Nicola Arndt und Matthias Pohl - Neobiota

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22.02.2013 Aufrufe

1 Einleitung Das Verbreitungsgebiet vieler Pflanzen- und Tierarten wird durch Klimaparameter begrenzt. Die Karte der natürlichen Vegetation Europas soll die vorherrschenden natürlichen Pflanzengemeinschaften wiedergeben, die im Einklang mit den aktuellen klimatischen und edaphischen Gegebenheiten stehen (BOHN 1992). Damit beinhaltet sie auch eine wichtige klimatische Komponente, welche maßgeblich die räumliche Verbreitung und Abgrenzung der betrachteten Einheiten beeinflußt. Die jüngere Vergangenheit hat – verglichen mit dem langjährigen Mittel der globalen Durchschnittstemperaturen des 20. Jahrhunderts – eine Phase relativer Erwärmung erlebt. Aufgrund von Klimaszenarien wird mit einem weiteren Anstieg der Globaltemperaturen gerechnet, was nicht ohne Auswirkungen auf die Lebewesen dieses Planeten und damit auch auf die Vegetation Europas bleiben kann. Ändern sich die klimatischen Bedingungen eines Lebensraumes, ist auch mit Wanderungen von Arten zu rechnen. Um solche Veränderungen feststellen zu können, wird eine gute Datengrundlage über den aktuellen Zustand der Verteilung der Lebensgemeinschaften benötigt, auf dessen Basis ablaufende Veränderungen und Arealverschiebungen dokumentiert werden können. Für die Vegetation Europas wurde mit der Europakarte eine solche Datengrundlage erarbeitet. Im folgenden soll über die klimatische Entwicklung der vergangenen 140 Jahre sowie über die mittels Proxidaten rekonstruierte Klimaentwicklung der vergangenen 1000 Jahre ein Überblick gegeben werden. Der Einfluß menschlicher Aktivitäten auf den Verlauf dieser Entwicklung wird kurz erläutert, bevor Beispiele für die Auswirkungen der Klimaänderung auf biologische Systeme vorgestellt und diskutiert werden. Schließlich werden auf dieser Basis Möglichkeiten der Anwendung (und Auswertung) der Karte der natürlichen Vegetation Europas im Hinblick auf Szenarios der Klimaänderung anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt. 2 Die Entwicklung globaler Klimaparameter in den vergangenen 140 Jahren In ihrem Bericht präsentiert die Arbeitsgruppe 1 des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) eine Sammlung von Datenmaterial, welches “An increasing body of zusammengenommen ein Bild der globalen Erwärmung aufzeigt observations gives a collective (vgl. Kasten). picture of a warming world“ Mittlerweile stehen Klimameßreihen zur Verfügung, die sich (IPCC 2001a) über fast 150 Jahre erstrecken und die einen eindeutigen Erwärmungstrend aufweisen. Die globale Durchschnittstemperatur hat sich demzufolge seit 1856 um 0,6 °C (± 0,2 °C) erwärmt (IPCC 2001a). Dabei konzentrieren sich die Erwärmungsphasen auf zwei Perioden, die erste von 1910 bis 1945 und die zweite begann 1976 und dauert nach wie vor an (Abb. 1). Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß die zehn wärmsten Jahre alle seit 1983 aufgetreten sind, allein acht davon in den 90er Jahren; eine auffällige Häufung von Rekordereignissen. Die 90er Jahre waren somit das wärmste aller gemessenen Jahrzehnte und 1998 das wärmste aller gemessenen Jahre seit 1856. Wie im jüngsten IPCC-Bericht (IPCC 2001a) nachzulesen ist, haben sich aber noch weitere Klimaparameter verändert. So haben die Niederschlagsmengen in den meisten Gebieten mittlerer und höherer Breiten der Nordhemisphäre während des vergangenen Jahrhunderts um durchschnittlich knapp 1% pro Dekade zugenommen. Die Subtropen weisen in derselben Zeitspanne einen leichten Rückgang auf, während die Tropen wiederum einen leichten Anstieg verzeichnen. Im weiteren hat 440

auch die Häufigkeit von starken Niederschlagsereignissen in den mittleren und höheren Breiten zugenommen. Temperaturabweichung [°C] vom Mittelwert 1961-90 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 -0,6 1910 - 1945 1976 ff. 1856 1872 1888 1904 1920 1936 1952 1968 1984 2000 Jahr Abb. 1: Gemessene jährliche Abweichungen der globalen Durchschnittstemperatur seit 1856 (mit Angabe der über fünf Jahre gemittelten Werte (ausgezogene Linie) sowie der zehn wärmsten Jahre (weitere Erläuterungen siehe Text). (Quelle: JONES et al. 2000, WMO 2001) Seit 1950 hat die Häufigkeit extremer Temperaturtiefstwerte abgenommen, während die Höchstwerte in etwas geringerem Maße zugenommen haben. Die nächtlichen Tiefsttemperaturen haben sich durchschnittlich um 0,2°C pro Jahrzehnt erhöht, die Zunahme der täglichen Maxima entspricht etwa der Hälfte dieses Wertes. Dadurch hat sich die frostfreie Zeit in vielen Gebieten der mittleren und höheren Breiten verlängert. Ökologische Konsequenzen dieses Umstandes sollen später noch eingehender erläutert werden. Schließlich stimmt auch die festgestellte Zunahme der Bewölkung gut mit der beobachteten Verringerung der täglichen Temperaturspanne überein. Als weitere Aspekte seien an dieser Stelle der im Verlaufe des 20. Jahrhunderts durchschnittliche Anstieg des Meeresspiegels um 0,1 bis 0,2 m erwähnt, die Abnahme der Schneebedeckung um 10% seit Ende der 1960er Jahre sowie die häufiger werdenden und länger anhaltenden El Niño-Phänomene seit Mitte der 1970er Jahre. Auch wenn bezüglich des einen oder anderen Parameters noch Unsicherheiten über das quantitative Ausmaß bestehen, so ist doch allen ein einheitlicher Trend in Richtung wärmerer Klimaverhältnisse gemeinsam. 3 Die Entwicklung globaler Klimaparameter im letzten Jahrtausend Obwohl die eigentlichen Meßreihen „nur“ eine Zeitspanne von 140 Jahren abdecken, kann mittels Proxidaten wie Jahrringe, Eisbohrungen und historischen Aufzeichnungen die Klimaentwicklung der vergangenen 1000 Jahre rekonstruiert werden (siehe IPCC 2001a). Auch über diesen Zeitraum 0,6 ± 0,2 °C 441

auch die Häufigkeit von starken Niederschlagsereignissen in den mittleren <strong>und</strong> höheren Breiten<br />

zugenommen.<br />

Temperaturabweichung [°C] vom Mittelwert 1961-90<br />

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1856 1872 1888 1904 1920 1936 1952 1968 1984 2000<br />

Jahr<br />

Abb. 1: Gemessene jährliche Abweichungen der globalen Durchschnittstemperatur seit 1856 (mit Angabe der<br />

über fünf Jahre gemittelten Werte (ausgezogene Linie) sowie der zehn wärmsten Jahre (weitere Erläuterungen<br />

siehe Text). (Quelle: JONES et al. 2000, WMO 2001)<br />

Seit 1950 hat die Häufigkeit extremer Temperaturtiefstwerte abgenommen, während die Höchstwerte<br />

in etwas geringerem Maße zugenommen haben. Die nächtlichen Tiefsttemperaturen haben sich<br />

durchschnittlich um 0,2°C pro Jahrzehnt erhöht, die Zunahme der täglichen Maxima entspricht etwa<br />

der Hälfte dieses Wertes. Dadurch hat sich die frostfreie Zeit in vielen Gebieten der mittleren <strong>und</strong><br />

höheren Breiten verlängert. Ökologische Konsequenzen dieses Umstandes sollen später noch<br />

eingehender erläutert werden. Schließlich stimmt auch die festgestellte Zunahme der Bewölkung gut<br />

mit der beobachteten Verringerung der täglichen Temperaturspanne überein.<br />

Als weitere Aspekte seien an dieser Stelle der im Verlaufe des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts durchschnittliche<br />

Anstieg des Meeresspiegels um 0,1 bis 0,2 m erwähnt, die Abnahme der Schneebedeckung um 10%<br />

seit Ende der 1960er Jahre sowie die häufiger werdenden <strong>und</strong> länger anhaltenden El Niño-Phänomene<br />

seit Mitte der 1970er Jahre.<br />

Auch wenn bezüglich des einen oder anderen Parameters noch Unsicherheiten über das quantitative<br />

Ausmaß bestehen, so ist doch allen ein einheitlicher Trend in Richtung wärmerer Klimaverhältnisse<br />

gemeinsam.<br />

3 Die Entwicklung globaler Klimaparameter im letzten Jahrtausend<br />

Obwohl die eigentlichen Meßreihen „nur“ eine Zeitspanne von 140 Jahren abdecken, kann mittels<br />

Proxidaten wie Jahrringe, Eisbohrungen <strong>und</strong> historischen Aufzeichnungen die Klimaentwicklung der<br />

vergangenen 1000 Jahre rekonstruiert werden (siehe IPCC 2001a). Auch über diesen Zeitraum<br />

0,6 ± 0,2 °C<br />

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