S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
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264<br />
<strong>Leitlinie</strong><br />
Eliminationsdiäten erfordern Verlaufskontrollen zur Vermeidung<br />
von Mangelernährung und sollen nur bei Therapieansprechen<br />
dauerhaft durchgeführt werden.<br />
[Evidenzgrad C, Empfehlungsstärke ↑↑, Konsens]<br />
Kommentar<br />
Dieses Statement zielt auf Patienten ab, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />
überzeugend und wiederholt angeben, ohne<br />
dass eine Nahrungsmittelallergie, eine Kohlenhydratmalabsorption<br />
oder eine Zöliakie nach anerkannten diagnostischen<br />
Kriterien nachgewiesen werden konnte. Die zweite Aussage<br />
des Statements beruht auf einer einzelnen, nicht randomisierten<br />
Studie, in der an 145 Patienten mit RDS-D gezeigt wurde,<br />
dass eine glutenfreie Kost zu einer Verbesserung der Beschwerde-Symptomatik<br />
sowie der Stuhlfrequenz führt [288],<br />
wobei die zugrunde liegenden Mechanismen unklar sind.<br />
Dazu gehören auch Patienten mit RDS, die gleichzeitig deutlich<br />
erhöhte Serum-Titer von IgG gegen Nahrungsproteine aufweisen.<br />
Diese Konstellation wird beobachtet, weil viele Betroffene<br />
aus eigenem Antrieb eine „IgG-Diagnostik“ initiieren. In diesen<br />
Fällen kann, insbesondere wenn die Symptomatik nicht auf die<br />
etablierte Pharmakotherapie anspricht, für einen begrenzten<br />
Zeitraum die Elimination von Nahrungsmitteln, die zu erhöhten<br />
IgG-Titern führen, versucht werden. Dies sollte allerdings<br />
nur bei dauerhaftem Therapieansprechen fortgeführt werden.<br />
Hintergrund für diesen Hinweis ist eine gewisse Studienlage,<br />
die für eine Besserung der RDS-Symptomatik nach Elimination<br />
von Nahrungsmitteln, für die hohe IgG-Titer gemessen wurden,<br />
spricht [307, 308, 373]. Beispielsweise wurden in einer<br />
unkontrollierten Kohorten-Studie an 25 Patienten mit RDS<br />
Nahrungsmittel mit einem IgG-4-Titer > 250 µg/l eliminiert.<br />
Nach 3 und 6 Monaten zeigte sich eine signifikante Besserung<br />
der Abdominalbeschwerden unter Einschluss des Schmerzes<br />
[307]. Dies wurde in neueren Studien bestätigt: In einer Pilotstudie<br />
an 20 Patienten, die auf eine Pharmakotherapie refraktär<br />
waren, wurden auf der Basis von IgG-Ak Nahrungsmittel<br />
eliminiert und eine Rotationsdiät durchgeführt. Es zeigte sich<br />
eine nachhaltige Besserung der Reizdarmsymptomatik über<br />
1 Jahr [309]. In einer Fallkontrollstudie an 58 therapierefraktären<br />
Patienten mit RDS wurden 36 Patienten einer Fastentherapie,<br />
22 einer Pharmakotherapie plus Psychotherapie zugeführt.<br />
Die Fastentherapie führte zu einem besseren<br />
symptomatischen Ergebnis [351]. Hintergrund des Benefits<br />
von Eliminationsdiäten basierend auf IgG-Titern ist weniger<br />
wahrscheinlich ein allergisch/immunologischer Mechanismus<br />
wie bei der Nahrungsmittelallergie, sondern eher eine gestörte<br />
Darmbarriere, die zu einem Anstieg von IgG-Ak gegen Nahrungsproteine<br />
führen kann. Bei Fortsetzung der Therapie wegen<br />
guten klinischen Ansprechens muss eine Mangelernährung<br />
im Verlauf ausgeschlossen werden.<br />
Dies bedeutet nicht, dass es eine Empfehlung gibt für die Messung<br />
von IgG bzw. IgG4 bei Erwachsenen mit RDS und V. a.<br />
Nahrungsmittelunverträglichkeit. Im Gegenteil, die allergologischen<br />
Fachgesellschaften auf nationaler und europäischer Ebene<br />
lehnen eine Empfehlung solcher Diagnostik nach dem aktuellen<br />
Stand des Wissens explizit ab [310], was nicht<br />
verhindert, dass Betroffene aus eigenem Antrieb eine solche<br />
Diagnostik initiieren und danach häufig einen Stellungnahme<br />
des Arztes erwarten.<br />
Layer P et al. <strong>S3</strong>-<strong>Leitlinie</strong> zur <strong>Definition</strong>,… Z Gastroenterol 2011; 49: 237 –293<br />
Tab. 5-1 Evidenzgrade unterschiedlicher Probiotika-Stämme in Abhängigkeit<br />
des prädominanten RDS-Symptoms.<br />
Probiotika-Stamm RDS<br />
Schmerz/<br />
Bläh-Typ<br />
III. Spezielle diätetische Interventionen: Probiotika, Ballaststoffe<br />
und Nahrungsergänzungsmittel<br />
Statement 5-1-7<br />
RDS<br />
Schmerztyp<br />
Bifidobacterium infantis<br />
35624<br />
B<br />
Bifidobacterium animalis ssp.<br />
lactis DN-173010<br />
B C<br />
Lactobacillus casei Shirota B B<br />
Lactobacillus<br />
plantarum<br />
C<br />
Lactobacillus rhamnosus GG B1 E. coli Nissle 1917 C<br />
Kombinationspräparate<br />
1 Nur an Kindern gezeigt.<br />
C<br />
RDS<br />
Obstipationstyp<br />
Ausgewählte Probiotika können in der Behandlung des RDS eingesetzt<br />
werden, wobei die Wahl des Stammes nach der Symptomatik<br />
erfolgt.<br />
[Evidenzgrad A 4 , Empfehlungsstärke ↑, starker Konsens]<br />
Einzelheiten zum Evidenzgrad bestimmter Probiotika●▶ Tab. 5-1.<br />
Kommentar<br />
Das Thema Probiotika und RDS ist in weiten Kreisen der Ärzteschaft<br />
ein kontroverses Thema, was gleichermaßen auf unberechtigte<br />
Vorbehalte wie auf ungenügende Studienlage zurückzuführen<br />
ist. Die neuere Literatur macht deutlich, dass nicht<br />
generell gesagt werden kann, dass Probiotika zur Therapie<br />
des RDS wirksam oder nicht wirksam sind, sondern dass differenziert<br />
werden muss, welche probiotischen Spezies bzw. welcher<br />
Stamm bei welcher Patientengruppe nachweislich wirksam<br />
oder unwirksam ist. Durch eine solche differenzierte<br />
Betrachtungsweise wird die Materie komplexer, aber auch realistischer,<br />
und vermeintliche Widersprüche können teilweise<br />
erklärt werden [374]. Jedenfalls liegen inzwischen auf randomisierten<br />
kontrollierten Studien (RCT) basierende Metaanalysen<br />
und systematische Reviews vor [375–377], die trotz aller<br />
methodischer Limitationen einzelner Studien zeigen, dass bestimmte<br />
Probiotika wie B. infantis in der Mehrzahl der vorliegenden<br />
RCT wirksam sind [375]. Aufgrund der methodischen<br />
Limitationen wurde der Evidenzgrad dennoch von A nach B<br />
abgestuft.<br />
Einzele RCT liegen auch für andere Probiotikaspezies vor wie<br />
B. animalis [378], Lactobacillus casei Shirota [379], Lactobacillus<br />
plantarum [380 –382]. Betont werden muss auch, dass die<br />
Statements nicht exkludieren, dass andere als die genannten<br />
probiotischen Stämme da und dort wirksam sein können,<br />
aber die evidenzbasierte Medizin kann sich nur auf solche beziehen,<br />
für die eine entsprechende Studienlage bereits vorliegt.<br />
4 Anmerkung: Der Evidenzgrad A gründet sich auf positive Metaanalysen<br />
zum Einsatz von Probiotika beim RDS. Allerdings wurden in den Studien,<br />
die in den Metaanalysen getestet wurden, z. T. unterschiedliche Probiotikastämme<br />
untersucht, was erklärt, dass die Studienlage für einzelne Probiotikastämme<br />
weniger eindeutig ist, wie die Tab. 5-1 zeigt.<br />
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