Hoffnung im Zerbruch - Christengemeinde
Hoffnung im Zerbruch - Christengemeinde
Hoffnung im Zerbruch - Christengemeinde
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Hoffnung</strong> <strong>im</strong> <strong>Zerbruch</strong><br />
Demetri Betts kam <strong>im</strong> Gefängnis zur Welt, hat mit Drogen gedealt, als Model<br />
gearbeitet, wurde vom Waisenkind zum gefeierten Star. Heute tourt Demetri<br />
Betts mit seiner Musik durch Europa, engagiert sich für die europäische Jugend<br />
sowie Straßenkinder in Brasilien und führt Kampagnen gegen Gewalt<br />
und Selbstmord durch.<br />
Ich war schon eine ganze Weile <strong>im</strong><br />
Land, wo Milch und Honig fließen –<br />
so schien es mir. Es kam mir so vor, als<br />
würde alles, was ich anfasste, zu Gold.<br />
Ich war so gesegnet, mit einer wunderbaren<br />
Frau, einem wunderschönen<br />
Zuhause, einem bequemen Auto, einer<br />
erfolgreichen Karriere und Familie und<br />
Freunden, die mich wirklich lieben.<br />
Ich hatte <strong>im</strong>mer ein Lächeln auf den<br />
Lippen, und das aus gutem Grund. Ich<br />
habe Wunder gesehen, und manchmal<br />
erlaubte es mir Gott, ein Teil davon zu<br />
sein, ein Werkzeug in seiner Hand zu<br />
sein, während er Unglaubliches tat.<br />
Doch dann, vor ein paar Wochen, ist<br />
mein Leben völlig auseinandergefallen.<br />
Ich hatte die härteste Zeit meines Lebens.<br />
Tief in meinem – Pastor Demetri<br />
Betts – Inneren tobte der dritte Weltkrieg.<br />
Es begann damit, dass einer meiner<br />
besten Freunde, den ich wie einen<br />
Bruder geliebt habe, mein Vertrauen<br />
missbraucht hat. Fast alles, was er mir<br />
über sich, über seine Familie, seine<br />
Arbeit, seine Vergangenheit und seine<br />
Träume erzählt hatte, entpuppte sich<br />
als Lüge. Ich hab ihm mein Zuhause<br />
geöffnet, meine Familie, und er kam<br />
wie ein Tornado über mich und alles,<br />
was mir lieb war und hat ein einziges<br />
Chaos hinterlassen. Ich war am Boden<br />
zerstört, durcheinander und völlig<br />
kraftlos.<br />
Als wäre das nicht schon hart genug,<br />
erfuhr ich nur ein paar Tage später<br />
über facebook, dass mein Patensohn<br />
Thomas gestorben war. Ich hatte ihn<br />
4<br />
gerade zwei Wochen zuvor in Amerika<br />
besucht. Und jetzt war er tot. Drogenüberdosis.<br />
Thomas war wie mein eigener<br />
Sohn gewesen. Ich habe ihn kennengelernt,<br />
als er 13 Jahre alt war. Er kam aus<br />
schwierigen Familienverhältnissen, war<br />
schlecht in der Schule. Seine Mutter gab<br />
ihr Bestes, konnte aber keinen Job lange<br />
behalten. Sein Vater war eigentlich<br />
nie da für ihn, weil er wegen Mordes<br />
<strong>im</strong> Gefängnis saß. Und da kam ich ins<br />
Spiel. Ich übernahm in Thomas Leben<br />
die Rolle des Vaters. Ich nahm ihn bei<br />
mir zu Hause auf. Zu diesem Zeitpunkt<br />
wohnten bereits fünf andere Jungs aus<br />
schwierigen Verhältnissen bei mir zu<br />
Hause. Wir waren wie eine richtige Familie.<br />
Die Jungs hatten viel Zeit zum<br />
skateboarden (ich kaufte Thomas fast<br />
jede Woche ein neues Skateboard, weil<br />
der Verschleiß so groß war), wir gingen<br />
zusammen ins Kino, machten Ausflüge<br />
ans Meer, gingen jeden Sonntag zur<br />
Kirche, und ich tat alles, um die Jungs<br />
von Drogen fernzuhalten und dafür zu<br />
sorgen, dass sie mental und geistlich<br />
gesund blieben und sich auf die guten<br />
Dinge <strong>im</strong> Leben konzentrierten. Ich<br />
liebte diese Jungs und mein Haus war<br />
wie eine Oase für sie.<br />
Als Damaris in mein Leben kam, hat<br />
Thomas sie zuerst als Bedrohung angesehen<br />
und kein Wort mit ihr geredet.<br />
Erst, als wir ihn mit nach Brasilien nahmen,<br />
wo wir dabei waren, unsere Arbeit<br />
unter Straßenkindern aufzubauen,<br />
fasste er Vertrauen zu ihr. Wegen meiner<br />
Ehe und meiner neuen Berufung<br />
musste ich leider das Haus mit den<br />
Jungs in Amerika aufgeben. Aber wir<br />
nahmen all die Jungs für eine Zeit nach<br />
Brasilien mit. Thomas war unglaublich<br />
gut <strong>im</strong> Umgang mit den Straßenkindern.<br />
Er liebte sie ohne Vorurteile.<br />
Ich war so stolz auf ihn. Ich versuchte,<br />
Thomas überallhin mitzunehmen, auf<br />
all meine Reisen nach Brasilien, nach<br />
Deutschland und in die Schweiz. Aber<br />
leider konnte Thomas <strong>im</strong>mer nur so<br />
lange bleiben, bis das Visum ablief.<br />
Dann musste er wieder nach Amerika<br />
zurückkehren. Das war nicht einfach.<br />
Sein Leben geriet <strong>im</strong>mer mehr außer<br />
Kontrolle. Er wurde ständig verhaftet.<br />
Er brauchte <strong>im</strong>mer Geld für irgendetwas<br />
und natürlich schickte ich ihm<br />
<strong>im</strong>mer alles, was er brauchte. Er wurde<br />
<strong>im</strong>mer depressiver. Ich redete mit ihm<br />
am Telefon und machte ihm Mut, wieder<br />
zur Kirche zu gehen und sich mit<br />
Leuten anzufreunden, die Gott in ihrem<br />
Leben hatten. Er versprach es mir jedes<br />
Mal. Aber ich weiß nicht, ob er es wirklich<br />
tat. Ich hätte alles getan, um seine<br />
Depression wegzunehmen, aber ich<br />
schaffte es nicht. Und hier war ich also,<br />
der große internationale Pastor, der<br />
die Welt rettet, und ich konnte nichts<br />
gegen die Depression meines eigenen<br />
Sohnes unternehmen. Ich kriege hunderte<br />
von e-mails von Leuten, die mir<br />
schreiben, dass meine Worte sie davon<br />
abgebracht haben, sich das Leben zu<br />
nehmen. Aber ich fand keine Worte,<br />
um meinem eigenen Sohn zu helfen.<br />
Immer, wenn ich Thomas besuchte,<br />
trank er sehr viel. Und <strong>im</strong>mer war er in<br />
das Thema<br />
Demetri Betts und Thomas<br />
Geldnot. Ich half ihm so gut ich konnte,<br />
und auch seiner Familie.<br />
Vor einem Monat war ich wieder in<br />
Amerika. Thomas war so high von<br />
Drogen, dass es mir Angst machte.<br />
Ich nahm ihn mit in ein Restaurant,<br />
doch er sagte, er hätte keinen Hunger<br />
und bestellte sich nur ein paar Bier. Er<br />
dankte mir so sehr für meinen Besuch.<br />
Ich verstand gar nicht, warum er mir so<br />
sehr dankte. Ich hatte vor elf Jahren die<br />
Rolle seines Vaters übernommen und<br />
nahm das noch <strong>im</strong>mer sehr ernst. Ich<br />
fragte ihn, warum er so depressiv und<br />
traurig sei. Er sagte mir, er wüsste nicht<br />
warum. Dann begann er plötzlich zu<br />
weinen, mitten in dem vollen Restaurant.<br />
Ich erinnerte ihn an all die guten<br />
Dinge, die Gott ihm in seinem Leben<br />
gezeigt hatte, an all die Wunder, die<br />
er mit eigenen Augen gesehen hatte,<br />
als er mit mir unterwegs war. Aber sein<br />
Weinen schlug in Lachen um, und er<br />
sagte mir: „Du bist schon <strong>im</strong>mer mein<br />
Daddy gewesen.“ Ich wollte ihm keine<br />
Moralpredigt halten. Er erzählte mir<br />
von seinen Problemen mit Drogen. Ich<br />
bot ihm an, ihn auf der Stelle zu einer<br />
Reha zu fahren, doch er wollte nicht.<br />
Auf dem Nachhauseweg bat er mich,<br />
noch bei einem Geschäft anzuhalten<br />
und ihm ein paar Bier zu kaufen. Ich<br />
fragte ihn, wie viel Bier er denn wollte,<br />
und er sagte: „Zwanzig“. Ich sagte ihm,<br />
ich würde ihm auf keinen Fall zwanzig<br />
Bier kaufen, das wäre viel zu viel. Wir<br />
einigten uns auf zwölf. Es gefiel mir<br />
nicht, und vielleicht war es ein Fehler,<br />
ihm zwölf Bier zu kaufen, aber ich<br />
wusste einfach nicht, was ich tun sollte.<br />
Ich fuhr ihn he<strong>im</strong> und er umarmte mich<br />
sehr lange und dankte mir für alles,<br />
was ich für ihn getan hatte. Er sagte<br />
mir, dass er mich liebe und natürlich<br />
sagte ich ihm, dass ich ihn auch liebe.<br />
Das war das letzte Mal, dass ich mein<br />
Kind gesehen habe. Zwei Wochen später<br />
erreichte mich die traurige Nachricht<br />
von seinem Tod. Für mich brach<br />
eine Welt zusammen.<br />
Gott gab mir Thomas, dann meine Frau<br />
und mit ihr eine wundervolle Familie.<br />
Aber was meine eigene Familie angeht,<br />
hatte ich eigentlich nie eine Familie –<br />
nur Thomas. Und Gott nahm ihn von<br />
mir. Ich war so wütend auf Gott. Ich<br />
konnte doch nicht meinen eigenen<br />
Sohn zu Grabe tragen. Das konnte<br />
Gott doch nicht von mir verlangen! Ich<br />
war so fertig, dass ich einen Nervenzusammenbruch<br />
erlitt. Gleichzeitig aß<br />
ich nicht mehr, ich nahm kein Insulin<br />
mehr (ich bin Diabetiker) und mein<br />
Blutzucker stieg so hoch an, dass ich<br />
um ein Haar in ein Koma gefallen wäre.<br />
Meine Frau brachte mich ins Spital, wo<br />
ich sofort auf die Intensivstation kam.<br />
Die Ärzte sagten, es wäre ein Wunder,<br />
dass ich es überhaupt lebend bis ins<br />
Spital geschafft hätte. Sogar jetzt noch,<br />
während ich diese Zeilen schreibe,<br />
rollen mir Ströme von Tränen über die<br />
Augen und mein ganzer Körper zittert,<br />
wenn ich an all das denke, was passiert<br />
ist. Mein Sohn ist gestorben, und ich<br />
beinahe mit ihm … Doch ich habe<br />
überlebt.<br />
Ich weiß nicht, was Du gerade durchmachst<br />
in Deinem Leben. Aber Gott<br />
ist da. Er fängt jede Deiner Tränen auf.<br />
Sogar gerade jetzt kann ich Seine Liebe<br />
spüren. Gib nicht auf! Zwei Wochen,<br />
nachdem ich aus der Intensivstation<br />
entlassen worden war, stand ich wieder<br />
auf der Bühne. Ich hatte einen Auftritt<br />
bei einem Stadtfestival, das nur alle<br />
zehn Jahre stattfindet und zu dem<br />
800 000 Leute kamen. Und ich hatte<br />
die große Ehre, dort zu singen und zu<br />
predigen. Ich hab alles gegeben. Und<br />
das kannst Du auch. Du kannst das<br />
Schicksal Deines Kindes nicht best<strong>im</strong>men,<br />
auch wenn Du es gerne möchtest.<br />
Aber letztlich ist das Leben Deines<br />
Kindes in Gottes Händen. Das Beste,<br />
was Du tun kannst, ist, weiterzuleben<br />
und nicht aufzugeben. Ja, Du wirst vielleicht<br />
fallen, aber es ist wichtig, dass<br />
Du nicht dort auf dem Boden bleibst<br />
sondern wieder aufstehst. Du bist nicht<br />
geschaffen worden, um zu zerbrechen,<br />
sondern um zu stehen.<br />
Ich sende Dir die Liebe eines Vaters und<br />
eine meiner Tränen. Mögen sie Dir Mut<br />
machen.<br />
demeTRi BeTTS<br />
5