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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Erste eigenständige Modelle der Spracherwerbsforschung 38<br />

ad (ii) Kognitivistische Ansätze<br />

Die ersten systematischen empirischen <strong>Untersuchung</strong>en zur Beziehung zwischen sprachlicher<br />

und kognitiver Entwicklung basierten auf der Entwicklungspsychologie Jean Piagets. Dieser<br />

stimmte zwar mit Chomsky darin überein, daß der menschliche Spracherwerb ein kreativer<br />

Prozeß sei, der auf genetisch festgelegten mentalen Prozessen und Strukturen basiert. Er lehnte<br />

jedoch die Annahme eines angeborenen, sprachspezifischen Erwerbsmechanismus ab und<br />

betrachtete alle kognitiven Fähigkeiten als das Ergebnis eines einheitlichen, inkrementellen<br />

Konstruktionsprozesses, bei dem sich der Erwerbsmechanismus selbst weiterentwickelt.<br />

Die anti-nativistischen Aspekte von Piagets Ansatz wurden v.a. von Chomsky und Fodor<br />

angegriffen (vgl. Piattelli-Palmarini 1980): In Piagets Theorie sei unklar, wie Kinder von einer<br />

Stufe der kognitiven Entwicklung allein auf der Grundlage der bislang verfügbaren Konzepte<br />

und Kategorien zur nächsten Stufe übergehen können. Um ein neues Konzept oder eine neue<br />

Kategorie zu erwerben, müssen sie bereits eine Hypothese darüber aufstellen. Die Aufstellung<br />

einer solchen Hypothese setze jedoch bereits ein Vorwissen über das betreffende Konzept<br />

bzw. über die betreffende Kategorie voraus. Daher könnten Konzepte und Kategorien prinzi-<br />

piell nicht gelernt werden, sondern nur bereits vorhandene Hypothesen durch Erfahrung<br />

bestätigt bzw. widerlegt werden. Alle potentiellen Konzepte und Kategorien müßten somit<br />

bereits genetisch festgelegt sein. 9<br />

Die holistischen Aspekte des Piagetschen Ansatzes führten zur Korrelationshypothese.<br />

Diese besagt, daß die Sprachentwicklung durch die Stufen der kognitiven Entwicklung voll-<br />

ständig festgelegt ist (Sinclair-de-Zwart 1971, Bronckart 1976). Spracherwerbsstudien zeig-<br />

ten jedoch schon bald Diskrepanzen zwischen sprachlicher und kognitiver Entwicklung auf:<br />

Erstens ergaben sprachvergleichende Studien und <strong>Untersuchung</strong>en <strong>zum</strong> Bilingualismus, daß der<br />

Zeitpunkt, zu dem bestimmte Konzepte sprachlich ausgedrückt werden, von der gramma-<br />

tischen Komplexität der zielsprachlichen Strukturen abhängt (vgl. u.a. Slobin 1985, 1992 und<br />

die dort diskutierte Literatur). Zweitens lieferten psycho- und neurolinguistische Studien Evi-<br />

denz für doppelte Dissoziationen von sprachlichen und allgemein kognitiven Fähigkeiten: <strong>Eine</strong>r-<br />

seits können Sprachstörungen bei ansonsten kognitiv, sozial und psychisch unauffälligen<br />

9 Für weitere Dis kussionen dieses Arguments gegen die Konstruktion neuer Kategorien und Konzepte<br />

vgl. u.a. Quartz (1993).

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