S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
242<br />
<strong>Leitlinie</strong><br />
Tab. E-7 Konsensusstärke.<br />
starker Konsens Zustimmung von > 95% der Teilnehmer<br />
Konsens Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer<br />
mehrheitliche<br />
Zustimmung<br />
Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer<br />
kein Konsens Zustimmung von weniger als 50% der Teilnehmer<br />
Tag der Konsensuskonferenz wurden alle Empfehlungen im<br />
Plenum diskutiert und gegebenenfalls erneut überarbeitet. Die<br />
Abstimmung erfolgte anonym über ein TED-System. Die Konsensusstärke<br />
ist in der gedruckten <strong>Leitlinie</strong> zusammen mit<br />
dem Empfehlungssgrad und der Empfehlungssärke angegeben<br />
(●▶ Tab. E-7). Die Statements zur <strong>Pathophysiologie</strong> und Epidemiologie<br />
wurden auf der Konsensuskonferenz ebenfalls vorgestellt,<br />
aber nur in Teilen diskutiert. Dementsprechend ist hier<br />
auch keine Konsensusstärke angegeben.<br />
Einzelne Empfehlungen, die nach der oben genannten Fragebogenrunde<br />
mindestens 95% Zustimmung erhielten, wurden zum<br />
Großteil ohne erneute Abstimmung im Plenum übernommen.<br />
Wo die AG dennoch eine Umformulierung für notwendig hielt,<br />
wurde eine zweite Fragebogenrunde durchgeführt.<br />
Nachdem die AGs Kommentare zu den Empfehlungen erstellt<br />
hatten, wurden diese von Dr. MSc V. Andresen und Prof. Dr.<br />
P. Layer in einem Manuskript zusammengefasst. Das Manuskript<br />
wurde von allen beteiligten Fachgesellschaften kommentiert<br />
und autorisiert.<br />
Ein ausführlicher Methodenreport zu dieser <strong>Leitlinie</strong> ist online<br />
im <strong>Leitlinie</strong>nregister der AWMF (http://www.awmf.org/leitlinien)<br />
publiziert.<br />
Teil II – Grundlagen<br />
!<br />
Kapitel 1 – <strong>Definition</strong> und Epidemiologie<br />
1 – 1: <strong>Definition</strong> und Epidemiologie des RDS bei Erwachsenen<br />
(AG 1)<br />
Statement 1-1-1: <strong>Definition</strong><br />
Die Krankheit des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s (RDS; Irritable Bowel Syndrome/IBS)<br />
liegt vor, wenn alle 3 Punkte erfüllt sind.<br />
[Starker Konsens]<br />
1. Es bestehen chronische, d. h. länger als 3 Monate 2 anhaltende<br />
Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patient<br />
und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel<br />
mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.<br />
2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen<br />
Hilfe sucht und/oder sich sorgt und so stark sein, dass die Lebensqualität<br />
hierdurch relevant beeinträchtigt wird.<br />
3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen<br />
Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich<br />
für diese Symptome verantwortlich sind.<br />
2 Eine Symptomdauer > 2 – 3 Wochen, aber < 3 Monate rechtfertigt noch<br />
nicht die Diagnose eines <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s [9]. Dennoch gelten die Empfehlungen<br />
zum Management (Diagnostik, Therapie) des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s<br />
auch für diese Patienten, denn auch diese Patienten bedürfen einer<br />
diagnostischen Abklärung und können therapeutisch nicht vertröstet werden.<br />
Eine Symptomdauer < 2 – 3 Wochen ist hingegen nicht Gegenstand<br />
der aktuellen <strong>Leitlinie</strong>n.<br />
Layer P et al. <strong>S3</strong>-<strong>Leitlinie</strong> zur <strong>Definition</strong>,… Z Gastroenterol 2011; 49: 237 –293<br />
Kommentar<br />
Die bisherigen <strong>Definition</strong>en (Manning [10], Kruis [11], Rom I<br />
[12], Rom II [13], Rom III [14], siehe auch Appendix III) weisen<br />
grundlegende Schwächen auf und bilden die klinische Realität<br />
in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend ab:<br />
▶ Sie sind allenfalls unvollständig validiert.<br />
▶ Sie basieren auf dem Postulat einer (rein) symptombasierten<br />
Diagnosestellung (d.h. ohne zusätzliche Ausschlussdiagnostik).<br />
Tatsächlich sind die Symptome des RDS unspezifisch, zeigen<br />
eine zeitliche Variabilität und überlappen mit anderen organischen<br />
oder funktionellen Erkrankungen. Entsprechend<br />
konnte bisher keine einheitliche <strong>Pathophysiologie</strong> des RDS<br />
nachgewiesen werden [1, 10, 15 –20].<br />
▶ Das generell als obligat geforderte typische Symptom-Cluster<br />
„Bauchschmerzen plus Stuhlgangveränderungen“ findet sich<br />
nur bei Untergruppen der Reizdarmpatienten. Im Gegensatz<br />
dazu steht bei vielen Patienten der Symptomkomplex „Blähungen/abdominelle<br />
Distension“ als belastend im Vordergrund,<br />
wurde aber von bisherigen <strong>Definition</strong>en nicht ausreichend<br />
abgebildet.<br />
▶ Der Schweregrad der Symptome wurde in keiner <strong>Definition</strong><br />
berücksichtigt. Somit konnte das <strong>Reizdarmsyndrom</strong> bisher<br />
nur ungenügend von banalen Verdauungssymptomen abgegrenzt<br />
werden. Es ist davon auszugehen, dass hierdurch u. a.<br />
überschätzte Prävalenzraten resultierten.<br />
▶ Auffällige Untersuchungsergebnisse schlossen ein <strong>Reizdarmsyndrom</strong><br />
generell aus. Dieses Vorgehen ist angesichts der sich<br />
mehrenden Nachweise von verschiedenen pathophysiologischen<br />
Veränderungen des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s nicht mehr<br />
haltbar (z.B. Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten oder<br />
Mastzellen, Alterationen der Zytokin-Expression etc.; siehe<br />
Kapitel 2 und●▶ Tab. 2-1). Vielmehr sollten nur solche Auffälligkeiten<br />
zum Ausschluss eines <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s führen,<br />
die bereits klar einer anderen Erkrankung zugeordnet sind<br />
und die gleichzeitig auch die Symptome erklären können<br />
(z.B. Granulome mit der Folge einer Morbus-Crohn-Diagnose<br />
als wahrscheinliche Ursache der Beschwerden).<br />
Aus diesem Grunde empfiehlt die Deutsche <strong>Leitlinie</strong>ngruppe<br />
bei der <strong>Definition</strong> des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s<br />
1. sämtliche auf den Darm bezogene Beschwerden einzubeziehen<br />
und dabei auf eine obligate Symptomkombination zu verzichten,<br />
2. eine relevante Beeinträchtigung durch die Beschwerden zu<br />
fordern,<br />
3. definierte andere Erkrankungen, die sich mit einem ähnlichen<br />
Beschwerdebild manifestieren können, möglichst verlässlich<br />
auszuschließen. Umgekehrt ist die Diagnose RDS nur bei solchen<br />
Befundauffälligkeiten zu verlassen, wenn diese offensichtlich<br />
Ausdruck einer anderen definierten Erkrankung sind.<br />
Statement 1-1-2: Geschichtliche Entwicklung<br />
Der Begriff des <strong>Reizdarmsyndrom</strong>s hat sich aus anekdotischen<br />
symptomenbezogenen Berichten über Patienten mit chronisch<br />
wiederkehrenden Abdominalbeschwerden assoziiert mit verändertem<br />
Stuhlverhalten entwickelt.<br />
Kommentar<br />
Bereits vor 3000 Jahren beschrieb Hippokrates einen Patienten<br />
mit Abdominalbeschwerden, verändertem Stuhlverhalten, Blähungen<br />
und Stuhldrang [21]. Unter den nachfolgenden Berich-<br />
Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.