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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Die Übertragung linguistischer Modelle auf Erwerbsdaten 23<br />

Chomsky (1965:81) begründete die Annahme angeborener sprachlicher Universalien mit der<br />

Diskrepanz zwischen der Komplexität des zu erwerbenden Wissenssystems und der schlech-<br />

ten Beschaffenheit der Inputdaten ("poverty of stimulus"):<br />

"Betrachtet man den Charakter der zu erlernenden Grammatik, den geringen Umfang und<br />

die schlechte Beschaffenheit der zugänglichen Erfahrungsdaten, die überraschende<br />

Gleichförmigkeit der resultierenden Grammatiken und ihre Unabhängigkeit von Intelligenz,<br />

Motivation und emotionaler Verfassung in einem sehr breiten Variationsbereich, so bleibt<br />

wenig Hoffnung, daß von der Struktur der Sprache viel gelernt werden könnte durch<br />

einen Organismus, der keine Anfangsinformation über ihren allgemeinen Charakter<br />

besitzt."<br />

Das in Abb.I-1 dargestellte Modell bot zwar eine Lösung für das von Chomsky beschriebene<br />

Lernbarkeitsproblem, es war jedoch ein Alles-auf-einmal-Modell (instantaneous model), d.h.<br />

der zeitliche Verlauf des Spracherwerbs wurde außer acht gelassen. Einigkeit bestand lediglich<br />

darüber, daß der Erwerbsverlauf nicht auf rein quantitativen Veränderungen von Wortschatz<br />

und Satzlänge beruht, sondern auf der Steigerung der Komplexität des internalisierten Regel-<br />

systems. Eigenständige Modelle der Struktur und Funktion des Erwerbsmechanismus wurden<br />

nicht entwickelt. Vielmehr wurden Annahmen der theoretischen Linguistik direkt, d.h. ohne die<br />

Vermittlung einer expliziten Erwerbstheorie, auf Spracherwerbsdaten bezogen (vgl. die Dis-<br />

kussion in Roeper 1981). Am deutlichsten wurde dies in der Theorie der derivationellen<br />

Komplexität (derivational theory of complexity; Miller/Chomsky 1963, Brown/Hanlon<br />

1970). Diesem Ansatz zufolge beruhen die Verarbeitungsgeschwindigkeit und der relative<br />

Erwerbszeitpunkt syntaktischer Konstruktionen allein auf ihrer syntaktischen Komplexität.<br />

Diese ergibt sich wiederum direkt aus der Anzahl der involvierten Transformationen: Struktu-<br />

ren mit zwei Transformationen sollten stets schneller verarbeitet und früher erworben werden<br />

als Strukturen mit drei Transformationen - unabhängig davon, um welche Transformationen es<br />

sich jeweils handelt, wie häufig diese Strukturen auftreten und wie komplex die durch sie aus-<br />

gedrückten Konzepte sind.<br />

Die Grundannahmen der generativen Grammatik und die spezifischeren Hypothesen <strong>zum</strong><br />

Erwerbsverlauf wurden in zahlreichen Studien <strong>zum</strong> kindlichen Spracherwerb untersucht. Es<br />

bildeten sich schon bald interdisziplinär orientierte Gruppen um Roger Brown (Harvard),<br />

Susan Ervin-Tripp und Wick Miller (Berkeley) sowie Lois Bloom (Columbia). Die Mitglieder<br />

dieser Gruppen erhoben Längsschnittkorpora und schrieben für diese Korpora

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