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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Die Entstehung der Spracherwerbsforschung 13<br />

(1) Die Grundfragen der Spracherwerbsforschung<br />

(a) Soll sich die Spracherwerbsforschung auf die <strong>Untersuchung</strong> des beobachtbaren<br />

sprachlichen Verhaltens beschränken (Behaviorismus) oder aber zugrundeliegende<br />

mentale Strukturen und Prozesse untersuchen (Mentalismus)?<br />

(b) Ist Spracherwerb ein passiver, umweltgesteuerter Nachahmungsprozeß (Empirismus)<br />

oder ein aktiver, durch angeborene Fähigkeiten gesteuerter Schaffensprozeß<br />

(Nativismus)?<br />

(c) Unterliegt die grammatische Form sprachlicher Ausdrücke eigenen Gesetzmäßigkeiten<br />

(Formalismus/Autonomie der Sprachfähigkeit), oder ergibt sie sich aus ihrer<br />

Funktion (Funktionalismus)?<br />

(d) Verfügen Kinder über einen sprachspezifischen Erwerbsmechanismus (Modularität/Autonomie<br />

der Spracherwerbsfähigkeit), oder basiert Spracherwerb auf generellen<br />

kognitiven Mechanismen (Holismus)?<br />

(e) Sind die Unterschiede zwischen Kinder- und Erwachsenensprache rein quantitativ,<br />

oder sind sie auf qualitative Veränderungen zurückzuführen? Ist die Sprachentwicklung<br />

kontinuierlich oder diskontinuierlich, durch Lernen oder durch Reifung<br />

bedingt?<br />

Daß diese Fragen relativ unabhängig voneinander sind, zeigte sich bereits in den frühen<br />

Kindersprachstudien. Diese waren zwar alle mentalistisch und funktionalistisch orientiert und<br />

bestritten die Existenz eines sprachspezifischen Erwerbsmechanismus; es wurden aber sowohl<br />

nativistische als auch empiristische, sowohl reifungsorientierte als auch lernorientierte Ansätze<br />

vertreten. In der Auseinandersetzung zwischen nativistischen Reifungstheoretikern und empi-<br />

ristischen Lerntheoretikern deuteten sich dabei schon zwei spätere Extrempositionen an. Die<br />

eine dieser Positionen ist als mentalistisch, nativistisch und formalistisch zu charakterisieren und<br />

geht von einem sprachspezifischen Erwerbsmechanismus und diskontinuierlicher Sprachent-<br />

wicklung aus (vgl. u.a. Chomsky 1965, Radford 1990). Die andere Position wird von Psycho-<br />

logen vertreten, die sowohl die Autonomiethese als auch die Annahme eines Spracherwerbs-<br />

mechanismus ablehnen und Spracherwerb als kontinuierlichen Lernprozeß ansehen (vgl. u.a.<br />

Skinner 1957, Bates/MacWhinney 1979, 1982, 1987).<br />

Das Verhältnis von Grammatiktheorie und Erwerbsforschung war in der Konstitutionsphase<br />

der Spracherwerbsforschung nicht sehr eng. Es gab zwar erste Berührungspunkte zwischen<br />

Spracherwerbsforschung und Linguistik. Zum einen suchte man nach Parallelen zwischen<br />

Spracherwerb und Sprachwandel; <strong>zum</strong> anderen wurde in beiden Disziplinen die Rolle von<br />

Kreativität, Analogiebildung und strikten Gesetzmäßigkeiten untersucht. Die meisten Sprach-<br />

erwerbsforscher waren jedoch keine Linguisten, sondern Psychologen (Stern/Stern, Ament,<br />

Wundt, Meumann, Idelberger), Physiologen (Preyer), Pädagogen (Lindner, Meumann), oder

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