Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation

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22.02.2013 Aufrufe

8 MENSCHEN INTERVIEW „Das Leistungspotenzial ausschöpfen“ Werkstätten stehen unter zunehmendem Druck. Durch die Wirtschaftskrise sind Aufträge vor allem der gewerblichen Industrie zurückgegangen. Zudem reduziert die öffentliche Hand schon seit Jahren die Kostensätze. In der Folge müssen die Werkstätten neue Arbeitsfelder erschließen und die Produktivität erhöhen. Doch wie soll das gehen? Die WIB sprach mit einem Mitarbeiter der Werkstatt, der es wissen muss: Ulrich Lewanschkowski. Es geht um die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung und um die Frage, wann eine Werkstatt erfolgreich ist. Mr. Verpackung Ulrich Lewanschkowski arbeitet seit acht Jahren in der Werkstatt, davon sieben als Bereichsleiter im Verpackungsbereich am Standort Neuenhofstraße. Hier ist er für rund 170 beschäftigte Mitarbeiter verantwortlich, die vor allem Großaufträge der Süßwarenindustrie bearbeiten. Vor seiner Zeit in Aachen war der gebürtige Westfale als Gruppenleiter in einer Werkstatt für angepasste Arbeit in Düsseldorf tätig. Er ist verheiratet und lebt in Simmerath-Steckenborn in einem Holzhaus. Das hat der Tischlermeister natürlich überwiegend selbst gebaut.

Herr Lewanschkowski, immer mehr leisten in immer kürzerer Zeit: Gab oder gibt es auch in Werkstätten für behinderte Menschen einen Trend zur Arbeitsverdichtung? Sicher nicht in der Form, dass bei vollen Auftragsbüchern das tägliche Pensum ständig gesteigert würde. Doch auch wir wollen das vorhandene Leistungspotential jedes beschäftigten Mitarbeiters ausschöpfen. Dies ist Bestandteil des Arbeitslebens und zeigt, dass wir die Arbeitsleistung jedes Einzelnen ernst nehmen und anerkennen. Dadurch wird der behinderte Mensch mit seinem Leistungsvermögen gleichgesetzt mit jedem nichtbehinderten Menschen, der im Arbeitsleben steht. Kommt es vor, dass sich ein behinderter Mitarbeiter überfordert fühlt? Wie äußert sich das? Ja, das gibt es natürlich. Jeder hat zum Beispiel mal einen schlechten Tag. Menschen mit Behinderung reagieren auf Überforderung sehr direkt. Das bedeutet in der Regel, dass ihre Arbeitsleistung nachlässt. Einige zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die in einem gleichmäßigen, gut strukturierten und ihrem individuellen Leistungsniveau angepassten Arbeitsablauf nicht vorkommen. Und was tun die Gruppenleiter in einem solchen Fall? Das fachliche Können der Gruppenleitungen besteht darin, alle Mitarbeiter nach ihren individuellen Fähigkeiten am Arbeitsprozess zu beteiligen, wobei Unterforderung auf Dauer genauso schlecht ist wie Überforderung. Individuelle Überforderung fangen die Mitarbeiter durch Aufteilung der Aufgaben in kleinere Arbeitsschritte auf. Dies bezieht sich sowohl auf die qualitativen als auch auf die quantitativen Anforderungen. Durch dieses Anpassen der Arbeit an die Fähigkeiten der Menschen wird die Arbeitslast auf mehrere Schultern verteilt. In jedem Unternehmen sind die Mitarbeiter unterschiedlich leistungsfähig. In besonderer Weise gilt dies wohl für einen Betrieb, der auch Menschen mit teils sehr hohem Unterstützungsbedarf betreut. Wie schaffen Sie es, für jeden die geeignete Aufgabe zu fi nden? Im Unterschied zur freien Wirtschaft stellen wir Mitarbeiter ja nicht nach Auftragslage ein, sondern die Mitarbeiter kommen zu uns und wir haben den Auftrag, sie durch geeignete Arbeiten am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Daher müssen wir auch Arbeiten für alle vorhandenen Leistungsstufen akquirieren. Und das ist in den letzten Jahren schwieriger geworden. Inwiefern? In der Wirtschaft werden immer mehr einfache Arbeitsgänge durch Maschinen und Roboter ausgeführt. Hier sind auch für uns die Globalisierung der Arbeitsmärkte und das Lohndumping in bestimmten Arbeitsbereichen spürbar. Wir konkurrieren mit Billiglohnländern und Billiglohnverpackern. Wie kann sich die Werkstatt gegen diese Konkurrenz behaupten? Wir versuchen das durch Qualität und Zuverlässigkeit auszugleichen. Außerdem haben wir uns in verschiedenen Bereichen spezialisiert und dadurch festere Bindungen an bestimmte Auftraggeber geschaffen. Dadurch haben wir eine relativ gute Ausgangslage, auf der wir weiter aufbauen müssen. Wenn sich aber die wirtschaftli- MENSCHEN INTERVIEW che Lage unserer Auftraggeber verschlechtert, wirkt sich das auf unsere Auftragssituation voll aus. Bei der Arbeit und im Beruf strebt jeder Mensch nach Erfolgerlebnissen. Was ist aus Ihrer Sicht ein Erfolg für einen behinderten Mitarbeiter, und was ein Erfolg für die Werkstatt als Ganzes? Man ist erfolgreich, wenn man sein Leistungsvermögen voll ausschöpft. Dadurch entstehen ein hohes Selbstwertgefühl und persönliche Befriedigung. Dies gilt vor allen Dingen, wenn man Aufgaben bewältigt, die man sich selbst beziehungsweise ein Dritter einem nicht zugetraut hat. Als Werkstatt sind wir erfolgreich, wenn wir durch die Qualität, mit der wir die Aufträge erfüllen, unsere Kunden zufriedenstellen und wir als gleichwertiger Wirtschaftspartner anerkannt werden. Damit ist dann auch die Arbeitsleistung der beschäftigten Mitarbeiter anerkannt. Wann, würden Sie sagen, hat eine Werkstatt ihren Auftrag erfüllt? Wenn sich der Mensch mit einer Behinderung durch unser Arbeitsangebot und die arbeitsbegleitenden Maßnahmen weiterentwickeln kann. Wenn wir für jeden den geeigneten Arbeitsplatz anbieten können und sich jeder einen seiner individuellen Leistung entsprechenden Lohn erarbeiten kann. Dann ist die Teilhabe am Arbeitsleben erreicht. Und was müsste sich Ihrer Meinung nach an den Rahmenbedingungen für Werkstätten ändern, damit sie diesen Auftrag optimal erfüllen können? Die Finanzierung von genügend Betreuungspersonal durch die Kostenträger muss gesichert sein. Die angestellten Mitarbeiter können sich nicht zu hundert Prozent an der Produktion beteiligen, da sie für die verschiedensten Belange der Mitarbeiter mit Behinderung zuständig sind. Sobald diese Finanzierung nicht mehr gegeben ist und wir den Lohn des Betreuungspersonals über unsere Produktionsarbeit sichern müssten, geht das zu Lasten vor allem der schwächeren Mitarbeiter in der Werkstatt. Was verdient ein Mitarbeiter mit Behinderung? Das Arbeitsentgelt hängt vom sogenannten Arbeitsergebnis der Werkstatt ab. Dieses wiederum errechnet sich aus der Differenz zwischen Ertrag und Kosten. Der Ertrag setzt sich zusammen aus den Umsatzerlösen (durchschnittlich 20 Prozent der Einnahmen) und aus den Kostensätzen (durchschnittlich 80 Prozent), die der Rehabilitationsträger zahlt. Zieht man davon die Kosten des laufenden Betriebs (Gehälter für Fachpersonal, Sachkosten etc.) ab, erhält man das Arbeitsergebnis. Nach dem Gesetz wird es zu mindestens 70 Prozent als Arbeitsentgelt an die behinderten Mitarbeiter ausgezahlt. Ein Mindestentgelt von 73 Euro ist gesetzlich vorgeschrieben. Im Durchschnitt beträgt das Arbeitsentgelt für die rund 268.000 behinderten Mitarbeiter in anerkannten Werkstätten in Deutschland zurzeit 158,49 Euro monatlich. 9

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„<strong>Das</strong> Le<strong>ist</strong>ungspotenzial<br />

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Werkstätten stehen unter zunehmendem Druck. Durch die Wirtschaftskrise<br />

sind Aufträge vor allem der gewerblichen Industrie<br />

zurückgegangen. Zudem reduziert die öffentliche Hand schon seit<br />

Jahren die Kostensätze. In der Folge müssen die Werkstätten neue<br />

Arbeitsfelder erschließen und die Produktivität erhöhen. Doch wie<br />

soll das gehen? Die WIB sprach mit einem Mitarbeiter der Werkstatt,<br />

der es wissen muss: Ulrich Lewanschkowski. Es geht um die<br />

Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung und um die<br />

Frage, wann eine Werkstatt erfolgreich <strong>ist</strong>.<br />

Mr. Verpackung<br />

Ulrich Lewanschkowski arbeitet seit acht Jahren in der Werkstatt, davon sieben als Bereichsleiter<br />

im Verpackungsbereich am Standort Neuenhofstraße. Hier <strong>ist</strong> er für rund 170 beschäftigte<br />

Mitarbeiter verantwortlich, die vor allem Großaufträge der Süßwarenindustrie bearbeiten.<br />

Vor seiner Zeit in Aachen war der gebürtige Westfale als Gruppenleiter in einer Werkstatt für<br />

angepasste Arbeit in Düsseldorf tätig. Er <strong>ist</strong> verheiratet und lebt in Simmerath-Steckenborn in<br />

einem Holzhaus. <strong>Das</strong> hat der Tischlerme<strong>ist</strong>er natürlich überwiegend selbst gebaut.

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