KaLz und Maus - Weiße Rose Stiftung eV
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<strong>KaLz</strong> <strong>und</strong> <strong>Maus</strong><br />
Verleihung der Albert-Weichmann-Medaille an Dr. Taute Lafrenz-Page<br />
Laudatio von Katrin Seybold am 13. September 2009<br />
Traute Lafrenz schließt ihren Bericht über die <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> vom Jahr 1947 mit den Worten:<br />
"Wirklich, die Besten haben es nicht durchgehalten, sind nicht wiedergekommen, nicht daß<br />
sie klüger, begabter als die anderen waren, aber wenn ich aufrichtig, ohne Sentimentalitäi an<br />
sie denke, so gut wie sie war keiner".<br />
Die Besten das sind: Hans <strong>und</strong> Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi<br />
Graf, Kurt Huber <strong>und</strong> Hans Leipelt, sie starben in Stadelheim, Jenny Grimminger wurde in<br />
Auschwitz ermordet; die Besten, das sind Katharina Leipelt, Elisabeth Lange <strong>und</strong> Reinhold<br />
Meyer, sie sind umgekommen im Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel, Margarete Mrosek<br />
<strong>und</strong> Kurt Ledien im Konzentrationslager Neuengamme, Friedrich Geussenhainer im<br />
Konzentrationslager Mauthausen, Margaretha Rothe starb in einer Klinik in der Nähe von<br />
Leipzig.<br />
Traute Lafrenz kannte die meisten von ihnen, aus der Schulzeit oder vom Studium. Sie<br />
bekennt: "ln den langen Monaten meiner Haft musste ich immer wieder nachsinnen, wieso<br />
ich...übrig geblieben war". Vielleicht liegt die Erklärung im unterdrückten Vergangenen nach<br />
dem Krieg: Die Erinnerungen von Traute Lafrenz sind einmaliges, unwiederbringliches<br />
Zeugnis der Toten. Die übrig Gebliebenen, das sind auch die anderen Angeklagten des<br />
Volksgerichtshofs, das sind in Gefängnisse <strong>und</strong> Konzentrationslager verschleppte<br />
Familienmitglieder <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e, Zeugen, wie die Schwester Willi Grafs, Anneliese Knoop<br />
Graf, die vor wenigen Tagen gestorben ist. Für sie alle gilt das alte zigeunerische Sprichwort:<br />
Du musst die Mäuse fragen, wenn du etwas über die Katze uzssen willst.<br />
Und umgekehrt: Wenn Du etwas über die Mäuse uzssen willst, musst du die Katze fragen",<br />
Was hat der Feind, was haben die Nationalsozialisten von sich selbst verraten? Der<br />
Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Ernst Lautz gibt in seinem Abschlußbericht an das<br />
Reichjustizministerium über die ersten <strong>Weiße</strong> <strong>Rose</strong> Prozesse ganz unverblümt zu: "Es<br />
handelt sich im vorliegenden Verfahren wohl um den schwersten Fall hochverräterischer<br />
Flugblattpropaganda, der sich während des Krieges im Altreich ereignet hat. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> wegen der Persönlichkeit der Täter hat das Verfahren erhebliches Aufsehen<br />
erregt." Ein Verfahren, in denen Traute Lafrenz eine der Angeklagten war.<br />
Zur hochverräterischen Flugblattpropaganda: lm Sommer 1942 tauchen in München vier<br />
"Flugblätter der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong>" auf. Sie prangern öffentlich den Mord an den Juden an. Es<br />
sei "das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen", das "deutsche Volk<br />
mache sich mitschuldig", sei eine "Herde von Mitläufern", die sich "ohne Widerstand von
einer Herrscherclique regieren lasse ...Leistet Widerstand ehe die letzten Städte ein<br />
Trümmerhaufen sind, gleich Köln. Leistet Widerstand ehe die letzte Jugend unseres Volkes<br />
verblutet ist..." Die Flugblätter enthalten Maxime von Aristoteles, Augustinus, Goethe <strong>und</strong><br />
Schiller <strong>und</strong> Zitate von Lao-Tse, Novalis <strong>und</strong> dem Alten Testament. Verfasser sind Hans<br />
Scholl <strong>und</strong> Alexander Schmorell.<br />
Durch Alexander Schmorell hatte die Medizinstudentin Traute lafrenz Hans Scholl kennen<br />
gelernt <strong>und</strong> wurde seine Fre<strong>und</strong>in. Beide haben an der Realisierung ihrer Traumgebilde<br />
gearbeitet: Brüderlichkeit, oder besser Geschwisterlichkeit <strong>und</strong> Frieden. Aufgewachsen <strong>und</strong><br />
geprägt vom liberalen <strong>und</strong> musischen Milieu der Hamburger Lichtwarckschule, beeinflusst<br />
vor allem von ihrer Lehrerin Erna Stahl, machte sie in den Münchner Leseabenden Hans<br />
Scholl <strong>und</strong> Alexander Schmorell mit Texten vom Prediger Salomo, von Lao-Tse <strong>und</strong> Novalis<br />
bekannt, die sie in der Schule <strong>und</strong> den Leseabenden bei Erna Stahl für sich entdeckte <strong>und</strong><br />
die dann in den ersten vier Flugblättern der <strong>Weiße</strong>n <strong>Rose</strong> wieder auftauchen.<br />
Nach Ansicht des Volksgerichtshofs eben jene "hochverräterische Flugblattpropaganda" <strong>und</strong><br />
ein schwerer Fall auch "wegen der Persönlichkeit der Täter". Die Täterin, die hier sitzt, was<br />
für eine Persönlichkeit könnte das sein?<br />
lm Interview mit mir sagt sie "Man muß Moral lernen, mit der wird man nicht geboren...Kraft<br />
<strong>und</strong> Stärke ziehen aus Literatur <strong>und</strong> Kunst, das hat uns beflügelt". Sie entdeckt für sich<br />
Rudolf Steiners "Philosophie der Freiheit", <strong>und</strong> offenbart, jeder von ihnen habe angefangen<br />
ein aufrichtigeres Verhältnis zum Christentum zu bekommen.<br />
Eine Handelnde ist sie auch: sie initiiert Leseabende <strong>und</strong> nimmt an Treffen von<br />
Regimegegnern in München teil. Sie gibt Flugblätter an Kommilitonen weiter, liefert zwei<br />
nach Hamburg <strong>und</strong> schickt welche per Post nach; sie bringt Flugblätter nach Wien, versucht<br />
dort an einen Vervielfältigungsapparat zu gelangen. Als Vater Scholl von seiner Angestellten<br />
Inge Wilke denunziert worden war, hilft sie in dessen Büro. Für Flugblattaktionen kauft sie<br />
mit Sophie Scholl Papier <strong>und</strong> Briefumschläge. Nach der Verhaftung der Geschwister Scholl<br />
warnt sie den entlassenen Beamten Josef Furtmeier, der nach dem Krieg behauptet, sie<br />
hätte ihm das Leben gerettet; sie informiert Kurt Huber <strong>und</strong> fährt nach Ulm zur Familie<br />
Scholl. Sie versucht, für Christoph Probst ein Gnadengesuch zu erhalten, säubert mit Werner<br />
Scholl die Wohnung der Geschwister von weiterem Belastungsmaterial <strong>und</strong> hat den Mut -<br />
wie keiner sonst - am Begräbnis der Scholls teilzunehmen. Danach wird sie verhaftet.<br />
Kaltblütig gelingt es ihr, wie keinem der Festgenommenen, der Gestapo eine dämliche<br />
Geschichte aufzutischen <strong>und</strong> Niemanden zu verraten.<br />
Nach dem Prozess wird sie vom Studium an allen Deutschen Hochschulen ausgeschlossen.<br />
Die Gestapo <strong>und</strong> Freisler lehnen ein Gnadengesuch ab mit der Begründung: "ln der<br />
Erstvernehmung hat die La'frenz bewusst unwahre Angaben gemacht, ohne dass ihr<br />
Gegenteiliges nachgewiesen werden konnte...Bei ihren späteren Vernehmungen hat die<br />
Lafrenz sich selbst als Staatsgegnerin bekannt <strong>und</strong> in keiner Weise Reue gezeigt".<br />
In Hamburg hatten Studenten die Flugblätter neu vervielfältigt <strong>und</strong> zu H<strong>und</strong>erten verbreitet.<br />
Durch Verrat kam man ihnen auf die Spur. Kurz nach der Entlassung aus der Haft fahndet<br />
die Gestapo wieder nach ihr. Sie versucht in die Schweiz zu fliehen, die Flucht misslingt. Ein
Klassenkamerad, Heinz Kucharski, war für alle zum Verhängnis geworden. Er lieferte der<br />
Gestapo um die 30 Menschen aus, darunter auch die eigene Mutter. Traute Lafrenzwurde<br />
verhaftet, kam nach Fuhlsbüttel <strong>und</strong> war elend langen Verhören <strong>und</strong> Misshandlungen des<br />
SS-Mannes Reinhard ausgesetzt. Kucharski hatte der Gestapo 60 Seiten über sie diktiert.<br />
Jetzt droht ihr die Todesstrafe. Sie meint, Kucharski habe seinen Kopf dadurch zu retten<br />
versucht, daß er der Gestapo über seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannten Aussagen <strong>und</strong><br />
Charakteristiken lieferte, wie diese sie wünschte. Den auffälligsten Verrat übte er der<br />
gemeinsamen Lehrerin Erna Stahl gegenüber, er gab an, sie habe ihn bewusst antinationalsozialistisch<br />
erzogen <strong>und</strong> darum sei sein Leben in diese Bahn gekommen, heute<br />
bekenne er sich zur nationalsozialistischen Weltanschauung, eine Wendung, die er der<br />
Gestapo verdanke. Seine Selbstrechtfertigung war, daß durch die Nennung von immer mehr<br />
Personen es vor Kriegsende nicht mehr für alle zu einem Prozess käme. Es war ein<br />
raffinierter, ein amoralischer Plan, der andere gefährdete, sie ins KZ <strong>und</strong> in den Tod brachte<br />
wie Reinhold Meyer.<br />
Kucharski, der Schulfre<strong>und</strong> gab der Gestapo preis, Traute La'frenz habe etwa "20 Mal mit<br />
ihm die Sender Moskau, England, Beromünster <strong>und</strong> RotSpanien gehört", verbotene Bücher<br />
gelesen, besessen <strong>und</strong> verliehen, sie habe eine besonders radikale Einstellung <strong>und</strong> führe ein<br />
besonders freiheitliches Leben. Die niederträchtigste aller Anschuldigungen aber, bestand<br />
darin, Traute Lafrenz habe Hilfe <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft der jüdischen Familie Daniels gewährt.<br />
Lise Daniels, eine Schulkameradin von beiden konnte 1938 mit ihrer Familie aus<br />
Deutschland fliehen. Auch Schandtaten. wie die von Kucharski. dürfen wir nicht verloren<br />
geDen.<br />
Für Traute Lafrenz <strong>und</strong> die anderen Frauen kommt es nicht mehr zum Prozeß. Bis zur<br />
Befreiung Mitte April 1945 wird sie in mehreren Zuchthäusern <strong>und</strong> Gefängnissen gefangen<br />
gehalten. Nach dem Krieg hält sie es in Deutschland nicht mehr aus. lm lnterview sagt sie<br />
darüber: "lch konnte <strong>und</strong> wollte aus meiner Gefängnishaft keine Vorteile schlagen <strong>und</strong> keine<br />
Karriere damit machen. Vor allem aber, weil so viele, die ich gekannt habe nicht mehr da<br />
waren."<br />
Für die Jetzlzeil, für unseren Blick auf die, die nicht mehr da waren, die Besten der <strong>Weiße</strong>n<br />
<strong>Rose</strong>, besagt dies: "Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein<br />
<strong>und</strong> dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört", wie Walter Benjamin schreibt. Dem Feind,<br />
dem heute mehr denn je virulenten Rechtsradikalismus, Parteien wie der NPD <strong>und</strong> den<br />
Neonazis müssen wir das Bild der Toten entgegen setzen, verhindern, daß es nicht auf<br />
Nimmeruriedersehen verschwindet. Das ist die Aufqabe. die uns Traute Lafrenz heute<br />
zuweist.<br />
Danke Traute