S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie ... - DGVS
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zu der Hypothese, dass bei RDS-Patienten eine Aktivierung des<br />
mukosalen angeboren Immunsystems gegen eine proinflammatorische<br />
Antwort vorliegt.<br />
Im Stuhl von RDS-Patienten (Durchfall-prädominanter Typ)<br />
wurden erhöhte Proteasekonzentrationen (Serinproteasen) gemessen<br />
[167]. Proteasen in Stuhlüberständen von RDS-Patienten<br />
induzieren im Tiermodell viszerale Nozizeption durch PAR-<br />
2(Protease activated receptor)-Aktivierung [167, 168]. Die Proteasen<br />
in Stuhlüberständen von Colitis-ulcerosa-Patienten führen<br />
im gleichen Tiermodell zu einer viszeralen Hyposensitivität<br />
durch PAR-4-Aktivierung.<br />
Eine erhöhte proteolytische Aktivität zeigte sich in Schleimhautbiopsien<br />
von RDS-Patienten [169]. Überstände dieser Schleimhautbiopsien<br />
aktivieren sensorische Nervenfasern der Darm-<br />
Hirn-Achse (sehr wahrscheinlich Schmerzfasern) durch Stimulation<br />
von PAR-2-Rezeptoren. PAR-2-Aktivierung im Darmepithel<br />
könnte durch Permeabilitätserhöhung zu einer Barrieredysfunktion<br />
beitragen. Die erhöhte Expression von Trypsinogen IV in<br />
der Schleimhaut von RDS-Patienten könnte Grundlage einer vermehrten<br />
PAR-2-Stimulation bei RDS-Patienten sein [170].<br />
PBMC (periphere mononukleäre Blutzellen) von RDS Patienten<br />
weisen ein proinflammatorisches Zytokinprofil auf [171, 172].<br />
PBMC-Überstände von Patienten mit postinfektiösem RDS<br />
(RDS-D entsprechend den Rom-III-Kriterien) aktivieren mechanosensitive<br />
viszerale Afferenzen [173]. PBMC-Überstände von<br />
Kontrollpatienten hemmen dagegen die Aktivität der mechanosensitiven<br />
mukosalen Afferenzen.<br />
Campylobacter jejuni ist ein bekannter Bakterienstamm, der einer<br />
der häufigsten Auslöser einer akuten Gastroenteritis ist. An<br />
diese kann sich bei genetisch prädisponierten Patienten im Anschluss<br />
ein RDS entwickeln. Die Pathogenese dieser Erkrankung<br />
ist jedoch noch nicht komplett verstanden. Es konnte jedoch gezeigt<br />
werden, dass eine basolaterale Infektion mit C. jeuni eine<br />
raschere Reduktion des transepithelialen elektrischen Widerstands<br />
und eine erhöhte Sekretion von IL-8 als bei der apikalen<br />
Infektion bewirkt. Damit gibt es Hinweise, dass durch die „Vorschädigung“<br />
die Barrierefunktion der Darmepithelien bereits verändert<br />
zu sein scheint. Darüber hinaus zeigte sich eine erhöhte<br />
Expression des Chemokins IL-8. Beides zusammen scheint auch<br />
die Entwicklung eines RDS zu beeinflussen [174].<br />
Bei schweren Formen von RDS wurde eine enterische Ganglionitis<br />
beschrieben [175].<br />
Statement 2-1-4<br />
Die RDS-Symptomatik kann durch einen enteralen Infekt ausgelöst<br />
werden und kann über Wochen, Monate und Jahre persistieren.<br />
Kommentar<br />
Der epidemiologische Zusammenhang wurde in mehreren Studien<br />
belegt [176 –178]. Histologisches Korrelat ist eine vermehrte<br />
Infiltration der Submukosa mit ECL-Zellen und CD 8-<br />
Lymphozyten [179].<br />
Statement 2-1-5<br />
Bei RDS-Patienten finden sich Alterationen serotonerger Mechanismen<br />
auf der Substrat- und Rezeptor-Ebene.<br />
Kommentar<br />
Bei RDS wurden prä- und postprandial Änderungen des Serotoninspiegels<br />
bzw. der Serotoninmetaboliten im Blut beschrieben.<br />
Patienten mit RDS-D haben prä- und postprandial erhöhte Serotoninplasmaspiegel,<br />
sehr wahrscheinlich als Konsequenz<br />
eines reduzierten Serotoninmetabolismus bzw. einer reduzierten<br />
Wiederaufnahme von Serotonin [180]. Dagegen zeigen<br />
Patienten mit RDS-O keinen erhöhten 5-HT-Plasma-Spiegel<br />
nach einer Mahlzeit, sehr wahrscheinlich als Konsequenz einer<br />
reduzierten 5-HT-Freisetzung [180].<br />
RDS-Patienten weisen veränderte mukosale Serotoninspiegel<br />
auf, ohne dass die Serotonin-Rezeptorexpression verändert ist<br />
[170, 181]. Eine Mutationsanalyse der untranslatierten Genbereiche<br />
(UTR) der Serotonin-Rezeptor-3-Untereinheiten 5-HT3A<br />
und 5-HT3E ergab eine Assoziation zwischen der 5-HT3E 3’-<br />
UTR-Variante c.*76G > A und weiblichen RDS-Patienten mit<br />
RDS-D [182]. Patienten mit PI-RDS weisen eine Hyperplasie serotoninproduzierender<br />
enterochromaffiner Zellen auf [179,<br />
183, 184].<br />
RDS-Patienten zeigen Änderungen der Serotonin-Wiederaufnahme-Transporter(SERT)-Expression.<br />
Außerdem besteht möglicherweise<br />
eine Assoziationen zwischen RDS und SERT-Polymorphismen<br />
[170, 181, 185, 186].<br />
Statement 2-1-6<br />
Bei RDS-Patienten findet sich eine erhöhte Innervation der<br />
Schleimhaut.<br />
Kommentar<br />
In Schleimhautbiopsien von RDS-Patienten wurde eine erhöhte<br />
Dichte von Nervenfasern, sehr wahrscheinlich von Nervenzellen<br />
des enterischen Nervensystems, beschrieben [187, 188].<br />
In Rektumschleimhautbiopsien und im Plasma von RDS-Patienten<br />
wurden erhöhte Spiegel des Neuropeptids Vasoaktives-Intestinales-Peptid<br />
gefunden [189].<br />
In Rektumschleimhaubiopsien wurde eine erhöhte Expression<br />
des von sensorischen Nervenfasern exprimierten Rezeptors<br />
Transient Receptor Potential Vanniloid Receptor 1 (TRPV1) gefunden<br />
[187]. Es war ebenfalls die Dichte Substanz-P-haltiger<br />
Nervenfasern erhöht [187]. Diese histologischen Befunde könnten<br />
die erhöhte Sensitivität von RDS-Patienten auf Chili und<br />
dessen Inhaltsstoff Capsaicin erklären [190], welcher den<br />
TRPV1-Rezeptor aktiviert.<br />
Statement 2-1-7<br />
<strong>Leitlinie</strong> 249<br />
Verändertes Schleimhaut-Mediatorprofil bei RDS führt zur Aktivierung<br />
des enterischen Nervensystems und der primär afferenten<br />
(nozizeptiven) Nerven.<br />
Kommentar<br />
Schleimhaut-Biopsieüberstände von RDS-Patienten aktivieren<br />
viszerale Afferenzen [188] und enterische Nervenzellen [191].<br />
Schleimhautbiopsieüberstände von RDS-Patienten induzieren<br />
in einem Mausmodell viszerale und somatische Nozizeption<br />
[169].<br />
An o. g. Effekten sind insbesondere Proteasen beteiligt, die<br />
entweder von der Mikrobiota oder Entzündungszellen freige-<br />
Layer P et al. <strong>S3</strong>-<strong>Leitlinie</strong> zur <strong>Definition</strong>,… Z Gastroenterol 2011; 49: 237 –293<br />
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