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kuLTur kuLTur<br />
DIe sTADT nAcH Dem öL<br />
eine Welt ohne öl. Derzeit mag diese Vorstellung noch un<strong>de</strong>nkbar sein.<br />
Die Ausstellung „post-Oil city – die stadt nach <strong>de</strong>m öl“ in Berlin präsentiert dazu einige I<strong>de</strong>en.<br />
Dem Betrachter mögen sie wie surreale Visionen einer weit entfernt liegen<strong>de</strong>n zukunft vorkommen,<br />
einige wer<strong>de</strong>n jedoch bereits zu diesem zeitpunkt in die Tat umgesetzt.<br />
Nach momentanem Forschungsstand wird schon in zwei Jahrzehnten<br />
die Hälfte aller Erdölreserven aufgebraucht sein. Und an die an<strong>de</strong>re<br />
Hälfte kommt man, wenn überhaupt, nur sehr schwierig heran.<br />
Dazu kommt die Tatsache, dass seit 2008 erstmals über die Hälfte <strong>de</strong>r<br />
Weltbevölkerung in städtischen Ballungsräumen lebt. Es lohnt sich<br />
also durchaus, sich bereits jetzt mit <strong>de</strong>m unbequemen Gedanken zu<br />
befassen: Was passiert mit unseren Städten, wenn das Öl weg ist?<br />
Wie wer<strong>de</strong>n wir heizen, kühlen, bauen, uns fortbewegen? Die Utopien<br />
einiger Vor<strong>de</strong>nker aus <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren lieferten bereits erste<br />
Lösungsansätze für solche Fragen, die heute drängen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nn je sind.<br />
Ökologisch <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln, umweltgerecht planen und energieeffizient<br />
bauen – dies muss <strong>de</strong>r Anspruch einer Gesellschaft sein, die<br />
mit <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>s Klimawan<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>m absehbaren En<strong>de</strong> fossiler<br />
Brennstoffe konfrontiert ist. Architekten und Stadtplaner gehen diese<br />
Aufgabe gemeinsam an. Da die Mehrheit <strong>de</strong>r Menschen bereits in<br />
städtischen Gebieten lebt, sind diese heute zum Haupthandlungsort<br />
gewor<strong>de</strong>n. Die Geschichte <strong>de</strong>r Zukunft <strong>de</strong>r Stadt begann bereits in <strong>de</strong>n<br />
1960er Jahren: Damals entwickelte Stadt-Utopien mit Lösungsansätzen<br />
für Probleme wie Verkehr o<strong>de</strong>r Müll wer<strong>de</strong>n heute aufgegriffen, weiterentwickelt<br />
und in die Realität überführt. Klimawan<strong>de</strong>l, die Endlichkeit<br />
fossiler Energien sowie die Finanz- und Systemkrise lassen die neuen<br />
Stadtplanungen zu einem Versuchslabor nicht nur für ökologische,<br />
son<strong>de</strong>rn auch für gesellschaftliche Verän<strong>de</strong>rungen wer<strong>de</strong>n.<br />
Bestimmte I<strong>de</strong>en schwirrten schon Mitte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts in <strong>de</strong>n<br />
Köpfen von Zukunftsvisionären. Dass und inwieweit sie nun erst viele<br />
Jahrzehnte später realisiert wer<strong>de</strong>n, hängt von <strong>de</strong>r Verfügbarkeit <strong>de</strong>r<br />
notwendigen Technologien, aber auch von gesellschaftlichen und<br />
politischen Konstellationen ab. Die bei<strong>de</strong>n Grundvoraussetzungen,<br />
Räson und Innovation, müssen in Kombination auftreten: Mit <strong>de</strong>r Bereitwilligkeit,<br />
umzu<strong>de</strong>nken und entsprechend zu han<strong>de</strong>ln. Bestehen<strong>de</strong><br />
Konzepte wer<strong>de</strong>n daher nicht eins zu eins übernommen, son<strong>de</strong>rn weitergedacht<br />
und in vielen Fällen an lokale und kulturelle Gegebenheiten<br />
angepasst. Während innerhalb Europas vor allem auf die Umnutzung<br />
vorhan<strong>de</strong>ner Stadtsysteme hin geplant wird, liegt <strong>de</strong>r Schwerpunkt<br />
außerhalb Europas auf <strong>de</strong>r Entwicklung neuer Stadtsysteme. In aufstreben<strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>rn wie <strong>de</strong>n Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)<br />
ermöglichen es komplette Stadtneugründungen, kompromisslos einen<br />
sogenannten nachhaltigen Städtebau zu realisieren. Während viele <strong>de</strong>r<br />
verwen<strong>de</strong>ten Technologien noch in <strong>de</strong>n Industrienationen entwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n, übernehmen Entwicklungs- und Schwellenlän<strong>de</strong>r zunehmend<br />
Vorreiterrollen bei <strong>de</strong>r Umsetzung nachhaltiger Konzepte. nikolauS<br />
kuhnerT, einer <strong>de</strong>r Kuratoren <strong>de</strong>r Stuttgarter ifa-Ausstellung, bringt<br />
dies auf <strong>de</strong>n Punkt: „Das Experiment, das Wagnis, <strong>de</strong>r Sprung ins Neue<br />
ist mittlerweile ein Thema außereuropäischer Projekte.“<br />
Es mag auf <strong>de</strong>n ersten Blick absurd erscheinen, dass die ersten Öko-<br />
Städte ausgerechnet in <strong>de</strong>r erdölreichen Golfregion entstehen. Letztendlich<br />
attestiert dies <strong>de</strong>n Regenten jedoch ein gewisses Maß an Voraussicht.<br />
Gera<strong>de</strong> Staaten, die sich bislang noch fast ausschließlich über<br />
ihre Öl- und Gasexporte finanzieren, sehen angesichts <strong>de</strong>r Ressourcenendlichkeit<br />
die Notwendigkeit, nicht nur durch Diversifizierung<br />
auf an<strong>de</strong>re Sektoren, wie Tourismus o<strong>de</strong>r Han<strong>de</strong>l, son<strong>de</strong>rn auch durch<br />
innovative Technologien und Konzepte langfristig ihr Überleben zu sichern.<br />
2008 wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Bau von „Masdar City“, einer ökologischen<br />
Musterstadt im Emirat Abu Dhabi, begonnen. Masdar City wur<strong>de</strong> als<br />
energieautarke Wissenschaftsstadt entworfen, <strong>de</strong>ren Bild maßgeblich<br />
von Solarkraftwerken und Windrä<strong>de</strong>rn gekennzeichnet sein soll und in<br />
<strong>de</strong>r strenge Energie- und Umweltstandards herrschen. Diese Oase <strong>de</strong>r<br />
Zukunft soll vollkommen CO 2 -neutral sein und ausschließlich durch<br />
erneuerbare Energien versorgt wer<strong>de</strong>n. Geplant ist das Projekt für<br />
50.000 Einwohner auf einer Fläche von sechs Quadratkilometern und<br />
verfolgt damit das Ziel einer niedrigen bis mittleren Einwohnerdichte.<br />
An<strong>de</strong>rswo verzehrt heutzutage allein <strong>de</strong>r innerstädtische Verkehr rund<br />
20 Prozent <strong>de</strong>s Primärenergiebedarfs einer Stadt. In Masdar City sollen<br />
ein unterirdisches öffentliches Nahverkehrssystem sowie eine autofreie<br />
Siedlung die Umweltbelastung durch Verkehr reduzieren. Die I<strong>de</strong>e<br />
für die ökologische Musterstadt stammt von norman foSTer, einem<br />
bereits mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichneten britischen<br />
Baukünstler. Grundsätzlich verfolgt <strong>de</strong>r Entwurfsansatz drei Ziele: die<br />
Reduzierung <strong>de</strong>r Primärenergielasten durch passive Gestaltungsstrategien,<br />
die Optimierung <strong>de</strong>r Zuliefersysteme und <strong>de</strong>s Energiebedarfs<br />
sowie <strong>de</strong>n alleinigen Einsatz erneuerbarer Energien. Das Stuttgarter<br />
Architekturbüro LAVA (Laboratory for Visionary Architecture) erstellt<br />
<strong>de</strong>n Plan für die Innenstadt von Masdar City. ToBiaS WalliSSer,<br />
Mitgrün<strong>de</strong>r von LAVA, erklärt, inwiefern Masdar City das Konzept <strong>de</strong>s<br />
nachhaltigen, ökologischen Städtebaus verfolgt. „Der Stadtgrundriss<br />
greift auf die Form traditioneller arabischer Städte zurück“, sagt <strong>de</strong>r<br />
Stuttgarter Architekt. „Sie schotten sich zur Umgebung ab, haben<br />
einen quadratischen Grundriss und bestimmte klimatische Ausrichtungen<br />
und Straßenquerschnitte.“ Dennoch sei Masdar City keine Kopie<br />
altbekannter Bauformen, son<strong>de</strong>rn ist vielmehr als Ergebnis <strong>de</strong>r Fusion<br />
zwischen kulturellen Erfahrungen und technischen Innovationen zu<br />
verstehen. Der Einsatz von neuen Technologien und die Transformation<br />
von Lebensstilen sind zentrale Herausfor<strong>de</strong>rungen. Vor <strong>de</strong>n Toren<br />
<strong>de</strong>r Stadt wird ein riesiges Solarkraftwerk errichtet. Um jedoch <strong>de</strong>n<br />
bisherigen durchschnittlichen Energieverbrauch zu <strong>de</strong>cken, müsste die<br />
<strong>gesamte</strong> Fläche mit Photovoltaikanlagen bebaut wer<strong>de</strong>n. Das heißt,<br />
dass auch Lebensgewohnheiten angepasst wer<strong>de</strong>n müssen. Siebzig<br />
Prozent <strong>de</strong>s Energieverbrauchs müssen zuerst eingespart wer<strong>de</strong>n, um<br />
dann <strong>de</strong>n Restbedarf mit regenerativen Energien <strong>de</strong>cken zu können.<br />
MIT MASDAr cITY uND XErITOWN WOLLEN<br />
DIE VAE DIE WELT AucH MIT ÖKOLOGIScHEN<br />
WuNDErWErKEN BEEINDrucKEN. WIE VIEL<br />
DAVON SIcH TATSäcHLIcH VErWIrKLIcHEN<br />
LäSST, BLEIBT ABZuWArTEN.<br />
Post-Oil<br />
City<br />
Discover ME 36 37 Discover ME<br />
Fotos: ifa-galerien<br />
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