Mitteilungen - Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V ...
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Zum Beispiel: Linas Geschichte als Comic<br />
Alte und neue Formen des Erinnerns in Ulm:<br />
Zeitzeugenbericht und dzokki-Lesung - Comic und „gleichwertige Lernleistung“<br />
Vor 60 Jahren sank die Innenstadt<br />
Ulms in Schutt und Asche, der vom<br />
NS-Regime ausgelöste Schrecken<br />
hatte für jeden spürbar die Heimat<br />
erreicht. Freilich, viele schwafelten<br />
damals noch vom bevorstehenden<br />
„Endsieg“ oder verfl uchten den „Terror<br />
der Alliierten“. Für die Gegner und<br />
Opfer des Regimes allerdings – von<br />
den Zwangsarbeitern bis zu den KZ-<br />
Häftlingen – waren die Bombardierungen<br />
ein Zeichen der Hoffnung auf<br />
Befreiung.<br />
„Ulm brennt“ ist der Titel der Zeitzeugen-Reihe<br />
des DZOK in der Ulmer Volkshochschule<br />
(29. November, 6. und 13 Dezember), in der<br />
Augenzeugen der Bombardierung Ulms am 17.<br />
Dezember 1944 ihre Erinnerungen beschreiben.<br />
Hier das Ulmer Münster nach dem Bombenangriff<br />
im Winter 1944/45 (A-DZOK R2, 941-1811).<br />
Das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
lässt die Geschehnisse noch<br />
einmal in der unmittelbarsten Form<br />
des menschlichen Erinnerns wach<br />
werden: im Erzählen derer, die dabei<br />
waren. Einige Ulmer/-innen, heute um<br />
die 75 Jahre alt, Mädchen und Buben<br />
damals der Jahrgänge 1928 bis 1930,<br />
in einem Fall eine damals Erwachsene<br />
des Jahrgangs 1914, werden<br />
in der Ulmer Volkshochschule an drei<br />
Montagen (29. November, 6. und 13.<br />
Dezember) erzählen und beschreiben,<br />
„wie es wirklich war“; so gefühlsgenau,<br />
wie das ein Nachgeborener<br />
nicht mehr kann (vgl. S. 23f).<br />
Dennoch: die Zeit der Erlebens-Generation<br />
und damit des Nationalsozialismus<br />
als Zeitgeschichte läuft ab.<br />
2<br />
Wollen wir diese Periode nicht nur historisieren<br />
wie jede andere geschichtliche<br />
Periode, sondern sie auch als<br />
Lernfeld für unsere deutsche, aber<br />
auch für die europäischen Gesellschaften<br />
lebendig halten, bedarf es<br />
der vielfältigsten Transformationen auf<br />
der Basis der überlieferten Erkenntnisse.<br />
So ist zwar die Gedenkstätte auf<br />
dem Oberen <strong>Kuhberg</strong> ein weitgehend<br />
„authentischer Tatort der Geschichte“,<br />
aber die Besuche von Tausenden<br />
Schülern zeigen uns täglich, dass der<br />
Prozess der aktualisierenden Aneignung<br />
und damit der Transformation<br />
des Historischen in die Gegenwart<br />
ständig stattfi ndet. Unsere Rolle kann<br />
dabei nur sein, – als Anwälte der<br />
historischen Erkenntnis und in der<br />
Verpfl ichtung gegenüber den Opfern<br />
– immer wieder neu zu versuchen, die<br />
Jugendlichen da abzuholen, wo sie<br />
sich in ihrer gegenwärtigen Identität<br />
befi nden.<br />
Unser nächstliegendes Beispiel für die<br />
Aneignung der historischen Botschaft<br />
unter den Bedingungen der Gegenwart<br />
ist die bevorstehende Gedenkfeier:<br />
im Mittelpunkt steht dort die<br />
Arbeit an Texten, die dem aus unmittelbarem<br />
Erleben 1944 geschriebenen<br />
Bericht von Lina Haag, „Eine Hand<br />
voll Staub“, entnommen sind. Dieser<br />
60 Jahre alte Bericht zum „Widerstand<br />
einer Frau in den Jahren 1933 bis<br />
1945“ trifft einen Nerv der Gegenwart.<br />
Das zeigt nicht nur der große Erfolg<br />
der Neuerscheinung des Buches im<br />
Jahr 2004 (2005 folgt eine Taschenbuch-Ausgabe<br />
bei dtv); das zeigen<br />
auch die fünf Mitglieder der dzokkis,<br />
der DZOK-Jugendgruppe, die seit<br />
einigen Wochen sich mit Verstehen<br />
und Darstellung der Lina-Haag-Texte<br />
am 14. November beschäftigen.<br />
Übrigens: Gelegentlich wurde unsere<br />
Gedenkfeier, vor allem das gemeinsame<br />
Singen der „Moorsoldaten“, als<br />
überholtes Ritual bezeichnet. Ritual<br />
ja, aber überholt? Welche Alternativen<br />
gäbe es?<br />
Noch ein Stück weiter in der Vergegenwärtigung<br />
des Historischen soll ein<br />
Experiment gehen, das für Oktober<br />
2005 geplant ist. Menschen ab 13<br />
Jahren sollen an einem Wochenende<br />
(1. bis 3. Oktober) in den Räumen des<br />
ehemaligen Ulmer KZ versuchen, sich<br />
mit Zeichnungen und Texten, also<br />
mit Comics, den Schicksalen der<br />
<strong>Kuhberg</strong>-Häftlinge anzunähern (vgl.<br />
S. 24).<br />
(Forsetzung auf S. 5)<br />
Einerseits Vermittler der historischen Botschaften<br />
an Jugendliche, andererseits Prinzip Hoffnung<br />
für die Zukunft unserer Arbeit am DZOK sind<br />
die dzokkis: hier - zusammen mit der Pädagogin<br />
Annette Lein- eine kleine Gruppe von ihnen; von<br />
links: Sonja Thiel, Lisa Dorn, Victor Gerstner,<br />
Sarah Manz, Veronika Lechner im Sommer<br />
2004.(A-DZOK, dzokkis, Juli 04)