Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation
Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation
Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Herr Lewanschkowski, immer mehr le<strong>ist</strong>en in immer kürzerer Zeit:<br />
Gab oder gibt es auch in Werkstätten für behinderte Menschen<br />
einen Trend zur Arbeitsverdichtung?<br />
Sicher nicht in der Form, dass bei vollen Auftragsbüchern das tägliche<br />
Pensum ständig gesteigert würde. Doch auch wir wollen das<br />
vorhandene Le<strong>ist</strong>ungspotential jedes beschäftigten Mitarbeiters<br />
ausschöpfen. Dies <strong>ist</strong> Bestandteil des Arbeitslebens und zeigt, dass<br />
wir die Arbeitsle<strong>ist</strong>ung jedes Einzelnen ernst nehmen und anerkennen.<br />
Dadurch wird der behinderte Mensch mit seinem Le<strong>ist</strong>ungsvermögen<br />
gleichgesetzt mit jedem nichtbehinderten Menschen,<br />
der im Arbeitsleben steht.<br />
Kommt es vor, dass sich ein behinderter Mitarbeiter überfordert<br />
fühlt? Wie äußert sich das?<br />
Ja, das gibt es natürlich. Jeder hat zum Beispiel mal einen schlechten<br />
Tag. Menschen mit Behinderung reagieren auf Überforderung<br />
sehr direkt. <strong>Das</strong> bedeutet in der Regel, dass ihre Arbeitsle<strong>ist</strong>ung<br />
nachlässt. Einige zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die in einem<br />
gleichmäßigen, gut strukturierten und ihrem individuellen Le<strong>ist</strong>ungsniveau<br />
angepassten Arbeitsablauf nicht vorkommen.<br />
Und was tun die Gruppenleiter in einem solchen Fall?<br />
<strong>Das</strong> fachliche Können der Gruppenleitungen besteht darin, alle<br />
Mitarbeiter nach ihren individuellen Fähigkeiten am Arbeitsprozess<br />
zu beteiligen, wobei Unterforderung auf Dauer genauso<br />
schlecht <strong>ist</strong> wie Überforderung. Individuelle Überforderung fangen<br />
die Mitarbeiter durch Aufteilung der Aufgaben in kleinere Arbeitsschritte<br />
auf. Dies bezieht sich sowohl auf die qualitativen als auch<br />
auf die quantitativen Anforderungen. Durch dieses Anpassen der<br />
Arbeit an die Fähigkeiten der Menschen wird die Arbeitslast auf<br />
mehrere Schultern verteilt.<br />
In jedem Unternehmen sind die Mitarbeiter unterschiedlich le<strong>ist</strong>ungsfähig.<br />
In besonderer Weise gilt dies wohl für einen Betrieb, der<br />
auch Menschen mit teils sehr hohem Unterstützungsbedarf betreut.<br />
Wie schaffen Sie es, für jeden die geeignete Aufgabe zu fi nden?<br />
Im Unterschied zur freien Wirtschaft stellen wir Mitarbeiter ja<br />
nicht nach Auftragslage ein, sondern die Mitarbeiter kommen zu<br />
uns und wir haben den Auftrag, sie durch geeignete Arbeiten am<br />
Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Daher müssen wir auch Arbeiten<br />
für alle vorhandenen Le<strong>ist</strong>ungsstufen akquirieren. Und das <strong>ist</strong> in<br />
den letzten Jahren schwieriger geworden.<br />
Inwiefern?<br />
In der Wirtschaft werden immer mehr einfache Arbeitsgänge<br />
durch Maschinen und Roboter ausgeführt. Hier sind auch für uns<br />
die Globalisierung der Arbeitsmärkte und das Lohndumping in<br />
bestimmten Arbeitsbereichen spürbar. Wir konkurrieren mit Billiglohnländern<br />
und Billiglohnverpackern.<br />
Wie kann sich die Werkstatt gegen diese Konkurrenz behaupten?<br />
Wir versuchen das durch Qualität und Zuverlässigkeit auszugleichen.<br />
Außerdem haben wir uns in verschiedenen Bereichen spezialisiert<br />
und dadurch festere Bindungen an bestimmte Auftraggeber<br />
geschaffen. Dadurch haben wir eine relativ gute Ausgangslage, auf<br />
der wir weiter aufbauen müssen. Wenn sich aber die wirtschaftli-<br />
MENSCHEN INTERVIEW<br />
che Lage unserer Auftraggeber verschlechtert, wirkt sich das auf<br />
unsere Auftragssituation voll aus.<br />
Bei der Arbeit und im Beruf strebt jeder Mensch nach Erfolgerlebnissen.<br />
Was <strong>ist</strong> aus Ihrer Sicht ein Erfolg für einen behinderten Mitarbeiter,<br />
und was ein Erfolg für die Werkstatt als Ganzes?<br />
Man <strong>ist</strong> erfolgreich, wenn man sein Le<strong>ist</strong>ungsvermögen voll<br />
ausschöpft. Dadurch entstehen ein hohes Selbstwertgefühl und<br />
persönliche Befriedigung. Dies gilt vor allen Dingen, wenn man<br />
Aufgaben bewältigt, die man sich selbst beziehungsweise ein<br />
Dritter einem nicht zugetraut hat. Als Werkstatt sind wir erfolgreich,<br />
wenn wir durch die Qualität, mit der wir die Aufträge erfüllen,<br />
unsere Kunden zufriedenstellen und wir als gleichwertiger<br />
Wirtschaftspartner anerkannt werden. Damit <strong>ist</strong> dann auch die<br />
Arbeitsle<strong>ist</strong>ung der beschäftigten Mitarbeiter anerkannt.<br />
Wann, würden Sie sagen, hat eine Werkstatt ihren Auftrag erfüllt?<br />
Wenn sich der Mensch mit einer Behinderung durch unser Arbeitsangebot<br />
und die arbeitsbegleitenden Maßnahmen weiterentwickeln<br />
kann. Wenn wir für jeden den geeigneten Arbeitsplatz<br />
anbieten können und sich jeder einen seiner individuellen Le<strong>ist</strong>ung<br />
entsprechenden Lohn erarbeiten kann. Dann <strong>ist</strong> die Teilhabe am<br />
Arbeitsleben erreicht.<br />
Und was müsste sich Ihrer Meinung nach an den Rahmenbedingungen<br />
für Werkstätten ändern, damit sie diesen Auftrag optimal<br />
erfüllen können?<br />
Die Finanzierung von genügend Betreuungspersonal durch die<br />
Kostenträger muss gesichert sein. Die angestellten Mitarbeiter<br />
können sich nicht zu hundert Prozent an der Produktion beteiligen,<br />
da sie für die verschiedensten Belange der Mitarbeiter mit Behinderung<br />
zuständig sind. Sobald diese Finanzierung nicht mehr gegeben<br />
<strong>ist</strong> und wir den Lohn des Betreuungspersonals über unsere<br />
Produktionsarbeit sichern müssten, geht das zu Lasten vor allem<br />
der schwächeren Mitarbeiter in der Werkstatt.<br />
Was verdient ein Mitarbeiter mit<br />
Behinderung?<br />
<strong>Das</strong> Arbeitsentgelt hängt vom sogenannten Arbeitsergebnis<br />
der Werkstatt ab. Dieses wiederum errechnet sich aus der<br />
Differenz zwischen Ertrag und Kosten. Der Ertrag setzt sich<br />
zusammen aus den Umsatzerlösen (durchschnittlich 20<br />
Prozent der Einnahmen) und aus den Kostensätzen (durchschnittlich<br />
80 Prozent), die der Rehabilitationsträger zahlt.<br />
Zieht man davon die Kosten des laufenden Betriebs (Gehälter<br />
für Fachpersonal, Sachkosten etc.) ab, erhält man das Arbeitsergebnis.<br />
Nach dem Gesetz wird es zu mindestens 70 Prozent<br />
als Arbeitsentgelt an die behinderten Mitarbeiter ausgezahlt.<br />
Ein Mindestentgelt von 73 Euro <strong>ist</strong> gesetzlich vorgeschrieben.<br />
Im Durchschnitt beträgt das Arbeitsentgelt für die rund<br />
268.000 behinderten Mitarbeiter in anerkannten Werkstätten<br />
in Deutschland zurzeit 158,49 Euro monatlich.<br />
9