht der "Theo"<br />

den ich im Kopf und angeschrieben hatte. In seinem Ausweis stand dann<br />

aber "Theo" drin.<br />

Er war ein sehr angenehmer und intelligenter Meister seines Fachs. Wir<br />

verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Das ich ein Schweizer wäre, hatte er<br />

mir sofort abgenommen. Durch ständiges Hochdeutschreden war ich<br />

bemüht, meinen sonst hörbaren Ostschweizer Akzent (nur ein Kenner<br />

kann zwischen dem Ostschweizer und Liechtensteiner Dialekt<br />

unterscheiden) zu verstecken. Er konnte einige Worte auf Französisch<br />

die ich elegant auf Französisch entweder erwiderte oder mit einem<br />

langen Satz beantwortete.<br />

Er erzählte mir von seiner Familie und was alles in seiner Heimat so<br />

abläuft. Er war von meinem Detailwissen über die Personen, die in den<br />

577


Wirtschaftskrimi verwickelt waren, beeindruckt. Er konnte mir viel zu<br />

den aktuellen und der Allgemeinheit nicht bekannten Fakten erzählen.<br />

Ich zog meinen Zettel aus der Tasche und erklärte ihm die Transaktionen<br />

ohne die Namen der Stiftungen etc. zu nennen. Er war zugleich<br />

geschockt und erfreut. Er und seine Leute hatten ein solches Verbrechen<br />

als Ausgangspunkt im Hintergrund schon lange vermutet. Er wollte<br />

unbedingt die Daten sehen. Ich erzählte ihm in Umrissen wie ich zu den<br />

Daten gekommen war. Ich fragte ihn, ob er eine gute Idee wüsste, wie<br />

man die Daten ohne die Gefährdung meiner Person (und der meiner<br />

imaginären Frau plus Kind) der Öffentlichkeit zeigen könnte. Er hatte<br />

dafür keine Lösung zur Hand, würde aber darüber nachdenken.<br />

Es stellte sich heraus, dass er mehr Angst vor mir hatte, als ich<br />

Befürchtungen wegen dem Treffen hatte. Da er in dieser Sache bei den<br />

"Feinden" (den im Ausland Angeklagten) bekannt wäre, so hätte er für<br />

einen Moment befürchtet, dass diese ihm eine Falle (in Zürich) stellen<br />

würde. Wir mussten beide laut lachen. Wenn der wüsste - ich hatte ein<br />

Heer von Feinden, dachte ich. Weil seine Frau so sehr wegen seiner Reise<br />

in die Schweiz besorgt war, hätte er ihr versprechen müssen, einen<br />

weiteren Mitarbeiter der Gruppe KOSMOS mit nach Zürich zu nehmen.<br />

Da ich aber ausdrücklich auf ein Treffen unter vier Augen bestanden<br />

hatte, wäre dieser Mann im Hotel zurückgeblieben und würde dort auf<br />

ihn warten. Ob ich diesen kennen lernen wollte, fragte er mich. Nein, im<br />

Moment nicht. Danke.<br />

Ich sagte ihm, dass ich ihm beim nächsten Treffen die Daten zeigen<br />

könnte. Freilich nur mit gewissen Stellen in den Dokumenten verdeckt.<br />

Und nur auf meinem Computer. Nicht das die Schlaumeier auf die Idee<br />

kommen und während wir uns die Daten auf ihrem Computer ansehen,<br />

sie klammheimlich eine Kopie des Inhalts meiner CD erstellen.<br />

Er akzeptierte dies und sagte, dass er nach Hause zurückkehren würde<br />

und nach einer Lösung suchen würde. Er bezahlte die Rechnung und<br />

wir verabschiedeten uns. Vorher musste er mir ganz fest versprechen,<br />

dass er mit niemanden über die Treffen von Heute reden würde. Mit<br />

Ausnahme seines Büropartners, der ja eh schon mit ihm in Zürich war.<br />

Nennen wir ihn mal Udo.<br />

Das 1. Treffen war also gut über die Bühne gegangen. Wir blieben via<br />

Email in Kontakt und ich willigte für ein zweites Treffen ein, diesmal<br />

auch mit Udo. Da ich versprochen hatte, die Daten zu zeigen, hatte ich<br />

eine Möglichkeit ausgekundschaftet, wo ich meinen Laptop und die<br />

gebrannte CD mit der verdeckten Version zwischenlagern konnte. Ich<br />

578


wollte diese Sachen nicht bei der Begrüssung zum zweiten Treffen bei<br />

mir haben. Sicher ist sicher.<br />

Nachdem Theo mir den Ort des nächsten Treffens vorgeschlagen hatte<br />

und ich damit einverstanden war, machte ich mich der spezifischen<br />

Umgebung kundig. Einige Tage später kamen Theo und Udo wieder<br />

nach Zürich. Wir trafen uns im von Theo vorgeschlagenen Luxushotel<br />

Baur au Lac, nahe dem Zürichsee. Ein edles Haus. Ich trug nichts ausser<br />

etwas Bargeld bei mir. Meinen Rucksack mit dem Computer und der CD<br />

hatte ich eine Stunde vor dem Treffen in einem 24-Stunden-Schliessfach<br />

am nächstgelegen SBB-Bahnhof, dem Bahnhof Enge deponiert.<br />

Udo war genau so angenehm wir Theo. Wir sassen in einer ruhigen Ecke<br />

in der Nähe der Lobby und plauderten über dies und das. Sie hatten<br />

sofort gesehen, dass ich ohne Gepäck, also ohne Computer gekommen<br />

war. Sie sagten aber nichts. Wieder hatte ich meinen Zettel wie beim 1.<br />

Treffen bei mir. Nachdem ich mich sicher genug gefühlt hatte,<br />

verabschiedete ich mich plötzlich und sagte ihnen, dass sie sich nicht<br />

vom Fleck bewegen sollen; ich wäre in 15 Minuten wieder da.<br />

Ich rannte durch die Rückseite des Hotels raus und über diverse<br />

Strassenzüge, die ich mir vorher auswendig gelernt hatte, rüber zum<br />

Bahnhof. Es war schon dunkel und es regnete leicht. Ich nahm den<br />

Laptop und die CD raus und nahm eine andere Strecke zurück zum<br />

Hotel.<br />

Ich wollte nicht mit ihnen in ein Zimmer gehen, um die Daten<br />

anzusehen. Ich fand es besser, immer eine vertraute Fluchtroute vor<br />

Augen zu haben. Ein Tisch im Salon würde mir besser gefallen, sagte ich.<br />

Mit Gesicht zur Türe, beziehungsweise dem Gang und Theo und Udo<br />

mit dem Rücken dorthin. Wir fanden eine passende Sitzgelegenheit und<br />

ich steckte das Stromkabel ein und legte die CD ein. Beide Herren hatten<br />

eine günstige Position eingenommen, so dass sie vom Bildschirm gut<br />

ablesen konnten.<br />

Ich mahnte die zwei ja nichts aufzuschreiben oder sich zu merken. Sie<br />

nickten beide mit dem Kopf und sagten Ja, natürlich. Ich führte die<br />

Herren einmal durch die Datensammlung der betroffenen<br />

Gesellschaften. Sie konnten gleich erkennen, dass die Daten nicht nur<br />

das bestätigen, was in ihrer Heimat seit Jahren bloss gerüchteweise<br />

durch die Flure flog, sondern dass das Ausmass noch viel schlimmer<br />

war. Jetzt verstanden sie zu 100 %, dass ich sehr um meine Sicherheit<br />

besorgt war. Und dies nicht wegen der LGT & Hans-Adam; davon<br />

579


wussten sie ja nichts. Es war die mögliche Gefahr, die von den Kunden<br />

und von deren Hintermännern ausging.<br />

Vor allem Theo war ob der Daten sehr enthusiastisch und malte schon<br />

mal in bunten Farben aus, welch Sprengkraft die (Daten-) Bombe bei<br />

einer Veröffentlichung hätte. Er schlug vor, bei einem ihm persönlich<br />

bekannten Herausgeber oder Manager eines ultraseriösen Verlages Rat<br />

zu holen. Vielleicht würden diese mir etwas an Entschädigung für meine<br />

"Umtriebe" geben, meinte er.<br />

Ich war nicht so begeistert von der ganzen Sache. Die Medien? fragte ich.<br />

Kann ich da sicher sein, dass ich nicht von denen überrannt werde? Ich<br />

war der festen Meinung, dass meine Interessen um den Schutz meiner<br />

Person (und Familie) leicht untergehen könnten, wenn die Medien die<br />

Daten erhalten würden. Nein, nein, sagte Theo. Man könne eine<br />

Aushändigung oder eine Publikation an Bedingungen knüpfen. Ich war<br />

mir dessen nicht so sicher. Warum sollten die Medien Rücksicht auf<br />

mich nehmen, wenn sie die Daten einmal eingesehen hätten oder sogar<br />

Kopien davon erhalten hätten.<br />

Dieser Verlag wäre sehr geachtet, aufrichtig und schütze seine Quellen<br />

sehr. Theo und Udo wollten nicht aufhören, wie die Wilden auf mich<br />

einzureden. Eines der Argumente war, dass ich der Volksgemeinschaft<br />

(in ihrem Land) einen grossen Dienst erweisen würde, könnte man die<br />

Daten den Medien oder den Behörden zeigen, bzw. übergeben. Na ja,<br />

erwiderte ich. Es wäre sicher ein schönes grosses Gefühl, von einer<br />

grossen Masse dafür gelobt zu werden. Eine kugelsichere Weste sei dies<br />

aber immer noch nicht.<br />

Je mehr Zweifel ich deswegen hatte, desto mehr Argumente fanden sie<br />

für die Sache. Sie hatten es ja gut gemeint. Sie wusste ja nichts von<br />

meiner Folter in Argentinien, dem bisher ergebnislosen Kampf gegen die<br />

verantwortlichen Täter und was ich auch sonst noch alles mit der<br />

inkompetenten Justiz, der Leichensammlerin LGT, dem Wortbrecher<br />

Hans-Adam und seiner Pharisäer-Regierung in den vergangenen Jahren<br />

durchmachen musste. Ich hatte Theo und Udo erzählt, dass ich schon<br />

vor einiger Zeit meinen Job beim Treuhandbüro in Genf gekündigt hätte.<br />

Und ich mich erst jetzt an sie, an die "Öffentlichkeit" wagen würde, weil<br />

ich aus Sicherheitsgründen erst abwarten musste, bis einige Jahre<br />

vergangen waren, seit der ganze Komplex, um den es im laufenden<br />

Strafprozess im Ausland ging, angefangen hatte.<br />

Ich konnte ja nicht zu einem Treffen aufkreuzen, mich als verbitterter<br />

Heinrich Kieber vorstellen, der im Begriff war, eine Daten-<br />

580


Neutronenbombe ins Publikum zu schmeissen. Udo nannte mir den in<br />

Frage kommenden Verlag. Ich kannte das Haus. Theo nannte mir den<br />

Namen der Person, die er dort kennen würde. Der Name war mir nicht<br />

geläufig. Am Ende der Diskussion sagte ich OK. Reden kann man ja mal<br />

mit dem Verlag. Aber zum nächsten Treffen, dem Dritten dürfte nur<br />

einer vom Verlag kommen. Ich wollte keine Wanderung von Publizisten,<br />

Journalisten und Grabrednern auslösen. Zudem müsste es jemand sein,<br />

der im Impressum weit oben stehen würde. Das diese Person ihren<br />

Ausweis mitbringen sollte, wäre auch wünschenswert, sagte ich. Kein<br />

Problem, erwiderten beide. Freudestrahlend fuhren die zwei<br />

Humanisten wieder heim. Ich schlich mich auf neuen Umwegen,<br />

meinem Computer und die CD im Rucksack tragend, zurück in meine<br />

kleinen vier Wände.<br />

Es dauerte nicht lange, da hatte Theo schon wieder ein Email geschickt.<br />

Er kündigte den Besuch mit besagter Person an. Wir einigten uns auf<br />

einen Tag und auf einen Versammlungsraum in einem Luxushotel ganz<br />

in der Nähe des Flughafens Zürich. Weniger als einen Kilometer<br />

entfernt, im Hauptsitz der SWISSAIR, wo ich rund fünf Jahre lang meine<br />

grossartigste Arbeitsstelle gehabt hatte. Das ganze Gebiet kannte ich in-<br />

und auswendig.<br />

Am Morgen des Gipfeltreffens war ich sehr ruhig und entspannt. Diesen<br />

Tag werde ich nie vergessen. Nicht weil es so "arschkalt" war. Hätte es in<br />

letzter Minute, nein in allerletzter Sekunde keine Richtungsänderung<br />

gegeben, dann wäre nichts so, wie es heute ist. Ich wäre nicht da, wo ich<br />

heute bin. Es hätte (aus Liechtensteiner Sicht) nur eine<br />

Unterwasserzündung der Leuchtrakete mit schwachen Wellen gegeben.<br />

Klaus Zumwinkel wäre immer noch CEO der Deutschen Post AG, oder<br />

hätte zumindest einen feierlichen Abgang gehabt und wäre dann Chef<br />

des Deutschen UNICEF Kinderhilfswerks geworden.<br />

Für Frank Burkhard Appel (Nachfolger Zumwinkels bei der Post) hätte<br />

das Schicksal sicher andere Aufgaben vorgesehen. Hans-Adam müsste<br />

in seiner Bank noch ein paar Stockwerke tiefer graben, um Platz für neue<br />

Leichen zu machen. Und, und, und. Und dieses Buch gäbe es auch nicht.<br />

Ich deponierte meinen Laptop und die CD mit der verdeckten Version in<br />

einem Schliessfach beim Airport. Ich wartete dann schon ungeduldig in<br />

der Hotellobby auf die Besucher. Theo und Udo waren mit etwas<br />

Verspätung angekommen. Theo brachte insofern überraschende<br />

581


Nachrichten mit, als er mir berichtete, dass der Verlag nicht nur einen<br />

der Direktoren, sondern noch zwei weitere Mitarbeiter,<br />

Fachbereichsleiter oder so ähnlich, mit auf den Weg geschickt hatte. Ob<br />

ich damit einverstanden wäre.<br />

Überraschungen mag ich in solchen Situationen gar nicht, war das erste,<br />

was er von mir zu hören bekam. Das wäre ja schon fast<br />

Delegationsstärke, sagte ich. Mist, dachte ich. Jetzt waren es 5 Personen,<br />

also 10 Augen, die mir auf die Finger schauen würden. Das bedeutete,<br />

dass ich unmöglich während dem Meeting alle unter meiner Aufsicht<br />

behalten konnte. Mein Kopf war ja zusätzlich mit allerlei anderen<br />

Dingen voll auf beschäftigt. Einer Detonation nahe. OK, sagte ich, wenn<br />

sie nun mal schon da sind.<br />

Ich folgte Theo in ein von ihm gemieteten Sitzungszimmer. Als erstes<br />

inspizierte ich alle dort vorhandenen technischen Anlagen und zog bei<br />

allen Geräten den Stecker aus. Ich drehte sogar die Kameralinse eines<br />

fest installierten Projektors heraus. Nicht das man hier noch gefilmt<br />

wird. Man kann nie vorsichtig genug sein.<br />

Ich setzte mich an den Kopf des grossen Tisches. Mitgebracht hatte ich<br />

nur einen Schreibblock und einen Stift. Nach einer Viertelstunde kamen<br />

die drei Herren mit Udo in den Raum. Der Direktor stellte sich zuerst<br />

vor. Er zeigte mir, wie die anderen zwei auch, seinen Pass und alle<br />

Namen waren auf einer Registerliste des Verlags vorhanden. Allesamt<br />

freundliche und höfliche Herren. Nenne wir sie mal die Gebrüder<br />

Alfred, Bert und Carl.<br />

Ich bat alle ihre Handys ganz auszuschalten und unter der vereinbarten<br />

Bedingung, dass niemand etwas aufschreiben oder sich auswendig<br />

lernen würde, begannen wir die aussergewöhnliche Sitzung. Der Verlag<br />

wurde vorher schon von Theo ins Bild gesetzt. Nach einer Diskussion<br />

über die Moral solcher Treuhand- und Bankenkunden, den Sinn und<br />

Zweck von Zeugen, die Wichtigkeit von Informanten, der Schutz der<br />

Quellen u.s.w., wollten die vom Verlag mehr über mich wissen. Was ich<br />

innerlich natürlich nachvollziehen konnte. Ich wiederholte nur was ich<br />

schon Theo und Udo gesagt hatte. Der Direktor, Alfred, war eindeutig<br />

kein Anfänger. Er tippte gleich am Anfang darauf, dass Marcel nicht<br />

mein richtiger Name wäre. Ich bestätigte dies und erklärte ihm, dass ich<br />

unmöglich meinen richtigen Namen sagen konnte. Meine Absage, auch<br />

den Namen meines ehemaligen Arbeitgebers zu nennen, wurde<br />

murrend zur Kenntnis genommen. Ich hatte aber eine plausible<br />

Erklärung dafür. So lange ich sie nicht besser kennen würde, könnte ich<br />

582


es nicht sagen, das Risiko war einfach zu gross. Und ich hätte nicht<br />

präziser antworten können.<br />

Was ich hingegen preisgab, war die Anzahl Jahre, die ich im<br />

Treuhandbüro gearbeitet hatte. Ich erzählte ihnen nichts von meiner<br />

genauen Tätigkeit; machte aber eine Bemerkung in Richtung<br />

Kundenbetreuung/Datenadministrator. Bert war auf dem Gebiet der<br />

Wirtschaftskriminalität sehr bewandert. Carl hatte grosses Wissen über<br />

die Art und Weise wie Treuhandfirmen in der Schweiz arbeiten. Ich<br />

denke, dass dies ein Grund war, warum diese zwei Herren beim Meeting<br />

anwesend waren; um meine Fachkenntnisse zu testen.<br />

Beide fragten mich abwechslungsweise über ein breites Spektrum im<br />

Bereich von Treuhand- und Bankengeschäften ab. Ich hatte absolut keine<br />

Mühe, die korrekte Antwort abzugeben. Schon nach wenigen Minuten<br />

hatten sie gewusst, dass da ihnen kein Möchtegernplauderer<br />

gegenübersass. Ich war schon etwas stolz auf mich. Wenn die wüssten,<br />

dachte ich mir. Mein eminentes Wissen der Materie im Allgemeinen<br />

hatte ich mir ja vorwiegend durch das berufsbedingte Studium<br />

tausender Akten bei der LGT angeeignet.<br />

Später kamen die vertieften Detailkenntnisse aller der über 3400 aktiven<br />

Gesellschaften dazu, als ich mich "privat" der Masse an Daten widmete.<br />

Bei jeder Antwort musste ich aber höllisch darauf achten, dass ich über<br />

keine der schmutzigen "Speziallösungen" in Bezug auf Geldwäscherei<br />

erzählte, die ausschliesslich in Liechtenstein angewandt werden.<br />

Vielleicht kannten ja Bert oder Carl die eine oder andere Masche aus<br />

Vaduz. Und in der Tat hatten sie beide im Gespräch mehr als ein Mal die<br />

Worte Vaduz und Liechtenstein fallen lassen. Dies im Zusammenhang<br />

mit der Diskussion über Geldwäschereiplätze rund um den Globus. Ich<br />

habe darüber hinweggehört und vermittelte den Eindruck, dass wir in<br />

"Genf" uns nicht gross um die in Vaduz kümmerten.<br />

Ich glaube, ein Mal war mir aber das Wort Vaduz auch über die Lippen<br />

gerutscht. Ohne negative Reaktion. Da das Gespräch soweit gut verlief,<br />

entschloss ich mich dem Alfred, Bert und Carl die Daten auch zu zeigen.<br />

Ohne Vorwarnung verabschiedete mich für 30 Minuten und bat Theo<br />

mit mir zu kommen. Ich wollte mit ihm alleine reden. Er wusste nicht<br />

wohin es gehen würde und hatte etwas Angst. Als ich ihm draussen vor<br />

dem Hotel sagte, dass wir nur ein Taxi zum Flughafen und zurück<br />

nehmen würden, war er beruhigt.<br />

Mitsamt Computer und CD waren wir nach 25 Minuten schon wieder im<br />

Sitzungsraum. Alle fünf Herren hatten sich wie Schüler hinten um mich<br />

583


herum aufgestellt und die drei neuen Herren warteten ungeduldig, auf<br />

das was jetzt kommen sollte. Ich zeigte die verdeckte Version der Daten<br />

und eröffnete die Fragerunde. Beides, zuerst der<br />

Hauptvermögenstransfer in hoher zweistelliger Millionenhöhe und die<br />

nachfolgenden, über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren verteilten<br />

hohen Millionensummen wurden nach einem sehr ausgefeilten Plan<br />

durch die Gesellschaften geschleust.<br />

Es wurden so viele Hindernisse eingebaut, damit es sehr schwer sein<br />

würde, (rückwirkend) das Gesamtkunstwerk zu erkennen. Ausser man<br />

hatte die Daten, wie ich sie hatte und, was immer sehr wichtig war, man<br />

wusste sie zu interpretieren. Der bei diesem Kundenkreis angewendete<br />

Plan war zwar überaus raffiniert; aber dasselbe Muster hatte ich schon<br />

bei einem US-Kunden, einem spanischen sowie einem französischen<br />

Kunden dokumentiert gesehen. Für das fertige Bild des Puzzles bei<br />

diesem Fall fehlten mir zwar ein paar Teile. Aber bitte, welche<br />

Bedeutung hatten schon zehn vermisste Stücke in einem 1000-Teile-<br />

Puzzles. Zudem wusste ich, wo man die fehlenden Teile finden würde.<br />

Dafür müsste ich aber noch bei der Treuhand arbeiten, was ja<br />

bekanntlich nicht mehr der Fall war. Mittels eines Gerichtsbeschluss<br />

würde man die Herausgabe der fehlenden Dokumente erzwingen<br />

können - in einem normalen Land. Für die Beweiskraft der Daten waren<br />

die zehn Stücke irrelevant. Mit Begeisterung und Staunen hatten die<br />

Besucher den Hintergrunderklärungen zu jedem einzelnen Dokument<br />

gelauscht. Fast alle Fragen konnte ich beantworten. Die fünf Herren<br />

dachten eine lange Zeit über die Möglichkeiten nach, wie man die Daten<br />

den Untersuchungsbehörden übergeben könnte, ohne dass die Feinde<br />

am Ende auf mich als Quelle kommen würden. Es war praktisch<br />

unmöglich diese Nuss zu knacken.<br />

Eine Idee war, gezielte Gerüchte zu streuen, dass bei einer der vielen (in<br />

die Millionenschieberei) involvierten Banken das Leck gewesen wäre.<br />

Geht nicht, sagte ich sofort. Man kann nicht das Bündel Daten<br />

veröffentlichen und dann Gerüchte streuen, dass eine der Banken die<br />

Daten "verloren" hätte oder durch ein internes Leck verraten wurden.<br />

Weniger die Öffentlichkeit, aber sicher die Feinde würden sofort<br />

erkennen können, dass die "beschuldigte" Bank unmöglich die Quelle<br />

oder das Leck sein kann. Die Bank konnte nämlich das Gesamtbündel<br />

an Daten gar nie besessen haben. Sondern nur jene Unterlagen, die im<br />

Zusammenhang mit Transaktionen aus ihrem Haus stammen. Ist mehr<br />

584


als eine Bank involviert (wie in diesem Fall), dann wüsste eine Bank<br />

alleine nie wie das Gesamtbild ausgesehen hatte.<br />

Dann kam einer vom Verlag mit der Idee, nur vereinzelte Dokumente in<br />

die Öffentlichkeit zu streuen. Funktioniert auch nicht, erwiderte ich. Nur<br />

bei der Treuhandfirma, die die Lösung ausgebrütet, geprüft und<br />

exekutiert hatte (und oft auch die Spuren danach eliminiert, wenn man<br />

ihnen nicht zuvorkommt), nur bei ihnen ist das Gesamtbild vorhanden.<br />

Das ist ja gerade der grosse Vorteil für die Treuhandfirmen, erklärte ich<br />

ihnen. Und für die ultimative juristische Beweisführung ist das<br />

Gesamtbild zwingend notwendig. Wenn das nicht unser Ziel ist, dann<br />

können wir die Übung gleich abblasen, sagte ich. Klar, die Banken<br />

müssen auch in der "Schweiz" dem Sorgfaltspflichtgesetzt genügen.<br />

Aber die Treuhänder können immer noch die Banken austricksen.<br />

Sowieso, das Treuhandbüro würde erst gar nicht eine Bank für die<br />

Transaktionen aussuchen, von der sie vorher schon weiss, dass sie zu<br />

viele Fragen über die Zahlungen stellen würde.<br />

Einer der Herren machte sich Hoffnungen, dass wenn man ein paar<br />

Dokumente mehr veröffentlichen würde, der Rest automatisch freiwillig<br />

folgen würde und man dann das Gesamtbild zusammen hätte.<br />

Funktioniert leider auch nicht, jammerte ich. Ganz, ganz selten kommt es<br />

vor, dass auf Grund vereinzelter Beweise, die in der Öffentlichkeit<br />

herumfliegen, auf einmal eine Bank oder ein Treuhand freiwillig sich zur<br />

Aufklärung des Verbrechens aufraffen würde. Wenn es nicht gerade<br />

einen (von der Weltgemeinschaft geächteten) Diktator betreffen würde,<br />

dann - Gott behüte - würde so etwas in "Genf" nie jemand tun. Man<br />

muss schliesslich seinen Ruf bewahren. Im Glauben, dass in Genf die<br />

Zentrale des Verbrechens war, meinte Alfred, dass das<br />

Untersuchungsrichteramt dort doch sicher eine Herausgabe der<br />

fehlenden Dokumente erzwingen könnte. Ja, in Genf vielleicht, dachte<br />

ich mir und sagte (in Gedanken an die Verhältnisse in Vaduz): Wenn die<br />

Bank, und vor allem die Treuhand genug Vorwarnzeit hat, dann<br />

vernichtet sie das Belastungsmaterial, gesetzliche Aufbewahrungsfrist<br />

hin oder her. Oder wenn dies nicht geht, dann tauscht sie zumindest -<br />

übrigens eine geniale Idee - den ultimativen wirtschaftlichen<br />

Berechtigten am Ende der Kette aus, klärte ich die Jungs auf. Dies ist in<br />

diesem Fall kein Problem, da der Hauptvermögenstranfer ganz und die<br />

Verteilung der Millionen mehrheitlich immer nur über Konten in Namen<br />

der eingesetzten (und vorgeschobenen) Gesellschaften gelaufen waren.<br />

Weiters ist der Austausch (oder auch Vertausch) von Daten immer dann<br />

585


sehr, sehr einfach, wenn die Treuhand und eine der betroffenen Banken<br />

derselben Firmengruppe angehören, beendete ich meinen Kommentar<br />

dazu.<br />

Wie wäre es dann, wenn ein anderer Mitarbeiter der Treuhand das Leck<br />

gewesen wäre, fragte Bert. In Antizipation einer solchen Frage, hatte ich<br />

die Antwort schon parat: Im Prinzip ein guter Einfall, sagte ich und<br />

dachte an das stehende Kamel im Kreis sitzender Affen. Aber leider nur<br />

im Prinzip. Solches wäre wegen der hochgradigen Verschwiegenheit<br />

unter den Mitarbeitern ausgeschlossen und zudem musste ich sie an<br />

meine frühere Schilderung erinnern, wo ich erklärt hatte, dass das<br />

betroffene Treuhandbüro in Genf nur um die 10, 12 Mitarbeiter hatte.<br />

Vielleicht darum, weil ich aus guten Gründen nicht sagen wollte, nicht<br />

sagen konnte, wie mein einstiger Arbeitgeber in Genf hiess und auch<br />

sonst mich mit Angaben zu meiner Person eher verdeckt hielt, wechselte<br />

Alfred das Gesprächsthema, weg von dem Quellenschutz. Er würde<br />

gerne die verdeckte Version der Daten mitnehmen und von einem<br />

Experten begutachten lassen wolle.<br />

Seinen Wunsch danach konnte ich verstehen. Mein Verlangen, warum<br />

ich das nicht erlauben sollte, können meine Leser sicher sofort<br />

nachvollziehen. Er konnte mir nicht sagen, wer dieser Experte wäre. Es<br />

wäre aber eine Person, der er absolut vertrauen könne. Er versüsste<br />

seinen Wunsch damit, indem er sagte, dass der Verlag auch sicherlich<br />

eine Art Gegenleistung ins Auge fassen würde, obwohl dies selten bei<br />

ihnen vorkommen würde (was mir Theo schon vorher berichtet hatte).<br />

Im Gespräch vorher fragte mich Alfred auch einmal, ob ich anderes<br />

Kundenmaterial aus der Treuhand hätte. Ich verneinte dies und sagte,<br />

dass ich nur diesen Fall mitgenommen hätte, weil es ein solch schweres<br />

Verbrechen war. Innerlich war ich eher amüsiert und dachte: Wenn der<br />

wüsste! Daten von über 3400 aktiven Gesellschaften könnte ich ihm auf<br />

den Tisch knallen. Inklusive einer Kiste voll mit weit grösseren<br />

Überraschungen im Zusammenhang seines Heimatlandes.<br />

Aber der Auslöser für die ganzen Treffen, alles warum ich überhaupt<br />

mit den fünf Herren an einem Tisch sass, war der laufende Strafprozess<br />

in deren Land. Alfred erklärte weiters, dass er die Unterlagen prüfen<br />

möchte, weil er vor einer Publikation u.a. die rechtliche Seite abklären<br />

muss. Das wäre vernünftig, sagte ich ihm. Also ein Rechtsexperte<br />

sozusagen. Ja, erwiderte Alfred, gewissermassen. Das der Verlag nicht<br />

bei den Banken anklopfen würde, war ja klar. Trotzdem hatte ich eine<br />

blöde Frage. Ich wollte versichert haben, dass sein Experte nicht auf die<br />

586


(dumme) Idee kommen würde, den betroffenen Kundenkreis zu<br />

kontaktieren. Nein, nein - sicher nicht, antworteten alle zusammen. Sonst<br />

könnte ich mich gleich schon erschiessen, sagte ich.<br />

Ich hatte wieder ein Gewitter in der Hirnregion und dachte schnell nach.<br />

Abermals im Dilemma. Einerseits wollte ich gerne der Gruppe KOSMOS<br />

helfen und gleichzeitig mal zur Abwechslung Hans-Adam eins vor die<br />

Birne knallen. Um mich zu beruhigen, notierte Bert handschriftlich auf<br />

der Rückseite der Visitenkarte von Alfred, dass der Verlag ohne mein<br />

Einverständnis nie auch nur ein Wort über das Gesprochene verraten<br />

würde. Diese Visitenkarte habe ich heute noch und sie liegt gerade<br />

neben mir auf dem Tisch.<br />

Die Stunden vergingen rasch und die Abflugszeit der Besucher rückte<br />

immer näher. Eine Entscheidung war gewünscht. Ich hatte innerlich<br />

grosse Widerstände, die CD dem Verlag zu überlassen. Sicher, es war ein<br />

seriöses Verlagshaus. Ich hatte aber Angst, dass meine begründeten<br />

Befürchtungen (im Falle einer Veröffentlichung) schnell ausradiert<br />

würden; der Gerichtsfall, um den es hier ging, war zu gross, als man auf<br />

meine Wenigkeit Rücksicht nehmen würde.<br />

Eindeutig erlitt ich für eine kurze Zeit einen Anfall von Blutleere im<br />

Hirnkasten. Denn ich willigte ein, dass Alfred die CD mit nach Hause<br />

nehmen könnte und er die rechtliche Seite abklären sollte. Von meiner<br />

(schnellen) Entscheidung waren sie alle überrascht. Wir nahmen alle ein<br />

Taxi zum Flughafen. Sie beschlossen, dass ich für meine bisherigen<br />

Umtriebe vergütet werden sollte. Ob zwei, drei Tausend<br />

Schweizerfranken OK wären, wurde ich gefragt. Was immer, sagte ich,<br />

nicht ganz sicher, ob dies der richtige Weg war.<br />

Die Situation am Flughafen war wie bei Kafka. Niemand der Herren<br />

hatte natürlich Bargeld an sich. Jeder der konnte, zückte seine EC-Karte<br />

und testete beim UBS-Bankschalter, Abflug Terminal 1(A), das<br />

Kartenlimit. Unter Verwendung von 3 oder 4 Karten hatten sie um die<br />

2'500 CHF zusammen. Einer vom Verlag bereitete schon mal eine<br />

Quittung vor; alles sollte seine Richtigkeit haben.<br />

Mein Blut fand seinen Weg zurück in die noch funktionsfähigen<br />

Hirnzellen. Was machst du da, fragte ich mich. Ich war kurz davor, zum<br />

ersten Mal Daten in "fremde" Hände zu geben. Auch wenn es eine<br />

verdeckte Version gewesen war, für das Entfernen der elektronischen<br />

Balken wäre kein Doktortitel in Computerwissenschaft nötig gewesen.<br />

Die schwarzen (und weissen) Balken waren nur eine optische<br />

Sichtbarriere über der darunter liegenden Kopie eines<br />

587


Originaldokument. Natürlich hatte ich ihnen das nicht verraten. War<br />

auch nicht notwendig. Würde ich also jetzt hastig die verdeckte Version<br />

aushändigen, würde der Verlag früher oder später auf die im<br />

Hintergrund schlummernden Vollkopie stossen und alle vorher<br />

verdeckten Datenteile lesen können. Logischerweise wäre es irgendwann<br />

das Ziel gewesen, dass die Öffentlichkeit (ob via Verlag, KOSMOS oder<br />

wie auch immer) die Daten erhalten sollte. Wäre es unter normalen<br />

Umständen (was immer dies heissen mag) später zu einer ordentlichen<br />

Lieferung der Daten gekommen, würde ich ja die betroffenen Daten neu<br />

vom Originalmasterspeicher abkopieren. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt<br />

dafür war, unter diesen Umständen, das war die brenzlige Frage.<br />

Die Antwort war Nein.<br />

Ich sagte, dass ich nochmals darüber nachdenken müsste; und mir kam<br />

die Idee, dass ich mich mit meiner (imaginären) Frau besprechen müsste.<br />

Jetzt. Sie sahen dies ein und ich entfernte mich. Sie behielten ihre<br />

Franken in ihren Händen und ich meine CD in meinen. Schräg<br />

gegenüber dem UBS-Schalter, an einem öffentlichen Telefon tat ich so,<br />

als würde ich eine Nummer wählen. Ich murmelte etwas in die<br />

Telefonmuschel hinein und nach einer Minute war ich schon wieder bei<br />

den Herren, die etwas abseits, in der Nähe der Rolltreppen warteten.<br />

Ich entschuldigte mich für die Umstände und sagte, dass ich<br />

ausserstande sei, die CD (jetzt) auszuhändigen. Ich müsste noch einiges<br />

vorher abklären. Sie bedauerten meinen Entscheid, hatten aber<br />

Verständnis für meine Vorsicht. Theo und Udo waren etwas traurig. Ich<br />

versicherte ihnen, dass ich mich in der nächsten Woche per Email sofort<br />

wieder (bei Theo) melden würde. Der Verlag hatte meine Emailadresse<br />

nicht; Theo wollte dies nicht. Alfred versprach mir zum Abschied<br />

nochmals für eine Lösung des Problems mit der Sicherheit meiner<br />

Person (und Familie) nachzudenken. Sie bedankten sich für meinen Mut<br />

und ich bedankte mich für ihre Zeit und Mühe. Sie steckten die frisch<br />

bezogenen Schweizerfranken wieder ein und ich versorgte meine CD im<br />

Rucksack zum Laptop. Ich winkte ihnen noch zu, bis sie durch die<br />

Passkontrolle geschritten waren.<br />

Was sie wegen meinem Rückzug wirklich dachten, konnte ich schwer<br />

abschätzen. Theo und ich hatten noch einige Male Schreibkontakt. Er<br />

meldete auch, dass der Verlag eine grössere Summe als Entschädigung<br />

bezahlen möchte. Und dies, obwohl sie sonst nie ihre Quellen bezahlen<br />

588


würden, gar nie müssten. Dies war mir zwar nicht ganz logisch, aber für<br />

mich dann im Endeffekt irrelevant.<br />

Ich schrieb Theo, dass ich mich beim Verlag für die angebotene Güte<br />

bedanken möchte, mich aber nach reiflicher Überlegung entschlossen<br />

hatte, vorerst diesen Weg nicht weiterzugehen. Er war sehr enttäuscht<br />

und wollte mich unbedingt sehen. Ich konnte aber seinem Wunsch nicht<br />

entsprechen. Ich musste meine ganze Methodik umkrempeln. Immer<br />

und immer wieder kam ich zum demselben Schluss. Egal wie ich es auch<br />

anstellen würde, egal wie der Verlag oder die Gruppe KOSMOS es<br />

schaffen würden, die Quelle zu schützen, am Ende würde es Hans-<br />

Adam sowieso erfahren. Und weder der Verlag noch die KOSMOS<br />

Gruppe könnten mich vor der Rache von Hans-Adam schützen.<br />

Gerade als ich dachte, die Angelegenheit wäre damit zu Ende, stellte ich<br />

mit Entsetzen fest, dass ich den (verständlichen) Übereifer der Gruppe<br />

KOSMOS krass unterschätzt hatte. Und wie so oft in meinem Leben,<br />

hatte mich mein Instinkt (mit den Vorsichtsmassnahmen) vor grossem<br />

Schaden bewahrt.<br />

Einige Wochen später, nachdem Theos Emails immer ernster wurden,<br />

erreichte mich eines, dem ein Brief angehängt war. Ich öffnete den<br />

Emailanhang und musste schon wieder fluchen. Es war eine Art<br />

Kurzfassung in Worten meiner gezeigten Daten und Erklärungen über<br />

die betroffenen Kunden (der Treuhand), den Millionenzahlungen und<br />

den Transfers. Auch wurden Angaben zu Banken, Zeitpunkt oder<br />

Zeitabschnitte der Zahlungen gemacht.<br />

Einfach wirr durcheinander, inklusive Teile der bei der Datenschau an<br />

einigen Stellen teilweise sichtbar gewesenen Konto- oder andere<br />

Nummern. Ich traute meinen Augen nicht. Diese Spitzbuben von der<br />

KOSMOS. Sie hatten sie sich also entgegen ihren Versprechungen<br />

heimlich so viel wie möglich mental gemerkt und später dann versucht<br />

auf Papier zu bringen. Ich war sehr enttäuscht. Obwohl ich allen Grund<br />

zum Schimpfen hatte, war mein Gefühl der Erleichterung grösser. Ich<br />

bin ein sehr vorsichtiger Mensch und hatte noch eine weitere<br />

Vorsichtsmassnahme eingebaut.<br />

Aus der Email von Theo wurde ich auch nicht schlau. Hatte er nun den<br />

Brief an die betroffene Untersuchungsbehörde oder anderswohin schon<br />

gesandt, oder wollte er es noch tun.<br />

Etwas übertrieben erbost hatte ich ihm dann zurück geschrieben. Ob er<br />

noch ganz klar im Kopf wäre? Obwohl der Inhalt des komischen<br />

589


Schreibens nicht die nötigen Detailkenntnisse hatte, um irgendjemand<br />

gross aufzuschrecken, würde er mich (und meine Familie) in grosse<br />

Gefahr bringen. Er hätte mir doch versprochen, sich nichts und aber<br />

auch nichts zu merken und schon gar nicht auf die saublöde Idee zu<br />

kommen, über den Inhalt unserer Treffen eine Kurzfassung zu machen<br />

und diese irgendwelchen Behörden zukommen zu lassen. Ob er denn<br />

noch geistig auf der Höhe wäre, fragte ich zum Schluss. Ich schrieb auch,<br />

dass ich sicher wäre, dass der Verlag nichts von dem allen wusste. Was<br />

auch so war.<br />

Theo hatte mir geantwortet, dass der Verlag ohne die Daten nichts<br />

unternehmen würde. Die Gruppe KOSMOS möchte aber dringend die<br />

Wahrheit vorzeigen. Auf meine Frage, ob er diesen Brief schon<br />

abgeschickt hatte, reagiert er erst gar nicht. Am Schluss flehte er mich<br />

fast an, der Allgemeinheit den Gefallen zu tun. Ich bin ihm nicht böse. Er<br />

wusste ja nichts von der gigantischen Tragödie, die sich vor, während<br />

und nach seiner Zeit mit mir abspielte. Etwas sauer, aber immer noch<br />

nicht böse war ich auch dann, als wieder ein paar Wochen später, als ich<br />

eine Kontrolle des Emailkonto durchführte, eine Email in der<br />

Eingangsbox war, die nicht von ihm kam.<br />

Zur Erinnerung, ich hatte dieses Emailkonto nur für den spezifischen<br />

Gebrauch für den Kontakt mit Theo (und allenfalls mit dem Verlag, was<br />

nicht aktiviert wurde) eingerichtet. Ich öffnete das neue Email (wie<br />

immer in gesicherter Umgebung) und musste schon wieder fluchen.<br />

Verdammt noch mal! Warum, warum musste dies mir wieder passieren.<br />

Theo hatte einer Drittperson nicht nur sichtbar meine eigentlich geheime<br />

Emailadresse mitgeteilt, sondern auch noch meinen, wenn auch falschen,<br />

Namen mitgeliefert.<br />

Die Mail war von einem Fernsehjournalisten verfasst. Zumindest gab er<br />

sich als solchen aus. Er nannte seinen vollen Namen und er schrieb, dass<br />

er schon mehrere Dokumentarfilme über grosse Wirtschaftskrimis<br />

gedreht hätte. Er hätte meine Emailadresse von Theo erhalten. Er müsste<br />

sich mit mir dringend treffen. Ob ich ihn auf die unten stehende<br />

Nummer anrufen könnte, fragte er mich. Auch das noch, dachte ich mir.<br />

Mir bleibt auch nichts erspart. Mein Vertrauen in Theo & Co. war dahin.<br />

Ich konnte unmöglich, selbst wenn ich wollte, nach diesen<br />

Begebenheiten weiter mit ihnen reden. Schade eigentlich.<br />

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass ich nie wieder irgendjemanden von<br />

diesem Emailkonto geschrieben hatte. Auf diesen Schreck hin musste ich<br />

am selben Abend erst mal eine meiner Lieblingsspeise kochen:<br />

590


Zürcher Geschnetzeltes.<br />

Mahlzeit.<br />

(Ein Rezept für dieses Gericht findet man in der Internetliste am Ende<br />

des Buchs.)<br />

Ich verfolgte (wie die LGT in Vaduz sicher auch) den besagten<br />

Gerichtsprozess bis zum bitteren Ende. Ein Ende im Desaster; aus Sicht<br />

der Wahrheit. Niemand weiss von diesen Treffen, mit Ausnahme der<br />

fünf Herren. Und jetzt natürlich meine verehrten Leser. Wieder ein<br />

Geheimnis weniger. Ich bis mir sicher, dass die fünf Herren heute<br />

verstehen können, warum ich den Kontakt zu ihnen abgebrochen hatte.<br />

Ich möchte mich bei Alfred, Bert & Carl, bei Theo & Udo - sollten die<br />

sich unter meinen Lesern befinden - dem Verlag, der Gruppe KOSMOS<br />

bedanken.<br />

Es tut mir leid, dass ich Euch alle nicht mehr unterstützen konnte. Als<br />

Steigbügelhalter habe ich meine Arbeit in diesem speziellen Fall getan;<br />

das mit den Daten gefütterte Pferd muss Euer Land schon selber reiten.<br />

591


KAPITEL 30 Afrikanische Hitze<br />

Von dem Jahr 2005 waren nur noch wenige Wochen übrig. Gleichwohl<br />

sollten es abermals spannende Wochen werden. Nachdem ich Punkt Nr.<br />

1 und Nr. 2 als erledigt abhacken konnte, war es an der Zeit mich wieder<br />

den unerledigten zu widmen (dieses Buch ist übrigens keine Nummer<br />

aus meinem Plan). Vorher entschloss ich mich kurzerhand noch schnell<br />

für eine Nacht nach Barcelona zu fliegen. Der Rechtsanwalt von dort<br />

hatte mich angerufen und gesagt, dass der Termin am 30.11. wäre und<br />

dann der Deckel zum Verfahren endlich zugeklappt würde.<br />

Ich wollte dies mit eigenen Augen selber sehen und flog am 29.11.<br />

runter. Am nächsten Tag mussten er und ich über zwei Stunden beim<br />

Gericht warten, bis meine Aktenzahl an der Reihe war. Ich bedankte<br />

mich persönlich beim Gericht für die Anerkennung des Urteils aus<br />

Vaduz und wünschte ihnen alles Gute. Das war’s.<br />

Fast 10 Jahre lang hatte mich der Verbrecher Helmut R. Zeit, Nerven,<br />

praktisch mein ganzes Vermögen und vor allem fast mein Leben<br />

gekostet. Ich hatte keine Zeit und ehrlich gesagt dafür auch keine<br />

Energie mehr, mich mit ihm oder den anderen Tätern aus Argentinien<br />

herumzuschlagen und aufzuhalten. Mein Terminplan für die nächsten 12<br />

Monate war eng belegt.<br />

Noch am gleichen Tag flog ich wieder zurück nach Zürich. Adios<br />

Barcelona - bis zum nächsten Mal in meinem Leben. Am selben Tag<br />

wurde mir auch von einer anderen Quelle bestätigt, dass die<br />

Staatsanwaltschaft die Liste erhalten hatte und anstelle Untersuchungen<br />

zu starten, die Liste einfach der Regierung übergab.<br />

Am 1. Dezember setzte ich mich in Zürich wieder in ein Flugzeug. Ich<br />

reiste mit der SWISS nach Afrika, 1. Stopp Johannesburg in Südafrika.<br />

Ich war noch nie in dieser Ecke von Afrika. Mein Ziel war Kapstadt mit<br />

dem Kap der guten Hoffnung. Angeblich sollte es dort noch Hoffnung<br />

geben. Ich hatte vor, für zwei Monate an einem<br />

Wiederaufbautrainingslager für verstümmelte Opfer von Hans-Adams<br />

berüchtigtem „Ich-geb-Dir-mein-Wort‚-Program teilzunehmen. Nein,<br />

nicht wahr. Trübsinn Beiseite.<br />

Ich wollte mich für die kommende Saison geistig und körperlich wieder<br />

topfit machen. Mit meinem Mountainbike, dass ich auch mitgenommen<br />

592


hatte, wollte ich die Strassen zwischen Kapstadt und Fishhoek (nahe<br />

Simonstown, Südlich von Kapstadt) unsicher machen. Es waren<br />

eindrucksvoll schöne acht Wochen. Ich hatte ein Zimmer zur Untermiete<br />

bei einer weissen Lady, die mit ihren zwei Söhnen ein grosses Haus<br />

besass. Fishhoek ist ein kleines altes Fischerdorf, mit wenigen tausend<br />

Einwohnern. Meine Vermieterin, Margaret war eine allein erziehende<br />

Mutter und hatte auch zwei sehr bissige Hunde (wie fast alle übrig<br />

gebliebenen Weissen in Südafrika); einen deutschen Schäferhund mit<br />

Arthritis und eine Strassenmischung. Nebst dem Konditionstraining<br />

besuchte ich zwischendurch die Sehenswürdigkeiten der Kapregion und<br />

konnte aber wegen meines Ernährungsplans die vielen kulinarischen<br />

Köstlichkeiten leider nicht gross geniessen.<br />

Etwas was jedem Besucher sofort ins Auge sticht, der zum 1. Mal in Süd<br />

Afrika war, ist die brillante Sonne. Ein reines Licht, wie ich es noch nie<br />

gesehen hatte. In der ersten Woche war ich jeden Morgen um 7 Uhr<br />

aufgestanden und rannte leicht bekleidet 30 Minuten später joggend aus<br />

dem Haus. 45 oder 60 Minuten konnte ich ohne Mühe rennen. Das<br />

Problem war die Sonne. Die Strahlen waren so scharf, dass ich schon<br />

nach 3 Tagen einen Sonnenbrand hatte, trotz der frühen Stunde.<br />

Zum Joggen konnte, wollte ich ja keine Sonnenschutzcreme tragen. Also<br />

gut, dachte ich, renne ich halt früher am Morgen weg. Ich stellte den<br />

Wecker auf 4 Uhr. Es war schon kurz danach genug hell. Zwei Mal<br />

klappte es mit dem Extrem-Früh-Joggen. Dann erinnerte mich meine<br />

biologische Uhr daran, dass ihr dies gar nicht passte. Ich verlegte das<br />

Joggen auf die frühen Abendstunden. Tagsüber radelte ich in der<br />

grösseren Umgebung für 3 bis 4 Stunden herum. Die Autofahrer auf<br />

dem Land müssen sehr an die vielen Zweiräder gewöhnt gewesen sein.<br />

Allesamt waren sie sehr zuvorkommend. Nur die Städter fuhren eher<br />

einen aggressiven Stil.<br />

Ich war aber mutig genug viermal samt Velo den Zug zum<br />

Hauptbahnhof in der Mitte von Kapstadt zu nehmen und auf der Strasse<br />

entlang wieder zurückzufahren. Für diese Radtour benötigte ich circa<br />

zwei Stunden. Der schönste Tag war, als ich mich einer Gruppe anderer<br />

Radler anschiessen konnte, und wir alle, jeder mit einer roten St.<br />

Nikolausmütze auf dem Kopf, Süssigkeiten an Kindern im Quartier<br />

verteilten. Ich war so entspannt wie schon seit Jahren nicht mehr. Dies<br />

trotz der traurigen Feststellung, dass die Fairness aus der<br />

593


"Gerechtigkeitspfeife", die mir Hans-Adam all die Jahre<br />

entgegengestreckt hatte, eine reine Halluzination war. Eine billige<br />

Fälschung. Im Grunde wollte er mich damit nur vernebeln. Er und seine<br />

Leute hatte wohl selber zu viel davon "geraucht". Und welchen Stoff sie<br />

dabei verbrannt hatten, war und bleibt schleierhaft. Tabak war es sicher<br />

nicht, sonst wäre ihnen von Anfang an aufgefallen, dass ich schon immer<br />

ein Nichtraucher war. Egal. Das war im Moment alles weit weg.<br />

Und die nach der Verlagerung des Fokus notwendig gewordene<br />

Neuorientierung, weg von Helmut R. & Co, hin zu den "Tätern aus<br />

Liechtenstein", konnte auch eine kurze Pause brauchen. Es war ein<br />

friedliches Dasein am Kap der Guten Hoffnung.<br />

Nebst einigen touristischen Höhepunkte gab es auch drei "Treffen der<br />

anderen Art". Treffen mit allerhand Leuten aus der ganzen Welt. Es war<br />

ein beflügelndes Gefühl nach so vielen Jahren, wo ich ständig nur als<br />

"Daten-Klauer, Daten-Knapp-Verräter, Daten-Unterdrücker, Treuhand-<br />

Versuchs-Umstürzler, Blaublut-Störer, Liechtensteiner Pandora-<br />

Büchsen-Schüttler, Landes-Verräter, Bankleichen-Wühler, Auslands-<br />

Möchtegern-Zuträger" und weiss Gott was beschimpft und verspottet<br />

wurde, mal zur Abwechslung auf Menschen traf, die ein offenes Ohr<br />

hatten und erst mal zuhören konnten. Es waren Gespräche mit vielen<br />

gegenseitigen Aha-Effekten.<br />

Meine Fitnessbemühungen hatten sich am Ende gelohnt. Ich flog mit 9,6<br />

Kilogramm weniger Körpergewicht wieder nach Hause.<br />

Wie neugeboren kam ich in der kalten Schweiz am 1. Februar 2006<br />

wieder an. Ich konzentrierte meine ganze Energie auf Arbeit für die<br />

bevorstehenden Aufgaben. Anfangs März meldete sich der Professor auf<br />

meinem Handy. Wie es mir so gehen würde, fragte er. Er würde mich<br />

gerne Mitte März treffen. No Problem, sagte ich. Mir wäre ein Meeting<br />

auch recht, da ich dann die Gelegenheit hätte zu erfahren, was es alles<br />

Neues in Vaduz gäbe.<br />

Am 15.3. trafen wir uns um 13 Uhr in Zürich. Er erzählte mir von seinen<br />

Aktivitäten und was sich so in seinem Leben seit unserem letzten Treffen<br />

abspielt hatte. Das Vorkommnis mit den Listen war absolut kein Thema<br />

mehr in Vaduz. Der Professor sagte mir, dass die LGT Affäre jetzt kalter<br />

Kaffee war. Das Drama um die LLB hingegen wäre immer noch<br />

594


hochaktuell. Er hätte sich aber aus den "Verhandlungen", bzw.<br />

Beratungen zurückgezogen. Die Regierung in Vaduz habe die<br />

Angelegenheit Mittelsmänner aus der Schweiz und zwei<br />

Wirtschaftsdetekteien aus Deutschland übertragen.<br />

Die LLB verteilte nun Millionenweise Euros. Ob dies die richtige Lösung<br />

dafür wäre, fragte ich ihn. Er antwortete nur, dass die Regierung und die<br />

LLB fest daran glauben würden, dass mit den Zahlungen alles unter dem<br />

Deckel bleibt und dann bald wieder die Liechtensteiner Normalität<br />

einkehren würde.<br />

Ich fragte ihn, ob ich, als Person noch ein Thema in Vaduz wäre. Nein,<br />

sagte er. Sie hätten sich zwar schon gewundert, warum ich nach<br />

Südafrika gefahren war (ich hatte ihnen bewusst kurz vor der Abreise<br />

davon erzählt und angedeutet, dass ich evt. in diesem afrikanischem<br />

Land für länger bleiben möchte), aber solange ich mich nicht in Banken-<br />

oder Treuhandkreisen (in Vaduz) zeigen würde, kein Hahn mehr nach<br />

mir krähen würde, erzählte er. Hans-Adam, mit dem er regelmässig im<br />

Kontakt stehe, hätte bei ihm nach seinem Treffen mit mir im November<br />

2005 und im Februar 2006 nachfragen lassen, wie es um meine<br />

Gemütsverfassung stehen würde. Er hätte ihn dann angerufen und nur<br />

gesagt, dass er den Eindruck hatte, ich wäre ruhig oder ruhiger<br />

geworden.<br />

Der Professor glaubte auch, dass ich gewiss in zwei, drei Jahren wieder<br />

in meine Heimat ziehen und dort leben könnte; wenn ich das wollte.<br />

Auch hätte niemand etwas negatives darüber gesagt, dass ich mich<br />

offenbar immer noch in der Schweiz aufhalten würde (anstelle weiter<br />

weg zu ziehen). Innerlich war ich froh, dass man dachte, ich sei ruhiger<br />

geworden. Wie es dem Bankdirektor gehen würde, fragte ich weiters.<br />

Dem geht es super blendend gut. Die LGT wisse nicht wohin mit den<br />

vielen frischen Moneten. Und meinem Ex-Boss Feuerstein? Dem ginge es<br />

vom Hörensagen auch soweit gut. Er habe mit ihm aber seit über einem<br />

Jahr nicht mehr gesprochen. Der Professor erzählte mir auch, dass er<br />

selber vermehrt Seminare in Grossfirmen abhält, wo er das Phänomen<br />

der "Workplace Violence" erläutert. Er bedankte sich nochmals für<br />

meinen diesbezüglichen Input in Form meiner Denkschrift vom Oktober<br />

2003.<br />

Er hatte die Idee, dass wir uns alle wieder einmal zum Essen treffen<br />

sollten und schlug vor, dass er und der Bankdirektor mich einladen<br />

würden. Wird sicher wieder von Hans-Adam bezahlt, um mich erneut<br />

595


psychologisch begutachten zu lassen, sagte ich gleich. Kann sein,<br />

antwortete der Professor grinsend.<br />

Gesagt - Getan.<br />

Am 6. September hatte dieses Essen stattgefunden; natürlich in einer<br />

meiner Lieblingsstädte: Zürich. Wir trafen uns um 18:30 im Restaurant<br />

Au Premier im Gebäude des Hauptbahnhofs. Beide waren gut gelaunt<br />

und der Bankdirektor schämte sich etwas; wegen den falschen<br />

Versprechungen. Ich sagte ihm gleich zu Beginn, dass er sich nicht für<br />

Hans-Adams Fehlverhalten und Lügen entschuldigen muss. Ich sagte<br />

auch, dass ich seine Beschämtheit sehr an ihm schätzen würde. Da ich<br />

schon mal dabei war, bemerkte ich auch, dass Hans-Adam die Worte<br />

Scham oder schlechtes Gewissen gar nicht kenne. Mehr noch, er könnte<br />

kein "schlechtes Gewissen" haben, da er überhaupt kein Gewissen hatte.<br />

Zudem wäre Hans-Adam so von seiner universellen Unfehlbarkeit<br />

überzeugt, dass im Vergleich jene vom römischen Papst aus der<br />

Bonsaiklasse stamme.<br />

Ich musste mich bremsen; es ergab doch alles keinen Sinn mehr, weiter<br />

über dieses Thema mit den schlussendlich von Hans-Adam mehr oder<br />

weniger abhängigen Gesandten zu diskutieren. Wir wechselten das<br />

Thema. Oh, etwas mehr Sport wäre durchaus wünschenswert,<br />

veranschaulichte ich den Zwei indem ich auf ihre Bäuche zeigte. OK,<br />

zugegeben, der Bankdirektor war immer schon fit für sein Alter. Da ich<br />

nach der Rückkehr aus Südafrika mit einer Entschlackungskur mit<br />

BIOTTA-Säften gute Resultate erzielt hatte, kaufte ich spontan in der<br />

Apotheke, die gegenüber dem Sprüngliladen in Hauptbahnhof<br />

einquartiert war zwei BIOTTA-Boxen mit einem vollem 7-<br />

Tageprogramm. Schön verpackt schenkte ich den beiden die gesunde<br />

Kost. Nach einem feinen Essen verabschiedeten sie sich und<br />

verschwanden in der Dunkelheit.<br />

Insgesamt war ich im 2006 noch siebenmal in Liechtenstein auf<br />

Stippvisite zu Tagesbesuchen, Verabredungen mit Freunden oder bei<br />

Verwandten. Obwohl mir Hans-Adam durch seine Statisten untersagt<br />

hatte, mich in Vaduz wieder blicken zu lassen, interessierte mich dies<br />

nicht gross. Ich wohnte ja jetzt ausserhalb meiner Heimat. Die meisten<br />

der Besuche fanden sowieso in den anderen Liechtensteiner Gemeinden<br />

statt. Ich vermied aber die Plätze, wo ich auf Treuhänder oder Banker<br />

stossen könnte. Alte Gewohnheiten lassen sich nur ganz schwer<br />

596


abgewöhnen: Ganze neunmal war ich auch auf Besuch bei den Behörden<br />

in Vaduz. Vier mal beim Gericht, um jeweils einen (neu datierten)<br />

Strafregisterauszug zu holen. Ich wollte mich vergewissern, ob der<br />

Eintrag immer noch "leer" war. Dem war so.<br />

Von diversen anderen Gerichtsakten konnte ich mir auch noch Kopien<br />

bestellten und abholen. Ein Kurzbesuch galt jenem Amt in Vaduz, wo<br />

die Geburtsurkunden ausgestellt werden. Ich brauchte mehrere solche<br />

und andere Urkunden für meine Unterlagen und die laufenden Projekte.<br />

Drei der restlichen vier notwendigen Behördengänge waren beim Amt<br />

für Volkswirtschaft, dem Handelsregister und bei der<br />

Regierungskanzlei.<br />

Leider habe ich mich dabei "erwischen lassen"; Regierungschef Otmar<br />

Hasler kam ausgerechnet dann die Treppe vom ersten Stock runter, als<br />

ich im Erdgeschoss unten rechts am Schalter der Kanzlei stand. Auf<br />

meine eigene typische Art und Weise begrüsste ich ihn höflich -<br />

schliesslich war es der Regierungschef. Ich wünschte ihm und seinen<br />

Ministern beim Regieren eine glückliche Hand, wie man so schön sagt.<br />

Dabei dachte ich an etwas, worüber ich in diesem Buch nicht schreiben<br />

will. Nur für einen Augenblick lang war er sich nicht sicher, wenn er vor<br />

sich stehen hatte. Natürlich kannte er mich; der Sekundenstillstand<br />

wurde dadurch ausgelöst, weil seine Hirnregion, wo unter anderem die<br />

Logik verarbeitet wird, irrationale Fragen produzierte. Was macht der<br />

Kieber in Liechtenstein? Was macht der Kieber in Vaduz? Und was<br />

macht er im Regierungsgebäude? Man sah es ihm geradezu im Gesicht<br />

an. Bevor er etwas in diese Richtung laut fragen konnte, erwähnte ich<br />

schnell, dass ich zur Bushaltestelle rennen müsste, um rechtzeitig den<br />

Zug zurück nach Hause in die Schweiz zu erwischen.<br />

Auf Wiedersehen Herr Regierungschef Hasler.<br />

(Keine Antwort von ihm)<br />

Einmal noch hatte ich den Professor und den Bankdirektor jeweils<br />

alleine getroffen. Anfang Oktober rief mich der Professor wieder an und<br />

stellte die üblichen "verdächtigen" Fragen: Wie es mir gehen würde, was<br />

ich so machen würde etc. Er wäre am 5.10. für ein Seminar in Lugano.<br />

Was für ein Zufall, sagte ich. Auch ich wäre um diesen Tag herum im<br />

Tessin. Wir verabredeten uns beim Bahnhof hoch oben über Lugano. Er<br />

bot mir an, mit ihm in seinem Auto wieder nach Zürich zu fahren. Ich<br />

597


nahm das Angebot an, da ich auch am selben Tag wieder nach Zürich<br />

wollte. Ansonsten hätte ich den Zug genommen.<br />

Auf der Fahrt schwelgten wir in Erinnerungen über die Zeit in Holland<br />

und die makabere Fahrt am 1. Juli 2003. Es war kaum zu glauben, dass<br />

seit dieser Reise mehr als drei Jahre vergangen waren. Er schilderte mir<br />

nochmals, weil ich gezielt danach gefragt hatte, was alles so in der KKZ<br />

und sonst noch alles im 2003 in Vaduz geschehen war. Er erzählte auch<br />

von seinen äusserst schwierigen Beratungsbemühungen mit den<br />

Hochwohlgeborenen. Ich sagte dazu nur, dass Hans-Adams<br />

unvorstellbare Beratungsresistenz kein Geheimnis wäre.<br />

Er und seine Familie leben oft noch in einer Märchenwelt, sagte der<br />

Professor. Mit der Realität und Wertvorstellungen des modernen<br />

Menschen kann oder will sich der Liechtensteiner Adel nicht<br />

auseinandersetzten, beziehungsweise abfinden, war mein<br />

Schlusskommentar dazu. Mir war klar, dass dies das letzte Mal sein<br />

würde, wo ich mich mit dem Professor treffen wollte.<br />

In Zürich angekommen, bedankte ich mich bei ihm für Alles was ich von<br />

ihm (über mich) lernen konnte und verabschiedete mich mit festem<br />

Händedruck. Er musste noch weiter nach Basel fahren. Ich wünschte ihn<br />

und seiner Familie alles Glück. Gute Reise Herr Professor. Ebenfalls Herr<br />

Kieber. Ich habe den Professor seit damals nie wieder gesehen.<br />

Dass es noch mal zu einem Treffen mit dem Bankdirektor kam, war auch<br />

nicht geplant. Im Zusammenhang mit den laufenden Projekten meines<br />

Generalstabsplans hatte ich ein, zwei Fragen, die nur er beantworten<br />

konnte. Selbstverständlich wusste weder er noch irgendjemand anders<br />

von meinen Feinden, dass es einen solchen Plan überhaupt gab.<br />

Ich rief ihn auf seinem Handy an und fragte, ob er zufällig in absehbarer<br />

Zeit in St. Gallen wäre. Ich würde gerne mit ihm auf einen Kaffee<br />

zusammensitzen. Er freute sich über meinen Anruf und da er oft in St.<br />

Gallen war (was ich wusste), könnten wir uns ein paar Tage sehen. Ich<br />

schlug vor, uns in dem spanischen Restaurant in der Nähe des<br />

berühmten Klosters zu treffen.<br />

Pünktlich wie immer war er eingetroffen. Wir unterhielten uns über die<br />

LGT und er erzählte mir, dass mein Ex-Boss entweder die Firma schon<br />

verlassen hatte, oder im Begriff war es bald zu tun. So wie ich zwischen<br />

den Zeilen hören konnte, hatte die LGT sich mit Feuerstein überworfen.<br />

Das ganze Thema mit den entwendeten Treuhanddaten hätte auch eine<br />

Rolle gespielt. Feuerstein wurde dann gegen Ende 2006 ein Direktor<br />

598


eines anderen grossen Treuhandbüros: die Kaiser Ritter & Partner AG in<br />

Vaduz. Nachdem ich jene Informationen erhalten hatte, die ich brauchte,<br />

war es an der Zeit, mich von ihm zu verabschieden. Er tat mir ehrlich<br />

gesagt etwas Leid. Ich weiss nicht warum. Gute Reise Herr Bankdirektor.<br />

Alles Gute Herr Kieber. Das war das letzte Mal das ich den Bankdirektor<br />

gesehen habe.<br />

Da ich mich mehrheitlich in der Schweiz aufhielt, holte ich mir (am 1.11.)<br />

auch einen Strafregisterauszug bei der Bundeskanzlei in Bern. Meine<br />

letzte Reise im 2006 nach Liechtenstein war am 3. November. Ich hatte<br />

vorher telefonisch einen neuen Reisepass bei der Dame vom Passamt<br />

bestellen können. Per Telefon wäre dies normalerweise nicht möglich.<br />

"Aus Versehen" hatte ich meinen damals aktuellen Pass, der noch bis<br />

zum Jahr 2011 gültig war, in der Waschmaschine mitgewaschen. Auf<br />

einen neuen Pass musste man gewöhnlich 4 bis 5 Arbeitstage warten,<br />

nachdem man ihn persönlich am Schalter in Vaduz bestellt hatte.<br />

Ich erzählte der Dame, dass ich (angeblich) dringend einen neuen<br />

brauche, weil ich am nächsten Tag (4.11.) ins Ausland fliegen müsste. Da<br />

ich extra dafür aus der Schweiz nach Vaduz kommen würde, erlaubte sie<br />

mir, einen neuen Pass so zu bestellen. Ich müsste nur am 3.11. das<br />

Formular am Schalter ausfüllen und könne den neuen Pass ca. 2 Stunden<br />

später abholen. Ich müsste aber ein neues Foto, das den biometrischen<br />

Passbedingungen entspricht, mitbringen. Alles kein Problem, sagte ich<br />

und bedankte mich sehr. Am 3.11. brachte ihr meinen verwässerten<br />

Reisepass und schon nach 1 Stunde hatte ich meinen neuen in der Hand.<br />

Der Hauptgrund weshalb ich mir einen brandneuen Pass besorgte, war<br />

deswegen, weil ich ab diesem Zeitpunkt die maximale Gültigkeitsdauer<br />

von 10 Jahren haben wollte. Zum Abschied gab es noch was zum<br />

Lachen: die dienstälteste Angestellte, die erwähnte Dame, sagte bei der<br />

Passübergabe schmunzelnd zu mir: Na, dieses Mal in Deinem wirklichen<br />

Namen.<br />

Es ist schwer vorauszusagen, wann ich wieder mal im Ländle auf Besuch<br />

kommen werde. Aber mit Sicherheit spätestens am ersten Donnerstag im<br />

November 2016: wenn mein neuester Pass abläuft.<br />

Vielleicht ist Liechtenstein bis dann eine Republik.<br />

Es gibt noch so vieles, worüber ich meinen Lesern gerne im Detail<br />

berichten möchte. Was ich ebenfalls im Jahr 2006 und vor allem im 2007<br />

599


erlebt und gemacht hatte. Im Moment ist dies aber im Detail unmöglich.<br />

Aber keine Sorge, einige weitere Rätsel werde ich Euch noch lösen.<br />

Dann ist aber vorläufig Schluss.<br />

Apropos Sprichwörter:<br />

Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als hätte ich Ende 2002 /<br />

Anfang 2003 begonnen mit einem Spaten ein "Grab" für Hans-Adam zu<br />

schaufeln, enthüllt die Geschichte, dass in Wahrheit Hans-Adam einen<br />

Bagger gekauft und eigentlich schon ab Januar 2003 an einer anderen,<br />

steilen Stelle mit dem Graben angefangen hatte.<br />

Spätestens ab Mitte 2005 hatte ich mit dem Schippen in meiner kleinen<br />

Grube aufgehört und symbolisch daraus ein flaches Blumenbeet mit<br />

Tulpenzwiebeln aus Holland gemacht, um an die turbulenten Zeiten<br />

dort zu erinnern. Hans-Adam dagegen buddelte in seiner Mine noch bis<br />

zum Jahre 2005 munter weiter. In Anlehnung an das alte Sprichwort:<br />

„Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein‚, stellte sich am Ende<br />

heraus, dass er selber und sein Bagger nicht mehr aus der Grube heraus<br />

kriechen können, weil er inzwischen so tief gegraben hatte.<br />

Seit über einem Jahr schon hängt Hans-Adam und seine Clique alle<br />

Schuld mir an. Bei jeder Gelegenheit, sei es gegenüber den Medien, zu<br />

seinen Mitarbeitern in der LGT oder gegenüber den Kunden:<br />

immer und immer wieder rufen er und seine Anhänger<br />

"Hängt den Kieber - er ist an allem Schuld".<br />

Lachhaft!<br />

Hans-Adam kann den wahren Schuldigen jederzeit tief in die Augen<br />

blicken. Dafür muss er nur in jenem Raum in seiner Burg gehen, wo es<br />

die einzige Bodenheizung hat.<br />

Im seinem Badezimmer, im Spiegel trifft er auf den Schuldigen.<br />

600


KAPITEL 31 D A V I D<br />

Deutschland, Deutschland – das geliebte Deutschland!<br />

Das verliebte Deutschland feiert sich alljährlich an einem besonderen<br />

Tag. Während sich am Valentinstag im Jahr 2008 die meisten der innig<br />

Angebeteten im Bett noch mal umdrehten und von den vielen Rosen<br />

träumten, die sie vom Verehrer bekommen würden, musste Klaus<br />

Zumwinkel in Bonn schon frühmorgens zu seiner Haustüre eilen, weil er<br />

unerwarteten und ungebetenen Besuch hatte. Eine unbekannte Liebe<br />

vielleicht? Der Nikolaus war es nicht, dafür wäre dieser mehr als 2<br />

Monate zu spät. Der Postbote nicht, den der würde sich hüten, Oberboss<br />

Klaus zu solch frühen Stunden aus dem Bett zu holen. Der Milchbote<br />

auch nicht, den der fährt keinen schicken S-Klasse Mercedes mit einem<br />

Blaulicht auf dem Dach. Eine TV-Reality-Show "Deutsche<br />

Wirtschaftsbosse um 06:00 morgens - ungeschminkt" war es auch nicht,<br />

obwohl Kameraleute vor der Hütte lungerten. Es war der Staat.<br />

Unbestritten, der Staat liebt seine Bürger, aber ein herzhafter Besuch am<br />

Valentinstag? Keine Umarmung, sondern todernste Gesichter. Keine<br />

Valentintagsgrüsse, sondern Durchsuchungsbefehl, keine Rosen,<br />

sondern Handschellen.<br />

Es war eine Kleinigkeit, die Klaus Zumwinkel und in den folgenden<br />

Wochen viele Hundert Andere in Deutschland in eine solch missliche<br />

Lage brachte. Eine Lappalie: er hatte in den letzten 10 Jahren oder so<br />

vergessen, beim alljährlichen Ritual in einem gewissen staatlichem<br />

Formular ein paar Einkommensfelder auszufüllen. Und leere Felder mag<br />

der Staat gar nicht. Darum wurde er nun vom Staat besucht.<br />

Als in Deutschland die Millionen von Verliebten noch am<br />

Frühstückstisch sassen und hoffentlich Herzchenschokolade auspackten,<br />

verbreitete sich die Sensation wie ein Lauffeuer. Fast live im<br />

Frühstücksfernsehen. Auch David schaute Fern. Auch weiter südlich, In<br />

Vaduz hatte ebenfalls Hans-Adam Grund zur Freude, wie jedes Jahr an<br />

diesem Tag. Nicht nur weil er vermutlich seine geliebte Frau<br />

überraschen würde. Irgendwann im Verlauf des Vormittags waren die<br />

gefährlichen Nachrichten aus Deutschland auf seinem Schloss<br />

angekommen. Dass Zumwinkel einer seiner Deutschen PEP-Kunden<br />

war, wusste er ja nur zu genau.<br />

Die Intensität der medialen Ereignisse an diesem Februartag hatte David<br />

viel weniger als Hans-Adam und die Hohen-Finanz-Herren aus<br />

601


Liechtenstein überrascht. Vorstellbar, dass Hans-Adam an diesem Tag<br />

sein frisches Frühstücksmüsli kaum runterschlucken konnte. Es<br />

schmeckte als hätte ihm jemand einen "ganzen Sack Zitrone"<br />

reingepresst. Obwohl er den vollen Umfang des sich nun öffentlich<br />

anbahnenden Skandals in Deutschland nur langsam erahnen konnte,<br />

war er jetzt schon sehr sauer. Nicht wegen den „Zitronen‚. Jemand in<br />

Deutschland hatte diesen besonderen Tag extra für den Startschuss<br />

ausgesucht. Die Idee, die Deutsche Streubombe ausgerechnet an Hans-<br />

Adams Geburtstag, den 14.02., dem Valentinstag, zu zünden, wurde<br />

sicher wieder mir angehängt. Klar, die Idee könnte von mir stammen:<br />

mein Input war’s jedoch nicht! Davids auch nicht. Garantiert!<br />

David?<br />

Ach, ich habe ganz vergessen euch David vorzustellen.<br />

David, der schnelle David. Ich kenne ihn gut. David ist nicht sein<br />

richtiger Name – die Agenten des Bundesnachrichtendienst BND gaben<br />

ihm diesen Namen. Nein, nicht von David gegen Goliath. Sondern<br />

„David gegen Godzilla‚. So wie das Film-Monster Godzilla, tanzen auch<br />

Hans-Adam und die Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein auf viele<br />

Köpfe anderer Leute herum.<br />

David und ich debattierten oft darüber. Er hatte sehr triftige Gründe zu<br />

tun, was er getan hatte.<br />

Seit ein paar Jahren befindet er sich auf einem pedantisch geplanten<br />

Rachefeldzug mit starken Elementen von synchron laufenden,<br />

unabhängigen Massnahmen und Aktionen, dessen Ausführung er brutal<br />

vollstreckt. Die Notwendigkeit und parallel seine Bereitschaft dazu<br />

wurden in den vielen Jahren zuvor grösser und grösser. Jahre gestopft<br />

mit Demütigung, Ungerechtigkeiten, gebrochenen Versprechungen,<br />

Lügen und totale Verarschungen.<br />

Die düsteren Anzeichen für einen möglichen eisernen Rachefeldzug<br />

waren mindesten schon seit 2004 ersichtlich und vorhanden – nur hatte<br />

sie niemand in Liechtenstein ernst genommen oder voll erkennen<br />

wollen. Für sein Quantum in der Angelegenheit brauchte er keine Boten,<br />

Mittelsmänner, Strohmänner oder Agenten, wie sie Hans-Adam für<br />

seine „Geschäfte‚ braucht. David hat immer den persönlichen, direkten<br />

Kontakt bevorzugt und konsequent gewählt. Er ist ein normaler Mensch,<br />

eigentlich ein sehr liebenswürdiger. Es war ein langer innerer Kampf<br />

und ein sehr, sehr schwieriger Entschluss für ihn zum Whistleblower zu<br />

602


werden. Er hatte die LGT Daten und weitere Informationen den<br />

Deutschen übergeben. Dem BND. Warum hatte er die Deutschland-<br />

Daten ausgerechnet dem BND gegeben?<br />

Ja, ist doch logisch:<br />

"Willst du Deutschland einen Dienst erweisen,<br />

hast Material das vieles würde beweisen,<br />

Du zum Bundesnachrichtendienst musst reisen".<br />

OK, Vers und Spass beiseite.<br />

Das DAVID und ICH dieselbe Person sind, ist meinen LeserInnen sicher<br />

gleich klar geworden.<br />

Also warum dem BND ? Viele werden wohl spontan darauf antworten:<br />

„Des Geldes wegen‚. Liebe Leser und Leserinnen, wenn alles nur so<br />

einfach wäre. Die Motivation von mir war weiss Gott nicht das Geld.<br />

Von Anfang an: Von meiner Sicht aus stand grundsätzlich fest, dass die<br />

Deutschen ein Anrecht auf die Daten hatten. Umgekehrt muss<br />

Deutschland aus rechtsstaatlicher Sicht immer an solchen Daten<br />

interessiert sein. Die Basis für mich, sich mit dem BND<br />

zusammenzusetzen, war ja nicht der steuerliche Aspekt der Daten;<br />

absolut nicht.<br />

Was hat der BND mit Steuer zu tun? Eben rein gar nichts. Ich kannte ja<br />

die Daten bis ins Detail und es befanden sich viele Mandate darunter,<br />

die für den BND hoch interessant waren. Ich wusste, dass der BND<br />

einerseits an den schmutzigen Geschäftstricks der LGT Gruppe und der<br />

Finanzwelt Liechtensteins im Allgemeinen und anderseits an allen<br />

„Leichen im Keller‚ sehr interessiert war.<br />

Ich empfehle jedem einen kurzen Blick auf die Internetseite des BND zu<br />

werfen, dort sind die Tätigkeitsbereiche des Dienstes klar umschrieben.<br />

Die Abteilung TE befasst sich z.B. mit dem Thema Geldwäscherei und<br />

Organisierter Kriminalität (vor der Umorganisation war es die Abteilung<br />

6, wenn ich moch richtig erinnere). Schon alleine diese Tatsache<br />

befürwortet die direkte Kontaktaufnahme mit dem BND.<br />

Ein anderer wichtiger Grund für mich war: Ich kannte ja Hans-Adam,<br />

seine Regierung zu genüge. Ich konnte dem BND plausibel aufzeigen,<br />

welch enormes Gefahrenpotential die in Vaduz für mich bedeuteten.<br />

603


Sollte ich die Daten übergeben. Die Kombination Hans-Adam als<br />

Besitzer der LGT und gleichzeitiges Staatsoberhauptes bietet ihm andere<br />

Möglichkeiten gegen Leute wie mich vorzugehen. Ganz abgesehen<br />

davon, dass sein Clan einer der Reichsten in Europa ist. Die Gefahr wäre<br />

1000x kleiner, hätte ich z.B. Daten einer Sparkasse in Lindau entwendet<br />

und dem BND übergeben. Daher, nur eine Organisation wie der BND<br />

konnte und kann dem Machtmissbrauch von Hans-Adam vollständig<br />

entgegenhalten. Als Profiorganisation konnten sie schnell erkennen, dass<br />

schon die Verwendung der Daten durch ihren eigenen Dienst<br />

konsequenterweise eine grosse Gefahr für mein Leib und Seele mit sich<br />

bringen würde. Wer mich kennt, weiss, dass ich mich nicht 1 x, 2 x oder<br />

3 x, sondern mindestens 4 x absichere. Besondere Faktoren ermöglichten<br />

mir schon damals ein nüchternes Bild über die Vielzahl der<br />

zwangsläufig kommenden Reaktionen seitens von Hans-Adam und<br />

seiner Regierung aufzuzeigen. Ich hatte mir monatelang die<br />

verschiedenen Szenarien im Detail vorgestellt und in einem extra dafür<br />

erstellten Katalog aufgelistet: In drei Zeiträume aufgeteilte Liste über<br />

das "Wie, Wann und Warum" meine und die Gegner Deutschlands<br />

handeln würden, könnten oder müssten.<br />

So hatte ich unter anderem Richtig vorausgesagt, dass Hans-Adam zwei<br />

Wege für seine Rache eröffnen wird. Einmal den "Offiziellen Weg": Er<br />

würde wieder seine Macht als Staatsoberhaupt missbrauchen, um seine<br />

ganz privaten Interessen zu verfolgen. Ein Resultat davon ist die<br />

Internationale Ausschreibung (Haftbefehl) von mir. Auch wurde richtig<br />

vorausgesagt, dass Hans-Adam früher oder später den ganzen<br />

Staatsapparat von Liechtenstein für seine Rache instrumentalisieren<br />

würde. Dann wäre da der "inoffizielle Weg": Hans-Adam würde seine<br />

Geldmacht und weltweiten Kontakte nutzten, um eine private Treibjagd<br />

auf mich auszulösen. Ein Resultat davon ist die versprochene Bezahlung<br />

einer Belohnung in hoher Millionenhöhe an denjenigen Kopfgeldjäger,<br />

der ihm meinen Kopf bringt (siehe auch Kapitel 32). Auch wurde richtig<br />

vorausgesagt, dass Hans-Adam zu anderen illegalen Mitteln greifen<br />

würde, um im Ausland Aktionen zu starten, die das Ziel haben, mich zu<br />

lokalisieren (z.B. Überwachung und Bespitzelung von Personen und das<br />

elektronisches Abhören diverser Telefone oder dem Internetverkehr).<br />

Dieselben Massnahmen wurden nach unseren Erkenntnissen bei<br />

Bürgern in Liechtenstein angewendet. Da kann ich nicht behaupten, dass<br />

das illegale Methoden sind, da Hans-Adam ja selber bestimmt, was im<br />

Ländle legal und was illegal ist. Was mich auch nicht wundert, ist seine<br />

604


Überzeugungskraft die Liechtensteiner selber für die Kosten des ganzen<br />

Krieg gegen mich aufkommen zu lassen. Mittlerweile sind es sicher<br />

schon über 6 Millionen CHF. Er wusste immer schon wie seine eigenen<br />

Kasse zu schonen ist.<br />

Aus selbstredenden Gründen, kann ich die genauen Details zu meiner<br />

intensiven Beziehung mit dem BND nicht voll umgänglich erzählen.<br />

Ich schickte eine Email aus Südafrika an den BND. An die Emailadresse<br />

aus deren Webseite. Darin beschrieb ich mein Wissen und über den<br />

Umfang der Daten. Ohne auch nur das Land Liechtenstein zu erwähnen<br />

oder meine wahre Identität preiszugegeben; im Falle das kein Interesse<br />

seitens des BND sich entwickeln würde. Nach 2 Tagen schon erhielt ich<br />

eine Antwort. Darin wurde unter anderem eine sichere<br />

Kontaktiermöglichkeit aufgezeichnet. Nicht lange danach traf man sich<br />

zum 1. Mal. Meinem Wunsch sich vorerst nicht in Deutschland zu treffen<br />

wurde entsprochen. Erst nach diversen Treffen ausserhalb Europas und<br />

in anderen Europäischen Ländern stand einem Meeting auf (rechtlich)<br />

Deutschem Boden nichts mehr im Wege.<br />

Mein Gegenüber waren stets ein Agentenpaar; ein Mann und eine Frau.<br />

Ich nannte sie das Ehepaar Schiller. Sie nannten mich eben David. Beim<br />

1. Treffen zeigte ich ihnen meine Liechtensteiner Ausweise wie Pass, ID-<br />

Karte und Führerschein. Ich erzählte ihnen über meinen jahrelangen<br />

Kampf und überliess ihnen auf eine CD gebrannte Dokumente über<br />

Argentinien, die Gerichte, die STA, mein Leben u.s.w.. Bis zum 2. Treffen<br />

wollten sie alles nachprüfen und ganz nach Deutscher Gründlichkeit,<br />

das weitere Vorgehen mit ihren Vorgesetzten besprechen. Alle Treffen<br />

wurden immer einen Schwarm von anderen Agenten gesichert. Dies<br />

darum, weil nun „unser‚ gemeinsamer Feind, Hans-Adam und seine<br />

Puppenregierung, eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellte.<br />

Der BND und ich verstanden sich auf Anhieb sehr gut. Offenheit war<br />

und ist hier der Grundpfeiler für eine optimale Zusammenarbeit. Für<br />

mich war es nicht immer einfach, da ich auf mich alleine gestellt war und<br />

die Anderen am Tisch eine legitime, staatliche Macht darstellten, dessen<br />

Differenz zu „meiner‚ nicht grösser sein konnte. Was für den BND<br />

ausschlaggebend war, war die Tatsache, dass ich ein Liechtensteiner bin,<br />

bei der LGT gearbeitet hatte und immenses Insiderwissen hatte. Der<br />

BND prüfte meine Kenntnisse – soweit sie es selber testen konnten -<br />

605


über allgemeine und spezifische Banken- und Treuhandgeschäfte<br />

intensive.<br />

Der BND siedelte meine Motivation im Bereich Rache an!<br />

Natürlich war es mir bewusst, dass die Agenten des BND -<br />

berufsbedingt - nicht alle meiner vielen Fragen beantworten konnten.<br />

Die vielen monatelangen, manchmal komplizierten, oft heiteren<br />

Verhandlungen wurden stets hochprofessionell von Seiten des BND<br />

abgehalten. Die Art und Weise wie mach sich jeweils getroffen hatte,<br />

würde auch bei Drehbuchautoren für Agententhriller ihre Ovation<br />

finden.<br />

Der intensive Informationsaustausch, bzw. -abgleich zwischen dem BND<br />

und mir brachte einiges an Überraschungen zum Vorschein. Im<br />

positivem Sinne natürlich. Ich konnte zum Beispiel dem BND, auch<br />

anhand der realen Kundendossiers, mehrere Tricks der Liechtensteiner<br />

aufzeigen, die sie noch nicht kannten.<br />

Am wichtigsten für den BND war aber die unerschöpfliche Sammlung<br />

von den geheimen Treuhand- und Bankakten sowie die Firmeninternen<br />

Unterlagen. Dokumente, die den neusten Stand der Strukturen für<br />

Geschäfte mit der Organisierten Kriminalität aufzeigten.<br />

Oder dann jene Belege aus einer grossen Anzahl von Mandate, die<br />

konkrete Finanz- und andere Verbrechen stichhaltig dokumentieren<br />

konnten.<br />

Niemand vom BND musste sich gross anstrengen, um mit blossem Auge<br />

erkennen zu können, was praktisch alle Mandate gemeinsam hatten:<br />

Die Steuerhinterziehung.<br />

Egal ob das Vermögen nun legal oder illegal erworben wurden. Steuern<br />

wollte keiner der Kunden zahlen. Auch musste niemand einen<br />

Akademischen Titel in Mathematik haben, um grob die Summe der<br />

entgangenen Steuereinnahmen auszurechnen. Dabei spielte es wahrlich<br />

keine Rolle, wenn man sich bei dieser Summe um plus/minus ein paar<br />

hundert Millionen Euros verrechnen würde. Das Endresultat war immer<br />

eine gigantische Summe.<br />

Ein Nebeneffekt einer solchen oberflächlichen Hochrechnung führte<br />

dann zwangsläufig zu meiner Frage, ob im Prinzip die Steuerbehörden<br />

Interesse an diesen Daten hätten. Dies mag als eine dumme Frage<br />

erscheinen. Aber ich wusste ja auch, dass die Daten, na sagen wir mal,<br />

"unfreiwillig" die Treuhand verlassen hatten. Die Grundsatzfrage war,<br />

ob der Rechtsstaat Deutschland solche Daten in Steuerfragen verwenden<br />

606


könnte, verwenden dürfte. Diese Frage wollte und konnte der BND nicht<br />

beantworten. Steuerangelegenheiten Deutscher Bürger liegen nicht im<br />

Aufgabenbereich des BND.<br />

In Bezug auf die Verwendbarkeit der Daten durch die Steuerbehörden<br />

konnte der BND also nichts dazu sagen. Dass der BND die Daten für<br />

ihren Kampf auswerten konnte und eine allfällige andere Behörde nicht,<br />

leuchtete mir nicht ganz ein. Ich vertrat den Standpunkt, dass jede<br />

andere Deutsche Behörde in die Daten rechtlich auch auswerten dürften.<br />

Ein Jurist war ich selber ja nicht, aber um meine Meinung zu<br />

untermauern, brachte ich folgendes Beispiel vor: Mann A erschiesst<br />

Mann B mit einer Pistole. Mann A versteckt die Mordwaffe im Haus<br />

vom Frau C. Später wird die Tatwaffe von einem Mann D aus dem Haus<br />

von Frau C gestohlen. Mann D erfährt, dass die Waffe von Mann A beim<br />

Mord an Mann B verwendet wurde. Deswegen bringt Mann D die Waffe<br />

zur Polizei und teilt auch mit, dass er diese gestohlen hatte. Kann jetzt<br />

die Polizei die Tatwaffe nicht als Beweisstück im Gerichtsprozess gegen<br />

Mann A verwenden, nur weil sie von Mann D gestohlen wurde? Sicher<br />

nicht. OK, eine Mordwaffe ist keine Steuersache, und das ganze Thema<br />

Steuern ist in Deutschland eine äusserst komplizierte Materie.<br />

In Bezug auf den Begriff "Hehlerware" hatte ich auch eine gute<br />

Randbemerkung abgegeben. Jene von Deutschland benutzten<br />

Datensätze können gar keine Hehlerware sein. Alle Datenträger (CDs,<br />

DVDs oder externe Harddisk), auf die ich die Daten zuerst kopiert und<br />

dann Deutschland mehrfach übergeben hatte, hatte ich selber in einem<br />

Laden gekauft. Das Gleiche gilt für alle anderen Länder die von mir<br />

persönlich elektronische Datenträger mit den gespeicherten Daten<br />

erhalten hatten.<br />

Es wäre nur dann Hehlerware gewesen, wenn ich das ursprüngliche<br />

Original DLT-BackUp-Tape der LGT irgendjemanden übergeben hätte.<br />

Da dies nicht der Fall war (man erinnere sich, ich hatte das DLT-Tape<br />

auf Wunsch der LGT in Amsterdam vernichtet), können die "Daten"<br />

nicht als Hehlerware gelten. Meiner Meinung nach sind die Daten nicht<br />

einmal das geistige Eigentum der LGT! Wie ich mich gut erinnere (siehe<br />

auch Kapitel 5), hat mir der Kundenberater Peter Meier, ein alter Fuchs<br />

im Treuhandbusiness in Vaduz, einmal gesagt, dass die Dokumente<br />

(wenn auch nicht alle in einem Kundendossiers) rechtlich dem Kunden<br />

gehören. Die LGT Treuhand die Unterlagen nur für die Kunden<br />

aufbewahrt.<br />

607


Vor der Kontaktaufnahme mit dem BND hatte ich nur kurz einmal auf<br />

eigene Faust versucht, im Dschungel der Deutschen Steuerverwaltungen<br />

eine richtige und kompetente Ansprechperson zu finden. Mann oh Mann<br />

- je tiefer ich mich in diesen Urwald vorkämpfte, desto dunkler wurde es<br />

um mich herum. Leider gab es in Deutschland, resultierend aus dem<br />

hauptsächlich von den Amerikanern ausformulierten neuen<br />

Grundgesetz nach dem 2. Weltkrieg, kein Zentralbüro der<br />

Steuerfahndung. Damals war fast die ganze Machtbalance in<br />

Deutschland von der Siegermacht auf Länderebene zurückgestutzt<br />

worden.<br />

Hätte ich nicht schon eine Beziehung mit dem BND gehabt, dann hätte<br />

ich am Ende einfach gleichzeitig dem Finanzminister Steinbrück und der<br />

Kanzlerin Merkel einen Brief geschrieben und abgewartet, was<br />

geschehen würde. Ich hatte damit bei anderen Ländern immer Erfolg.<br />

Da ich aber schon eng mit dem BND verbandelt war, hatte ich nochmals<br />

dort nachgefragt, ob man mir eine Ansprechperson aus dem Dickicht der<br />

Deutschen Steuer-Bürokratie nennen könnte. Sie konnten. Ein wichtiger<br />

Grund für die Vermittlungsrolle des BND war unter anderem deren<br />

eigene Beurteilung der Situation und der Daten.<br />

Weil die Daten so explosives Material waren und daher jedes Treffen<br />

zwischen mir und den Staatsbeamten der Steuerfahndung ein hohes<br />

Risiko für alle Beteiligten bedeuten würde, organisierte der BND das<br />

Rahmenprogramm, um die Sicherheit aller zu Gewährleisten.<br />

Wer will deswegen dem BND nun etwas vorwerfen?<br />

Apropos BKA, Wiesbaden. In den Medien wurde gemeldet, dass die<br />

Deutschen Behörden, die sich um das Thema "David" kümmern,<br />

ursprünglich das BKA zur Übernahme seiner Betreuung ersucht hätten<br />

und das BKA aber dankend abgelehnt hätte. Ob dem so war der nicht,<br />

darüber kann ich leider nichts kommentieren; Tatsache ist aber, dass das<br />

BKA nur dann sich um eine Person "kümmern" kann, wenn diese aktuell<br />

in einem Verfahren (z.B. als Zeuge) in Deutschland involviert ist. Dies<br />

kann jeder im entsprechenden (BKA-) Gesetz nachlesen. Da ich in<br />

keinem Gerichtsfall, weder in Deutschland oder anderswo wo involviert<br />

war, würde sich eine solche Frage (seiner Übernahme durch das BKA)<br />

rein theoretisch schon von vorne herein erübrigen.<br />

608


Die BND-Agenten hatten sich aus den Meetings zwischen mir und der<br />

Steuerfahndung strikt raus gehalten. Die abgeschotteten Treffen mit den<br />

Spezialisten der Steuerfahndung waren offen und cool. Natürlich war da<br />

am Anfang ein wenig Skepsis. Die Story über 1400 Stiftungen etc.<br />

erschien zu Gut um Wahr zu sein. Man wollte sicherstellen, dass am<br />

Ende die Daten sich nicht als "Hitlers Schwarzgeldbücher" entpuppen.<br />

Da ich den wahren und echten Ursprung der Daten kannte, hatte ich<br />

solche Redensarten eher belustigen gefunden.<br />

Zuerst wurden die allgemeinen Kenntnisse auf Vordermann gebracht.<br />

Ich war perplex, wie gut sie sich vorbereitet hatten. Ich war auch<br />

verblüfft über deren dicke, akkurate Akte über Liechtenstein, die LGT<br />

Gruppe und dessen Besitzer, die sie schon vor dem 1. Treffen angelegt<br />

hatten. Dies alles zum Gegensatz der in Liechtenstein vorherrschenden<br />

und kultivierten Meinung, dass alle Steuerfahnder in der ganzen Welt<br />

Vollidioten wären. Die von mir für sie für die erste grosse Sitzung<br />

angefertigte Mappe war zwar etwas dicker und präziser, aber meine<br />

Quelle war ja die Urquelle - "Alles aus Erster Hand". Innerhalb kurzer<br />

Zeit konnten die Experten rechtlich abklären lassen, dass sie meine<br />

Daten in der Tat verwenden können. Sie hatten auch nach den ersten 2<br />

Treffen schon feststellen können, dass ich mich nicht nur stark mit den<br />

Stiftungen etc. auseinandergesetzt hatte, sondern auch mit den<br />

Wirtschaftlich Berechtigten (WB) hinter jedem Deutschland-Mandat.<br />

Sie baten mich um eine CD mit ca. 10 % aller Mandate aus Deutschland.<br />

Das einzige Auswahlkriterium das mir vorgegeben wurde, war eine<br />

Liste mit Postleitzahlnummern, in denen alle WB ihren Wohnsitz haben<br />

mussten. Ich wählte die genau 150 (etwas mehr als 10 %) Stiftungen so<br />

aus, dass sie einen guten Querschnitt durch die Deutsche Reiche-Leute-<br />

Gesellschaft repräsentierten: Alte und Junge, Frauen und Männer,<br />

Akademiker und Handwerker, Erben und Selfmadetypen.<br />

Die CD wurde unter strengen Sicherheitsvorkehrungen überreicht. Die<br />

Daten wurden verschiedenen Prüfungen unterzogen. Man kann sich fast<br />

nicht vorstellen, wie hocherfreut sie über die unschlagbare Qualität und<br />

Quantität der Daten waren. Es war für sie wie ein Sechser im Lotto,<br />

einen Hauptgewinn im Eurolotto, Weihnachten, Ostern, Mutter- und<br />

Vatertag zugleich! Basierend auf die Steuerprüfung dieser 10 % kam eine<br />

konservative Kalkulation auf Einnahmen (incl. Strafsteuer und Bussen)<br />

von rund 50 Million Euros.<br />

609


Die konservative Hochrechnung auf alle Mandate ergab 500 Million<br />

Euro; eine Halbe Milliarde Euro. Eine hübsche Summe. Wie jeder etwas<br />

logisch denkende Mensch nachvollziehen kann, war die Idee, dem<br />

Informanten etwas davon zu geben, nicht daneben. Wenn Deutschland,<br />

wo so viele Städte und Kommunen gähnend leere Kassen haben, auf<br />

Grund eines Einzelkämpfers zu mindestens einer Halben Milliarde Euro<br />

Einnahmen kommen kann, dann könnte man schon etwas "Kleingeld",<br />

ein paar Prozente der Hochrechnung springen lassen. Nicht vergessen,<br />

es wären Einnahmen, die dem Staat rechtlich (schon lange) zustehen<br />

würden, aber ohne die Daten nicht Einkassierbar waren. Nicht das ich<br />

mich für die Annahme der Millionenbelohnung (wie viele waren es noch<br />

mal genau?!) schämen würde; die allermeisten Deutschen gönnen mir<br />

dies sicher. Zugegeben, es war für alle Beteiligten eine<br />

Heidenüberraschung, als sich das amtliche Deutschland – incl.<br />

Finanzminister Steinbrück und Kanzlerin Merkel - dann zu einer<br />

offiziellen Zahlung bereit erklärte.<br />

Wieder einmal war ein Quäntchen Glück mit dabei. Eine der Prüfungen<br />

der oben genannten 10 Prozent erbrachte auch den ultimativen Beweis<br />

dafür, was man im Berliner Finanzministerium schon lange vermutete:<br />

Hans Eichels Steuer-Amnestie aus dem Jahre 2004 (und 2005) ging voll in<br />

die Hose. Von den 150 hatten nur ganze zwei Stiftungen die Steuer-<br />

Amnestie zu Anlass genommen, sich mit Eichel zu versöhnen. Magere<br />

1,33 Prozent. Zugegeben, die Deutsche Steuer-Amnestie war nicht<br />

gerade sexy im Vergleich zu der ungefähr gleichzeitig laufenden<br />

Belgischen oder Italienischen.<br />

Hans Eichel wollte 25 Prozent bis zum 31.12.'04 und dann 35 Prozent bis<br />

31.03.'05. Ganz klar zu viel für die Millionäre. Trotzdem stellte Hans<br />

Eichel täglich neue bunte leere Sparschweine auf seinem Bürotisch auf<br />

und schrie bis zur Heiserkeit: Steuer-Amnestie! Steuer-Amnestie!<br />

Offenbar waren seine Worte nicht ganz klar verständlich, denn Klaus<br />

Zumwinkel & Co. verstanden nur Steuer-Amnesie! Steuer-Amnesie!<br />

Einerseits hatte Deutschland also das Fiasko um die Steuer-Amnestie<br />

und andererseits tauchte da meine Wenigkeit auf und bot den Deutschen<br />

Behörden die einmalige Gelegenheit an, ein paar tausende Mitbürgern<br />

von der schlimmen Krankheit zu befreien. Es ist durchaus vorstellbar,<br />

dass die Kombination zwischen dem grassierenden Steuer-Amnesievirus<br />

610


in Deutschland und dem offeriertem, starken Impfserum aus Vaduz in<br />

den Köpfen der Ministerien den treibenden Ruck auslöste, um dem<br />

Datenüberbringen eine Belohnung zu ermöglichen.<br />

Die nun massiv sprudelnden Einnahmen für Deutschland sind nur ein<br />

Aspekt, wichtiger war mir die einmalige Chance ein paar tausend<br />

Rechtsbrüche in Sachen Steuer-NICHT-Zahlung auszumerzen und das<br />

Deutschland als Gemeinschaft Gerechtigkeit erfährt. Zudem können, wie<br />

es sich gegenwärtig zeigt, diverse Verbrechen aufgeklärt werden. Dies<br />

darum, weil viele Kunden gegenüber den Behörden (in Deutschland und<br />

anderen Ländern) in einen Erklärungsnotstand geraten, weil sie jetzt<br />

nicht beweisen können, wie sie angeblich rechtmässig an die in<br />

Liechtenstein gebunkerten hohen Bankmillionen gekommen sind.<br />

Dank dem Gastgeber BND hatte ich kreuz und quer durch Deutschland<br />

reisen können. An die Bayrischen Gastfreundschaft, die Hessische Ruhe,<br />

die schwäbischen Hügellandschaften, das blumenreiche Meinau, die<br />

reizvolle Potsdamer Vergangenheit, die eigenartige DDR Architektur,<br />

das vielfältige Berliner Hauptstadtflair, und vor allem an die Seenplatte<br />

rund um die Hauptstadt erinnert ich mich sehr gerne.<br />

Rückblickend hatte es mich nicht gross verwundert, als nach den<br />

Sensationsmeldungen im Februar letzten Jahres einige Details von seiner<br />

Beziehung mit den Deutschen grösstenteils fehlerhaft in die Medien<br />

gelangt waren. Zu Beginn einmal bedurfte es ausserordentliches<br />

Verhandlungsgeschick von allen Seiten, weil es wirklich ein extrem<br />

kompliziertes Thema war. Eine noch nie da gewesene Situation für alle<br />

Beteiligten, dies aus rechtlicher sowie aus menschlicher Sicht.<br />

Jeder Deutsche Staatsbürger, der einmal mit einer Behörde zu tun hatte<br />

(dies wären also praktisch jede erwachsene Person) kann bestätigen, dass<br />

schon ein normales Anliegen oft die Nerven aller übermässig<br />

strapazieren kann. Auf Grund der besonderen Umstaende waren am<br />

Ende auch mehr Personen als noetig in die Angelegenheit involviert.<br />

Natürlich finde ich es schade, dass in Deutschland nicht alle Mitwisser<br />

dicht halten konnten.<br />

Und das auch viele Unwahrheiten über mich in einzelnen Medien<br />

verbreitet wurden, die dann von Anderen ungeprüft übernommen und<br />

611


multipliziert wurden. Na ja, das Leben ist kein Ponyhof. Aber dies ist<br />

alles eine kleine Schmach, die ich ertragen kann.<br />

Da habe ich schon viel Schlimmeres durch gemacht. Für mich ist dies<br />

alles im Vergleich zu der Folter in Argentinien praktisch unbedeutend.<br />

Ich denke einfach an die Millionen von ehrlichen Steuerzahlern in<br />

Deutschland, die mir sicher wohlgesinnt sind.<br />

An dieser Stelle ein dickes Dankeschön für die offene und stumme<br />

Unterstützung.<br />

Lange soll es leben, das glückliche Deutschland!<br />

612


KAPITEL 32 MY Big Brother is watching YOU !<br />

Während Hans-Adam und die hohen Finanz-Herren in Vaduz nach dem<br />

schicksalhaften Valentinstag 2008 fieberhaft nach dem Verbleib der<br />

Liechtensteiner Büchse der Pandora suchten und teilweise erfolgreich ihr<br />

verlogenes Puppentheater über den angeblichen Dämonen Heinrich<br />

Kieber aufführten, war ich schon ein paar Punktnummern weiter in<br />

meinem Plan.<br />

Völlig sprachlos und geschockt waren die aus Liechtenstein. Dann als sie<br />

erfuhren, dass der sehr machtvolle permanente Untersuchungsausschuss<br />

des US-Senates, der seit Monaten im Hintergrund eine Untersuchung<br />

über die schmutzigen Geschäfte der LGT und sonstigen Machenschaften<br />

auf dem Finanzplatz Liechtensteins durchführte, eine öffentliche<br />

Anhörung (Hearing) für Juli 2008 in Washington, D.C. angesetzt hatte.<br />

Die kompetente Ermittlungsgruppe des Senats wird vom äusserst<br />

scharfsinnigen Chefermittler Mr. R. Roach geleitet und von Senator Carl<br />

LEVIN (Demokrat) und Senator Norm Colemann (Republikaner)<br />

präsidiert.<br />

In den Monaten vor der Anhörung am 17. Juli 2008 hatte der Ausschuss<br />

die über 12'000 Seiten LGT Daten (US-Mandate und Internes), die ich der<br />

US Regierung direkt übergeben hatte, analysiert und geprüft. Dabei<br />

kamen sie zum Schluss, dass die LGT unter anderem in Geschäfte<br />

verwickelt war und ist, denen schwerwiegenden Verbrechen zugrunde<br />

liegen. Einige der Fälle kann man im Report des Ausschusses auf der<br />

Website des US-Senats nachlesen (siehe Internetliste am Ende des<br />

Buchs).<br />

Der Zufall wollte es, dass die Schweizer UBS auch in diese Hearing<br />

miteinbezogen wurde, da es den US-Ermittlern im Frühjahr 2008 gelang,<br />

einen in den USA angeklagten Mitarbeiter der UBS, Hrn. Bradley<br />

Birkenfeld zur Kooperation „zu überreden‚ und der Ausschuss sogar<br />

den Chef der Internationalen Privatbankabteilung der UBS, Hrn. Martin<br />

Liechti vorladen konnte. Dieser konnte die USA im April 2008 aufgrund<br />

einer richterlichen Anordnung nicht mehr verlassen. Der Finanzchef des<br />

Bereichs Global Wealth Management & Business Banking (der UBS), Hr.<br />

Mark Branson wurde auch vorgeladen und erschien auch.<br />

613


Beide Manager durften natürlich nach dem Hearing wieder nach Hause<br />

reisen. Hr. Birkenfeld wartet auf sein Strafurteil in den USA. In den<br />

letzten Wochen vor der öffentlichen Anhörung wurde der LGT und der<br />

Regierung von Liechtenstein die Gelegenheit gegeben, zu den<br />

schwerwiegenden Vorwürfen (seitens des US-Senats!) Stellung zu<br />

nehmen.<br />

Die LGT schickte zwar einen Mann über den Atlantik in die USA, dieser<br />

hatte aber von Hans-Adam einen Maulkorb umgelegt bekommen und<br />

konnte im Endeffekt nur sagen, dass er nichts dazu sagen konnte. Man<br />

kann sich vorstellen, wie gut dies vom US-Senat aufgenommen wurde.<br />

Wir sind uns sicher, dass diese Person nur hergeschickt worden war, um<br />

herauszufinden, wie viel der Senat von den schmutzigen Geschäften<br />

herausgefunden hatte und was sie über mich wussten. Im Gegensatz zu<br />

mir war der Senatsausschuss dann auch noch sehr erstaunt darüber, dass<br />

weder die LGT noch die Regierung Liechtensteins einen Vertreter zum<br />

eigentlichen Hearing schicken wollten. Dies obwohl diese Art von<br />

Hearing keine Gerichtsverhandlung war. Ganz im Gegenteil, der US-<br />

Senat gab allen Beteiligten die Möglichkeit, sich zur Sache zu äussern,<br />

ohne dass am Ende ein „Urteil‚ gesprochen würde.<br />

Auf die Einladung seitens des US Senats, einen Vertreter der LGT<br />

und/oder der Liechtensteiner Regierung zur Anhörung nach Washington<br />

zu senden, verzichteten beide mit der faulen Ausrede, dass<br />

Liechtensteinische Gesetzte es ihnen verbieten würde, überhaupt etwas<br />

zu sagen. Die von Vaduz hastig und sehr teuer angeheuerten<br />

„Beobachter" konnte man aber sofort im Saal identifizieren.<br />

Aus verschiedenen Gründen wurde die Ankündigung meiner<br />

Zeugenaussage auf der Website des US Senats vor dem Termin nicht<br />

publiziert, im Gegensatz wie es üblicherweise gemacht wurde. Aus<br />

Sicherheitsgründen wurde meine Aussage in einem anderen Raum mit<br />

einer Kamera aufgezeichnet und im Hearing abgespielt.<br />

Ich kann mir bildlich ultrascharf vorstellen, wie dann Mitte Juli<br />

vermutlich jeder Apotheke in Liechtenstein die Herzinfarkt-<br />

Medikamente ausgegangen waren. Paketweise scheussliche Pillen gegen<br />

eine noch bittere Pille. Es muss für Hans-Adam & Co. schlimmer<br />

gewesen sein, als ich es beschreiben kann.<br />

614


Das Gerücht des Schreckens: Heinrich Kieber ist in Washington D.C. und<br />

hat mit den Amis geredet. Ihr Heinrich Kieber, nach dem sie mit<br />

internationalem Haftbefehl staatlich und privat suchen liessen.<br />

Unmöglich sagten sie. Unmöglich. Unmöglich.<br />

Meine Zeugenaussage war einer der ganz, ganz wenigen Momente in<br />

meinen letzten zehn Jahren, in dem ich äusserste Genugtuung<br />

empfunden hatte.<br />

Das Nichterscheinen der LGT oder der Liechtensteiner Regierung gefiel<br />

beiden Senatoren überhaupt nicht. Wir wissen aber, dass eine auf Hans-<br />

Adams Anordnung gesandte Person im Publikumsbereich emsig<br />

zuhörte und Silbe um Silbe „nach Hause‚ protokollierte. Ganz klar war<br />

es der LGT und Liechtenstein „zu heiss‚ etwas vor dem Ausschuss zu<br />

sagen. Der Grund dafür war auch schnell gefunden: Jeder der etwas<br />

Aussagen wollte oder musste, musste dies unter Eid tun. Wer im<br />

Hearing lügt, muss mit scharfen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.<br />

Die LGT und die liechtensteinische Regierung waren sich dessen<br />

natürlich voll bewusst (die teuren Rechtsanwälte hatten es ihnen<br />

rübergekabelt).<br />

Eigentlich hätten sie auch nichts sagen müssen: Es bestand immer die<br />

Möglichkeit, sowie es alle vorgeladenen Kunden der LGT gemacht<br />

hatten, sich auf das in den USA in der Verfassung verankerte Recht,<br />

„NICHT gegen sich selber aussagen zu müssen‚, zu berufen. Selbst das<br />

war der LGT oder der Regierung noch zu heikel.<br />

Die UBS AG hatte sich offenbar rechtlich komplett beraten lassen. Die<br />

grosse UBS hatte das einzig Richtige gemacht, das man unter diesem<br />

Umständen machen konnte: Sie entschuldigte sich öffentlich bei den<br />

USA und gelobte Besserung.<br />

Aber NEIN, die LGT und Liechtenstein doch nicht! Warum sollten die<br />

sich entschuldigen oder gar Besserung versprechen?<br />

„Wer? Wir? Wir haben doch nichts verbrochen!‚<br />

Klassisch hingegen war die Reaktion von Hans-Adam und seiner<br />

Regierung nach dem Hearing. Immer mit dem Dogma, "wir sind die<br />

Weltklügsten", hatten sie aus Europa Pressemitteilungen losgeschickt,<br />

615


worin sie zuerst einmal meine Unbefangenheit in Sachen korrekter<br />

Interpretation der Daten stark angezweifelt hatten.<br />

Darüber mussten alle in Washington sehr lachen. Ohne Zweifel kann ich<br />

als Person in der Beziehung zwischen Hans-Adam und mir nicht neutral<br />

sein. Aber es ist allen klar, dass ich nichts mit den schmutzigen<br />

Geschäften der LGT zu tun hatte. Ich kann für den Inhalt der Daten nicht<br />

verantwortlich gemacht werden.<br />

Zudem ist meine eigene Interpretation der Daten für eine Beweisführung<br />

gar nicht notwendig. Die Daten sprechen für sich. Gleichzeitig teilten<br />

Hans-Adam und seine LGT auch mit, dass, sollte sich in der Tat<br />

irgendeine der kriminellen Handlungen, die im Hearing vorgetragen<br />

wurden, zugetragen haben, sei dies alles angeblich in den frühen 90er,<br />

80er oder sogar in den 70er Jahren passiert. Jetzt würde man nur saubere<br />

Geschäfte machen.<br />

Was für ein Witz! Ich hatte bis knapp Ende 2002 dort gearbeitet. Alle der<br />

gezeigten Fälle waren zu der Zeit aktive Mandate. Mit ihrer ganzen<br />

Reaktion hatten sie sich absolut keinen Gefallen getan. Auch ohne meine<br />

eigene Analyse ihres Verhaltens nach dem Hearing, hatte der US-Senat<br />

ohne Mühe erkennen können, dass Hans-Adam nur die billigste und<br />

dümmste Antwort auf das Hearing produziert hatte. Etwas anderes<br />

hatte man in Washington auch nicht erwartet.<br />

Liechtenstein wusste ja im Voraus über die im Hearing aufgezeigten<br />

LGT-Fälle und die damit automatisch aufkommenden Fragen bezüglich<br />

krimineller Handlungen seitens der LGT und den betroffenen Kunden.<br />

Würden die deswegen vorgebrachten schweren Vorwürfe nicht der<br />

Wahrheit entsprechen, dann hätte Hans-Adam oder seine Regierung<br />

ihren Kommentar im Hearing abgegeben. Dafür müssten sie nicht einmal<br />

selber im Saal auftreten. Sie hätten sich durch eine Rechtsanwaltskanzlei<br />

vertreten lassen können. Die im Hearing aufgezeigten Fälle kann man<br />

auf der Webseite des US-Senats im Detail nachlesen (siehe Internetliste<br />

am Ende des Buchs).<br />

Ich werde den zwei US-Senatoren und dem Ausschuss auch ewig dafür<br />

dankbar sein, dass sie sich, als eine der höchsten staatlichen<br />

Repräsentanten in den USA, in diesem Zusammenhang öffentlich<br />

während des Hearing einem anderen Thema mehr als einmal gewidmet<br />

haben.<br />

616


Sauer ist ihnen aufgestossen, dass Hans Adam als Besitzer der LGT und<br />

insbesondere als absolutistisch herrschender Staatsoberhaupt die<br />

Impertinenz hatte, einen nationalen und international Haftbefehl gegen<br />

mich ausstellen zu lassen und seinen Staatsapparat dazu zwingt, aktiv<br />

nach mir zu suchen. Dies wäre eine typische Reaktion, die man nur von<br />

Ländern her kennt, die von Tyrannen reagiert werden. Anstatt ihren<br />

eigenen Saustall aufzuräumen, blasen sie zur Jagd gegen mich.<br />

Kommentierte der Senator.<br />

Massiv verärgert war der Senatsvorsitz auch darüber, dass Hans Adam<br />

offenbar die Haftbefehle „nicht reichten‚ und er – natürlich nicht direkt -<br />

ein Kopfgeld von ca. 7 MIO. US$ via Internet auf mich ausgesetzt hatte.<br />

Der Senat konnte ermitteln, dass die Kontrolle der Webseite, die den<br />

Aufruf (samt Prämie) „an alle Kopfgeldjäger der Welt" seit ca. Ende<br />

Februar 2008 publizierte, in Liechtenstein lag. Auf Anfrage durch die<br />

verschiedenen Medien aus Nordamerika, hatte die Regierung in Vaduz<br />

und die LGT eine Involvierung in das ausgeschriebene Kopfgeld<br />

natürlich weit von sich gewiesen.<br />

Wer? Wir? Aber bitte - wir doch nicht!<br />

Es ist ganz klar, dass das offerierte Geld und der Auftrag ausschliesslich<br />

von Hans Adam kamen. Logischerweise machte er sich seine Hände<br />

nicht selber schmutzig und unternahm alles, um den letzten Link<br />

zwischen ihm als Auftraggeber und den Beauftragten forensisch<br />

lückenfrei schwer nachweisbar zu machen.<br />

Definitiv keine Überraschung war es für den US-Senate und mich, als<br />

wir die Nachricht erhielten, dass nicht einmal 48 Stunden nach dem<br />

Hearing vergangen waren, bis die Webseite urplötzlich aus dem Netz<br />

verschwand. Offenbar hatten Hans-Adam und sein Handlanger<br />

schockartig realisiert, wie der genau Name des betroffenen US-<br />

Senatskomitee eigentlich ist:<br />

Homeland Security & Govermental Affairs. Diese Abteilung (US-<br />

Departement of Homeland Security) – ist die Dachorganisation aller<br />

Geheimdienste in den USA.<br />

In den letzten Monaten hatte Hans-Adam einige seiner Beamten auf<br />

Reisen in die USA geschickt, um auf Schmusekurs mit den Amis zu<br />

gehen. Das Produkt dieser Sitzungen war ein Abkommen, dass Mitte<br />

Dezember 2008 in Vaduz unterzeichnet wurde. Die Liechtensteiner<br />

„versprechen" den Amis Bank- oder Treuhandunterlagen<br />

617


weiterzureichen, sollten die Amerikaner eine offizielle, detaillierte<br />

Anfrage (auch wegen Steuerhinterziehung) nach Liechtenstein schicken.<br />

Dieses „Opfer" von Liechtenstein ist in Wahrheit gar keines, es ist für<br />

Hans-Adam eminent wichtig, dass die USA nicht weiter in seinen<br />

Geschäften schnüffeln. Zudem, Kunden der USA sind ein ganz kleiner<br />

Kreis der (LGT-) Kundschaft. Sollte Hans-Adam nun im falschen<br />

Glauben sein, dass mit dem Hearing und dem neuen Abkommen das<br />

Schlimmste aus den USA vorbei ist, dann muss man ihn leider<br />

enttäuschen. Der neue US-Präsident Barak Obama war Mitunterzeichner<br />

diverser Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung genau jener Art von<br />

Bankgeschäften, die Hans-Adam betreibt. Man kann sicher sein, dass<br />

ihm der Sieg von Barak Obama äusserst „ungelegen" kam. .<br />

Auch in den USA gab es einen interessanten Nebenschauplatz. Ich bin<br />

nicht der einzige der die Schreibfeder in die Hand genommen hatte.<br />

Hans-Adam hatte im letzten Jahr (2008) sein Buch praktisch fast fertig.<br />

Nein, leider hatte er nicht dasselbe Thema wie ich ausgewählt. Dafür<br />

müsste er sowieso das Genre wechseln: weg von Roman und Fiktion<br />

zum Tatsachenbericht.<br />

Vermutlich um sich einen Platz in der Weltgeschichte unter den<br />

schreibenden Staatsmännern zu sichern, hatte er schon vor etlichen<br />

Jahren begonnen, mit Hilfe seiner zahlreichen Adjutanten ein Buch mit<br />

dem Arbeitstitel "Der Staat im 3. Jahrtausend" zu schreiben. Im letzten<br />

Jahr war die Übersetzung vom Deutschen ins Englische so weit fertig. Er<br />

wollte es anschliessend über einen amerikanischen Verlag in den USA<br />

publizieren und eventuell später (auf Deutsch) auch in Europa<br />

erscheinen lassen.<br />

Sein Thema war über die Zukunft der Staatengebilde. Darin wären<br />

offenbar Ideen beschrieben, wie in der fernen Zukunft Form und<br />

Aufgaben eines Staates aussehen könnten. Im Rückblick hätte er sich<br />

vielleicht besser damit beschäftigt, Ideen zu entwickeln, wie er zuerst<br />

seinen eigenen Stall zu Hause aufräumen könnte. Als nämlich die<br />

Wahrheitswelle im öffentlichen Bewusstsein von Europa im Juli 2008<br />

dann auch auf die USA überschwappte, wurde es dem US-Verlag zu<br />

heiss und die Buchankündigung wurde abrupt abblasen.<br />

Hans-Adams Wunsch sich als Visionär in den USA zu verkaufen, war<br />

gescheitert.<br />

618


Der Gegensatz zu seinem wirklichen Leben und Handeln könnte nicht<br />

grösser sein. Ich habe schon gehört, dass er dies alles auch in meine<br />

Schuhe schiebt. Bis heute ist es um dieses Buch totenstill geblieben.<br />

Hans-Adam muss darüber aber keine Trübsal blasen, ich habe da eine<br />

Idee für ihn (siehe EPILOG).<br />

619


KAPITEL 33 Skandal! Skandal! Wirklich, der Skandal?<br />

„Grösster Steuerskandal", schreiben die Meiden.<br />

„Die Bank ist geknackt", sagen die Behörden.<br />

„Das Steuerparadies ist ausgeräuchert", meint der Otto-Normal-Bürger.<br />

Leider trifft das alles nicht genau zu. Aus zwei Gründen.<br />

A)<br />

Die deutsche Staatskasse und die Allgemeinheit wird dank der Daten<br />

der LGT über die ca. 1400 Stiftungen etc., verteilt auf die nächsten paar<br />

Jahre in den Genuss von 500 Millionen bis eine Milliarde Euro aus<br />

Steuernach- und Strafzahlungen kommen.<br />

Dies ist zwar gut, schön und gerecht, aber Peanuts im Vergleich zu der<br />

wahren Dimension von Steuerhinterziehung deutscher Kunden in<br />

Liechtenstein. Denn die etwas über 3,5 Milliarden CHF, die alleine die<br />

LGT Treuhand (ohne die LGT Bank) schon im Jahre 2002/2003 für<br />

deutsche Kunden verwaltete, sind eiskalte Tropfen auf den brandheissen<br />

Stein.<br />

Alle Banken in Liechtenstein verwalten heute zusammen ca. 265<br />

Milliarden CHF. Seit immer und ewig bilden die deutschen Kunden den<br />

Hauptteil des Treuhand- und Bankengeschäfts in Liechtenstein - um die<br />

circa 70 Prozent. Umgerechnet auf die verwalteten Bankvermögen<br />

bedeutet dies, dass ca. 185,5 Milliarden* CHF Personen aus Deutschland<br />

gehören. Die Rechnung ist einfach: Wenn die Behörden in Deutschland<br />

alleine mit den LGT Treuhand Daten, konservativ kalkuliert, am Ende<br />

rund 750 Millionen Euro einnehmen können (eine Quote von ca. 32<br />

Prozent), ergibt die realistische Schätzung, dass Deutschland noch knapp<br />

60 Milliarden CHF an Nach- und Strafsteuer von den nicht entdeckten<br />

Stiftungen etc. zustünde. Rund sechzig Milliarden Schweizer Franken!<br />

Das sind ca. 40 Milliarden EURO (bei 1.50 CHF pro Euro).<br />

Na, wollen wir mal nicht so gierig sein. „Bejahen‚ wir mal das<br />

Utopische, dass 10 Prozent aller Deutschen Kunden ihr Vermögen und<br />

ihren Ertrag schön regelmässig dem Finanzamt gemeldet hätten und<br />

nehmen wir ausserdem an, dass weitere 5 Prozent verstorben sind oder<br />

sonst wie den Geldforderungen des Finanzamts oder Gerichts nicht<br />

620


Folge leisten konnten. Bleiben immer noch ca. 34 Milliarden Euro übrig.<br />

Konservativ gerechnet. Ja, ihr habt richtig gelesen. Rund Vierunddreissig<br />

Milliarden Euro. Für Deutschland.<br />

Jetzt schon fällig.<br />

Und DAS ist der wahre Skandal!<br />

Was könnte Deutschland nicht alles mit 34 Milliarden Euro machen?<br />

War da nicht ein politisches Versprechen aus der letzten Wahl vom<br />

einem garantiertem Krippen- oder Kindergartenplatz für jedes Kind in<br />

Deutschland? Oder das Geld zukunftsweisend in die Ausbildung der<br />

Jugend investieren. Oder eine Einkommenssteuersenkung wäre doch<br />

auch mal opportun.<br />

Um an die fehlenden Daten zu kommen, muss Deutschland nicht die<br />

Bundeswehr nach Vaduz schicken. Wenn ich Deutschland wäre, würde<br />

ich auf dasselbe alte und neue Abkommen bestehen, dass Liechtenstein<br />

mit den Amerikanern abgeschlossen hat.<br />

* Exklusive der weiteren Milliarden, die von Treuhändern aus<br />

Liechtenstein verwaltete werden, aber auf Bankkonten ausserhalb<br />

Liechtenstein liegen.<br />

B)<br />

Hans-Adam und seine LGT profitieren davon, dass praktisch alle<br />

Steuerbehörden in den verschiedenen Ländern, die nun mit den Daten<br />

arbeiten, aufgrund ihrer eigenen Personendatenschutzgesetze oder<br />

anderer rechtlichen Restriktionen keine Details über die betroffenen<br />

Personen an die Öffentlichkeit geben können.<br />

Der US-Senate hingegen ist keine Steuerbehörde und hat andere Rechte.<br />

Ich bin an keine gültige Schweigepflicht gebunden. Betrifft es eine kleine<br />

Steuerhinterziehung, so vertrat ich immer schon die Ansicht, dass dies<br />

die alleinige Affäre zwischen dem Betroffenen und den Behörden<br />

bleiben soll. Sollte es sich aber um Steuerhinterziehung in der Höhe von<br />

hunderttausende oder gar Millionen von Euros handeln, dann wäre es<br />

gegenüber den ehrlichen Steuerzahlern und der Gesellschaft nur fair,<br />

wenn solche Leute an den Pranger gestellt werden. Insbesondere dann,<br />

wenn die betroffenen Subjekte eine öffentliche Funktion<br />

621


oder ähnliches innehat.<br />

In Bezug auf zum Beispiel schmutzige Geschäftstricks, schwere Delikte<br />

wie Korruption, Geldwäscherei, schwarze Kassen wirtschaftlicher oder<br />

politischer Kreise etc., bin nicht nur ich der Meinung, dass die<br />

Öffentlichkeit ein Recht auf die volle Einsicht in diese (LGT-)Daten hat.<br />

Es betrifft Mandate mehrheitlich aus Deutschland, den USA, Frankreich,<br />

Spanien, Italien, Holland, der Schweiz, Österreich, diverse Länder aus<br />

Südamerika, Asien und auch Afrika.<br />

Eigentlich sollte die LGT froh sein, dass ich im Juli letzten Jahres als<br />

Zeuge in Washington in der US-Senatsanhörung wahrheitsgemäss<br />

ausgesagt habe, dass die LGT bei den meisten Mandaten keinen blassen<br />

Schimmer hat, woher die (grossen) Geldsummen ihrer Kunden<br />

stammen. Es gibt aber durchaus Mandate, bei denen sie wusste, dass<br />

kriminelle Machenschaften oder sogar schwere Delikte im Spiel waren,<br />

zum Beispiel durch Hinweise in den Akten. Trotzdem hat sie nichts<br />

unternommen. Jetzt erleidet sie einen Erklärungsnotstand, weil Länder<br />

rund um den Globus von Vaduz nun eine Erklärung verlangen.<br />

Ich habe bis anhin je weder direkt noch indirekt Kopien der Daten den<br />

Medien übergeben. Da es aber darunter ganz böse Fälle gibt, werden<br />

früher oder später - so bin nicht nur ich mir ganz sicher – in den<br />

jeweiligen betroffenen Ländern die Medien die Daten veröffentlichen.<br />

Sei dies aus politischen oder wirtschaftlichen Motiven.<br />

Solange die schmutzigen Geschäfte sich hinter Datenschutzregeln im<br />

Ausland vor der Öffentlichkeit „verstecken" können, solange kann Hans-<br />

Adam sein Geschäftsimperium aufrechterhalten.<br />

Und DAS ist der wahre Skandal!<br />

Ach ja, bis anhin hatten Hans-Adam & Co. auch ausnützen können, dass<br />

niemand Löcher in den Mantel des Schweigen – die berühmte<br />

Liechtenstein OMERTA - über die Affären von 2003 – 2005 brannte. Also<br />

niemand erfahren würde, was sie damals alles unternommen hatten, um<br />

ihr schmieriges Geschäft zu schützen.<br />

Mit diesem Buch habe ich ihnen diesen Vorteil weggenommen.<br />

Sozusagen habe ich gleich die ganze samtige, fürstliche Robe<br />

eingeäschert.<br />

Haben sie dies wirklich nicht kommen sehen? Aber HALLO!!!<br />

622


KAPITEL 34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins?<br />

Wer hat noch keins?<br />

Zurück zum Frühling 2008 - nach Liechtenstein.<br />

Ich konnten zwar einiges sehr gut voraussagen, aber über die Reaktionen<br />

von Hans-Adams und seiner Regierung mussten wir und viele andere<br />

nur fassungslos mehrmals den Kopf schütteln. Keine Überraschung war,<br />

dass sie per Elektroschocks aus dem Dornröschenschlaf in die Realität<br />

katapultiert worden waren. Man kann ihnen die ersten Reaktionen<br />

darauf schon etwas verzeihen. Mit welcher gigantischen Impertinenz sie<br />

aber in den Wochen und Monaten seit Zündung der Bombe Deutschland<br />

und in der Folge andere Länder „angriffen‚, ist unbeschreiblich.<br />

Sind die denn noch klar im Kopf? Spätestens seit Januar 2003 wissen<br />

unanfechtbar Hans-Adam (die LGT schon seit eh und je) und ab 2005<br />

auch die Regierung und die STA in Vaduz über die schmutzigen<br />

Geschäfte der LGT Gruppe Bescheid. Sie kennen doch die betroffenen<br />

Mandate. Sie alle wissen, dass noch massenhaft ausgedörrte,<br />

halbtrockene und frische Leichen im luftdichten Keller hängen. Sie<br />

wissen doch, wie sie die internationalen und ihre eigenen Gesetzte<br />

massiv gebrochen haben und immer noch brechen.<br />

Sie wissen auch, wie ausgekocht sie Deutschland aus den Ereignissen<br />

von Januar bis Juli 2003 raushalten konnten.<br />

Insbesondere der Chef der STA, Dr. Robert Wallner muss sich den<br />

Vorwurf gefallen lassen, dass er nichts, rein gar nichts unternommen<br />

hatte, selbst als seine Abteilung im Detail über verschiedene schwere<br />

Straftaten der 90 Stiftungen informiert wurde (siehe Kapitel 28).<br />

Und dies steht im eindeutigen Kontrast zur Arbeit, die Wallner früher<br />

als Staatsanwalt in Österreich geleistete hatte. Dort war er bekannt dafür,<br />

dass er sich mit den schweren Jungs anlegen konnte. Wenn man sich die<br />

Aktivität der STA in Vaduz in Bezug aus Geldwäscherei, Korruption<br />

und Betrug anschaut, stellt man ein interessantes Phänomen fest.<br />

Praktisch alle grossen und kleinen Strafuntersuchungen dieser Art (die<br />

sich an zwei Händen abzählen lassen), die Wallner in seiner Zeit als Chef<br />

der STA bisher geführt hatte, wurden alle vom Ausland indiziert, das<br />

heisst nur wen eine Behörde im Ausland aktiv wurde, wenn sie z.B. in<br />

623


einer Strafuntersuchung auf Unterlagen von Konten oder dergleichen<br />

aus Liechtenstein gestossen waren und dann Wallner um Unterstützung<br />

anfragte, dann, und erst dann wurde man in Vaduz tätig.<br />

Niemals würde Vaduz, wie ich anhand der Liste der 90 Stiftungen etc.<br />

beweisen konnte, von sich aus aktiv werden. Ganz nebenbei erwähnt, ist<br />

bis heute keiner der verantwortlichen Treuhänder oder Banker, die z.B.<br />

die Schmiergelder angenommen und verwaltet hatten und sich damit im<br />

Minimum der Geldwäscherei schuldig gemacht hatten, verurteilt<br />

worden. Was nicht überrascht, da Liechtenstein auch wegen solch einer<br />

"Lappalie" keine Treuhänder oder Banker vor das Kriminalgericht<br />

schickt, obwohl das strengere Sorgfaltspflichtgesetzt schon seit vielen<br />

Jahren gilt!<br />

Ganz nach dem Motto: "Wir sind die cleversten auf dem Planeten" hatten<br />

sie auch noch die absolute Frechheit von Deutschland die Herausgabe<br />

von Informationen über mich zu verlangen. Als dann keine Antwort aus<br />

Berlin kam, man muss sich das mal vorstellen, beschwerte sich die<br />

Liechtensteiner Justiz in den Medien und jammerte, dass Wallner und<br />

der neue Justizminister schon x-mal in Berlin angerufen hätten, aber<br />

keine Rückäusserung bekommen würden.<br />

Ich dachte mittlerweile, dass mich Hans-Adam und Konsorten nicht<br />

mehr so schnell überraschen können. Aber als ich davon im Detail<br />

erfahren hatte, fing ich ernsthaft an, an deren Verstand zu zweifeln.<br />

Ja sind die nur noch zum Geldzählen fähig?<br />

Der Höhepunkt der Enthüllungen liegt erst noch vor uns. Aber nein,<br />

starrköpfig, als hätten sie nie etwas verbrochen, verteidigen sie ihre<br />

brennende Burg bis zum letzten Mann, bzw. bis zum letzten Bankkonto.<br />

Als Hans-Adam nach den ersten paar Monaten merkte, dass seine<br />

Pressemitteilungen, die der Regierung oder die der LGT und die gezielt<br />

platzierten Medienberichte und Interviews offenbar nicht die<br />

gewünschte Wirkung erzielten, kam er auf die Idee, seine leitenden<br />

Beamten in die Schlacht zu schicken: z.B. den Chef der Staatsanwalt, R.<br />

Wallner. Dies in der Hoffnung, dass – dank der im Ausland<br />

üblicherweise hoch angesehenen Position – jedes seiner Worte dem<br />

Wahrheitsgrad eines (römischen) Kirchenkardinals entsprechen würde.<br />

Quasi "Amen" ist Omen.<br />

624


Dass Hans-Adam zunehmend auf seine Beamten als Nachbeter<br />

zugreifen musste, hatte einen besonderen Grund. Bis ca. Mitte 2007<br />

dachten er und seine Regierung, dass sie nur mit Deutschland ein<br />

massives Problem hätten. Dementsprechend konzentrierten sie ihr mit<br />

viel Geld aufgebautes Schurkenimage über mich weiterhin nur auf den<br />

deutschsprachigen Raum. Und da ich selber nichts zu ihren falschen<br />

Äusserungen und irreführenden Schlussfolgerungen sagte, wurden<br />

diese vom erstaunten Publikum ungeprüft als das vermeintlich Wahre<br />

akzeptiert. Heinrich Kieber, der gemeine Landesverräter, mit einem Sack<br />

voll Kohle untergetaucht.<br />

Deutschland war ein massives Problem, weil es viele deutschen Kunden<br />

der LGT Treuhand erwischt hatte. Natürlich war dies für Hans-Adam<br />

sehr ärgerlich. Aber kein Grund zur Panik, den in Vaduz galt immer<br />

schon die Devise: Jeden Ärger mit Deutschland als Land stecken wir<br />

ohne Probleme in die linke Hosentaschen weg. Hans-Adam wird es<br />

schon richten, indem er einfach auf den psychologisch wunden Punkt<br />

der Deutschen einschlägt: das Dritte Reich.<br />

Er hat es in der Vergangenheit schon getan und wird es in Zukunft auch<br />

wieder tun. Ich wusste nur zu gut, vor wem die hohen Finanz-Herren<br />

aus Vaduz aber die grösste Angst hatten: vor den Amerikanern. Und<br />

Mitte Juli war es dann soweit. Bumm. Die Schreckensnachricht<br />

verbreitete sich schneller als ein Lauffeuer. Ihr Landesverräter sei in<br />

Washington D.C. aufgetaucht, im Zentrum der Supermacht USA. Er<br />

hätte mit der Regierung Bush geredet, er hätte nicht nur alle Mandate<br />

mit USA-Bezug überreicht, sondern noch mehr belastendes Material.<br />

Hans-Adams ganze schmutzige Medienkampagne gegen mich bekam<br />

blitzartig riesige Risse und fiel wie ein Luftschloss zusammen.<br />

Moment mal, fragten viele in Liechtenstein. Wie war das noch mal mit<br />

eurem angeblich feigen, lügenden, schleichenden, irren, unter den<br />

Steinen kriechendem Datenterroristen? Wie kommt es dann, dass der<br />

US-Senate ihm zuhört und Glauben schenkt, ihn trotz des<br />

Liechtensteinischen Haftbefehls bewirtet und dort wohnen lässt, wenn<br />

ihr in Vaduz doch ständig wiederholt, dass der Kieber der grösste<br />

Lügner und Verbrecher der Welt ist? Wie kommt es, dass ausnahmslos<br />

alle in der Anhörung gezeigten Beispiele in der Tat konkrete Verbrechen<br />

aufzeigen? Wie kommt es, dass der US-Senat Beweise für die<br />

systematische Beihilfe der LGT zu Straftaten hat, wenn ihr seit Monaten<br />

625


gebetsmühlenartig beteuert, dass ihr nie ein Verbrechen ermöglicht,<br />

unterstützt oder durchgeführt hattet?<br />

Fragen über Fragen, und in Vaduz wusste niemand weder ein noch aus.<br />

Zuerst einmal waren sie alle sprachlos. Jedem wurde sofort bewusst,<br />

dass eine US-Senatsanhörung ein ganz anderes Kaliber war, als den<br />

Regierungschef oder die Botschafter auf eine mediale Rundreise durch<br />

Europa zu schicken, um das schöne Wetter zu Hause zu preisen.<br />

Und, was machten sie? Nichts, was ich nicht schon erwartet hätte.<br />

Nur mussten sie nun den amerikanischen Medienmarkt ebenfalls<br />

flächendeckend betreuen. Am Geld sollte dies nicht scheitern.<br />

Warum Wallner seinen Posten jetzt immer noch kompromittieren lässt,<br />

liegt klar auf der Hand. Er weiss auch, dass sein Verbleib im Job ganz<br />

von Hans-Adam abhängt. Speziell Dr. Wallner, als Jurist und direkt<br />

Involvierter kennt wie kein Anderer meinen ganzen Akt. Trotzdem hatte<br />

er wiederholt der Presse in Europa und in den USA Kommentare<br />

gegeben, die ganz und gar nicht der Wahrheit entsprechen. Manchmal<br />

sah man es ihm geradezu im Gesicht an, dass er sich dabei selber<br />

überhaupt nicht wohl fühlte.<br />

So hat er u.a. wortwörtlich erzählt, dass ich mit meinem Schreiben an<br />

Hans-Adam vom 07.01.2003 auf erpresserische Weise versucht hätte, die<br />

Einstellung des Strafverfahrens zu verlangen. Auch hätte ich zwei Pässe<br />

für Flucht und Untertauchen verlangt. Wir alle wissen, dass dem so nicht<br />

war. Zudem hat er behauptet, dass ich angegeben hätte, in Argentinien<br />

mit Zigaretten gefoltert worden zu sein. Wie bitte, Zigaretten? Nie und<br />

nimmer habe ich so etwas erzählt! Diese Missinformationen scheinen auf<br />

den ersten Blick keine grosse Sache zu sein. Man darf aber nicht<br />

vergessen, wer solches Seemannsgarn der Presse mitteilt: der Leitenden<br />

Oberstaatsanwalt persönlich.<br />

Ein paar besondere Interviews von Wallner waren wie eine Befreiung für<br />

mich. Unter anderem wurden einige auf den Online-Seiten vom<br />

Wallstreet Journal oder auf Bloomberg.com publiziert. Als ich seine<br />

Worte gelesen hatte, musste ich zuerst spontan lachen, obwohl es für<br />

mich traurig war. Ja, lachen. Darüber war ich selber sehr erschrocken. Ich<br />

hatte zum ersten Mal über meine eigene schmerzliche und bittere<br />

Vergangenheit gelacht. Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich mich<br />

schämen sollte. Aber ich kam zum Schluss, dass dieses Lachen der lang<br />

626


erhoffte Moment war, in dem ich verstanden hatte, dass die<br />

Argentiniengeschichte endlich hinter mir lag und ich mich nun voll auf<br />

die Zukunft konzentrieren konnte.<br />

Ich kam aus dem Staunen beim Lesen nicht mehr raus. Ich rufe meinen<br />

Lesern in Erinnerung, dass die STA mir nie weder den erfundenen<br />

Grund für die Einstellung des 101er mitgeteilt hatte. Im Rückblick kann<br />

ich auch behaupten, dass das Wenige, was die STA mir gegenüber in den<br />

sechs Jahren von 1997 bis 2003 „ausgerichtet" hatte, eine ausnahmslose<br />

Heuchelei war.<br />

Wallner schilderte und bestätigte, groteskerweise fast schon mitfühlend,<br />

zum aller ersten Mal und dies auch noch via der Medien, dass ich in<br />

Argentinien gewesen war und der deutsche Helmut Roegele nebst<br />

anderen auch dort war. Ausserdem sagte er, dass ich von dort aus hohe<br />

Geldüberweisungen von meinem Konto in Feldkirch in Auftrag gegeben<br />

hatte und danach sofort nach Liechtenstein zurückgekehrt war.<br />

Postwendend hatte ich eine umfangreiche Anzeige erstattet, Fotos,<br />

Zeichnungen und ein Modell für das Gericht anfertigen lassen.<br />

Daraufhin hätte die STA eine Untersuchung vorgenommen.<br />

Wortwörtlich sagte er auch, OZA- das er NICHT ausschliessen könne,<br />

dass sich meine Schilderungen der Verbrechen in Argentinien<br />

zugetragen haben könnten, sie aber leider keine Beweise gefunden<br />

hätten -OZE.<br />

Wie Bitte? Eine Untersuchung? Welche Untersuchung? Wer hat wo, wie,<br />

was untersucht? Herr Wallner? Herr Haun? Keine „Beweise" gefunden?<br />

Nach allem was der STA und dem Gericht vorlagen! Klar, wer keine<br />

eigene Untersuchung macht, kann auch keine eigene Beweise finden. Ich<br />

kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Jetzt, nach über 10 Jahren kommt<br />

die STA daher und versucht sich via Medieninterviews aus dem<br />

Schlamassel rauszureden, während sie mit mir in dieser Zeit nie richtig<br />

„reden" konnte! Was für eine Maskerade!<br />

Ein wenig zu spät, Herr Dr. Wallner, meinen sie nicht auch?<br />

Wenn Hans-Adam oder die LGT die Wirklichkeit verdrehen, kann man<br />

das irgendwie noch nachvollziehen. Schliesslich geht es bei ihnen um ein<br />

Milliardengeschäft. Wenn aber der leitende Staatsanwalt, auf<br />

627


Anordnung von oben, es tut, ist dies schon sehr bedenklich. Aber in<br />

Liechtenstein gelten Hans-Adams Gesetzte. Dort glaubt man immer<br />

noch, schlauer zu sein, als der ganze Rest der Welt zusammen. Die in<br />

Liechtenstein können aber versichert sein, dass auch diese Taktik den<br />

ausländischen Strafverfolgungs- und anderen Behörden nicht entgangen<br />

ist. Gemäss den neusten Berichten, die ich von den angegangenen<br />

Regierungen bekommen habe, sind die Zeiten der Global-Verarschung<br />

durch Hans-Adam & Co. definitiv vorüber. Ein besonders interessanter<br />

Punkt ist auch folgender:<br />

Viele Fragen sich nicht nur in Liechtenstein, wie es zu solch einem<br />

energischen Angriff auf das Ländle kommen konnte. Die Antwort darauf<br />

kenne ich nur zu gut. Als sie die Daten bekommen hatten und den<br />

überwältigenden Steuerwert erkannten‚ war es weniger die Vorfreude<br />

über den zu erwartenden Geldregen, die die ausländischen Regierungen<br />

aus ihrem Winterschlaf in Bezug auf Liechtenstein katapultierte.<br />

Sicherlich, Finanzminister Steinbrück und seine Amtskollegen in den<br />

anderen Staaten führen noch heute deswegen Freudentänze ums<br />

Lagerfeuer auf. Wer will es ihnen verübeln? Auch war es weniger die<br />

einmalige Gelegenheit, durch das synchrone Ausführen mehrerer<br />

Punkte meines Generalstabsplans, koordiniert einen Globalangriff<br />

mehrerer Länder auf die LGT starten zu können. Ausschlaggebend war<br />

die Feststellung diverser behördlicher Spezialabteilungen, dass mit den<br />

Daten endlich schwarz auf weiss bewiesen werden konnte, was sie<br />

immer schon vermuteten: die systematische Beihilfe zu einer breiten<br />

Palette von Straftaten, die über die normale Steuerhinterziehung<br />

hinausgehen. Damit war das "Liechtensteiner Fass" für die ausländischen<br />

Staaten endgültig voll.<br />

Da die allermeisten Dokumente (aus den Kundendossiers und der<br />

grossen Auswahl an internen Akten) in deutscher Sprache geschrieben<br />

waren, konnte mit Ausnahme von Deutschland niemand auf die<br />

Schnelle die ausgefeilte methodische Arbeitsweise der LGT erkennen.<br />

Um dieses Hindernis für eine andere Gruppe von Datenempfängern aus<br />

dem Weg zu räumen, hatte ich ein praktisches, dickes "Handbuch" auch<br />

in englischer Sprache verfasst.<br />

Viele Experten vertreten heute die Meinung, dass ich mit meinem<br />

Generalstabsplan in Sachen Bekämpfung von Steuerparadiesen und der<br />

damit zusammenhängenden Geldwäscherei etc. in ein, zwei Jahren mehr<br />

erreicht, bzw. ausgelöst hatte, als alle US-Komitees und EU-<br />

628


Kommissionen der letzten zehn Jahre zusammen. Das ehrt mich zwar<br />

sehr, aber ich bleibe da eher skeptisch.<br />

Wenn die ausländischen Regierungen dieses Mal nicht am Ball bleiben<br />

und Hans-Adam & Co. mit der Lupe auf die Finger schauten, wird es<br />

ihnen wieder gelingen, neue Schlupflöcher zu finden.<br />

Hans-Adam will und muss auf Biegen und Brechen sein Multi-<br />

Milliarden-Geschäft schützen.<br />

Koste es ihn was es wolle.<br />

629


KAPITEL 35 Gib mir deine Kohle!<br />

In diesem Kapitel möchte die Gelegenheit nutzten, ein paar Worte über<br />

die falschen Hoffnungen der erwischten Kunden der LGT (und auch der<br />

Liechtensteinischen Landesbank, LLB) zu schreiben. Es wurden in den<br />

letzten Monaten vermehrt Stimmen von Kunden laut, die kämpferisch<br />

mit einer Schadensersatzklage gegen die LGT oder die LLB drohten. Sie<br />

wollen das viele Geld, das sie nun den Finanzämtern rund um den<br />

Globus an Nach- und Strafsteuern sowie Bussen bezahlen müssen, von<br />

der LGT oder der LLB zurückerstattet haben.<br />

Sie wollen die LGT oder die LLB verklagen, weil man sie nicht gewarnt<br />

hat, als ihre Daten bei den Treuhändern oder Banken abhanden<br />

gekommen waren. Das solche Klagen angeblich einen Erfolg haben<br />

könnten, wurde von diversen Rechtsanwälten aus Liechtenstein<br />

propagandamässig der desillusionierten Kundschaft schmackhaft<br />

vorgetragen. Solche RA träumen schon von den Honorarrechnungen in<br />

Millionenhöhe, die sie von solchen Klägern verlangen könnten.<br />

Hans-Adam und die Regierung bekommen wegen der immer grösser<br />

werdenden Affäre auch hinter den Kulissen von zwei Seiten massiven<br />

Druck. Bei vielen Staaten mussten die hohen Finanz-Herren schon<br />

persönlich vortanzen (natürlich nicht Hans-Adam, der schickt immer<br />

seine Vasallen vor). Zusätzlich hatten viele der erwischten Kunden (z.B.<br />

Supereiche oder PEP's, inkl. Zumwinkel) gehörig Dampf in Richtung<br />

Vaduz abgelassen. Notwendigerweise mussten Hans-Adam und die<br />

Regierung ein paar aufmunternde Worte an die erwischte Kundschaft<br />

verteilen und zeigten mit allen Fingern auf mich: Ich sei der Anarchist<br />

und der Antichrist in einer Person. Und da gegen einige der Kunden<br />

(zeitweise) Haftbefehle ausgestellt worden waren (z.B. gegen K.<br />

Zumwinkel und seinen Bruder) wollte Vaduz zumindest auf gleicher<br />

Höhe mithalten und stellte mit grossem Trara einen Haftbefehl für den<br />

Datendieb aus.<br />

Aber Geld? Ihr liebes Geld? Kompensation? Schadensersatz?<br />

Nein, aus Liechtenstein sollte keiner der Kunden je Geld erwarten. Da<br />

hört die Liebe auf. Die liechtensteinische Strategie ist immer dieselbe:<br />

Erwischte Kunden lässt man wie heisse Kartoffeln fallen. Vaduz muss<br />

630


seine verbliebene Energie und Zeit ganz auf die nicht erwischten und<br />

potentiellen neuen Kunden konzentrieren. Altlasten sind da nur lästige<br />

Störer. Parasiten ähnlich. Man hat zwar schönes und gutes Geld mit<br />

ihnen verdient, aber die meisten erwischten Kunden ziehen ihre Kohle<br />

sowieso aus Vaduz ab oder wechseln zumindest die Bank oder den<br />

Treuhänder aus. Für solche Kunden hat weder die LGT noch die LLB<br />

Lust oder Zeit. Als die Klagen der erwischten Kunden immer lauter und<br />

stärker wurden, stellte man in Vaduz auf superbockig um und liess per<br />

Kommuniqué trotzig mitteilen, dass sie nichts mit den<br />

Steuerangelegenheiten der Kunden zu tun haben. Basta und Amen.<br />

Dies nachdem die Kunden über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg<br />

intensiv von Seiten der Treuhand oder Bank in Sachen<br />

Steueroptimierung, besser gesagt Steuereliminierung, beraten wurden.<br />

Ich würde aber allen Kunden nur dringlich empfehlen, sich auf keinen<br />

Fall zu irgendwelchen juristischen Kämpfen mit der LGT oder LLB bei<br />

einem Gericht in Vaduz einzulassen.<br />

Dies aus vier Gründen:<br />

A)<br />

Nie, nie und nochmals nie im Leben würde es ein Richter in Vaduz<br />

wagen, ein vollstreckbares Urteil gegen irgendeine Firma von Hans-<br />

Adam zu fällen. Oder gegen die vom Staat kontrollierte LLB. Natürlich<br />

finde ich niemand in Liechtenstein, der mir dies auf Papier bestätigen<br />

würde. Aber, manchmal verplappert sich auch Hans-Adam und gibt sein<br />

wahres Ich preis. In einem Kurzinterview, publiziert in der International<br />

Harald Tribune (IHT) am 31.08.2000, hatte er folgende Aussage gemacht:<br />

(aus dem Englischen übersetzt) OZA- Ja, es ist wahr, dass unsere<br />

Gerichte sehr stark politisiert sind. Darum bestehe ich auf die<br />

Verfassungsreform. Richter sollten (ausschliesslich) von regierenden<br />

Fürsten nominiert (bestellt) werden, NICHT vom Parlament - OZE.<br />

Da erübrigt sich jeder weitere Kommentar, ausser darauf hinzuweisen,<br />

dass Hans-Adam seine absolutistische Macht zur Ernennung und<br />

Absetzung jedes Richters nach erbittertem Kampf um die neue<br />

Verfassung drei Jahre später (März 2003) bekommen hat.<br />

631


B)<br />

Sollte sich dennoch ein (verirrter) Richter der ersten Instanz dazu<br />

durchringen, eine Verantwortung Seitens der Treuhand oder Bank zu<br />

erkennen und in der Sache richtig zu urteilen, hätte die Freude der<br />

Kunden nur ein kurzes Haltbarkeitsdatum. Hans-Adam (im Namen der<br />

LGT) und die Regierung (im Namen der LLB) werden dem Paul<br />

Schockemöhle wohl ewig dankbar sein, dass dieser sich schon mal auf<br />

den irrsinnigen Weg getraut hat, das älteste Treuhandetablissement, die<br />

Dr. Dr. Batliner, mit einer Zivilklage auf Schadensersatz durch alle<br />

Gerichtsinstanzen, inklusive Staatsgerichtshof durchzuklagen. Der Fall<br />

war so heiss, dass kein Liechtensteiner Rechtsanwalt ihn vertreten<br />

wollte. Er fand nur einen Ausländer, RA Hartmut Fromm mit Kanzlei in<br />

Zürich und Berlin. Der Verteidiger von Batliner war zufällig derselbe<br />

RA, der Hans-Adam für meine „Verteidigung" angeheuert hatte: Dr.<br />

Wolfgang Müller aus Schaan.<br />

Schockemöhle forderte vom Batliner um die CHF 25 Millionen<br />

Schadensersatz für seinen „Steuerschaden" sowie Anwaltskosten in<br />

Deutschland. Weil Batliner ihn nicht gewarnt hatte, als 1996 ein<br />

Mitarbeiter von Batliner eine CD mit Daten auch über ihn gestohlen<br />

hatte. Schockemöhle musste in Deutschland mehrere Millionen an<br />

Steuern und Strafe bezahlen. 2003 diskutierte Müller – als mein Anwalt -<br />

mit mir diese Thematik, da er damals davon ausging, rein hypothetisch,<br />

dass auch mein Datendiebstahl mit einer solchen Schadensersatzklage<br />

von erwischten Kunden enden könnte. Ganz getreu meiner Neugierde<br />

für alles und jeden, fragte ich bei ihm auch ab und zu keck nach, wie der<br />

Stand der Dinge im Fall Batliner wäre, der ja noch bei Gericht lief.<br />

Schockemöhle hatte beim Landgericht Vaduz zuerst einen Teilerfolg<br />

erzielen können: Um die 4 MIO. Euro hatte ihm das Gericht<br />

zugestanden. Batliner ging sofort in Revision. Der Schock über dieses<br />

Desasterurteil sass bei den Treuhändern und Bankern sehr tief. Man<br />

hatte Angst, dass, sollte Schockemöhle am Ende gewinnen, ein Präjudiz<br />

geschaffen würde.<br />

Offenbar war der betroffene Richter bei seinem Urteil zugunsten des<br />

Klägers nicht ganz klar im Kopf. So war die hörbare Meinung in Vaduz.<br />

Aber man hatte ja noch zwei weitere Instanzen plus den<br />

Staatsgerichtshof. Die werden über die Sache schon richtig richten.<br />

RA Müller hatte mir schon im Herbst 2003 gesagt, dass es praktisch<br />

unmöglich wäre, dass Batliner verlieren würde. Dies sei unter den<br />

632


heimischen Juristen so klar wie das Sonnenlicht. Viele wunderten sich in<br />

Vaduz sowieso, warum niemand Schockemöhle gesagt hatte, dass er nie<br />

eine Chance haben würde. So hatte dann auch der Oberste Gerichtshof<br />

im September 2004 entschieden, dass er keinen Anspruch auf<br />

Schadensersatz hatte.<br />

In der Folge gelangte er noch einmal an den Obersten Gerichtshof und<br />

zwei Mal an den Staatsgerichtshof und mit dessen letztem Urteil vom<br />

September 2006 war der Kampf für Schockemöhle nach über sechs<br />

Jahren Streiterei vorbei. Batliner musste ihm keinen Rappen bezahlen.<br />

Und Schockemöhle musste auch ein paar hunderttausend Franken für<br />

die Kosten des Anwalts seines Gegners Dr. Batliner hinblättern.<br />

In der Tat wurde mit dem letzten Urteil ein Präjudiz geschaffen, und<br />

zwar 100 Prozent zugunsten Liechtensteins. Mit dem Scheitern von<br />

Schockemöhle hatte die Justiz in Liechtenstein festgelegt, dass auch nach<br />

einer Verletzung von Treuhandpflichten durch einen Treuhänder (bzw.<br />

Banker) oder einem seiner Mitarbeiter, die Treuhandfirma (bzw. Bank)<br />

nicht schadensersatzpflichtig wäre.<br />

Man kann sich bildlich vorstellen, wie glücklich Hans-Adam und die<br />

Regierung heute sind, dass ein solches Urteil im 2006 ergangen war.<br />

Eigentlich müsste sie dem Paul heute Blumen und einen Scheck<br />

zuschicken oder zumindest ein paar seiner Pferde abkaufen.<br />

C)<br />

Nehmen wir wider besseren Wissens rein hypothetisch an, dass auf<br />

mysteriöse Weise ein einziger Kunde der LGT oder der LLB mit einer<br />

Schadensersatzklage am Ende erfolgreich sein würde. Dann müsste<br />

Liechtenstein in einer Kettenreaktion hunderte von Millionen an<br />

Schadenersatz an alle erwischten Kunden der LGT oder LLB zahlen.<br />

Und das, „liebe (EX-) Kundschaft", ist nicht im Sinne der Herrschenden<br />

im Ländle. Vorher würde Hans-Adam seine Macht nutzten und ein<br />

neues Gesetzt erlassen, das Rückwirkend die Verantwortung in solchen<br />

Fällen komplett ausschliessen würde. Sollte das nichts bringen, würde er<br />

die Vollstreckung eines solchen Zivilurteils zu verhindern wissen. Da er<br />

ja die Gerichte „kontrolliert‚.<br />

633


D)<br />

Nehmen wir mal jetzt fiktiv an, dass die Gründe A),B) + C) nicht<br />

existieren würden oder die Grundlagen dafür nicht vorhanden wären.<br />

Trotzdem hätte kein Kunde auch nur die winzigste Chance einen<br />

Franken zu erhalten. Auch ohne die unzähligen möglichen<br />

Schadensersatzklagen müsste das Gericht in Vaduz eigentlich über die<br />

nächsten Jahrzehnte hinaus voll ausgelastet sein. Da der kriminelle<br />

Hintergrund der Vermögen von unzähligen Kunden mehr und mehr ans<br />

Tageslicht kommt, werden unzählige Länder tonnenweise weitere<br />

Unterlagen von Vaduz anfordern.<br />

Die Staatsanwaltschaft in Vaduz müsste daher in Wirklichkeit hunderte<br />

von Strafverfahren eröffnen, weil nahezu alle vorgefundenen<br />

kriminellen Handlungen (wie z.B. Geldwäscherei, alle Arten von Betrug,<br />

Korruption, Insiderhandel etc.) auch in Liechtenstein verfolgt werden<br />

müssten. Seit spätestens dem 01.01.2001 kann sich keiner der noblen<br />

Treuhänder oder Banker hinter der alten, oft genutzten Ausrede „Ich<br />

wusste von nichts" verstecken.<br />

Das strengere Sorgfaltspflichtgesetzt führte die Beweisumkehr ein: Nicht<br />

mehr die STA muss dem Treuhänder oder dem Banker nachweisen, dass<br />

sie etwas von den kriminellen Handlungen wussten, sondern umgekehrt<br />

muss der Treuhänder oder Banker beweisen, dass sie von nichts<br />

wussten, denn „Nichtwissen schützt vor Strafe nicht“.<br />

Praktischerweise haben die ausländischen Behörden die diesbezüglichen<br />

internen Schulungsunterlagen der Treuhand auch in ihre Finger kriegen<br />

können. Rausreden kann sich somit die LGT schon mal gar nicht. Na ja,<br />

so gesehen hat sich auch nicht viel geändert, da die STA auch an einer<br />

Kopfkrankheit leidet: der Strafuntersuchungs-Eröffnungs-Amnesie.<br />

Dessen ungeachtet müssten letztlich die betroffenen Treuhänder und<br />

Bankberater jetzt mit einem Strafverfahren und einer Verurteilung<br />

rechnen. Dies bedeutet, dass die Richter in Vaduz (z.B. LR Uwe Oehri -<br />

arbeitet der noch dort?) wirklich keine Zeit für Schadensersatzklagen<br />

erwischter Kunden haben.<br />

In Anbetracht der neuen Situation müsste Vaduz jetzt schon anfangen,<br />

eine neue, eigene, grosse Langzeithaftanstalt in Liechtenstein zu bauen.<br />

Einerseits um genügen Platz für die verurteilten Mittäter aus<br />

Liechtenstein zu haben und andererseits um zu verhindern, dass keiner<br />

634


von denen dann auf dieselbe Idee wie Roland Lampert kommt, der<br />

irgendwie während seinem Aufenthalt in der Österreichischen Haftanstalt<br />

die LLB=Daten weitergeben, oder deren Versteck preisgeben konnte.<br />

Ja, wie steht es eigentlich um den LLB-Fall?<br />

Ich habe den schweren Verdacht, dass dort das letzte Kapitel noch lange<br />

nicht aufgeschlagen wird. Er wurde am 14.11.2006 wegen der aus dem<br />

Gefängnis fortgeführten Erpressung nochmals zu sechs Jahren<br />

verurteilt. Fürs Publikum völlig überraschend wurde er vom Gericht -<br />

wenn ich mich nicht irre ohne den Antrag der STA - zusätzlich auch für<br />

eine unbefristete Zeit zur Verwahrung in einer Art „Anstalt für geistig<br />

für abnorme Kriminalverbrecher" verdonnert.<br />

Seltsam, sehr seltsam. In einer solchen Anstalt (in Österreich) werden<br />

Zuhälter, Pädophilie oder Mörder nur unter besonderen Umständen<br />

gesteckt. Keine Daten-Diebe, selbst wenn sie Millionen erpressten. In<br />

Vaduz halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Lampert viel mehr<br />

schädigendes Wissen über die LLB hat, als die paar tausend<br />

ausgedruckten Vermögenslisten deutscher Kunden. Die Regierung<br />

fürchtete daher, dass Lampert, sollte er irgendwann wieder entlassen<br />

werden, was anzunehmen war, der LLB und dem Land mit seinem<br />

Wissen noch grösseren Schaden zufügen. Durch die Verwahrung kann<br />

die Regierung sicherstellen, dass Lampert nach Ablauf der normalen<br />

Haftstrafe nicht automatisch entlassen wird. Nur ein positives<br />

psychologisches Gutachten kann ihn aus der Anstalt bringen.<br />

Wer will mit mir wetten, dass Lampert nie mehr ungesiebte Luft atmen<br />

wird?<br />

Die Regierung in Vaduz wird schon dafür Sorge tragen, dass man die<br />

"richtigen" Arztbefunde vorlegt.<br />

Der Gesundheit der hohen Finanz-Herren zu liebe.<br />

635


KAPITEL 36 Letzter Akt ! Vorhang auf für . . . .<br />

Helmut Roegele & Frau.<br />

Leider sind er und seine Frau die einzigen ungerechtfertigte Gewinner<br />

der ganzen Geschichte. Nicht nur konnten sie sich bis heute einer<br />

gerechten Strafe für ihre schweren Verbrechen in Argentinien, der<br />

Falschaussagen in Barcelona und Vaduz entziehen, sie sind dafür mit der<br />

Hilfe Liechtensteins auch noch fürstlich belohnt worden. Es ist für mich<br />

immer noch unfassbar. Ich bin mir aber sicher, dass sie schon bald ihre<br />

Vergangenheit einholen wird und sie die Verantwortung für ihre Taten<br />

übernehmen werden müssen.<br />

Marioano M.V.-R und Söhne Marco und Mario.<br />

Offenbar lebt Mariano immer noch auf der Farm in Argentinien. Die<br />

Farm steht seit Jahren zum Verkauf (siehe auch Internetliste). Ein<br />

verrückter Gedanke: Ich könnte die Farm locker kaufen. Und dafür einen<br />

Anwalt vorschieben, sodass Mariano nicht wüsste, dass ich der Käufer<br />

wäre. Dann ihm samt seinen Söhnen mit einem ‚Überraschungsbesuch‚<br />

als neuer Besitzer überraschen. Für ihn wie für seine zwei Söhne<br />

wünsche ich mir sehr, dass sie eines Tages die gerechte Strafe für meine<br />

Entführung und Folterung erhalten werden. Wie immer die Strafe<br />

aussehen mag.<br />

RA Wolfgang Müller<br />

RA Wolfgang Müller und seine Kanzlei wurde von Hans-Adam<br />

höchstpersönlich ausgesucht, gebucht und bezahlt. Er wollte mit der<br />

Wahl des ihm zu treuen Diensten Untergebenen Müller sicherstellen,<br />

dass alles so ablaufen würde, wie er es sich gewünscht hatte.<br />

Das Verhältnis konnte nicht bizarrer sein: Müller war mein<br />

Rechtsanwalt, der von meinen "Gegnern" bezahlt wurde. Er war zudem<br />

gemäss einer geheimen, stillen Abmachung zwischen seiner Kanzlei und<br />

dem Alleinherrscher strickt an seine Anordnungen gebunden. Er könnte<br />

sehr vieles von dem bestätigen, was ich in diesem Buch geschrieben<br />

habe. Dass dies nie der Fall sein würde, hatte ich sehr schnell lernen<br />

müssen, als ich diverse Zeitungen aufgeschlagen habe. Seit Februar 2008<br />

verstösst er gravierend gegen den Anwaltsethos und die rechtliche<br />

636


Grundlage. Ohne dass ich ihn von der anwaltschaftlichen<br />

Schweigepflicht befreit habe, fühlt er sich offenbar dazu berufen,<br />

öffentliche Kommentare über mich als seinen Mandaten zu machen.<br />

Wenn er dies zur rechtlichen oder moralischen Unterstützung meiner<br />

Anliegen und Handlungen machen würde, könnte ich es noch verstehen.<br />

Dass er aber ins gleiche Horn wie Hans-Adam, die STA und die<br />

Regierung bläst, macht einen doch schon besonders traurig.<br />

Erstaunt darüber bin ich absolut nicht. Es ist klar ersichtlich, dass die<br />

ganze Kanzlei Müller auf Anordnung von oben Teil der<br />

Verteidigungsstrategie von Hans-Adam geworden ist. Ich finde dies<br />

extrem perfide, da der Landesführer die natürliche Glaubwürdigkeit des<br />

„eigenen" RA ausnutzt.<br />

Niemand würde nämlich auf die Idee kommen, dass Müller etwas<br />

Unwahres über mich sagen könnte, selbst wenn es etwas Negatives ist.<br />

Leider werde ich wohl vergebens hoffen, dass die Kanzlei Müller in<br />

Zukunft jeglichen Kommentar über mich und meine Fälle unterlassen<br />

wird.<br />

Der Professor<br />

Ja, der Professor. Ich hoffe es geht ihm gut. Ich hoffe auch, dass er mit<br />

seinen üblichen Fällen, bei denen es eher um totes Fleisch geht, mehr<br />

Erfolg hat als bei meinem Fall. Man kann ihm überhaupt gar nichts<br />

vorwerfen.<br />

Als im Sommer 2007 die ersten Drähte nach Liechtenstein heiss gelaufen<br />

waren, nachdem erschreckte Kunden aus England oder den USA mehr<br />

oder weniger diskret aber nervös bei der LGT nachfragten, warum sie<br />

plötzlich auf der Zielscheibe diverser heimischer Behörden waren,<br />

beauftragte Hans-Adam via LGT den Professor, um von mir<br />

herauszufinden, ob ich damit etwas zu tun haben könnte.<br />

Der Professor hatte mir dann eine Email geschrieben, auf eine<br />

Emailadresse, die nur er kannte. Er fragte höflich nach, ob alles OK wäre,<br />

wo ich mich aufhalten würde und was ich so machen würde. Natürlich<br />

hätte ich im irgendetwas zurück schreiben können, aber mein Racheplan<br />

war schon mehr als zur Hälfte erledigt. Dies war aber nicht der<br />

Hauptgrund, warum ich nie wieder mit dem Professor kommuniziert<br />

hatte. Im gleichen Zeitraum gab es zwischen meinen Gegnern und deren<br />

diversen „Aussenposten" mehreren Schrift- und andere Arten von<br />

Verständigungsverkehr. Diese und spätere Kommunikation konnte von<br />

637


Dritten , na sagen wir es mal so, "mitgelesen" werden und wurden mir<br />

dann vorgelegt.<br />

Darin waren unter anderem spezifische Details vermerkt, die nur der<br />

Professor, Hans-Adam und ich wissen konnten. Damit war für mich<br />

klar, dass er immer noch im Solde von Hans-Adam stand und ich ihm<br />

wiederum nicht zu 100 Prozent trauen konnte. Ich wünsche ihm und<br />

seiner Familie trotz allem nur das Beste.<br />

Der Bankdirektor<br />

Er ist einer der Verlierer dieser Geschichte. Ich hoffe aber, dass er seinen<br />

Kopf über dem Wasser halten kann und irgendwie und irgendwann in<br />

der Lage sein wird, etwas Positives aus der ganzen Sache mitzunehmen.<br />

Ich wünsche ihm und seiner Familie Gesundheit und Frieden.<br />

Die LGT<br />

Die LGT ist einer der grossen Verlierer. Man kann fast sagen, dass sie am<br />

Ende über ihren eigenen, unglaublichen Erfolg der letzten 10 Jahre<br />

gestolpert ist. Die über 1000 Mitarbeiter sind mit Ausnahme der<br />

"Teppichetage" allesamt normale Mitarbeiter, die nur ihren Job machen.<br />

Die Geschäftsstrategien, die illegalen Tricks und die Liechtensteiner<br />

OMERTA wurden alleine von den Topmanagern und den Besitzern<br />

formuliert, ausgetüftelt und kultiviert. Gemäss eigenen Angaben hat die<br />

LGT angeblich ihre Geschäftsphilosophie geändert: weg vom Fokus auf<br />

eine Steuereliminierung, bzw. Steueroptimierung (wie sie es genannt<br />

haben wollen), hin zur echten Vermögensverwaltung. Ich bin mir sicher,<br />

dass dann die LGT den ganzen Sturm überleben wird.<br />

Liechtenstein<br />

Liechtenstein, mein Liechtenstein. Auch ein grosser Verlierer in diesem<br />

ganzen Drama, weil man im Ausland das ganze Volk kollektiv in<br />

dieselbe Schüssel wirft. Was natürlich völliger Unsinn ist. Nie hätte ich<br />

mir gewünscht, dass ich in den Augen meiner Landsleute als<br />

Landesverräter enden würde.<br />

Ich hoffe dennoch, dass vielleicht einige meiner Landsleute mich jetzt,<br />

mit diesem Buch besser verstehen können und nicht allzu harsch über<br />

mich urteilen werden. Insbesondere all jene, die ich als meine Freunde<br />

638


ezeichne. Nochmals liebe Grüsse von hier aus. Breite Zustimmung des<br />

Volkes zu meinem Handeln kann ich natürlich nicht erwarten. Dazu sind<br />

zu viele Menschen zu innig mit dem Geld, der Macht und ihrem eigenen<br />

Egoismus verheiratet. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mir dies<br />

überhaupt wünschen würde. Und wenn wir ehrlich sind, dann sind die,<br />

die am lautesten "Landesverräter" schreien, exakt jene, die in den letzten<br />

zehn bis 15 Jahren ihr Geld mit hauptsächlich schmutzigen Geschäften<br />

verdient hatten und dies vor allem auf Kosten anderer Gesellschaften<br />

rund um den Globus.<br />

Ich bin mir bewusst, dass ich einigen Leuten (insbesondere den<br />

Treuhändern und Bankern) deren $$$-Träume vom schnellerem oder<br />

noch grösserem Reichtum zerstört, oder zumindest massiv gestört habe.<br />

Liechtenstein identifiziert sich aber nicht über solche Menschen.<br />

Aber was ist eigentlich die Definition von "Landesverräter"? Bin ich<br />

einer, weil ich Daten verraten habe, die belegen, dass viele Mandate<br />

einen kriminellen Hintergrund haben? Liegt der Sinn einer<br />

Verpflichtung zur Verschwiegenheit, die jeder unterzeichnen muss, der<br />

im Finanzsektor in Liechtenstein arbeiten möchte, nur darin, sich der<br />

lokalen OMERTA unter zu werfen?<br />

Wer weiss, vielleicht habe ich mit meinem Handeln auch beim einem<br />

oder dem anderen Bürger einen Denkprozess ausgelöst. Vielleicht fragen<br />

sich die Leute nun, ob es denn immer so weiter gehen kann, könnte oder<br />

sollte. Ob wir nicht alle am trügerischen Glauben an die angebliche<br />

Notwendigkeit eines alles dominierenden Fürstenhauses hängen. Ich<br />

habe schon vernommen, dass sich in meiner alten Heimat mehr und<br />

mehr Menschen mit diesen oder ähnlichen Fragen beschäftigen.<br />

Vielleicht sollte die Regierung in Vaduz die teuren Botschaften in<br />

Washington oder Berlin, das neue Netz von Honorarkonsulate in<br />

Deutschland und anderswo dafür nutzten, den frischen Weg, den<br />

Liechtenstein gehen sollte aufzuzeigen, anstellte dem Ausland ständig<br />

nur Lieder aus der alten Propagandasammlung über die angebliche<br />

Sauberkeit des Finanzplatzes vorzusingen. Es ist keiner mehr da, der<br />

ihnen das noch glaubt.<br />

Hans-Adam<br />

Unser Hans! Sicherlich ist es einigen meiner Leser aufgefallen, dass ich<br />

ihn und seinen Erstgeborenen Alois ständig nur mit Vornamen erwähnt<br />

habe. Mit Ausnahme im Buchtitel, im Vorwort und in den Originaltext-<br />

639


Einfügungen habe ich ihr Adelsdiplom weggelassen. Dies nicht aus<br />

Respektlosigkeit oder umstürzlerischen Gedanken.<br />

Ich habe den Adelstitel bewusst unterlassen und jene des Landes-<br />

"Führer" (!) bewusst geschrieben. Für mich ist er kein Fürst, bzw.<br />

Erbprinz mehr, nicht einmal eines Titels ist er noch würdig. Diese Worte<br />

aus meiner Hand schmerzen sehr. Ich war einer der am meisten an ihn<br />

geglaubt hat. Auch wenn es am Ende nur Gutgläubigkeit war. Sie haben<br />

keine Autorität mehr. Sie beide sind einfach nur noch normale Bürger<br />

Liechtensteins.<br />

Früher kam es uns im Ländle manchmal so vor, als würde Hans-Adam<br />

liebend gerne das Adelskostüm abstreifen, um als ein anonymer (aber<br />

sehr reicher) Mann das Leben weiterzuführen. Der von ihm sporadisch<br />

vermittelte Eindruck, dass er lieber ein Privatmann wäre, ist in Wahrheit<br />

eine geniale psychologische Nebelgranate. Hans-Adams hörige<br />

Untertanen werden nämlich gleich nervös, wenn er einen solchen Spruch<br />

ablässt. Dafür gibt es keinen Grund. Bei näherer Betrachtung seines<br />

Umfeld und einer Analyse seiner Handlungen stellt man fest, dass er das<br />

Land Liechtenstein als (s)ein Fürstentum dringend braucht, um vor<br />

allem seinen exklusiven, gigantischen wirtschaftlichen Vorteil daraus<br />

beibehalten zu können. In der modernen Welt ist er auf ein Volk<br />

angewiesen, das Volk auf seine Sippe aber nicht.<br />

Viele Liechtensteiner sind sich nicht bewusst, in welchem massiven<br />

Umfang der Clan auf Kosten ihrer eigenen Gesellschaft profitiert und<br />

auch dem Land schadet. Während die gut integrierte, ausländische<br />

Bevölkerung bis zu zehn Jahre warten muss, um endlich die<br />

liechtensteinische Staatsbürgerschaft zu erhalten, kann Hans-Adam<br />

jedem x-beliebigen Ausländer über Nacht die Staatsbürgerschaft<br />

verleihen (und er nutzt dies rege). Oft geschieht dies ohne dass der<br />

„Neubürger" oder die „Neubürgerin" auch nur einen Tag in<br />

Liechtenstein gelebt hatte, geschweige denn dort je einen Wohnsitz inne<br />

hatte.<br />

Noch schlimmer ist seine Praxis, seinen grossen Familien- und<br />

Verwandtenkreis mit Diplomatenpässen zu versorgen, hauptsächlich für<br />

die Hilfe bei der Abwicklung von internationalen „Geschäften" seines<br />

Wirtschaftsimperiums. Aber auch für das „sorgenfreie" weltweite Reisen<br />

und als Statussymbol eignen sie sich nicht schlecht. Warum, so sollte<br />

man sich in Vaduzer Regierungshaus und im Parlament (ja so etwas gibt<br />

es in Vaduz auch) dringen mal fragen, werden solche Leute mit<br />

Diplomatenpässen ausgestattet, obwohl sie (mit ganz wenigen<br />

640


Ausnahmen) nicht oder sehr selten im wahren Dienste des Landes<br />

unterwegs sind?<br />

Die Regierung und das Parlament haben nicht einmal den Überblick<br />

darüber, wem, wann und vor allem warum die liechtensteinische<br />

Staatsbürgerschaft und/oder ein Liechtensteiner Diplomatenpass<br />

zugestanden wurde. Meiner Schätzung nach sind es rund 300<br />

Diplomatenpässe. Auch leistet sein Clan keinen persönlichen Beitrag zu<br />

den Erhaltungskosten des modernen Staats. Sein ganzer Clan zahlt z.B.<br />

keine Steuern oder andere Abgaben. Und das, obwohl die Steuersätze so<br />

niedrig wie nirgends in Europa sind. Seit immer begründet Hans-Adam<br />

diese Sonderstellung damit, dass er dafür im Gegenzug „keinen Rappen"<br />

für die Aufgaben als regierender Fürst vom Staat verlangen würde.<br />

Welche grossen Aufgaben? Es ist doch klar ersichtlich, dass 90 Prozent<br />

dieser Art von Arbeit von Hans-Adam und seinem Erbprinz dazu<br />

benutzt werden, ihre Machtposition zu sichern und ihr Imperium<br />

auszubauen. Worin ist da der Nutzten für das Land? In England zahlt<br />

der Staat der königlichen Familie die Aufwendungen für ihre<br />

Repräsentationsaufgaben. Diese Familie erledigt aber hunderte solcher<br />

Pflichten pro Jahr, penibel protokolliert. Ausserdem muss die Queen<br />

auch Steuern bezahlen.<br />

Liechtenstein würde viel besser fahren, wenn man dem Staatsoberhaupt<br />

ein paar hunderttausend Franken, besser 1 Million CHF, wenn es sein<br />

muss auch steuerfrei, in die Hand drückt, dazu noch zwei Polizisten,<br />

eine Privatsekretärin und einen Chauffeur bezahlt. Anschliessend sollte<br />

man alle Aktivitäten und vor allem die Profite des Fürstenhauses wie bei<br />

allen Bürgern auch besteuern.<br />

Die Landeskasse könnte alleine dadurch pro Jahr mehrere Millionen in<br />

zweistelliger Höhe einnehmen. Hans-Adam ist ein äusserst scharf<br />

kalkulierender Machtmensch. Er ist nicht dumm. Würden seine<br />

"Auslagen" für seine undefinierbare, schwammige „Repräsentation" des<br />

Staat Liechtenstein auch nur einen einzigen Franken höher sein, als die<br />

Summe die er durch das Nichtbezahlen diverser Steuern und Abgaben<br />

einsparen kann, dann wäre er der Erste am Montagmorgen, der diese<br />

Situation abrupt beenden würde. Es ist in den Fluren des Parlaments<br />

kein Geheimnis, dass die Kosten für Hans-Adam für die echte, reine<br />

Repräsentation des Staates kleiner als 10% der Summe ist, die er an<br />

Steuern und Abgaben pro Jahr bezahlen müsste. Vereinzelte Politiker<br />

hatten über solche Ideen schon früher laut nachgedacht. Hans-Adams<br />

Antwort darauf war deutlich. Sollte das Land nur daran denken, die<br />

641


Dreistigkeit zu haben, seinen Clan zu besteuern, würde er Teile seines<br />

wirtschaftlichen Imperiums auslagern. Was dann zum Verlust von<br />

vielen einheimischen Arbeitsplätzen führen könnte. Kein Politiker<br />

könnte dies verantworten.<br />

Dabei vergessen sie, dass Hans-Adam nie seine Firmen von<br />

Liechtenstein ins Ausland verlagern würde. Schon aus Steuergründen<br />

nicht.<br />

Hans-Adam ist es in den letzten Jahren gelungen, zahllose<br />

Familienmitglieder oder Verwandte auf Botschafterposten oder andere<br />

wichtige Staatsjobs zu setzten. Dies im Übrigen ohne die wirkliche<br />

Mitsprache der Politiker. Sie nickten alle diesbezüglichen fürstlichen<br />

Erlasse einfach ab. Es ist auch kein Geheimnis in Vaduz, das Hans-Adam<br />

alle Informationen, auf die seine Blutsverwandten dank der Posten (z.B.<br />

als Botschafter oder Verhandlungsführer für Belange mit der EU) Zugriff<br />

haben, primär für seine privaten Interessen nutzt. Ein anderer schöner<br />

Nebeneffekt ist auch nicht zu unterschätzen: Hans-Adam konnte auf<br />

Kosten der Steuerzahler in Liechtenstein dadurch sichere und fette<br />

Verdienstmöglichkeiten für seinen Clan schaffen, was wiederum seine<br />

Familienkasse schont. Dies unabhängig davon, ob die Person für die<br />

Aufgabe richtig ausgebildet ist oder nicht. Ausschlaggebend ist und war<br />

alleine das Namenskriterium "von und zu Liechtenstein".<br />

Sicherlich ist er reich genug, um eine ganze Armee anzustellen. Aber<br />

warum selber bezahlen, wenn man es ohne Mühe dem Staat aufbürden<br />

kann?! Zudem werden solche Positionen auch dafür genutzt, um auf das<br />

wichtigste Familienziel hinzuarbeiten: lukrative Geschäftskontakte<br />

knüpfen, z.B. für die LGT Gruppe, um noch mehr Geld zu verdienen.<br />

Grossen Schaden hat er dem Land zugeführt, als er seinen Privatkrieg<br />

mit der Tschechischen Republik über das offizielle Liechtenstein<br />

weiterführte. Seit Jahrzehnten ist er wegen Ländereien, Schlössern und<br />

Kunstgegenständen mit den Tschechen im Streit (wegen der Benes<br />

Dekrete aus 1945/46).<br />

Vor ein paar Jahren zwang er die Regierung in Vaduz „im Namen des<br />

Volkes von Liechtenstein" Deutschland offiziell zu verklagen, weil<br />

Deutschland es in den 90er Jahren „gewagt hatte", ihm ein Gemälde<br />

vorzuenthalten, dass die Tschechen als Leihgabe nach Köln geschickt<br />

hatten. Er behauptete, das Gemälde (Szene um einen römischen Kalkhof)<br />

gehöre ihm und die Deutschen hätte es gefälligst auszuliefern. Auf eine<br />

642


solche Dreistigkeit muss man erst noch kommen. Man stelle sich das<br />

einmal vor: Hans-Adam verklagte Deutschland, weil sie ihm in seinen<br />

Augen unrecht getan hatten. Und zu Hause verdient er mit seiner LGT<br />

Gruppe viele Millionen im Jahr, die eigentlich dem deutschen Staat, der<br />

deutschen Gesellschaft zustehen würden. Der ganze Prozess wurde<br />

natürlich in allen Instanzen verloren und Liechtenstein musste mehr als<br />

eine Million CHF dafür hinblättern. Das Land Liechtenstein, Notabene.<br />

Nicht Hans-Adam.<br />

Der jüngste Schaden ist der Skandal um die LGT Daten. Obwohl ich der<br />

Auslöser war, müsste Hans-Adam die Verantwortung für die<br />

schmutzigen Geschäfte, die Leichen übernehmen. Aber eben, müsste.<br />

Wie man auch an meinem Fall sehen konnte, kann Hans-Adam seine<br />

privaten Ziele auf Kosten der Bevölkerung durchziehen, solange er sie<br />

alle zusammen kontrollieren und manipulieren kann, die Legislative,<br />

Exekutive und die Judikative, sowie alle Spitzenpolitiker der 2 Parteien.<br />

Wie durchdacht er agiert zeigt sich auch bei einer anderen Nebelgranate.<br />

Das über viele Jahre von ihm gepflegte Bild eines Volksfürsten ist in<br />

Wahrheit eine Chimäre. Es ist geradezu faszinierend herauszufinden,<br />

wie clever sein Clan den Mythos vom einfachen, bescheidenen<br />

Landesfürsten verbreitet. Kein Privatjet, kein Rolls Royce, kein Pomp<br />

oder andere Extrem-Luxusgüter. Keine Klatschgeschichten, keine<br />

offiziellen Familienskandale oder -dramen. Keine Prozesse und keine<br />

Exzesse. Dies alles soll uns das Gefühl eines schlichten, vor allem<br />

altruistischen Landesfürsten geben.<br />

Mehr und mehr Bürger lassen sich davon nicht mehr verblenden, dass er<br />

den üblichen Zutaten eines Feudalherren abgeneigt ist. Wer weiss schon,<br />

was er alles durch sein ausgeklügeltes, weltweit verzweigtes Netz von<br />

Stiftungen, Trusts und Briefkastenfirmen wirklich besitzt?<br />

OK, ich weiss ein wenig mehr als der gewöhnliche Bürger. Schliesslich<br />

hatte ich Einblick in alle Unterlagen der diversen Stiftungen und<br />

Anstalten. Alles aber im normalen Rahmen einer reichen Familie.<br />

Es ist ja nicht so, dass ihm niemand einen Lear-Jet oder einen Ferrari<br />

verübeln würde. Er soll sich kaufen was er will. Das Geld dafür hat er ja.<br />

Er soll aber damit aufhören, uns allen im Land eine Show vorzuführen,<br />

in der er als ehrwürdiger, anspruchsloser, barmherziger Landesvater die<br />

Hauptrolle spielt.<br />

643


Einer der Hauptgründe warum seine Familie all diese Strategien<br />

verfolgt, ist ihre in Stein gemeisselte Doktrin: Immer unter dem Radar<br />

bleiben. Nur dann können sie im Hintergrund ihre Ziele optimal und<br />

unbeobachtet verfolgen. Auf Kosten der Allgemeinheit.<br />

Nie werde ich seine Heuchelei vergessen, als im Dezember 2004 der<br />

Tsunami über Thailand und andere Länder hereinbrach. Das Radio<br />

brachte eine Sondersendung darüber. Es wurde berichtet, dass Hans-<br />

Adam eine Spende für die Opfer angekündigt hatte. Das ist aber nobel,<br />

dachte ich. Denn man hörte selten über eine Spende seitens der von<br />

Liechtensteins. Zuerst dachte ich, das Radio muss sich in der Zahl geirrt<br />

haben. Die erwähnte Summe war (nur) CHF 15'000.-. Kann nicht sein,<br />

schoss es mir sofort durch den Kopf. Wegen einer solch mickrigen<br />

Spende eines Milliardärs würde doch keiner eine Meldung machen.<br />

Aber das Radio hatte sich nicht versprochen. Schon komisch, dachten<br />

wohl auch alle anderen Zuhörer. Sicherlich, kein Mensch schreibt Hans-<br />

Adam vor, wie viel er wem, wann und wo spenden soll. Aber was soll<br />

die läppische Summe von CHF 15'000.-, fragte sich das Volk. Als die<br />

oben im Schloss die Lächerlichkeit der Spende begriffen, wurde schnell<br />

die Nachricht verbreitet, dass das Fürstenhaus oft "diskret" Spenden<br />

würde, was dann nicht gemeldet würde.<br />

Ja, Ja - alles klar. Das Wort Diskret kennt man in Liechtenstein nur im<br />

Zusammenhang mit der Annahme von fetter Kohle. Hans-Adam wollte<br />

uns wohl weiss machen, dass er „15 MIO." für die Opfer gespendet hätte,<br />

aber aus Bescheidenheit nur 15'000.- kommuniziert hatte. Es war schon<br />

erstaunlich, dass er überhaupt einen Kommentar abgab.<br />

Erst knapp zwei Monate später, als dem Fürstenhaus wieder ein Fauxpas<br />

passierte, begriffen wir warum. Es wurde bekannt, dass sich Hans-Adam<br />

ebenfalls im Dezember über Mittelsmänner bei einer Kunstauktion in<br />

London für mehr als 27 Millionen Euro den teuersten Schrank der Welt<br />

gekauft hat, das berühmten Badminton-Cabinet. Eigentlich hätte er<br />

inkognito bleiben sollen, aber der von ihm beauftragte Agent war vom<br />

erfolgreichen Kauf so beflügelt, dass ihm der Name des wirklichen<br />

Käufers gegenüber der ausländischen Presse über die Lippen rutschte.<br />

Man kann sichert sein, dass dieser Kunstagent (der eigentlich ein<br />

Kurator war) in Zukunft keine Gelegenheit mehr haben wird, sich noch<br />

mal zu verplappern.<br />

644


Das waren zwei der seltenen Momente, in denen sein<br />

Kontrollmechanismus für die Regel "unter der Radar bleiben" nicht<br />

funktioniert hatte.<br />

Erst in den letzten Jahren ist mir klar geworden, wie Recht die Kritiker<br />

des Fürsten eigentlich haben. Und wie brutal er, nur dank seinem vielen<br />

Geld, sie bis aufs Blut bekämpft, erniedrigt und demontiert. Wie alles,<br />

was nicht in seinen Kram passt. Er ist ein solcher Meister darin, seine<br />

Kritiker mit Worten abzuwerten und zu neutralisieren, dass es schwierig<br />

ist, auf Anhieb seine wahre Arglist zu erkennen.<br />

Egal ob es Kritiker sind, die beides, seine barocke politische Herrschaft<br />

und seinen Machtmissbrauch im Ländle zu Recht anprangern und<br />

demokratisch ändern wollen. Hans-Adams Kommentar darauf: Alles<br />

Landesverräter.<br />

Egal ob es sich um die armen Reisfarmer aus Indien oder anderswo<br />

handelt, die sich um ihr jahrhundertealtes Recht, Samen einer<br />

bestimmten Reissorte zu züchten, betrogen fühlen. Hans-Adams<br />

weltumspannendes Reisimperium hatte dank seiner Geldmacht im<br />

Stillen diverses Saatgut von weltweit verbreiteten Reissorten patentieren<br />

lassen, sodass die Bauern nun keine Samen für die nächste Ernte selber<br />

herstellen, bzw. zurückbehalten dürfen und gezwungen werden, das<br />

Saatgut bei seiner Firma (RICETEC, mit Hauptsitz in Texas, USA) zu<br />

kaufen. Also für etwas bezahlen, was ihnen über Jahrhunderte gratis zur<br />

Verfügung stand. Seit Jahren versuchen schwach ausgestattete NGO aus<br />

Drittweltländern das Quasimonopol von Hans-Adam zu brechen. Ihr<br />

Argument könnte einfacher und richtiger nicht sein: Wie kam es, dass<br />

was bisher allen Reisbauern gemeinsam gehörte, auf einmal einer<br />

Reisfirma alleine gehört? Leider bisher erfolglos. Ricetec ist zu mächtig.<br />

Hans-Adams Kommentar dazu: "Mir wurde gesagt, dass die NGO's am<br />

Rande der Illegalität arbeiten."<br />

Es ist verrückt, denn eigentlich tut Hans-Adam mir fast schon wieder<br />

Leid. Er wurde von der Geschichte dorthin gespült, wo er heute sitzt. Er<br />

muss dann irgendwann grossen Gefallen an der Machtausübung<br />

gefunden haben. Irgendwie ist er auch noch in einen anderen Rausch<br />

gefallen. Aus dem er nicht mehr raus will. Das ist jetzt kein Witz! Er hat<br />

die fixe Illusion, in der er am Ende mit seiner LGT Gruppe alles<br />

Schwarzgeld dieser Welt kontrollieren und verwalten kann, wo er die<br />

645


ganze Welt mit seiner RICETEC ernähren kann und durch beide<br />

Milliarden verdienen möchte.<br />

Das wäre doch mal ein gutes Thema für einen vertieften,<br />

wissenschaftlichen Dokumentationsbericht oder ein Ansporn für<br />

investigativer Journalismus.<br />

David<br />

Ich hoffe nur, dass er dem ständigen Druck von Aussen weiterhin<br />

standhalten kann, die sich von ihm wünschen, die Daten ungefiltert ins<br />

Netz zu stellen, sodass die Gesellschaft als Ganzes sehen kann, in<br />

welchem Umfang die LGT, die Kunden und andere Handlanger ihnen<br />

enormen Schaden zugefügt hatte.<br />

Heinrich Kieber<br />

Ach ja, ich bin ja auch noch da. Oder nicht mehr? Wer weiss dies schon.<br />

Auch ich bin ein Verlierer.<br />

And the Winner is<<br />

Die grossen Gewinner aus moralischer Sicht, und dies zu Recht, sind die<br />

ehrlichen Steuerzahler aller betroffenen Länder und in ökonomischer<br />

Hinsicht die jeweilige Volksgemeinschaften als Ganzes. Weitere<br />

Gewinner sind die unzähligen, unbekannten Menschen, die Opfer eines<br />

der vielen schmutzigen Geschäfte waren. Nicht, dass ihr persönlicher<br />

Schaden wieder gutgemacht wird, aber zumindest werden die Übeltäter<br />

dank der Daten erwischt.<br />

646


EPILOG<br />

Ich bedanke mich bei euch allen für eure Zeit und Nerven mein Buch zu<br />

lesen. Ich bin auch froh endlich am Ende des Buches angelangt zu sein.<br />

Es war ein harter Kampf mit mir selber; alles noch mal hautnah zu<br />

erleben. Ich fand es aber wichtig und richtig, das Buch zu schreiben.<br />

Es wurde dicker als ursprünglich vorgesehen. Locker hätte ich aber noch<br />

acht bis 13 weitere Kapitel im Buch verteilt einfügen können, aber man<br />

soll ja nicht alles Schiesspulver auf einmal abfeuern (Ich wollte es<br />

eigentlich noch nicht verraten, aber was soll's: Ich arbeite schon an dem<br />

nächsten Buch).<br />

Wie weiter jetzt? Das frage ich mich auch. Natürlich werden Hans-<br />

Adam, seine Clique, die Banken und Treuhänder, die alt-neue Regierung<br />

und noch ein paar andere keine helle Freude haben. Es war ja von<br />

Anfang an klar, dass mein Buch keine Festtagsschrift mit Hochglanzfotos<br />

wird. Werden sie geschockt sein? Nein, sie wussten es ja. Der eine mehr,<br />

der andere weniger. Hätte ich wieder schweigen sollen? OMERTA For<br />

Ever? Nein! Hätte ich das Buch nicht veröffentlichen sollen, weil Hans-<br />

Adam mich jetzt "noch mehr umbringen" (lassen) will? Nein!<br />

Ob er mich nun "nur" ein Mal oder zehn Mal umbringen will, macht<br />

doch keinen Unterschied. Angst habe ich keine.<br />

Ich kann es wirklich kaum erwarten, wie Hans-Adam, seine Regierung<br />

und die anderen hohen Finanz-Herren auf mein Buch reagieren werden.<br />

Sie hätten da (mindestens) zwei Möglichkeiten:<br />

Plan A) Liechtenstein erklärt mich einfach für verrückt. Ist die<br />

schnellste, einfachste und billigste Variante. Hans-Adam und die<br />

Regierung finden sicher „Wege‚, rückwirkend eine hochgradige Geistes-<br />

verstörtheit zu bestätigen, am Besten mit Arztzeugnis und<br />

Medikamentenverbrauch.<br />

Plan B) Hans-Adam macht sich an die Arbeit und sucht und bezahlt ca.<br />

zehn bis 20 Leute, die für jedes einzelne im Buch geschriebene Wort<br />

„amtlich bezeugen" können und „schwören" können, dass von 1997 bis<br />

2008 genau das Gegenteil stattgefunden hat. Zugegeben, Plan B ist eine<br />

hartes Stück Arbeit. Zudem müssten sie schnell reagieren. Nicht das es<br />

unmöglich wäre, finanziell und organisatorisch meine ich. Hans-Adam<br />

ist mit einem geschätzten Vermögen von 4 bis 4,5 Milliarden CHF (ja<br />

647


auch er musste in der momentanen Finanzkrise leiden) einer der<br />

reichsten Menschen in Europa und er könnte auch Plan B lässig aus der<br />

Portokasse zahlen. Aber vermutlich wir er wieder so clever sein und die<br />

Kosten (wie bisher) der Staatskasse aufzwingen. Die Macht, nötigenfalls<br />

ein paar „unterstützende" Dokumente produzieren zu lassen, hat er<br />

auch.<br />

Es würde mich nicht verwundern, wenn er und die Regierung einen<br />

Schritt weitergehen und versuchen würden, mich stärker als bisher als<br />

den Oberverbrecher zu porträtieren. Voraussichtlich wiederum mit<br />

bezahlter „Hilfe" von scheinbar „neutralen" Personen, Institutionen oder<br />

bisher völlig Unbeteiligten.<br />

Was immer sie machen werden, das Problem mit der erdrückenden<br />

Beweislast bleibt bestehen. Um die auszuradieren, müssten sie sich alle<br />

selber abschaffen. Was immer kommen mag, bitte, alles nur kein dünnes<br />

oder schwammiges Dementi von Seiten des Fürstenhauses, der LGT, der<br />

Regierung, der Kanzlei Müller, der Banken- und Treuhandvereinigung.<br />

Dieses Mal nicht.<br />

Ein herzhaftes ‚MEA CULPA‚ wäre doch nicht schlecht! Das wäre der<br />

Hammer! Ein Eingeständnis der Schuld ! Mit einem Schlag würden sie<br />

sich in Vaduz vor lauter neu gewonnener Sympathie nicht mehr retten<br />

können. Oder Hans-Adam schreibt auch selber ein Buch über seine<br />

Motive und Handlungen im Zusammenhang mit dieser Geschichte.<br />

Lassen wir uns mal überraschen.<br />

Oh, fast hätte ich es vergessen.<br />

Der Titel vorne auf dem Buchumschlag ist eigentlich der Falsche. Es<br />

sollte nicht heissen:<br />

"Der Fürst. Der Dieb. Die Daten."<br />

Der richtige Buchtitel ist:<br />

"Der Fürst, der Dieb! Die Daten."<br />

648


Wie die Geschichte gezeigt hatte, war ich zwar auch ein Dieb. Er ist aber<br />

in meinen Augen der tausend Mal grössere Dieb, weil er sich auf Kosten<br />

der Heimatländer seiner Kunden bereichert. Wie eine Gierige Bestie !<br />

Moment Mal !, Da kommt mir gerade noch etwas in den Sinn:<br />

‚Gierige Bestie‚, Hmmmm ?? Wo habe ich das schon mal gelesen ?<br />

Ach ja, es gibt ein Buch mit diesem Titel. Wer sucht der findet!<br />

Nochmals Dank an alle Menschen und Regierungen, die mir in den<br />

letzten Jahren so ausdrücklich geholfen haben.<br />

In diesem Sinne: Happy Valentine’s Day 2009 -<br />

Heinrich Kieber,<br />

Washington DC - 14 th February 2009.<br />

Anm. zum Foto: Da ich schon an ausreichend prominenten Stellen mit Fotos vertreten bin,<br />

habe ich entschlossen dieses Foto von mir am Ende meines Buches abzudrucken.<br />

Es ist ein Foto aus der Serie für das LG Vaduz aus dem Jahre 1997.<br />

Es wurde auch von meinem Vater gemacht.<br />

649


Internetliste (in chronologischer Reihenfolge, den Kapiteln folgend)<br />

www.estanciascampos.com.ar/w/Pag22/SF1000.html<br />

Anm.: Es ist die Folter-Farm in Saavedra! Mit Fotos. Leider ist eines vom Wasserturm nicht<br />

darunter. Nachforschungen von Dritten haben ergeben, dass die Farm von einem<br />

Schwiegersohn von Mariano für US$ 7,5 Mio. zum Verkauf ausgeschrieben wurde. Offenbar<br />

will sich Mariano wieder nach Spanien zurückziehen. Keiner seiner Kinder will auf der Farm<br />

oder in Argentinien bleiben. Eine Luftansicht der Farm kann auf Google Earth gefunden<br />

werden: Latitude: 37° 50' 06.04" S - Longitude: 62° 16' 44.58" W<br />

www.saavedra.gov.ar/principal.htm<br />

www.derspiegel.de<br />

www.ft.com und www.ftd.de<br />

www.zuerich.ch<br />

www.restaurant-blockhus.ch<br />

www.eschen.li<br />

www.gesetze.li und www.recht.li<br />

www.oecd.org und www.fatf-gafi.org<br />

www.coenbrothers.net/coens.html (über die Filmemachergebrueder Coen)<br />

www.fma-li.li (man beachte deren Jahresberichte)<br />

www.llv.li (für STA, Regierung und die Jahresberichte der FIU)<br />

www.BAWAG.com<br />

www.spitalgrabs.ch<br />

www.balzers.li<br />

www.lihga.li<br />

www.radioL.li<br />

www.eurojust.europa.eu<br />

www.triesen.li<br />

www.pfarrei-vaduz.li<br />

www.malbuner.ch<br />

www.LGT.com<br />

www.kunstmuseum.li<br />

www.feldkirch.at<br />

www.mauren.li<br />

www.landesspital.li<br />

www.LLB.li<br />

www.schaan.li<br />

www.fuerstenhaus.li und www.sfl.li<br />

www.liechtenstein.li<br />

www.liechtenstein-institut.li<br />

650


www.gov.li<br />

www.tourismus.li<br />

(Eine Seite "www.terrorismus.li" mit einem Foto von mir hat<br />

Hans-Adam noch nicht erstellen lassen)<br />

www.malbun.li<br />

www.vaduz.li<br />

www.berlin.de<br />

www.berliner-sparkasse.de<br />

www.wg-zimmer.de<br />

www.wohngelegenheit.de<br />

www.catholic.org (Der Inhalt dieser Webseite hat sich heute sehr stark<br />

verändert, sprich radikalisiert; im Jahre 2003 war es mehr<br />

eine offene, liberale Seite für Katholiken)<br />

www.BKA.de<br />

www.mitfahrgelegenheit.de<br />

www.mitfahrzentrale.de<br />

www.muenster.de<br />

www.RIPOL.ch<br />

www.cityalbum.de/holland/amsterdam.htm<br />

www.amsterdam.nl<br />

www.amsterdam-webcams.com<br />

www.monnikendam.nl<br />

www.flowergarden.nl<br />

www.canal.nl/de/<br />

www.parkplazaamsterdam.com (Hotel Viktoria)<br />

www.utrecht.nl<br />

www.vvv-volendam.nl/nl/wilkommen/<br />

www.marriott.com/hotels/travel/amsnt-amsterdam-marriott-hotel/<br />

www.karelv.nl/en<br />

www.sacher.com<br />

www.advokatur.li (Kanzlei RA W. Müller & Partner)<br />

www.buchs.ch<br />

www.weber-gastro.ch/gecco.htm<br />

www.RICETEC.com<br />

www.opusdei.org<br />

www.sf.tv/sf1/10vor10/index.php<br />

www.sbb.ch<br />

www.chefkoch.de/rezepte/134441057844861/Zuercher-<br />

Geschnetzeltes.html - 66k -<br />

651


www.spruengli.ch<br />

www.de.barcelona.com oder www.bcn.cat/en/ihome.htm<br />

www.dein-suedafrika.de/<br />

www.fishhoek.com<br />

www.biotta.ch<br />

www.st.gallen.ch<br />

www.bnd.de oder www.bundesnachrichtendienst.de<br />

www.TAXjustice.net<br />

www.GFIP.org (Organisationen im Kampf gegen Korruption & Geldwaesche)<br />

www.steuerzahler.de<br />

www.hsgac.senate.gov/public (US-Senate Website)<br />

Ganzer Link um Untersuchungsbericht zur LGT:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/index.cfm?FuseAction=Press.MinorityNews&Content<br />

Record_id=c9724a6a-1135-4cb8-9584-d474499e8131<br />

Ganzer Link zum US Senate Hearing vom 17.Juli 2008:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/index.cfm?FuseAction=Hearings.Hearing&Hearing_id<br />

=3b2c1960-1147-4025-91a0-ed2cb728c962<br />

Ganzer Link zum US Senate Hearing vom 25.Juli 2008:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/index.cfm?FuseAction=Hearings.Hearing&Hearing_id<br />

=41456e5b-26ae-4069-a6a0-70d94a232bee<br />

E N D E des Buchs:<br />

‚Der Fürst, der Dieb. Die Daten.‚<br />

Tatsachenbericht von Heinrich Kieber<br />

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