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Monika Baumgartner Schauspielerin im Gespräch mit Dr. Wolfgang ...

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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks<br />

http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0404/20040423.shtml<br />

Sendung vom 23.04.2004, 20.15 Uhr<br />

<strong>Monika</strong> <strong>Baumgartner</strong><br />

<strong>Schauspielerin</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Gespräch</strong> <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Wolfgang</strong> Habermeyer<br />

Habermeyer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich begrüße Sie sehr herzlich be<strong>im</strong><br />

heutigen Alpha-Forum. Im dtv-Sprachatlas kann man nachlesen, dass<br />

Ende der fünfziger Jahre eine Umfrage unter den Deutschen gemacht<br />

worden ist, was denn ihre liebste Mundart sei. Merkwürdigerweise kam<br />

damals das Wienerische <strong>mit</strong> 19 Prozent an die erste Stelle. Das Bairische<br />

<strong>mit</strong> 15 Prozent kam neben dem Berlinerischen erst an die zweite bzw. dritte<br />

Stelle. Ende der achtziger Jahre wurde erneut eine Umfrage gemacht. Und<br />

was war geschehen in der Zwischenzeit? Fast 50 Prozent, fast die Hälfte<br />

aller Deutschen empfanden das Bairische als ihre liebste Mundart. Nun, das<br />

liegt nicht nur daran, dass wir in Bayern unsere Feriengäste so herzlich<br />

behandeln, sondern es gibt darüber hinaus vermutlich noch einen Grund,<br />

der <strong>mit</strong> dem Medium zu tun hat, in dem wir uns soeben befinden, nämlich<br />

<strong>mit</strong> dem Fernsehen. Und hier vor allem <strong>mit</strong> den sehr bekannten und<br />

beliebten Schauspielern, den so genannten bayerischen<br />

Volksschauspielern. Eine dieser berühmten bayerischen<br />

Volksschauspielerinnen haben wir heute bei uns <strong>im</strong> Studio: Ich freue mich,<br />

<strong>Monika</strong> <strong>Baumgartner</strong> bei uns <strong>im</strong> Studio begrüßen zu dürfen. Danke, dass<br />

Sie bei uns sind.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ich freue mich auch und ich bedanke mich, dass ich hier sein darf.<br />

Habermeyer: Sie sind ja nicht "nur" eine Volksschauspielerin, sondern Sie sind eine richtig<br />

ausgebildete <strong>Schauspielerin</strong> und haben sich nach der Falckenbergschule<br />

hier in München auf den Weg weg von München gemacht. Wo sind Sie<br />

denn nach der Falckenbergschule zuerst hingekommen? Was haben Sie<br />

damals <strong>im</strong> Anschluss an die Ausbildung gemacht?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Zuerst ist es ja so, dass man in der Schauspielschule vor allem und<br />

hauptsächlich sein Bairisch abgewöhnt bekommt. Weil einem dauernd<br />

gesagt wird, "Bairisch geht nicht", versucht man das dann halt abzulegen.<br />

Es wird einem eingebläut: "Bairisch interessiert nicht, du musst<br />

Hochdeutsch lernen, da<strong>mit</strong> du überhaupt irgendwo ein Theaterstück spielen<br />

kannst, ob das nun ein Shakespeare, ein Goethe, ein Schiller oder was<br />

auch <strong>im</strong>mer sei!" Ich hatte eben das Glück, dass ich auf dieser Schule sein<br />

durfte und mich auch diese drei Jahre dort durchstrampeln konnte.<br />

Anschließend hatte ich wiederum Glück, denn Jürgen Fl<strong>im</strong>m, der damals u.<br />

a. mein Lehrer an dieser Schule gewesen ist, nahm mich <strong>mit</strong> nach<br />

Mannhe<strong>im</strong> ans Nationaltheater Mannhe<strong>im</strong>. Dort habe ich mich dann in den<br />

ersten fünf Jahren meines Schauspielerdaseins durchgeschlagen und<br />

eigentlich alles gelernt, was man in diesem Beruf am Anfang halt so lernen<br />

muss. Wenn man von der Schule kommt, dann kann man eigentlich gar<br />

nichts. Man kann nicht reden, nicht gehen, nicht stehen und man hat das<br />

Gefühl, man macht alles falsch. Das ist wie nach der Fahrschule.<br />

Habermeyer: Aha.


<strong>Baumgartner</strong>: Man lernt eben erst in der Praxis zu fahren. Und so ist es be<strong>im</strong><br />

Schauspielern eben auch: Man lernt erst durch und in der Erfahrung, was<br />

da auf einen zukommt.<br />

Habermeyer: Aber gebracht hat die Schauspielschule schon etwas? Es war nicht so,<br />

dass Sie das Gefühl gehabt hätten, die Schauspielschule wäre eigentlich<br />

überflüssig gewesen.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein, um Gottes Willen, die Schauspielschule war natürlich die Grundlage<br />

für meinen Beruf, einen Beruf, den ich jetzt "erst" seit 31 Jahren ausübe.<br />

Nein, die Schauspielschule ist ganz wichtig, nach dazu, wenn man die<br />

Möglichkeit hat, an einer Schule zu sein, die einen so berühmten Namen<br />

hat. Das bringt einem schon etwas. Man kann auch hinterher ganz anders<br />

anfangen: Man startet da<strong>mit</strong> ganz anders, als wenn man irgendwo privat<br />

Unterricht bekommen hätte. Es gibt natürlich auch auf diesem Weg die<br />

Möglichkeit weiterzukommen, aber ich glaube schon, dass die<br />

Falckenbergschule so renommiert ist, dass das schon eine sehr gute<br />

Grundlage ist, wenn man von dort losgelassen wird.<br />

Habermeyer: Bei der Aufnahme hat es ja, zumindest steht das so in den Artikeln, die ich<br />

bei der Recherche für unser <strong>Gespräch</strong> nachgelesen habe, eine recht lustige<br />

Geschichte gegeben. Sie haben vorgesprochen bei der Aufnahmeprüfung,<br />

und zwar <strong>mit</strong> einem eigenen Text.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja. Es war so, dass ich damals schon <strong>mit</strong> 17 Jahren beschlossen hatte,<br />

mich dort zu bewerben. Das Aufnahmealter lag aber bei 18 Jahren und die<br />

Schule kostete auch noch 150 Mark <strong>im</strong> Monat. Ich komme aus einer sehr<br />

einfachen Familie, d. h. ich habe mir dieses Geld selbst verdienen müssen:<br />

Ich habe einfach gespart, weil ich mir sicher war, dass ich dort genommen<br />

werde. Ich war also ganz naiv und völlig unbedarft. Als ich dann endlich 18<br />

Jahre alt war, haben meine Eltern zu mir gesagt: "Komm, du wolltest doch<br />

diese Schauspielschule machen!" Ich war aber eigentlich ganz glücklich als<br />

Buchhalterin in dieser Reifenfirma in München: Ich habe damals nach der<br />

Lehre bereits 500 Mark verdient, was wirklich ein Wahnsinnsgeld gewesen<br />

ist. Ich habe diese Aufnahmeprüfung also letztlich nur ganz nebenher<br />

betrieben. In diesem Aufnahmebogen stand eben drin, man könne<br />

entweder aus historischen Stücken etwas vorsprechen oder man könne<br />

sich selbst etwas schreiben. Ich dachte mir, dass das eigentlich ganz gut für<br />

mich sei: "Da schreibst dir was <strong>mit</strong> fünf verschiedenen Rollen." Ich habe mir<br />

also eine Szene in einem Münchner Biergarten geschrieben <strong>mit</strong>: einem<br />

Hippie, denn damals war ja noch die Hippiezeit, einem jungen Pärchen,<br />

einem alten Pärchen und der Bedienung. Ich habe dann bei der Prüfung<br />

abwechselnd diese fünf Figuren gespielt. Dadurch hatte ich einen<br />

ziemlichen Erfolg, d. h. die Leute, die dort in diesem Gremium saßen,<br />

haben sich kaputtgelacht. Ich war halt einfach ein richtiger Kasperl auf der<br />

Bühne. So wurde ich aufgenommen. Ehrlich gesagt habe ich damals gar<br />

nicht gewusst, dass insgesamt 180 Kandidaten vorgesprochen haben und<br />

nur elf von denen genommen wurden. Wenn ich das gewusst hätte, wäre<br />

ich gleich gar nicht hingegangen. Weil ich aber so unbedarft und naiv<br />

gewesen bin, war ich auch so frei, dass ich gar nicht das Gefühl hatte, ich<br />

müsste jetzt etwas Besonderes machen. Ich dachte mir einfach: "Wenn sie<br />

mich nehmen, ist es o. k., wenn sie mich nicht nehmen, dann habe ich ja<br />

<strong>im</strong>mer noch meinen anderen Beruf!"<br />

Habermeyer: War das Stück, das Sie sich selbst geschrieben haben, bereits auf<br />

Hochdeutsch? Oder sprachen Sie da noch so, wie Ihnen, wie man in<br />

Bayern sagt, der Schnabel gewachsen ist?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Das war natürlich nicht auf Hochdeutsch. Ich hatte natürlich auch die "Maria<br />

Stuart" oder das "Gretchen" versucht: Es muss furchtbar gewesen sein,<br />

wenn ich damals irgendwie Hochdeutsch zu sprechen versucht habe. Diese<br />

Szene <strong>mit</strong> den fünf Personen war halt gemischt: <strong>mit</strong> bairisch sprechenden


Menschen und <strong>mit</strong> nicht bairisch sprechenden Menschen. Ich habe einfach<br />

versucht, alles, was ich in diesem Stadium anzubieten hatte, auch<br />

darzulegen: in der Hoffnung, dass das Gremium merkt, die <strong>Baumgartner</strong><br />

hat eine Begabung, die können wir aufnehmen.<br />

Habermeyer: Ich glaube, am Ende Ihrer Ausbildungszeit an der Falckenbergschule hat<br />

Ihnen ja ein nicht unbedeutender Herr namens August Everding noch eine<br />

Prophezeiung <strong>mit</strong> auf den Weg gegeben; das hat sich dann aber alles ganz<br />

anders aufgelöst. Er hatte nämlich gemeint, Sie würden vielleicht doch eher<br />

ans "Platzl" gehören. St<strong>im</strong>mt das so? Das steht zumindest so in den Artikeln<br />

über Sie.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Das st<strong>im</strong>mt nicht ganz. Denn es war so, dass sich diese Geschichte gleich<br />

am Anfang nach der Aufnahmeprüfung ereignete. Es ist der Brauch, dass<br />

die neu aufgenommenen Schüler vor der gesamten Schule, also sprich vor<br />

den anderen Klassen und den Lehrern, einen Teil ihres Vorsprechens<br />

erneut machen. Ich habe natürlich mein Stück gemacht und es haben<br />

wieder alle gelacht. Es war wieder alles wunderbar und ich fühlte mich<br />

ziemlich gut. Bei diesem Zusammentreffen saß dann auch Herr Everding<br />

<strong>mit</strong> dabei. Er hat mich als Einzige von den Neuen herausgeholt und mich zu<br />

sich zitiert! Er meinte zu mir: "Das ist ja alles ganz schön und gut <strong>mit</strong> dem<br />

Bairisch. Aber wissen Sie eigentlich auch, wer ein gewisser Herr Cocteau<br />

ist? Und was der geschrieben hat? Und was Goethe und Schiller alles<br />

geschrieben haben?" Er hat mich innerhalb von kürzester Zeit so in<br />

Verlegenheit gebracht, dass ich fast nichts herausgebracht habe. Bevor ich<br />

also antworten konnte, meinte er nur: "Es ist gut, setzen Sie sich!" Und dann<br />

hat er eine halbe Stunde lang über die Dummheit der Schauspieler geredet.<br />

Jedes Wort war natürlich auf mich gemünzt. Ich war ziemlich fertig und<br />

wollte sofort die Schule verlassen. Ich habe mir nämlich gedacht: "Nein, das<br />

tue ich mir nicht an. Ich kann mir das doch nicht drei Jahre lang vorhalten<br />

lassen. Jeder wusste doch, dass nur ich da<strong>mit</strong> gemeint war. Ich war ja die<br />

Einzige, die herausgeholt worden war!"<br />

Habermeyer: Sie waren ja fast schon stigmatisiert.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau, ich war stigmatisiert. Ich hatte aber das Glück, dass ich <strong>mit</strong> dem<br />

Rudolf Waldemar Brem, der damals bereits bei Fassbinder gespielt hat,<br />

jeden Tag <strong>mit</strong> der Straßenbahn in die Schauspielschule gefahren bin. Wir<br />

haben nämlich beide in Moosach gewohnt. So sind wir jeden Tag von<br />

Moosach <strong>mit</strong> der Trambahn in die Max<strong>im</strong>ilianstraße und zurück gefahren.<br />

Er war dafür ausschlaggebend, dass ich nicht von der Schule abgegangen<br />

bin. Denn der Rudi hat <strong>im</strong>mer wieder zu mir gesagt: "Bamm," – denn so hat<br />

er mich, seit wir gemeinsam ein Stück probiert hatten, genannt – "du gehst<br />

jetzt nicht! Du bleibst jetzt hier! Das schaffst du schon! Denn das macht er<br />

doch <strong>mit</strong> allen so. Bleib und geh nicht von der Schule!" Ich habe es also<br />

eigentlich dem Rudi Brem zu verdanken, dass ich nicht gegangen bin, weil<br />

er mich so aufgebaut hat.<br />

Habermeyer: Ihr Weg ging dann über die Kammerspiele und das Residenztheater hier in<br />

München. Mittlerweile ist es sogar so, dass Sie an der Theaterakademie<br />

<strong>mit</strong>machen, die den Namen von August Everding <strong>im</strong> Titel trägt. Darauf<br />

werden wir später sicherlich noch zu sprechen kommen. Sie haben soeben<br />

erzählt, dass es Ihre Eltern gewesen sind, die Sie darauf hingewiesen<br />

haben, dass Sie doch eigentlich <strong>Schauspielerin</strong> werden wollten. Das ist<br />

doch sehr ungewöhnlich. Sie kommen ja nicht aus einer Künstlerfamilie, wo<br />

es quasi normal wäre, dass die Kinder in die Fußstapfen der Eltern treten.<br />

Waren das also so liberale Eltern oder war Ihren Eltern aufgrund Ihres<br />

Talents schlicht und einfach klar, "Des Deandl kann nur <strong>Schauspielerin</strong><br />

werden!"?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Beides war der Fall. Mein Vater ist ja leider schon gestorben, meine Mutter<br />

lebt Gott sei Dank noch. Es war so, dass ich von meinen Eltern <strong>im</strong>mer


unterstützt worden bin. Sie haben also meine Begabung gesehen und<br />

<strong>im</strong>mer schon gesagt: "Das Madl kann das!" Es war bei uns in der Familie<br />

also nie so gewesen, dass irgendjemand gesagt hätte: "Du, lern mal was<br />

Gescheites! Die Schauspielerei hat überhaupt keinen Sinn!" Nein, sie haben<br />

mich beide unterstützt und zu mir gesagt: "Wenn du das machen willst und<br />

wenn du das lernen willst, dann mach das und versuch erst einmal auf<br />

diese Schule zu kommen." Denn das war ja, wie sich herausstellte, gar<br />

nicht so einfach. Ich hatte also in dieser Hinsicht nie einen Kampf <strong>mit</strong><br />

meinen Eltern zu führen, ich musste mich da nie durchsetzen gegen sie.<br />

Nein, <strong>im</strong> Gegenteil: Als ich nach der Mittleren Reife an der Realschule und<br />

der Lehre als Buchhalterin bereits gut verdient habe, war ich eigentlich ganz<br />

glücklich und zufrieden in meiner Position. Es war wirklich toll, dass mich<br />

meine Eltern wieder erinnert haben an diesen ursprünglichen Wunsch von<br />

mir und sie mich dann so sehr dabei unterstützt haben. Dafür danke ich<br />

ihnen heute noch, denn sonst würde ich heute best<strong>im</strong>mt nicht hier <strong>im</strong> Studio<br />

sitzen.<br />

Habermeyer: Wie hat sich denn bei Ihnen als Kind bemerkbar gemacht, dass Sie dieses<br />

Talent haben? War das be<strong>im</strong> Mittagessen zu Hause oder lief das über<br />

Schulaufführungen? Wie bekommt man das <strong>mit</strong> als Eltern, dass <strong>mit</strong> der<br />

Tochter eine wirkliche <strong>Schauspielerin</strong> heranwächst?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Es war einfach so, dass ich <strong>im</strong>mer schon gerne Rollen gespielt habe. Meine<br />

Mama erzählt <strong>im</strong>mer, dass ich schon als kleines Kind <strong>im</strong> Bettstadl <strong>mit</strong><br />

Caterina Valente <strong>im</strong> Radio <strong>mit</strong>gesungen und <strong>mit</strong>getanzt habe. Als es dann<br />

bei uns zu Hause einen Fernseher gegeben hat, war es <strong>im</strong>mer so, dass ich<br />

hinterher nachgespielt habe, was ich gerade gesehen hatte. Im<br />

Kindergarten war ich dann auch schon als "<strong>Schauspielerin</strong>" tätig. Weil ich<br />

nicht blond war, durfte ich aber nur den Josef und nicht die Maria spielen.<br />

Habermeyer: Hat es da <strong>im</strong> Kindergarten keine Buben gegeben?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Doch, aber es war so, dass ich komischerweise oft Männerrollen gespielt<br />

habe. Es hat sich halt so ergeben, dass ich <strong>im</strong>mer vorne dran gewesen bin<br />

und das einfach spielen wollte. Und die Leute haben auch durchaus<br />

gemerkt, dass ich dafür wohl ganz begabt bin. So hat sich das <strong>im</strong> Laufe der<br />

Zeit dann entwickelt. Auf der Schule war das dann ähnlich. In der Salvator-<br />

Realschule hat es dann sogar einen Theaterkreis gegeben. Auch dort<br />

wurde also meine Begabung gefördert. Meine Lehrer waren eigentlich<br />

diejenigen, die gesagt haben: "Mensch, <strong>Monika</strong>, du musst da unbedingt<br />

weitermachen! Versuch doch mal, an die Schauspielschule zu kommen!"<br />

Ich wurde also eigentlich überall unterstützt und bestätigt. Man hat mir<br />

gesagt: "Du kannst etwas, das die anderen nicht können, also versuch<br />

doch, auf diesem Gebiet weiterzumachen!" Dieses Glück hatte ich also.<br />

Habermeyer: Das ist doch ein schöner Start, wenn man nicht von vornherein Steine in<br />

den Weg gelegt bekommt, sondern einen die Umwelt mehr oder weniger<br />

anstupst und sagt: "Du musst da unbedingt weitermachen." Als Sie dann<br />

von 1972 bis 1978 in Mannhe<strong>im</strong> waren, zumindest habe ich das so<br />

nachgelesen...<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Von 1972 bis 1977, ich war fünf Jahre in Mannhe<strong>im</strong>.<br />

Habermeyer: Sie haben dort in Mannhe<strong>im</strong> ganz klassisches Theater gespielt, von<br />

Wedekind über Molnar bis Shakespeare. Hatten Sie damals schon die Idee,<br />

dass eigentlich irgendwann eine Rückkehr nach München für Sie angesagt<br />

ist? Oder waren Sie einfach glücklich in Mannhe<strong>im</strong>? Sie bekamen dann ja<br />

sogar ein Angebot, nach Hamburg zu Herrn Gobert zu gehen.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Es war so, dass ich nach drei, vier Jahren doch ziemliches He<strong>im</strong>weh hatte.<br />

Ich wollte wieder he<strong>im</strong> nach München, weil ich mir gedacht habe, dass fünf<br />

Jahre Mannhe<strong>im</strong> eigentlich reichen müssten und dass jetzt doch auch mal<br />

etwas <strong>mit</strong> Fernsehen angesagt sein müsste. Ich habe also in Mannhe<strong>im</strong>


gekündigt und wollte nach München zurückgehen, um hier irgendwie Fuß<br />

zu fassen. Als ich meine Koffer gepackt hatte und der Umzug nach<br />

München bereits komplett organisiert war, kam der Anruf aus Hamburg, ich<br />

sollte dort für eine best<strong>im</strong>mte Rolle vorsprechen. Auch hier war es wieder<br />

so: Ich wollte eigentlich nicht, weil Hamburg ja noch weiter weg ist. Ich wollte<br />

viel lieber nach Hause und Skifahren und wieder zurück zu meiner Familie.<br />

Mir hat aber jeder gesagt: "Das kannst du nicht machen. Wenn dich der<br />

Herr Gobert anruft, dann musst du dorthin gehen!" Wir waren zu fünft be<strong>im</strong><br />

Vorsprechen für diese Rolle und wie es halt so ist: Ich wollte gar nicht, aber<br />

ich war diejenige, die genommen wurde. Das sagt einem, dass man <strong>im</strong><br />

Leben <strong>im</strong>mer das bekommt, was man eigentlich gar nicht will -<br />

beziehungsweise, man sollte nicht zu sehr auf etwas warten und drängen.<br />

Wie sagte Herr Ustinov mal so schön? Er hat <strong>im</strong>mer gehofft, aber er hat es<br />

nie erwartet! Das ist schon ein sehr guter Satz, der eben auch in meinem<br />

Leben st<strong>im</strong>mt: In dem Moment, in dem man loslassen kann und sich selbst<br />

sagt, noch lieber würde ich ja etwas anderes machen, ich muss das also<br />

jetzt nicht unbedingt machen, ist man scheinbar anders drauf, lockerer.<br />

Genau das erkennen die Leute aber und so wurde ich eben genommen. So<br />

war ich dann für ein Jahr am Thalia-Theater in Hamburg.<br />

Habermeyer: Für welche Rolle haben Sie denn dort eigentlich vorgesprochen?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Für die - na, wie hat sie geheißen? Das war diese erste Rolle <strong>im</strong> "Marquis<br />

von Keith". Mir fällt es gerade nicht ein.<br />

Habermeyer: Dieses Stück von Wedekind?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau. Es war so, dass ich also nach Hamburg gegangen bin und dort<br />

dann neben dieser einen Rolle auch noch andere wunderbare Sachen<br />

gespielt habe. Das war also ein ganz tolles Jahr, das ich auf keinen Fall<br />

missen möchte. Dadurch bin ich dann halt erst ein Jahr später nach<br />

München gekommen. Ich habe in Hamburg sehr viele Leute kennen<br />

gelernt, aber danach habe ich dann gesagt: "So, jetzt möchte ich wirklich<br />

wieder nach Hause!" Im Anschluss daran hatte ich dann das große Glück,<br />

dass ich bereits den Autor Franz Geiger gekannt habe, der inzwischen auch<br />

bereits Regisseur geworden war. Franz hat mir eine Rolle in diese erste<br />

Fernsehserie hineingeschrieben, die ich gedreht habe, nämlich in den<br />

"Millionenbauer" <strong>mit</strong> Walter Sedlmayr. Das war die Rolle der <strong>Monika</strong>: meine<br />

erste Fernsehrolle. So hat für mich eigentlich diese ganze Fernsehkarriere<br />

begonnen.<br />

Habermeyer: Und so haben auch wir Sie in Bayern, wenn ich das so sagen darf, zum<br />

ersten Mal richtig wahrgenommen. Ich hatte auch das Glück, hier bereits<br />

<strong>mit</strong> Herrn Geiger sitzen zu dürfen. Er hat eben auch erzählt, wie das damals<br />

alles so gelaufen ist. Wie war es denn für Sie, als Sie dann das erste Mal als<br />

richtig ausgebildete <strong>Schauspielerin</strong> in ein Fach wechselten, in dem Sie<br />

wirklich bairisch sprachen? Sie sind in dieser Serie auf den Walter Sedlmayr<br />

getroffen, auf den Helmut Fischer, auf die Veronika Fitz usw. War es für Sie<br />

ein schwieriger Umbruch, als Sie gemerkt haben, dass Sie nun vor der<br />

Kamera bairisch reden müssen? Oder war das für Sie eher eine gmaade<br />

Wiesn, wie man bei uns sagt?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Das war eher eine gmaade Wiesn. Denn es war so, dass ich da<strong>mit</strong> endlich<br />

das machen durfte, was ich am besten kann und von wo ich auch<br />

gekommen war. Ich durfte etwas spielen, das aus dem Bauch<br />

herauskommt. Der Dialekt kommt nämlich <strong>im</strong>mer aus dem Bauch und nicht<br />

aus dem Kopf. Für mich war es natürlich wunderbar, dass ich mich nicht<br />

mehr verleugnen musste, sondern dass ich endlich so spielen durfte, wie<br />

ich es gerne wollte. Ich hatte auch das große Glück, <strong>mit</strong> dem Walter<br />

Sedlmayr zusammen spielen zu dürfen. Ich kann nur sagen, dass das ein<br />

wunderbarer Kollege gewesen ist. Ich habe <strong>mit</strong> ihm dann später noch einige<br />

Sachen gedreht: Er war nicht ganz einfach, aber ich hatte das Glück, dass


er mich gemocht hat. Dadurch hat er mich eben auch geschätzt und<br />

respektiert. Ich habe wirklich sehr viel gelernt von ihm.<br />

Habermeyer: Sie gehören also nicht zu der Gruppe von Leuten, die sagen, Sedlmayr sei<br />

zwar ein großer Schauspieler, aber eben auch ein zwiderner Mensch<br />

gewesen.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein. Aber das hatte sicherlich da<strong>mit</strong> zu tun, dass das eben ein<br />

gegenseitiges Mögen gewesen ist. Ich habe ihn schon auch erlebt, wie er<br />

sein kann, wenn er jemanden nicht mochte: Da konnte er wirklich ganz<br />

ekelhaft sein. Zum Feind will ich mir den Walter nicht machen, wie ich mir<br />

damals gedacht habe. Nein, es war eine sehr schöne Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

ihm.<br />

Habermeyer: Relativ bald nach dieser Ihrer ersten Rolle <strong>im</strong> “Millionenbauer” hatte Rainer<br />

Wolffhardt vor, die "Rumplhanni" zu verfilmen. Er hatte eigentlich noch gar<br />

keine so rechte Idee, <strong>mit</strong> wem er denn diese Rolle besetzen soll. Und dann<br />

kam die <strong>Monika</strong> <strong>Baumgartner</strong>...<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau.<br />

Habermeyer: ... und hat gemeint: "Das will ich machen!"<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Es war wirklich so, dass ich mir damals, als ich davon gehört habe, zum<br />

ersten Mal in meinem Leben gedacht habe: "Das muss ich spielen!" Ich<br />

hatte zufälligerweise gerade alle Sachen von der Lena Christ gelesen und<br />

war begeistert. Ich hatte mir noch gedacht: "Warum verfilmt das niemand?"<br />

Vom Franz Geiger habe ich dann gehört, dass der Rainer Wolffhardt diese<br />

Geschichte gerade in Vorbereitung hat. Ich hatte zuvor zwei Filme <strong>mit</strong> dem<br />

Rainer gedreht: Ich hatte in der "Kaiserhofstraße" und in "Franziska von<br />

Reventlow" <strong>mit</strong>gespielt. Ich dachte mir also: "Was? Der Rainer macht das?<br />

Dem muss ich sagen, dass ich die Rumplhanni spielen muss!" Ich habe<br />

dann wirklich nicht lange gezögert und bin einfach zu ihm hingefahren. Ich<br />

wusste ja, wo er wohnt. Ich habe geklingelt und zu ihm gesagt: "Rainer, hast<br />

du fünf Minuten für mich Zeit? Ich muss dir etwas sagen. Ich möchte die<br />

Rumplhanni spielen!" Das war natürlich nicht unkomisch, weil er zuerst<br />

einmal schon ein wenig perplex gewesen ist. Er meinte: "An dich habe ich ja<br />

überhaupt nicht gedacht!" "Siehst du," antwortete ich ihm, "das habe ich<br />

gewusst. Und deswegen glaube ich, dass ich <strong>im</strong> richtigen Moment zu dir<br />

gekommen bin. Ich muss das spielen." So hat sich das dann ergeben,<br />

nachdem er sich das eine Weile überlegt hatte. Wir hatten <strong>im</strong> Anschluss ein<br />

zweistündiges <strong>Gespräch</strong> und danach sagte er zu mir: "O. k, das machen wir<br />

zusammen!" Das war dann <strong>im</strong> Grunde genommen, wie man sagen kann,<br />

mein großer Durchbruch.<br />

Habermeyer: Das war dann der wirkliche Durchbruch für Sie: diese Hauptrolle <strong>im</strong><br />

Fernsehen in einem Zweiteiler.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, und dann noch so eine Figur spielen zu dürfen! Das war phantastisch.<br />

Habermeyer: Die Rumplhanni ist ja auch wirklich eine der ganz großen bayerischen<br />

Paraderollen für eine Frau.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau so ist es.<br />

Habermeyer: Wie war das für Sie, als Sie die Rumplhanni gespielt haben? Ich habe in der<br />

Vorbereitung für dieses <strong>Gespräch</strong> noch einmal ein wenig bei der Lena<br />

Christ nachgelesen: Das ist ja schon eine Art von Sprache, die sie schreibt,<br />

die nicht unbedingt Münchnerisch ist. Sie ist in Glonn in der Nähe von<br />

Wasserburg aufgewachsen. Ich habe mich da an manchen Stellen schon<br />

gewundert und mir gedacht: "Aha, da sind jetzt Wörter drinnen, die ich hier<br />

doch anders erwartet hätte." Sie schreibt z. B. "zwee" statt "zwei" bzw.<br />

"zwoa", obwohl bei ihr wiederum anderes sehr wohl <strong>mit</strong> "oa" geschrieben<br />

wird. Ich habe diese Verfilmung leider nicht mehr so ganz konkret in<br />

Erinnerung: Ich habe sie damals bei der Erstausstrahlung gesehen, aber


das ist eine Weile her und daher ist mir das nicht mehr so vollständig<br />

präsent. Haben Sie diesen Text sozusagen Ihrem eigenen Dialekt<br />

angenähert? Oder haben Sie sich so darauf eingelassen, wie es <strong>im</strong> Buch<br />

steht?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Die Voraussetzung von Rainer Wolffhardt und auch von meinem Kollegen<br />

Karl Obermayr bestand darin, dass wir das, was die Lena Christ in ihrem<br />

Roman schreibt - sie schreibt ja wörtliche Rede – wirklich wörtlich<br />

übernehmen. Es gab in diesem Zusammenhang ja auch einen kleinen<br />

Eklat be<strong>im</strong> Bayerischen Rundfunk, weil wir sozusagen zu nahe an der<br />

Sprache der Lena Christ dran waren. Man hat behauptet, das würde keiner<br />

verstehen. Wir haben jedoch dagegengehalten: "Wenn sich jemand nicht<br />

für dieses Stück interessiert, dann interessiert er sich auch nicht für die<br />

Sprache in diesem Stück. Wenn sich jemand dafür interessiert, dann kann<br />

es schon sein, dass er mal ein Wort nicht versteht, aber er versteht doch<br />

ganz klar die Geschichte, die erzählt wird. Wenn es so nicht geht, dann<br />

lassen wir es!" Wir konnten uns dann aber gegen ziemlich viele<br />

Schwierigkeiten auf Seiten des BR durchsetzen: Wir haben dann wirklich<br />

Wort für Wort aus dem Roman der Lena Christ gespielt und gesprochen.<br />

Da ist nichts von mir oder von uns dazugekommen, nein, das ist der<br />

originale Text von ihr. Und das war auch das Schöne und Spannende,<br />

freilich auch das Schwierige dabei. Dadurch hat das aber eben auch so<br />

einen authentischen Zusammenhang: Weil es eben so st<strong>im</strong>mig ist. Dieser<br />

Film ist ja auch <strong>im</strong> letzten November noch einmal wiederholt worden. Ich<br />

habe mir das nach diesen vielen Jahren auch noch einmal angesehen. Das<br />

war ja schon <strong>im</strong> Jahr 1981 gedreht worden. Ich habe mir dabei gedacht:<br />

"Nein, das haben wir schon ganz gut gemacht." Obwohl natürlich die<br />

heutigen Sehgewohnheiten ganz andere sind <strong>mit</strong> diesen vielen und<br />

schnellen Schnitten. Man lässt sich ja heutzutage gar nicht mehr auf die<br />

Schauspieler und die Geschichten ein. Stattdessen wird heute alles zack<br />

zack weggeschnitten. Wenn man sich aber mal darauf einlässt, dann ist<br />

diese Geschichte wirklich nicht uninteressant. Mich haben danach dann<br />

auch sehr viele Zuschauer und auch Kollegen angerufen, die zu mir gesagt<br />

haben: "Endlich war mal wieder etwas <strong>im</strong> Fernsehen, von dem man sagen,<br />

oh, schön, da kann man hinschauen, da kann man zuhören und muss sich<br />

nicht irgendwie stressen lassen!”<br />

Habermeyer: Sie haben also damals <strong>mit</strong> diesem Team sozusagen eine Schneise<br />

geschlagen für eine wirklich authentische Form von Sprache <strong>im</strong> Fernsehen.<br />

Man unterwirft sich nicht dem Diktat so sprechen zu müssen, dass es<br />

überall problemlos verstanden wird, dass es sozusagen massenkompatibel<br />

ist. Nein, Sie haben gesagt, das Ganze muss so gemacht werden, wie es<br />

ursprünglich gemeint war, und wer sich dafür interessiert, der versteht das<br />

auch.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Wie gesagt, das war ein <strong>Dr</strong>eiergespann: In erster Linie war das der Rainer<br />

Wolffhardt, dazu kamen dann noch der Karl Obermayr und ich. Wir haben<br />

zu dritt gesagt, wir machen das nur so und nicht anders. Im Zuge dieses<br />

Eklats hat es aber sogar mal geheißen, dass der Film dann nicht gesendet<br />

wird. Wahrscheinlich war es dann aber doch zu teuer, zuerst einmal<br />

zweieinhalb Stunden zu drehen und den Film dann doch nicht zu zeigen.<br />

Man hat diesen Zweiteiler dann halt ausgestrahlt. Und der Erfolg hat uns ja<br />

auch bestätigt: Wir lagen richtig da<strong>mit</strong>, das Ganze nicht auf eine Ebene<br />

runterzuziehen, bei der man ein Bairisch spricht, das man auch noch<br />

nördlich der Donau versteht, das aber <strong>mit</strong> den Figuren eigentlich nichts<br />

mehr zu tun hat. Ich bin wirklich froh, dass wir uns da damals durchgesetzt<br />

haben.<br />

Habermeyer: Da<strong>mit</strong> wurde natürlich auch eine gewisse Tradition <strong>mit</strong> begründet. Und der<br />

Bayerische Rundfunk hat auf diesem Gebiet der authentischen<br />

Verfilmungen schon auch seine Verdienste – wenngleich man ihm das


manchmal auch erst einmal abtrotzen musste. Auf der anderen Seite muss<br />

man natürlich auch sagen, dass <strong>im</strong> Jahr 1981 das Privatfernsehen und<br />

da<strong>mit</strong> die Konkurrenz noch nicht so stark war. Es gab noch nicht diesen<br />

Quotendruck. Es steht also in Frage, ob man so etwas auch heute noch<br />

einmal durchsetzen könnte. Andererseits muss man sich da wirklich<br />

durchsetzen, denn sonst geht tatsächlich etwas verloren.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ich glaube schon, dass das auch heute noch geht. Es werden <strong>im</strong>mer wieder<br />

Sachen in dieser Richtung gemacht. Ich habe z. B. gerade für den BR diese<br />

Jennerwein-Verfilmung abgedreht. Es werden also sehr wohl auch heute<br />

noch Filme gemacht, die <strong>mit</strong> der Geschichte Bayerns zu tun haben. Ich<br />

glaube, dass sich das inzwischen geändert hat. Ich bin der Meinung, dass<br />

man sich heute wieder eher auf solche Sachen verlässt, dass man denen<br />

vertraut und sie auch authentisch verfilmt, dass man sagt: "Nein, dazu<br />

stehen wir, das gehört so und nicht anders gemacht, das gehört einfach<br />

zusammen, das Ganze muss eine Einheit sein!"<br />

Habermeyer: Es ist ja <strong>mit</strong>tlerweile sogar so, dass man an den Volksschulen in Bayern den<br />

Kindern angeblich nicht mehr sofort das Bairisch austreibt, weil man<br />

gemerkt hat, dass die Kinder dann, wenn sie quasi zweisprachig<br />

aufwachsen, ein besseres Sprachverständnis bekommen. Es scheint<br />

heutzutage wohl nicht mehr so zu sein wie noch in meiner Schulzeit, dass<br />

der Lehrer die Augen verdreht, wenn man als Schüler den Mund aufmacht<br />

und bairisch spricht.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Das ist ja auch der Grund dafür, warum es diese Theaterakademie von<br />

Michael Lerchenberg gibt, die den Namen von August Everding quasi als<br />

Schutzpatron <strong>im</strong> Namen trägt. Man hat einfach eingesehen, dass man<br />

etwas machen muss, da<strong>mit</strong> man junge <strong>Schauspielerin</strong>nen und<br />

Schauspieler bekommt, die diese Sprache auch tatsächlich beherrschen<br />

und spielen können, sodass man ihnen auch Stücke geben kann, die davon<br />

handeln. Denn wenn kein Nachwuchs mehr da ist, wer soll denn dann<br />

solche Sachen spielen können? Das, was der Michael Lerchenberg da ins<br />

Leben gerufen hat, ist ja auch ein wirklich toller Erfolg geworden: Man holt<br />

junge Menschen zusammen, arbeitet <strong>mit</strong> ihnen und zeigt ihnen auf, dass<br />

diese bairische Sprache wirklich eine wunderbare Sprache ist, in der man<br />

aus dem Bauch heraus spielen kann, sodass die ganze Sache auch<br />

wirklich st<strong>im</strong>mig wird. Das ist wirklich wunderbar.<br />

Habermeyer: Sie haben <strong>im</strong> Jahr 2002 <strong>im</strong> "Zerbrochenen Krug" auf Bairisch <strong>mit</strong>gespielt in<br />

dieser Theaterakademie. Was haben Sie denn dort konkret an Arbeit <strong>mit</strong><br />

den jungen Schauspielern gemacht? Wie waren Sie da involviert?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Es war so, dass <strong>im</strong> Jahr davor das erste Jahr dieser Theaterakademie<br />

gewesen ist. Die Schüler aus diesem ersten Jahr sind dann <strong>im</strong> zweiten Jahr<br />

in die Praxis <strong>mit</strong> einbezogen worden. Wir haben in diesem zweiten Jahr<br />

also den "Zerbrochenen Krug" in der Alten Münze gespielt <strong>mit</strong> Jörg Hube<br />

als Richter Adam. Die jungen Kollegen haben in dieser Version des<br />

"Zerbrochenen Krugs" eben die weiteren Rollen besetzt. Das war eine<br />

schöne Arbeit, das war für alle ziemlich wichtig. Und der Erfolg dieses<br />

Stücks gibt uns ja auch recht. Wir haben ihn nämlich zwei Jahre lang den<br />

ganzen Sommer über vor ausverkauftem Haus gespielt. Das zeigt, dass<br />

das gewollt wird, dass die Leute interessiert sind an so etwas und dass sie<br />

sich das wirklich anschauen wollen.<br />

Habermeyer: Ich habe <strong>im</strong> letzten Sommer die Abschlussaufführung gesehen, und zwar in<br />

diesem Bauernhof draußen in...<br />

<strong>Baumgartner</strong>: ... in Jesenwang.<br />

Habermeyer: Genau. Das waren an die 15, 16 einzelne, kurze Stücke von Kroetz, Graf<br />

oder auch Martin Sperr. Meiner Meinung nach besteht ja eine der großen<br />

Schwierigkeiten, wenn man das Bayerische authentisch darstellen möchte,


darin, dass es auch <strong>im</strong> Bayerischen unglaublich große Unterschiede gibt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, natürlich.<br />

Habermeyer: Ich habe z. B. vor kurzem zu einer Freundin, die wie Sie geborene<br />

Münchnerin ist, gesagt: "Gib mir doch amal des Bäitl her!"<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Die hat dann best<strong>im</strong>mt gesagt: "Ja, wo k<strong>im</strong>mstn du her? Aus Niederbayern<br />

oder aus der Oberpfalz oder wo?"<br />

Habermeyer: Ich konnte nur sagen, dass ich aus Freising, das ja gerade mal 30 Kilometer<br />

nordöstlich von München liegt, komme und dass ich das Wort für Bild<br />

einfach als "Bäitl" gelernt habe.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ehrlich?<br />

Habermeyer: Ja, und die Freundin meinte dann, dass das in München ganz eindeutig<br />

"Buitl" heißt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das st<strong>im</strong>mt, das würde ich auch sagen. In München heißt es "Buitl".<br />

Habermeyer: Wird denn bei der Ausbildung an dieser Theaterakademie Wert darauf<br />

gelegt, dass man die Stücke in einer ganz konkreten Diktion dann auch<br />

durchhält?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das war ja sogar eines der Hauptargumente, dass man gesagt hat:<br />

"Man muss diese Verschiedenartigkeiten der bairischen Sprache benutzen,<br />

sie erkennen und sie dann sozusagen auch ausleben." Man sagt also den<br />

jungen Schauspielern dort: "Das darfst du jetzt mal so sagen, dieses musst<br />

du so sagen usw." Man merkt nämlich ganz schnell, wenn das Ganze nicht<br />

mehr st<strong>im</strong>mt und zusammenpasst. Wenn einer das Wort "Bäitl" falsch<br />

ausspricht, dann ist es halt nicht mehr st<strong>im</strong>mig. Das geht dann eben nicht.<br />

Nein, das Ganze muss schon st<strong>im</strong>men. Ich glaube, der Erfolg dieser<br />

Akademie hängt einfach da<strong>mit</strong> zusammen, dass man erkannt hat, dass<br />

man das Bairische nicht mehr auf die Seite schieben kann, so wie man das<br />

jahrelang gemacht hat. Es war ja wirklich so, wie Sie das vorhin gesagt<br />

haben: Wenn ich irgendwo gewesen bin und die Leute an meiner Sprache<br />

gemerkt haben, dass ich aus Bayern komme, dann hatte man doch schon<br />

ein paar Probleme, weil man sich unterlegen fühlte. Man hatte <strong>im</strong>mer ein<br />

schlechtes Gewissen, man hatte <strong>im</strong>mer das Gefühl, man wäre auf einer<br />

anderen Ebene. Wenn ich in Berlin drehe, dann ist das wieder anders.<br />

Denn die Berliner haben einen anderen <strong>Dr</strong>aht zu den Bayern. Die Berliner<br />

sind ja so schnell <strong>im</strong> Reden und <strong>im</strong> Denken, dass man als Bayer überhaupt<br />

nicht <strong>mit</strong>kommt: Bevor man selbst Luft holt, haben die Berliner schon die<br />

eigene Antwort erahnt und reden einfach weiter, sodass man oft sagen<br />

muss: "Hallo, halt! Ich wollte eigentlich ganz etwas anderes sagen!" Aber es<br />

ist natürlich schon ganz interessant, wenn da so verschiedene<br />

Sprachebenen aufeinander treffen und man sich letztlich doch irgendwie<br />

verständigen kann.<br />

Habermeyer: Einer der Erfolge dieser Theaterakademie besteht ja darin, dass einer<br />

dieser jungen Schauspieler <strong>mit</strong>tlerweile am Volkstheater unter Christian<br />

Stückl Hauptrollen spielt, z. B. <strong>im</strong> "Matthias Kneißl".<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau.<br />

Habermeyer: Es tut sich etwas auf diesem Gebiet. Es ist also nicht so, dass der<br />

Quotendruck dazu führen würde, dass alles nur noch und ausschließlich<br />

nivelliert wird. Nein, es scheint so zu sein, dass es eine Besinnung auf eine<br />

best<strong>im</strong>mte Form von authentischer Sprache gibt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, da ist in der letzten Zeit wirklich eine Veränderung passiert.<br />

Habermeyer: Sie sind ja geborene Münchnerin, waren in Mannhe<strong>im</strong> und hatten<br />

He<strong>im</strong>weh. Was ist denn für Sie eigentlich das, was den Kern dieses<br />

He<strong>im</strong>wehs ausmacht? Was bedeutet Ihnen das eigentlich? Ganz


abgesehen davon sind Sie übrigens vor kurzem von der Münchner<br />

"Abendzeitung" zur achtbeliebtesten Münchnerin gewählt worden.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das hat mich wahnsinnig gefreut. Das war wirklich toll. Ich muss da<br />

wirklich allen Lesern der AZ Danke sagen.<br />

Habermeyer: Obwohl das Ganze ja fast schon, wie der Schwabe sagt, ein kleines<br />

Gschmäckle hat, denn Sie wohnen ja momentan nicht mehr direkt in<br />

München.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Na ja, ich wohne am Stadtrand von München. Aber diese Wahl hatte da<strong>mit</strong><br />

zu tun, woher die Leute kommen. Der Franz Beckenbauer ist in Giesing<br />

geboren, wohnt aber wohl auch nicht mehr in München.<br />

Habermeyer: St<strong>im</strong>mt, nicht so direkt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Mich hat diese Wahl sehr gefreut, weil ich mir da eigentlich gar keine<br />

Chancen ausgerechnet habe: bei dieser großen weiblichen Konkurrenz, die<br />

ich da hatte! Ich dachte mir: "Nein, keine Chance, da will kein Mensch etwas<br />

von dir wissen!" Mich hat es jedenfalls sehr gefreut, dass die Zuschauer<br />

dann eben doch auch <strong>im</strong>mer noch etwas anderes sehen und sie gerade<br />

mich gewählt haben. Das hat mich sehr gerührt und gefreut. Ich glaube, das<br />

hat auch da<strong>mit</strong> zu tun, dass gerade in dieser Woche, als diese Auswahl der<br />

Kandidatinnen und Kandidaten vorgestellt wurde, die "Rumplhanni"<br />

wiederholt worden ist <strong>im</strong> Fernsehen. Das Glück oder vielleicht auch Er dort<br />

oben ist mir da halt beigestanden. Die erste Folge der "Rumplhanni" war<br />

gerade gelaufen und dann kam die Aufstellung dieser 48 Kandidaten. Und<br />

dann kam die Wahl. Ich denke, es hat da<strong>mit</strong> zu tun, dass ich zu diesem<br />

Zeitpunkt ganz intensiv in den Köpfen der Leute drin gewesen bin. So habe<br />

ich also diese Wahl ohne mein aktuelles Dazutun gewonnen. Darüber bin<br />

ich sehr, sehr glücklich.<br />

Habermeyer: Das hat wohl auch <strong>mit</strong> der Konstanz bei Ihnen zu tun: Sie waren – und sind<br />

– über viele Jahre hinweg <strong>im</strong>mer wieder <strong>mit</strong> einem hohen Niveau an<br />

schauspielerischer Leistung präsent. Und genau das haben die Leute eben<br />

nicht vergessen. Aber eigentlich wollte ich Sie ja fragen, was denn für Sie<br />

den Kern von He<strong>im</strong>weh ausmacht? Was ist es, was Sie sozusagen an<br />

München hängen lässt?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: He<strong>im</strong>weh ist ja meiner Meinung nach ein Begriff, der für jeden Menschen –<br />

egal woher er kommt, ob aus der Mongolei oder aus Südafrika – <strong>mit</strong> dem<br />

Ort zu tun hat, von dem er kommt, wo seine He<strong>im</strong>at ist, wo seine Eltern,<br />

seine Geschwister leben und wo seine Wurzeln liegen. Ich bin einfach ein<br />

sehr familienverbundener Mensch und hatte daher ganz einfach Sehnsucht<br />

nach meiner Familie, nach meinen Eltern, nach meinen Geschwistern, nach<br />

dahe<strong>im</strong>, nach dem Viktualienmarkt, nach dem Skifahren, nach meinem<br />

Dackel usw.<br />

Habermeyer: Nach dem Biergarten.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, auch nach den Biergärten. Es war einfach so, dass ich mir gewünscht<br />

habe, jetzt endlich wieder dahe<strong>im</strong> sein und wieder etwas vom Leben haben<br />

zu können. Denn ich bin ja schon ziemlich schnell nach der Schule<br />

weggegangen. Ich hatte also einfach das Gefühl, ich möchte jetzt wieder<br />

mal nach Hause.<br />

Habermeyer: War es denn auch bei Ihnen so, dass Sie, wenn Sie von Mannhe<strong>im</strong> aus <strong>mit</strong><br />

München telefoniert haben, sofort ins he<strong>im</strong>atliche Idiom verfallen sind,<br />

sodass Leute, die das <strong>mit</strong>bekommen haben, gemerkt haben, dass bei<br />

Ihnen am Telefon quasi ein Sprachschalter fällt und Sie so reden, dass man<br />

Sie gleich gar nicht mehr versteht und wie man das von Ihnen – in<br />

Mannhe<strong>im</strong> – gar nicht gewohnt ist?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das st<strong>im</strong>mt, ich habe natürlich in dem Moment, in dem ich <strong>mit</strong> Dahe<strong>im</strong><br />

telefoniert habe, <strong>im</strong>mer sofort umgeschaltet. Aber das macht man natürlich


ganz automatisch so.<br />

Habermeyer: Das ist quasi ein Reflex.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau. Es hat mich dann auch nie interessiert, ob sich daran jemand<br />

stören könnte, wenn er da zuhört. Wenn ich dann mal für ein Wochenende<br />

in München gewesen bin, war es schon manchmal so, dass mir die<br />

Regisseure am Montag gesagt haben: "Du, <strong>Baumgartner</strong>, jetzt musst du<br />

aber wieder ein bisschen aufholen, denn du musst jetzt die Hermia <strong>im</strong><br />

“Sommernachtstraum” oder die Viola in “Was Ihr wollt” spielen und das geht<br />

nur in perfektem Hochdeutsch." Es war jedoch nie so, dass irgendwo in<br />

einer Kritik gestanden hätte, auch in Hamburg nicht, die <strong>Baumgartner</strong> sei<br />

zwar ganz begabt und würde das auch ganz ordentlich spielen, aber leider<br />

spricht sie halt <strong>im</strong>mer Bairisch. Nein, das war Gott sei Dank in all den<br />

Jahren nie der Fall. Darüber bin ich ganz froh.<br />

Habermeyer: Sie haben ja, wenn ich das richtig weiß, 1999 in Mannhe<strong>im</strong> etwas gemacht,<br />

was Sie schon lange machen wollten, Sie haben nämlich Regie geführt.<br />

War das Ihre erste große Regiearbeit am Theater?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, am Theater war das die Erste. Davor hatte ich ja hier be<strong>im</strong> BR ein<br />

Fernsehspiel inszenieren dürfen. Das in Mannhe<strong>im</strong> war jedenfalls meine<br />

erste Theaterregie. Ein früherer Kollege von mir in Mannhe<strong>im</strong>, der Michael<br />

T<strong>im</strong>mermann, ging nämlich in Rente: Er hatte sich gewünscht, dass ich<br />

seine letzte Theaterarbeit inszeniere, nämlich "Liebe in Madagaskar". Das<br />

war eine große Anforderung an mich, denn es ist schon noch einmal etwas<br />

ganz anderes, ein Theaterstück zu inszenieren. Ich hatte fünf <strong>Dr</strong>ehkränze,<br />

15 Mann bei der Technik, einen irrsinnigen Bühnenaufbau usw. für diese<br />

zweieinhalb Stunden der Inszenierung. Ich glaube aber, dass mir das ganz<br />

gut gelungen ist. Ich habe auch Lust, wieder zu inszenieren und bin in der<br />

Sache auch gerade in <strong>Gespräch</strong>en <strong>mit</strong> verschiedenen Theatern. Ich mache<br />

das wirklich sehr gerne und hoffe daher, dass das bald wieder weitergehen<br />

wird. Ich habe schon das Gefühl, dass mir die Regie sowohl be<strong>im</strong><br />

Fernsehen wie auch be<strong>im</strong> Theater unter den Nägeln brennt und dass das<br />

etwas ist, was ich à la longue weitermachen möchte.<br />

Habermeyer: Genau ein Jahr vor dieser Theaterinszenierung hatten Sie Ihren ersten<br />

eigenen Fernsehfilm gemacht, "Die Ehrabschneiderin".<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau. "Die Ehrabschneider".<br />

Habermeyer: Oh.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nicht verweiblichen, bitte. Denn da haben auch die Männer die Ehre<br />

abgeschnitten.<br />

Habermeyer: Es war vermutlich schon so, dass Ihnen die Erfahrung, die Sie da bei diesen<br />

13 <strong>Dr</strong>ehtagen für diesen Fernsehfilm gemacht haben, sehr geholfen hat<br />

be<strong>im</strong> Regieführen am Theater. Ich nehme das zumindest so an.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Als das Ganze angelaufen ist, war es übrigens auch so, dass ich zum <strong>Dr</strong>.<br />

Werner gegangen bin und gesagt habe: "Ich möchte Regie führen!" Wenn<br />

es möglich ist, dann gehe ich also schon <strong>im</strong>mer den direkten Weg und<br />

sage: "So, jetzt wäre es eigentlich so weit, ich würde das nun gerne<br />

machen!" Bei diesem Fernsehfilm wusste ich ja schon vorher, dass ich<br />

dafür sehr wenige <strong>Dr</strong>ehtage haben werde. Ich musste mich daher ganz<br />

genau und komplett vorbereiten. Ich habe mir daher das komplette Stück<br />

vorher auf einem Plan <strong>mit</strong>samt allen Figuren aus dem Modellbau erarbeitet<br />

und quasi bereits auf dem Papier inszeniert. Denn ich wusste ja: In 13<br />

<strong>Dr</strong>ehtagen hat man <strong>mit</strong> 14 Schauspielern nicht so arg viel Zeit. Nur so ging<br />

das. Ja, das hat mir schon geholfen. Auch in Mannhe<strong>im</strong> war es dann<br />

nämlich so, dass ich das Stück eigentlich bereits <strong>im</strong> Kopf und auch auf dem<br />

Papier in groben Zügen inszeniert hatte, als wir <strong>mit</strong> den Proben anfingen.<br />

Bei der tatsächlichen Zusammenarbeit <strong>mit</strong> den Kollegen hat sich das dann


schon noch mal verändert, aber <strong>im</strong> Grunde genommen ist doch vieles so<br />

geblieben, wie ich mir das vorher vorgestellt hatte.<br />

Habermeyer: Sie haben ja selbst in einigen Filmen <strong>mit</strong>gespielt, in denen Frauen Regie<br />

geführt haben. Wenn ich das richtig weiß, dann gab es in "Sau sticht" eine<br />

Regisseurin, nämlich Heidi Kranz, und auch in "Der Tod ist kein Beweis",<br />

denn dabei machte Dagmar Hirtz die Regie. In "Der Tod ist kein Beweis"<br />

ging es um diese sehr traurige Geschichte um diese junge Polizistin in<br />

München, die Selbstmord begangen hat. Haben Sie da <strong>mit</strong>bekommen,<br />

dass eine Regisseurin anders arbeitet als ein Regisseur? Haben Sie sich<br />

von dieser Zusammenarbeit später selbst inspirieren lassen? Oder ist es für<br />

Sie als <strong>Schauspielerin</strong> völlig wurst, ob das ein Regisseur oder eine<br />

Regisseurin ist?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein, das ist gar nicht wurst. Ich bin der Meinung, dass Frauen einfach eine<br />

ganz andere Sichtweise als die Männer haben. Das ist <strong>im</strong> Leben wohl auch<br />

so. Ich bin auch davon überzeugt, dass ein Film dann, wenn er von einer<br />

Frau gemacht wird, ganz anders aussieht, als wenn er von einem Mann<br />

gemacht worden wäre.<br />

Habermeyer: Aha.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Das ist ja ganz logisch. Denn die Sichtweise ist einfach eine andere. Ich<br />

muss sagen, dass ich allerdings sehr gerne sowohl <strong>mit</strong> männlichen wie<br />

auch <strong>mit</strong> weiblichen Regisseuren zusammenarbeite. Denn <strong>mit</strong> Männern<br />

kommen eben wieder andere Dinge zum Tragen. Aber es ist schon so,<br />

dass meiner Meinung nach Frauen anders <strong>mit</strong>einander umgehen. Sie<br />

sehen die Dinge viel eher gemeinsam. Dadurch kommt dann auch ein<br />

anderes Ergebnis zustande.<br />

Habermeyer: Sie meinen, dass die Teamarbeit <strong>mit</strong> einer Regisseurin eine andere wäre<br />

als die <strong>mit</strong> einem männlichen Regisseur?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Und aus dieser anderen Teamarbeit ergibt sich dann eine andere<br />

Sichtweise?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau.<br />

Habermeyer: Und das haben Sie auch selbst als Regisseurin so umgesetzt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ich kann das nur bestätigen, ich empfinde das wirklich so. Ich halte das aber<br />

weder für negativ noch für positiv: Das ist einfach so, es liegt in der Natur<br />

der Sache, denn Männlich und Weiblich sind einfach Gegensätze.<br />

Habermeyer: Wirklich Gegensätze?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein, ich meine, sie können schon auch <strong>mit</strong>einander und füreinander. Aber<br />

sie sind einfach Gegenpole. Da ergeben sich eben jeweils ganz andere<br />

Dinge.<br />

Habermeyer: Sie hatten bei der Dagmar Hirtz in dem Film "Der Tod ist kein Beweis" die<br />

Hauptrolle gespielt. Ich sage noch einmal ganz kurz, worum es in diesem<br />

Film ging. Es gab in München in einer Polizeiwache eine junge Polizistin,<br />

die nicht aus München stammte. Sie wurde gemobbt und hat sich dann<br />

umgebracht. Die Mutter dieser Polizistin machte sich dann auf die Suche<br />

nach den Gründen dafür, warum sich die Tochter umgebracht hat. Es gab<br />

in der Realität dann auch ein Strafverfahren gegen einen Vorgesetzten<br />

dieser Polizistin. Sie haben diese Rolle der Mutter gespielt und ich habe in<br />

diesem Zusammenhang nachgelesen, dass das für Sie eine der etwas<br />

schwierigeren Rollen gewesen ist.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das ist ja logisch. Denn das ist eine Geschichte, die auch wirklich so<br />

passiert ist, die wahr ist. Das war kein <strong>Dr</strong>ehbuch, das man irgendwie<br />

erfunden hat und bei dem man dann halt seine Rolle lernt und sich seine


Sachen dazu ausdenkt. Nein, das ist eine Geschichte, die wirklich so<br />

abgelaufen ist. Die Tochter hat sich umgebracht, die Mutter lebt noch: Da<strong>mit</strong><br />

umzugehen ist schwierig, denn da muss man etwas spielen, das <strong>mit</strong> den<br />

Emotionen eines Menschen zu tun hat, der diese Geschichte selbst erlebt<br />

hat. Für mich war das sehr schwer, weil ich mir <strong>im</strong>mer gedacht habe: "Mein<br />

Gott, ich muss aufpassen, denn das ist wirklich eine Gratwanderung." Wenn<br />

man zu viel macht, dann sagen die Zuschauer: "Ach, das kann doch nicht<br />

st<strong>im</strong>men!" Man darf aber auch nicht zu wenig machen, um dem Ganzen<br />

gerecht zu werden. Es muss also <strong>im</strong>mer der Versuch unternommen<br />

werden, das Ganze so ehrlich und echt wie möglich zu machen, da<strong>mit</strong> die<br />

Glaubwürdigkeit erhalten bleibt. Denn wenn das nicht glaubhaft ist, dann<br />

funktioniert der ganze Film nicht.<br />

Habermeyer: In der Recherche habe ich gelesen, dass das kein Einzelfall ist, dass sich<br />

ein Polizist oder eine Polizistin umbringt. Das ist ja wohl etwas, das öfter<br />

vorkommt, obwohl man das in der Öffentlichkeit so eigentlich gar nicht weiß.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das hat mich auch entsetzt, wie ich ehrlich sagen muss. Ich habe in der<br />

damaligen Zeit vor dem <strong>Dr</strong>ehen auch zusammen <strong>mit</strong> der Dagmar Hirtz viele<br />

Sachen in diesem Zusammenhang gelesen. Es hat mich entsetzt, dass sich<br />

alleine in den letzten Jahren 70 junge Polizisten und Polizistinnen das<br />

Leben genommen haben. Ich meine, das ist doch eine Zahl, die ganz schön<br />

heftig ist. Ich glaube halt, dass auch die Verantwortung, die diese<br />

Polizistinnen und Polizisten haben, eine enorme ist. Diese jungen<br />

Menschen haben natürlich auch <strong>mit</strong> ihrer jeweiligen Dienstwaffe eine sehr<br />

einfache Möglichkeit, so etwas zu machen. Denn ein Polizist darf die<br />

Dienstwaffe ja <strong>mit</strong> nach Hause nehmen. Das ist also nicht so wie bei der<br />

Bundeswehr, wo man die Waffe vor dem Verlassen der Kaserne abgeben<br />

muss. Der Polizist ist hingegen <strong>im</strong>mer Polizist, auch <strong>im</strong> Privatleben. Ich<br />

denke mir halt, dass es schon "einfacher" ist, wenn man diese Waffe als<br />

Polizist <strong>im</strong>mer griffbereit hat und Selbstmord begehen will. Es ist nämlich so,<br />

dass sich viele dieser Selbstmörder und Selbstmörderinnen <strong>mit</strong> der<br />

Dienstwaffe erschossen haben. Das hat mich wirklich sehr berührt und ich<br />

habe mir gedacht: "Mensch, wenn das so ist, dann muss man da doch eine<br />

andere Möglichkeit finden, um diese große Zahl an Selbstmorden irgendwie<br />

reduzieren zu können." Aber wie gesagt, da lässt sich von außen leicht<br />

reden.<br />

Habermeyer: Das liegt einfach auch an dem Stress, dem diese jungen Menschen<br />

ausgesetzt sind.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Natürlich.<br />

Habermeyer: Das muss gar nicht <strong>mit</strong> Mobbing zu tun haben, denn das hat meistens <strong>mit</strong><br />

dem allgemeinen Stress in diesem Beruf zu tun. Wir haben ja als<br />

Zuschauer alle noch quasi das Bild einer Polizeiwache und einer<br />

Polizeiarbeit <strong>im</strong> Kopf, wie sie in der Fernsehserie "Polizeiinspektion 1" <strong>mit</strong><br />

Walter Sedlmayr und Elmar Wepper vorkommt. Sie selbst haben ja auch<br />

teilweise in dieser Serie <strong>mit</strong>gespielt. Der Franz Geiger hat damals hier <strong>im</strong><br />

Studio gemeint, sie hätten <strong>mit</strong> dieser Serie unglaublich viel für das<br />

Renommee der Münchner Polizei getan. Damals lief die Arbeit der Polizei<br />

jedoch noch ganz anders ab als heute. Das Bild, das wir also heute noch <strong>im</strong><br />

Kopf haben über die Arbeit auf einer Polizeiwache ist <strong>mit</strong> der heutigen<br />

Realität dort nicht mehr vergleichbar.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, das glaube ich auch. Ich muss ehrlich sagen, dass ich diesen<br />

Berufszweig und auch diese jungen Menschen bewundere. Ich möchte<br />

diesen Beruf nicht machen müssen: Ich glaube, das ist einer der<br />

schwersten Berufe, die es gibt. Denn auch die Bezahlung ist ja nicht so toll.<br />

Und dann muss man sich permanent <strong>mit</strong> Dingen auseinander setzen, die<br />

nicht sehr angenehm sind. Man hat den Stress, dass man da <strong>im</strong>mer und<br />

jederzeit richtig reagieren muss – weil das natürlich auch erwartet wird von


der Umwelt. Nein, diesen Stress möchte ich selbst nicht haben.<br />

Habermeyer: Sie haben mir <strong>mit</strong> dem Wort "Beruf" ein Stichwort gegeben: Sie sind ja eine,<br />

nun ja, wenn man es böse ausdrücken wollte, ich will es aber nicht böse<br />

ausdrücken...<br />

<strong>Baumgartner</strong>: <strong>Dr</strong>ücken Sie es doch böse aus.<br />

Habermeyer: Nein, nein, ich will nur sagen, dass Sie eine wirklich vielschichtige<br />

Persönlichkeit sind. Jetzt weiß ich wieder, was ich sagen wollte: Sie sind<br />

eine multiple Persönlichkeit, aber ich meine natürlich eine vielseitige<br />

Persönlichkeit. Denn Sie sind nicht nur <strong>Schauspielerin</strong>, sondern Sie wissen<br />

auch durchaus <strong>mit</strong> den eigenen Händen umzugehen.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau, und deshalb habe ich auch keine langen Fingernägel.<br />

Habermeyer: Das heißt, Sie sind eine richtige Handwerkerin. Sie können richtig anpacken<br />

und arbeiten. Es heißt, Sie haben auch einen LKW-Führerschein.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein, den habe ich nicht. Ich habe nur damals, als ich zusammen <strong>mit</strong><br />

meinem ersten Mann diese Firma für Bühnenbau hatte, diese 7,5-Tonner<br />

gefahren. Das sind diejenigen Lastwagen, die man <strong>mit</strong> dem normalen<br />

PKW-Führerschein noch fahren darf. Mit diesem Lastwagen bin ich<br />

tatsächlich viel herumgefahren. Ich hatte damals eine Schreinerei, einen<br />

Malsaal und eine Schlosserei für Bühnenbau. Ich habe da <strong>mit</strong>gearbeitet und<br />

viel gelernt wie z. B. das Schweißen. Das hat mich eigentlich <strong>im</strong>mer schon<br />

interessiert. Ich habe nämlich schon als fünfjähriges Kind das Bügeleisen<br />

auseinander genommen, weil ich wissen wollte, wie das da innen drin<br />

aussieht.<br />

Habermeyer: Aber Sie haben schon vorher den Stecker gezogen?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, selbstverständlich. Ich habe das <strong>im</strong>mer zusammen <strong>mit</strong> meinem Papa<br />

gemacht. Er hat selbst viel gebastelt und da war ich eben <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> dabei.<br />

Diese Arbeit hat mich also <strong>im</strong>mer schon interessiert. Ich bin auch ein<br />

absoluter Maschinen-Freak: Ich liebe alles, was <strong>mit</strong> Bohrmaschinen und so<br />

zu tun hat.<br />

Habermeyer: Mit Fräsen, Schleifen usw.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, ich liebe z. B. auch Hobelmaschinen. Ich mochte das also <strong>im</strong>mer schon<br />

sehr gerne. Als mein Mann und ich geschieden wurden, hat sich das aber<br />

leider alles aufgelöst. Ich habe mir dann gedacht, dass ich aber gar nicht<br />

ohne Handwerk sein kann. Und deswegen habe ich zusammen <strong>mit</strong> meiner<br />

Schwester eine Firma für Raumausstattung eröffnet. Ich führe also<br />

zusammen <strong>mit</strong> meiner Schwester in München einen Laden und gehe also<br />

heute <strong>mit</strong> meiner Bohrmaschine zu den Leuten in die Wohnung, um<br />

meinetwegen Vorhänge zu montieren. Wenn ich nicht drehe oder<br />

inszeniere, dann bin ich eben in meinem Laden und führe zusammen <strong>mit</strong><br />

meiner Schwester unser Geschäft.<br />

Habermeyer: Das ist also ein Raumausstattungsladen. Raumausstatter ist ja ein richtiger<br />

Lehrberuf. Ihre Schwester wird das, wie ich mal annehme, richtig gelernt<br />

haben.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, meine Schwester hat in hohem Alter dann noch einmal umgeschult und<br />

<strong>mit</strong> 47 Jahren ihren Meister in Raumausstattung gemacht. Heute braucht<br />

man den Meister ja gar nicht mehr, leider. Das war schon sehr hart für sie<br />

damals, als sie <strong>mit</strong> Kindern und Familie noch einmal von vorne angefangen<br />

hat, in die Lehre ging und hinterher noch die Gesellenjahre absolvierte. Ich<br />

bin auch sehr stolz auf sie. Sie hat das super gemacht. Und so haben wir<br />

seit sieben Jahren <strong>im</strong> Westend einen eigenen Laden. Da wursteln wir so<br />

vor uns hin und haben uns jetzt auch über die letzten zwei Jahre, die doch<br />

wegen der Konjunktur und der Umstellung auf den Euro sehr schwierig<br />

waren, einigermaßen gut durchkämpfen können. Wir haben gute Arbeit


gemacht und hatten gut zu tun. Darüber freue ich mich natürlich sehr.<br />

Habermeyer: Vielleicht sollten wir den Zuschauern ein bisschen näher erklären, was ein<br />

Raumausstatter eigentlich genau macht. Er stattet einen Raum aus, wie<br />

das Wort schon sagt. Aber dazu gehören, wenn ich das richtig weiß, drei<br />

klassische Handwerke: Das hat etwas <strong>mit</strong> dem Boden zu tun, <strong>mit</strong> Polsterei<br />

und <strong>mit</strong> den Wänden.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Genau. Es geht einmal um den Bodenbelag, also um Teppiche, um Holzoder<br />

meinetwegen Parkettböden. Unsere Hauptarbeit ist aber das Polstern<br />

und sind die Gardinen, die Vorhänge, die Stoffe. Diese Arbeit hat also auch<br />

da<strong>mit</strong> zu tun, dass man zu den Kunden geht und sie dabei berät, was man<br />

in ihrer Wohnung, in ihrem Haus anders und besser machen kann. Man<br />

ändert also als Raumausstatter das Gesamtbild eines Raumes. Wir haben<br />

in unserem Geschäft auch eine Werkstatt <strong>mit</strong> vier Leuten, die für uns<br />

arbeiten. Unsere Arbeit hat also meinetwegen <strong>mit</strong> Raffgardinen zu tun, <strong>mit</strong><br />

normalen, langen Seidenstores usw. Ich habe Kunden aus der Nähe von<br />

Grünwald, die besser gestellt sind und sich daher teurere Stoffe bestellen.<br />

Und ich habe Kunden, das sind eigentlich meine Hauptkunden, aus dem<br />

Westend: Das sind diese netten Herrschaften, die dann auch ihre<br />

Rechnungen <strong>im</strong>mer prompt bezahlen, was natürlich sehr angenehm ist.<br />

Das sind auch die Leute, die meistens genau wissen, was sie wollen.<br />

Unsere Kundschaft ist also gut gemischt. Die Arbeit macht auch deshalb so<br />

viel Spaß, weil man dabei <strong>im</strong>mer kreativ sein muss. Das ist wie in meinem<br />

Beruf auch: Jede Rolle ist neu. Und auch jeder Raum ist eben neu, jeder<br />

Kunde ist neu. Da kann man schon sehr kreativ arbeiten.<br />

Habermeyer: Das heißt, Sie müssen schon auch ein gewisses Stilempfinden <strong>mit</strong>bringen,<br />

da<strong>mit</strong> Sie wissen, was passt und was keinesfalls passt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau. Aber das kann ich natürlich auch einfach auf meine Schwester<br />

schieben, weil die das ja gelernt hat: Die muss es wissen. Ich bin ja <strong>im</strong><br />

Grunde nur <strong>mit</strong> dabei, während sie Fachfrau ist und das alles erklärt und die<br />

Kunden berät.<br />

Habermeyer: Das heißt, wenn Sie zwischen Ihren Engagements Zeit haben, dann ziehen<br />

Sie sich sozusagen etwas legerer an und arbeiten richtig als Handwerkerin.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, dann bin ich <strong>mit</strong> dabei, dann stehe ich <strong>im</strong> Laden, gehe ich <strong>mit</strong> auf<br />

Montage usw., je nachdem, was so anfällt. In der letzten Zeit habe ich aber<br />

in meiner Freizeit auch noch etwas anderes gemacht: Ich habe mich für ein<br />

best<strong>im</strong>mtes Projekt zur Verfügung gestellt. Ich wohne ja in der Nähe von<br />

München, in Gröbenzell: Dort gibt es eine Kirche, die renoviert wird. Ich<br />

habe mich vor kurzem dazu bereit erklärt, dass ich da <strong>mit</strong>helfe und Geld<br />

sammle für die Renovierung. Ich gehe also überall zu den Leuten und<br />

erkläre ihnen, dass wir diese unsere Kirche selbst renovieren müssen, weil<br />

der Staat und die Kirche kein Geld mehr haben. Ich bin also in meiner<br />

Freizeit auch in dieser "Angelegenheit" tätig. Da haben wir in der letzten Zeit<br />

schon eine ganze Menge Geld sammeln können. Ich hoffe, dass das<br />

weitergeht und dass noch viele Leute etwas dazu beitragen. Aus dem<br />

Grund bin ich eigentlich ziemlich beschäftigt.<br />

Habermeyer: Sie machen in diesem Zusammenhang Benefizaktionen: Sie lesen, d. h.<br />

Sie machen Lesungen.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, ich mache auch Lesungen. Ich habe vor kurzem etwas wirklich<br />

Wunderbares gemacht, das allerdings da<strong>mit</strong> nichts zu tun hat. Ich habe<br />

nämlich für den Erich Hallhuber, den es leider nicht mehr gibt...<br />

Habermeyer: Leider.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: ... <strong>im</strong> "Johanniscafé" die "Heilige Nacht" gelesen.<br />

Habermeyer: Im "Johanniscafé" in Haidhausen?


<strong>Baumgartner</strong>: Ja, genau. Er selbst hatte das in den letzten drei Jahren gemacht. Für<br />

letztes Weihnachten hatte er sich jedoch eine Frau gewünscht, die das<br />

macht. Und irgendwie bin es dann ich geworden. Das war ein wunderbarer<br />

Abend, ein ganz, ganz tolles Erlebnis für mich. Der Vater vom Erich war<br />

auch da und so hatten wir, als wir da alle in diesem Café saßen, eigentlich<br />

das Gefühl, der Erich wäre bei uns dabei. Ja, das war schon ein ganz<br />

bewegender Abend für mich, das war schon etwas ganz Besonderes.<br />

Habermeyer: Ich nehme an, dass es dabei in diesem recht kleinen Lokal recht voll<br />

gewesen ist.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, es war voll.<br />

Habermeyer: Wie schauen denn Ihre Berufsperspektiven hinsichtlich der Regie aus? Sie<br />

haben bei der Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule einen eigenen<br />

Text zum Besten gegeben. Nun meine Frage...<br />

<strong>Baumgartner</strong>: ... ob ich mir selbst etwas schreibe?<br />

Habermeyer: Ja. Schreiben Sie schon? Schrieben Sie? Wollen Sie noch schreiben?<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Nein, nein. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich das seit damals nie wieder<br />

probiert habe. Ich glaube, das kann ich gar nicht. Ich weiß es freilich nicht,<br />

ich kann nur sagen, ich glaube das – weil ich es eben noch nicht<br />

ausprobiert habe. Ich hatte aber auch noch gar keine Zeit, mich da<strong>mit</strong> zu<br />

beschäftigen. Ich bin einfach eher jemand, der dann, wenn er eine Vorlage<br />

hat, seinen “Senf” dazu beitragen kann. Ich kann dann sagen: "So ist es<br />

besser, das gefällt mir, was kann man noch ändern?" Aber selbst etwas<br />

schreiben? Hm, ich müsste es halt mal ausprobieren. Es gibt ja viele<br />

Kolleginnen von mir, die selbst auch schreiben: nicht nur Theaterstücke<br />

oder Filmdrehbücher, sondern auch ihre Biographien usw. Vielleicht sollte<br />

ich das auch mal ausprobieren. Ich habe mich jedenfalls noch nicht da<strong>mit</strong><br />

befasst.<br />

Habermeyer: Aber die Regie ist schon eine Option für Sie, die bleibt.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Regie ist eine Option, die wirklich bleibt. Ja, das will ich unbedingt<br />

weiterführen. Und, wie gesagt, ich bin da gerade <strong>mit</strong> einem Theater in<br />

Verhandlung: Ich hoffe, dass das auch etwas wird. Denn das will ich wirklich<br />

weitermachen.<br />

Habermeyer: Wir werden das den so genannten einschlägigen Medien entnehmen, wenn<br />

es so weit ist.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ja, und dann muss ich ganz schnell noch etwas sagen. Habe ich denn<br />

noch so viel Zeit?<br />

Habermeyer: Ja, wenn es schnell geht.<br />

<strong>Baumgartner</strong>: Ich hatte gestern ein Zusammentreffen <strong>mit</strong> einem ganz interessanten Mann<br />

und ich hoffe, Sie können ihn mal in Ihr Forum-Wissenschaft einladen. Das<br />

ist der Herr <strong>Dr</strong>. Peter Plichta: Er hat nämlich etwas ganz Revolutionäres<br />

erfunden und darüber auch ein Buch geschrieben, das den Titel trägt<br />

"Benzin aus Sand". Es geht also um die Gewinnung von Benzin und<br />

Treibstoffen, die besonders für die Raumfahrt wichtig sind. Er hat darüber<br />

hinaus auch ein Flugobjekt erfunden, das die Form einer Scheibe hat: Sie<br />

könnte in drei Stunden von München bis Tokio fliegen. Diesen Mann müsst<br />

Ihr unbedingt in eure Sendung einladen. Denn dieser Mann ist wirklich ein<br />

Traum: Er hat so viel zu erzählen! Es ist wirklich eine Revolution, von der er<br />

euch berichten kann.<br />

Habermeyer: Es ist so, wie ich es mir vorher vorgestellt hatte: Wir werden überhaupt nicht<br />

zu Ende kommen in unserem <strong>Gespräch</strong>. Wir sind freilich doch <strong>im</strong>merhin zu<br />

einem gewissen Ende gekommen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei<br />

Ihnen, dass Sie bei uns waren.


<strong>Baumgartner</strong>: Danke schön.<br />

Habermeyer: Und ich bedanke mich bei Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, für<br />

Ihr Dabeisein <strong>im</strong> heutigen Alpha-Forum. Bis zum nächsten Mal, auf<br />

Wiedersehen.<br />

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