Nicola Arndt und Matthias Pohl - Neobiota

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22.02.2013 Aufrufe

Anwendung und Auswertung der Karte der natürlichen Vegetation Europas 2005 383-398 Bundesamt für Naturschutz, Bonn Die potentielle natürliche Vegetation unter dem Aspekt der Waldentwicklung und naturnaher Waldbewirtschaftung an ausgewählten Beispielen ost- und mitteleuropäischer Waldgebiete Potential Natural Vegetation with Regard to Forest Development and Ecosystem-based Forest Management: Selected Examples from Eastern and Central European Forest Areas PETER A. SCHMIDT Zusammenfassung Eine PNV im Sinne von TÜXEN (1956), die der Forderung nach Projektion des Schlußwaldstadiums auf den aktuellen Standort bei Ausblendung von Sukzession und Akzeptanz von Florenveränderungen entspricht, ist für die Postulierung von „Zielwäldern“ bei langfristigen Planungen der Waldentwicklung zwar ein Hilfsmittel, aber als solches nicht unmittelbar und nur im Kontext mit weiteren Bedingungen anwendbar. Insbesondere die Ausklammerung der Zeitdimension war Anlaß zu modifizierten Definitionen der PNV (z. B. KAISER & ZACHARIAS 1999) oder Vorschlägen neuer Termini (z. B. natürliches Vegetationspotential - SCHMIDT 1997, standortgemäße potentielle Vegetation – LEUSCHNER 1997). Es werden Beispiele aus ost- und mitteleuropäischen Waldgebieten aufgeführt, die Abweichungen zwischen realer Waldvegetation und potentieller natürlicher Vegetation, Entwicklungstendenzen aktueller Waldbestände sowie Aspekte naturnaher Waldbewirtschaftung im Zusammenhang mit der PNV aufzeigen. Für die Waldbewirtschaftung und -entwicklung ist nur eine Modellvorstellung geeignet, die • die reale Ausgangssituation (geo- und biotopisch, biozönotisch, Baumarten und ihr Reproduktionspotential) beachtet, • die vorhandenen und zu erwartenden Struktur- und Funktionsänderungen im Rahmen der Sukzession zu einer Schlußwaldgesellschaft (Entwicklungspotential) berücksichtigt, • sich als Symbol der Gesamtheit der unter aktuellen und zukünftigen Standortbedingungen möglichen Vegetationsausprägungen versteht. Aber selbst bei einer Integration der Zeitdimension und der Ergebnisse sukzessionaler Prozesse bleiben Unsicherheiten bezüglich des zukünftigen Wandels der Umweltbedingungen und seiner Auswirkungen auf die Waldökosysteme. Deshalb sollten Ziel-Vegetationstypen bzw. -Bestandestypen möglichst so offen sein, daß flexibel auf eintretende Umweltveränderungen reagiert werden kann. Als Leitbilder der Waldbewirtschaftung postulieren sie weniger Endergebnisse, sondern eher Orientierungen („prinzipielle Marschrichtung“, ANDERS & HOFMANN 1996). Außerdem kann es aus Sicht des Waldbaus oder gesellschaftlicher Anforderungen an den Wald Gründe geben, davon abzuweichen. Eine ökologisch orientierte Waldwirtschaft, die prinzipiell naturnahe Wälder und die Nutzung der Naturkräfte anstrebt (vgl. SCHMIDT 1997-98), schließt nicht aus, daß im wirtschaftlichen Interesse, so zur Wertholzerziehung (z. B. Eichen), auch Baumarten gefördert werden, die unter Schlußwaldbedingungen (z. B. Buchenwald) in der Konkurrenz gegenüber anderen Arten unterlegen sind. Außerdem ist zu beachten, daß zukünftig vermutlich Trockenjahre in Häufigkeit und Intensität zunehmen, wodurch Schlußwaldbaumarten wie die Buche benachteiligt, dagegen die Eichen begünstigt werden (BONN 2000). Pinus sylvestris kann zur Nutzholzproduktion nicht nur dort 383

Anwendung <strong>und</strong> Auswertung der Karte der natürlichen Vegetation Europas 2005 383-398 B<strong>und</strong>esamt für Naturschutz, Bonn<br />

Die potentielle natürliche Vegetation unter dem Aspekt der Waldentwicklung <strong>und</strong><br />

naturnaher Waldbewirtschaftung an ausgewählten Beispielen ost- <strong>und</strong> mitteleuropäischer<br />

Waldgebiete<br />

Potential Natural Vegetation with Regard to Forest Development and Ecosystem-based<br />

Forest Management: Selected Examples from Eastern and Central European Forest<br />

Areas<br />

PETER A. SCHMIDT<br />

Zusammenfassung<br />

Eine PNV im Sinne von TÜXEN (1956), die der Forderung nach Projektion des Schlußwaldstadiums<br />

auf den aktuellen Standort bei Ausblendung von Sukzession <strong>und</strong> Akzeptanz von Florenveränderungen<br />

entspricht, ist für die Postulierung von „Zielwäldern“ bei langfristigen Planungen der<br />

Waldentwicklung zwar ein Hilfsmittel, aber als solches nicht unmittelbar <strong>und</strong> nur im Kontext mit<br />

weiteren Bedingungen anwendbar. Insbesondere die Ausklammerung der Zeitdimension war Anlaß zu<br />

modifizierten Definitionen der PNV (z. B. KAISER & ZACHARIAS 1999) oder Vorschlägen neuer<br />

Termini (z. B. natürliches Vegetationspotential - SCHMIDT 1997, standortgemäße potentielle<br />

Vegetation – LEUSCHNER 1997). Es werden Beispiele aus ost- <strong>und</strong> mitteleuropäischen Waldgebieten<br />

aufgeführt, die Abweichungen zwischen realer Waldvegetation <strong>und</strong> potentieller natürlicher<br />

Vegetation, Entwicklungstendenzen aktueller Waldbestände sowie Aspekte naturnaher Waldbewirtschaftung<br />

im Zusammenhang mit der PNV aufzeigen.<br />

Für die Waldbewirtschaftung <strong>und</strong> -entwicklung ist nur eine Modellvorstellung geeignet, die<br />

• die reale Ausgangssituation (geo- <strong>und</strong> biotopisch, biozönotisch, Baumarten <strong>und</strong> ihr<br />

Reproduktionspotential) beachtet,<br />

• die vorhandenen <strong>und</strong> zu erwartenden Struktur- <strong>und</strong> Funktionsänderungen im Rahmen der<br />

Sukzession zu einer Schlußwaldgesellschaft (Entwicklungspotential) berücksichtigt,<br />

• sich als Symbol der Gesamtheit der unter aktuellen <strong>und</strong> zukünftigen Standortbedingungen<br />

möglichen Vegetationsausprägungen versteht.<br />

Aber selbst bei einer Integration der Zeitdimension <strong>und</strong> der Ergebnisse sukzessionaler Prozesse<br />

bleiben Unsicherheiten bezüglich des zukünftigen Wandels der Umweltbedingungen <strong>und</strong> seiner<br />

Auswirkungen auf die Waldökosysteme. Deshalb sollten Ziel-Vegetationstypen bzw. -Bestandestypen<br />

möglichst so offen sein, daß flexibel auf eintretende Umweltveränderungen reagiert werden kann. Als<br />

Leitbilder der Waldbewirtschaftung postulieren sie weniger Endergebnisse, sondern eher<br />

Orientierungen („prinzipielle Marschrichtung“, ANDERS & HOFMANN 1996). Außerdem kann es aus<br />

Sicht des Waldbaus oder gesellschaftlicher Anforderungen an den Wald Gründe geben, davon<br />

abzuweichen. Eine ökologisch orientierte Waldwirtschaft, die prinzipiell naturnahe Wälder <strong>und</strong> die<br />

Nutzung der Naturkräfte anstrebt (vgl. SCHMIDT 1997-98), schließt nicht aus, daß im wirtschaftlichen<br />

Interesse, so zur Wertholzerziehung (z. B. Eichen), auch Baumarten gefördert werden, die unter<br />

Schlußwaldbedingungen (z. B. Buchenwald) in der Konkurrenz gegenüber anderen Arten unterlegen<br />

sind. Außerdem ist zu beachten, daß zukünftig vermutlich Trockenjahre in Häufigkeit <strong>und</strong> Intensität<br />

zunehmen, wodurch Schlußwaldbaumarten wie die Buche benachteiligt, dagegen die Eichen<br />

begünstigt werden (BONN 2000). Pinus sylvestris kann zur Nutzholzproduktion nicht nur dort<br />

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