25.02.2013 Aufrufe

Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erste eigenständige Modelle der Spracherwerbsforschung 39<br />

Personen auftreten; andererseits können die formalen sprachlichen Fähigkeiten trotz schwerer<br />

geistiger Behinderung relativ unbeeinträchtigt bleiben (zur Diskussion vgl. u.a. Clahsen 1988,<br />

Fletcher/MacWhinney 1995).<br />

Die Annahme eines strikten zeitlichen Zusammenhangs zwischen sprachlicher und kognitiver<br />

Entwicklung ließ sich somit nicht bestätigen. Die Korrelationshypothese wurde daher durch die<br />

sog. Kognitionshypothese (Cromer 1974) abgelöst, der zufolge lediglich ein logischer<br />

Zusammenhang zwischen kognitiver und sprachlicher Entwicklung besteht. Die kognitive Ent-<br />

wicklung wird als Voraussetzung für den Erwerb der Bedeutung und Form sprachlicher Aus-<br />

drücke angesehen. Dabei sind der starken Kognitionshypothese zufolge kognitive Fähig-<br />

keiten notwendig und zugleich hinreichend für den <strong>Grammatikerwerb</strong> (vgl. u.a. Bates/<br />

MacWhinney 1979, 1982, 1987, Bates/Thal/MacWhinney 1991). Sowohl der Erwerb selbst<br />

als auch das Zielsystem sind demnach auf generelle kognitive Mechanismen und Kommunika-<br />

tionserfordernisse zurückzuführen. Vertreter der starken Kognitionshypothese bestreiten somit<br />

sowohl die Unabhängigkeit von sprachlicher und kognitiver Entwicklung als auch die Auto-<br />

nomie des erworbenen Wissenssystems. Die schwache Kognitionshypothese besagt dem-<br />

gegenüber, daß kognitive Fähigkeiten lediglich notwendig, aber nicht hinreichend für den<br />

<strong>Grammatikerwerb</strong> sind (Slobin 1973, 1982, 1985). Dabei wird nicht die Autonomiehypothese<br />

selbst abgelehnt, sondern nur die Annahme eines sprachspezifischen Erwerbsmechanismus.<br />

Am klarsten wird die starke Kognitionshypothese von Bates und MacWhinney (1979,<br />

1982, 1987) vertreten. Ihnen zufolge basieren die historische Entstehung und Beibehaltung<br />

sprachlicher Formen sowie ihre Verwendung und ihr Erwerb nicht auf angeborenen sprach-<br />

spezifischen Fähigkeiten, sondern auf den Erfordernissen der Kommunikationssituation. Die<br />

Form sprachlicher Ausdrücke ist demnach sowohl in der Kinder- als auch in der Erwach-<br />

senensprache durch ihre Funktion bedingt. So drückt z.B. das syntaktische Subjekt meist<br />

zugleich die semantische Rolle AGENS und die Funktion TOPIC aus (vgl. Li 1976). Solchen<br />

Beziehungen zwischen sprachlichen Formen und ihren Funktionen kommt nicht nur in funk-<br />

tionalistischen linguistischen Theorien eine zentrale Bedeutung zu (vgl. u.a. Givón 1976, 1979,<br />

1995); sie bilden der starken Kognitionshypothese zufolge auch eine ausreichende Grundlage<br />

für den Erwerb der zielsprachlichen Grammatik und machen die Annahme eines angeborenen<br />

Spracherwerbsmechanismus überflüssig (vgl. u.a. Bates/MacWhinney 1979, 1982, 1987,<br />

Bates/Thal/MacWhinney 1991).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!