Nicola Arndt und Matthias Pohl - Neobiota

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22.02.2013 Aufrufe

• Im Ergebnis der vor allem durch inter- und intraspezifische Konkurrenz geführten dynamischen Wechselbeziehungen zwischen Standort und Vegetation bilden sich langlebige Hauptstadien oder „Optimalphasen“ relativer Stabilität aus, die über lange Zeiträume hinweg durch eine hohe Konstanz der Baumartenzusammensetzung charakterisiert sind. Diese ausgelesenen Ökosystemzustände sind Ausdruck gesetzmäßiger Beziehungen zwischen Standort und Vegetation und daher in bestimmten Grenzen vorhersagbar, worauf das Konzept der PNV beruht. • Die Hauptstadien werden abgelöst durch offensichtlich in hohem Maße selbstorganisierte Phasen der Instabilität, in denen sich lokale Störungen zu einer klein- oder großflächigen Desintegration der Ökosystemstrukturen ausweiten, wobei eine hohe Diversität an Individuen, Arten und Strukturen erzeugt wird, aus der heraus die Selbstregeneration einsetzt. • Mit dem erneuten Einsetzen der inter- und intraspezifischen Konkurrenz wird diese Diversität über Selektionsprozesse wieder reduziert, und bei vergleichbaren ökologischen Rahmenbedingungen werden sich erneut Hauptstadien mit ähnlichen Vegetationsstrukturen ausbilden; bei zwischenzeitlich veränderten Rahmenbedingungen können jedoch auch qualitativ neue Strukturen ausgelesen werden. Die spät- und nacheiszeitliche Waldentwicklung Europas vor Zerstörung der Naturwaldstrukturen durch den Menschen kann als eine Abfolge von derartigen Waldentwicklungszyklen verstanden werden, wobei veränderte ökologische Rahmenbedingungen in Form des klimatischen Wandels, des sukzessiven Aufbaus der Stoffkreisläufe und der allmählichen Wiedereinwanderung von Arten zu pollenanalytisch nachgewiesenen, qualitativen und quantitativen Veränderungen der Baumartenzusammensetzung an einem bestimmten Ort auf Zeitskalen von vielen Tausenden von Jahren geführt haben. Die Konstruktion der PNV besteht darin, aufgrund der Kenntnis der heute vorhandenen, vom Menschen mitgestalteten standörtlichen Rahmenbedingungen (z. B. gegebene Wald-Feld- Verteilung oder Fremdstoffeinträge) und der Kenntnis der standörtlichen Ansprüche von und Konkurrenzbeziehungen zwischen heimischen Baumarten wesentliche Eigenschaften sich selbstorganisierender Hauptstadien vorherzusagen. 3 Die Herleitung des natürlichen Waldtyps als Elementareinheit der PNV im ökologischen Zustandsraum Das Modell der PNV beruht auf der Annahme, daß die Vegetation sich in standörtlich ausgelesenen Pflanzengemeinschaften organisiert. Die Existenz dieser Pflanzengemeinschaften ermöglicht die Ableitung von Vegetationstypen, welche die natürliche Ordnung der Vegetation widerspiegeln. Diese Annahme kann bewiesen werden, indem man eine repräsentative Stichprobe der Waldvegetation eines Untersuchungsgebietes in einem hochdimensionalen abstrakten Merkmalsraum darstellt, wobei auf jeder Koordinatenachse dieses abstrakten Raumes die Mengenentfaltung einer der zahlreichen im Gebiet vorkommenden Pflanzenarten aufgetragen ist (JENSSEN 2001). Über eine sogenannte Hauptachsentransformation werden die vielen, den verschiedenen Pflanzenarten entsprechenden Koordinatenachsen des abstrakten Raumes auf wenige neue Koordinatenachsen – die Hauptachsen – reduziert. Trägt man über diesem reduzierten Merkmalsraum eine Häufigkeitsverteilung der Stichprobe auf, so erkennt man eine vielfältige abstrakte „Landschaft“ mit „Bergen“ und „Tälern“ 300

(Abb. 1). Die „Berge“ – also die Maxima der Häufigkeitsverteilung – entsprechen den ausgezeichneten Mustern der Waldvegetation. Sie definieren die Schwerpunkte von Vegetationstypen, deren Ränder unscharf sind. Schließt man die durch Einbringung standortsfremder oder nichtheimischer Baumarten entstandene sekundäre Forstvegetation aus dieser Stichprobe aus, so definieren die Maxima der Häufigkeitsverteilung die Schwerpunkte von natürlichen Waldtypen. Die Herleitung der Waldtypen kann somit im Prinzip ganz ohne Bezug auf bestimmte pflanzensoziologische Gliederungsprinzipien, auf streng empirischer Grundlage mit allgemeinen systemanalytischen Methoden erfolgen. Abb. 1: Häufigkeitsverteilung einer Stichprobe von etwa 650 Vegetationsanalysen aus Buchenwäldern des ostdeutschen Tieflandes, dargestellt als abstrakte Landschaft in einem ökologischen Zustandsraum, der über eine Hauptachsentransformation gewonnen wurde. Für das Konzept der PNV und seine praktische Anwendung ist es von entscheidender Bedeutung, daß den Hauptachsen des vegetationsstrukturellen Merkmalsraumes eine ökologische Bedeutung zugeordnet werden kann, daß sie also gewissermaßen ökologische Koordinaten der verschiedenen Waldtypen definieren. Unter Nutzung vorhandener Zeigerwertmodelle der Vegetation kann aus dem vegetationsstrukturellen Merkmalsraum über einfache Regressionsbeziehungen ein ökologischer Zustandsraum abgeleitet werden, wobei Bodennährkraft, Feuchte sowie Strahlungsgewinn und Wärme solche ökologischen Koordinaten darstellen, die zwischen den Waldtypen in starkem Maße differenzieren (JENSSEN 2001). Im Ergebnis kann man aus den Stichproben-Häufigkeitsverteilungen Ökogramme berechnen, in denen die verschiedenen Waldtypen dargestellt sind (Abb. 2). Diese Waldtypen stellen die Elementareinheiten der PNV dar, die ihrerseits zu den Vegetationskomplexen zusammengefaßt werden können, die auf der Europakarte der PNV ausgewiesen sind. 301

• Im Ergebnis der vor allem durch inter- <strong>und</strong> intraspezifische Konkurrenz geführten dynamischen<br />

Wechselbeziehungen zwischen Standort <strong>und</strong> Vegetation bilden sich langlebige Hauptstadien oder<br />

„Optimalphasen“ relativer Stabilität aus, die über lange Zeiträume hinweg durch eine hohe<br />

Konstanz der Baumartenzusammensetzung charakterisiert sind. Diese ausgelesenen<br />

Ökosystemzustände sind Ausdruck gesetzmäßiger Beziehungen zwischen Standort <strong>und</strong><br />

Vegetation <strong>und</strong> daher in bestimmten Grenzen vorhersagbar, worauf das Konzept der PNV beruht.<br />

• Die Hauptstadien werden abgelöst durch offensichtlich in hohem Maße selbstorganisierte Phasen<br />

der Instabilität, in denen sich lokale Störungen zu einer klein- oder großflächigen Desintegration<br />

der Ökosystemstrukturen ausweiten, wobei eine hohe Diversität an Individuen, Arten <strong>und</strong><br />

Strukturen erzeugt wird, aus der heraus die Selbstregeneration einsetzt.<br />

• Mit dem erneuten Einsetzen der inter- <strong>und</strong> intraspezifischen Konkurrenz wird diese Diversität<br />

über Selektionsprozesse wieder reduziert, <strong>und</strong> bei vergleichbaren ökologischen<br />

Rahmenbedingungen werden sich erneut Hauptstadien mit ähnlichen Vegetationsstrukturen<br />

ausbilden; bei zwischenzeitlich veränderten Rahmenbedingungen können jedoch auch qualitativ<br />

neue Strukturen ausgelesen werden.<br />

Die spät- <strong>und</strong> nacheiszeitliche Waldentwicklung Europas vor Zerstörung der Naturwaldstrukturen<br />

durch den Menschen kann als eine Abfolge von derartigen Waldentwicklungszyklen verstanden<br />

werden, wobei veränderte ökologische Rahmenbedingungen in Form des klimatischen Wandels, des<br />

sukzessiven Aufbaus der Stoffkreisläufe <strong>und</strong> der allmählichen Wiedereinwanderung von Arten zu<br />

pollenanalytisch nachgewiesenen, qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Veränderungen der<br />

Baumartenzusammensetzung an einem bestimmten Ort auf Zeitskalen von vielen Tausenden von<br />

Jahren geführt haben.<br />

Die Konstruktion der PNV besteht darin, aufgr<strong>und</strong> der Kenntnis der heute vorhandenen, vom<br />

Menschen mitgestalteten standörtlichen Rahmenbedingungen (z. B. gegebene Wald-Feld-<br />

Verteilung oder Fremdstoffeinträge) <strong>und</strong> der Kenntnis der standörtlichen Ansprüche von <strong>und</strong><br />

Konkurrenzbeziehungen zwischen heimischen Baumarten wesentliche Eigenschaften sich<br />

selbstorganisierender Hauptstadien vorherzusagen.<br />

3 Die Herleitung des natürlichen Waldtyps als Elementareinheit der PNV im<br />

ökologischen Zustandsraum<br />

Das Modell der PNV beruht auf der Annahme, daß die Vegetation sich in standörtlich ausgelesenen<br />

Pflanzengemeinschaften organisiert. Die Existenz dieser Pflanzengemeinschaften ermöglicht die<br />

Ableitung von Vegetationstypen, welche die natürliche Ordnung der Vegetation widerspiegeln. Diese<br />

Annahme kann bewiesen werden, indem man eine repräsentative Stichprobe der Waldvegetation eines<br />

Untersuchungsgebietes in einem hochdimensionalen abstrakten Merkmalsraum darstellt, wobei auf<br />

jeder Koordinatenachse dieses abstrakten Raumes die Mengenentfaltung einer der zahlreichen im<br />

Gebiet vorkommenden Pflanzenarten aufgetragen ist (JENSSEN 2001). Über eine sogenannte<br />

Hauptachsentransformation werden die vielen, den verschiedenen Pflanzenarten entsprechenden<br />

Koordinatenachsen des abstrakten Raumes auf wenige neue Koordinatenachsen – die Hauptachsen –<br />

reduziert. Trägt man über diesem reduzierten Merkmalsraum eine Häufigkeitsverteilung der<br />

Stichprobe auf, so erkennt man eine vielfältige abstrakte „Landschaft“ mit „Bergen“ <strong>und</strong> „Tälern“<br />

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