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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Spracherwerbsforschung und theoretische Linguistik 504<br />

5 Spracherwerbsforschung und theoretische Linguistik<br />

Ob man von der Idee des merkmalsbasierten Strukturaufbaus ausgeht - oder z.B. von einem<br />

kategorienbasierten Ansatz mit universellen Satzbauplänen, hat nicht nur Implikationen für die<br />

Entwicklung von Lösungsansätzen <strong>zum</strong> logischen Problem, <strong>zum</strong> Entwicklungsproblem, <strong>zum</strong><br />

Ordnungsproblem und <strong>zum</strong> Bootstrappingproblem; es könnten sich auch Konsequenzen für<br />

die Interaktion von linguistischer und psycholinguistischer Theoriebildung ergeben. Wie ich in<br />

Kapitel I erläutert habe, begann diese Interaktion erst, als man im Strukturalismus begann, die<br />

Kindersprache als ein eigenständiges System mit formalen Gesetzmäßigkeiten zu betrachten.<br />

<strong>Eine</strong> Kooperation, die über die Anwendung linguistischer Analyseverfahren auf Erwerbsdaten<br />

hinausging, entwickelte sich allerdings erst, als man in der generativen Linguistik ein mental re-<br />

präsentiertes, autonomes sprachliches Wissenssystem postulierte, das auf der Basis ange-<br />

borener formaler und substantieller Universalien erworben und durch diese restringiert wird.<br />

Damit wurden die Grundlagen der formalen Gesetzmäßigkeiten der Zielsprache nämlich mit<br />

dem Spracherwerbsmechanismus gleichgesetzt. Dementsprechend konnte man nun davon aus-<br />

gehen, daß Erwerbsuntersuchungen Aufschluß über die genetischen Grundlagen der mensch-<br />

lichen Sprachfähigkeit und die Struktur der Zielsprache geben können. Umgekehrt konnte man<br />

natürliche Sprachen auf ihre universellen und variablen Eigenschaften hin untersuchen, um so<br />

Informationen über den Spracherwerbsmechanismus zu erlangen.<br />

In der Psycholinguistik entwickelte man allerdings zunächst keine eigenständigen Modelle,<br />

sondern versuchte, den Spracherwerb direkt mit linguistischen Modellen oder mit unmittelbar<br />

aus ihnen abgeleiteten Hypothesen zu erklären - wie z.B. im Rahmen der Theorie der deriva-<br />

tionellen Komplexität (vgl. Kapitel I.3). Umgekehrt bezog man in die Konstruktion linguisti-<br />

scher Modelle lediglich einige nicht näher überprüfte Grundannahmen <strong>zum</strong> Spracherwerb<br />

ein - z.B. die Annahme, daß der Input defizitär sei (vgl. z.B. Chomsky 1965).<br />

Aus dem Scheitern der Theorie der derivationellen Komplexität wurden in den verschiede-<br />

nen linguistischen und psycholinguistischen Ansätzen unterschiedliche Konsequenzen gezogen<br />

(vgl. Kapitel I.4): In einer Reihe von Ansätzen verzichtet man weitestgehend auf eine<br />

Kooperation bei der Modellbildung. Zu diesen Ansätzen zählen auf der einen Seite formal<br />

orientierte linguistische Ansätze wie die GPSG und die HPSG und auf der anderen Seite die<br />

rein deskriptiv orientierte Kindersprachforschung, die sich auf eine nicht linguistisch basierte<br />

Beschreibung der spezifischen Charakteristika der Kindersprache konzentriert.

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