Reichspogromnacht im Kreis Saarlouis
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<strong>Saarlouis</strong><br />
Am Abend des 9. November 1938 findet <strong>im</strong> Saalbau in <strong>Saarlouis</strong> eine Kundgebung der NSDAP statt. SA-<br />
Sturmführer W. informiert seine Leute über die bevorstehende „Aktion" gegen die jüdische Bevölkerung.<br />
Nachdem die Männer Zivilkleidung angelegt haben, treffen sie sich <strong>im</strong> Cafe Steuer. Hier werden nun die<br />
einzelnen Kommandos eingeteilt, in der Nacht wird das Innere der Synagoge zerstört, Schaufenster und<br />
Einrichtungen der Geschäfte Levy, Marx und Wollhe<strong>im</strong> demoliert, wobei es auch zu Plünderungen<br />
kommt. Die Familien Kahn und Goldberg werden misshandelt und ihre Wohnungen verwüstet, wobei <strong>im</strong><br />
Fall Goldberg der Zeuge H. schwer geschlagen wird, weil er nicht gleich die Wohnung der <strong>im</strong> gleichen<br />
Haus wohnenden Familie Goldberg bezeichnet. Jüdische Männer und Frauen werden verhaftet. Albert<br />
Loeb wird von einer johlenden Menschenmenge unter Fußtritten zur Polizei gebracht.<br />
In <strong>Saarlouis</strong> beteiligt sich, anders als in den meisten anderen Orten des Saarlandes, ein großer Teil der<br />
Bevölkerung aktiv an den Ausschreitungen. Schon bevor die SA-Trupps eintreffen, finden sich zahlreiche<br />
Schaulustige vor den Häusern ihrer jüdischen Mitbürger ein und beginnen von sich aus mit den<br />
Zerstörungen. Auch Frauen wirken bei den Zerstörungen und Plünderungen mit.<br />
Der Prozess<br />
Nur ein kleiner Teil des eigentlichen Täterkreises kann nach dem Krieg ermittelt werden. Am 20.4.1949<br />
stehen lediglich 13 Personen vor Gericht, vier davon sind Frauen. Zwei Hauptaktivisten werden zu einem<br />
Jahr und sechs Monaten bzw. zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.<br />
Frau Sch. erhält eine Gefängnisstrafe von drei Monaten und Frau B., die sich „<strong>im</strong> Hause Kahn wie eine<br />
Megäre“ benommen hat, vier Monate Gefängnis. Neun Angeklagte werden mangels Beweisen freigesprochen.<br />
Aussage der Zeugin E. wohnhaft in <strong>Saarlouis</strong>:<br />
„Zur Zeit der Judenaktion wohnte meine Familie <strong>im</strong> Haus Kahn, Kaiser-Friedrich-Ring 25. ...Mein Weg<br />
führte mich über den oberen Markt, wo ich einen großen Menschenauflauf sah. Plötzlich hörte ich wie<br />
eine größere Menschenmenge rief: „ Jetzt zu dem Juden Kahn.“ Da ich dort wohnte, bekam ich es mit<br />
der Angst zu tun...und lief schnell nach Hause. Als ich mich meinem Haus näherte, sah ich schon davor<br />
eine größere Menschenmenge. Ich lief durch die Menge hindurch … in das Haus. Im Korridor vor unserer<br />
Wohnung stand meine damals 15jährige Tochter und rief der Menge zu: „Wir sind keine Juden!"<br />
Ich sah sofort, daß sich eine Menge Menschen, grob geschätzt etwa 60 - 70 Personen in den Räumen<br />
aufhielten. Als erste dieser Eindringlinge sah ich die... Frau B. Sie stand <strong>im</strong> Hausgang vor der<br />
Abschlußtür und schwenkte einen Mob...in der Hand. Sie machte ein zynisches Gesicht und es sah so<br />
aus, als ob sie jeden Augenblick dreinschlagen wollte. ...<br />
in diesem Augenblick sah ich den Sturmführer W. und hörte wie er brüllte: „Los!“ Dies war offenbar das<br />
Signal für die Eindringlinge um alles zu zerschlagen. Ich sah nun, wie sie die Gegenstände des<br />
Schlafz<strong>im</strong>mers, insbesondere den Spiegel zerschlugen. ...es steht fest, daß sich Frau B. an der<br />
Zerstörung beteiligt hat..."<br />
(Staatsanwaltschaftsakten LA Saarbrücken, Sta Sbr. Nr. 1055)<br />
Aussage des städtischen Arbeiters J.S. zum Synagogeninventar:<br />
„...Das ganze Inventar wurde auf den Anhängern eines Traktors geladen und in mehrmaliger Fahrt zum<br />
Bauhof gebracht. M.W. wurden die Bänke später verfeuert, während die anderen Sachen Bücher etc.<br />
dem Verfall preisgegeben waren. Ich glaube, daß heute noch einige Bücher mit hebräischen<br />
Schriftzeichen an dem Bauhof liegen. Ich will mich dafür verwenden und bei passender Gelegenheit die<br />
Sache zusammenstellen und unserem Bürgermeister Herrn Bloch darüber berichten.“<br />
(Staatsanwaltschaftsakten <strong>im</strong> LA Sbr.. Nr. 1055,I)<br />
Aussage A. R., 36 J. Völklingen, 22.3.1948 Vertrauensmann des SD:<br />
Vor dem Kaufhaus Marx „... Dort herrschte ein großer Menschenauflauf. Die Menschenmenge vor dem<br />
Haus hatte eine drohende Haltung gegen das Haus eingenommen und es waren aus der Menge auch<br />
Rufe, wie; „Nieder mit den Juden", zu hören. Ich kam gar nicht an das Geschäft heran, so dicht war die<br />
Menge. Die Schaufenster waren zerschlagen und ich habe auch einige Personen in die Schaufenster<br />
hineinklettern sehen..."<br />
(Staatsanwaltschaftsakten <strong>im</strong> LA Sbr. Nr. 1055)