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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Die Entstehung der Spracherwerbsforschung 12<br />

Zu einer ersten Verbindung von naturwissenschaftlich orientierter, deskriptiver Sprach-<br />

betrachtung, psychologischen Fragestellungen und genetischer Methode kam es um 1900 in<br />

einer Reihe von Fallstudien zur kindlichen Sprachentwicklung. 1 Am einflußreichsten von ihnen<br />

war die Studie von Clara und Wilhelm Stern (Stern/Stern 1907, 1928). Ihr Ziel bestand darin,<br />

nachzuweisen, daß die Kindersprache keine verstümmelte Variante der Erwachsenensprache<br />

ist, sondern<br />

"... ein in sich geschlossenes Sprachganzes bildet, welches trotz der großen Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Kindern und verschiedenen Entwicklungsphasen seine typischen<br />

Eigenregeln hat, kurz, daß es eine wirkliche Kindersprache gibt." (Stern/Stern 1928:2)<br />

Über die Natur der Kindersprache bestand unter den Autoren der frühen Fallstudien nur<br />

insoweit Einigkeit, als Sprechen von allen als bloßer Ausdruck des Denkens betrachtet wurde<br />

und die Sprach(erwerbs)fähigkeit als unselbständiger Teil der menschlichen Anlage zur<br />

Persönlichkeitsentwicklung angesehen wurde (vgl. z.B. Stern/Stern 1928). Die Rolle von An-<br />

lagen und Umwelt war hingegen umstritten (Kegel 1974:28f.). Vertreter des Voluntarismus<br />

(vgl. u.a. Meumann 1902, Idelberger 1903a, b, Wundt 1911/12) erklärten den Spracherwerb<br />

allein durch Umweltfaktoren und betrachteten kindliche Äußerungen als reine Nachahmungs-<br />

produkte bzw. als Affekt- oder Begehrensäußerungen. Die Intellektualisten (vgl. u.a. Preyer<br />

1882, Lindner 1885, Ament 1899) hingegen betrachteten die Vernunftbegabtheit als zentrale<br />

Bestimmung des Menschen und betonten daher die Bedeutung angeborener geistiger Fähig-<br />

keiten für den Spracherwerbsprozeß. Für das Ehepaar Stern, das beide Auffassungen für ein-<br />

seitig hielt, basierte der kindliche Spracherwerb auf der "Konvergenz", dem ständigen Zu-<br />

sammenwirken von Anlagen und Umwelteinflüssen. Aus diesen Positionen ergaben sich unter-<br />

schiedliche Erklärungen für Differenzen zwischen Kinder- und Erwachsenensprache. Während<br />

Voluntaristen wie Wundt die Rolle von Lernprozessen betonten, verwiesen Intellektualisten<br />

wie Preyer auf die Bedeutung der Gehirnentwicklung in der frühen Kindheit. Bereits in der<br />

Konstitutionsphase der Spracherwerbsforschung zeichneten sich somit die Grundfragen ab, die<br />

für die weitere Fachgeschichte bestimmend wurden:<br />

1 Vgl. u.a. Preyer (1882), Lindner (1885), Ament (1899), Meumann (1902), Idelberger (1903a, b), Wundt<br />

(1911/12), Scupin/Scupin (1907), Stern/Stern (1907, 1928), Nice (1917).

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