Ausgabe 1989 - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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OTTO H. BECKER<br />
Der ehemalige Besitz<br />
des Hauses<br />
Hohenzollern-Sigmaringen<br />
in den Niederlanden<br />
Ein historischer Rückblick unter<br />
Berücksichtigung der Partnerschaft<br />
zwischen Boxmeer und Sigmaringen<br />
1) Vorbemerkung<br />
Die unmittelbar wohl bedeutendste Auswirkung der französischen<br />
Revolution auf die deutsche Geschichte war die<br />
territoriale Umgestaltung Deutschlands und die daraus resultierende<br />
Auflösung des Alten Reiches im Zeitalter Napoleons.<br />
Wie Fritz Kallenberg herausgearbeitet hat, gelang es den<br />
Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-<br />
Sigmaringen vor allem dank der Rückendeckung des stammverwandten<br />
preußischen Königshauses und der guten Beziehungen<br />
der Fürstin Amalie Zephyrine von Hohenzollern-<br />
Sigmaringen (1760-1841) zum Hof Napoleons der damals<br />
drohenden Mediatisierung 1806 durch ihre Aufnahme als<br />
souveräne Fürsten in den Rheinbund zu entgehen.<br />
Grundvoraussetzung für die Rangerhöhung der hohenzollernschen<br />
Fürsten war ihre Einbeziehung in das Entschädigungsgeschäft<br />
der Säkularisation 1802/3, wozu der Verlust<br />
ihrer Feudalrechte in den Niederlanden die rechtliche Grundlage<br />
bot. So erhielt Fürst Hermann von Hohenzollern-<br />
Hechingen (1751-1810) im Reichsdeputationshauptschluß<br />
1803 für seine verlorenen Feudalrechte in der Grafschaft<br />
Geulle und in den Herrschaften Mouffrin und Baillonville die<br />
dem Stift Kreuzlingen gehörige Herrschaft Hirschlatt in<br />
Oberschwaben und das landsässige Kloster Stetten. Durch<br />
das Reichsgesetz wurde dem Hechinger Fürsten außerdem<br />
das Recht eingeräumt, die in seinem Territorium gelegenen<br />
Klöster Rangendingen und St. Luzen sowie das Hechinger<br />
Kollegiatstift einzuziehen.<br />
Noch günstiger fiel die Entschädigung des Fürsten Anton<br />
Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen (1762-1831) aus. Dieser<br />
erhielt im Reichsdeputationshauptschluß für seine verlorenen<br />
Feudalrechte in den Herrschaften Boxmeer, Dixmuiden,<br />
Bergh, Gendringen, Etten, Wisch, Pannerden und Millingen<br />
die dem Kloster Muri in der Schweiz zugehörige<br />
Herrschaft Glatt, das Augustinerchorfrauenstift Inzigkofen,<br />
das Augustinerchorherrenstift Beuron und das Benediktinerinnenkloster<br />
Holzen bei Dillingen in Bayerisch Schwaben.<br />
Die niederländische Erbschaft begründete wie Fritz Kallenberg<br />
einmal wohl zurecht feststellte, den späteren Reichtum<br />
der bis dahin keineswegs wohlhabenden Sigmaringer Linie.<br />
Der Bedeutung der niederländischen Besitzungen für das<br />
Haus Hohenzollern-Sigmaringen und damit auch für die<br />
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Landesgeschichte Hohenzollerns eingedenk, soll im folgenden<br />
deren Erwerb kurz beleuchtet und danach ihre geschichtliche<br />
Entwicklung im Rahmen des Fürstl. Gesamtbesitzes bis<br />
zum endgültigen Verkauf im Jahre 1912 dargestellt und<br />
abschließend auf die bestehenden Beziehungen zwischen<br />
Boxmeer in Holland mit Sigmaringen eingegangen werden.<br />
2) Die niederländische Erbschaft des Hauses Hohenzollern-<br />
Sigmaringen<br />
Der Erwerb der Besitzungen in den Niederlanden war das<br />
Ergebnis einer geglückten dynastischen Heiratspolitik. 1666<br />
heiratete Fürst Maximilian I. von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
(1636-1689) die Gräfin Maria Clara von Bergh (1644-1715),<br />
deren Bruder, Graf Oswald III. von Bergh, 1712 als letzter<br />
Sproß seines Geschlechts starb. Der Graf hatte in seinem<br />
Testament die Fürstin Maria Clara zu seiner Universalerbin<br />
mit der Auflage eingesetzt, daß sie ihre Rechte an ihren<br />
zweitgeborenen Enkel, den Grafen Franz Wilhelm von<br />
Hohenzollern-Sigmaringen (1704-1737), abtreten und dieser<br />
den Namen und das Wappen des gräflichen Hauses Bergh als<br />
»Graf zum Bergh und Hohenzollern« annehmen und in den<br />
Niederlanden residieren sollte.<br />
Graf Franz Wilhelm zog nach Bergh und begründete die<br />
Nebenlinie Hohenzollern-Sigmaringen-Bergh. Seine älteste<br />
Tochter, die Gräfin Johanna von Hohenzollern-Bergh<br />
(1727-1787), wurde 1749 mit ihrem Vetter, dem damaligen<br />
Erbprinzen Karl Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
(1724-1785) verheiratet. Die jüngere Tochter Maria Theresia<br />
war Stiftsdame in Remiremont (Vogesen); sie starb am 28.10.<br />
1800 in Sigmaringen.<br />
Die Nachfolge des Grafen Franz Wilhelm in Bergh trat 1737<br />
dessen Sohn, Graf Johann Baptist von Hohenzollern-Bergh<br />
(geb. 1728), an, der als »der tolle Graf« noch heute im<br />
Gedächtnis vieler Niederländer lebendig ist. Durch seine<br />
unglückliche Ehe mit der Gräfin Maria Benonia von Lodron<br />
endgültig aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht, zeichnete<br />
er sich eigentlich nur durch Untaten aus. So erstach er<br />
offensichtlich grundlos 1748 den Kaufmann Ansay in Boxmeer<br />
auf offener Straße. Seiner Gefangennahme durch den<br />
Rat von Brabant entzog er sich durch Flucht. Sein Vorhaben,