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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Die Entstehung der Spracherwerbsforschung 11<br />

1 Die Entstehung der Spracherwerbsforschung<br />

Die Spracherwerbsforschung konnte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts als wissen-<br />

schaftliche Disziplin etablieren. In den Jahrhunderten davor wurde die Aufgabe der Sprach-<br />

wissenschaft v.a. darin gesehen, einen Beitrag zur Auslegung klassischer Schriften zu leisten<br />

und normative Grammatiken zu Unterrichtszwecken zu erstellen. Dementsprechend konnte die<br />

Kindersprache als gesprochene, stark von der Standardsprache abweichende Varietät nicht<br />

<strong>zum</strong> Gegenstand sprachwissenschaftlicher <strong>Untersuchung</strong>en werden. Dies war erst möglich, als<br />

sich die Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert von der Philologie emanzipierte und sich als<br />

eigenständige Wissenschaft definierte, deren "höhere bestimmung" darin bestand, "selbständige<br />

entdeckungen zu machen und in die natur der sprachen um der sprache selbst willen vorzu-<br />

dringen" (Grimm 1864:302). Im Mittelpunkt standen dabei zwei Forschungsrichtungen: In der<br />

historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft versuchte man, auf der Basis von Sprach-<br />

sammlungen Gesetzmäßigkeiten des Sprachwandels aufzustellen (vgl. Arens 1974). In der<br />

durch den Psychologen Wundt begründeten Psycholinguistik befaßte man sich mit der experi-<br />

mentellen <strong>Untersuchung</strong> der physiologischen und psychologischen Bedingungen des Sprechens<br />

(vgl. Lück 1991). Beide Forschungsrichtungen waren durch ihre naturwissenschaftliche Orien-<br />

tierung und die Tendenz zur rein deskriptiven, nicht-normativen Sprachbetrachtung charakte-<br />

risiert. Die dadurch bewirkte Aufwertung gesprochener, von der Standardsprache abweichen-<br />

der Sprache machte die Kindersprache zu einem legitimen <strong>Untersuchung</strong>sgegenstand und<br />

ermöglichte so die Entstehung der Spracherwerbsforschung.<br />

Daß sich die Spracherwerbsforschung, sobald sie sich einmal etabliert hatte, sehr schnell zu<br />

einer äußerst aktiven Disziplin entwickelte, lag v.a. am allgemeinen Interesse an Entwicklungs-<br />

prozessen, das durch die Dominanz der genetischen Methode im 19. Jahrhundert hervor-<br />

gerufen wurde (Kegel 1974:14f.). Die Vertreter dieser Methode bemühten sich, ihren jewei-<br />

ligen <strong>Untersuchung</strong>sgegenstand aus seiner Genese heraus zu erklären und allgemeine Entwick-<br />

lungsgesetze aufzustellen. In den Geisteswissenschaften führten diese Bestrebungen <strong>zum</strong> Histo-<br />

rismus, der die geschichtliche Bedingtheit kultureller Erscheinungen betonte; in der Geschichts-<br />

wissenschaft entwickelte Marx den historischen Materialismus, und in der Biologie regte<br />

Darwins Evolutionstheorie <strong>Untersuchung</strong>en zur Entwicklung von Lebewesen an. In der<br />

Sprachwissenschaft traten Spracherwerb, Sprachentstehung und Sprachwandel in den<br />

Vordergrund, in der Psychologie die psychische Entwicklung des Kindes.

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