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Merkmalsgesteuerter Grammatikerwerb Eine Untersuchung zum

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Die Architektur der Grammatik 124<br />

Die konzeptuelle Interpretation von Äußerungen ist aber durch ihre wörtliche Bedeutung<br />

unterdeterminiert. Dies zeigen Ausdrücke mit einer Kernbedeutung, die kontextabhängig inter-<br />

pretiert werden. Dazu zählen <strong>zum</strong> einen indexikalische Lexeme wie hier oder gestern, die je<br />

nach Äußerungsort bzw. -zeitpunkt zu unterschiedlichen Interpretationen führen (Levinson<br />

1997), <strong>zum</strong> anderen mehrdeutige Lexeme mit gemeinsamem Bedeutungskern wie z.B. tief<br />

oder Schule (Bierwisch 1983, Bierwisch/Lang 1987); 3 vgl.:<br />

(1) (a) Die Grube ist 50cm tief [vertikale Ausdehnung].<br />

(b) Der Schrank ist 50cm tief [horizontale Ausdehnung].<br />

(2) (a) Die Schule [Bildungsinstitution] spendete einen größeren Beitrag.<br />

(b) Die Schule [Gebäude] hat ein Flachdach.<br />

Will man berücksichtigen, daß indexikalische Elemente und mehrdeutige Lexeme mit gemein-<br />

samem Bedeutungskern mehrere Interpretationsmöglichkeiten aufweisen, und dennoch für<br />

jedes dieser Elemente nur einen einzigen Lexikoneintrag annehmen, können in einen solchen<br />

Eintrag nur die invarianten Bedeutungskomponenten aufgenommen werden. Die konzeptuelle<br />

Interpretation muß man dann durch Rückgriff auf konzeptuelle Informationen und pragma-<br />

tische Prinzipien erklären (Bierwisch 1983, Levinson 1997). Man muß somit unterscheiden<br />

zwischen den kontextabhängigen konzeptuellen Repräsentationen und den semantischen<br />

Repräsentationen, die nur die Informationen umfassen, die allen Verwendungen der betreffen-<br />

den lexikalischen Elemente gemeinsam sind. Damit enthalten semantische Repräsentationen<br />

weniger spezifische Informationen als konzeptuelle Repräsentationen.<br />

In einer anderen Hinsicht sind sie aber spezifischer: Jeder sprachliche Ausdruck einer kon-<br />

zeptuellen Repräsentation involviert nämlich eine Perspektivierung, die in der konzeptuellen<br />

Repräsentation nicht erforderlich ist. Dies läßt sich anhand von Beschreibungen statischer<br />

räumlicher Beziehungen verdeutlichen. Man kann z.B. zwei Objekte A und B als benachbart<br />

wahrnehmen. Wenn man diese Wahrnehmung versprachlichen will, muß man sich entscheiden,<br />

aus welcher Perspektive man die Beziehung zwischen A und B darstellt: Man kann sie von A<br />

oder von B ausgehend verbalisieren (A liegt neben B, B liegt neben A), oder man kann A<br />

und B als Gruppe auffassen und <strong>zum</strong> Ausgangspunkt der Äußerung machen (A und B liegen<br />

3 In diesem Fall liegt zwar eine Mehrdeutigkeit, aber keine Homonymie vor, da ein gemeinsamer<br />

Bedeutungskern feststellbar ist (vgl. Bierwisch 1983).

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