der Münchener Schutzmann Polizeihauptmeister Jürgen Berger arbeitet nicht als Polizist, er ist Polizist. Der Familienvater wird in seinem Beruf täglich mit Gewaltdelikten und schlimmen SChicksalen konfrontiert. Dieser Beruf ist belastend.
Guten Tag Herr Berger, Sie sind seit 12 Jahren Polizist und derzeit als Polizeihauptmeister in München Altstadt tätig. Was sind da Ihre Aufgaben? Ich bin im uniformierten Streifendienst, wir haben das komplette Tätigkeitsfeld, angefangen vom kleinen Verkehrsunfall oder Falschparkern, Eigentumsdelikte, Körperverletzungen, aber auch bis zum Tötungsdelikt. Wir ergreifen zunächst die unmittelbar nötigen Maßnahmen und übergeben danach in vielen Fällen an die KriPo. In den letzten Wochen liest man in den Zeitungen, dass Polizeibeamte verstärkt angegriffen werden. <strong>Das</strong> ist richtig. <strong>Das</strong> Aggressionspotential gegenüber der Polizei hat mittlerweile ein ziemlich hohes Plateau erreicht. Wie oft erleben Sie das selbst? Es ist jetzt nicht so, dass man jeden Tag um sein Leben kämpfen muss, aber dass man eine Maßnahme mal körperlich durchsetzen muss, passiert recht häufig. <strong>Das</strong> sind jetzt nicht die typischen Münchener Bürger, sondern eher die Leute, mit denen man ohnehin tagtäglich zu tun hat. Wie vereinbaren Sie Ihre Verantwortung als Polizeibeamter, was durchaus gefährlich ist, mit Ihrer Verantwortung als Familienvater? Es ist schon der Fall, dass ich vorsichtiger geworden bin, seit ich Familie habe. Aber in der konkreten Gefahrensituation hat man ja kaum Zeit über die Folgen nachzudenken. Es ist schwierig: Man geht dieses Risiko ein und lebt damit. Man hat in der Situation auch rechtlich so viel im Kopf, dass man keine Möglichkeit hat, über mögliche Folgen nachzudenken. Und ich glaube auch, dass es ein antrainiertes Wegschieben ist. Am Ende verdrängt man das einfach. Wird man sarkastisch, um ein Ventil zu finden? <strong>Das</strong> ist tatsächlich so. Aber da muss man Profi genug sein, damit so etwas im Streifenwagen oder im Pausenraum bleibt. In einem gewissen Rahmen lässt man sich aus, aber dann muss auch irgendwann wieder Schluss sein. War Ihnen das Ausmaß dieser Gefährlichkeit bewusst, als Sie sich für den Beruf entschieden haben? Meiner Frau schon, mir nicht. Während sie Angst hatte, habe ich mir das einfach mal angeschaut. Nach dem Abitur war ich sowieso voller Tatendrang. Haben Sie den Eindruck, dass Sie im Ihren Streifenbereich konkret was verändern oder verbessern können? Also der einzelne Beamte wohl nicht. Aber wenn ich mir anschaue, wie alle am einen Strang ziehen, dann bin ich mir sicher, dass wir was verändern können. Als ich vor acht Jahren auf die Altstadtwache kam, war zum Beispiel die Gewaltkriminalität eine ganz andere. Wir hatten jede Nacht ein massives Aufkommen von Gewalt-, Raub- und Trunkenheitsdelikten. In dem Bereich haben wir konkret angegriffen, und diese Zahlen "<strong>Das</strong> Aggressionspotential gegenüber der Polizei hat mittlerweile ein ziemlich hohes Plateau erreicht." sind deutlich zurückgegangen. Hat sich Ihr Enthusiasmus seit Ihrer Einstellung bei der Polizei verändert? Ja, die Blauäugigkeit lässt schon nach. Zum Beispiel bei Demonstrationen, die ich schützen muss, obwohl ich mir im Einzelfall insgeheim denke, dass die dort doch großen Mist reden. Aber ich bin nun mal vereidigt worden, muss alle gleich behandeln und die Rechte der Bürger schützen. Was meinen Sie mit „Blauäugigkeit“? Man kommt da hin und rettet die Welt. Aber dann wird man auch erst mal von den erfahrenen Kollegen gebremst: Dieses „Rettet die Welt“ findet einfach nicht statt. Sie wollten also von Anfang an „Vollgas fahren“, aber die älteren Kollegen wussten schon, dass das auf Dauer nicht geht. Man schafft es weder körperlich noch emotional, dass man die ganze Zeit auf der Überholspur bleibt. Wer das nicht frühzeitig lernt, wird ganz schnell Probleme bekommen. <strong>Das</strong> heißt nicht in der Form, dass man im Kollegenkreis gemobbt wird, sondern so, dass man seine Leistung nicht aufrechterhalten kann. Man muss dann einfach Prioritäten setzen.