22.02.2013 Aufrufe

Reichspogromnacht im Kreis Saarlouis

Reichspogromnacht im Kreis Saarlouis

Reichspogromnacht im Kreis Saarlouis

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dillingen<br />

In Dillingen finden die Feierlichkeiten zum 9. November <strong>im</strong> Lokal „Zur Flotte" statt. Danach marschieren<br />

die einzelnen Partei- und SA-Formationen zum Marktplatz um sich dort aufzulösen. Hier gibt jedoch<br />

Ortsgruppenleiter B, die Anweisung, dass sich mehrere Einsatzgruppen für eine besondere Aktion zu<br />

bilden hätten.<br />

Nachdem die Männer Zivilkleidung angelegt und sich mit Werkzeug bewaffnet haben, überfallen sie fast<br />

zeitgleich die beiden jüdischen Familien Levy und Alexander sowie den 80jährigen Siegfried Alkan. Die<br />

Inneneinrichtung der Wohnungen und Geschäftsräume wird zertrümmert. Die Täter dringen auch in die<br />

Schlafz<strong>im</strong>mer ein, Frau Alexander wird belästigt, ebenso ihre beiden Töchter, die nackt aus der Wohnung<br />

gejagt werden und bei einem Nachbarn Zuflucht suchen. Ein Täter geht mit dem Hammer auf Julius<br />

Alexander los und verletzt ihn schwer. Der Klavierhändler Alkan wird trotz seines hohen Alters getreten<br />

und geschlagen. Auch seine Haushälterin Frau Z. wird mit dem Tode bedroht. Mobiliar und<br />

Musikinstrumente werden auf die Straße geworfen. In der Nacht plündern zahlreiche Personen aus<br />

Dillingen die überfallenen jüdischen Geschäftshäuser.<br />

Ein vierter Einsatztrupp setzt die Dillinger Synagoge in Brand. Von einer Sprengung, wie sie ursprünglich<br />

Ortsgruppenleiter B, geplant hat, wird wegen der Gefährdung der Nachbarhäuser abgesehen. Die<br />

Feuerwehr wird planmäßig erst dann alarmiert, als die Synagoge nicht mehr zur retten ist.<br />

Ortegruppenleiter B. hält sich während des Pogroms in der Gastwirtschaft Hasenohr auf, von wo aus er<br />

die Aktion koordiniert. Später werden hier die aus der Synagoge entwendeten Kultgegenstände als<br />

Trophäen herumgereicht.<br />

Die Ermittlungen<br />

Trotz langwieriger und schwieriger Ermittlungen, in deren Verlauf über 100 Personen vernommen<br />

werden, bringt die Voruntersuchung nur wenige Ergebnisse. Zahlreiche Täter waren <strong>im</strong> Krieg gefallen<br />

oder vermißt, gegen einige Verdächtige müssen die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt<br />

werden. Zwei Hauptäter können als deutsche Staatsangehörige, die in Deutschland<br />

wohnen und nicht ausgeliefert werden, vom Saargebiet aus nicht verfolgt werden. Es handelt sich um<br />

den ehemaligen Ortsgruppenleiter B. und den SA-Mann D.<br />

Der Prozess<br />

Es wird schließlich nur noch gegen drei (!) Verdächtige Anklage erhoben. In der Sitzung am 14.1.1952<br />

werden die beiden Angeklagten S. und H. mangels Beweises freigesprochen.<br />

Die Hauptbelastungszeugin gegen den Angeklagten S. stirbt vor Verhandlungsbeginn. Ihre vorher<br />

gemachte, umfangreiche Aussage wird deshalb vor Gericht nicht anerkannt.<br />

Der Angeklagte S. wird zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Oberstaatsanwaltschaft Mannhe<strong>im</strong><br />

stellt das Verfahren gegen den ehemaligen SA-Angehörigen D, <strong>im</strong> September 1952 ein. Obwohl dieser<br />

ein umfangreiches Geständnis abgelegt hatte, ist ihm angeblich nichts nachzuweisen. In dem Schreiben<br />

des Staatsanwalts heißt es außerdem: „Es fehlt an dem erforderlichen Strofantrag, der zufolge<br />

Verschollenheit der Verletzten auch nicht mehr gestellt werden kann."<br />

Auch das Verfahren gegen B. wird 1957 eingestellt.<br />

Somit kommen zwei Haupttäter der Dillinger Pogromnacht ungeschoren davon.<br />

Lageplan aus Gerichtsakten

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!