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Ausgabe 1989 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Die Weithartgenossenschaft<br />

Von der hohen Obrigkeit, dem Geleit und den Jagdrechten ist<br />

die niedere Gerichtsbarkeit und noch mehr das Eigentum und<br />

die Nutzung abzusetzen und zu unterscheiden. Beim Weithart<br />

nahmen die Anstößer diese Rechte wahr. Als sich die<br />

Nutzungsberechtigten 1522 über die Aufnahme von Magenbuch<br />

in ihren Kreis einigten, waren die Grafen von Sigmaringen<br />

in keiner Weise beteiligt. Ja, ein Sigmaringer Beamter<br />

schrieb sogar auf eine übersandte Abschrift des Rezesses:<br />

»Dieser Vertrag geht Sigmaringen nichts an...« Die Anstößer<br />

des Weithart regelten ihre Angelegenheiten allein, da sie auch<br />

die Eigentümer des Waldes waren. Ohne daß der Zeitpunkt<br />

der Erwerbung festzustellen ist, läßt sich dieser Zustand ab<br />

dem 16.Jahrhundert belegen. 1568 und 1591 traten die<br />

Anstößer als Eigentümer des Waldes und als Niedergerichtsherren<br />

auf, die auch die Nutzung genossenschaftlich regelten.<br />

Sie nannten sich »des Waldts Weitharts Aigenthumbs-,<br />

Grundt- und gemeine Nider Oberkeits Herren«. Sie hatten in<br />

einer Waldordnung festgelegt, in welcher Form die Beholzung<br />

und das Holzfällen, aber auch die Aufforstung zu<br />

geschehen habe und wie die Waldweide, d.h. Wunn, Waid,<br />

Trieb und Tratt, zu regeln sei. Jede beteiligte Gemeinde stellte<br />

zwei Holzschauer, die den Holzeinschlag beaufsichtigen<br />

sollten.<br />

Seit der Mitte bzw. Ende des 16.Jahrhunderts werden folgende<br />

Anstößer des Weitharts genannt: Der Abt von Salem<br />

als Territorialherr über die Dörfer Levertsweiler, Magenbuch<br />

und Lausheim sowie die Vertreter dieser Dörfer; die Stadt<br />

Pfullendorf für sich und für die pfullendorfischen Untertanen<br />

in Mottschieß; die Stadt Mengen für sich und für das Wilhelmitenkloster<br />

in Mengen; die Grafen von Sigmaringen für ihre<br />

Untertanen im Dorf Krauchenwies, für das Schloß in Krauchenwies,<br />

für Schwäbiishausen, Rulfingen, Rosna, Hausen<br />

am Andelsbach und den sigmaringischen Anteil von Mottschieß,<br />

und zuletzt das Kloster Habstal. Schwäbiishausen<br />

gehörte später zur Grafschaft Heiligenberg, die Grundherrschaft<br />

in Mottschieß ging vollständig an die Stadt Pfullendorf<br />

über.<br />

Eine übermäßige Nutzung des Waldes schädigte den Wald so<br />

stark, daß man ihn schließlich aufteilte. Dahinter stand wohl<br />

die Hoffnung, daß ein Eigentümer für seinen Wald eine<br />

stärkere Verantwortung entwickelte als eine Genossenschaft.<br />

Als 1740 die Aufteilung vorgenommen wurde, fehlten in der<br />

Liste der neuen Eigentümer das Wilhelmitenkloster in Mengen<br />

und die Gemeinde Magenbuch. Das Ausscheiden des<br />

Klosters hing möglicherweise mit der Umwandlung in ein<br />

Benediktinersubpriorat bzw. dem Verkauf an Kl. Petershausen<br />

zusammen. Bei Magenbuch ist die Sache eindeutig. 1522<br />

hatte es nur die Weiderechte erhalten, nicht aber die Holzrechte.<br />

Es war also kein vollwertiger Genosse. Da es bei der<br />

Aufteilung vor allem um die Holzrechte ging, wurde es<br />

zunächst nicht berücksichtigt. Erst später trat die Abtei Salem<br />

dem Ort Magenbuch einen Holzteil ab.<br />

Bemerkenswert bei der Aufteilung ist, daß damals die jeweiligen<br />

Herrschaften starken Anteil nahmen. Auch in den Holzund<br />

Waldordnungen, die 1740 erlassen wurden, erhielten der<br />

Sigmaringer Förster und die Holzknechte eine stärkere Aufsichtsfunktion<br />

zugewiesen. Neben das genossenschaftliche<br />

Element trat das herrschaftliche.<br />

Der Wald Weithart wurde zwar in einzelne Besitzanteile<br />

aufgelöst, er behielt aber eine geschlossene Gemarkung. Die<br />

abgegrenzten Waldteile wurden also nicht, wie sonst üblich,<br />

den Gemarkungen der neuen Eigentümer zugeschlagen. So<br />

blieb der Wald Weithart bis in den Anfang unseres Jahrhunderts<br />

eine in sich geschlossene, keiner Gemeinde zugehörende<br />

Gemarkung.<br />

6<br />

Der Wald Weithart stellt aus rechtshistorischer Sicht ein sehr<br />

interessantes Gebilde dar. Die nutzenden Parteien schlossen<br />

sich im 16. Jahrhundert zu einer Genossenschaft zusammen,<br />

die die Rechte aus dem Grundeigentum und der niederen<br />

Gerichtsbarkeit gemeinsam wahrnahmen. Die Ursprünge<br />

und die Gründe für diese Sonderentwicklung sind bisher<br />

nicht untersucht worden. Sicher kann jedoch gesagt werden,<br />

daß die Geschichte, eine Jungfrau Wild aus Riedlingen habe<br />

den Wald an die Weithart-Genossen geschenkt, eine späte<br />

Sage ist, um den Besitz der Genossen zu begründen. Man<br />

wußte damals nichts mehr über den Ursprung der Genossenschaft.<br />

Vielleicht ist der Bezug auf Riedlingen ein Hinweis<br />

darauf, daß der Wald ursprünglich den Grafen von Veringen<br />

gehört hatte. Diese hatten Ende des 13. Jahrhunderts ihren<br />

Besitz südlich der Donau an das Haus Habsburg abgetreten.<br />

Und im 16. bis 18. Jahrhundert machte das Haus Habsburg<br />

als Inhaber der Vorderösterreichischen Lande ja Ansprüche<br />

und Rechte in diesem Raum geltend.<br />

Die Waldnutzung durch die Weithartgenossenschaft<br />

1740 heißt es, daß den Genossen der Wald mit »aller Nutzbarkeit<br />

an Wohn (Wunn), Weyd, Trieb und Tratt, Beholzung<br />

und Äckerich etc.« zustehe. Im Gegensatz zum heutigen<br />

bäuerlichen Wirtschaften war bis um 1800 der Wald ein<br />

notwendiger Bestandteil der bäuerlichen Arbeits- und Nutzungssphäre.<br />

Die Alltagskultur war damals vollständig vom<br />

Holz abhängig, der Wald war für das Leben und Überleben<br />

unentbehrlich. Für den Hausbau, für Zäune, für Werkzeug<br />

und Geräte wurde Holz benötigt. Holz war weitgehend der<br />

einzige Brennstoff. Der Wald hatte ein anderes Erscheinungsbild<br />

als der heutige, der fast allein der Holzproduktion dient.<br />

Der Mischwald mit einem hohen Anteil von Laubbäumen<br />

war mit Weideplätzen durchsetzt, auf die das Vieh getrieben<br />

wurde. Das Laub wurde im Herbst gesammelt und als<br />

Laubheu im Winter an das Vieh verfüttert. Die Eicheln und<br />

Bucheckern dienten den Schweinen im Herbst als Mast. Die<br />

Linden und Obstbäume im Wald stellen eine gute Bienenweide<br />

dar. Zu erinnern ist, daß der Honig damals der gängige<br />

Süßstoff war. Für die Bauern bot der Wald ergänzende<br />

Nahrung. Hier holten sie Obst, Beeren, Pilze und Kräuter.<br />

Die gemeine Weide und der Allmendewald hatten für die<br />

bäuerliche Wirtschaft also einen hohen Stellenwert. Eine<br />

größere Tierhaltung war ohne diese Flächen nicht möglich.<br />

Der Wald war auch eine unentbehrliche Nutzungsreserve, die<br />

man vor Übergriffen Fremder wie vor Überbeanspruchung<br />

und Übernutzung schützen mußte.<br />

Man kann sich vorstellen, daß solch breitgefächerte Anforderungen<br />

an einen Wald zu großen Schädigungen führen konnten.<br />

Und daß dies so ist, zeigt die Nutzungsgeschichte des<br />

Weithart. Es ist typisch, daß 1522 der Streit um den Schweinetrieb<br />

der Magenbucher Bauern beurkundet wurde. Ende<br />

des 15. Jahrhunderts ist ein Bevölkerungswachstum und ein<br />

wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen. Wälder wurden<br />

gerodet und damit wurde die Weide, die Futterbasis für<br />

die Tierhaltung, knapp. Auf diesem Hintergrund entstanden<br />

in vielen Territorien herrschaftliche wie dörfliche Ordnungen,<br />

die die Waldnutzung regelten und den Viehauftrieb in<br />

die Wälder beschränkten. Insofern entspricht die Nutzungsgeschichte<br />

des Weithart der allgemeinen Entwicklung in<br />

Süddeutschland.<br />

Der Weithart war für die Anstößer ein Teil der Allmende, ein<br />

Wald, der gemeinschaftlich genutzt wurde. Es war eine ganz<br />

normale Sache, daß die Anlieger, damals Anstößer genannt,<br />

Weiderechte für das Vieh und die Schweine besaßen.

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