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Ausgabe 1989 - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Für die heidnischen Alamannen belegt Agathias von Myrina<br />

(Hist. 1.6) einen Naturdienst noch im späten Ö.Jahrhundert<br />

(vgl. Gottlieb 1969). Wenn der byzantinische Geschichtsschreiber<br />

von Flußläufen und Schluchten gehört hat, die<br />

neben Bäumen und Höhen in der Religion der Alamannen<br />

eine Rolle gespielt haben sollen, dann ist hier an die Gegebenheiten<br />

im Donaudurchbruch bei Beuron zu denken. Wenn es<br />

im 8. Jahrhundert - trotz des von Agathias gerühmten guten<br />

Beispiels der christlichen Franken - in Alamannien noch<br />

Heiden gab, die ihren alten Gepflogenheiten noch nachgingen,<br />

dann war der Kirchberg über dem Donautal zu ihrer<br />

Überwachung bestens geeignet: er liegt genau über dem<br />

Zentrum »Schänzle«, ein kleines Kapf-System im Donaudurchbruch,<br />

gegenüber von Wirtenbühl und Heidenkapf, als<br />

dem Mittelpunkt eines großen, beide Talseiten überspannenden<br />

Systems.<br />

Auch wenn eine solche Kontrollfunktion ursprünglich eine<br />

Klostergründung gerechtfertigt haben mag, blühende<br />

Gemeinschaften konnten in diesen extremen Lagen nicht<br />

daraus entstehen. Aus der Fehlgründung Hethis erwuchs<br />

nach der Verlegung ins Wesertal das mächtige Corvey in der<br />

Gunst Ludwigs des Frommen und späteren Kaisers. Das<br />

wenige Jahrzehnte ältere Alt-Beuron dagegen verkümmerte<br />

auf seinem Berg. Zu einer Zeit, in welcher sich der ursprüngliche<br />

Anlaß zur Gründung längst erledigt hatte, lag es deshalb<br />

nahe, seine Insassen wie den Namen und das Kirchenpatrozinium<br />

ebenfalls auf eine lebensfähige Neugründung im Tal zu<br />

übertragen. Diese Neugründung der Kirchenreform verfolgte<br />

andere Ziele. Mit dem Rauhen Stein, dem Hornfels und<br />

dem Käpfle samt seinen undatierten Scherben und Wällen<br />

(Biel 1987) gibt es auch nahe dem jüngeren Beuron donauabwärts<br />

Anzeichen für das ältere alamannische Heidentum; für<br />

die Gründung des 11. Jahrhunderts dürften sie schon lange<br />

nicht mehr von Belang gewesen sein.<br />

Es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich in Schriftquellen noch<br />

erhärtende Belege für die ältere Geschichte Beurons auffin-<br />

HANS-DIETER LEHMANN<br />

den lassen werden. Wegen der für Beuron mageren Quellenlage<br />

ist allen sonstigen Hinweisen nachzugehen. Die Parallelen<br />

hier zu anderen Örtlichkeiten machen es aber zumindest<br />

wahrscheinlich, daß in den angezweifelten Beuroner Traditionen<br />

ein echter Kern steckt. Alt-Beuron dürfte aber allenfalls<br />

als eine karolingische Missionszelle, nicht aber als die<br />

dem 18. Jahrhundert zum Wunschtraum gewordene<br />

Reichsabtei auf dem Kirchberg gelegen haben.<br />

Literatur<br />

Biel (1987): /. Biel, Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern,<br />

Stuttgart 1987, S.224<br />

Dertsch (1964): R. Dertsch, Ottobeuren und die Ortsnamen auf<br />

-beuren, in: Ottobeuren 764-1964, Beiträge zur Geschichte der<br />

Abtei, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens<br />

und seiner Zweige, Bd. 73 (1962), Augsburg 1964, S. 24-31<br />

Gottlieb (1969): G. Gottlieb, Die Nachrichten des Agathias aus<br />

Myrina über das Christentum der Franken und Alamannen, Jahrb.<br />

Rom.-German. Zentralmus. Mainz 16 (1969), S. 149-158<br />

Herberhold (1955): F. Herberbold, Die auf den Namen Karls des<br />

Großen gefälschte Urkunde für Beuron, in: Festschrift A.Hofmeister<br />

zum 70. Geb., Halle 1955, S. 80-112<br />

Lehmann (1988): H.-D. Lebmann, Wo lag Hethis - im Solling oder<br />

im Osning? Northeiner Heimatblätter 53 (1988), S. 53-61<br />

Matthes (1982): W. Matthes, Corvey und die Externsteine - Schicksal<br />

eines vorchristlichen Heiligtums in karolingischer Zeit, Stuttgart<br />

1982<br />

Schöntag (1988): W. Schöntag, 250 Jahre Abteikirche Beuron.<br />

Geschichte, geistliches Leben, Kunst. Beuron 1988<br />

Ders.: Die Augustinerchorherrenabtei Beuron, Beilage zum Staatsanzeiger<br />

Baden-Württemberg <strong>1989</strong>, S. 10-16<br />

Stierle (1987): L. Stierle, Bartholomäus Pirzschelin, der umstrittene<br />

Augustiner-Chorherr von Beuron und Pfarrherr in Egisheim,<br />

Zschr. für Hohenz. Geschichte 23 (1987), Sigmaringen <strong>1989</strong>,<br />

S. 217-228<br />

Walter (1948): M. Walter, Der Name Beuron, Schwäbisches Tagblatt<br />

(Hechingen) 1948, Nr. 12 und 16 (13. und 27. Febr. 1948), s.<br />

Hohenz. Heimatbibl. Hechingen, Nr. 4073.<br />

Wikinger am Vierwaldstätter See und auf der Schwäbischen Alb ?<br />

Vor wenigen Jahren hat Schneider 1 in einer verdienstvollen<br />

Zusammenstellung der Literatur den Wahrheitsgehalt der<br />

schweizerischen und der schwäbischen Stammestradition<br />

überprüft. Die in dem »Herkommen der Schwyzer und<br />

Oberhasler«, in der nordschwäbischen Herkunftssage und im<br />

Anno-Lied erhaltenen Reste konnte er durch wahrscheinlich<br />

hier zugehörige Zeugnisse aus dem Voralbland und aus der<br />

Baar erweitern. Alles Wesentliche enthält seine Zusammenfassung:<br />

1. Die auf eine Herkunft aus Skandinavien hinweisende und<br />

unsoweit mit den Abstammungstraditionen der Goten und<br />

Langobarden übereinstimmende Herkunftssage ist nicht nur<br />

in dem »Herkommen der Schwyzer und Oberhasler«, der<br />

nordschwäbischen Origo gentis Sweworum und dem Anno-<br />

Lied erhalten geblieben, sondern höchstwahrscheinlich auch<br />

in einer Reihe von örtlichen Überlieferungen Südwestdeutschlands.<br />

2. Für die Glaubwürdigkeit der swebischen Herkunftssage<br />

spricht, daß die genannten Überlieferungen verschiedene<br />

historische Einzelheiten enthalten, so etwa, daß die Alamannen<br />

ein nach Art einer Wanderlawine entstandener Stamm<br />

42<br />

sind (Herkommen, Annolied) oder daß die Vorfahren berittene<br />

Krieger, also die Oberschicht des Volkes gewesen sein<br />

sollen (Origo, örtliche Überlieferung Betzingens und des<br />

Steinlachtals).<br />

4. Auch die Verwandtschaft des alamannischen und des altnordischen<br />

Rechts, namentlich aber die Übereinstimmung<br />

vieler nur im alamannischen Gebiet vorkommenden Wörter<br />

mit dem Wortgut der nordischen Sprachen ist ein Beweis<br />

dafür, daß die Vorfahren der Alamannen einst in Skandinavien<br />

gewohnt haben.<br />

Punkt 3 bei Schneider ist zu streichen. Er setzt die skandinavische<br />

Einwanderung in die frühe Eisenzeit. Die Stammesüberlieferungen<br />

berichten aber eine viel spätere Zuwanderung aus<br />

»Schweden«: die Vorgänge sind wie die Abwanderung der<br />

Langobarden an das Ende der Völkerwanderung zu datieren.<br />

Die alten Sitze der Semnonen werden im Ö.Jahrhundert<br />

geräumt 2 - unter dem Einfluß früher Wikinger, die die Elbe<br />

aufwärts vordrangen.<br />

Dieser Schluß ist eine Parallele zu neueren Erkenntnissen<br />

über die Stammesbildung der Sachsen. Hauck 3 hat aus der

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