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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Erste eigenständige Modelle der Spracherwerbsforschung 40<br />

Gegen die von Bates und MacWhinney vertretene starke Variante der Kognitionshypo-<br />

these sprechen formale sprachliche Eigenschaften, die nicht funktional begründet werden<br />

können (z.B. Genus im Deutschen). Form-Funktionsbeziehungen können die zielsprachliche<br />

Grammatik und den <strong>Grammatikerwerb</strong> somit nicht vollständig determinieren. Darüber hinaus<br />

unterliegen bereits die ersten syntaktischen Strukturen rein formalen Beschränkungen. So<br />

gelten z.B. für Subjekte in der frühen Zwei-Wort-Phase bereits formale Wortstellungs-<br />

prinzipien, die nicht auf ihre semantischen oder pragmatischen Eigenschaften zurückzuführen<br />

sind (vgl. u.a. Clahsen 1982, 1988, Pinker 1984, Meisel 1986, Cromer 1988).<br />

Dem versucht der Operating-Principles-Ansatz (Slobin 1973, 1982, 1985) Rechnung zu<br />

tragen. Dieser Ansatz basiert auf der schwachen Kognitionshypothese. Es wird nicht bestrit-<br />

ten, daß das zu erwerbende Wissenssystem eine formale Grammatik ist; es wird lediglich die<br />

Annahme abgelehnt, daß der Erwerb dieser Grammatik weitestgehend unabhängig von<br />

anderen kognitiven Prozessen ist. Der Erwerb formaler sprachlicher Eigenschaften wird im<br />

Operating-Principles-Ansatz mit Hilfe eines sprachspezifischen Erwerbsmechanismus<br />

(language making capacity) erklärt. D.h., die erste Schlußfolgerung Chomskys, daß Kinder<br />

über einen angeborenen, sprachspezifischen Erwerbsmechanismus verfügen, wird akzeptiert.<br />

Die zweite Schlußfolgerung wird hingegen als nicht notwendig erachtet; als angeboren ange-<br />

nommen werden nicht formale oder substantielle Universalien, sondern prozessuale Univer-<br />

salien, d.h. universelle informationsverarbeitende Prinzipien, die z.B. bestimmen, welche Infor-<br />

mationen bevorzugt verarbeitet werden.<br />

Die auf dem Operating-Principles-Ansatz basierenden Studien (vgl. z.B. Slobin 1985) be-<br />

rücksichtigen von allen psychologisch orientierten Ansätzen am stärksten den Einfluß formaler<br />

Eigenschaften der Zielsprache und haben durch ihre Analyse von sprachlichen und kognitiv-<br />

perzeptuellen Bedingungsfaktoren für intersprachliche Variation im Spracherwerb zur<br />

(Wieder-)Annäherung von Psychologie und Linguistik beigetragen. Zugleich haben sie einen<br />

eindrucksvollen Nachweis für die Bedeutung sprachvergleichender <strong>Untersuchung</strong>en erbracht.<br />

Der theoretische Status der Operating Principles selbst ist allerdings umstritten. Erstens sind sie<br />

kaum falsifizierbar. Wie Bowerman (1985) zeigt, lassen sich sämtliche Beobachtungen, die<br />

Gegenevidenz gegen ein Operating Principle liefern, mit dem Operating-Principles-Ansatz<br />

vereinbar machen, indem man einfach ein weiteres Operating Principle hinzufügt, das mit dem<br />

postulierten Operating Principle interagiert. Zweitens liefern Operating Principles keine

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